152 Magazin für Glamour und Diskurs. MONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1040 WIEN, P.B.B. GZ 05Z036212 M, Nº 152, SEPTEMBER / OKTOBER 2015
KC Streichel, Fake News und Satire 001 Gap 152 Cover ƒ.indd 1
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Vienna Biennale
2015
Ideas for Change 11.6. – 4.10.2015 Die erste Biennale für Kunst, Design und Architektur
Kulturelle Partner
MAK Angewandte Kunsthalle Wien Az W departure Österreichisches Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst
Universität für angewandte Kunst Wien
Architekturzentrum Wien
Kreativzentrum der Wirtschaftsagentur Wien
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Leitartikel von Thomas Weber.
Im Zug mit alten Damen Zwei nette Omas unterhalten sich in der S-Bahn über ihre Enkel. Was beginnt wie ein harmloser Witz, brachte mich vor ein paar Wochen beinahe zum Verzweifeln. Über »Afrikaner«, Resignation und Politik aus dem Rückenmark.
ie Hitzewelle hat ihren ersten Durchhänger gerade hinter sich. Ich sitze im Zug aus der Stadt in Richtung Suburbia. Der Akku leer, ich höre keine Musik, sondern den Leuten zu. Schräg vor mir – ich sehe ihre Spiegelbilder im Fenster – unterhalten sich zwei ältere Damen. Harmloses dies und das. Der Enkel braucht eine Zahnspange. Die Enkelin der anderen ist gerade auf Zeltlager. Werden die schwitzen! Gut für den Garten, dass es gerade geregnet hat. Blöd halt für die Paradeiser, die mögen die Feuchtigkeit von oben nicht so. Wirklich wild war er, der Regen letzte Nacht. Und plötzlich traue ich meinen Ohren kaum: Die halbe Nacht bin ich wach gelegen wegen dem Regen. Die Armen in Traiskirchen! Im Freien müssen sie schlafen. Haben eh schon nix und dann das auch noch. Ich bin gerührt und, ja, begeistert fast. Durchschnittsmenschen mit Mitgefühl! So oft schon habe ich in den vergangenen Wochen Stimmen gehört, Kommentare gelesen, Dinge weitererzählt bekommen, die mich an der Mitmenschlichkeit meiner Mitmenschen haben zweifeln lassen. Da tut es gut, einmal zwei Muaterln zu hören, die sich nicht von Wut, Hass und Angst lenken lassen. Keine alten Hippies oder pensionierten Volksschullehrerinnen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit die Grünen wählen, sondern gepflegte Damen – früher hätte man sie gutbürgerlich genannt –, ganz gleich, ob sie sich in der Pfarrgruppe oder im »Haus der Begegnung« zu Hause fühlen. Doch zu früh gefreut. Gerade waren noch die armen Hascherln im Freien bedauert – Man müsste die Schulen aufmachen, in den Turnsälen ist doch Platz genug für alle! –, schon schlägt die Furcht durch
feinden, ihrer herzlosen Politik aus dem Rückenmark, ihrer gewissenlosen Sprache. »Warum nennt man eigentlich die Asylsuchenden Betrüger?«, fragt sich der pensionierte bayerische Asylrichter Peter Vonnahme in einem Blog-Beitrag. »Kein Bauwerber, dessen Bauantrag abgelehnt wird, ist in unserem Sprachgebrauch ein Baubetrüger. Ebenso wenig ist ein Unternehmer, dessen Subventionsantrag abgelehnt wird, ein Subventionsbetrüger. Nur die erfolglosen Asylantragsteller sollen Betrüger sein? Das ist hetzerisch.« Wir alle sind gefordert achtzugeben, dass sich diese Hetze nicht breiter macht als sie ohnehin schon ist. Ich werde meine Augen nach den beiden Omas offen halten. Sollte ich sie wieder treffen, werde ich das Gespräch suchen. Nein, einfache Antwort und eine Lösung der Misere habe ich natürlich auch keine parat. Doch die Welt ihrer Enkelkinder wird eine andere sein, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht. Und die Schulbank werden sie mit manch Flüchtlingskind und Dagebliebenem teilen. Mit Betonung auf »teilen«. Dazu gibt es keine menschlich vertretbare Alternative. »Ein Ende dieses Flüchtlingsstroms ist nicht in Sicht«, schreibt der pensionierte Asylrichter. »Er folgt archaischen Verhaltensmustern. Wir können versuchen, Mauern aufzurichten, um unseren Reichtum zu verteidigen. Aber diese Mauern werden dem Andrang von Abermillionen auf Dauer nicht standhalten.« Machen wir uns nichts vor: Die nächsten Jahre werden ungemütlich und unbequem. Und jeder von uns wird gefordert sein. Zug fährt ab. Bild Michael Winkelmann
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– Aber wo solln’s dann hin, wenn die Schule wieder losgeht? Unsere Kinder müssen ja in die Schule gehen! –, schon scheint die Abschottung der Weisheit letzter Schluss: Also wenn ich die Ministerin warat, ich tät’ alle Grenzen dicht machen, ganz radikal. Sollen’s halt schauen, wo’s hinkommen, die Afrikaner! Ich. war. baff. Binnen eineinhalb Minuten vom Mitgefühl über furchterfülltes Scheißdrauf zum aggressiv-trotzigen Mirdochwurscht mit rassistischem Grundton (»Afrikaner« war wohl auch nicht anders gemeint als »Neger«) – diese argumentative Achterbahnfahrt muss man intellektuell wie emotional erst einmal hinkriegen. Eine traurige Anekdote, nicht mehr!, kann man einwenden. Ja, stimmt. Doch was bei mir auch Wochen nach dieser Beobachtung geblieben ist, ist Wut. Eine Wut auf zwei Regierungsparteien, die sich nicht nur der unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht haben, sondern vor allem auch der unterlassenen klaren Worte – und fehlender Leadership. Vom widerlichen Volksverhetzer Strache ist nichts anderes zu erwarten. Wir sind es gewohnt, dass er auf dem Rücken der Schwächsten Stimmung macht. Doch von staatstragenden christlich-sozialen und sozialdemokratischen Politikern muss man erwarten können, dass diese zugunsten dieser Schwächsten Partei ergreifen, und zwar eindeutig, ohne zu zögern. Vielleicht war es das, was Stronach meinte, als er von »fehlenden Werten« faselte. All die lächerlichen Gegenargumente – wir haben sie natürlich gehört. Sie gelten schlicht nicht. Denn Politik braucht Symbole und gerade in Ausnahmesituationen auch klare Bekenntnisse. Meine zwei Omas aus dem Zugabteil sind das beste Beispiel für die Orientierungslosigkeit, die in weiten Teilen der Bevölkerung vorherrscht – und eine Schwankungsbreite, die mitunter eben von wohlwollender Anteilnahme bis zum ablehnenden Hass reicht. Wenn Politiker hier schweigen, passiv bleiben, zögern oder nichts tun, überlassen sie die Deutungshoheit den Freiheitlichen, Nazis und Menschen-
Thomas Weber Herausgeber weber@thegap.at @th_weber
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Wanda Platin. Vor »Amore« hat das keine andere IndieBand in Österreich geschafft. Und Indie sind Wanda schon länger nicht mehr. Kompromisse wollen sie trotzdem keine eingehen. Kein Herzblatt moderieren, keine Songs an Werbung verkaufen. Gerade Sänger Marco Michael Wanda versteht aber das Spiel mit dem Publikum und mit den Medien. Sexismus – pah! Andere österreichische Bands – vollkommen bescheuert. Und ein neues Album gibt es ja auch noch, »Bussi«.
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Magazin Fake News und Satire 014 —— Böhermann und John Oliver, Die Tagespresse und KC Streichel – was fangen wir mit den neuen Satire-Stars an, außer uns in Fäustchen zu lachen? Golden Frame: Fabian Kasper 018 —— Ein Fotoprojekt zeigt Flucht und Vertreibung, Menschen, aber auch Orte der Migration und des Übergangs. Wanda 020 —— Dass Wanda vor einem Jahr völlig unbekannt waren, ist schwer zu glauben. Mit dem zweiten Album wird die Band aber noch größer werden. Boy 024 —— Das Duo Boy wirkt lieblich und unschuldig, obwohl ihre Songs doch oft unnahbar sind. Was aber unterscheidet sie von hunderten anderen Akustik-Duos? Schnipo Schranke 025 —— Warum es untenrum nach Pisse riecht? Auf den Indie-Hit aus dem Vorjahr folgen noch mehr geile Zeilen. 90ies Revivalism 026 —— Revivals sind auch ein MarketingGag. Dahinter steckt aber noch mehr als der perfide Plan von ein paar Modehäusern und einfallslosen Musikern. product placement im film 028 —— Für Sponsoren ist es relativ egal, ob du einen Film im Kino, als Torrent oder im Stream siehst. Das Geld kommt über Product Placement rein.
ttack on titan 030 —— Das schlimmste Monster ist der a Mensch – und seine größte Hoffnung. Eine Serie – und seine Kinoadaption – setzen dieses Prinzip perfekt um. clemens L. Setz 032 —— 1.000 Seiten, ohne zu langweilen? Nicht mit Clemens L. Setz. Er stellt neben unserer Geduld auch die Grenzen des Wahnsinns auf die Probe. kremayr & Scheriau 034 —— Mit ernster Literatur ist sich kein Geld zu verdienen. Ein etablierter Sachbuchverlag lässt sich davon nicht abschrecken. Mural Harbor 036 —— Im Linzer Hafen ist beinahe unbemerkt eine prächtige Street Art Gallery entstanden. 1 naise gangster map 038 —— Von Chabo City nach DöBling-Bling. Von Murdereten nach Rudolfcrime. Neue Namen für Wiens 23 Bezirke. sinn city: Mobilität 040 —— Was, wenn man den 13a plötzlich durch ein zukunftsfähiges Gefährt ersetzen müsste? Brutalismus 042 —— Der Baustil hat einen schlechteren Ruf, als er verdient. Dabei haben wir Sichtbeton viel zu verdanken.
der Online-Shop
von The Gap
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Attack On Titan Titanen greifen die Menschheit an. Sie sehen aus wie übergroße Menschen und schauen ruhig und friedlich aus, wenn sie Jagd auf ihre Beute machen. Die Menschen leben hinter drei großen Mauern, Korruption und Verrat gehören längst nicht der Vergangenheit an. Hinter dem enormen Erfolg der japanischen Anime-Serie steckt aber mehr als nur atemberaubende Bilder, manische Helden und ein einzigartiges Setting. Sigmund Freud hat ein paar Antworten dazu.
030 Rubriken Leitartikel 003 Inhalt 004 Editorial 006 Porträts / Impressum 006 Fondue 007 Unbezahlter Anzeiger 009 Splitter 010 Workstation: Isabelle Orsini-Rosenberg und Jeff Mangione 044 Prosa: Sandra Gugić 048 Reviews 052 Termine 058
Bild der Ausgabe Oko Oko und Moogle standen wieder an den Wheels Of Steel. Dazu tanzte eine Kabine des Wiener Riesenrads voll mit Menschen. Ist so beim Prater Unser Festival der Pratersauna passiert und war wie immer eine … runde Sache.
Kolumnen Dance Yrself Clean Das Emoji Game ist strong in diesem Padawan Know-Nothing-Gesellschaft
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Fake Sexismus — Scheiße, richtiges Coverthema, aber wen fragen wir da? Jonas? Der ist als Chefredakteur von Noisey zwar schwer eingedeckt, aber immerhin geht er laufend auf Journalismustage und sieht sich nicht nur Memes, sondern auch all diese Satire-Formate an. Außerdem mischt er sich auf Twitter vor allem bei Medienthemen ein. Wir haben Jonas Vogt – der mehrere Jahre lang bei The Gap als Redakteur angestellt war – also gefragt, und glücklicherweise hat er das Thema deutlich besser heruntergebrochen als wir es selbst gekonnt hätten. Die Wien-Wahl steht an, Die Tagespresse experimentiert mit neuen Formaten, alte Hasen treten ab. Was Fake News und Satire aber bewirken können? Dolce fa niente (S. 14)? Es war die nicht so offensichtliche Coverstory. Wanda mit der Bussi-Tasse hätten sich wohl viele erwartet, die müssen mit vier Sei- Doppeltes Leben — Lisa ist der größte Alt-Jten vorlieb nehmen, in denen auch Sexismus Fan, den man sich vorstellen kann. Das Video und all die Bands angesprochen werden, die »How to write an Alt-J song« hat sie deshalb Wanda vollkommen bescheuert finden (S. 20). natürlich von Freunden mehr als ein DutDazu ein bisserl Buch (S. 32), ein bisserl Street zend Mal geschickt bekommen (wegen des Art (S. 36), ein bisserl Brutalismus (S. 42) – ihr Videos hatte dieser Text auch testweise die kennt das. Was ihr vielleicht auch kennt, ist Überschrift »Put It In My Butt«). Man ist halt »Ich seh, ich seh«. Dass der US-Trailer des neidisch, wenn jemand so arg für eine Band österreichischen Arthouse-Horrorfilms seit brennt. Und man fragt sich, wie Lisa all das, Anfang August über dem Teich häufig als der was sie macht, in einem einzigen Leben ununheimlichste Trailer aller Zeiten besprochen terbringt. Gerade studiert sie – festschnallen wird, hat The Gap online die besten Zugriffe – Doktorat in vergleichenden Literaturwissenaller Zeiten beschert. Was du nicht siehst, schaften, Master in Kunstgeschichte, Bachewerden veraltete virale News in diesem Print lor Philosophie und Diplom Rechtswissenschaften. Ja, sie hat eine Zwillingsschwester. heft sein. Aber die hat ein eigenes Leben und Prüfungen haben sie noch nie füreinander geschrieben. Was ist das überhaupt für eine Frage? Also Stefan Niederwieser verfasst sie neben der Galerienseite und Reniederwieser@thegap.at views für The Gap auch noch Artikel für Noi@the_gap sey, Press Play und Beiträge bei FM4. Praktika, Leistungsstipendien, ja sogar Denkmalpflege hat sie schon gemacht. Bei all dem Pensum ist Alt-J zu interviewen dann eigentlich keine Arbeit.
Zielsicher — Sonderlich oft hatte The Gap bisher noch keine Foto-Praktikanten, die vor allem Fotos schießen sollten. Theresa Tropschuh – von der viele anfangs dachten, sie würde einfach nur Trop heißen – hat dabei prompt die aktuelle »Workstation« von Menschen an ihrem Arbeitsplatz fotografiert. An diese Aufgabe ist sie – so wie bei allem anderen – sehr gewissenhaft vorgegangen, hat recherchiert, Vorschläge geschickt und den Status rapportiert, wie man sich das von Profis wünschen würde. 20 Jahre ist sie alt, Schülerin an der Graphischen und leidenschaftliche Teetrinkerin. Dazu noch Wanderfreak, Naturjunkie und Todesfeind schlechter Ausrüstung. Fotojournalistin möchte sie einmal werden und der Umgang mit Spiegelreflex, Blende oder Kadrierung ist schon sehr vielversprechend. Mobil bleibt sie dabei mit einem Longboard, Führerschein ging sich nämlich irgendwie noch nicht aus. Und sie würde nicht recht zu The Gap passen, wenn sie nicht ein, zwei eigenartige Hobbys hätte, Insekten essen und Fechten nämlich. Letzteres sogar als Wiener Meisterin ihrer damaligen Altersklasse.
TEXT STEFAN NIEDERWIESER
TEXT HANS HORVATH
Lisa Schneider
Theresa Tropschuh
Impressum
HERAUSgeber Thomas Weber chefredaktION Martin Mühl, Stefan Niederwieser Redaktion Ranya Abd El Shafy, Niko Acherer, Benjamin Agostini, Amira Ben Saoud, Josef Berner, Sandra Bernhofer, Manuel Bovio, Ivo Brodnik, Stephan Bruckner, Johannes Busching, Ann Cotten, Lisa Dittlbacher, Juliane Fischer, Holger Fleischmann, Philipp Forthuber, Manuel Fronhofer, Miriam Frühstück, Barbara Fuchs, Carola Fuchs, Daniel Garcia, Yannick Gotthardt, Manfred Gram, Dominique Gromes, Philipp Grüll, Julia Gschmeidler, Andreas Hagenauer, Teresa Havlicek, Jan Hestmann, Magdalena Hiller, Christoph Hofer, Sebastian Hofer, Peter Hoffmann, Michael Huber, Reiner Kapeller, Jakob Kattner, Sophie Kattner, Markus Keuschnigg, Michael Kirchdorfer, Kristina Kirova, Stefan Kluger, Michaela Knapp, Markus Köhle, Christian Köllerer, Alexander Kords, Christoph Kranebitter, Rainer Krispel, Michael Bela Kurz, Philipp L’Heritier, Franz Lichtenegger, Artemis Linhart, Gunnar Landsgesell, David Mochida Krispel, Davi Maurer, Christiane Murer, Nuri Nurbachsch, Dominik Oswald, Ritchie Pettauer, Stefan Pichler, Johannes Piller, Stefanie Platzgummer, Christoph Prenner, Teresa Reiter, Werner Reiter, Kevin Reiterer, Martin Riedl, Tobias Riedl, Gabriel Roland, Georg Russegger, Stefan Schallert, Joachim Schätz, Peter Schernhuber, Bernhard Schmidt, Nicole Schöndorfer, Werner Schröttner, Tanja Schuster, Richard Schwarz, Katja Schwemmers, Katharina Seidler, Christoph Sepin. Wolfgang Smejkal, Lisa Stadler, Roland Steiner, Gerald C. Stocker, Johanna Stögmüller, Sophie Strohmeier, Peter Stuiber, Werner Sturmberger, Denise Helene Sumi, Yasmin Szaraniec, Hanna Thiele, Horst Thiele, Franziska Tschinderle, Erwin Uhrmann, Jonas Vogt, Luise Wolf, Maximilian Zeller, Martin Zellhofer, Barbara Zeman PRAKTIKUM Denis Baskan, Yasmin Vihaus, Sarah Wetzlmayr termine Manuel Fronhofer, Stefan Niederwieser AUTOREN Georg Cracked, Michaela Knapp, Michael Lanner, Moriz PifflPercevic, Jürgen Wallner, Martin G. Wanko fotografie Florian Auer, Lukas Beck, Stephan Doleschal, Andreas Jakwerth, Georg Molterer, Ingo Pertramer, Kurt Prinz, Karin Wasner Illbilly-illustration Jakob Kirchmayr COVER Hunde raus aus Österreich ART DIRECTION Sig Ganhoer DESIGN Elisabeth Els, Manuel Fronhofer, Erli Grünzweil, Katharina Kvasnicka Lektorat Wolfgang Smejkal, Adalbert Gratzer web Super-Fi, m-otion anzeigen Herwig Bauer, Thomas Heher, Micky Klemsch, Martin Mühl, Thomas Weber (Leitung) Distribution Martin Mühl druck Ferdinand Berger & Söhne GmbH, Pulverturmgasse 3, 1090 Wien geschäftsFÜHRung Martin Mühl PRODuktion & MedieninhabERin Monopol GmbH, Wohllebengasse 16/6, 1040 Wien kontakt The Gap c/o Monopol GmbH, Wohllebengasse 16/6, 1040 Wien; Tel. +43 (1) 20 57 06; wien@thegap.at, www.thegap.at, www. monopol.at, office@thegap.at bankverbindung Monopol GmbH, easybank, IBAN AT77 14200 20010710457, BIC EASYATW1 abonnement 10 Ausgaben; Inland EUR 15, Europa EUR 35, Rest der Welt EUR 42 HEFTPREIS EUR 2 erscheinungsweise 8 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1040 Wien Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Für den Inhalt von Inseraten haftet ausschließlich der Inserent. Für unaufgefordert zugesandtes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung.
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NDUE
Spähaugen und Schnappschützen aufgepasst: The Gap freut sich immer über bemerkenswerte Momentaufnahmen, optische Querschläger und belichtete Kuriositäten. Einsendungen an fondue@thegap.at
Gibt’s denn diese diskreten kleinen Kärtchen mit Foto nicht mehr?
Sommerzeit ist Zeckenzeit! Für dieses Biest wird eine Pinzette aber nicht ganz ausreichen. Da braucht’s schon eine Rohrzange und einen guten Viertelliter Teebaumöl.
Die Bauernregel besagt: Scheint die Sonne auf dein Pehmis – schen is!
Das neue »Bitte hier keine Werbung«?
Anm.: Steht in keiner Verbindung zum Sucht zentrum Kalksburg und dessen Maltherapien.
Zu Ehren von Dr. Jörg Haider wurde heuer in Klagenfurt ein Gedenk-Mausoleum eröffnet. Aus Geldnot musste das Land Kärnten die Kosten jedoch eher gering halten.
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LUMNE
Eine Abgabe, sie zu knechten, sie alle zu finden vergnügen, das: inneres wohlbehagen, das jemandem ein tun, eine beschäftigung, ein anblick verschafft. kultur, die: gesamtheit der geistigen, künstlerischen, gestaltenden leistungen einer gemeinschaft. gedanken zur vergnügungssteuer. — Alle paar Jahre gibt es bei uns erfreulicher- wie notwendigerweise eine Initiative, die Missstände in der Clubszene anprangert. Dass sich in der Wiener Partywelt in den letzten Jahren viel getan hat, vom 24-Stunden-Betrieb der Wiener Linien an Wochenenden bis zur heiß ersehnten Sperrstundenverlängerung und der Eröffnung zahlreicher neuer Clubs, ist kein Geheimnis. Ebensowenig, dass Wien eine der letzten Bastionen der Vergnügungssteuer ist.
Die Unterscheidung von E und U muss endlich fallen 15 Prozent der Einnahmen am Eingang und acht Prozent von der Bar gehen hier, zusätzlich zu den 20 Prozent Mehrwertsteuer, die man sowieso zahlt, an das Finanzministerium. Gemeinsam mit den AKM-Gebühren und der Versteuerung der Honorare ausländischer DJs ist das für Veranstalter eine schwere Last. »Die Steuerpflicht wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass gleichzeitig erbauende, belehrende oder andere nicht als Vergnügungen anzusehende Zwecke verfolgt werden oder dass nicht die Absicht besteht, eine Vergnügung zu veranstalten«, steht im Gesetzestext. Der Absatz liest sich wie eine Farce. Als »Kultur« bezeichnet man immerhin alles, was nicht mit der Deckung der Grundbedürfnisse von Essen bis Schlafen zu tun hat, und das, was lange Zeit »Unterhaltungsmusik« hieß, wird schon lange nicht mehr abfällig mit »Spaßkultur« gleichgesetzt. Und wenn schon: Spaß, na und? Clubs sind und werden in Zukunft hoffentlich noch mehr zu Orten kultureller Vielfalt, auch ihre Bedeutung für die Förderung von Musikszenen ist unbestritten.
hausdermusik das klangmuseum
THE HIDDEN CAMERAS
hausdermusik das klangmuseum
Clubcharta 2030
19.09.2
SERAFYN
© Tobias Sutter
RADIATION CITY
ESTEBAN‘S
© Paige Craig
THE HIDDEN CAMERAS
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Kolumne: »Dance Yrself Clean« Katharina Seidler Kolumnistin, FM4, Falter — @kaseidler
Bild Pamela Russmann
Unter dem Namen Clubcharta 2030 stehen die heimischen Clubbetreiber und Party-Veranstalter nun erstmals beinahe gesammelt dafür ein, von der Stadtpolitik als Kultur- und Wirtschaftstreibende ernster genommen zu werden. Celeste, Fluc und Pratersauna ziehen dabei am gleichen Strang wie Praterdome oder Volksgarten. »Vor dem Gesetz wird jeder Club genauso behandelt wie ein Schnitzelwirt, nur weil es dort auch um Gastronomie geht«, ärgert sich etwa Peter Nachtnebel vom Fluc. Michael Palliardi, Veranstalter des dreitägigen Summerbreak Festival, das auch die Streetparade beinhaltet, wünscht sich abgesehen von der Steuererleichterung auch mehr Förderungen zur Außenkommunikation von Wien als Party-Hotspot: »Wenn man alles zusammennimmt, bewegen die Clubs der Stadt an einem Wochenende 150.000 Leute.« Ein gewisser Reformwille sei aber zu spüren und vielleicht kann man ja bald schon nach den Wahlen im Oktober mit einer Lockerung der Gesetze rechnen. Denn gerade in Zeiten wie diesen ist es umso wichtiger, ein »Weltbild, welches Verächtlichmachung und Hetze, Ausländerfeindlichkeit und Chauvinismus keinen Platz gibt«, wie es in der Erklärung der Clubcharta steht, zu fördern. One Love.
RADIATION CITY ESTEBAN‘S SERAFYN
Tickets: € 25 / € 19 mit HDM-Membercard, Seilerstätte 30, www.hdm.at 002-013 Gap 152 Splitter ƒ.indd 8
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UNBEZ
HLTER ANZEIGER
Es gibt Dinge da draußen, die sind so gut, die sind Segnungen für die Menschheit, echte Hits der Warenwelt, für die machen wir freiwillig Werbung.
Tiere tragen
Scrabble im Gehen
Ihr kennt doch sicher alle die großartigen Delphin- und Wolf-Shirts, die irgendwann einmal von Programmierern ganz ernsthaft und von Modebloggern und anderen PopkulturMenschen eher scherzhaft getragen wurden? Wollt ihr wirklich sein wie diese Menschen? Wenn ja, super. Wenn nein, könnt ihr euch trotzdem mit Tierischem schmücken, ohne dabei gleich Streit mit Peta zu bekommen. Und wer Meerschweinchen nicht mag, kann sich auch eine Mops-Version kaufen. www.lesara.at
Zuerst bilden sich Pärchen, dann veranstalten sie Pärchenabende und zuletzt besorgen sie sich jeweils Wohnungen, in denen sie noch mehr Pärchenabende veranstalten. Was soll man als Single-Mensch den armen gequälten Seelen mitbringen? Die Antwort lautet leider: Gesellschaftsspiele. Besonders eignet sich hierfür zum Beispiel dieses Scrabble für die Wand. Man kann es quasi im Gehen spielen. Im Aus-der-Wohnung-Gehen-und-nie-Wiederkommen. www.hammacher.com
© Leopold Museum
Washimi Industrie-Designer, die Sushi-Chefs unter den Handwerkern, haben sich wieder etwas ausgedacht. Und bevor jemand fragt: Natürlich ist das sinnlos. Aber andererseits: Hat sich nicht unsere Elterngeneration noch dagegen gewehrt, rohen Fisch zu konsumieren? Eben. Also können wir uns wohl auch dran gewöhnen, uns mit ihm abzutrocknen. Für alle, die schon jetzt bereit für die Zukunft sind, gibt es diese großartigen Handtücher im Sushi-Look. Domo Arigatou. www.ototodesign.com
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SA | 3. OKT | 2015 IN GANZ ÖSTERREICH AB 18:00
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Pandagram-Steckbrief: juz_me Einmal pro Ausgabe bitten wir interessante Menschen, unseren Instagram-Account für 10 Tage zu übernehmen. Das meistgelikte Foto gibt’s hier.
Gebrüder Moped (Gebrüder Moped)
TOP 10
DIE SCHÖNSTEN LÜGEN
01 Österreich ist kein Einwanderungsland. 02 Drei Corner ein Elfer. 03 Die Stones spielen ihre letzte Tour. 04 Beim Schielen bleiben die Augen stecken. 05 I did not inhale. 06 Morgen entfällt Flöte. 07 Wenn wir Dritte sind, gehen wir in Opposition. 08 Erwin Pröll hat keine Zeit. Er liest. 09 Zerbricht ein Fieberthermometer, geht die Welt unter. 10 Werner Faymann ist Bundeskanzler.
TOP 5
WIDERSPRÜCHE IN SICH
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Schwarze Milch Runde Ecke Scharfsinnige Dummheit Offenes Geheimnis Freiheitlicher Bildungssprecher
auch nicht schlecht: Andreas Gabalier (Künstler des Jahres 1934)
Justinne trifft im charmanten Hotel am Brillantengrund gerne Freunde zum Biertrinken oder lässt sich von Tita (phil. Tante) Precy’s »pinoy food« verwöhnen.
Therese Kaiser (Sorority)
TOP 10 EISBECHER
01 Bananensplit 02 Heiße Liebe 03 Spaghetti-Eis 04 Gemischtes Eis – 3 Kugeln 05 Coupe Dänemark 06 Birne Helene 07 Pinocchio-Eis 08 Schwarzwald-Becher 09 Mozart-Becher 10 Fitness-Becher
TOP 5
(SUBTIL) FEMINISTISCHE TV-SHOWS
01 Broad City 02 Gilmore Girls 03 Orange is the New Black 04 Mad Men 05 Transparent
ABOUT
Justinne Birg ist 31 Jahre alt, Sonderschullehrerin und stammt ursprünglich von den Philippinen. Fast 50.000 Follower erfreuen sich an ihren Bildern, die oft Impressionen von den Reisen der Wahlwienerin zeigen. sieht man mir nicht an, ist aber so:
Dass ich Lehrerin bin
am schwersten auf einem foto festzuhalten:
Emotionen
liebste foto-app:
Snapseed
liebster hashtag:
#streetsofvienna
drei follow-empfehlungen
@chrisburkard , @ladyvenom , @anasbarros
schaue oder höre ich nur hinter zugezogenen vorhängen:
philippinische Talkshows
würd’ ich mir tätowieren:
»Stark« in philippinischer Schrift (»Baybayin«)
saidnooneever:
»Ich bin perfekt« … und das ist gut so!
auch nicht schlecht: Hashtags. #polishgirl #summernails #germanboy #bartbeschneidung #pmsterror#
instagram.com/thegapmag
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WAMP internationaler Designmarkt
Am 26. September findet WAMP, der internationale Designmarkt, zum letzten Mal in der heurigen Saison im Wiener MuesumsQuartier statt.
Der stilvolle und anerkannteste Designmarkt Mitteleuropas wird dieses Mal in Kooperation mit dem Visegrad Fond umgesetzt. Das Ziel des Events ist es, talentierte Künstler der Visegrad-Länder (Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn) vorzustellen, um die Zusammenarbeit und das Designer-Netzwerk zu verstärken.
Der internationale Designmarkt, der zuvor bereits in Helsinki, New York, Bratislava, Turin und Peking statt fand, hielt 2014 auch in Wien Einzug. Seit damals fungiert WAMP als regelmäßige Plattform für Design und Kunst. Die Marke WAMP wurde 2006 gegründet und hat mittlerweile bereits über 1.000 Designer als Mitglieder. Am Markt am 26. September stellen über 130 Designer ihre handgefertigte Ware aus, darunter Schmuck, Mode, Accessoires und Wohnungsdekoration aus. Durch die Kooperation mit dem Visegrad-Fond sind die umliegenden Länder stark am WAMP vertreten, aber auch die angesagtesten heimischen Designer. Erstmals stellen sie heuer ihre brandneuen Herbst- und Winterkollektionen aus! WAMP, der Place-to-be im September!
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Mehr infos unter wamp.at oder facebook.com/WAMPvienna
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KC Streichel (Politiker)
TOP 10
»LIEBLINGSSTARS« AUS FILM, FERNSEHEN UND LITERATUR
01 Garfield (Er hat den Begriff AB-Flughund im wahrsten Sinne des Wortes geprägt) 02 Nyan Cat (Niemand kann so gut musizieren wie er!) 03 Kater Karlo (Zu Unrecht immer als Bösewicht verschrien) 04 Fritz, the Cat (Ein echter Lebemann) 05 Alle Cats aus »Cats« (Schnurrrr) 06 Krambambuli aus »Krambambuli« (Ich liebe Geschichten mit Happy End) 07 Hello Kitty 08 Catwoman aus »Batman« 09 Die Grinsekatze aus »Alice im Wunderland« (Ich liebe dieses Zahntechniker-Grinsen) 10 Tom aus »Tom und Jerry«
TOP 5
www.thegap.at/gewinnen
LIEBLINGS-KATZENPROMIS
01 Grumpy Cat (Ich bin ein Groupie) 02 Jock (Winston Churchills Katze) 03 Cat Mandu (Es ist halt bemerkenswert, dass es eine Kätzin in die Politik geschafft hat) 04 Daniela Katzenberger (nur ihre beiden Möpse stören ein wenig) 05 Schrödingers Katze (Er war ein Märtyrer für die Wissenschaft)
auch nicht schlecht: Eine Bergtour auf den Katzenstein.
UE Roll UE Roll ist ein komplett neuer und mit 330 Gramm extrem leichter mobiler Lautsprecher. Zu den Features gehören ein 360°-Sound mit ordentlich Bass, eine Kordel auf der Rückseite, um die Roll praktisch überall zu befestigen – und wenig überraschend ist das Teil auch wasserdicht. Dank der laufend erneuerten Apps für iOS und Android werden weitere Funktionien wie ein Wecker geboten oder die Möglichkeit mehrere Rolls mit einer Quelle anzusteuern. Wir verlosen 1 Exemplar.
Frank Musik und Außenseiten-Dasein sind seit praktisch immer eine willkommene Kombination. »Frank« verknüpft sie zu einer leicht tragischen Komödie um den Bandlieder Frank, der auf der Bühne und im Privatleben ständig eine riesige Maske trägt und diese niemals abnimmt. Mit größer werdendem Erfolg und Zuspruch, wird die Labilität der Bandmitglieder zu einem immer wachsenden Problem. Wir verlosen 3 Pakete aus Soundtrack und T-Shirt.
Marlene Mautner (Fotografin)
TOP 10
FAVOURITE PANTONE COLOURS
01 PANTONE 14-5714 TPX Beveled Glass 02 PANTONE 15-1340 TPX Cadmium Orange 03 PANTONE 16-0110 Desert Sage 04 PANTONE 1765 CP 05 PANTONE 372 U 06 PANTONE 3405 M 07 PANTONE 625 C 08 PANTONE 570 CP 09 PANTONE 1955 EC 10 PANTONE 317 CP
TOP 5
ESSIE COLOURS
01 all eyes on nudes 02 marshmallow 03 mint candy apple 04 tart deco 05 licorice
auch nicht schlecht: Wassermelone mit Schafkäse und Balsamico Dressing.
Bourbon New Year Erntezeit: September ist Bourbon New Year, denn jetzt wird die Maisernte eingefahren. Daraus entsteht eine neue Generation Bourbon. Jim Beam besteht zu mehr als 50 Prozent aus Mais und reift doppelt so lange, wie es das Bourbon-Gesetz verlangt – für einen volleren, milden Geschmack. Um mit euch Bourbon New Year zu feiern, verlosen wir zwei echte Zwei-Liter-Fässer gefüllt mit Jim Beam Kentucky Straight Bourbon Whiskey. Happy Bourbon New Year! (Teilnahme ab 18 Jahren.)
The Witcher 3 – Wild Hunt Mit »The Witcher 3« erschien im Mai ein nicht nur für Freunde von Rollenspielen wichtiger und großer Titel. Es gilt die neuesten Abenteur von Geralt von Riva zu bestehen und dabei riesige Welten zu durchstreifen und mit den eigenen Entscheidungen und Handlungen das Geschick der Welt zu bestimmen. Wir verlosen ein Paket bestehend aus der PS4-Version der Spiels und einen passenden Knapsack von Musterbrand.
A Girl Walks Home Alone Ana Lily Amirpour ist mit »A Girl Walks Home Alone« ein ruhiges, selbstbewusstes und nicht zuletz ästhetisches Stück Kino gelungen. Beinahe nebenbei und mit ziemlich wenigen Worten erzählt der Film die Liebes-Geschichte zwischen dem jungen Arash und einer jungen Vampirin. Angesiedelt ist der Film in der fiktiven Stadt Bad City, die mir Versatzstücken US-amerikanischer, heruntergekommener Städte genauso ausgestattet ist wie mit Verweisen auf die Iranische Kultur. Wir verlosen 2 MediabookDVD-Boxen des Films.
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Zur Info. Nein, KC Streichel hebt hier nicht die Hand zum HitlergruĂ&#x;. Auch wenn seine Botschaften oft radikal wirken, sagt ER doch einfach was WIR denken. Hundeverbot statt Wiesenkot etwa. Er tut etwas. Oft und mit zahlreichen Likes auf Facebook posten beispielsweise.
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Liken, Sharen, Lachen — Politische Satire, Edutainment und Fake-News in Fernsehen und Netz
Die Wahrheit im Witz Im Bereich der politischen Satire findet ein Generationswechsel statt. Im Fernsehen regieren Jan Böhmermann und John Oliver, im Internet Seiten wie »Die Tagespresse« und »KC Streichel«. Zeit, auch an sie eine wichtige Frage zu stellen: Was kann Satire, und was nicht?
Leser schon jetzt gelangweilt: Berufsjugendlichem Autor (30) fällt kein besserer Einstieg ein.
Seit einigen Monaten spielt sich auf Facebook ein Ritual ab. Ziemlich exakt um zehn Uhr teilt eine österreichische Page ihren einzigen Link des Tages, dessen Likes danach so schnell in die Höhe schießen, dass man mit dem Zählen nicht mehr nachkommt. Anderer Ort, selbes Internet: Ein verhältnismäßig spröder Moderator einer Late Night Show räumt im amerikanischen Bezahlfernsehen – und noch viel wichtiger: auf Youtube – mit Themen wie Native Advertising oder Nahrungsmittelverschwendung alles ab, was man so abräumen kann. Kluge Leser wissen nach diesem Einstieg eh, wie der Hase läuft: Es geht um politische Satire, Fake-News und Edutainment. Diese drei Begriffe stehen hier in einer Aufzählung, weil es gar nicht so einfach ist, aus mehreren Trends die Bewegung zu zimmern, die mancher so gerne darin sehen würde. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Formaten sind beträchtlich, aber irgendwie haben sie doch einen gemeinsamen Kern. Satire ist natürlich nicht neu. Schon die alten Römer twitterten müde Mashups aus tagesaktuellen Schlagzeilen in der Hoffnung, dass es irgend jemand favte, der mehr Follower hatte als sie. Und doch lohnt es im Sommer 2015, diese Bestandsaufnahme zu wagen. Es gibt nämlich einen schleichenden Generationswechsel. In den USA traten innerhalb eines Jahres mit Stephen Colbert und Jon Stewart die beiden wichtigsten Moderatoren aus dem Bereich der satirischen News-Sendungen ab. In Deutschland gab Stephan Raab seinen Rücktritt bekannt, der neben Wok-Rennen auch Politik in eine Zielgruppe brachte, für die man Parteiprogramme ansonsten an die Unterseite des SonnenbankDeckels hätte kleben müssen. Und es verschwinden nicht nur Dinge: Jan Böhmermann lässt mit seinen Varoufakefake-Aktionen die »Heute Show« auf ZDF ziemlich altbacken aussehen. Und im Internet poppen in den letzten Jahren immer mehr Satire-Newsseiten auf, die eine kritische Schwelle in Sachen Wahrnehmung und Finanzierung überspringen. Manche sehr breit angelegt, wie Die Tagespresse, Der Postillon oder The Onion. Manche sehr spitz, wie KC Streichel oder Wunderground, das Satire aus dem Bereich elektronische Musik bietet. Und manche einfach nur gaga wie das wunderbare Clickhole.
Smartphone-User längst ausgestiegen: Kommt Text endlich zum Punkt? Auf humorvolle Art verpackte Nachrichten sind eine Antwort auf ein Medien-Problem: Mit klassischen Politnachrichten erreichst du die Jungen nicht mehr. Wer da nur von Politikverdrossenheit schwafelt, der übersieht leicht, dass die nachwachsenden Menschen vielleicht gar nicht das Interesse an der Politik verloren haben, sondern nur an der Art, wie diese vermittelt wird. Nachrichten werden trotzdem konsumiert und geteilt. Zum Beispiel auf Vice, das die Weltpolitik von der Ukraine bis IS in knalligen, subjektiven Videos auf die Smartphones dieser Welt bringt. Oder jahrelang bei Jon Stewart und Stephen Colbert. Oder jetzt gerade bei John Oliver, dem neuen Shooting Star der Szene. Seine Sendung »Last Week Tonight« ist eigentlich gar nicht so richtig leichte Kost. Die exzellent ausrecherchierten Segmente dauern bis zu 20 Minuten, ohne jetzt wirklich die Mörder-Puns zu haben. Die Sendung schafft es trotzdem, die Zuschauer durch geschickten Einsatz von Grafiken, dem Herausstreichen von Absurditäten und Einspielern bei der Stange zu halten. Auch wenn das, was Oliver oder Böhmermann machen, sich zusätzlich neuer Verbreitungswege bedient und damit einzelne Beiträge ein Riesen-Publikum erreichen, ist das aber trotzdem noch vor allem eine Sache: Fernsehen. Die Satire-Seiten der neueren Generation funktionieren anders. Das wichtigste Mittel der Satire bleibt aber weiterhin die Überhöhung. Diese unterscheidet sie vom Journalismus, oder sollte es zumindest. Journalisten und Satiriker haben eines gemeinsam: den möglichst genauen Blick auf die Welt, die sie umgibt. Der Unterschied beginnt in der Verarbeitung vom Gesehenen. Während der Journalist dieses Bild möglichst getreu oder zumindest gewissenhaft eingeordnet wiedergeben will, bläst der Satiriker die Wahrheit so absurd auf, dass man 015
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»Die 4 da« war eine der satirischen Großtaten des ORF.
Screwed – auf Fake News der Yes Men fielen viele klassische Medien herein.
an ihr nicht mehr vorbeikommt. »Journalismus berichtet Fakten, wir machen uns über diese Fakten lustig«, fasst es Fritz Jergitsch von Die Tagespresse zusammen. Sein Medium ist vor allem dann lustig, wenn seine Fake-Schlagzeilen den Kern einer Sache möglichst genau treffen: »Neue Flüchtlingspolitik: ÖVP nimmt Schutzsuchende nur auf, wenn sie vom Team Stronach kommen« oder »Arbeit mit Pflegefällen: Zivildienst kann ab Herbst bei SPÖ absolviert werden« sind dafür perfekte Beispiele. Achtung, jetzt kommt was Wichtiges. Ohne groß nachzudenken: Auf was hätte man bei den beiden Headlines oben geklickt? Auf den Link oder doch den Like-Button? Genau. Internet-Satire funktioniert über Schlagzeilen, die dem Retweet- und Like-Verhalten entgegenkommen. Man kann die Beiträge von Die Tagespresse auch guten Gewissens sharen, ohne sie je gelesen zu haben. Und das werden sie auch. Bei den Social Media-Charts vom Branchenmagazin Horizont kommen in manchen Monaten acht der zehn meistgeteilten Beiträge von Jergitsch und seinem kleinen Team. Das Sharen von News in den sozialen Netwerken bedient ein Bedürfnis der Digital Natives: User wollen Nachrichten nicht nur passiv aufnehmen, sondern über sie mit ihrem Umfeld kommunizieren. Wer einen Artikel teilt, sendet damit eine Nachricht an seine Freunde und positioniert sich. Gerade mit politischen Schlagzeilen wird so jeder mal schnell zur vierten Macht im Staat. Oder fühlt sich zumindest so. Dafür müssen diese Schlagzeilen noch nicht mal wirklich kompliziert sein. Die Fake-Nachricht, dass Innenministerin Mikl-Leitner zwei Wochen nach Mordor fahren würde, um »Urlaub zuhause« zu machen, reicht als Statement völlig. Die Tagespresse hat das verstanden. Und ist deshalb auch erfolgreicher als vorangegangene Versuche, Internet-Satire in Österreich zu etablieren, wie Hydra oder raketa.at. Ironischerweise erschwert die Bindung an die Schlagzeile die Entwicklung von Video-Content, der wie überall auch in Sachen Satire als Next Big Thing gilt. Es ist oft einfach zu wenig Inhalt. Über die Zeile »Russischer Mathematiker schafft es als erster Mensch der Welt, seine IBAN-Nummer auswendig aufzusagen« lacht jeder. Aber wer hätte Lust, sich dazu einen Dreiminüter anzuschauen? Selbst The Onion schafft es selten, Sendungen zu produzieren, die lustiger sind als ihr Trailer. So ganz kommt daran aber niemand vorbei. Die Tagespresse hat vor Kurzem ihr erstes Video veröffentlicht. Weitere sind in Planung. »Wir überlegen gerade, wie wir das finanzieren können«, so Jergitsch.
Rezeption von journalistischen Produkten und journalistisch unterfütterter Satire? Und welchen Einfluss hat das auf das Ausmaß, in dem satirisch überhöht werden darf? Dass das keineswegs nur ein akademisches Problem ist, zeigt die Tatsache, dass die Sendung nicht nur positiv aufgenommen wurde. Die Recherche einzelner Folgen und Fälle wurden in Foren teilweise sehr kontrovers diskutiert. Bei ATV, für den das Format ursprünglich entwickelt wurde, betrachtet man die Entwicklungen im Bereich der Politik-Satire weiterhin mit Interesse. »Diese Königsdisziplin erfolgreich umzusetzen, schaffen allerdings nicht viele, da eine gut gemachte Satire-Show oft mit hohem personellen und finanziellen Einsatz verbunden ist«, wie Chefredakteur Alexander Millecker betont. Es sei aber auch nicht der einzige gangbare Weg. »Wir sehen, dass es mit der richtigen Aufbereitung einer Sendung gut funktioniert, auch junges Publikum anzusprechen.« Der Polit-Talk »Klartext« beispielsweise erreiche Junge in hohem Ausmaß. Beim ORF verweist man auf frühere Formate wie »Die Staatskünstler« und darauf, dass politische Satire Teil von vielen einzelnen Shows wie »Willkommen Österreich« sei. »Der ORF ist also auch – aus gesellschaftspolitischen Erwägungen – gedanklich mit dem Thema permanent beschäftigt, bewertet und entwickelt Ideen zu diesem Genre.« Das stimmt ja irgendwie. Viele satirische Großtaten wie »Die 4 da« liefen im ORF, wo man ihnen auch den Rücken freihielt. Sogar als sie fiktive Interviews eines öffentlich-rechtlichen Landesstudios mit seinem nur leicht verfremdeten Provinzkaiser Erwin nachstellten. Leider wurde die Sendung wie so vieles irgendwann aus Kostengründen eingestellt.
Jetzt auch noch Fernsehen? Artikel verliert sich langsam im Format-Dschungel. Wie schaut es in der österreichischen Fernseh-Landschaft aus? Puls 4 startete im Frühjahr die Sendung »Bist du deppert?«, bei der es – natürlich satirisch überhöht – um reale Fälle von Steuerverschwendung ging, die mit Videoeinspielern offengelegt und von einem Team von Kabarettisten auseinandergenommen wurden. Das gefiel den Zuschauern – die Quote war so gut, dass die Sendung eine zweite Staffel bekommt. Der Recherche-Aufwand war beträchtlich, unter anderem wirkten Journalisten der Plattform »dossier« mit. An Sendungen wie dieser lässt sich aber auch eine wichtige Frage illustrieren: Welchen Wahrheitsanspruch darf man an politisches Edutainment stellen? Wie unterscheidet sich die
»Jetzt kommt das Aber«: Autor schafft den Bogen zur kritischen Betrachtung doch noch. Es ist völlig gut und richtig, Satire zu loben. Aber man sollte nicht vergessen, darüber nachzudenken, was sie nicht kann. In ihrer klassischen Form, aber auch in ihren neuen Ausprägungen im Netz. Satire will Menschen zum Lachen bringen, aber eben nicht nur. Im besten Fall will sie auch etwas bewirken. Der Satiriker ist immer auch ein gekränkter Idealist, wie es Kurt Tucholsky einmal ausdrückte. Das Duo Gebrüder Moped, das mit seinen Arbeiten im Netz und im Fernsehen vertreten ist, fasst den Anspruch gut zusammen: »Satire zeigt auf, zeigt an, greift mitunter auch einmal daneben. Sie steckt ihren Finger dorthin, wo es weh tut, und soll natürlich unterhalten.« Im besten Fall bringt Satire die Menschen zum Nachdenken und dazu, die Welt zu hinterfragen. Im schlechteren Fall begleitet sie die herrschenden Verhältnisse mit lustigen Geklingel. Und im allerschlimmsten Fall wedelt sie so aufgeregt herum, dass sie den Mächtigen dabei nur Luft zufächelt. Die Protagonisten sind realistisch, wenn es um die Einschätzung ihrer Wirkung geht. Niemand sieht sich als Speerspitze eines Kampfs für Wahrheit und Veränderung. »Im Idealfall kann Satire neue Erkenntnisse und den Blick für Zusammenhänge eröffnen. Dadurch kann sich sogar manchmal etwas verändern«, erklärt Florian Scheuba, ein verhältnismäßig alter Hase im Geschäft. Auch Jon Stewart verabschiedete sich in seiner letzten Woche mit einem lustigen, aber irgendwie auch traurigen Einspieler, wo er alle schlechten Dinge aufzählte, die es trotz seiner
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Fifa und Netzneutralität – John Oliver ist nicht mal leichte Kost.
Jan Böhmermann – guter deutscher Humor.
Beschäftigung mit ihnen noch gäbe: »But I threw so much puns at ISIS! How could they survive this?« Satire und Edutainment können noch so gut sein: Ihr Einfluss ist begrenzt. Einzelnen Beiträgen, die viral gehen, eine Diskussion auslösen und eventuell wirklich Konsequenzen nach sich ziehen, stehen immer auch Tausende entgegen, die außer Spesen und ein paar Lachern nichts gebracht haben. Oder vielleicht doch? Es gibt eine berühmte Studie von Michael Parkin, nach der regelmäßige Zuschauer der »Daily Show« und des »Colbert Report« Fragen zur Tagespolitik besser beantworten können als Menschen, die regelmäßig CNN schauen. Neben dem Bildungsauftrag halten diese Shows vielleicht auch noch etwas hoch, das sich schwer messen lässt: den politischen Diskurs. Auch indem sie Dissens zeigen, wo es sonst niemand mehr tut. Am Höhepunkt der Griechenland-Krise war es Böhmermann, der mit klugen viralen Videos das Narrativ von den faulen Griechen immer wieder durchbrach, das sich durch fast alle bundesdeutschen Medien zog.
Land zugrunde zu richten. Vielleicht auch, weil die einzelnen Räder dazu zu einfach blockieren können. In Gegenden der Welt, die dem Abgrund ein bisschen näher stehen, schaut das anders aus. Man braucht dabei noch nicht mal in Richtung des Arabischen Frühlings zu schauen. Schon in Italien und Island fanden sich die Satiriker Beppo Grillo und Jón Gnarr plötzlich als relevante Player im politischen System wieder. Letzterer sogar als Bürgermeister von Reykjavik. Satire, die von ihrem eigenen Schmäh eingeholt wird – das ist eigentlich wirklich witzig. Stellt sich letztlich noch die Frage, warum wir eigentlich darüber lachen. Ist es wirklich lustig, wenn eine Facebook-Page wie KC Streichel Sätze von FPÖ-Chef Strache so wiedergibt, dass darin Ausländer durch Hunde ersetzt werden? Nicht wirklich. Es ist Galgenhumor. Aber es hilft uns vielleicht auch ein bisschen, die Absurditäten und Schrecklichkeiten nicht ganz zum selbstverständlichen Teil des Alltags werden zu lassen. Und das ist zweifelsfrei ein Mehrwert.
»Bin so semi zufrieden«: Autor schafft es doch noch, Text einen Tag nach Deadline zu vollenden. Österreich und seine absurde Innenpolitik sind grundsätzlich ein großartiger Nährboden für politische Satire. Und doch hat man nicht das Gefühl, dass das Ganze einen wirklichen Effekt hätte. Dafür ist Österreich vielleicht auch zu gesättigt. Sozialpartner, Förderalismus und Politik haben es netterweise noch nicht geschafft, dieses reiche
Die Late Night Shows von Samantha Bee, Stephen Colbert und Trevor Noah – Nachfolger von John Stewart – starten im Herbst. »The Yes Men – jetzt wird’s persönlich« läuft gerade in den Kinos. Eine detaillierten Überblick zu internationalen und nationalen Fake News- und SatireSeiten mitsamt Links gibt es auf www.thegap.at
Sam Bee ist eine der wenigen Frauen im Fake-News- und Late-Night-Biz. Sie hat jetzt genug Würstchen gehabt, im Herbst startet ihre Show auf TBS. 017
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Flucht und Vertreibung waren als biblische Motive immer auch in der Kunst präsent. Heute werden halt keine Israeliten aus Ägypten herausgeführt. 018
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golden frame — Fabian Kasper – »Brennero / Brenner«, 2015
Träume vom Warten – oder (In)Somnia Minderjährig und auf der Flucht vor den somalischen Rebellen. Mohammed war 14 Jahre alt, als er seine Heimatstadt Mogadischu verließ. In dem kleinen Ort Brenner, dort am Grenzübergang zwischen Italien und Österreich, wartet man auf Züge. »Für uns ist das einfach ein Ort, für Flüchtlinge eine Hürde«, sagt Fabian. Er kauft einer Frau aus Eritrea Wasser, gibt ihr das noch fehlende Geld für ein Zugticket und gemeinsam mit zwei anderen illegalen Flüchtlingen begeben sie sich in einen Zug, der sie nach München bringen wird. Die Grenzwache stellt unterdessen stichprobenartig die Dublin-III-Verordnung der EU sicher. Die Auseinandersetzung mit diesem realpolitischen Faktum war konzeptueller Ausgang der Fotoserie von Fabian Kasper. Die Lokomotive rollt an und mit ihr die Hoffnung der Flüchtlinge, Italien und manchmal auch die Erinnerungen an die eigene Geschichte hinter sich zu lassen.
Mohammed Mohammed (14) gelangte über Libyen, wo er zunächst Tage festgehalten und womöglich buchstäblich gebrandmarkt wurde, mit einem Boot nach Lampedusa. Das zweite Boot und mit ihm seine Freunde kamen nie an. Über das Verbleiben seines Vaters, der als freier Journalist zur Zielscheibe der Rebellen wurde, möchte der junge Somalier nicht sprechen. Migration ist kein neues Phänomen, ebenso wenig die Darstellung von Flucht und Vertreibung. Vor beinahe 200 Jahre schuf der französische Salonmaler Théodore Géricault die tragische Darstellung eines Flüchtlingsunglücks im Atlantik. In der Malereitradition des compassio (Mitleid) ist die Darstellung eines Floßes, das auf offener See treibt, ein empathischer Aufruf, der in dramatischer Weise an die Menschlichkeit der französischen Bevölkerung appellieren sollte. Im Gegensatz dazu, so Fabian Kaspar, geht es in seinem Projekt »nicht um eine vordergründig politische Aussage.«
Gezeigt werden Fluchtorte und gegenwärtige Zufluchtsorte: Parks, Gassen bei Nacht oder ein Bett. Ähnlich verschlüsselt wie die teils tragischen Geschichten der Protagonisten sind auch jene Aufnahmen der Serie von menschenleeren Orten. Es sind Orte ohne konkrete visuelle Zuschreibungen. Die Darstellungen von Orten und Interieurs beherbergen für die Betrachter assoziative Möglichkeiten. Die Assoziationen, welche die menschenleeren Szenen eröffnen, können in Folge auch auf die Porträts übertragen werden. Damit reflektiert die Serie »Brennero / Brenner« auch strukturell auf das der Migration zugrunde liegende komplexe Verfahren der Verschiebung und Überlagerung. Am 28. August findet im Rahmen der Salzburger Sommerakademie ein Tag der Offenen Tür statt, mit Arbeiten der Klassen von: Jennifer Allen, Dough Ashford, Cinéma Copains, Adriana Czernin, Tomasz Komwalski, Peter Niedertschneider, Elisabeth Schmirl und Nora Schulz.
Text Denise Helene Sumi Bild Fabian Kasper
Flucht- und Zufluchtsorte
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Wanda – »Bussi« — Österreichs größte Band im Kampf gegen Druck und Promi-Status
Niemals Herzblatt moderieren Wanda haben schon alles erreicht, was als Indie-Band in Österreich möglich ist. Selbst wenn das neue Album »Bussi« auf Platz 1 einsteigen wird, scheißen sie auf jeden Promistatus.
Die Jacke muss bald generalsaniert werden. Ohne sie fühlt sich Marco Michael Wanda mittlerweile unrund. Gekostet hat sie fünf Euro. 020
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»Ich denk mir das immer wie ein Samurai« Und jetzt »Bussi«, das zweite Album. »Bussi war nur der nächste Buchstabe im Alphabet«, erzählt Sänger Marco Michael Wanda beim Interview. » ›Amore‹ war eine relativ philosophische Platte, jetzt freue ich mich, dass das runtergekühlt wird mit dem doch eleganteren Begriff ›Bussi‹ «. Amore bleibt Amore und wird auch gar nicht ersetzt. » ›Bussi‹ soll ›Amore‹ nicht ablösen, sondern darauf aufbauen«, ergänzt der sonst eher zurückhaltende Gitarrist Manuel Poppe. Die Lieder waren schon gleichzeitig mit »Amore« fertig, nur zwei sind jünger als ein Jahr. Die Aufnahmen fanden in den wenigen Tourpausen statt, produziert hat wieder Paul Gallister in seiner Küche, gemastert ein feiner Herr aus London, der auch schon Led Zeppelin gemastert hat. Man gönnt sich ja sonst wenig. Dass man die Texte ebenfalls schon lange fertig hatte, hat auch nichts damit zu tun oder dass Nachfolgealben als schwierig gelten. »Wir sind nie davon ausgegangen, dass überhaupt etwas schwierig an einer Karriere als Popstar ist«, heißt es da nur. Und, auch mit der riesigen Erwartungshaltung, die es geben muss, scheint Wanda klar zu kommen: »Ich bin blind für den Druck. Ich denk mir das immer wie ein Samurai. Der war mächtig, weil er immer damit gedroht hat, sich umzubringen. So sehen wir das auch in den Verhandlungen: Wer uns Druck macht, auf den scheißen wir halt. Wir könnten das jetzt jederzeit aufhören und ich hätte nicht das Gefühl, etwas aufzugeben«. Überhaupt »Bussi«. Zweites »Amore« ist es keines, kann es auch gar nicht sein. Der Fokus ist verschoben, die Texte wirken weniger empathisch, der musikalische Fortschritt ist unüberhörbar. Darüber, wie sehr sie ihre Instrumente beherrschen, muss man kein Wort verlieren. Die Gitarren sind kantabel, Manuel hat auch deutlich mehr Soli, alles ungeplant. »Wir grübeln nicht lange über Soli oder Songstrukturen, es sind ziemliche One-Takes. Wenn es nach dreimal nicht drinnen ist, weg damit«, meint er. Marco ergänzt: »Auch hier ist das Ziel, sich von allem Materiellem zu trennen. Es ist scheißegal, eigentlich«. Die Lieder auf Wanda-Platten sind aber ohnehin nur Skizzen. »Die werden erst lebendig, wenn wir gemeinsam auf der Bühne spielen. Erst nach einem Jahr oder so bekommen sie eine Seele. Im Studio sollen wir so poppig und glatt wie möglich klingen, damit der Zuhörer einen leichten Zugang bekommt, der ihm die Möglichkeit eröffnet, dass es etwas für sein Leben bedeuten könnte.« Die instrumentelle Extravaganz sehen sie aber eher locker: »Einem Laien würde das gar nicht auffallen, die Kritiker können uns wieder als Dilettanten beschimpfen, weil sie es halt nicht verstehen und nie verstehen werden, dass gerade die einfachste Form die alleranspruchsvollste ist«, sagt Marco. Im Unterschied zu »Amore« ist »Bussi« eher singlelastiger, eher »Sgt. Pepper als Nevermind oder so«. Und klar, es sind viele Hits oben, neben »1, 2, 3, 4«, dem neuen »Bologna«, ist mit »Meine beiden Schwestern« der bislang beste Wanda-Song drauf, mit »Kein Herz im Hirn« sogar ein Stück, das dezidiert Austropop sein soll und dementsprechend klingt. Die größte Änderung ist aber das neue Label, ein Major, ein Vertrag für mehrere Alben, inklusive Best-Of, »aber da bin ich dann hoffentlich schon tot, weil das schau ich mir nicht an«, sagt er, der Wanda. Angst
vor der totalen kommerziellen Ausbeutung haben sie aber keine, »wir haben schon alles abgesagt, es wird niemals einen Wanda-Song für Werbezwecke geben. Es war schon so ziemlich jeder große Firmenname dabei, aber absolut keine Chance. Solange ich lebe, wird das niemals passieren. Na, ganz grauslich«.
»Ich lebe halt immer schon so, ich kann das gar nicht einschätzen« Das Hauptgeschäft bleibt natürlich das Live-Spielen, Wanda sind mit dem Release von »Amore« zu Profis geworden, für nachlässiges Arbeiten haben sie keine Zeit. Marco war vorher eine zeitlang bei McDonald’s, Manuel Behindertenbetreuer. Alles aufgegeben. »Wir haben schon ein bisschen den Schweiß im Gnack gehabt. Weil wenn wir unsere Jobs aufgeben und das nicht klappt, hätten wir ziemlich oft zur Oma essen gehen müssen«, lacht Manuel. Richtig reich sind sie nicht, auch wenn man es ihnen unterstellt. Auf Tour saufen sie aber dann doch nicht so viel wie immer behauptet wird, das geht ja gar nicht, man würde ja verrückt oder paranoid werden. »Ich lebe halt immer schon so, ich kann das gar nicht einschätzen«, meint Marco und ergänzt, dass er jetzt vielleicht sogar weniger trinkt. Und auch, wenn auf »Bussi« Opiate inhaltlich den Schnaps ablösen, auf Tour ist das kein Thema: »Drogen kriegt man theoretisch überall in den Rachen gestopft, aber wir nehmen nix davon. Das kriegst du echt nicht gebacken, da stirbst du«. Mit dem Live-Spielen soll es immer weitergehen, keine Pause in Sicht. »Wir wollten unseren Alltag ja so«, bekräftigt Manuel verschmitzt grinsend, während Marco meint: »Ich hab schon so einen Arbeitsethos entwickelt. Ich war mein Leben lang so hoffnungslos, am Rande von allem und hab Untätigkeit einfach so wahnsinnig satt«. Und ja, sie werden »Bologna« wohl immer spielen und nein, »1, 2, 3, 4« ist ihnen nicht zu blöd. »Ich denk ja gar nicht an den Text, wenn ich singe. Da geht’s um die Noten, um die Klangsphären, um die Seele«. Immer weitermachen, gefühlt 500 Tage im Jahr auf Tour. Marcos Lederjacke, ohne die er sich unrund fühlt, leidet, er will sie bald zum Türken um’s Eck bringen zum generalsanieren. Der Kragen, den er jedes Mal bei »Auseinandergehen ist schwer« aufstellt, fällt schon fast ab.
»Über Gulasch muss ich im ORF nicht unbedingt reden« Die Wandas werden auf der Straße erkannt, Marco ständig. Das macht ihm per se nix aus, aber dass er über sich selbst reden und nachdenken muss, quält. Aber Depperte gibt’s da keine. Besonders extrem ist es in Deutschland, bis in die 100-Seelen-Dörfer. Und Medien klopfen natürlich auch gern an. »Aber so jemand, der sich zu jedem Schas in einer Fernsehsendung äußert, der will ich nie werden«, so verweigert Marco jegliche Promi-Allüren. »Oder Herzblatt moderieren«, sagt Manuel. Das ist lustig, weil es im Radio gerade »Feine Damen« von Rainhard Fendrich spielt, Manuel gilt ja als weltgrößter Fan. Angebote gab es jedenfalls genug, auch, um über Gulasch im ORF zu reden. »Die Hand ist ausgestreckt, ein Promi zu werden. Ich scheiß da aber sowas von drauf, das kann man sich gar nicht vorstellen.« Es gibt vor allem Angebote, über bestimmte Dinge zu reden, »aber ich hab nix, will nix und bin halt kein materieller Typ«. Marco wieder. Überhaupt halten sich Wanda sehr mit Statements zurück, auch bei der Politik: Flüchtlingspolitik, Wienwahl, nix. Ganz bewusst, wie Marco erklärt: »Mein politischer Kompass ist nicht gut genug eingestellt, ich traue mich über solche Themen nicht drüber, weil ich einen ohnehin schon diffusen Konflikt nicht unnötig in die popkulturelle Ebene einführen will. Ich bin kein guter politischer Denker. Ich kann die Leute nirgendwo hinführen, ich habe zwar eine Wut im Bauch, aber ich habe keine Lösung, ich habe nichts zu bieten. Das nützt jetzt nichts, das wäre Befindlichkeitsscheiße«. Manuel lässt sich aber immerhin zu der Aussage hinreißen: »Wien muss Rot bleiben, das ist meine Haltung dazu.« »Bussi«, das zweite Album von Wanda, erscheint am 2. Oktober via Vertigo / Capitol. Die Release-Shows in der Arena Wien sind längst ausverkauft, am 22. April 2016 spielen sie in der Wiener Stadthalle.
Text Dominik Oswald Bild Marlene Mautner
Manchmal geht es ganz schnell. Im September letzten Jahres, kurz bevor »Amore« erschien, auf das sich damals vielleicht ein paar Dutzend Menschen gefreut haben, schrieben wir an dieser Stelle: »Die werden ganz groß. Promise.« Im Rückblick betrachtet war das die Untertreibung des Jahres. Wanda ist 2015 die größte Band Österreichs. Definitiv. 15.000 verkaufte Einheiten von »Amore«, keine österreichische Indie-Band verkaufte jemals mehr. Das Album ist jetzt seit fast einem Jahr in den österreichischen Charts, zehn Wochen davon in der Top Ten. Wanda haben innerhalb von 24 Stunden vor insgesamt 50.000 Menschen gespielt – mittags in St. Gallen und danach als Headliner am Donauinselfest. Die zwei Oktober-Konzerte in der Arena waren binnen einer Woche ausverkauft, das erste davon innerhalb von 48 Stunden. Kommenden April geht es in die Stadthalle. Das sind Zahlen, die beeindrucken. Wanda sind ganz oben, nur das Happel-Stadion fehlt noch.
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»Die meisten jungen Bands sind schon verloren« Songs aus Österreich waren lange nicht mehr so angesagt bei den Nachbarn. Aber wie sehen das eigentlich die involvierten Künstler? Wanda eher zweischneidig. Beim Interview fing alles mit der Frage an, wen sie gerne featuren würden. Wir haben mehrere Antworten zu diesem Statement eingedampft. Marco: Niemanden. Ich finde alle Musik von allen zeitgenössischen Musikern vollkommen bescheuert, jetzt ist es raus. Ich wünsche allen Glück, zusammenarbeiten will ich mit ihnen aber nicht. Aber dem Nino aus Wien gönne ich alles. Der ist einfach der beste Mann von absolut allen im ganzen Spiel. Wir interessieren uns eigentlich eh nur für ihn. Ich vermisse einfach den Rock total, bei allen Kollegen. Wir werden zu Recht als die einzige Rockband Österreichs bezeichnet, voll! Alle anderen suhlen sich in Raffinesse und Virtuosität, aber das gehört auch dazu. Es gibt eh zu wenige, die experimentieren und spielen. Ich bin sehr dankbar, dass es die Ja, Paniks, Bilderbuchs und Ninos gibt, davon könnten wir ruhig mehr vertragen. Überhaupt, wenn wir schon darüber reden: Ich hab wahnsinnige Angst davor, dass all das, was hier passiert, dieses vermeintliche Fenster nach Deutschland, die Jungen total zerstört. Die fallen auf diese falschen Versprechungen rein. Dieses »Jetzt greifen wir österreichischen Kellermusiker zu Gitarren, singen auf Deutsch und werden berühmt in Deutschland!«. Das macht mir Sorgen, in der Regel sind das Nachwuchsmusiker, die sofort jedes Angebot annehmen, total ungeduldig sind. Es gibt Bilderbuch und Wanda, die »totale Bewegung«. Ich habe Angst, dass das die Jungen zerstört. Was uns geholfen hat, war dieses Nichtvorhandensein einer Industrie – nur deswegen konnten wir so experimentell und spielerisch sein. Ich suche sehr viel Kontakt zu jungen Bands, aber ich muss ehrlich sagen, die meisten sind schon verloren. Ich dachte, wenn ich in Lokalen Nachwuchsbands treffe, gilt mein Wort. Aber: Vergiss es! Die sind schon alle total mit der Nase oben. Ist eh logisch, die lesen alle »das ist die neue Welle, das ist unsere Chance, wir sind schon fast in Deutschland«. Das ist der Nachteil, dass dieser Hype künstlich erweitert wird. Aber in Wahrheit sind das einzelne Bands, die einfach hart gearbeitet haben. Das fällt nicht vom Himmel, nur weil ein paar Zeitungen darüber schreiben. Die Zeitungen haben Wanda nicht groß gemacht, wir haben uns das erspielt. Dieses vermeintliche Sprungbrett kann total schnell knacksen und dann liegt man im ausgelassenen Betonbecken. Das sage ich den Jungen: Sie sollen jetzt nicht bei Warner oder Universal unterschreiben. Sie sollen einfach nur an ihrer scheiß Musik und Persönlichkeit arbeiten. Es nützt nichts, wenn sie es jetzt machen. Bei einem großen Label zu unterschreiben, macht nur Sinn, wenn die Band von allen Labels gewollt wird. Man braucht eine Verhandlungsbasis. Aber es wird tolle Bands geben, aber eher in zehn Jahren, wenn das alles verdaut ist. Vielleicht ziehen jetzt noch ein oder zwei hoch. Ich will die Bands aber schützen, ich werde sie nicht nennen. Aber in zehn Jahren, wenn man unserem Sound in der Reflexion etwas abgewinnen kann, dann kann es wieder ganz tolle österreichische Bands geben.
Die Kritik am Video von »Bussi, Baby« entzündete sich weniger an den Frauenschenkeln, sondern am Gastauftritt Ronja von Rönne, die heuer mit dem Text »Warum mich der Feminismus anekelt« für Aufregung sorgte.
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Ein Schelm, wer bei »Bussi, Baby« ein besonders hartes B heraushört. Diese Tasse müsste eigentlich Gegenbeweis genug sein.
Steck sie ein wie 20 Cent »Amore« ist das Konsensalbum des letzten Jahres. Junge hören es, Alte, Studenten, Leute am Zeltfest, Kassierer, Trucker, Punks, Open-Air-Druffis, Investmentbanker, CEOs. Die berühmt gewordenen Botschaften schmücken Häuserwände, Handgelenke und dreckige Autoscheiben. »Wenn jemand fragt, wofür du stehst« oder, simpler, »Amore«. Im Wochentakt fragen Großkonzerne an, die das Wanda-Etikett an ihre Produkte picken wollen. Die Songs scheinen einfacher aufgebaut als sie tatsächlich sind. Vor allem die Texte verbinden. Natürlich steht man für Amore, wenn man danach gefragt wird. In welcher Stadt? In Bologna. Natürlich weiß jeder, der hier sitzt, dass Auseinandergehen schwer ist. Kopf hoch, Thomas! Ein Album, ganz dem Titel versprechend, voller Liebe, Nächstenliebe, ein bisschen Inzest und Mitgefühl. Obwohl quasi parallel geschrieben, geht »Bussi« da einen anderen Weg, ist deutlich härter und misanthropischer, teilweise dezent misogyn. Die Figuren sind keine Heiligen. Und sie sollten sich eher bald verändern. Etwa in »Lieber dann als wann«: »Und schau, dass du wirst, wer du gar nicht bist. Weil zu sagen, dass es schön mir dir war, wird niemand tun«, heißt es da mehrmals. Kein sei-wie-du-bist, kein lass-es-raus, kein passt-schon-so. Auch der Andi, in »Andi und die spanischen Frauen«, kriegt auf den Deckel.
Nimm sie, wenn du’s brauchst Schwerer wiegt ein anderer Vorwurf, den man »Bussi« machen kann: Es gibt einige Stücke, in denen Frauen gar leicht verfügbar sind. »Amore« wurde deshalb schon kritisiert, die taz kritisierte das häufige »Baby«. Auf »Bussi« sind gleich einmal die ersten beiden Singles betroffen: In »Bussi, Baby« verlangt der Ich-Erzähler von jemandem, der sich das Weiße – also Koks – nicht leisten kann, ein Bussi, lässt sich die Sucht
mit Körperlichkeit bezahlen. Bei »Nimm sie, wenn du’s brauchst« wird es tiefer: »Nimm sie, wenn du glaubst, dass du’s brauchst, steck sie ein wie 20 Cent« heißt es da, und weiter: »Sie kennt niemand in Wien und dass sie deine Worte glaubt, das ergibt sich ohnehin«. Auf mögliche Kritik reagiert Marco Michael Wanda sichtlich echauffiert: »Dahinter, dass ein Mensch einen anderen um ein Bussi bittet, Sexismus zu vermuten, finde ich jetzt sehr hart, ein starkes Stück. Da ist man ja richtig blind für den hohen menschlichen Anspruch dieser Zeile«. Es wäre etwas anderes, würde man von »Lutsch‘ meinen Schwanz, bis du kotzt, du Fotze« singen. Stimmt. »Es ist aber interessant zu wissen, dass es so aufgefasst werden könnte. Aber es ist auf jeden Fall nicht so gemeint«, erklärt er weiter. Bei »Nimm sie, wenn du’s brauchst«, ginge es dann eh auch darum, einem anderen Typen seine misogynen Tendenzen aufzuzeigen.
Kein Internet, keine Zeit »Misogyne Tendenzen gibt es in der Band nicht. Weil wenn es die geben würde, würden wir denjenigen rausschmeißen. Sofort, voll! Auch in unserem Umfeld gibt es das nicht. In meinem ganzen Leben gibt es keinen Berührungspunkt mit Frauenfeindlichkeit«, stellt Marco klar. Frauen sind für die Band nicht ständig »verfügbar«, zumindest nicht mehr als vorher. Auch wenn man das glauben könnte. »Wir sind ja noch weitestgehend teeniefrei und haben eine eher brutale Männlichkeit, die spricht eher die 30- bis 40-jährigen Frauen an. Die sind ja nicht so hoffnungslos ihren Hormonen erlegen, dass sie kreischend im Backstage-Bereich herumlaufen und uns pudern wollen«. Auf Tinder ist auch niemand in der Band, Marco hat ja nicht einmal Internet, und: »Ich hab gar keine Zeit zu ficken, ich bin meist zu müde eigentlich. Und es ist so viel Arbeit«. Na dann, Bussi.
Text Dominik Oswald Bild Marlene Mautner / Youtube
Wem bei »Amore« schon ein paar »Baby« zu viel waren, könnte sich an »Bussi« stoßen. Ein Album, das am Sexismus kratzt.
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Boy – »We Were Here« — Leise ist das neue Laut
Zur blauen Stunde zurück
Text Franziska Tschinderle Bild Debora MIttelstädt
Es irritiert, wenn Pop vier Jahre ohne neue Songs und Selbstdarstellung auskommt. Warum eigentlich? Nichts hat Boy wertvoller gemacht als das.
Durch ein verschwitztes Festivalzelt wirbeln Pogos. Einige Halbstarke ziehen ihre T-Shirts aus und schreien »Nie wieder Ritalin«, etwas von Kraftklub. Es ist kurz nach sieben, 23. Juni 2012, Boy spielen in Kürze ihr erstes Festivalkonzert. Das Duo steht bei gefühlten 50 Grad hinter der Bühne und hat Gänsehaut. Dieser Abend wird zeigen, ob sie nicht nur bei Grönemeyer-Fans und TV-Noir-Zusehern, sondern auch auf Festivals wie dem riesigen South side ankommen. Nach dem Auftritt werden sie eine Horde wilder Katzen zum Schnurren gebracht haben. Jeder hier scheint zu denken: »In diesem Song geht es um mich alleine.« Meine letzte Beziehung, meine Angst vor dem Umzug, mein sommerliches Gefühl kurz vor den Ferien. »Du kannst das wirklich verdammt gut«, sagt Sonja Glass zu Valeska Steiner, »Songs so diffus offen zu lassen, dass sich jeder eingeladen fühlt, seine eigene Geschichte darin zu lesen.« Die beiden Frauen sitzen in einem Hotelzimmer in Wien und behaupten, dass sie unausgeschlafen sind, obwohl sie blendend aussehen. Die Vormittagssonne brennt auf die Dachterrassen der Bobos unter ihrem Fenster. Der nächste Satz von Valeska überrascht: »Wir haben ein Nachtalbum gemacht. Es ist wie die blaue Stunde, die man auskostet, bevor es richtig finster wird.«
Unnahbar und undurchsichtig Es ist Juli 2015, drei Jahre sind vergangen. Boy haben ein neues Album, Konzerte in Japan, Europa und den USA gespielt und Fans, die Nachrichten aus Brasilien und Mexiko schreiben. Amerikanische Radiosender widmeten ihrer Musik 45 Minuten Sendezeit und in Minneapolis sang das Publikum Zeile für Zeile ihrer Songs mit. Und all das haben die letzten Jahre nur jene mitbekommen, die dabei waren. Pop
also, der nicht zu jeder Sekunde virtuell die ganze Welt unterhalten will. Geht sowas denn noch? Ja, sagen Boy. Sie haben das zweite Album »We Were Here« gehütet wie ein kleines Geheimnis. Die Musik ist still und leise zwischen Hamburg und Zürich entstanden. Bei Schreibblockaden griff man zum Telefon und rief sich an. So wie bei »New York«, als Valeska sich einbildete, nie mehr einen Popsong schreiben zu können und für neue Inspiration in den Big Apple reisen wollte. Musikalisch hat man sich zu den Hymnen und Pop-Nummern weitergehantelt. Neben akustischen »Daughter«-Intros brummen erstmals Bässe, hallen Vocals, knistern Percussion-Effekte und flirren Synths. Andere Songs heißen »Hotel« und atmen die Detailtreue einer guten Sozialreportage: Eine Frau liegt im frisch gemachten Bett eines Hotelzimmers, die Mini-Bar ist geöffnet, der Fernseher läuft, nur der Schlaf fehlt. Auch Valeska und Sonja haben auf ihrer Tour unzählige Hotels von innen gesehen. Am Spannendsten waren die billigen Motels neben der Autobahn in Minnesota, wo es nur schwarzen Kaffee zum Frühstück gab, meint Sonja. Aber lieber malen sie sich die Geschichte einer Fremden aus, als die eigene zu erzählen. Es ist schon sonderbar, dass Boy so lieblich und unschuldig wirken, obwohl sie vor allem eines sind: unnahbar und undurchsichtig. Nur weil Valeskas Stimme manchmal nach Breakup und erster Liebe klingt, erzählt sie nicht davon. »Liebe ist für uns ein weiter Begriff«, sagt sie, »und genau so muss ein Abschied nicht zwingend traurig klingen«. Und ein Album, dass den Zustand der Dämmerung beschreibt, klingt für den einen oder anderen eben auch nach einem unbeschwerten Sommertag in Wien.
»We Were Here« von Boy ist bereits via Grönland erschienen.
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Schnipo Schranke – »Satt« — Mitsing-Pop ohne Ballermann
Tamponaden, ein bisschen deeper
»Pisse« war letztes Jahr ein Hit für Jahresrückblicke und WG-Partys. Die schnieke deutsche Band Schnipo Schranke hat aber noch mehr geile Zeilen auf Lager.
Auf Albumlänge klingt das alles noch ausgefeilter. Schließlich hat Buback-Gründer und Goldene Zitrone Ted Gaier produziert und das Zitronen-Instrumentarium zur Verfügung gestellt. Deshalb hört man auch Flöten. Nach wenigen Durchläufen kennt man es auswendig. So kann guter Pop eben funktionieren, als Begleiter in allen Lebenslagen, als Sprichwörterbuch für einschläfernde Abende und trotz aller Reduziertheit auch als Straßenbahndisco. Live wechseln sich die beiden Schnipos an Klavier und Schlagzeug ab. Dazu kommt ein bisschen Geflirre von den Synthesizern, die ein geschniegelter Schnauzbartträger bedient – man darf ihn Ente nennen. Sie stehen da in blauen vietnamesischen Militäruniformen. »Man muss sich schon’ne Arbeitskleidung anziehen, um das richtige Bühnengefühl zu haben«, sagen sie.
Sag ja zu Pisse Identifikationspotenzial haben die beiden Mittzwanzigerinnen reichlich. Auch wenn sie im Smalltalk eher awkward sind und »schnell zu detailliert werden und sagen, was keiner so genau wissen wollte«. Feminismus! schreien einige. Schließlich haben Schnipo Schranke dieses Spiel mit der Selbstermächtigung und der Selbstbestimmung verstanden wie wenig andere. Ganz eigene Sprachbilder gibt es obendrauf. Das wäre aber eigentlich nur Zufall, sagen sie. Aber wenn Leute das in diese Richtung interpretieren wollen, wäre das auch nicht das Schlechteste. »Satt« von Schnipo Schranke erscheint am 4. September via Buback.
Text Dominik Oswald Bild Jenny Schäfer
Schnitzel und Pommes-Schranke. Ketchup, Mayo. Fertig ist der Namen, und das Aufsehen ist groß. Schon im Vorjahr war ihr »Pisse« ein Riesenhit, mit seinen Nanana-Chören, den eigenartigen Reimen und natürlich dem Text, dass Liebe auch vor Typen nicht Halt macht, die untenrum nach Pisse riechen. Jahrescharts gab es dafür noch und nöcher. Das ist die neue Schule, das ist Schnipo Schranke, das sind Daniela Reis und Friederike Ernst – man darf sie auch Fritzi nennen. Am Album ist der Smash-Hit etwas entschärft, ein bisschen deeper sollte es sein, »nicht unbedingt so’n BallermannParty-Hit«, sagen sie. Den Leuten hat es jedenfalls getaugt. Auch weil eine deutsche Frauenband selten zuvor so offen und detailliert von Ferkeleien erzählt hat, von Selbstentblößung, Erniedrigung und sympathischem Häusl-Humor. Es singt immer die, die den Song auch geschrieben hat. Es soll ja autobiografisch sein. »Sonst kommt man ja gar nicht drauf«, sagen sie. Es gibt Geschichten vom Abwasserkanal, in dem keine Limonade schwimmt, von Tamponaden auf Reisen und – im vielleicht besten Song des Albums namens »Cluburlaub« – von blanken Busen auf Cocktailbars in Panama. Ihre Songzeilen möchte man sich für Tinder-Chats einspeichern. »Du machtest tolle Fotos von mir auf deinem Lokus im Retrostyle« etwa. Oder »Keiner kann mir nehmen, was zwischen uns liegt. Oh Baby, dein Sperma schmeckt so intensiv«. Man ist sich auch nicht für die offensichtlichen Wortspiele zu schade. »Du bist echt ein Unikat, das morgen wieder Uni hat.« Ganz alltägliche Probleme eben, leicht verdreht, dass sie sich einprägen und man schnell mitsingen und mitschwingen kann. Vorgetragen wir das stimmlich mal ausladend – man kommt von der Klassik – mal naiv-schön gerappt wie in der Single »Schrank«.
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Revivals und das Problem mit den 90ern — Es ist ok, dass die 90er zu etwas gemacht werden, das sie nie waren
Text Nicole Schöndorfer Bild Opening cermony, Universal Pictures, Siluh Records
Vor zwei Jahren brachte Chloë Sevigny ihre 90s Kollektion heraus. Große Modeketten gehen weniger subtil vor.
e k i L s Smell am c S n e Te Alle reden vom Nineties-Revival – Textilgroßkonzerne, Feuilletons und Eltern. Bauchfrei, Grunge und eine GirlgroupReunion sollen das Jahrzehnt in die Gegenwart katapultieren. Dahinter steckt aber mehr als nur ein Marketing-Gag.
Mit Revivals ist das so eine Sache. Jedes Jahrzehnt hatte bisher sein Revival. Ein paar Absurditäten und Hits werden hervorgekramt, Bands gehen auf Reunion-Tour und wow, wusstest du, dass »Before Sunrise« und »Akte X« auch schon wieder 20 Jahre vorbei sind? Es bleibt aber nicht beim Erinnern. In Mode, Musik und im Film – man denke an all die Remakes – wird vieles nochmal von vorne durchgespielt. Nicht ganz so wie damals, aber ähnlich. Abgewandelt, modernisiert, an die neue Dekade angepasst. So berief sich die trendbewusste Gesellschaft mit Federboas und Wasserwellenfrisur etwa auf die Roaring Twenties, als F. Scott Fitzgeralds »The Great Gatsby« mit Robert Redford in die Kinos kam. Das war 1974. Ein großer Sprung. In der Regel scheint es nämlich, dass Revivals eher das vorletzte oder vorvorletzte Jahrzehnt aufleben lassen und für sich neu entdecken. Die Neue Deutsche Welle Ende der 70er Jahre spiegelte den SchlagerGipfel Mitte der 50er Jahre – inklusive einem nicht unwesentlichen Ironie-Twist –, während die 90er Jahre schon eine kleine Revitalisierung der Disco-Ära andeuteten. Woher sonst bezogen die Popstars die Inspiration für ihre Glitzer-Suits und Snake-Print-Stiefel? Außerdem groß in den 90ern: der Lolita-Chic, der erstmals 1955 mit Vladimir Nabokovs Roman einen Namen und mit Stanley Kubricks Verfilmung ein Gesicht bekam. So setzte Britney Spears mit ihrer Schuluniform im »Baby One More Time«-Video zwar sexuell fragwürdige, modisch aber durchaus relevante Trends, genauso wie Emma »Baby Spice« Bunton das mit ihren blonden Pigtails und Lollies tat. Die 90er Jahre hatten sich also schon damals diverser, bereits zuvor dagewesener Styles und
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Stilmittel bedient. Das Spiel, was wann wieder auftaucht, könnte man lange fortsetzen. »Es kommt ja alles immer wieder«, sagt die Mama. Ja und nein.
Die Wirtschaft gibt den Ton an Was war in den 90er Jahren? Was ist jetzt wieder da? Und ist irgendetwas davon überhaupt relevant? Billige Plastik-Halsbänder im Tattoo-Look und trashige Strass-Prints sind es nicht unbedingt. Es ist natürlich mehr passiert als das. Angefangen haben die 90er mit dem Fall der Berliner Mauer – ja, das war 1989, aber hat die neue Dekade quasi eingeläutet. Politisch war einiges los: der zweite Golfkrieg, der Zerfall Jugoslawiens, Bill Clinton, Österreichs EU-Beitritt, Srebrenica, der Kosovo-Krieg und Wladimir Putins Einstand. Ereignisse, die die 90er Jahre einschneidend geprägt haben, genauso wie Prinzessin Dianas Tod, das Schaf Dolly und Energiesparlampen. Alles nachzusehen im History Channel und auf RTL 2. Diese Dinge sind es aber zum Glück nicht, die das angebliche Revival auszeichnen. Die plätschern an der popkulturellen Oberfläche dahin: Gebleichte Haare, Gummi-Sandalen und Sport-BHs alleine machen noch kein 90er-Revival. Auch oder gerade dann nicht, wenn H&M und Forever 21 das in ihren Newslettern behaupten. Sophie Geretsegger, Kulturwissenschaftlerin, Kunsthistorikerin und Lehrende an der Universität für Angewandte Kunst in Wien, spricht in diesem Fall
Mile Me Deaf, die größten Slacker, die die 90s nie erlebt haben.
Eurodance, Plastik-Pop und Drum’n’Bass neu Anders als in der Mode gibt es in der Musik tatsächlich 90er-Tendenzen. Das liegt einerseits daran, dass der stark britisch geprägte Clubsound von damals, von House über Trip Hop bis Drum’n’Bass, heute nicht nur wieder funktioniert, sondern auch bewusst wieder produziert wird. Die Rückbesinnung auf Trip Hop steht spätestens seit dem Einfallen von FKA Twigs 2013 im Raum. Andererseits liegt das popmusikalische Revival aber darin, dass die Hits von vor 20 Jahren einfach wieder vermehrt gehört, geliebt und eben nicht nur bei MottoPartys aufgelegt werden. Old-School-Superstar-Pop ist großteils tot und genau deshalb interessant. Also werden die Spice Girls, NSYNC, En Vogue, Whigfield und andere MTV- und »Bravo Hits«-Darlinge wieder entdeckt. Und genau hier kommt schließlich die Postironie ins Spiel, die auch beim Tragen von Socken in transparenten Glitzer-PlateauSandalen, Augenbrauen-Piercings und den von Miley Cyrus inspirierten Raver-Schneckerln eine Rolle spielen dürfte. Eigentlich ist einem dieser seichte Plastik-Pop à la Mariah vollkommen unterlegen, weil man zuhause eh Sonic Youth und Fennesz hört, aber im Club ist das schon geil. Ein Arschgeweih würde man sich aber trotzdem nicht tätowieren lassen. So weit geht die Liebe dann nicht. Postironie erklärt diese Verarbeitung der 90er insgesamt also besser als die Rede vom ewigen Revival-Kult.
Retro ist nicht gleich Revival
Reboot, Prequel, Sequel? Egal, Hauptsache 90s-Grafik und irre erfolgreich. von einem »initiierten Revival«, bei dem vor allem in der MainstreamModeindustrie wirtschaftliche Interessen im Mittelpunkt stehen. Das mag zwar vorschnell nach no na klingen, bei genauerer Betrachtung findet sich in den Kollektionen internationaler High-Fashion-Virtuosen von Miuccia Prada bis Jean-Paul Gaultier wirklich nichts, das so plump an die 90er Jahre erinnert oder eben daran, was wir mittlerweile glauben, das diese Zeit modisch geprägt hätte. Die, die das Revival heute mit ihrem Erscheinungsbild feiern, waren damals im Kindesbis Teenageralter. Zwischen Kindergeburtstagen und dem ersten Bussi analysiert man meist noch keine Modetrends. Jedenfalls kann heute dadurch, dass Zeitschriften Kollektionen aus ihrem Kontext reißen (müssen) und ein Foto einer Show drucken, schnell auf einen Trend geschlossen werden. So schrie die Industrie eben vor einiger Zeit »Nineties!« und collagierte, produzierte und propagierte alles neu – mit Jeans-Minis, Crop-Tops und Glitzersteinchen im Gesicht. Aber trug man das überhaupt so? Also mehr also 14 Leute? Wurscht.
Ginge es danach, stünde im Zentrum des Revivals nämlich dieses »Früher«. Die Überzeugung, dass da alles besser, einfacher und unbeschwerter war, hält sich auch laut Sophie Geretsegger, ist aber Quatsch. Dazu kommt, dass Popkultur ohnehin einen unheilbaren Retrospleen hat, wie spätestens seit Simon Reynolds modernem Standardwerk »Retromania« bekannt sein dürfte. Doch suggeriert der Begriff »retro« eben auch, dass Dinge sich an Vergangenem zwar orientieren, aber trotzdem neu sind. Grunge zum Beispiel. Auch so ein Buzzword der 90er-Mode- und Musiksubkulturen, Kurt Cobain, Pearl Jam und so. Heute bekommt man Grunge mit frisierten Haaren und ohne SuizidGedanken neu und besser produziert aufgetischt. Yuck zum Beispiel. Oder Wolf Alice. Mit den 90ern hat das Quartett aus North London wenig zu tun. Revivals gehören heute so wie Jahresrückblicke und Arte-Dokus zu einer ganz normalen Erinnerungskultur. Dass Dinge dabei verfälscht werden, das macht sie gerade aus. Sonst wären wir ja einfach mitten in den 90ern. Ein Revival besteht dabei aus viel mehr als modischen Accessoires und den Reunion-Tours der Spice Girls und der Backstreet Boys. Moden, Wörter, Grooves und Praktiken werden auf ihre Brauchbarkeit fürs Heute abgeklopft. Revivals erschaffen neue Fiktionen, die auf alten Fiktionen aufbauen. Und zwar vor allem von Leuten, die zu jung sind, um damals dabei gewesen zu sein oder von solchen, die damit ihre Jugendjahre verbracht haben. Man muss die Dekaden insofern sogar zu etwas machen, das sie nie waren. Denn Pop kann mehr als bloß einer anderen Zeit nachzuweinen. Gewöhnt euch dran. Und move on. 027
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Product Placement im Film
Von Videopiraten und Konzernkino
There Will Be Product Placement
Text Leo Dworschak Bild Paramount Home Entertainment, Sony Pictures
Es völlig egal, ob »Pixels« Schrott ist oder nicht. Ob man ihn im Kino sieht oder streamt. Das Geld kommt über das Product Placement rein.
Bewegtbild mit dem Wort »Pixels« im Titel gilt im Netz derzeit als Freiwild, egal ob Indiefilm, Musikvideo oder Kunstprojekt. Der Grund: »Pixels« heißt auch der aktuelle Adam Sandler-Klamauk, der seit Anfang August die österreichischen Kinos heimsucht. Das Filmstudio beauftragte eine Firma damit, ihr kostbares Produkt zu schützen, woraufhin die Videoplattform Vimeo mit Beschwerden bombardiert wurde. Unzählige legale Clips mit »Pixels« im Titel wurden entfernt, die Urheber abgemahnt. Wer sich noch nie in der Kunst des Facepalmings oder des Double Facepalmings versucht hat, jetzt wäre ein passender Augenblick. Die Ironie an der Sache ist, dass Pixel im Film »Pixels« nur am Rande, nämlich auf den Bildschirmen alter Spielautomaten, vorkommen. Die Komödie dreht sich um den Angriff einer extraterrestrischen Streitmacht, die die Menschheit in Form von Videospielen aus den 80ern angreift. Die Aliens sehen also aus wie Pac-Man, Centipede und Co. – bestehen aber nicht, wie der Titel vermuten lässt, aus Pixeln, sondern sogenannten Voxeln. Völlig witzlos hingegen und umso bitterer ist die Tatsache, dass »Pixels« zahlreichen Independent-, Low- und No-Budget-Produktionen schadet und ihnen im Stile eines Schulhof-Rowdys das Essensgeld abknöpft. Man rechtfertigt die Aktion mit, wie könnte es anders sein, der Videopiraterie. Wer nun genervt die Augen verdreht, keine Sorge, hier geht es nicht darum, wieder einmal klarzustellen, dass Filmklau kein Kavaliersdelikt darstellt. Vielmehr steht der Robin-Hood-Spirit dieser Straftat im Mittelpunkt. Videopiraterie ist ja, abseits der Legalitätsfrage, irgendwo nachzuvollziehen, nämlich frei nach dem Motto: »Wenn wir der US-amerikanischen Filmindustrie immer wieder eins auswischen, kommen vielleicht endlich mal bessere Filme«. Ein feiner, wenn auch naiver Outlaw-Gedanke, der zwar sicherlich nicht vielen Streamern und Downloadern einschießt, aber notfalls als Ausrede für ihr Tun herhalten kann. Leider ist er völliger Schwachsinn.
Die »The Interview«-Krise Erinnern wir uns an den Skandal rund um die Rogen / Franco-Komödie »The Interview«: Am Anfang ein Hacker-Angriff auf Sony, veröffentlichte Personaldaten, mäßig brisante Läster-Mails und DrehbuchRohfassungen, schließlich Terror-Drohungen, die eine vorübergehende Filmsperre bewirkten, und ein politischer Hickhack, in den die USA, Nordkorea und China involviert waren. Zwischenzeitlich kündigte Sony sogar an, »The Interview« in keinster Weise zu veröffentlichen, den Film also auch nicht außerhalb der Kinosäle zugänglich zu ma-
Vor 20 Jahren schon hat »Wayne‘s World« die No-Sell-Out-Kultur perfekt persifliert.
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Was für ein Zufall, dass in »Pixels« alle Minis fahren. Fast so wie im echten Leben. chen: kein Home Entertainment-Release, kein Video on Demand. Nicht zu Unrecht hagelte es Protest, dem sich etwa auch Barack Obama anschloss. Von Zensur wurde gesprochen, von einem bedenklichen Präzedenzfall und weitreichenden Auswirkungen für die Filmindustrie. Dass diese Entscheidung so nicht stehen bleiben würde, schien aber von Anfang an klar. Nicht, um das Gebot einzuhalten oder um niemals mit Terroristen zu verhandeln und sicher nicht um der Freiheit der Kunst willen. Nein, wäre »The Interview« gar nicht gezeigt worden, hätte nicht nur Sony durch die Finger geschaut, sondern auch ihre Geldgeber. Während die Produktionsfirmen von Box Office-Umsätzen abhängig sind, geht es den Finanziers um etwas völlig anderes.
Hauptsache sichtbar Videopiraterie wird oft als Hauptschuldige für den stetig fallenden Absatz an den Kinokassen verteufelt. Nicht ganz zu Unrecht, versteht sich, doch haben die Kinokassen als Haupteinnahmequelle der FilmIndustrie nicht längst ausgedient? Wenn man sich nur zehn Minuten durch das Hollywood-schwangere TV-Abendprogramm zappt und mitzählt, wie viele leuchtende Logos eines angebissenen Apfels über den Bildschirm flimmern, wie viele rote Softdrink-Dosen, wie viele Kühlerhauben mit den Namen der jeweiligen Karossen, muss man zu dem Schluss kommen, dass es den Konzernen egal ist, auf welche Weise dem Publikum ihre werbewirksam platzierten Produkte unterkommen, ob auf einer Kinoleinwand, dem Bildschirm eines Laptops oder einem Handy-Display. »Je mehr, desto besser!« lautet die Devise. Ein virales Video erreicht mehr Verbraucher als es die Kinoleinwände tun. Und ein Hype, ein Skandal wie ihn »The Interview« verursacht hat, ist das reinste Werbe-El-Dorado. Aber nur, solange der Film in irgendeiner Form erscheint und seine Reise rund um den Globus antreten darf. Kein Wunder also, dass Sony schnellstmöglich zurückruderte und den Plan verlautbarte, die Nordkorea-Komödie zumindest via YouTube zu veröffentlichen.
Corporate Cinema Wer denkt, den Hollywood-Bossen mit verbotenen Downloads und Streams eins auszuwischen, liegt völlig falsch. Was auf lange Sicht passieren wird, ist vielmehr das: Wenn sich auch das letzte Aufbäumen (und das »Pixels«-Dilemma fällt bereits in diese Kategorie) der Produktionsfirmen als sinnlos erweist (was sehr wahrscheinlich ist, allein schon angesichts der Tatsache, dass Videopiraterie sich wie die Urzeit echsen in »Jurassic Park« verhält: sie findet immer einen Weg), werden
die Studios das Zepter ganz den Konzernen überlassen. Hierbei handelt es sich keineswegs um eine Prognose aus den Gefilden der maßlosen Übertreibung und Schwarzmalerei. Zum Teil hat das Product Placement ja schon immer den Filminhalt bestimmt. Eine kleine Dialogszene am Getränkeautomaten hier, eine Autoverfolgungsjagd mit einheitlichen Fabrikaten dort. In manchen Fällen wurde die Werbung sogar zur Formel: »James Bond« – eine der berühmtesten Franchises der Kinogeschichte – etwa war von Anfang an darauf ausgerichtet, ein bestimmtes Image und die dafür nötigen Accessoires zu verkaufen. Der Trend hat sich weiterentwickelt: Einige Konzerne produzieren längst ihre eigenen Blockbuster, die meist daran zu erkennen sind, dass die zu bewerbenden Konsumgüter bereits im Filmtitel vorkommen (Zum Beispiel »Transformers«, »Marvel’s Avengers« und »The Lego Movie«). Am Ende ist die Rechnung relativ simpel: Je mehr Einbußen die Filmstudios durch die illegale Verbreitung ihrer Produktionen hinnehmen müssen, desto intensiver lassen sie sich sponsern. Je mehr Geld die Konzerne in die Filmindustrie pumpen, desto mehr Mitspracherecht erhalten sie. Nicht nur Klein- und Kleinst-Filmprojekte (so wie jene, die dem »Pixels«-Sweep zum Opfer fielen), sondern auch solche der Mittelklasse, vom Arthouse-Drama bis zum Zombie-Splatter, werden dadurch zunehmend dezimiert. Und der Rest … ist Werbung. »Pixels« kann man im Kino schauen oder im Netz streamen. Zumindest für die Sponsorfirmen ist das egal. 029
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eine Mutter wird gefressen, vor seinen Augen, in zwei blutige Teile gebissen, ein Titan verschluckt sie mit breitem, friedlichem Lächeln. Terror. Hass. Wut. Eren Yeager reagiert so und kennt von da an nur mehr ein Ziel, alle Titanen zu töten. Nur ist das selbst für die Hauptfigur von »Attack On Titan« eine zu große, unbewältigbare Aufgabe. Seine Freunde und Kameraden sterben wie die Fliegen, Pläne scheitern, die wenigen Erfolge sind durch hohe Verluste erkauft. Dazu kommt Verrat in den eigenen Reihen und die Unwissenheit, warum das alles überhaupt passiert. Woher die Titanen kommen. Warum sie die Menschheit so dezimiert haben, dass diese innerhalb von drei hohen Mauern wie Vieh leben muss. Und wenn diese Titanen nicht einmal Nahrung brauchen, wieso sie dann Menschen jagen und fressen. Willkommen bei »Attack On Titan«. Der enorme Erfolg der gleichnamigen Anime-Serie kam für die Macher dermaßen überraschend, dass zwei Jahre nach der TV-Erstausstrahlung noch immer an der zweiten Staffel der Serie gearbeitet wird. In der Zwischenzeit wurde das zugrunde liegende Manga allein in Japan 50 Millionen Mal verkauft. Ein mittelmäßiger Kinofilm kam heuer in die japanischen Kinos und war sofort auf der Eins. Der zweite Teil folgt noch im Herbst. Und natürlich gibt es endlos Fanfiction, Gadgets und Adaptionen. Es ist fast wie bei »Batman« oder »Harry Potter«. Eine Idee hallt nach, stößt auf so viel Resonanz, dass sie immer weiter gesponnen wird. Das Manga selbst wurde bereits 2009 veröffentlicht, eigentlich als Shounen, d. h., es war vorwiegend für männliche Teenager gedacht. Damals stand Japan am Höhepunkt seiner Wirtschaftskrise, die Arbeitslosenrate betrug 5,7 Prozent. Für andere Länder sind das traumhafte Zahlen, für Japan eine Katastrophe. Aber erst mit dem Video-Anime kamen viele internationale Seher dazu – allein auf Imdb wird es von 44.000 Menschen mit 8,9 Punkten bewertet. Sie sehen eine grandios gemachte Serie, die gleichzeitig unterhält und erschüttert.
Goya, Zeus, Gaza Wie der griechische Titan Kronos eines seiner eigenen Kinder frisst, wurde von Francisco de Goya in einer grandiosen und grässlichen Vision mit Öl direkt auf einer Wand seines Esszimmers verewigt. Zeus verschlingt wegen einer Prophezeiung die schwangere Mutter Athenas, wodurch Athena überhaupt erst seinem Kopf in voller Rüstung entspringen kann. Kannibalismus ist quer durch fast alle Kulturen belegt, die Gründe können völlig unterschiedlich sein. Es überleben aber immer die, die fressen. Hier wird die Perspektive umgedreht. »Attack On Titan« zeigt die Opfer, die dunkle Seite des Konflikts, zeigt den Kampf gegen ein überwältigendes Anderes. Die Menschen werden belagert und bedroht, wie in Camps, wie hinter den Mauern des Gazastreifens oder hinter meterhohen Grenzzäunen. Wer wen jagt, das soll sich in der Serie umkehren. »Attack On Titan« spart dabei nicht an Blut, langen inneren Monologen und spektakulären Bildern. Die Uniformen und Doppelklingen der Soldaten sehen schick aus, die Charaktere sind zwar etwas flach aber ungewöhnlich und der 3D-Manöver-Apparat, mit dem die Einheiten sich durch die Luft bewegen, bringt eine fantastische Anmut in die Szenen. Die Welt innerhalb der Mauern sieht zwar oft generisch aus, sie bietet andrerseits genügend Raum für Konflikte, Dummheit und Egoismus unter den Menschen. Die reichen und religiösen Kasten leben mit dem höchsten Schutz im innersten Zirkel und kümmern sich nicht um das Schicksal der Menschen ganz außen, sie benutzen sie indirekt sogar als Köder.
Text Stefan Niederwieser Bild Manga Entertainment
Grinsende, unheimliche Killer »Seid ihr das Essen? Nein, wir sind die Jäger«, singt der Chor im Titelsong zu epischem Metal, ja, auf Deutsch. Die Atmosphäre ist manchmal heiter, viel öfter aber finster und beklemmend. Nach über hundert Jahren haben die Titanen wieder angegriffen und eine Mauer durchbrochen. Sie schauen freundlich und unschuldig aus, wenn sie Menschen zermalmen und verschlingen, spüren keinen Schmerz, selbst wenn ihnen ganze Gliedmaßen abgeschnitten werden. Nur ein sauberer Schnitt im Nacken kann sie wirklich töten. Die Menschheit steht nicht mehr ganz oben in der Nahrungskette. Ein Game, das Skizze geblieben ist, zeigt den aussichtslosen Kampf aus der Ego-Perspektive. Ohne viel Übung wird man immer wieder von den Titanen zermalmt, schwer verletzt, gepackt und gefressen. Und selbst später sind die Überlebenschancen gering. Jeder Einzelne muss so gegen Umstände kämpfen, die viel größer sind als er selbst und ganz buchstäblich drohen, ihn zu verschlucken. Interpretationen gibt es dazu viele. Etwa, dass die Angst vor dem wieder erstarkten Riesen China und die beginnende Remilitarisierung Japans hinter dem Erfolg der Serie stecken. In China ist sie verboten, in Hong Kong dafür sehr erfolgreich. Oder – breiter gedacht –, dass die Serie die Ohnmacht gegenüber multinationalen Konzernen verarbeitet, wie übergroße Unternehmen die kleinen Leute beherrschen und verzehren. Über Regierungen, Superreiche oder Massenmedien lässt sich das ebenfalls leicht behaupten. Eine andere Theorie geht so weit, dass die Titanen den unbändigen Hunger nach Ressourcen verkörpern würden. Indem wir mehr verbrauchen als die Erde jemals produzieren kann, frisst die Menschheit sich selbst auf. Die ersten Opfer sind die, die am Rand leben, im Süden, wie in der Serie, wo Armut und Angst alltäglich sind. Die Idee zu den Titanen kam dem Autor Hajime Isayama in einem Internetcafé, als ein Kunde ihn am Kragen packte, aber so betrunken war, dass er völlig unfähig war, mit ihm zu kommunizieren. Die hohen Wände zum Schutz vor den Titanen könnten insofern auch psychologische Bedeutung haben als mentale Barriere, hinter der das Unheimliche, das Hässliche und Groteske lauert. Und Sigmund Freud selbst sagte in seinem Aufsatz über das Unheimliche ja, dass dieses zugleich vertraut und unvertraut ist.
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»Attack On Titan« — Anime-Serie über Menschen, Monster und Titanen
Von der Angst, verschluckt zu werden Das schlimmste Monster ist immer noch der Mensch – und seine größte Hoffnung zugleich. Eine Anime-Serie setzt diesen unheimlichen Umstand beinahe perfekt um.
Sie sterben wie die Fliegen Die Story wird dabei sehr geradlinig erzählt, nimmt aber immer wieder unerwartete Wendungen, zusätzlich angetrieben von Mysterium, was die Titanen überhaupt wollen und einem Schlüssel, den Eren Yeager von seinem Vater bekommen hat. Ähnlich wie in »Game Of Thrones« sterben selbst viele der zentralen Figuren, sie werden gefressen, zerteilt und gegen Wände geklatscht. Der Plan am Ende wirklich alle Helden sterben zu lassen, wurde aber angeblich aufgegeben. Die subtile Poesie der Filme von Hayao Miyazaki sollte man sich von der Serie nun nicht erwarten, aber zumindest visuell wurden die Folgen von Production I. G, die auch schon »Ghost In The Shell« und »Jin-Roh« realisiert haben, eindrucksvoll umgesetzt. Homo homini lupus – der Mensch ist dem Menschen ein Wolf – hatte der Staatstheoretiker Thomas Hobbes eigentlich für Konflikte zwischen Staaten und Städten verwendet, während Menschen in ihrer eigenen Gesellschaft zu Mitgefühl fähig wären. Sigmund Freud greift den Satz in »Das Unbehagen der Kultur« auf. Menschen helfen einander, der Nächste ist aber immer auch »Versuchung, seine Aggression an ihm zu befriedigen, seine Arbeitskraft ohne Entschädigung auszunützen, ihn ohne seine Einwilligung sexuell zu gebrauchen, sich in den Besitz seiner Habe zu setzen, ihn zu demütigen, ihm Schmerzen zu bereiten, zu martern und zu töten.« In »Attack On Titan« wird das perfekt übersetzt. Nur dass die nackten Titanen keine Geschlechtsorgane haben, passt da nicht ganz ins Bild. »Attack On Titan« erscheint als Manga in deutscher Übersetzung bei Carlsen. Die erste Staffel des Anime ist mehrsprachig als DVD und Blu-ray erhältlich. Im deutschen Sprachraum wurde die Serie noch nicht ausgestrahlt. Die zweite Staffel ist für Anfang 2016 angekündigt. Die beiden Realfilme kommen noch 2015 ins Kino.
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Clemens L. Setz – »Die Stunde zwischen Frau und Gitarre« — Großes, verstörendes Scheitern auf 1.000 Seiten
Der Verstörungskünstler
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Text Teresa Reiter Bild Hans Hochstöger / Focus / Suhrkamp Verlag
Wer selbst schreibt, kennt das Gefühl, dass einem jedes irrelevante Detail als höchst wichtig erscheint. Was aber, wenn ein junges Schreibgenie genau solch minutiöse Schilderung benutzt, vielleicht nur, um seine Leser langsam in den Wahnsinn zu treiben?
Normcore kann voll verstörend sein, sagt Clemens L. Setz nicht nur mit seinem Blick, sondern auch seinem neuen Buch. 032
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CLEME N S J .
SETZ STUNDE Die
»Die Stunde zwischen Frau und Gitarre« von Clemens L. Setz erscheint am 6. September via Suhrkamp.
In seltsamer Einigkeit krönte der Literaturbetrieb Clemens L. Setz spätestens nach seinem 2012 erschienen Roman »Indigo« zum Junggenie. Der 32-jährige Grazer, der öffentlich bescheiden, ja beinahe socially awkward auftritt, entspricht dem Anforderungsprofil dafür perfekt. Er ist ein außergewöhnlicher, leicht rätselhafter Charakter, kein Angeber, kein One-Hit-Wonder. Nein, er hat sich Buch um Buch weiter nach oben geschrieben und bisher zumindest zwei außergewöhnlich gute Werke präsentiert. »Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes« und »Indigo« schmerzen beim Lesen, lassen Verwirrung und Unbehagen zurück und gleichzeitig sind sie genau das, was man sich in einer Zeit literarischer Überproduktion wünscht: Bücher, die irgendetwas mit einem machen, die man nicht so schnell wieder vergisst. Wer davon einmal gekostet hat, wartet seit 2012 auf den neuen Roman, findet sich unschlüssig und beinahe verzweifelt in Buchhandlungen stehend und dort lächerliche Substis für den immer noch nicht fertigen neuen Setz kaufen. Der Suhrkamp Verlag weiß mit dieser Erwartung auch zu spielen. Schon lange gibt es Geflüster über den neuen Roman und seinen bedeutenden Umfang und dann kommt erst ein Gedichtband und dann dieses seltsame Bändchen »Glücklich wie Blei im Getreide« heraus. Die sadistischeren unter den Buchhändlern, denen das Drama der Existenz eines Setz-Angefixten nicht oder aber absolut klar ist, sagen zu ihren Kunden: »Es gibt was Neues vom Setz«. Und eins ums andere Mal ist es nicht der so schmerzlich erwartete Roman.
1.000 Seiten Setz Nun ist »Die Stunde zwischen Frau und Gitarre« endlich da und hat wie versprochen 1.000 Seiten. Es wird ein monumentales Werk genannt werden, das ist schon klar. Vergleiche mit den ganz Großen der Weltliteratur werden sich in der einen oder anderen Rezension finden und die ganze Branche wird sich daran aufgeilen, dass sie es immer schon gewusst hat: Clemens L. Setz ist ein Genie. Ein Gedankenexperiment: Was, wenn der neue Roman nichts anderes als eine ziemlich aufwendige Trollerei ist? Bei den jährlich im Museumsquartier stattfindenden Freiluftlesungen »O-Töne« tritt Setz im Juli 2015 mit »Glücklich wie Blei im Getreide« auf. Darin finden sich selbstironische Nacherzählungen seiner ersten und eher missglückten Schreibversuche, die ihm zu peinlich sind, als dass er sie im Original abdrucken lassen würde. Allerdings aber auch nicht peinlich genug, um so ein Buch überhaupt nicht zu machen. An seiner Seite sitzt der angesehene Literaturkritiker Paul Jandl und vergleicht eine der Geschichten mit Kafka. Setz und auch das mäßig beeindruckte, aber höfliche Publikum weichen seinem Blick aus. Die Geschichten sind absurd und auf eine Weise zwangsoriginell, die man kaum aushält. Kurz darauf erklärt sich der Autor bereit, auch den Anfang des neuen Romans zu lesen, der sich eins zu eins zu den Nacherzählungen des Scheiterns gesellen könnte, ohne dass es irgendjemandem auffallen würde. Ein bisschen stellt man sich vor, dass es nur ein Test ist und dass Setz, innerlich diabolisch lachend, nur ausprobiert, wie weit er gehen kann, bevor ihm der Geniestatus wieder aberkannt wird.
Sein Jahr in der Junggenie-Bucht Immerhin sind es 1.000 Seiten, gefüllt mit minutiösen, manchmal fast Echtzeit-Beobachtungen in einem Wohnheim für Menschen mit Behinderungen, wie jenes in dem Setz für die Recherche ein Jahr lang ein- und ausging. Irrlichterne Geschöpfe faseln sich darin groben Non-
ZWISCHEN
FRAU und GITARRE ROMAN
SUHRKAMP
sens ins Ohr und die vielen außergewöhnlichen Vergleiche, die man von Setz schon gewohnt ist, häufen sich in einer Art, die einen etwa gegen Seite 300 um Gnade winseln lassen möchte. Dem Anfang fehlt die Dichte, die er in »Indigo« so meisterhaft kreiert hat. Wäre er nicht das gefeierte Junggenie, so würde man sich vielleicht nicht über die ersten paar hundert Seiten kämpfen. Der Plot: Eine 21-jährige Behindertenbetreuerin namens Natalie tritt eine Stellung in einem Behindertenwohnheim voller Menschen mit fast zu interessanten Spleens an. Einer ihrer Klienten ist der im Rollstuhl sitzende Alexander Dorm, ein ungemütlicher Zeitgenosse, der sich vor Frauen ekelt, aber auch vor Natalies burschikosem Auftreten. Seiner enervierenden Art zum Trotze erhält er jede Woche Besuch von »Chris« Hollberg, dessen Leben er zerstört haben soll. Dorm, so erzählen es die Kolleginnen Natalie, sei ein Stalker gewesen, der sich in ihn verliebt habe und durch andauernden Psychoterror Hollbergs Frau in den Selbstmord getrieben habe. Naturgemäß stößt sich Natalie an diesem eigenartigen Besuchsarrangement, wird aber dafür nur belächelt und man versichert ihr, es habe schon alles seine Ordnung. Doch sie gibt sich damit nicht zufrieden und führt ihre eigenen sozialen Experimente durch, um die beiden aus der Reserve zu locken.
Nervt, verstört, gruselt Soweit also die Handlung, die ewig braucht, um ins Rollen zu kommen und einen anfangs etwa alle 50 Seiten Überwindung zum Weiterlesen kostet. Natürlich quält Setz den Leser noch einmal extra mit all den Dingen, die er nur andeutet und nicht zeigt. Einer der Patienten zeichnet auf einfach allem in seinem Zimmer, und zwar irgendetwas, das jedem den Atem raubt, der es zu Gesicht bekommt. Anhand der Beschreibungen kann man sich es allerdings nicht vorstellen, man bleibt frustriert zurück. Aber auch das kennt man von Setz bereits. Doch dann passiert etwas. Die Figuren des neuen Romans sind unglaublich nervtötend. Sie reden zu viel und dauernd aneinander vorbei, sie schreiben absurde Gedichte, machen schlechte Witze, rutschen irgendwie an der Realität ab. Und schlägt man dann das Buch zu, ist man wie vom Donner gerührt, denn sie sind trotzdem noch alle im Raum und verfolgen einen zur Arbeit und zum Einkaufen. Man sieht ihre Gesichter, hört ihre Stimmen, denkt sich: »Geht weg!«, wie sich Natalie das manchmal auch in der Geschichte denkt. Man will schreien: »Lasst einander in Ruhe. Und mich auch!« Es ist, als hätten Setz’ Bücher eine bestimmte Absicht, als sollten sie eine bestimmte Wirkung erzeugen, vergleichbar mit einer Gruselgeschichte, die Angst machen soll. Setz ist ein Verstörungskünstler, dessen Bücher nichts mit angenehmer Unterhaltung zu tun haben, sondern mit Entsetzen, Ekel, Verwirrung und Unbehagen. Gefühle eben, die um nichts leichter zu erzeugen sind als ehrliche Angst. Das Spiel mit der Unbefriedigung, der enttäuschten Erwartung, dem Schock ist für ihn essentielles Werkzeug. Es ist diese Art von weltbewegender Schreibe, die Setz zum Star der deutschsprachigen Literatur gemacht hat. »Die Stunde zwischen Frau und Gitarre« sei die erste wirklich zusammenhängende Geschichte, die er geschrieben habe, sagt Setz und »kürzer ging es nicht«. Naja. Wirklich nicht? Wer selbst schreibt, kennt das Gefühl, dass einfach alles, was man beobachtet hat, irgendwie wichtig ist und meistens ist es das nicht. Vielleicht hat keiner es gewagt, ihm die 1.000 Seiten auszureden, ihn zusammenstreichen zu lassen. Und gleichzeitig kommt immer wieder der Gedanke, dass vielleicht auch diese 1.000 Seiten, dieser enorme Umfang, Teil von Setz’ Mission sind, seine Leser wahnsinnig zu machen. Klappt eh. 033
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Belletristik bei Kremayr & Scheriau — Exemplarische Insights in einen Buchverlag
Keine halben Sachen
Text Juliane Fischer Bild Kremayr & Scheriau
Unbekannte Autoren. Aus Österreich. Belletristik. Wirtschaftlich gesehen sind das nur selten die Zugpferde eines Verlags. Ein österreichischer Sachbuchverlag startet jetzt trotzdem genau damit.
Hugo Portischs »Österreich I« und »II« sind nicht gerade das, womit man Leute unter 40 begeistert. Die beiden legendären Geschichtswälzer, die später sehr erfolgreich fürs Fernsehen adaptiert wurden, sind bei Kremayr & Scheriau erschienen. Kremayr & Scheriau ist das, was man einen renommierten Sachbuchverlag nennt. Seit 1951 bietet man eine Plattform für politische Themen und Zeitgeschehen. Das »literarische Sachbuch« ist ihnen ein besonderes Anliegen. Neben Hugo Portischs Opus Magnum findet sich dort etwa auch das »Wien-Lexikon«, ein Standard-Nachschlagewerk, Karim El-Gawharys Berichte aus der Arabischen Welt und Biografien von Niki Lauda bis Erhard Busek. Kurzum: souverän, gediegen und ein bisschen altvatrisch. Die Cover, die sich seit Mitte August dazugesellen, stechen da gleich ins Auge. Man spielt mit dem Weißraum und stimmt die Typografie perfekt darauf ab, würde ein Grafiker wohl sagen. Und zwar Schriftmischungen mit Handschrift und Retroblümchen (»Das Tortenprotokoll« von Marianne Jungmaier) oder haptische Effekte mit glänzenden Pfeilen in Neonfarben (Irmgard Fuchs, siehe Interview anbei). Sie gehören der neuen ambitionierten Literaturschiene des Verlags an, die sich junger österreichischer Gegenwartsautoren verschrieben hat.
Wieso das jetzt? »Diese Frage wird uns oft gestellt«, so die verantwortliche Lektorin Tanja Raich, »und ganz ehrlich: Wir machen Literatur, weil wir Lust drauf haben.« Lust, neue Autorinnen und Autoren zu entdecken, anspruchsvolle Literatur zu machen und sie originell zu verpacken. Da ist man zuerst einmal gerne skeptisch gegenüber Newbies. Das Literaturgeschäft ist auch durch (Markt-)Regulierungen vergleichsweise
träge. Wandel ist nichts, was einem in der Branche so schnell in den Sinn kommt. »Erst wenn man 200 Prozent davon überzeugt ist, kann es funktionieren. Wenn man nur halbe Sachen macht, halbgute Bücher, halbherzige Cover, kann man sich als Sachbuchverlag nicht im hart umkämpften Bereich der Literatur behaupten.« Es ist ein Mix aus Wahnsinn, Langeweile, Leidenschaft. Geldgier gehört sicher nicht dazu, denn mit Büchern macht man nicht das große Geld, wenn man keinen »Harry Potter« in der Lade hat. In erster Linie gehört Leidenschaft dazu, das Bedürfnis, den bestehenden Publikationen noch was hinzuzufügen, das es in der Form nicht gab. Schon mit den Sachbüchern zielt man auf aktuelle Themen ab, um zur Diskussion anzuregen. »Die Flüchtlingsdebatte ist uns da im Herbst ein besonderes Anliegen.« Dazu gibt es den Roman des Asylrechtsberaters Daniel Zipfel im Programm. Bei der jährlich vergebenen Verlagsförderung haben Bücher österreichischer Urheber Vorrang. Das Lesepublikum soll ein breites Angebot mit einer großen literarischen und thematischen Vielfalt erreichen. Natürlich findet Tanja Raich, dass die Verlagsförderung eine gute Sache ist, doch auch das Sachbuchprogramm sei subventioniert, allerdings nicht jedes Jahr. »Die Förderung gibt uns die Möglichkeit, Titel zu machen, die wir aus finanzieller Überlegung nicht machen könnten, sie finanziert aber nicht annähernd unser Literaturprogramm, geschweige denn unser gesamtes Verlagsprogramm.«
Geh hin, stell einen Lektor AN Liest man in der Serie »Das anonyme Job-Protokoll« des Nachrichtenmagazins Der Spiegel, was ein Lektor ausplaudert, bekommt man schnell den Eindruck, dass sie heute vor allem als Firewall oder Spamfilter eines Verlags dienen. Jener Lektor arbeitet bei einem Großverlag
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Ein schön gestaltetes Buch un interessante Autorenporträts – wie dieses hier von Irmgard Fuchs – müssen nicht unbedingt vom Text selbst ablenken.
und bekommt etwa zehn Manuskripte pro Tag. »Bei den meisten ist schnell klar, dass kein großer Schriftsteller dahintersteckt, sondern ein Mensch, der nicht genügend Talent besitzt.« Das Filtern fordert Lektoren vermutlich am meisten. Und dazu die oft geringe Qualität. Denn unverlangte Schreibversuche trudeln immer häufiger ein. »Der Hobbyschriftsteller verarbeitet oft seine persönliche Lebensgeschichte und ist erst dann zufrieden, wenn sein Werk von möglichst vielen gelesen wird«, heißt es über die vielen unverlangt eingesandten Manuskripte. Lektoren stehen diesem unbändigen Wunsch nach Öffentlichkeit im Wege. Zu Tanja Raich von Kremayr & Scheriau gelangen pro Woche cirka 3–5 Romane oder Prosaprojekte. In den seltensten Fällen lässt es sich so ins Verlagsprogramm schaffen. Schon eher helfen Literaturpreise, Lesungen, Texte in Literaturzeitschriften und Stipendien. Ob unbekannte Namen oder bekannte: Was für die Programmchefin zählt, ist der Text selbst, auch wenn man manchmal das Gefühl hat, dass das Interesse an der Literatur selbst abgenommen hat und es nur mehr darum geht, einen Namen abzufeiern. »Uns sind Texte wichtig, die sprachlich etwas Besonderes sind, einen ungewöhnlichen Blick auf die Welt werfen oder relevante Themen unserer Zeit verhandeln.«
im Handel hängen. Der Buchhandelsrabatt beträgt meist zwischen 35–50 %. Bei kleinen Verlagen ist die sog. Barsortimentsquote sehr hoch, d.h. 70–90 % des Verkaufs laufen über den Zwischenbuchhandel. Dazu kommen noch die Liefergebühren und anteilige Kosten für den Vertrieb. Verlage werden schon allein aufgrund der professionellen Strukturen, die keine Online-Community leisten kann, nicht so schnell ersetzt werden. Und nicht jede Autorin oder jeder Autor will sich um Vertrieb, Marketing, Events, Presse, Lizenzen oder den Aufbau langjähriger Kontakte selbst kümmern. In Verlagen gibt es professionelle Grafiker, die das Buch setzen, das Cover gestalten, eine Verlagsvorschau verschicken, Messeaufritte nicht peinlich aussehen lassen und manchmal sogar Werbebudgets in die Hand nehmen. Von Selfpublishing hält man bei Kremayr & Scheriau – es überrascht nicht – wenig. Das sei eine »halbe Sache«. Klingt fast so, als würde man als Verlag nur Sachbücher von älteren Herren verlegen.
Kleiner Abriss des Buchhandels Das Modell, wie Texte ihre Leser finden, verändert sich langsam. Man redet von Books on Demand, E-Books, Blogs, Online-Communities, Smartphone-Apps, Crowdfunding. Rund um die SelfpublishingDebatte und um ein Urheberrecht, das ins digitale Zeitalter passt, taucht immer wieder der Vorwurf auf, dass Schriftsteller einen zu geringen Anteil am Verkaufspreis erhielten und Verlage einen unangemessen großen Teil einstecken würden. Tatsächlich bleibt aber viel
Ab Herbst 2015 startet Kremayr & Scheriau ein neues Literaturprogramm mit diesen Debüts: »Das Tortenprotokoll« von Marianne Jungmaier, »Wir zerschneiden die Schwerkraft« von Irmgard Fuchs, »Eine Handvoll Rosinen« von Daniel Zipfel, »183 Tage« von Ianina Ilitcheva. Verlagsvorstellung mit Lesungen von Irmgard Fuchs und Daniel Zipfel am 21. September 2015; 19.00 Uhr in der Österreichischen Gesellschaft für Literatur, Herrengasse 5, 1010 Wien. 035
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Street Art in Linz — Vom Industriehafen zur Hafengalerie
Harbour Art
Text Yasmin Vihaus Bild muralharbor.at / flap.at
Der Linzer Leonhard Gruber wollte nicht mehr auf die riesigen grauen Wände im Linzer Industriehafen schauen. Das ist nicht ungewöhnlich. In Linz entstand aus diesem Gedanken allerdings eine Street Art-Galerie. Häfen können ja etwas Romantisches an sich haben: kleine Boote, eine Hafenpromenade, am besten noch Palmen. Der Linzer Hafen hat davon so gar nichts. Als Industriehafen erfüllt er eher praktische Zwecke, beherbergt viele Container, graue Betongebäude und riesige Frachtschiffe. Vor fünf Jahren wäre vermutlich niemand auf die Idee gekommen, irgendjemandem die abgefuckten Industriegebäude dort zu zeigen. Umso faszinierender ist es, dass der Stahlstadt-Hafen jetzt Anziehungspunkt für Touristen und Street ArtLiebhaber geworden ist. Entstanden ist das durch Leonhard Gruber, der sein Büro im Hafen hat und nicht mehr auf graue Betonwände starren wollte. Verständlich eigentlich. Wie es dann zu einer derartigen Verwandlung des Hafenareals gekommen ist, wie die Street Art-Szene in Linz generell aufgestellt ist, wie es zu einigen der Werke gekommen ist und wie der Boss der unterstützenden Linz AG auf ein »bloody piece« von ROA reagiert hat, erzählte er uns im Interview. Du hast die Freiluft-Galerie im Linzer Hafen (mit-)initiiert. Wie bist du auf die Idee gekommen und wie schwierig war es, das umzusetzen? Ich bin 2010 nach Linz gezogen und durfte mich freundlicherweise im Hafen, genauer gesagt im BoxxOffice meines Freundes Jürgen Lockinger, beruflich ausbreiten. Nachdem ich von meinem Schreib-
tisch zwei Jahre lang übers Wasser auf diese riesigen grauen Wände geschaut habe, kam mir eines nachts der Gedanke, da was draufmalen zu lassen. Mein erster Weg war zu Jürgen und der zückte dann auch wirklich das Telefon und rief den Hafendirektor an, der tatsächlich nicht gleich Nein sagte. Viele Pieces sind ja von internationalen Artists, wie schätzt du die lokale Street Art-Szene ein? Falsch, die meisten Pieces sind von Österreichern. Die sind nur kleiner und fallen nicht so auf. An die großen Formate muss sich fast jeder Künstler erst herantasten. Diese Gelegenheit haben die Linzer Writer bei uns definitiv. In Linz gibt es allerdings keine Street Art-Szene – nur MAMUT. Aber eine Graffiti-Szene gibt es. Seit einiger Zeit gibt die One Two Crew hier den Ton an, aber viele ziehen nach. Und früher in den 90ern war Trainwriting groß. Damals erschien kaum eine Ausgabe der großen deutschen HipHop-Magazine – Backspin, Juice – ohne einen Linzer Zug. Nur weiß das bis heute nur die ÖBB. Das Bild »Lords Of The Red Dragon« von der LORDS Crew erzählt übrigens diese Geschichte. Wie ist die Zusammenarbeit mit der Stadt? Gibt’s Unterstützung? Mittlerweile sind die Wände ja fast schon zu einer Touristenattraktion geworden. Wir werden von der Linz AG unterstützt, die auch den Hafen betreibt und verwaltet. Vom Direktor über Hafenmeister bis zum Lagerarbeiter stehen alle hinter der Hafengalerie – das war die größte Über-
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Wer hätte das gedacht, ein einzelner Mensch kann die Initialzündung für eine Street Art Gallery geben.
raschung. Uns war wichtig, völlige künstlerische Freiheit zu haben, um diese Freiheit an die Künstler weitergeben zu können. Kein Artist muss uns einen Sketch zeigen oder sagen, was er vorhat. Das wurde gleich beim zweiten Mural richtig spannend: ROA fragte nur »Can I go bloody?« und nachdem er fertig war, haben alle ein paar Wochen lang gezittert, bis der Oberboss der Linz AG mal wieder zufällig im Hafen war und den zerlegten Bock von ROA sah. Es stellte sich heraus, der Mann ist Jäger und hatte kein Problem mit dem Bild. Legal vs. illegal – ihr schaut ja, dass ihr vorher Genehmigungen bekommt. Wie stehst du zu Spontan-Sprayern? Das ist für uns im Hafen kein Thema. Manchmal parken Züge hier, die woanders gemalt wurden. Am Hafen tut sich ja gerade viel – wie sieht’s im Rest der Stadt aus? Gibt es durch die Hafengalerie vielleicht ein Umdenken und mehr freie Wände? Genau das ist die Hoffnung. Bisher wurde nur geredet, passiert ist noch nichts. Die Zustände außerhalb des Hafens sind weniger rosig: kein Mensch – auch nicht die Polizei oder die Kulturfunktionäre – wissen hier, welche Wände offiziell legal sindund welche von privaten Besitzern geduldet werden. Die wenigen Wände die es gibt, wurden meist von einzelnen Writern mit der Hausverwaltung ausgemacht – und werden jetzt als legal wahrgenommen. Die Stadt gibt gerne Unterführungen frei, was ein grandioser Schuss ins Knie ist: Erstens will da niemand malen und zweitens haben viele Passanten ein ungutes Gefühl wenn ein paar Vermummte mit Atemschutzmasken am Werk sind. Eine Beschilderung und ein paar Online-Infos würden da schon helfen. Fakt ist, dass man Linz auch als die »sauberste« und Graffitifeindlichste Stadt Österreichs bezeichnen könnte. Da muss sich was ändern, bevor sich Politik und Tourismus mit der Hafengalerie brüsten können. Wie wählt ihr die Künstler für die Hafengalerie aus? Wir haben eine Wunschliste mit persönlichen Favoriten, aber demgegenüber stehen Verfügbarkeit der Künstler und Machbarkeit der gewünschten Produktion. Manchmal lassen wir Wände kuratieren, zum Beispiel von der Wiener Inoperable Gallery. Viele Leute aus aller Welt kommen mittlerweile von selbst auf uns zu – vor ein paar Wochen hat FLIX aus Venezuela relativ spontan eine große Wand gemalt. Mittlerweile ist das Projekt ja doch schon ein bisschen etabliert. Gab es am Anfang Widerstand? Wie waren die Rückmeldungen? Von etabliert würde ich noch nicht sprechen. Wir sind eher erst ganz am Anfang – es gibt circa 40 Bilder von Künstlern aus 20 Nationen – langsam kann man von einer »Galerie« reden. Ein bisschen Widerstand würde uns freuen, wir wollen ja kein Verschönerungsverein sein, aber bisher gibt’s durchwegs positives Feedback quer durch alle Altersgruppen. Wie geht’s weiter mit Mural Harbor? Habt ihr noch weitere Pläne, Zukunftsvisionen, auf was darf man sich freuen? Es gäbe noch unglaublich viele attraktive Oberflächen im Hafen und in der Stadt. Im Moment arbeiten wir noch an unseren Strukturen – Logo, Website, Presseservice, Termine für Bootstouren und GraffitiWorkshops. Im Herbst soll unser offizielles Opening stattfinden. Wir wollten erst was zum Herzeigen haben, bevor wir Mural Harbor richtig präsentieren. Wir hoffen, dass wir noch lange weitermachen dürfen. Schon allein aus Egoismus, deshalb haben wir ja ehrlicherweise auch damit angefangen. Der Bock vom ROA ist das älteste Bild und ich freue mich immer noch jedes Mal, wenn ich dran vorbeifahre. Ganz zu schweigen von unserer Aussicht auf der BoxxOffice-Terrasse ... da weht eine Brise Barcelona durch die Stahlstadt. Genauen Eröffnungstermin für die Street Art Gallery gibt es noch nicht. Es wird im Herbst sein. 037
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livelive @@wiener stadthalle Disneys Violetta Kaya Yanar Eros Ramazzotti Joe Bonamassa Rise Against Erste Bank Open Diana Krall Simply Red Nickelback Cirque du Soleil Foo Fighters Söhne Mannheims Andreas Gabalier Bülent Ceylan Nightwish Red Bull Flying Illusion Holiday on Ice - Passion Masters of Dirt Semino Rossi a-ha Sarah Connor und viele mehr www.stadthalle.com /StadthalleWien /WienerStadthalle
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Rap Map Wien — Bessere Namen für alle 23 Wiener Borroughs
Von Weeden über Rudolfscrime bis nach Dö-Bling-Bling. Uns war fad im Schädel, deshalb haben wir uns Rap-Namen für alle Wiener Bezirke einfallen lassen.
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Gangster by karte
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12 Rudolfscrime und Beverly Hitzing sind ja halb-
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wegs etabliert. Wir finden, dass die anderen 21 Bezirke Wiens sich auch solche Namen verdient haben. So entstand die Idee für 1 naise Gangsterkarte. Denn mal ehrlich, manchen Bezirken würde ein neuer Name sowieso nicht schaden. »Ich wohne in Innere Stadt« klingt verglichen mit »Ich komm aus Babo City« einfach nicht richtig. Außerdem braucht diese heile Sachertortenwelt mit Pop-ups an allen Ecken ein bisschen Erdung. In Babo City den Chef raushängen lassen, in Weeden einen durchziehen, in Murdereten »Ich komm aus einer Gegend, wo Hass regiert!« schreien, in Ottacrank Meth kochen oder in DöBling-Bling das Money showen geht jetzt stilvoller. Ja, eh klar, dass ihr die Ausdrücke in dieser Karte kennt, aber für eure Eltern wollen wir hier
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schnell noch ein ein paar Dinge erklären: Babo: Boss, Anführer oder Chef, etabliert durch Haftbefehls »Chabos wissen, wer der Babo ist«. Yayo: Kokain. Blunt: Joint. Crank: Crystal Meth. Bling Bling: Alles, was glänzt wie etwa Goldketten, fette Rims fürs Auto oder Grills. Dough: Geld. Es wurden sehr viele Personen dazu gezwungen, sich naise Gangster-Namen auszudenken. Danke dafür an alle. In die Liste geschafft haben es die Vorschläge von: Stefan Niederwieser, Amira Ben Saoud, Erli Grünzweil, Yasmin Vihaus, Gisela Kristofferitsch, Anatol Fleischmann, Dominik Oswald.
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Die Karte gibt es hochauflösend hier zum Runterladen: www.thegap.at/1naisekarte
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Illustration Erli Grünzweil
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Sinn City: Mobilität in einer mobilen Welt – Probleme und Lösungen für die Städte der Zukunft
Sinn City – Agenda 13a: Smart Mobility? Er ist inzwischen bis zu 18 Meter lang, hat 1.700 Likes auf Facebook , knapp so viele Gegenstimmen, verbindet die Wiener Skodagasse mit dem Hauptbahnhof und ist rollendes Exempel für die Herausforderung von Mobilität in einer Großstadt. 13a, Busroute der Hassliebe.
Text Stefan Schallert Bild ultra prt, Skytrans Us, China TBS, Toyota i-Road with Citelib
Wie wir uns in einer Stadt von A nach B bewegen, ist so tief in der Stadtplanung verankert, dass es oft wie ein politisches Damoklesschwert über den regierenden Parteien hängt. Dabei scheint städtische Mobilität auf den ersten Blick ja sehr einfach und sinnvoll machbar: schnellere, flexibler ausgebaute Öffi-Netze, die nicht auf fossilen Brennstoffen beruhen. Dadurch beruhigt sich das Verkehrsgeschehen, auf den Straßen ist wieder Platz für Menschen, alle jubeln und die postmaterialistische Mittelschicht ist ganz aus dem Häuschen. Mobilität muss aber für jeden zugänglich gemacht werden, auch für jene, die vom Auto abhängig sind. Am Beispiel 13a lässt sich zeigen, dass Stadtplaner vor der großen Herausforderung stehen, für die Zukunft zu bauen und in der Gegenwart alle zufrieden zu stellen. Das Auto hat unsere Städte gerade in den 70ern und 80ern stark geprägt. Breite Straßen, viel Parkraum, innerstädtische Durchzugsstraßen und Autobahnen waren die Folgen. Der Wind weht jedoch schon länger in eine andere Richtung. Das Auto verliert in Europa an Bedeutung, die Flächen werden zusehends den Passanten zurückgeführt. Dass dies nicht immer leicht geht, beweist die Mariahilferstraße. Der Berliner Verkehrssoziologe Weert Canzler beobachtet die Entwicklung seit längerer Zeit, er prophezeit dem Auto jedoch kein nahendes Ende, sondern eine Veränderung in der Handhabung. Der Trick ist, laut Canzler, ein Auto bei Bedarf zur Verfügung zu haben, ohne es zu besitzen. Solche und andere Prognosen gibt es natürlich reichlich.
Selbstverständlich smart Mittelfristig wird es im öffentlichen Verkehr künftig ähnlich aussehen, meint Canzler weiter, nur sauberer, leiser und vor allem flexibler. Ein Rohrpostsystem wie in »Futurama« wird den 13a also nicht so schnell ersetzen. Die im Februar 2015 eingeführten, sparsamen und leiseren Gelenkbusse sind
trotzdem ein Zeichen von Entwicklung, wenn auch ein verhaltenes. Die nächste große Innovation wird (natürlich) auf dem Smartphone stattfinden. Ziel ist es, durch Verkehrsdaten dem Bewohner individuell den schnellsten Weg anzuzeigen und dabei alle Möglichkeiten abzuwägen. Dies beinhaltet, bei starkem Verkehrsaufkommen von Bus und Auto abzuraten und auf E-Bikes und Alternativen zu verweisen und auch Carsharing Services miteinzubeziehen. Bezahlt wird direkt vom Smartphone aus. Toyota etabliert in Grenoble mit dem Smart Mobility-Projekt Hamo bereits eine erste Version der vernetzten und nahtlosen Mobilität, in deren Herzen das Smartphone und die hauseigenen Elektro-Buggys stehen. Smarte Mobilität in naher Zukunft ist eher ein Mosaikbild aus vielen kleinen Einzelteilen und vom Handy gesteuert als ein großes Verkehrskonzept welches versucht, alle Probleme auf einmal zu lösen.
Langfristig anders Langfristig muss sich einiges auf unseren Straßen verändern, da das Modell des auf fossilen Brennstoffen beruhenden Individualverkehrs nicht zukunftstauglich ist, selbst wenn wir Erdgas und Ölsand verheizen oder immer neue Bohrmethoden entwickeln. Es gibt bereits eine Vielzahl an Lösungsansätzen, wie der Verkehr von morgen sich gestalten sollte. Der Forschungsbereich wird nicht zuletzt durch Automobilhersteller vorangetrieben, die sich längst bewusst sind, dass ein Wandel unweigerlich geschehen muss. Sind die Visionen und Technologien auch noch so unterschiedlich, müssen sie alle den gleichen Anforderungen gerecht werden: voll automatisiert, individuell einsetzbar, energieeffizient, nachhaltig und auf Schienen. Alles andere ist überholt. Auch wenn vieles noch utopisch klingt, folgen hier einige futuristischen Alternativen für den 13a, Strecke Alserstraße bis Hauptbahnhof. Die Zukunft beginnt nämlich jetzt.
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ULTra Pod
Land Airbus
Ein Urban Light Transit Pod kann man heute schon am Londoner Flughafen Heathrow erleben. ULTra ist eine Form des PRT (Personal Rapid Transport) und besteht aus automatisch gesteuerten Kapseln, welche in einem vordefinierten Netz Passagiere von A nach B bringen. Das ganze geschieht flexibel per Bestellsystem, ohne lästigen Fahrplan und unnötige Zwischenstops. Die in Heathrow vorgestellten ULTras sind aus Kostengründen noch »altmodisch« und bewegen sich mit Gummirädern auf der Fahrbahn fort. Jede Kapsel steuert sich selbst in dem zentralen Netzwerk und kann so durch Sensoren flexibel auf ihre Umwelt reagieren. Damit die elektrisch betriebenen Kapseln nicht die Orientierung verlieren, bedarf es einer Art schmalen Bahnführung, die der Wiener Innenstadt nur mäßig zu Gesicht stehen würde. Die kleinen Flitzer können vier Personen bei einer maximalen Geschwindigkeit von 40 km / h transportieren, Rollstühle, Fahrräder oder Einkäufe finden darin ebenfalls Platz. Tatsächlich wäre man in den inneren Bezirken mit dem Rad kaum langsamer.
Auch Audi setzt mit der Land Airbus-Initiative auf Höhe. Das Konzept ist an sich nicht neu. Um dem Straßenverkehr zu entfliehen, bewegt man sich darüber beziehungsweise darunter fort. Problematisch ist dabei jeweils die aufwendige Infrastruktur, um dies zu realisieren. Der Land Airbus soll nun diese Probleme lösen, als Bus auf Stelzen, welche mit Schienen am Straßenrand verbunden sind. Umgesetzt werden soll dieses Konzept in China. Auf zweispurigen Schienen verkehrt der Bus so ungehindert des darunter verlaufenden Verkehrs in 2,5–4,6 Metern Höhe. Seinen Saft holt er sich aus einem Stromnetz in den Leitplanken. Noch sitzt der Land Airbus in den Startlöchern und wartet auf Freigabe, für Wien ist diese eher unwahrscheinlich, da eine durchgehende mehrspurige Fahrbahn nur am Ring und Gürtel besteht, und da gibt’s bekanntermaßen ja schon U-Bahnen. Den 13a Land Airbus dürfte es nur mit viel Aufwand geben. Und da wissen wir ja, wie die Wiener reagieren.
Ha:Mo
SkyTran Hallo Nasa. Hallo SkyTran. Hallo Zukunft. Reibungsfrei in eiförmigen Schüsseln 20 Meter über dem Boden dahinzuflitzen, Heureka! Die von der Nasa entwickelte Magnetschwebebahn SkyTran soll heuer noch in Tel Aviv in eine erste Testphase gehen. Per Smartphone wird ein Shuttle für bis zu zwei Personen zu einer ebenerdigen Station gerufen, von wo aus es mit 70 km / h ohne Zwischenstopp zum beliebigen Zielort geht. Der SkyTran gehört ebenfalls zu den Konzepten des Personal Rapid Transport. Höhenangst wurde dabei offensichtlich nur mäßig berücksichtigt, genauso wie enge, sich ständig windende Gassen. Die Frage, wie man die MaHü kreuzen könnte, wäre immerhin geklärt. Das Konzept scheint eher für Städte mit Schachbrettmuster oder geradlinigen Alleen ausgerichtet zu sein.
Harmonious Mobility, was auch sonst. Einen etwas realitätsnahen Ansatz bietet Toyota mit dem Gesamtkonzept Ha:Mo. Toyota geht dabei auf die Problematik der »last-mile« ein, nämlich die Distanz zwischen der Haltestelle und der gewünschten Destination. Eine App verknüpft hier in Zusammenarbeit mit der Stadt Grenoble den öffentlichen Verkehr mit Toyotas Carsharing Angebot Citélib. Die Stadt bietet die Infrastruktur, um die kleinen Flitzer ordnungsgemäß abzustellen und aufzuladen, Toyota vernetzt den Verkehr und bietet sowohl Usern als auch Providern wertvolle Echtzeit-Informationen zur Verkehrsanalyse. Ob von Toyota oder einem anderen Anbieter sind Services wie Ha:Mo der logische nächste Schritt, in denen Citybikes, öffentliche Verkehrsmittel und Carsharing zu einem ganzheitlichen System zusammengeführt werden. Es ist mit relativ geringen Kosten für Umbauten und geringem Platzverbrauch auf öffentlichen Flächen verbunden. Die Agenda des 13a ist damit zwar nicht gelöst, das Konzept klingt wenig revolutionär und zukunftsweisend, aber immerhin würde der Lieblingshassbus der Wiener in kleinen Schritten verbessert werden.
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Le Corbusier – vor 125 Jahren geboren – gilt als Vorläufer des Brutalismus. Links seine Unité d’Habitation in Marseille.
Kirche der unbefleckten Empfängnis in Longarone, Architekt Giovanni Michelucci.
Brutalismus — Bauten, die ihr Material zeigen
Gefährdete »Betonmonster« 042
Text Peter Stuiber Bild Daniel Zwangsleitner
Mit einer Online-Kampagne und einer großen Ausstellung will der Architekturtheoretiker und Kurator Oliver Elser auf die Qualität »brutalistischer« Bauten hinweisen. Ein Pionierarbeit, bei der mit Widerstand zu rechnen ist.
Auch die Architekturgeschichte hat ihre Bösewichte. Zumindest sagt die Legende, dass der britischungarische Architekt Ernö Goldfinger als Vorbild für den gleichnamigen Schurken in Ian Flemings »James Bond«-Roman gedient haben soll. Fleming hatte dagegen protestiert, dass viktorianische Backsteinhäuser in der Londoner Willow Road abgerissen wurden, um Platz für Goldfingers Wohnbauten aus Beton zu schaffen. Mit der Namensgebung rächte sich der Autor für die Niederlage im gestalterischen Kulturkampf, es kam sogar zu einem gerichtlichen Nachspiel, das mit einem Vergleich endete. So weit, so böse. Die Episode ist nun mehr als 50 Jahre her, die Aversion und Aggression gegenüber Goldfinger und manch anderem Architekten seiner Generation ist geblieben: Denn er war ein Vertreter des »Brutalismus«, der in den 50er und 60er Jahren aufkam und der die Visionen der Architektonischen Moderne – etwa eines Le Corbusier – aufnahm und weiterführte. Der Begriff selbst wurde um 1950 vom schwedischen Architekten Hans Asplund geprägt und ist insofern etwas irreführend, weil er sich auf das französische »béton brut« (»Sichtbeton«) bezieht. Die naheliegenden Assoziationen von wegen brutal und rücksichtslos waren nicht intendiert. Gemeint sind Bauten, die ihr Material »roh« zeigen, in den meisten Fällen ist dies Beton, es kann aber auch Backstein oder Metall sein.
Brutalismus so verbreitet wie klassische Moderne Angesichts der Tatsache, dass etwa Sichtbeton in jüngster Zeit in der Architektur extrem beliebt ist, verwundert es, dass die wissenschaftliche Aufarbeitung des Brutalismus noch am Anfang steht. Die Lücke will nun Oliver Elser, Architekturhistoriker und -theoretiker sowie Kurator am Architekturmuseum in Frankfurt, schließen. »Der Brutalismus hat sich so schnell und stark durchgesetzt wie zuvor nur die Architektur der klassischen Moderne – und dies über die politischen Grenzen hinweg«, so Elser. Neben der puren Verwendung von Materialien sind für Elser zwei weitere Merkmale entscheidend, um von Brutalismus zu sprechen: »Die Konstruktion des Gebäudes ist sichtbar, und außerdem gibt es eine Art Image. Das Gebäude bleibt sozusagen auf der Netzhaut haften.« Gemeint sind also nicht anonyme Plattenbauten aus Fertigteilen, sondern skulpturale Gebäude, die im Lauf der Bewegung immer kapriziösere Formen angenommen haben. Elser hat bislang rund 400 brutalistische Bauten weltweit für eine Online-Datenbank recherchiert – und in den kommenden Monaten noch allerhand vor. Zuallererst will er auf die Dringlichkeit einer Würdigung von qualitätsvollen brutalistischen Bauten hinweisen. Denn viele der einstigen Avantgardeprojekte sind vom Abriss bedroht. Großer Widerstand regt sich dagegen in der Regel nicht, allein schon deshalb, weil die Gebäude aus der Nachkriegszeit oft gigantische Dimensionen haben. »Plötzlich wurden Großsiedlungen gebaut, die jeglichen Maßstab gesprengt ha-
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Wohnbau Rozzol Melara in Triest von Celli Tognon.
ben.« Mit diesen »Monsterbauten« wurde auch das Material »Beton« abgelehnt, nicht zuletzt weil es die günstigste Baumethode war. »Wer ist schon gerne von einer Architektur umgeben, von der es heißt, sie sei billig?«, so Elser.
Vorbildhafte Visionen Keineswegs billig, sondern aus heutiger Sicht geradezu vorbildhaft sind die Visionen, die hinter brutalistischen Bauten stehen. Viele davon sind im Hochschulbereich entstanden, ein Beispiel dafür ist die Ruhr-Universität in Bochum aus den frühen 60er Jahren, die mit ihren tausenden neuen Studienplätze den Zukunftsoptimismus der Bundesrepublik verkörpert. Bei aller Skepsis gegenüber den Dimensionen des Campus ortet Elser bei den heutigen Studenten so etwas wie ein historisches Verständnis für die »Geste, die nicht nur etwas Großes, sondern auch etwas Großartiges hat«. Neben Bildungsbauten und Verwaltungsgebäuden – Paradebeispiel in den USA sind dafür Städte wie Boston oder New Haven – finden sich auch unzählige Sakralbauten, bei denen einerseits die »Armut« des Materials Beton, andererseits der skulpturale und monumentale Charakter des Brutalismus punkten. Nach brutalistischen Bauten in Österreich gefragt, fällt Elser etwa das Kirchenzentrum Oberwart von Günther Domenig und Eilfried Huth ein. Mindestens ebenso bekannt ist die Wotruba-Kirche in Wien-Mauer, die auf vielen Brutalismus-Listen aufscheint, von Elser jedoch als Ausnahme gesehen wird, »weil sie eher eine große Skulptur ist und wenig Architektonisches hat«. Einzigartig, optimistisch, experimentell: Es sind gebaute Architekturutopien, die Elser faszinieren und die er ins öffentliche Bewusstsein rücken will. Bei den Wohnbauten jener Zeit sieht er experimentelle, neue Zugänge, wohingegen »20 Jahre später die Grundrisse bereits viel konventioneller ausgefallen sind«. Dass manche dieser Experimente gescheitert seien, habe nicht immer mit den Bauten selbst, sondern mit dem Umfeld zu tun, in dem sie entstanden seien.
#SOSBrutalism die weltweite Suche nach noch existierenden, aber akut bedrohten Beispielen dieser Architekturrichtung starten. »Es gibt bis heute kein Buch, keinen Katalog, das den Brutalismus in all seiner Verzweigung global erfasst. Insofern ist unsere Kampagne ein Experiment, das allen Leuten, die sich für Architektur interessieren, mit dem Hashtag ein Werkzeug geben soll, um ihren Beitrag zur Dokumentation und zur Rettung zu leisten.« Dabei gehe es nicht nur um nostalgische oder skurrile Fotos, sondern letztlich um die Möglichkeit, auch lokal Diskussionen über bestehende Gebäude – und ihren Wert oder ihre Gefährdung – zu entfachen. Akut bedrohte Bauten sollen auf die »Rote Liste« kommen, Denkmalbewusstsein geschärft werden. Auch dem Klischee, wonach die Betonriesen heute allesamt in einem schrecklichen Zustand seien, möchte Elser begegnen. »Betonbauten sehen gut aus, wenn sie vom Material her gut gebaut wurden. Viele von ihnen sind erstaunlich gut erhalten. Nicht zuletzt sind sie Zeugen einer Zeit, in der noch authentisch gebaut wurde – es ist, wonach es aussieht.« Elsers Brutalismus-Projekt mündet im Herbst 2016 in eine große Ausstellung im Architekturmuseum in Frankfurt, in der nicht nur der aktuelle Forschungsstand sowie das zusammengetragene Material, sondern auch die Frage nach der Akzeptanz in der Bevölkerung eine Rolle spielen soll. Kooperationspartner ist die Wüstenrot-Stiftung, die sich u.a. im Bereich Denkmalpflege engagiert, mit Fokus auf die Architektur nach 1945. Was die gefährdeten Bauten betrifft, so wird wohl viel Überzeugungsarbeit notwendig sein, um die ungeliebten »Betonriesen« zu retten. Einen Vorgeschmack findet man an beliebiger Stelle im Netz, zum Beispiel im Posting-Thread zu einem Standard-Artikel im Februar 2015 über aktuelle Sichtbeton-Bauten. Da heißt es unter anderem: »Architektur à la Flakbunker reloaded. Freuen können sich über diese hässlichen Gebilde allenfalls die Sprengstoffhersteller in der Zukunft. Denn diese Hässlichkeiten wieder wegsprengen wird viel Sprengstoff erfordern.« Der Nickname des Posters: »zu Hause«.
Authentisch gebaut Um die Diskussion in Fahrt zu bringen, hat der Architekturspezialist einen Stufenplan entwickelt. Ab Oktober dieses Jahres soll über soziale Netzwerke, die Datenbank sosbrutalism.org und den Hashtag
Im Rahmen der Vienna Design Week hält Oliver Elser den Vortrag: »Beton – Brutalismus – Ein Missverständnis?« – 28. September, 18 Uhr. Mehr Brutalismus-Fotos des Fotografen auf: instagram.com/studiozwa 043
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Workstation — MENSCHEN AM ARBEITSPLATZ
Isabelle Orsini-Rosenberg, 18, Schmuck-Designerin
Als Beruf möchte sie es nicht bezeichnen. Schmuck zu machen ist für Isabelle Orsini-Rosenberg eher ein Hobby, keine Arbeit. »Ich mache es nebenbei und auch nur dann, wenn ich gerade Lust dazu habe.« Da sie im letzten Jahr ihrer Ausbildung für Grafik- und Kommunikationsdesign ist, kann sie jedoch nicht so viel Zeit in ihren Store stecken, wie sie gerne würde. »Aber ich gebe mein Bestes und versuche, regelmäßig neue Stücke zu posten.« Am liebsten arbeitet sie in der Werkstatt Caravelle an ihrem Schmuck, die von Judith Hemmer betrieben wird. Bei ihr seien die Beiträge fair und das Experimentieren mit verschiedenen Materialien reizvoll. Für die Zukunft wünscht sich Isabelle Orsini-Rosenberg, dass sie alle ihre Produkte selbst handfertigen und designen kann, sie aber dennoch leistbar und fair bleiben. »Und natürlich, dass ich weiterhin Dinge verkaufen kann, die in Wien nicht jeder hat und die man nicht so leicht bekommt.« bild Theresa Tropschuh dokumentation stefan Kluger
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Workstation — MENSCHEN AM ARBEITSPLATZ
Jeff Mangione, 50, Fotograf
Es begann mit der Kamera seines Vaters. Jeff Mangione war zwölf Jahre, als er sie erstmals in die Hände bekam. Mit 25 hatte er dann eine wahnsinnig tolle Fotoausrüstung, aber keinen Plan, was tun. Ein GrafikdesignerFreund, der ein Plakat für ihn zu einer Multimediashow gestalten sollte, kam damit nicht klar. Also gestaltete Jeff es schließlich selbst. So kam er zur Grafik. »Es ging sehr schnell bergauf, und dennoch spürte ich, dass es nicht genug war.« Das brachte ihn zurück zu seiner Leidenschaft: Er warf alles weg, was er bisher gemacht hatte und baute sein Foto-Portfolio auf. Ein Jahr später meldete er sich beim News-Verlag und wurde sofort als freier Fotograf verpflichtet. Seit 2012 arbeitet er für den Kurier. Um ein gutes Porträt machen zu können, müsse man sich in die Person verlieben, sagte Helmut Newton. Jeff Mangione stimmt dem zu: »Das Gesicht ist erotischer als der nackte Körper, und in der Porträtfotografie ist Empfinden wichtiger als Sehen.«
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Prosa von Sandra Gugic´
sandra gugic´ schickt eine fotografin auf herbergsund motivsuche. das lost einiges aus. eine kurzgeschichte, die zeigt warum die wienerin zu den spannendsten, neuen erzählstimmen zählt.
Junge Frau, undatiert G
efällt es Ihnen? Ich stehe vor einem Fenster, mein Blick stellt die Umgebung langsam scharf, erst das Draußen: Asphalt, dahinter Grün, ein weitläufiger Park, eine Joggerin schlüpft tänzelnd durch das Eingangstor, irgendwo hinter dem Park soll ein See liegen. Dann das Drinnen: Zimmerpflanzen vor dem Fenster, die ihre Blätter und Luftwurzeln ins Licht strecken, rechts davon, an der Wand, eine Reproduktion der Dame mit dem Hermelin. Ich drehe mich um, wende mich der Stimme zu. Es ist die Frau, die mir vorhin die Tür geöffnet hat. Ihre rotblonden Haare sind so straff nach hinten gebunden, dass die Haut einen Tick zu fest über die Stirn gespannt scheint, ihre rechte Hand nestelt nervös an einer kleinen Perlenkette, die sie an der linken trägt, sie mustert mich mit leicht zusammengekniffenen Augen, als wäre ich selbst in eine Unschärfe gerutscht, während ein kleiner roter Fussel von irgendwo an der Decke auf sie hinuntersegelt, um anschließend auf ihrem perfekt gebügelten Kragen zu landen. Das Zimmer, gefällt es Ihnen? Erst jetzt ist der Inhalt ihrer Frage bei mir angekommen. Ich lächle und nicke schnell. Ich nehme es. Die Frau lächelt zurück, zeigt dabei alle Zähne, sogar etwas Zahnfleisch, und ich stelle mir sie mit einem Hermelin im Arm vor. Ich bleibe nie lange. Meine Habseligkeiten passen in einen großen blauen Koffer aus Polykarbonat sowie einen stabilen Rucksack für Laptop, Kamera und Stativ. Das Zimmer der Frau beziehe ich für zwei Monate und lebe zwischen ihren Elfen aus Speckstein, Setzkästen voller Porzellanfiguren und venezianischen Masken. Da die Frau in dieser Zeit auf Geschäftsreise ist, habe ich die Wohnung für mich allein. Manchmal streife ich durch die anderen Zimmer, betrachte all die akribisch platzierten Dinge, versuche mir jedes Detail einzuprägen, ich berühre kaum etwas und verändere nichts, nur die Porzel-
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lanpuppe auf dem Sims im Wohnzimmer, deren Augen mir zu folgen scheinen, egal wo im Raum ich mich gerade befinde, drehe ich mit dem Gesicht zur Wand. Jeden Tag laufe ich die gleiche Strecke durch den Park bis an den See, an dem sich Freitagnachmittags im Viertelstundentakt abenteuerhungrige Menschen von einem Kran auf einer kleinen, notdürftig gesicherten Plattform hoch über das Wasser und die Köpfe der Schaulustigen hieven lassen, um sich nach kurzem Justieren der Position mit einem Schrei, der bei jedem anders klingt, an einem Gummiseil gesichert in die Tiefe zu stürzen, knapp über der Wasseroberfläche kurz auszupendeln und danach kopfüber, manchmal japsend wie ein Stück Schlachtvieh, langsam wieder zu Boden gelassen zu werden. Als ich an diesem Tag im Laufschritt die Straße zum Park quere, ist es, als würde mir ein Blick folgen. Ich verlangsame mein Tempo vor dem Eingangstor, werfe einen Blick zurück, hoch zu den Fenstern der Wohnung, sehe die geschlossenen Vorhänge und kann mich nicht erinnern, sie beim Verlassen des Zimmers zugezogen zu haben, halte einen Moment inne, dann laufe ich weiter. Auf dem Rückweg mache ich einen Umweg über den Markt und kaufe ein gehäutetes Kaninchen. Ich positioniere meine Kamera auf dem Stativ, mich am Fenster, das Kaninchen halte ich wie die Dame mit dem Hermelin, die hinter mir an der Wand hängt. Dann drücke ich den Auslöser. Der Schlüssel des Lofts liegt unter der Fußmatte, der Vermieter ist auf einer Rundreise durch Australien, sein Bruder hat mich via Skype begutachtet und nach Erhalt der Kaution für vertrauenswürdig befunden. An der Wand im Eingangsbereich hängt das einzige Bild, der Mann darauf grinst mit zahnlosem Mund, auf das mittlere Glied seines Zeigefingers sind Versal und zittrig die Buchstaben VE tätowiert, an der gleichen
Stelle auf seinem Mittelfinger LO, die beiden Finger hat er gekreuzt und hält dem Betrachter seinen Handrücken entgegen, unter dem Bild steht: Junger Mann, undatiert. Ich stelle mein Gepäck davor ab, um den Raum, den ich nur von meinem Bildschirm kenne, abzuschreiten, ich bewege mich vorsichtig, wie auf ungesichertem Terrain, vergleiche den Raum mit meiner Erinnerung: Auf dem Bett liegt die gleiche rote Tagesdecke, links davon steht das abgewetzte Ledersofa neben einer Bogenlampe aus den 60er Jahren, in der Mitte eine offene Küche, die mir kleiner vorkommt, der Schreibtisch hingegen wirkt noch massiver, über dem Drehstuhl hängt ein verschlissenes Kuhfell, das in meiner Erinnerung fehlt, ebenso wie die Fototapete dahinter, auf der eine lange Reihe Birken zu sehen sind. Als ich mich auf das Sofa fallen lasse, rutscht der Schlüssel aus meiner Hosentasche und zwischen die Polster. Meine suchende Hand greift ins Leere. Ein kleiner Stich, eine Schrecksekunde wie der Moment, in dem sich die Zugtüren mit einem Signalton schließen und man nicht mehr weiß, wo man ist oder wo man hinwollte, welcher Tag und welche Zeit es ist. Aber dann ertaste ich einen Widerstand, keinen doppelten Boden, und der Schlüssel ist wieder da. Gemeinsam mit ihm ziehe ich ein dünnes Kettchen mit einem Medaillon als Anhänger heraus. Ich fahre mit den Fingerkuppen über die verkratzte Gravur, klappe das Medaillon vorsichtig auf. Eine junge Frau mit kurzen, dunklen Haaren, ein schmales Gesicht, ihre Züge wirken angespannt, ihr Hals ist sehr schlank, auch die Schlüsselbeine treten deutlich hervor, helle Augen sehen mich an, der Blick erwartungsvoll, sie lächelt nicht. Als ich an diesem Abend ausgehe, trage ich das Medaillon. Wen trägst du bei dir? Der Mann auf dem Barhocker neben mir deutet auf den Anhänger. Niemanden, sage ich.
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Ad Personam: Sandra Gugic´
Sandra Gugić zählt zu den neuen, starken Erzählstimmen in der heimischen Literatur. Die 38-jährige Wienerin, studierte Sprachkunst an der Universität für Angewandte Kunst in Wien und zusaätzlich am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Heuer veröffentlichte sie ihr viel beachtetes Debüt »Astronauten« (C. H. Beck). Ein Stadtroman um sechs Jugendliche in Wien. Gugić präsentiert sich darin als Meisterin der scharfen Beobachtung und leisen Zwischentöne und zeigt, wie mit präziser Sprache Alltag und Innenleben von Figuren seziert werden kann. Wie das aussieht ist auch in der Kurzgeschichte »Junge Frau, undatiert«, in der sie eine namenlose Fotografin auf Motivjagd schickt und vorm Auslösen kräftig mit dem Zoom spielt. Manfred Gram
Ein paar Stunden später sperrt er seine Wohnungstür auf, stolpert über ein paar Schuhe und ich hinterher. Er verschwindet in der Küche, während ich mich in der großzügig angelegten Wohnung umsehe. Die Zimmer sind, bis auf ein paar vereinzelte Möbel und Gegenstände, leer, im Flur stehen Umzugskartons. Ich kann nicht erkennen, ob er dabei ist ein- oder auszupacken. Nach kurzem Zögern betrete ich eines der Zimmer, das noch am ehesten bewohnt aussieht, es ist nicht nötig das Licht anzumachen, wir befinden uns im zweiten Stock auf gleicher Höhe mit den gelben Köpfen der Straßenlaternen. In der Mitte des Raumes steht ein Sofa, auf dem Boden, vor einem leeren Regal, liegen ein paar Bücher und Platten verstreut, ich steige darüber hinweg, gehe zum Fenster, öffne beide Flügel, höre den Mann meinen Namen rufen und antworte nicht, lausche seinen Schritten, dem leichten Hall, den sie erzeugen, bis er mich findet. Ich nehme den Drink entgegen, den er mir reicht, bleibe ans Fenster gelehnt stehen, während er sich auf das Sofa fallen lässt. Bleib so, sagt er, richtet das Kameraauge seines Mobiltelefons auf mich, drückt den Auslöser, dann stellt er seinen Drink auf den Boden, um mich zu sich auf das Sofa zu ziehen. Wir nesteln an Knöpfen, zerren an Stoff und Zippverschlüssen, ungeduldig und hektisch, verstreuen endlich unsere Kleider auf dem Boden. Wir reagieren uns schweigend aneinander ab, ich stoße mir das Knie mehrmals hintereinander am Sofa und denke mir, dass ich lachen würde, wenn ich uns zusehen könnte. Kurz bevor es ihm kommt, presst er zwischen seinen Zähnen die Worte: Schau mich an, schau mich an hervor. Das Sofa hat seine Position verändert, ist jetzt leicht zum Fenster und damit mehr ins Licht gedreht, ich löse mich von seinem Körper, taste zuerst auf dem Boden nach seiner Schachtel Zigaretten, die leer ist, und dann nach dem Telefon. Auf dem Display bin ich als
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Schattenriss im Fenster zu erkennen. Zurück in meiner Wohnung positioniere ich mich vor der Fototapete mit den Birken, nackt, bis auf das Medaillon um meinen Hals, drücke den Auslöser. Suchend fahre ich die lange Reihe der Namensschilder mit dem Zeigefinger ab, während ein kleiner Junge knapp hinter mir im Sekundentakt einen Fußball gegen die Hausmauer kickt. Als ich mich umdrehe, läuft er weg, ohne seinen Ball mitzunehmen. Über mir streckt sich das Hochhaus wie ein müder Turm in den Himmel. Kurz bevor ich aufgeben will, finde ich endlich den Namen. Sie sind spät dran, sagt der Alte anstelle einer Begrüßung und winkt mich weiter. Er ist ein glatzköpfiger, gedrungener Mann und einen halben Kopf kleiner als ich. Wir quetschen uns zusammen mit meinem Gepäck in einen ungewöhnlich schmalen Lift, er drückt die Vierunddreißig, der Lift fährt mit einem Ruckeln los. Der Alte starrt mich ungeniert an. Ich erinnere mich, ein paar Tage zuvor gelesen zu haben, dass Augenkontakt von mehr als sechs Sekunden Dauer angeblich entweder von dem Verlangen nach Sex oder Mord zeugt, die Vorstellung amüsiert mich, also starre ich zurück, bis er sich irritiert abwendet. Ich sehe ihm zu, wie er einen kleinen roten Fussel von seinem Pullover zupft. Mein Blick wandert weiter über die mit Marker und Kugelschreiber hingekritzelten oder mit spitzen Gegenständen, vielleicht einem Schlüssel, ins Metall gekratzten Botschaften. Ich zähle einen Gleichstand zwischen NEGER RAUS und NAZIS RAUS, zwölf Herzen mit variierenden Initialen und knappen Liebeserklärungen, in ein Herz sind die Worte: IHR UND MIR geritzt. Der Lift kommt mit einem erneuten Rumpeln zum Stehen, über der Tür blinkt die falsche Zahl. Wir sind schon richtig, der Alte geht voraus, streift seine Füße umständlich auf dem Welcome der Fußmatte ab, lässt
seinen Schlüsselbund rasseln und sperrt nach mehreren vergeblichen Versuchen die Tür auf. Ich betrete eine Neubauwohnung mit niedrigen Räumen, eine Enge, die vom hellbraunen Muster der Raufasertapete und den golden beschlagenen Türrahmen noch verstärkt wird. Das Wohnzimmer füllen ein Wandverbau aus dunklem Holz sowie ein helles Sofaensemble aus, an der Wand gegenüber ist ein obszön großer Flatscreen angebracht, in dem sich verzerrt der Alte, ich und das Zimmer spiegeln, vor der Tür zum Balkon steht ein beigefarbener Hometrainer. Vier Wochen, sage ich. Sie können auch länger bleiben, sagt der Alte. Kommt ihr Sohn nicht in vier Wochen? Der hat was Besseres vor. Schon halb in der Tür dreht er sich noch einmal zu mir um. Als er gegangen ist, positioniere ich die Kamera probeweise vor der Spiegelung im Flatscreen, der Ausschnitt verschwimmt immer wieder im Blick durch das Objektiv, bis ich in der Enge des Raumes die Geduld verliere. Ich öffne die Schiebetür zum Balkon mit einem Ruck und sehe eine Weile zu, wie träge graue Wolkenformationen über die Stadt gleiten und dunkle Schatten auf die als versetzte Treppen angelegten Balkone werfen. Im Haus gegenüber wird eine Tür geöffnet, eine Frau tritt ins Freie, ihre Haare sind im Nacken zusammengebunden, der Wind zerrt an ihren Kleidern, ein paar Strähnen lösen sich aus dem Knoten und züngeln wie kleine Flammen um ihren Kopf. Das Mobiltelefon in meiner Tasche klingelt, es ist die Nummer des Alten. Als ich wieder hochsehe, ist die Frau verschwunden. Was machen Sie eigentlich hier in der Stadt? Auf dem Balkon unter mir fängt ein Hund an zu bellen.
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Kolumne von Teresa Havlicek
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Beliebtester Politiker Österreichs: Robert Palfrader Der Unterschied zwischen lustigen Videos, Liedern und Comics von Politikern und politischer Satire
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Wie werden wir leben? Wie wollen wir leben? NachdeNkeN über die Stadt der ZukuNft «
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Was braucht die Stadt von morgen? Wie kann Zusammenleben auch in Zukunft funktionieren? Welche Versorgungsstrategien gibt es? Wer baut Infrastruktur? Was braucht moderne Mobilität? Wie wollen wir wohnen? Was wird aus dem öffentlichen Raum? Was macht urbane Kultur wirklich aus? Bleiben in einer »Smart City« noch Freiräume? Wie können wir als Bürger die Stadtentwicklung mitgestalten? Warum wachsen manche Städte – während andere schrumpfen?
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152 Gerard Neue Welt (Heart Working Class)
Ankommen, aber bloß nicht da sein Auf »Blausicht« hat Gerard noch besoffen getanzt, aus Taxis gekotzt und leichte Mädchen gefragt, ob sie nicht bei ihm einziehen möchten. Damit hat er zum Glück aufgehört. Zumindest singt er nicht mehr davon. Überhaupt geht Gerard auf seinem mittlerweile vierten Album »Neue Welt« weiter weg von den detaillierten Nacherzählungen und mehr in Richtung Lebensphilosophie. Er sinniert über das Dasein im Jetzt, seine Generation und vielleicht noch die nächste, macht sich Gedanken darüber, die Welt zu verändern, ein guter Mensch zu sein und fragt sich mit Blick gen Himmel, was wohl Licht wiegt. Es ist alles ein bisschen deeper als vor zwei Jahren, es geht um mehr als bloß die letzte Nacht und den nächsten Kick. Er hinterfragt Dinge, denkt in größeren Zusammenhängen, hat uns etwas zu sagen. Das ist gut. Ob das jetzt schon mehr Pop als HipHop ist, ist da vollkommen egal. Aber ja, ist es natürlich. Und bitte, wie optimistisch und ausgeglichen kann man sein? Wow. Auf »Blausicht« noch von Selbstzweifeln und Unsicherheiten geplagt, scheint Gerard jetzt angekommen zu sein. Wo, weiß er selbst nicht, er will ja auch nicht stehenbleiben. Läuft jedenfalls bei ihm. Aber warum sollte er sich auch beschweren? Immerhin haben mit Patrick Pulsinger, Stickle und Nvie Motho ein paar sehr fähige Menschen auf »Neue Welt« produziert und gemischt. Außerdem Wandl (unverkennbar »Hymnen«) und Velojets René Mühlberger, der auch Teil der FM4 Acoustic Session war. Von ihm hat er mit »Ozean« (im Original »The Sea Is The Ocean Is The Sea« – oha) sogar einen Song adaptiert. Ein Liebeslied. Und was für eines. Erfreulich sind aber auch die anderen Kollaborationen. Gerards neue Welt hat auch einen neuen Soundtrack. Kleinteiliger, aufregender, besser. Man könnte wahrscheinlich fast artsy sagen, aber dafür sind die Songs allesamt wohl doch zu eingängig. Sind sie aber auch eingängig genug für die jungen Massen, die ja doch immer einen großen Teil der Gerard-Fans ausgemacht haben? Vielleicht nicht. Aber vielleicht ist das auch wurscht. Denn »Neue Welt« hat auf jeden Fall das Potenzial, neue Ecken zu erschließen. Es ist nicht perfekt, aber doch richtig, richtig gut. Und Optimismus färbt ab. Gruselig. 08/10 Nicole Schöndorfer 053
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Freestyler
Magst du Hitler? No! Magst du Pizza? Yea! Ausgewählt von Stefan Niederwieser. Raoul Haspel Schweigeminute (Traiskirchen) (Monkey) — Wenn jemand fragt, ob Musik denn nun eine politische Dimension hat, hat man ab jetzt eine einfache Antwort parat. Musik – Stille gehört dazu – kann zum Protest genutzt werden. Oder dafür, Spenden für Flüchtlinge zu sammeln. Oder um Politiker an ihre Verantwortung zu erinnern. Raoul Haspel hatte die Idee. BBC, Zeit, Spiegel, Russia Today u.v.m. berichteten, die Schweigeminute war innerhalb eines Tages auf der Eins. Denn manchmal ist Leise wirklich das neue Laut. Destroyer Poison Seasons (Dead Oceans) — Jesus steht neben sich. Die Zeilen von Destroyer schlagen noch immer die Synapsen ein. Dass Dan Bejar keinen Nachfolger des grandiosen »Kaputt«, einem zentralen Album der Jahre nach dem großen Crash, machen würde, war bald klar. Er lässt sich weniger leicht fassen, sein barocker Pop drückt sich elegant und geschmeidig um klare Statements, die Songs entwickeln sich prächtig, sind aufwendig arrangiert, fröhlich, grandios, manchmal episch, und die Nadelstiche sind brutal gesetzt. Es ist die Hölle hier. Carly Rae Jespen E-Mo-Tion (Interscope) — Es wäre bitter, wenn zum besten 80sPopalbum des Jahres nur fehlen würde, dass Carly zu wenig Skandale, Storys und Fashionblogger-Material produziert. In den drei Jahren seit »Call Me Maybe« wurde nämlich ein stringentes Album gefertigt, bei dem sowohl Platin-Pop als auch coole Dudes mit Carly überlegene Zuckerwatte zubereiten, abwechslungsreich, manchmal ambitioniert. Nur wer genau unter Carlys süßem Pony steckt, das bleibt erstaunlich offen. Empress Of Me (XL) — Beats wie von Hot Chip, die Stimme wie von Austra, dazu eigenwillige Störfeuer,, schwere Bässe, verminderte Akkorde und immer wieder hell glitzernde Refrains – das Debüt von Empress Of ist eine Selbstbehauptung. Sie wollte keinen Produzenten, keine Songschreiber, sie wollte alleine ihre Ideen entwickeln und raus aus New York. Dadurch klingt manches spröder als es müsste. Gerade mit einem Label wie XL im Rücken entsteht hier aber ein neuer, eigenständiger Sound. Beach House Depression Cherry (Bella Union) — Sie wiederholen sich. Sie geben weiterhin schattige Kunstgaleriefotos von sich raus. Sie spinnen ihre Melodien subtil fort, begraben sie unter sachter Verzerrung und wohltemperiertem Hall. Die Stimme süß wie Honig. Die Synths wie eine Dampfspur. Der Blick auf die Schuhe gerichtet. Das ist so gar nicht neu, scheint bei solchen Songs aber niemanden auch nur ein bisschen zu jucken. Und außerdem natürlich: FKA Twigs – M3LL155X (Young Turks) Auch ohne 16-minütiges Video nahe an der Perfektion gebaut. The Weeknd – Beauty Behind The Madness (Universal) 50 Shades Of Pop im Sexshop. Yung Hurn – 22 (Live From Earth) Nein. KA. 22. Was für kaputte Hymnen.
Halsey Badlands (Universal)
Das neue Amerika Aufgewachsen mit Biggie und Nirvana. Halsey ist die verdrogte Stimme einer Bewegung, die von Tumblr aus Pop und den Rest der Welt erobert. Ihre Haare sind türkis, ihre offizielle Website ist ein Tumblr, ihre Songs handeln von Sex und Traurigkeit. Halsey ist im Grunde genommen sowas wie ein Popstar, den das Internet erfunden hat. Die nächsten großen Dinger sind nun mal allesamt mehr oder weniger auf Emo-Blogs aufgewachsen, trotzdem oder gerade deshalb sind Künstler wie Halsey so aufregend. Karrierestart mit Youtube-Covern, weil so macht man das heutzutage, anschließend Social Media-Phänomen und mittlerweile auffallend viel Support aus der Gay Community, vor allem auf Twitter. »Badlands« sind erste Schritte, und sie sind nicht gerade klein für eine 20-Jährige. Halsey ist nicht nur ein Anagramm für ihren wirklichen Vornamen Ashely, sondern auch der Name der New Yorker Straße, in der sie einen Großteil ihrer Zeit mit Drogen und Psychosen verbrachte. Heute geht sie mit The Weeknd auf Tour und kann Ed Sheeran zu ihren Fans zählen. Ihr Label hat ähnlich großes Vertrauen in sie wie der Rest der Menschheit, ein Konzeptalbum als Debüt ist nicht gerade die sichere Schiene, und auch keine, die den Fokus auf die offizielle Einführung von Halsey in den Pop-Zirkus legt. Stattdessen geht es um Las Vegas, Hedonismus und ein bisschen auch um den Planeten Tatooine aus »Star Wars«. Es hat schon was Mitreißendes, wenn am Opener plötzlich ein Kirchenchor einsetzt oder Halsey in »Colors« einen Rausch besingt. Eine Hymne über einen schwulen Football-Spieler könnte sich noch zu ihrem großen Moment mausern: »High on legal marijuana, raised on Biggie and Nirvana«. »New Americana« ist der Inbegriff von all dem, was Halsey ausmacht, und könnte genau deshalb das für sie tun, was »Habits« für Tove Lo getan hat. Der Chorus ist für Stadien gemacht, die Lyrics lesen sich, als wäre Halsey die Anführerin eines ganz neuen Amerika, das Gesicht einer Generation, die sich über das Internet definiert. »Badlands« ist ein Debüt, das nicht wie eines klingt. Ungefähr so, als würde Lana Del Rey ein Album mit Miley Cyrus machen. Aber die gute Lana Del Rey, die »Born To Die«-Lana Del Rey. 07/10 Franz Lichtenegger
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Schöner Lärm, betörende Stille, alles dazwischen und natürlich die obligate Ausnahme. Ausgewählt von Manuel Fronhofer.
Joshimizu MDMD (Indipendenza)
Alles hat man nicht Joshimizu segelt mit riesigen Pupillen durch Vegas, er hat jetzt Witz, seidigen Flow und am Ende auch einen Kater. Joshi ist allein, nur er und Modelfrauen in den beiden aufwendig gefilmten Videos. In Las Vegas war er, durchdrehen in den Clubs, Pillen einwerfen, Papers verheizen. Dass der mächtig schiebende GFunk-Beat von »Viva Las Vegas« wirklich an Joshimizu ging, wundert fast. Immerhin hätte man dieses Premium-Material locker international verkaufen können. Vegas macht als die seltsamste Stadt der USA aber Sinn. Bei »MDMA« war man noch in Tokio. Joshi als den zockenden und driftenden Asiaten im deutschen Rap-Game positionieren zu wollen, war zwar mutig, aber unterm Strich nicht die beste Idee, die man beim Label von Raf Camora jemals hatte. In Las Vegas schwimmt Joshi jetzt obenauf im Treibsand und ballert am Klo mit tellergroßen Pupillen. Dabei heißt der Nachfolger zu »MDMA« ja »MDMD«, also Montag der Morgen danach. Und Kater, den gibt es auch. Was Joshimizu bisher fehlte, waren bei all den steilen Zeilen übers Partymachen die außergewöhnlichen Geschichten. Dabei hat er genug zu erzählen. Er war früher im Casino Croupier, jahrelang als Host von Partys im Wiener Volksgarten oder Praterdome unterwegs, hat eine Menge Spielschulden gesammelt oder genug Zeit ohne Rap vergondelt. Und viele Hörer mögen diese Storys über den alltäglichen Kampf mit sich selbst und über den Weg nach oben. Die gibt es auch. Sie sollten nur nicht so müde wie »Stunde Null« klingen. »Kreaturen« kitzelt da schon viel mehr an den Frontal-Lappen. Auf dem geschliffenen »Kim« stiehlt Sudden mit seiner borstigen Stimme und der Zeile »davon ist Kim Jong Un-beeindruckt« Joshi die Show. Sonst sind die Beats grundsolide, die Reime purzeln aus Joshi nur so raus, der Flow ist seidig, die Belieferung könnte noch auffälliger sein. Lieber glücklich auf der Couch als unglücklich auf einer sinkenden Jacht, rappt Joshi fast am Ende ausgenüchtert. Der Rausschmeißer hat sogar ordentlich Witz. In »Alles hat man nicht« jammert er auf höchstem Niveau. Mehr davon und Joshi gelingt nicht einfach nur das beste Rap-Album aus Wien Rudolfscrime. 07/10 Stefan Niederwieser
Julia Holter Have You In My Wilderness (Domino) — »Songs, die sich an der Grenze zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein bewegen«, sagt die Presseinfo. Und das beschreibt es tatsächlich sehr gut. Die Musik der Amerikanerin hat etwas Traumhaftes – die orchestrale Instrumentierung bettet den oft himmlisch-zarten Gesang auf Wolken. Wenn’s mal griffiger wird, dann in aller Chamber-Pop-Schönheit. Der warme Sound bietet dabei auch Raum für die dunkleren Stimmungen dieses intimen Albums. Gardens & Villa Music For Dogs (Secretly Canadian) — Eine wiedererwachte Liebe zu Gitarren, Pianos und Stimmen hat Gardens & Villa auf ihrem dritten Album zu Roxy Music und Brian Eno geführt, von Synth- hin zu Glam-, aber auch zu Psych-Pop. »Music For Dogs« hat von all dem eine recht facettenreiche Ladung abgekriegt. Mal hat das Ganze etwas Sinnlich- Elegantes, mal geht es dezent nach vorne. Die 80er klingen genauso durch wie die 70er. Besonders schön: das schwermütige »Alone In The City«. Drinks Hermits On Holiday (Heavenly) — Gemeinsame Sache zu machen, das bringt oft ganz neue Seiten hervor. Dachten sich wohl auch die Singer-Songwriterin Cate Le Bon und der Psych-Rocker Tim Presley, besser bekannt als White Fence. Als Duo haben sie – so scheint’s – extra noch den Reset-Knopf gedrückt, um eine gewisse Primitivität ins Spiel zurückzuholen. Das klingt nach Herumspinnen im Proberaum, nach Spaß an ungeordneten Verhältnissen – mit Referenzen von The Slits bis Captain Beefheart. Teen Daze Morning World (Paper Bag) — Die Produktion, die John Vanderslice diesem Album angedeihen hat lassen, verleiht ihm Weite und eine angenehme Wärme. Der perfekte Rahmen für diese geradezu schwebenden Songs, die neben Gesang und Gitarre auch Schlagzeug, Streicher und Synths gepflegt zum Einsatz bringen. Der junge Kanadier, der hinter Teen Daze steckt, hat damit das Label Chillwave abgelegt. Sein zarter SongwriterPop klingt aber genauso gekonnt nach Sonnenunter- bzw. -aufgang. Yo La Tengo Stuff Like That There (Matador) — Ihre stilistische Beweglichkeit hat die Musik dieser Indie-Institution stets frisch gehalten. Auf »Stuff Like That There« widmen sich Yo La Tengo einer alten Leidenschaft und deuten bestehendes Songmaterial – zärtlich – neu. Der Besen streichelt dabei die Schlagzeugfelle, der Stimmeinsatz liegt in seiner Sanftheit nahe am Hauchen, die Gitarren klingen nach Feierabend auf der Veranda. Höhepunkt: »Friday I’m In Love«, im Original von The Cure.
Und außerdem natürlich:
Beach House – Depression Cherry (Bella Union) Immer noch zart verhallt, immer noch schön verträumt, immer noch bittersüß. Ought – Sun Coming Down (Constellation) Neues ansteckendes Post-Punk-Zeug von den vier Kanadiern. Schnipo Schranke – Satt (Buback) Nach »Pisse« noch mehr vom cleveren, expliziten Schnipo-Schranke-Humor.
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Neigungsgruppe Indie
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Ought Sun Coming Down (Constellation)
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The Libertines Anthem For Doomed Youth (Universal)
Sonne im Gesicht
Alte, neue Singalongs
Ought geht der Post-Punk auch auf dem zweiten Album locker von der Hand. Alles was sie dafür tun mussten? Sich gegenseitig nicht auf den Sack gehen.
Reunion. Klingt ein bisschen so, wie kalter Kaffee schmeckt. Die Libertines ziehen das Ganze jetzt zum zweiten Mal durch. Aber siehe da, es ist sehr annehmbarer Eiskaffee geworden.
9. November 2014: Ought spielen im Rhiz. Es ist heiß, es ist eng, das Bier schwappt, das Publikum auch. Im April veröffentlichte die Post-Punk-Band aus Montreal mit »More Than Any Other Day« ein Debüt, dass Ende 2014 auf vielen Listen des Jahres steht, die mehr als okaye EP »Once More With Feeling« ist noch ganz frisch. Nach dem Konzert steht man so wie die Band im T-Shirt noch lange draußen, obwohl es eigentlich zu kalt dafür ist. Später liest man in einem Interview, dass das eines der intensivsten Konzerte der Tour war. Ein schöner Nebensatz. 6. August 2015: Ought spielen im Chelsea. Es ist heiß, vor allem, weil es draußen heiß ist; es ist nicht ganz so eng, das Bier schwappt nicht mehr so sehr, auch weil die Hitze lähmt. Vom neuen Album kannte man bereits zwei Tracks. Beim ersten – »Men For Miles« – galoppieren Schlagzeug und Bass aus dem Stand heraus nach vorne. Frontmann Tim Darcy zieht Worte in die Länge, wechselt zwischen hohen, spitzen Tönen und tiefer Stimme. Sein Sprechgesang macht ihn einmal zum Prediger, einmal zum desinteressierten Passanten. Man glaubt er verstolpert den Einsatz, doch er reitet jeden Beat souverän. Ought haben in neun Monaten viel Routine gesammelt. Sie reden das Nötigste, halten die Pausen kurz, ohne dabei lustlos zu wirken. Man merkt, dass die Band auf Tour zusammengewachsen ist und man liest, dass die Aufnahmen für das zweite Album unkompliziert verlaufen sind. Der zweite schon bekannte Song ist das fast acht Minuten lange »Beautiful Blue Sky«. Es zeigt mehr denn je, wie die Band selbst dunklen Themen Positives abgewinnt: »I’m not longer afraid to die, cause this is all that I have left. Yes, Yes. And I’m no longer afraid to dance tonight, cause this is all that I have left. Yes, Yes.« Nach gut fünf Minuten ist man mitten im instrumentalen Post-Rock angekommen. So klingen ein blauer Winterhimmel und letzte Sonnenstrahlen im Gesicht. Die Tage nach dem Konzert und mit der Platte machen es immer deutlicher: »Sun Coming Down« ist wärmer und verspielter als das Debüt und steht ihm um nichts nach. 08/10 Reiner Kapeller
Geglaubt hat das niemand. Pete, gerade frisch aus der Entzugsklinik in Chan Buri entwischt, hat dann das Album mit der Band auch vor Ort – in den thailändischen Karma Sound Studios – eingespielt. Das Erbe der Libertines ist groß, auch wenn der geschrammelte Koks-Rock heute oft belächelt wird. 20.000 andere Gitarrenbands aus dem UK sind schuld daran. Pete Doherty ist auch ganz stolz. Stolz, dass sie sich offenbar wirklich noch einmal aufgerappelt haben. Die treibenden, schnellen Gitarren klingen zurückgenommen, man hört Piano im Hintergrund, sogar Synths, aber wo kommen die heute nicht vor. Progressiv sind die Libertines trotzdem nicht geworden. »Gunga Din« ist nicht umsonst als Single ausgesucht worden: der ganze Rest des Albums hat keinen eingängigeren Refrain. Man möchte sich wehren zu sagen, »das klingt schön nach den alten Libertines« – aber schließlich haben sie hier Komponenten von früher hineingepackt. Der fein eingespielte, abwechselnde Gesang von Carl und Pete, die fast quäkende Reggae-Gitarre, die gegen den Strich gezupft wird. Und dazu ein Refrain, der sich schnell einpendelt und zum Singalong wird, ohne zu nerven. Das Album klingt abgerundet, ausproduziert – trotzdem aber nicht übertrieben korrekt oder perfektionistisch. Jugendcharme eingetauscht für Altersweisheit? Schon ein bisschen. Die Lyrics stammen erneut aus der Feder von Pete Doherty und Carl Barat und Jake Gosling (unter anderem Producer von One Republic und Ed Sheeran) hatte seine Finger im Spiel, der das Album eher Richtung späte Babyshambles statt zu den beiden Libertines-Vorgängern rückt. Die Libertines sind nicht mehr 20 und der Moment, in dem ihre Musik den Nerv der Zeit getroffen hat, ist überholt. Waren sie eine der ersten Bands in Großbritannien, die sich die Social Media-Kontakte zunutze gemacht hat, die eine neue Art von Fannähe und -kultur gepflegt hat, sind diese gebrochenen Konventionen schon dreimal rechts überholt worden. Nur – das wissen sie offenbar. Und gießen sich jetzt Kaffee statt Tee in die Tassen. Cheers. 08/10 Lisa Schneider
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Und anderes Musikalisches dazwischen und darüber hinaus. Kuratiert (ha!) von Amira Ben Saoud.
The Weeknd Beauty Behind The Madness (Republic)
You Earned It Musik von The Weeknd war immer schon ein einziges Sich-Hingeben. Zu den Drogen und den Frauen kommt mit »Beauty Behind The Madness« als neuer Meister nun der Pop. Dunkle, verstörende Mixtapes, die von Drogenrausch, bedeutungslosem Sex und der fatalen Kombination von beidem erzählen, ein junger Mann mit eigenwilligem Haupthaar und göttlicher R'n'BStimme, der von Label-Chefs umworben wird, aber keine Kompromisse eingehen will und die Öffentlichkeit scheut. Keine Fotos, keine Interviews. Später, halbherzige Zugeständnisse an die Industrie, ein erstes Album (»Kiss Land«, 2013), das doch auf einem Major erscheint, wegen seiner Inkompatibilität mit dem, was der Markt von einem Popstar will, aber nur mäßig abschneidet. Darauf die Wende: »Love Me Harder« mit Ariana Grande. Kommerzieller Erfolg. Und jetzt der nächste Streich: ein bombastisches Pop-Album, das The Weeknd zum Michael Jackson einer neuen Generation machen wird. Ist es aber die Geschichte des Kanadiers Abel Tesfaye, die ihn gerade jetzt für Millionen so faszinierend macht? Eher nicht. Die Menschen, die »Beauty Behind The Madness« kaufen werden, haben von den ersten Mixtapes nichts gehört und werden das auch nicht mehr tun. Obwohl The Weeknd auf seinem neuen Album thematisch wenig anders macht (Drogen, Frauen, Depression), merkt man’s einfach weniger. Das soll nicht heißen, dass »BBTM« ein musikalischer Ponyhof wäre: Es ist genau die Art von düsterem Pop, gebrochen von Referenzen an die dancy 80er, wie ihn Lana Del Rey (die auch in einem Duett ran darf) bereits massentauglich gemacht hatte und die jüngst auf dem sehr gelungenen Twin Shadow-Album einen vorläufigen Höhepunkt erreichte. »Beauty Behind The Madness« ist so gut, dass es nicht einmal aufgelegte Gastauftritte braucht. Wer auf dem von Kanye West produzierten »Tell Your Friends« auf Verse von selbigem wartet, wird enttäuscht. Enttäuscht wird auch jener, der nach wie vor behauptet, man könne Inhalte, die aus einer bestimmten Geisteshaltung entstanden sind, nicht auf radiofreundliche Instrumentierung packen. Dieses Album soll ihm als fulminantes Gegenbeispiel gelten. Pop hat The Weeknd fest im Griff. Oder er ihn. 08/10 Amira Ben Saoud
DonMonique Thirst Trap EP (Self-Released) — Der ganze Hype um Tink ist ja schön und gut, aber wenn ich mir eine neue HipHop-Queen aussuchen müsste, wäre es die 20-jährige DonMonique, die auf ihrer EP »Thrist Trap« klar macht, dass es weder beim Drogen verchecken noch bei der Musik halbe Sachen gibt. Wer auf so hohem Niveau einsteigt – inklusive Gastverse von Danny Brown – verpufft entweder ganz schnell wieder oder hebt ab. DonMonique hat das Potenzial, zu bleiben. Mick Jenkins Waves[s] EP (Free Nation) — Chicagos Rap-Szene ist alles andere als homogen. Chief Keef, Lupe Fiasco oder Vic Mensa teilen sich zwar die Heimat, aber nicht den Sound. Mick Jenkins’ zweite EP »Wave[s]« bedient sich überall und schafft dabei etwas Neues. Neben ziemlich beeindruckenden Raps beweist er auch ein gutes Händchen bei den Beats. Dass es einer geschafft hat, Kaytranada nach langer Zeit einen interessanten Beat (»Your Love«) abzuringen, heißt schon mal einiges. Yung Hurn 22 (Live From Earth) — Ich hatte keine Zeit, deswegen konnte ich mir Yung Hurns Meisterwerk erst im August anhören, aber dann dafür so richtig oft. »22« ist ein Instant Classic, der unerwartet kam, um noch viel unerwarteter zu bleiben. Es handelt sich vermutlich um das größte (musikalische) Statement, das es 2015 in Österreich geben wird. Wenn an der Grenze von Dämlichkeit und Genie ein Wiedergabemedium stehen würde, müsste es dieses Album spielen. Für immer. Christian Rich FW14 (Good Luck Chuck) — Christian Rich ist nicht eine Person, sondern ein Duo bestehend aus zwei Brüdern – es wäre auch schwer vorstellbar, dass ein Mensch allein so eine Vielfalt an Genres glaubwürdig produzieren kann. Von der Tanz-Bombe »High« über sexy Slowjams wie »Real Love« bis zu »Better To«, das fast ein bisschen an Justices Überhit »Dance« erinnert, ist jede Nummer auf dem Album die beste Version ihrer selbst. Perfekte Produktion trifft eingängige Melodien. Soulection White Label 015 Louie Lastic EP (Soulection) — Goldlinks Album »The God Complex« gehört nicht nur zum Besten, was 2014 auf den Markt kam, es gehört auch zum – im Verhältnis dazu, wie gut die Qualität ist – Unbekanntesten. Der Produzent hinter Goldlink, Louie Lastic, ist daher noch wenigeren Menschen ein Begriff, obwohl er am Sound der Zukunft schraubt. Future Bounce heißt das und wird auf der neuen White Label Edition sogar noch weiter ausgereizt. Inklusive Saxofonen.
Und außerdem natürlich:
FKA Twigs – M3LL155X EP (Yung Turks) Des Soundmärchens nächster Teil. Empress Of – Me (Terrible) Genderstudies an der Kunstuni – Online-Seminar-Soundtrack. Wow. Georgia – Georgia (Domino) Anstrengend auf die gute Weise.
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Pop, Bass, Hop
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TEXT Franz Lichtenegger BILD Estate Martin Kippenberger, Mohau Modisakeng, Esther Schipper , Xu Zhen, Belvedere, Andy Warhol, Mads Nissen
Die Kippenberger-Ausstellung im Kunstforum hat den schönen Untertitel »T.ü.« – Toll übrigens? Trotzdem üben? Das multimediale Werk von Martin Kippenberger umfasst so ziemlich alles, was es zu umfassen gibt. Kippy beweist auch beinahe 20 Jahre nach seinem Tod noch, warum er als einer der wichtigsten und umstrittensten Künstler seiner Generation gilt und das »T.ü.« eigentlich nur für eines stehen kann: Titel überflüssig. 8. September bis 20. November Wien, Kunstforum
Martin Kippenberger
TERMINE KULTUR
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TERMINE
KULTUR
Mohau Modisakeng Warum sind alliterative Namen eigentlich immer so viel schöner? Mohau Modisakeng ist im südafrikanischen Soweto geboren und lässt seine Wurzeln in seine Arbeit einfließen. Die Fotografien, Videos und Skulpturen zeigen oftmals den Künstler selbst posierend vor weißem oder grünem Hintergrund. Ein bisschen gruselig, ein bisschen mysteriös, auf jeden Fall beeindruckend. Die Ausstellung in Innsbruck ist seine erste in Europa. 5. September bis 24. Oktober Innsbruck, Kunstraum
AA Bronson
TEXT Franz Lichtenegger BILD Estate Martin Kippenberger, Mohau Modisakeng, Esther Schipper , Xu Zhen, Belvedere, Andy Warhol, Mads Nissen
Was da ausschaut wie eine sehr verstörende Porno-Version der Schlümpfe, ist in Wahrheit das Werk des Kanadiers AA Bronson. Der will es gleich doppelt wissen und hat zwei Ausstellungen gleichzeitig laufen – einmal in Salzburg, einmal in Graz, beide Male im Kunstverein. In dem Projekt ist Bronson nicht nur Künstler, sondern auch Kurator. Objekt und Subjekt sozusagen. Zur Eröffnung gibt’s Live-Performances. Das klingt nach einem Haufen Arbeit und sehr viel blauer Farbe. Eröffnung: 18. September, 20.00 Uhr; Dauer: 19. September bis 22. November Salzburg, Kunstverein
Corporate In Kooperation mit dem Steirischen Herbst wird im Grazer Kunsthaus die Ausstellung »Corporate« ausgerichtet. Hauptrolle spielt dabei der Chinese Xu Zhen, der bekanntlich keine Angst vor Grenzen zwischen Popkultur, Politik und Kunst hat. Bemerkbar macht sich das in Gadgets, Filmen, Performances, Montagen und Skulpturen, denen als Kopf ein weiterer kopfloser Körper wächst. Oder eben Panzer, so was mögen wir auch immer. Eröffnung: 26. September, 18.00 Uhr; Dauer: 27. September bis 10. Jänner Graz, Kunsthaus
Flirting with Strangers Hey, I just met you. Eine Sammlung als »Beziehungsgefüge zwischen den Dingen«, fast so, als würden die zahlreichen Arbeiten unter- und miteinander flirten. Der Kuschelbär im »Call Me Maybe«-Pulli hat auf jeden Fall gute Chancen bei der Mona Lisa-Interpretation von Gelatin. Carly Rae Jepsen hat es in ihrem Klassiker einst so schön sinnlos besungen, aber vielleicht haben sich diese Kunstwerke tatsächlich schon vermisst, bevor sie sich überhaupt kennengelernt haben. 9. September bis 31. Jänner Wien, 21er Haus
E.A.T. E.A.T. ist nicht nicht etwa der Name eines hippen Takeaway-Restaurants, sondern eine Abkürzung für »Experiments in Art and Technology«, einem Verbund aus Ingenieuren, Künstlerinnen und Künstlern. Die Gruppe war vor allem in den 60ern und 70ern sehr aktiv und verband, wie der Name bereits erahnen lässt, Kunst mit neuester Technologie. In der chronologisch aufgebauten Ausstellung sind unter anderem Werke von Andy Warhol und Yvonne Rainer zu sehen. bis 1. November Museum der Moderne
World Press Photo 15 Die World Press Photo-Jury hat auch dieses Jahr wieder lange überlegt, was es denn nun werden soll, das World Press Photo 2015. Gewonnen hat schlussendlich ein intimes Foto des dänischen Fotografen Mads Nissen – es zeigt das schwule Paar Jon und Alex aus St. Petersburg und soll das Thema Homophobie in Russland beleuchten. Das und die restlichen Fotos kann man ab September gesammelt und aus der Nähe betrachten. Das Westlicht sperrt dafür sogar extra länger auf. 11. September bis 18. Oktober Wien, Westlicht 059
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Kunsthalle Wien
T ermine
TEXT Lisa Schneider BILD Courtesy: Galerie Bernd Kugler, Courtesy: Galerie Knoll, Wien
Holger Endres, »Black Horses«, 2015
G a lerien
Künstler Łukasz Jastrubczak und Kurator Sebastian Cichocki beim Projekt »Mirage«. (Film still)
Holger Endres – »Black Horses«
curated by_ Sebastian Cichocki
»What you see is what you see«. Das sagt im Jahr 1964 zumindest Frank Stella, einziger Maler im Kreise der Minimal Art-Protagonisten. Ganz im Zeichen dieser These verzichtet Holger Endres auf Komposition, Perspektive, Illusionen. Er nimmt sich eine Handlungsanweisung für seine Bilder. In etwa: Streifen malen, die sich nicht berühren. Ganz einfach. Oder: Streifen malen, die vertikal pinseldick verlaufen. Was herauskommt, ist ein Dialog zwischen dem Sehbaren und dem Sichtbaren. Klingt kompliziert, führt aber interessanterweise einfach zurück zu einem Nachdenken über den minimalistischen Malprozess an sich. 11. September bis 17. Oktober 2015 Galerie Bernd Kugler, Innsbruck
Robert Smithsons tragischer Tod mit nur 35 Jahren (er kam bei einem Flugzeugabsturz ums Leben) trug natürlich einen Teil an der fast schon überhöhten Position, die der Künstler und Kunsttheoretiker in der Wissenschaft innehat, bei. Im Zuge ihres Projekts »Mirage« nehmen Lukasz Jastrubczak und Sebastian Cichocki nun genau diese Legendenbildung bis ins Detail auseinander. Basierend auf Smithsons Schrift »Minus Twelve« (1968), einer Abhandlung zur Minimal Art, haben sie einen Film entworfen, der konkret berichten und die Legendenbildung rund um Smithsons Person möglichst umgehen soll. Kompakt und gar nicht mythisch. 10. September bis 14. November 2015 Galerie Knoll, Wien
Salzburg
Aria Galerie Frey Bis 13. September 2015 Beni Bischof Fotohof Bis 19. September 2015
Oberösterreich
Jennifer Nehrbass Brunnhofer Galerie 10. September bis 17. Oktober 2015
Steiermark
Giovanni Pizza und Lucia di Luciano Galerie Leonhard 18. September bis 10. Oktober 2015
Tirol
Julia Bornefeld Galerie Elisabeth & Klaus Thoman 5. September bis 24. Oktober 2015 Richard Hoeck / John Miller Galerie Johann Widauer 19. September bis 26. September 2015
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Kärnten
Sommer-Perspektiven Ritter Gallery 30. Juli bis 19. September 2015
Wien
Kaya V Galerie Meyer Kainer 11. September bis 5. November 2015 The * of Love Galerie Martin Janda 11. September bis 31. Oktober 2015 Ettore Sottsass Sen. – Ettore Sottsass Jun. – Adam Nathaniel Furman – Luca Zamoc Inoperable Gallery 15. September bis 31. Oktober 2015 Relational Changes Galerie Christine König 10. September bis 17. Oktober 2015 Retro Store Galerie Elisabeth & Klaus Thoman 10. September bis 7. November 2015
Museumsquartier 26/6 – 11/10 2015 #collecting Die Ausstellung Individual Stories präsentiert Sammlungen von zwanzig zeitgenössischen Künstler/innen die von Neugier, Entdeckertum sowie archivarischer Methodik als Basis künstlerischen Schaffens erzählen. Bilder, Wörter, Schallplatten, Schuhe: Alle Objekte weisen einen persönlichen Bezug zu seinem/r Sammler/in auf und zeigen spezielle Facetten der jeweiligen Künstlerpersönlichkeit – eine ungewöhnliche Annäherung an zeitgenössisches künstlerisches Schaffen. Künstler/innen: Saâdane Afif, Jacques André, Marie Angeletti, Thomas Bayrle, Barbara Bloom, Herbert Brandl, Andrea Büttner, Hans-Peter Feldmann, Camille Henrot, Michaela Maria Langenstein, Pierre Leguillon, Hanne Lippard, Maurizio Nannucci, G.T. Pellizzi, Max Renkel, Michael Riedel, Hubert Scheibl, Yann Sérandour, John Stezaker, Johannes Wohnseifer www.kunsthallewien.at
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FESTIVALS
5 Fragen an Nataša Mackuljak & Ivana Marjanović (Wienwoche-Kuratoren-Team ab 2016) Ihr übernehmt nächstes Jahr die Leitung der Wienwoche. Welche Konzepte wollt ihr vom alten Team übernehmen? Kollektive, partizipatorische Projekte; die Erweiterung kultureller und künstlerischer Praktiken; die Betonung, dass in Wien transnationale und transkulturelle Orte mit ihrem eigenen Wissen und ihrer eigenen Geschichte existieren; eine emanzipierte soziale Haltung, die nach Lösungen basierend auf Solidarität sucht. Was waren eure Highlights von den bisherigen Veranstaltungen auf der Wienwoche? Spontan fällt uns Mindj Panther und das von Gin Müller initiierte Projekt »Rebelodrom« ein. In dessen Rahmen wurde eine No-Border-Zone vor dem Brut am Karlsplatz etabliert, die verschiedene Initiativen wie Refugee Protest oder Eating Europe von Maiz inkludiert hat. Wie haltet ihr es mit postmigrantischem Theater? Ohne Zweifel bereichern Menschen mit Migrationshintergrund das Theater um relevante Perspektiven, vor allem auch sprachlich. Wenn die jeweiligen Akteurinnen und Akteure ihre Theaterarbeit als »postmigrantisch« bezeichnen wollen, ist das zu respektieren. Die diesjährige Gemeinderatswahl in Wien wird wohl dazu führen, dass die FPÖ deutlich dazu gewinnt. Wie wird sich das auf das Schaffensfeld der Wienwoche auswirken? Darüber reden wir im Herbst! Welche Künstler würdet ihr unbedingt versuchen, für die Wienwoche 2016 einzuladen, auch wenn sie unleistbar sind? Unsere Wunschliste wäre lang: The XX, Theaster Gates, Manu Chao, Pedro Almodóvar … wir werden sicher coole Leute einladen, es gibt bereits Pläne, aber lasst euch 2016 überraschen. Die Wienwoche findet von 18. September bis 4. Oktober 2015 statt.
1925 geschrieben, läuft heuer das Urheberrecht des Freistaat Bayern auf diese Hetzschrift aus. Rimini Protokoll geht dem Irrsinn nach, fragt aber auch nach der Sinnhaftigkeit des Verbots.
Steirischer Herbst »Back to the future« ist das Motto beim Steirischen Herbst und das passt für das älteste Festival für »Neue« Kunst in Europa ganz gut. Von Bildender Kunst über Film, Literatur, Tanz, Musik, Architektur, Performance bis zu Medien ist alles vertreten. Ganz zum Science-Fiction-Motto passend ist auch die Ausstellung des Architekturkollektivs »orizzontale«, die als retro-futuristische Raumstation im Festivalzentrum inszeniert wird. Die diesjährige Eröffnungsperformance stammt aus einer Zusammenarbeit des Komponisten Johannes Maria Staud mit dem Dichter und Autor Josef Winkler. Ein »Experiment zeitgenössischen Musiktheaters« soll »Specter of the Gardenie oder Der Tag wird kommen« werden. Vereinfacht also Theater mit mächtig Wumms. Musik-Fans dürfen sich außerdem über Live-Konzerte von Young Fathers, Die Buben im Pelz, Polyester oder Lambert freuen. 25. September bis 18.Oktober diverse Locations in der Steiermark
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FESTIVALS Künstlertreffen und Satellitenmesse mitten in Wien in der alten Postzentrale.
25 Aus 25 Ländern kommen die Aussteller der Vienna Contemporary. Darunter sind auch Exoten wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Südkorea, Georgien oder Aserbaidschan.
Parallel Vienna Das Kuratorenteam der Parallel Vienna ist einmal mit dem Mähdrescher durch den Kunstacker gefahren. Zeitgerecht im Spätsommer pickt es nun die besten Früchte aus dem Jahrgang 2015 heraus, um sie in der Alten Post auszustellen. Unter dem Titel »Another Destination« bietet die Parallel Raum für 150 nationale und internationale Künstler und 30 Galerien. 23. bis 27. September Wien, Alte Postzentrale
TEXT Yasmin Vihaus, Denis Baskan BILD Daniel Jarosch, Rimini Protokoll, Deathgasm (Filmscreenshot)
Shirty Vienna
Süße Typen wie in »Deathgasm« kann man beim /slash zuhauf sehen.
Ausziehen! Bei Shirty findest du bestimmt ein neues T-Shirt – der Verein veranstaltet im Herbst eine entsprechende Messe im WUK. Im Gegensatz zu deinem H&M- oder Asos-Basic achten die Veranstalter auf Individualität und Fairness und fördern dabei vor allem lokale Produzenten und junge Labels. 25. bis 27. September Wien, WUK
Biorama Fair Fair
Wer anspruchsvollen Talks lauschen und nebenbei Bio-Street-Food genießen möchte, ist auf der Biorama Fair Fair richtig. Das wissen wir, weil wir uns mit den Organisatoren ein Büro teilen. Nachhaltig lebende Bobos und alle, die es noch werden wollen, erfahren mehr über zukunftsweisende Mobilitätskonzepte, Reisen, biologische Lebensmittel und bewussten Konsum. 11. bis 13. September Wien, Ottakringer Brauerei
Vienna Design Week
/slash Filmfestival Zombies, Horror und Frankenstein – Das Slash wählt seit sechs Jahren mit dem Riecher eines Werwolfs die richtigen Filme für Fans von Blut, Beuschel und Psychopathen aus. Wir erinnern nur mal an den Arthouse-Überraschungshit »Under The Skin« mit Scarlett Johansson. Zehn Tage lang gibt es Leckerbissen im Wiener Filmcasino, zur Premiere geht es ins Gartenbaukino. Zombiewalk wird es wohl auch wieder geben. 17. bis 27. September Wien, Filmcasino
Mit Favoriten verbindet man vielleicht nicht unbedingt sofort Österreichs größtes Design-Festival – sollte man aber. Der Zehnte ist in diesem Jahr der Fokusbezirk der Design Week und stellt mit der Brotfabrik die Festivalzentrale, in der Workshops, Vorträge und Ausstellungen stattfinden. Gastland ist in diesem Jahr Frankreich, dessen Designszene im September auf den Schick des Wiener Arbeiterbezirks trifft. 25. September bis 4. Oktober Wien, Brotfabrik 063
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TERMINE
MUSIK
DIE SONNE SCHEINT DIR AUS DEM ARSCH, ICH MACH DIR EIN SUNBLOCKERKLISTIER.
HASS
IN 17
Dunkles Rapunzel-Haar und Monobrow (nicht im Bild): Fettkakao-GratulantIn Crazy Bitch In A Cave.
Festkakao Zehn Jahre im Zeichen beständiger, eigenwilliger Qualität – das gehört natürlich gefeiert! Zum FettkakaoJubiläum gibt’s daher gleich fünf Tage Musik, Film und Kunst aus dem erweiterten Umfeld des Wiener Vorzeige-DIY-Labels. Mitgefeiert werden kann im Kunstraum Size Matters, im Elektro Gönner, im Schikaneder (Österreich-Premiere: »My Secret World – The Story Of Sarah Records«), im Fluc sowie in der Arena, wo Goldsoundz, Ana Threat, Crazy Bitch In A Cave und Dubais das Open-Air-Gelände bespielen, ehe die Party im Dreiraum mit DJs und noch mehr Konzerten weitergeht. 7. bis 12. September Wien, diverse Locations
SILBEN Bunt und auffrisiert – Ebony Bones und ihr rastloser Sound zwischen Afro-Beat, Art-Punk und Electro.
Waves Vienna
www.milena-verlag.at
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Das Club- und Showcase-Festival hat auch schon fünf Kerzen auf der Torte – und die angepeilte Vernetzung der ost- und westeuropäischen Musikmärkte soll heuer natürlich fröhlich weitergehen. Die angeschlossene Konferenz teilt man sich entsprechend mit dem Schwesterfestival Waves Bratislava. Als Gastländer sind diesmal Estland, Lettland und Litauen mit dabei. Neben Musik-Acts aus diesen und zahlreichen anderen Ländern gibt’s wieder ein Film- und erstmals ein Literaturprogramm. Dass auch eine Reihe neuer Venues bespielt wird, versteht sich quasi von selbst. Zum obligatorischen Name-Dropping: Austra, Ebony Bones, Little Boots, Oddisee, Sizarr, Mike Skinner, Young Rebel Set. 30. September bis 4. Oktober Wien, diverse Locations
TEXT manuel fronhofer, jana Wachtmann BILD Ute Hölzl, Tim Bret-Day, Agnes Lloyd-Platt, Yannik Steer, Magdalena Blaszczuk, Ben Rayner, Lauren Logan
NUR WEIL DU HUGO SAUFST, BIST DU NOCH LANGE KEIN BOSS, DU KLEIDERBAUER!
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MUSIK
highlights
Salute
Neuwertige Hefte, beste DJs, feinste Crowd. The Gap lädt ab September wieder zur monatlichen Release-Party. Die Acts des Abends: Salute – lebt in Brighton, stammt aus Wien – mit Basslastigem zwischen R’n’B und HipHop sowie eine DJ-Gesandtschaft der Klangfabrik. Und das alles in unserer neuen Venue Celeste. We happy. 12. September Wien, Celeste
Stöpsel Festival
Skero
Das Festival für Kinder und Eltern feiert Premiere – mit Programm für (fast) alle Altersgruppen. Zum Beispiel: Skero, Kommando Elefant, der EMG Elternabend (Eloui, Ernesty International und Sir Tralala), Erich Kästners »Konferenz der Tiere« als Theaterstück (ab 8 Jahren), eine interaktive Riesenseifenblasen-Show, Akrobatik, Zaubertricks, KochWorkshops und und und. 30. August Wien, Wuk
Volksstimmefest
Attwenger
Eine lieb gewonnene Tradition: Im Spätsommer auf der Jesuitenwiese bei guter Musik feiern, trinken, essen – und ein bisschen politisieren. Heuer unter dem Motto »Es wird andas – Wir holen uns die Stadt zurück!« und mit Konzerten von Fatima Spar & The Freedom Fries, Christiane Rösinger, Attwenger, Yasmo, Mika Vember, Crazy Bitch In A Cave und vielen mehr. 5. und 6. September Wien, Jesuitenwiese
Mi. 16.09. // 20:00 LiteraturSalon
Doris Knecht: Wald
Do. 17.09. // 20:00 HipHop
Genetikk
Bild: Hell
The Gap Release feat. Salute � Klangfabrik
Sa. 19.09. // 20:00 Pop
AnnenMayKantereit
Mo. 28.09. // 20:00 Musikkabarett
Pigor & Eichhorn
Do. 01.10. // 20:00 LiteraturSalon
Michael Köhlmeier: Das Lied von den Riesen
Sa. 03.10. // 20:00 Rock
From Dawn To Fall
So. 04.10. // 20:00 Rap
Romano
Di. 06.10. // 20:00 Tanz
Australian Dance Theatre
»13 Songs im Geist der allerbesten Indie- und Post-Punk-Traditionen.« Kollegen Rainer Krispels Urteil über das letzte Album der Parquet Courts kann man sich nur anschließen. Die Palette der in Brooklyn ansässigen Band reicht von verschlurft bis zappelig, in jeder Ausprägungsform ist ihre Musik dabei ausgesprochen lässig. Schwere Empfehlung! 14. September Wien, Chelsea
Fr. 09.10. // 20:00 Comedy
Ennio Marchetto: The Living Paper Cartoon Bild: Friedemann Simon
Parquet Courts
The Polyphonic Spree
So. 11.10. // 20:00 Metal
Es ist schon eine Zeit her, dass The Polyphonic Spree das althergebrachte Verständnis davon, wie eine Rockband so ca. aussieht, ordentlich ausgehebelt haben. Um die 20 Leute standen da plötzlich auf der Bühne, alle in einheitlichen Kutten. Zig Instrumente, noch mehr Stimmen. Dazu euphorische Ausgelassenheit und eine große Portion Psychedelik. Klingt irgendwie nach Hippie-Sekte? Ganz genau! 20. September Wien, Wuk
Asking Alexandria Mi. 14.10. // 20:00 HipHop
Fiva
Bild: Nina Stiller
TEXT manuel fronhofer, jana Wachtmann BILD Ute Hölzl, Tim Bret-Day, Agnes Lloyd-Platt, Yannik Steer, Magdalena Blaszczuk, Ben Rayner, Lauren Logan
TERMINE
Do. 15.10. // 20:00 Vortrag / Diskussion
Metz
Schnitzelbeat Volume 2
Morrissey
Eine Dringlichkeit, die dir in den Magen tritt – diese Vorgabe wollten Metz nach ihrem gefeierten Debüt auch auf Album Nummer zwei (»II«, vor Kurzem erschienen) wieder erreichen. Es ist den drei Kanadiern gelungen. Laut, ungehobelt, wuchtig – Noise-Rock, ganz so, wie man ihn sich wünscht. 8. September Wien, Arena
Al Bird Sputnik hat wieder die Archive durchforstet und für Teil zwei der Compilation-Reihe »Schnitzelbeat« längst Vergessenes aus Österreichs Musikgeschichte ausgegraben. Schwerpunkt: Beat und Garagen-Rock. Release-Party im Rahmen von Accordia – 1. Öster reichischer Schallplattenclub. 18. September Wien, Rhiz
Ein Ausflug ins nahegelegene Slowenien ist angesagt: Der große Leidensmann Morrissey lädt zur Audienz. Erfahrungsgemäß ein Abend voller Dramatik, Emotionalität, Ekstase, expliziter Tierrechtspropaganda und bissiger Seitenhiebe auf die Welt im Allgemeinen sowie Großbritannien im Speziellen. 10. Oktober Hala Tivoli, Ljubljana
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Thomas Schmidinger: Jihadismus und Radikalisierung
Das komplette Programm gibt’s auf www.posthof.at POSTHOF – Zeitkultur am Hafen, Posthofstraße 43, A – 4020 Linz Info + Tickets: 0732 / 78 18 00, www.posthof.at
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Know-Nothing-Gesellschaft von Illbilly The K.I.T.T.
Aller guten Dinge sind wohl wirklich drei
illustration Jakob Kirchmayr
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iese Zeilen entstehen in meinem Urlaub. Das muss als kleine Warnung vorangestellt werden, denn in meinen Ferien bin ich noch hirnlahmer als sonst. Mehr noch, es entgeht meinem näheren Umfeld nicht, wie ich stündlich dümmer werde, wenn nichts zu tun ist. Und im Urlaub gibt es sehr viel nicht zu tun. Ich verliere in längeren Zeiträumen des Dolcefarniente üblicherweise mein Sprachvermögen, mache ständig Wortwiederholungen, stottere ein wenig und als Bonus, als Zuckerguss oben drauf, tu ich mir am Urlaubsende auch noch oft schwer mit meiner Motorik. Zähne putzen. Nase bohren. Sitzen. Alles wird zur Herausforderung. Es kann sein, dass ich einfach einmal zwischendurch so umfalle. Die Tage überbrücke ich – falls es jemand wissen will – hauptsächlich mit viel Essen, viel Trinken und viel Schlaf, der tief und fest ist, was wohl mit dem vielen Essen und Trinken in direktem Zusammenhang stehen mag. Mit den Erkenntnissen solcher Tagesabläufe lässt sich beim besten Willen keine ordentliche Kolumne zusammenhuren. Ein paar völlig zusammenhanglose Facebook-Statusmeldungen ließen sich vielleicht rauswürgen, aber sicher keine Kolumne. Wobei, vielleicht ein bisschen könnte ich von meiner Romantikbehinderung erzählen, die wieder einmal schlagend geworden ist. »Wie? Was? Wo? Romantikbehinderung?«, höre ich es fragen und ich muss zugeben: »Ja, so etwas gibt es und ich hab’s.« Das fängt schon bei der Natur an. Bei mir regt sich zum Beispiel nichts, wenn ich einen schönen Sonnenuntergang sehe. Da will sich meine Nudel nicht und nicht aufstellen. Beim Anblick stumpfsinniger Gebirgskämme und herrlichster Panoramen geht mir weder Herz noch Hose auf. Und auch kein lustig Tropfen geiler Begierde entweicht meiner Röhre, hör ich Dinge wie »Dinner bei Kerzenlicht«. Diese Behinderung ist jetzt nicht schlimm, gefährlich ist nur, wie ich dieses Emotionsleck kompensiere. Ich schaue rund um die Uhr Romantic Comedys. Ich bin ein Romcom-Junkie und integriere fatalerweise das dort Gesehene leicht abgewandelt in mein Leben. Wie die berühmte Kennenlern-Szene in »Wedding Planer«.
Viele reizende Girls kontaktierte ich erstmalig, indem ich mich hinter Mülltonnen versteckte, diese dann umstieß und wenn das gefährliche und sehr stinkende Vehikel unaufhaltsam auf die Auserwählten zurollte, die im Idealfall mit gelähmten Kuhaugen in Schockstarre das dräuende Unglück geduldig erwarteten, hechtete ich mich wie ein liebestoller Karpfen dazwischen und: rette sie. »Haben Sie sich was getan?« »Keine Sorge, ich bin Arzt, ich nehm sie schnell mit in die Klinik.« »Na gut, wie wär’s dann mit einem Drink?« – Funktionierte fast immer. Okay, die Nummer mit dem »Ich bin Arzt« ist natürlich die dreisteste Lüge in diesem Geflecht aus Unwahrheit. Aber man beeindruckt halt heutzutage niemanden mehr, den man schnell gerettet hat, indem man sagt, man sei Journalist. Da kann man froh sein, wenn man keine mitleidigen Blicke erntet. »Mahh, Journalist. Sie Armer. Welche Branche? Online? Hahaha? Print? Hihi, ich grüße Sie, Totgeweihter. Am Ende vielleicht noch ein Freelancer, hmm?« »Wir können gerne einen Drink zu uns nehmen, aber ich zahle. Und dann geh ich heim und zwar allein. Weil an mein Credo Never ever in die Kist’ mit einem simplen Journalist halt ich mich. Da können Sie mir hundertmal mein Leben gerettet haben, Sie kleiner Rescue-Schlingel Sie.« Ja so ist das. Journalist ist kein besonders gut beleumundeter Beruf mehr. Man rangiert ansehenstechnisch im Keller. Irgendwo zwischen Autoverkäufer, Versicherungsmakler und Müllmann. Das war nicht immer so, aber man sollte es den ganzen hoffnungsvollen FH-Studenten einmal sagen, bevor sie den Markt überschwemmen, dass man mit dieser Jobwahl heutzutage nicht easy peasy einen Haxen in die Tür beim anderen Geschlecht kriegt. Da braucht es zusätzlich schon coole Nebenjobs, um Punkte auf der Distinktionsskala und dann die Möglichkeit für Geschlechtsverkehr zu kriegen. DJ zu sein hilft dabei zum Beispiel. Ein Start-up für Craft-Beer zu gründen oder einen richtig frechen Blog über Männerdutts oder Menstruation zu betreiben dürfte den Ruf auch schon heben. Kann man einigermaßen fotografieren, steht einer Nebenkarriere als besserer Hobbyfotograf nichts im Wege. Einfach einmal alle – Hausnummer – schwangeren Bekannten in der Freund-
schaftsbubble mit ihren Babybäuchen abfotografieren, schon hat man eine schönes Thema und die Herzen fliegen einem über Social-Media-Kanäle sicher nur so zu. Alle lieben nämliche Schwangere. Die riechen so gut. Auch weil sie nur selten trinken und noch seltener rauchen. Weniger zu flog mir unlängst ein Herz, als ich wieder einmal bewies, dass meine romantische Behinderung eine der Sonderklasse ist. Ich wollte einen Heiratsantrag machen. Es war der zweite Versuch. Der erste ging in die Hose wegen Friedrich Schiller und einer Ballade, die ich auswendig konnte. Damals fuhr ich mit dem Ruderboot über einen See und versenkte einen goldenen Ring. Ich hoffte, dass ein Fisch, vielleicht ein Saibling, ein Zander, eine launische Forelle oder irgendwas Wohlschmeckendes ihn verspeisen mochte. Daraufhin angelte ich wie ein Berserker drauf los und machte fette Beute. Eine stramme Reinanke ging an den Haken und ich rechnete fix, dass der Ring beim gemeinsamen Ausnehmen des Fangs im Magen wieder auftauchen würde und ich so meinen wohldurchdachten Antrag zur Vollendung bringen kann. Fehlanzeige. Und viel besser erging es mir auch diesmal nicht. Da die Sonne, diese gelbe Sau, auch mein Hirn versengte, kam ich auf die Idee, mit Sunblocker der Angebeteten einen Antrag auf den Rücken zu schmieren. Dies tat ich auch, die Situation kippte aber ins Unangenehme, als ich die Liebste am Bauch liegend mit Gaffa-Tape im Liegestuhl fixierte und den Schatten spendenden Schirm entfernte, damit Bruder Fixstern dort oben seine Arbeit verrichten konnte. Bruzzel, bruzzel. Nun ja. Zwischen krebsroten Stellen leuchtete in herrlichstem Alabasterweiß, auf gut 300 Meter für jeden sichtbar: »Willst Du meine Frau werden?«. Mit zwei Schönheitsfehlern. Ich hatte aufs Fragezeichen vergessen. Dumm. Und es hätte in Spiegelschrift gehört. Noch dümmer. Urlaub halt. Aller guten Dinge sind wohl wirklich drei.
Illbilly The K.I.T.T. www.facebook.com/ illbilly
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