155 Magazin für Glamour und Diskurs. MONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1040 WIEN, P.B.B. GZ 05Z036212 M, Nº 155, JÄNNER / FEBRUAR 2016
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Crack Ignaz. Wandl.
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Leitartikel von Thomas Weber.
Wie die Kultur aus dem Bewusstsein gespült wurde Die Kultur ist ziemlich weltfremd geworden: Sie verliert an Öffentlichkeit und Relevanz, wird weder geteilt, noch geklickt und wird – zumindest als geförderter Kulturbetrieb – irgendwann in Erklärungsnot geraten. Doch sogar das hiesige Pop-Universum profitiert vom gesellschaftlichen Stellenwert von Kunst und Kultur.
iemand fragt danach, kaum jemandem scheint es überhaupt aufgefallen zu sein. Aber irgendwo auf dem Weg ist uns die Kultur abhanden gekommen. Keine Sorge, nun folgt kein kulturpessimistisches Rumgejammere, eher eine Feststellung. Denn natürlich lassen wir heute alle mehr als Kultur durchgehen als bloß das, was früher einmal hochtrabend als »Kultur« bezeichnet wurde. Insofern wären wir weniger ignorant. Und weil alles irgendwie kulturelle Ausprägung ist, könnte man folgern, dass es noch nie so viel Kultur gab wie dieser Tage. Vielleicht ließe sich das unterm Strich sogar für den Kulturbetrieb im engeren Sinn nachweisen – anhand der puren Anzahl von Galerien, Museen, Theatern, Literatur- und Opernhäusern, deren Auslastung und der darin Beschäftigten. Aus der Öffentlichkeit ist all das jedoch still und leise verschwunden; zumindest weitgehend. Selbst in meiner Blase – die ich als überdurchschnittlich kulturinteressiert erachte – taucht im Social-MediaStrom der Gezeiten kaum einmal das auf, was uns in der Schule noch als Kultur vermittelt wurde. Die Leute posten Fotos vom Essen oder von Erbrochenem, zelebrieren die 1.-Mai-Wanderung oder morbide Ostereier. Sie verlinken kluge Politkommentare, wortwitzige Memes, Interviews mit Nobelpreisträgerinnen; sie freuen sich über die neue Nummer von Mynth, versuchen sich in feministischer Videoanalyse. Die Performance, ein Abend im Theater oder das gerade gelesene Buch bleibt allerdings unerwähnt. Auch bei subkulturell geprägten Menschen, von welchen ich weiß, dass sie lesen, Ausstellungen besuchen, ins Off-Theater gehen. Nicht einmal über die Kunsthochschulheinis macht sich – außer vielleicht Stefanie Sargnagel – noch jemand lustig. Kultur bietet offensichtlich kein kulturelles Kapital mehr, verschwindet im Privaten. Ist das der Grund, dass selbst diejenigen, die ein kulturelles Leben führen, stumm bleiben? Fast alle Autoren, die ich kenne, verharren weitestgehend in Posen der noblen
Zurückhaltung, posten vielleicht einmal beschämt die eigene Neuerscheinung oder verbreiten den Link zum gerade erhaltenen Stipendium. Ein paar Freunde klatschen brav. Ihre Verlage wiederum geben sich todgeweiht nüchtern, und die prekären Kleinstverlage feiern beim Dosenbier das letzte Rückzugsgefecht. Viele schweigen teilnahmslos, offenbar angewidert von all der Selbstdarstellung, dem Exhibitionismus. Wenn es wirklich daran liegt, dass sie sich für zu gut für die grelle Welt da draußen erachten, dann ist das Verschwinden aus eben dieser in seiner vermeintlich überlegenen Überheblichkeit stimmig; dann wird es wahrscheinlich wirklich wenige stören. Dabei wäre es bei all der gespielten oder gekauften Begeisterung wahrlich ein Gewinn, würden mehr Menschen, die wirklich für ihr Tun brennen, das zumindest nicht ganz für sich behalten. Bei den alten Gatekeepern des Hochkulturellen, Kulturjournalisten etwa, gäbe es von diesem Menschenschlag gar nicht wenige. Doch diese meiden Facebook, Twitter und Instagram fast schon traditionell. Und sind sie doch da, beobachten sie still. Ausnahmen gibt es, aber die Kulturjournalisten waren die allerletzten in den Redaktionen, die sich in die sozialen Netzwerke gewagt haben. Trotzdem maßen sie sich an, mehr über »das Leben« erzählen zu können als andere Kollegen. Im Abseits halt. Denn die Online-Zugriffe aufs KulturRessort sind fast überall überschaubar. Davor hatte uns die alte Medienöffentlichkeit 1.0 euphorisiert von der bürgerlichen Aufklärung und dem sozialdemokratischem Missionierungsanspruch, der Kultur oft auch als Sozialpolitik verstand, ein paar Jahrzehnte lang glauben lassen, dass Kultur tatsächlich mehr wäre als bloß jenes Minderheitending, als das es sich im Zeitalter der gnadenlosen Messbarkeit wieder erweist. Über all das kann man jammern; sich damit abfinden. Oder man könnte in die Offensive gehen; zaghaft – und als Journalist wenigstens die eigenen Beiträge in Umlauf bringen (um die eige-
nen Themen nicht noch mehr zu marginalisieren, als sie das ohnehin bereits sind). Oder so richtig. Kann es wirklich sein, dass es im österreichischen Internet mit @DrPhiloponus nur einen einzigen ernstzunehmenden Kulturblogger gibt? Seine Tweets sind ein Vergnügen, sein Blog ist gut besucht, seine Persona als grantiger Misanthrop, der nichts so liebt wie die Klimaanlage in seiner Bibliothek, die er nur für seine Studienreisen, den Besuch in der Oper oder einen Abend im Filmcasino verlässt, liebenswert altmodisch. Müsste es in einem Land wie Österreich – wir erinnern uns: Kulturnation und so – nicht zumindest eine Handvoll Kulturblogger geben? Menschen mit Mitteilungsdrang, die sich nicht zu gut sind, ihren Themen auch Gehör zu verschaffen? Geht niemand in die Offensive – nämlich so richtig –, dann wird der Kulturbetrieb irgendwann implodieren. Allein schon, weil seine Förderung sich immer schwerer wird rechtfertigen lassen. Ich weiß: Das fänden gar nicht so wenige ganz gut. Und viele Popsozialisierte meinen, ihr Paralleluniversum bliebe davon ohnehin unbetroffen. Weil Pop ja Markt ist und ohne Förderung. Was natürlich Blödsinn ist. Siehe Film. Und siehe die Praxis in der Musikwelt. Auch unter den gefeierten Artists schlagen sich viele derer, die über ihre zwei Hype-Jahre hinaus von ihrem Schaffen leben wollen, nicht selten mit Kompositionsaufträgen am Rande des Hochkulturbetriebs durch. Wahrscheinlich würden solche Aufträge Kürzungen zu allererst zum Opfer fallen. Vielleicht würde niemand danach fragen, würde das kaum jemandem überhaupt auffallen. Fehlen würden sie trotzdem. Bild michael winkelmann
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Thomas Weber Herausgeber weber@thegap.at @th_weber
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Crack Ignaz Was lange so ausgesehen hat, als würde niemals etwas draus werden, wird endlich swah. Crack Ignaz schickt die s/o an LGoony, s/o an Wandl, s/o an die Glo Up Dinero Gang, s/o an all die Leute, die ihn gerade als den neuen Star der österreichischen Rap-Szene feiern.
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Magazin Crack Ignaz 014 —— Ignaz ist der König der Alpen. Wie konnte es nur so weit kommen? golden Frame: puber 018 —— Vienna’s Most Hated stellt jetzt in der Galerie von Martin Ho aus und zeigt einen Kurzfilm. jack garratt 020 —— Der Junge mit Bart hat sich seinen Hype verdient. Das Album ist zwar nicht spektakulär, bringt aber unterschiedliche Stile grandios zusammen. vinyl: facts 022 —— Was ist dran am Hype ums schwarze Gold? Wie viel wird wirklich verkauft? Und wer nascht mit? vinyl: serie 023 —— Wenn Martin Scorsese eine Serie über die 70er dreht, sind Sex, Drogen und Rock nicht weit. Vinyl: stores 024 —— In ganz Östereich gibt es Stores, die immer noch wie ein Feinkostladen Vinyl verkaufen. Wir haben mit ihnen geredet. Ewald tatar 026 —— Er macht die größten Festivals des Landes. Seit letztem Jahr nicht mehr so unumstritten wie davor. Es war höchste Zeit für ein Gespräch mit Ewald Tatar. diagonale 028 —— Als die Diagonale eine neue Doppelspitze wählte, die zusammen nicht einmal 60 Jahre alt ist, staunte man nicht schlecht. Was das Duo für Graz geplant hat? tatort 030 —— Tatort ist ein Phänomen. Zu keinem anderen
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TV-Ereignis versammeln sich im deutschen Sprachraum so viele Menschen. Ein paar Gründe gibt es dafür. hateful 8 032 —— Mit seinem Kammerspiel knüpft Quentin Tarantino an »Reservoir Dogs«, »Django« und Corbucci an. deadpool 034 —— »Deadpool« macht sich nicht nur im Rahmen der Konventionen des Superheldengenres über alle anderen lustig, der Film ist auch eine große Chance. kunstjahr 036 —— Wenige Länder haben in Relation zu ihrer Größe einen so dichten Kulturkalender wie Österreich. Da musste ein Überblick her. angst in der stadt 040 —— Das Gefühl in einer Stadt nicht sicher zu sein, hat wenig mit konkreten Bedrohungen zu tun. Ein paar Dinge kann man dagegen trotzdem tun. zwischen mir und der welt 042 —— Wie kommt es zu rassistischer Gewalt? Ta-Nehisi Coates geht in einer Art neuem Standardwerk dieser Frage nach. landkarten 044 —— Pizza, TGV, Pagode, Windrad – Wenn Google die Navigation übernimmt, können sich Landkarten auf andere Dinge konzentrieren. Ein Buch stellt Beispiele vor.
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Landkarten Karten helfen nicht nur beim Orientieren. Sie illustrieren die Geschichte, die soziale Zusammensetzung oder die Topografie einer Region. Ein Sammelband im Gestalten Verlag zeigt nicht nur Dutzende Zugänge aus aller Welt, sondern bietet auch Hintergründe.
044 Rubriken Leitartikel 003 Inhalt 004 Editorial 006 Porträts / Impressum 006 Fondue 007 Unbezahlter Anzeiger 009 Workstation: Veronique Piller-Giroud 048 Prosa: Jessica Lind 050 Reviews 053 Termine 058 tonwen Jones
Kolumnen
Bild der Ausgabe Es war die letzte Redaktionssitzung vor der Pause des Chefredakteurs. Das musste natürlich entsprechend gefeiert werden. Die gemietete Wohnung blieb halbwegs ganz. Die Lebern und die Herzen nicht.
Working as a freelance illustrator and collage maker in brighton, England, tonwen Jones often culls her collection of 1950s magazines for objects and textures to manipulate her creations, revealing her comical take on everyday life. Her maps reveal her penchant for mixing styles and techniques, including lettering, patterns, and motifs drawn in ink or pen.
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Clubstatus 008 Know-Nothing-Gesellschaft 066
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Ich mach mal Pause — Onliner des Jahres war ich nicht. Aber mittlerweile über 100.000 Leute monatlich auf eine antike Website zu bringen, mit vielen Freien, die das aus Überzeugung machen, macht wirklich Spass. Noch dazu, wenn es um Kunst, Pop, Film und Architektur geht, die in tagesaktuellen Medien ganz hinten raus kommen. The Gap ist dabei ständig und beachtlich gewachsen, mitsamt seinen vielen Leuten. Einige bekommen Jobs, erfreulich viele in Redaktionen. Dass viele Frauen drunter sind, sollte heute eh selbstverständlich sein, war nicht immer so. Die Partys sind seit Jahren überlaufen. Hin und wieder hört man sogar Lob auf eine Story. Es gibt Dämpfer, es gibt viele Erfolgserlebnisse, zwei FHs, es gibt Lieblingstexte, es gibt viele gute Menschen, mit denen man zusammen arbeitet oder die man kennenlernt. Dafür kann ich mich nur bedanken. Von Muse zu Tessela — Ich persönlich kenEin paar Dinge gehen sich in 8 Jahren, 5 ne Kasun ja schon länger als ein Jahrzehnt. davon als Chefredakteur von The Gap, natür- Damals haben wir uns als musenverliebte lich nicht nebenher aus. Konferenzen und En- Teenies in einem Internetforum kennengequetes besuchen, Videojournalismus lernen, lernt und dort Songtext-Exegese betrieben ein paar Wochen in China die Sprache lernen – wahre Geschichte. Zufällig haben wir uns oder vielleicht sogar ein Buch schreiben zum erst wieder getroffen, als sich Kasun gerade Beispiel. Dafür nehme ich mir jetzt mal Zeit. als Booker der »Geil & Bogen«-Reihe* im Werk Beim Sagmeister klappt das ja auch immer. Es einen Namen machte. Eigentlich faszinierend, gibt eh nur eine logische und allerbeste Wahl, dass unsere beiden Musikgeschmäcker unabwer The Gap in der Zwischenzeit blendend hängig voneinander die selbe Entwicklung schupfen wird, die aus den 30 unter 30, Ami- – naja eigentlich Evolution – hinlegten. Dass ra Ben Saoud. Dinge werden sich ändern. Das Kasun sich nun ebenso dem Journalismus soll und muss so sein. The Gap konnte nur so verschrieben hat, ist also – neben unserem lange auf hohem Niveau überleben, weil man geteilten Hate für Friseure – nur ein weiterer keine Angst hatte, neuen Zeiten entgegen zu Beweis dafür, dass wir dieselbe Person sind. blicken. Inzwischen lasse ich meine Coversto- Wobei, ein paar Unterschiede gibt es schon: ry hier. Das Jahr wird swah. Kasun gibt zum Beispiel »Braten-Machen« sowie »elektronische Geräte aufschrauben, reparieren und reinigen« als Hobbys an. Ähm, ja. Wer sich übrigens versichern will, wie toll Stefan Niederwieser Kasuns Jacken und Locken aussehen und wie niederwieser@thegap.at weiß seine Zähne sind (»Sie sind gar nicht so @the_gap weiß, es ist nur der fucking Kontrast, Leute!«), geht am Besten zu seinen beiden Veranstaltungsreihen BLVZE und Tiefentanz. Von der Strahlkraft seiner Texte könnt ihr euch bei uns überzeugen – in diesem Heft zum Thema Muse. Nein, Witz: eh Vinyl. TEXT AMIRA BEN SAOUD BILD CLAUDIO FARKASCH
Kasun Jayatilaka
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Markus Blahus U! S! Blah! — Da gibts einen Neuen beim Waves Vienna, der ist voll fähig, hatten wir von unseren Ex-Kollegen vor vier Jahren gehört. Und auch sonst tauchte der Name immer wieder auf, oder man bekam plötzlich Mails von Markus – Café Leopold, Prater Unser schupfen, Prasselbande DJ Crew, Burger am Donaukanal, Booking hier und dort. Bis er schließlich bei Monopol, Konzernmama von The Gap, gelandet ist und auch hier »diverse Aufgaben« übernehmen wird. Ihm wird oft vorgeworfen, er sei sehr »nett«. Was halt wirklich eines der ersten fünf Dinge ist, die man über Markus hört. Es gibt Schlimmeres. Vielleicht seine Vinyl-Sammelwut. Manchmal steht er stundenlang im Recordshack, um nach ein paar Diamanten zu wühlen. Nach UK Grime ist er ohnehin süchtig. Weil es manchmal alles ist, was seinen Tag rettet. Gelegentlich hört er aber auch andere Musik, Post-Grime zum Beispiel. Und dann gibt es ein paar Faibles, die man sich von ihm vielleicht nicht erwartet, American Football, Wrestling, Fußball, alte Adventure Games am PC, ein nationales Madden-NFL-Turnier für Playstation 2 gewinnen oder überhaupt seine übertriebenes Interesse für die USA. Level: Mitsingen bei der Hymne. Vielleicht musste man sich, wenn man mit Hirn in Kärnten aufwächst, einfach eine Ersatzheimat schaffen. TEXT stefan niederwieser
* der name stammt nicht von ihm, wie kasun nicht müde wird zu betonen …
Impressum
HERAUSgeber Thomas Weber chefredakteur Stefan Niederwieser Stv.Chefredakteurin Amira Ben Saoud Redaktion Ranya Abd El Shafy, Benjamin Agostini, Jakob Bouchal, Manuel Bovio, Ivo Brodnik, Johannes Busching, Ann Cotten, Leo Dworschak, Juliane Fischer, Manuel Fronhofer, Daniel Garcia, Manfred Gram, Philipp Grüll, Julia Gschmeidler, Andreas Hagenauer, Teresa Havlicek, Jan Hestmann, Magdalena Hiller, Christoph Hofer, Peter Hoffmann, Michael Huber, Reiner Kapeller, Sophie Kattner, Markus Keuschnigg, Stefan Kluger, Michaela Knapp, Markus Köhle, Christian Köllerer, Alexander Kords, Christoph Kranebitter, Rainer Krispel, Michael Bela Kurz, Philipp L’Heritier, Franz Lichtenegger, Davi Maurer, Martin Mühl, Christiane Murer, Nuri Nurbachsch, Dominik Oswald, Johannes Piller, Stefanie Platzgummer, Christoph Prenner, Teresa Reiter, Werner Reiter, Kevin Reiterer, Martin Riedl, Tobias Riedl, Sonja Riegler, Gabriel Roland, Georg Russegger, Stefan Schallert, Peter Schernhuber, Nicole Schöndorfer, Werner Schröttner, Tanja Schuster, Katja Schwemmers, Katharina Seidler, Wolfgang Smejkal, Lisa Stadler, Johanna Stögmüller, Sophie Strohmeier, Peter Stuiber, Werner Sturmberger, Denise Helene Sumi, Yasmin Szaraniec, Franziska Tschinderle, Erwin Uhrmann, Jonas Vogt, Luise Wolf, Maximilian Zeller, Martin Zellhofer PRAKTIKUM Maximillian Graf, Kasun Jayatilaka, Silvia Kluck, Juan Marhl termine Manuel Fronhofer, Stefan Niederwieser AUTOREN Georg Cracked, Michaela Knapp, Michael Lanner, Moriz Piffl-Percevic, Jürgen Wallner, Martin G. Wanko fotografie Florian Auer, Lukas Beck, Stephan Doleschal, Andreas Jakwerth, Marco Leimer, Marlene Mautner, Ingo Pertramer, Kurt Prinz, Karin Wasner Illbilly-illustration Jakob Kirchmayr COVER Marlene Mautner ART DIRECTION Sig Ganhoer DESIGN Manuel Fronhofer, Sig Ganhoer, Erli Grünzweil, Katharina Kvasnicka Lektorat Wolfgang Smejkal, Adalbert Gratzer web Super-Fi, m-otion anzeigen Herwig Bauer, Thomas Heher, Micky Klemsch, Martin Mühl, Clemens Reichholf, Thomas Weber (Leitung) Distribution Martin Mühl druck Ferdinand Berger & Söhne GmbH, Pulverturmgasse 3, 1090 Wien geschäftsFÜHRung Martin Mühl PRODuktion & MedieninhabERin Monopol GmbH, Wohllebengasse 16/6, 1040 Wien kontakt The Gap c/o Monopol GmbH, Wohllebengasse 16/6, 1040 Wien; Tel. +43 (1) 20 57 06; wien@thegap.at, www.thegap.at, www.monopol.at, office@thegap.at bankverbindung Monopol GmbH, easybank, IBAN AT77 14200 20010710457, BIC EASYATW1 abonnement 10 Ausgaben; Inland EUR 15, Europa EUR 35, Rest der Welt EUR 42 HEFTPREIS EUR 2 erscheinungsweise 8 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1040 Wien Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Für den Inhalt von Inseraten haftet ausschließlich der Inserent. Für unaufgefordert zugesandtes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung.
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Das war's dann also. Wenn dieser Text erscheint, hat die Pratersauna, wie wir sie kennen, endgültig ihre Pforten geschlossen. Dem voraus ging nicht nur ein gut besuchter Jänner, sondern auch eine Reihe von emotionalen Afterhours, Facebook-Postings und Erinnerungen. Wenn sich alle einig sind, muss man oft vorsichtig sein. In diesem Fall nicht: Es war eine großartige Zeit, und die PratersaunaMacher Stefan und Hennes haben unglaublich viel für Wien getan. Trotzdem tauchten die Tränen eher bei der alten Garde auf, also den Leuten, die das Glück hatten, in den Jahren 2009 bis 2012 das richtige Alter und das richtige Level an Coolness zu haben, um die Goldenen Jahre bewusst mitzuerleben. Am Beispiel der Sauna lässt sich gut nachvollziehen, dass Clubs manchmal eben nicht nur Orte, sondern auch Zeitpunkte sind, die man miterlebt haben muss, um ihre Bedeutung für diese Menschen zu verstehen. Städte und ihre Lokale verändern sich ständig. Und so kommt man meist schon mit knapp 30 Jahren in den Genuss der Nostalgie. Diesem seltsamen Gefühl, gleichzeitig traurig, glücklich, aber auch ein wenig entwurzelt zu sein. Dass die Bezugspunkte, die man sich in seinen 20ern erarbeitet hat, langsam aus dem Stadtbild verschwinden. Das kommt in Wellen und war bei der Meierei schon nicht anders. Im Zeit-Magazin beschrieb letztens eine Autorin dieses Gefühl für Berlin: Dass sich die Stadt ohne Bar 25 und Picknick-Club irgendwie nicht mehr wie ihre anfühlt. Wenn Dinge verschwinden, schaffen sie auch Raum für Neues. Das ist der Lauf des Lebens. Eine Generation an Partygängern wird älter, kriegt Jobs, Kinder und verträgt die Drogen nicht mehr so gut. Wenn der neue Pratersauna-Pächter Martin Ho in Interviews sagt, dass er diese Leute gerne als Gäste hat, sie aber nicht mehr als Kernpublikum sieht, dann hat er damit vor allem eines: Recht. Seine Gäste sind die heute 22-Jährigen, die sich ebenso ihre Lokale erarbeiten sollen, genau wie es die Generation davor getan hat. Der amerikanische Dichter Robert Frost hat die beruhigsten Worte hinterlassen, die ich kenne: »In three words I can sum up everything I've learned about life: it goes on.« Farewell, Pratersauna.
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Und wenn man sich dann einen hübschen Heizbaum an die Wand genagelt hat, braucht man nur noch das passende Sitzmöbel, um es sich so richtig gemütlich zu machen. Wer 12.000 Euro übrig hat und ein Faible für Aladin und/oder den Klaus Lage-Hit »1000 und eine Nacht«, sollte bei Mousarris mit der goldenen Visa »Zoom!« machen – dann fliegt (nach ein paar Monaten Produktionszeit – immerhin wird das Ding extra gewebt) sogleich dieser Teppichsessel heran. Simsalabim. www.mousarris.com
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Einmal pro Ausgabe bitten wir interessante Menschen, unseren Instagram-Account für 10 Tage zu übernehmen. Das meistgelikte Foto gibt’s hier.
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ALL-TIME ZEICHENTRICKSERIEN
01 Sailor Moon 02 Bojack Horseman 03 Batman Animated Adventures and Batman Beyond 04 Rick & Morty 05 Avatar – Last Airbender and Legend Of Korra 06 Gargoyles 07 SymBionic Titan und alles von Genndy Tartakovsky 08 Captain Future 09 Young Justice 10 Æon Flux
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ORTE FÜR KOSTÜME FÜRS RHINO (schnell und billig)
01 Textil Müller, Kritzendorf 02 1-Euro Shop 03 Thalia Bastelabteilung 04 Textil Müller, Wien 05 H&M (Danke Umtauschgarantie!)
auch nicht schlecht: Den Traum, später wie Lotte Tobisch Opernballmutter zu werden, nie aufzugeben. Aber genau wie Lotte Tobisch!
Schon aus so gut wie jeder Perspektive abfotografiert und doch immer wieder ein Hit auf Instagram: Das Riesenrad gehört zur Leopoldstadt wie der Zwetschkenröster zum Kaiserschmarrn.
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Stefan Niederwieser (The Gap)
TOP 10
TRENNUNGS-SONGS
01 Prefab Sprout – When Love Breaks Down 02 Usher – Burn 03 Roy Orbison & KD Lang – Crying 04 Serge Gainsbourg – Je suis venue te dire que je m’en vais 05 Womack & Womack – Teardrops 06 Bilderbuch – Gibraltar 07 Kanye West – Runaway 08 Brian Eno & John Cale – Spinning Away 09 Claude Debussy – Clair De Lune 10 Gigi d’Agostino – La Passion
TOP 5
THE GAP COVER
01 Markus Schinwald 02 Krampus (Das echte Cover) 03 Pratersauna 04 Wolfram 05 Sohn
auch nicht schlecht: Chinesisch
Der ehemalige Journalist Philipp Schneider pflegt neben seinem Instagram-Account, der seine »Polditown« in Szene setzt, zahlreiche Social Media-Projekte. Sein nächster interaktiver Krimi – bei dem Leser via WhatsApp selbst Teil der Story werden können – erscheint am 13. Mai. sieht man mir nicht an, ist aber so:
Wenn ich »In These Arms« von Bon Jovi höre, rocke ich hemmungslos ab.
am schwersten auf einem foto festzuhalten:
Eichhörnchen im Prater.
liebste foto-app:
Etwas fad, aber ist nun mal so: Instagram.
liebster hashtag:
#diewocheaufinstagram
drei follow-empfehlungen
@dada0ne, @fabolus_vienna, @sadtopographies
schaue oder höre ich nur hinter zugezogenen vorhängen:
Lindenstraße.
würd’ ich mir tätowieren:
Logo von Borussia Mönchengladbach.
saidnooneever:
»Gehen tut alles, hüpfen tut nur der Frosch.«
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MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst Austrian Museum of Applied Arts / Contemporary Art Stubenring 5, 1010 Wien Vienna, Austria MAK.at Stefan Sagmeister: The Happy Show Organisiert vom Institute of Contemporary Art, University of Pennsylvania in Kooperation mit dem MAK. Hauptsponsor dieser Ausstellung ist The Pew Center for Arts & Heritage. Der Dank des ICA gilt auch The Chodorow Exhibition Initiative Fund für die Unterstützung der Ausstellungstournee. Organized by the lnstitute of Contemporary Art, University of Pennsylvania in cooperation with the MAK. Primary sponsorship is provided by the Pew Center for Arts & Heritage. ICA is also grateful to The Chodorow Exhibition Initiative Fund for support of the exhibition’s tour.
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Nazar TOP 10
BESTESTE ALBEN ÜBERHAUPT AMK
01 Michael Jackson – Bad 02 Kanye West – My Beautiful Dark Twisted Fantasy 03 Dr. Dre – 2001 04 Lunatic – Mauvais Oeil 05 Moein – Parvaz 06 Fugees – The Score 07 Method Man – Tical 08 2Pac – All Eyez On Me 09 Sefyu – Qui Suis-Je 10 Bobby Womack – The Bravest Man In The Universe
TOP 5
COMIC MAKSAL DIE UNZERFICKBAR SIND
01 Dr. Manhattan 02 Silver Surfer 03 Hulk 04 Thor 05 Batman
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TOP 5
vogelstimmen vor sonnenaufgang
01 Rotkehlchen – 70 Minuten 02 Amsel – 60 Minuten 03 Buchfink – 40 Minuten 04 Spatz – 30 Minuten 05 Kohlmeise – 5 Minuten
auch nicht schlecht: Peter Pan (James Matthew Barrie) und Malzkaffee
Einfach mal George Harrison feiern. Am 26. Februar 2016, einen Tag nachdem George Harrison seinen 73. Geburtstag gefeiert hätte, präsentieren Hot Records Ltd. und BMG das Projekt »George Fest: A Night To Celebrate The Music Of George Harrison«. Ein Live-Tribute als Film und Tonaufnahme. Daran beteiligt sind unter anderem Brian Wilson, Norah Jones, Brandon Flowers, Conan O’Brien, The Flaming Lips, Perry Farrell und viele mehr. Wir verlosen dreimal das wunderbare 3-fach-Vinyl.
»Deadpool« »Deadpool« startet am 12. Februar im Kino und freut sich breiter Zustimmung. Die Comic-Verfilmung fährt mit vollem Karacho gegen alle guten Sitten und präsentiert einen Anti-Helden, der seine Gegner auf kreative und vor allem spontane Weise tötet und seine Aktionen gern gegenüber dem Publikum kommentiert. Wir verlosen 2 Fanpakete bestehend aus: Schlüsselanhänger, Maske, Haube, T-Shirt, Flaschenöffner und Poster.
»Hitman: Agent 47« Nach Timothy Olyphant schlüpt nun Rupert Friend (»Homeland«) in die Rolle von Agent 47. Der Auftragskiller legt sich mit einer Geheimorganisation an, die genetisch veränderte Killer erschaffen will. Katia ist einer von diesen und schlägt sich auf die Seite von Agent 47. Zachary Quinto übernimmt die Rolle von John Smith. Wir verlosen 2 Blu-rays der Videospiel-Verfilmung »Hitman: Agent 47« (erhältlich auf Blu-ray, DVD und VOD).
South Park South Park macht in der mittlerweile 19. Staffel wieder alles richtig. Erstmals spannt sich der Bogen über alle Folgen, PC Principial übernimmt die Schule, tritt gegen Hate Speech auf und schafft persönliche Freiräume für alle Minderheiten. Es wird gentrifiziert, als gäb es kein Morgen. Und am Ende verlosen wir 5 Uhren.
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3. bis 6. März
Wiener Stadthalle 9 bis 18 Uhr, 6. März bis 17 Uhr
Eintritt frei
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Crack Ignaz — Post-Swag im Königreich der Alpen
Diese Schlange hat man vor dem Wiener Fluc lange nicht mehr gesehen. 80 Meter geht sie zurück bis zu den Dönerständen. Alle stehen an, sind nett zueinander, an einem wirklich kalten Tag, zehn Uhr abends und null Gedränge. Ab eins springt drinnen die gesamte Location und singt die Refrains von Crack Ignaz und LGoony mit. Wandl mischt die Beats. Die Bässe scheppern. So geht das Gegenteil von Rap-Konzerten, auf denen man Kennerschaft mit kaum wahrnehmbarem Kopfnicken beweist. Für solche Momente wurde das Wort »Turnup« erfunden. In Köln tritt vor ihnen Juicy Gay auf, der erste offen schwule Rapper in Deutschland, bei dem es egal ist, ob er wirklich schwul ist. Crack Ignaz hat innerhalb von nur einem halben Jahr gleich drei Alben in die Welt geschossen. »Kirsch«, »Geld Leben« mit Wandl und »Aurora« mit LGoony. Manche nennen das dumm. Weil man das im Game nicht macht. So bleibt man nicht im Gespräch. Manche nennen das geil. Und Ignaz K den König der Alpen.
Zwölf Arten, nach »Elvis« weiterzumachen So klar war nicht, dass jetzt alles so schnell kommen sollte. Lange gab es von Ignaz offiziell nur ein Tape, eine Single – »Elvis« war vom britischen Fact Mag zu einem der Top-Tracks des Juni 2013 gekürt worden. »Kirsch« war eigentlich schon lange fertig. Vor über 15 Monaten hatten wir uns zum Vorhören getroffen. Beim Interview hatte Ignaz keinen echten Plan, ob er nun blöde, witzige oder ernste Antworten geben soll. Es gab davor und danach Gespräche mit Chimperator, dem Label, das seit dem irren Erfolg von Cro alle Kontakte und alles Geld hat, um aus dem süßen Jüngling aus Salzburg einen Star zu machen. Aber nein. Monate verstrichen. Wir hatten scherzhalber schon einen Artikel geplant: Zwölf Arten, wie du deine Musikkarriere vergeigen kannst mit Crack Ignaz. Mit Kollegen diskutierte man, ob das noch etwas wird. Ob Crack das Gespür für gute Beats hat und die richtigen Business-Entscheidungen treffen kann. Das kann man heute so offen erzählen, weil Crack Ignaz eben die richtigen Entscheidungen getroffen hat.
Den Mercedes für das Fotoshooting hatten wir schon. Wir lieben die Fotos in der Karlskirche, in denen das Duo eher so aussieht, als würden sie 90s Dancefloor machen, auch heiß. Der Terminkalender war schlicht schon zu voll. Plötzlich läuft es. Es haben die richtigen paar Leute zueinander gefunden und sich die richtigen Fremdwörter an den Kopf geworfen. Allen voran waren das Wandl und LGoony. »Kirsch« war noch aus der Hand von ganz unterschiedlichen Produzenten, Ignaz K solo, keine Features, zurückgelehnt, entspannt, witzig, die Beats meistens wie im Zeitlupenrausch. Casper feierte es. Die besten Beats kamen da aber schon von Wandl. »Geld Leben« war deutlich zwingender und schlüssiger. Die Hi-Hats souverän gesetzt, die Produktion nicht immer crisp, aber die Bässe massiv und alle Samples mit viel Liebe ausgegraben. Und LGoony war plötzlich da. Ernsthafte Antworten, wann und warum sich beide gefunden haben, bekommt man nicht. Muss auch nicht sein. Beide gleichen sich perfekt aus. Goony mit dem Nerdgesicht und einer Stimme, die so aggro klingt wie ein Chihuahua auf Badesalz. Singen kann er auch, wenn der Vocoder an ist. »Lambo Gallardo« hat LGoony schon mit einem anderen Österreicher aufgenommen, genau, Money Boy. Das Tape mit Crack Ignaz wurde erst Stunden vorher angekündigt. Darauf werfen sich beide die Pointen zu, die der andere weiterspinnt. Goony mehr dada, dumme Witze und hervorragende Wortspiele. Von Ignaz kommen die Melodien, der Dialekt, der Schmäh. Es zählt am Ende eben doch Beat, Flow, Gwandtheit und wie man sich eine Posse züchtet.
Milchgesicht Wandl hatte letztens ein Tattoo im Gesicht. Ein Milchpackerl, um genau zu sein. Wie um zu beweisen, das alles nicht nur eine Mode oder ein Gag ist, die er und 10.000 andere mit Anfang 20 gerade durchmachen. Das Tattoo war ein paar Tage später wieder weg. Ernst ist es trotzdem. Wenn weiße Kids so tun, als würden sie die ganze Zeit Stoff verticken, Hustensaft sippen und die Bitches wegcocken. Sie sagen Sheesh, sie sagen burrr! Im Netz wird das tausendfach wiederholt.
Text stefan niederwieser Bild marlene mautner
Crack Ignaz schießt plötzlich Tapes und Alben raus, als hätte er Zeilen für 17 Leben. Zwischen Wien, Salzburg und Köln ist rundherum eine echte Szene entstanden, die gerade jetzt Turnup feiert.
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Ignaz und wandl — Interview
Immer wieder, immer wieder, weil gönn dir, gehör dazu, sei auch 1 turnup am haven, richtig verwöhnerisch. So speaken Eingeweihte. Früher hätte man das cool genannt, Bescheid wissen um die Codes, die richtigen Witze, die dummen Konventionen der anderen, die man selbst ignoriert. Niemand nennt das heute cool. Eher swah. Swah ist nach dem Swag. Swah, das ist Post-Swag. Post-Swag sind wir eigentlich alle, ohne dass wir das wissen. Alles wollen, auf Instagram damit posieren und nicht wirklich die Kohle dafür haben. Es ist auffällig, wie viele Kids am Konzert in Wien waren, die in gute Gymnasien gehen und später einmal Werber, Grafiker oder auch Anwalt und Marketingleiter werden. Sie tragen Bucket Hats, Kette, zumindest ein paar, sie faven Money Boy, Hustensaft Jüngling und LGoony auf Twitter. Shout Out an die Glo Up Dinero Gang. Shout Out an Hanuschplatzflow. Shout Out an Live From Earth. Zwischen Salzburg, Köln, Wien und Berlin hat sich mit ein paar wenigen Figuren und einigen Kollaborationen eine richtige Szene herausgebildet. Klar, mit ganz unterschiedlichen Charakteren, wie sollte es auch sonst sein. Ignaz K weiß zum Beispiel im Gegensatz zu Yung Hurn, was sexistischer Scheiß ist. Es gibt aber noch mehr Gemeinsamkeiten. Sie geben keine Interviews und wenn, dann deppate Antworten. Die Erde ist eine Scheibe, klar. Sie schieben sich den Kolben auch mal gegenseitig rein. Leute im Internet verarschen, klar. Ist das Postironie? Najo. Mal nicht übertreiben. Postmoderne? Sicher. Lies mal den Text von Gabriel Roland über Money Boy. Da ist das alles aufgeschlüsselt. Und den Text, den Lukas Matzinger für den Falter von ihm abgeschrieben hat. Joke. Shout Out an Matzinger. Guter Brudi, lel.
Bricht die Knie Auf Diskussionen, was das denn jetzt für ein Genre ist, reagieren aber alle im besten Fall ausweichend. Versuch ja nicht, das festzunageln. Die Zeiten, als Rap vor allem das Medium von unterprivilegierten Minderheiten war, das schwarze CNN, sind vorbei – wenn es sie jemals gab. Souljah Boy, Young Thug, Lil B sind Vorbilder aus den USA, die dort schon von den Wächtern des heiligen HipHop-Grals attackiert wurden. Das würde Rap kaputt machen, war aber allen egal. Was Rap sein soll? Viel zu diffus, diese Bezeichnung, meint LGoony im Interview mit Noisey. Er macht Cloud. So lassen sich auch schnell Fragen nach Anspruch, Botschaften und Inhalten die Knie brechen. All das gibt es natürlich irgendwie. Aber erklären muss sich das nicht. Schon gar nicht im Feuilleton. Du musst mit dem Scheiß rollen. Crack Ignaz tut das gerade in der ersten Liga. Er ist lit. Neuerdings singt er sogar, richtig schön. Und »Oida«, dieses Wort, das gleichzeitig »Bester«, »Was soll das« und »Ich weiß« heißen kann, ist jetzt bereit, sich im gesamten deutschen Sprachraum zu etablieren. »Aurora« von Crack Ignaz und LGoony und »Geld Leben« von Crack Ignaz und Wandl sind soeben erschienen.
»Was ist fucking Ami-Rap?« Crack Ignaz und Wandl drücken Deutsch-Rap den österreichischen Stempel auf, gerade weil sie es nicht versuchen. »Geld Leben« ist eine Anekdotensammlung aus dem Göd Life zweier unheiliger Hallodris. Einer ist so alt wie Jesus, der andere kann nur besoffen Mundart reden. Sie hassen Genres und lieben heiße Bäder, no homo. Die Könige der Alpen stiegen ins Tal herab, das neue Album im Wanderrucksack, und trafen sich auf einen Plausch im Wiener Cafe. Crack Ignaz und Wandl sind weltberühmt in Österreich und anderswo. »Kirsch« hat 2015 den deutschen Zungen die Mundart antrainiert. Das neue Album »Geld Leben« dreht den Kitsch runter und bringt uns Proletariern den Lebensstil eines Bergmonarchen näher. Ignaz, wir haben uns schon mal gesehen. ignaz: Ja? Wo denn? Damals, am Hip Hop Open in der Arena. Bin auf dich zugelaufen, Stift und Papier bereit, um dich zu interviewen. Du sagtest: »Du hast doch gar kein Aufnahmegerät da, so schnell kannst du doch nie schreiben?« ignaz: (lacht) Swa, Alter. Tut mir leid. Kann mich nicht erinnern. Kein Ding, hab draus gelernt (tippt aufs Aufnahmegerät). Verglichen mit diesem Auftritt am Open, wie wars am Splash auf der Mad Stage? ignaz: War ziemlich nice, ja. Überraschend. Sehr viel positives Feedback. Bei den Splash-Videos sieht man die letzten Songs gar nicht mehr, es ist immer voller geworden. Am Ende, bei »Gwalla«, da gab’s Mosh Pits, ziemlich dope. Am Open war ich Opener, nicht viel los, war trotzdem nice, dort sein zu dürfen. Wandl, beim Splash warst du ja auch schon dabei. Simultan als DJ und Back-Up mit Low-Pitch-Voice. Wie kam euch die Idee? wandl: Eher aus der Not raus geboren … ignaz: Geh! Naaa. Raptechnisch haben wir funkioniert. Das ist einfach ein nicer Twist. Wandl ja ein Genie mit Live-Effekt-Dingern. Du spielst dich halt gern. Lukas Wandl ist ein Live-Beast. Er hat ein Nebenprojekt, das heißt Live Beast. Ernsthaft jetzt? Nein. Wie kam’s zu dem Namen eurer Crew, Hanuschplatzflow, was hat’s mit dem Salzburger Platz auf sich? wandl: Das kann ich sogar schon erzählen (grinst) ignaz: Ja, das soll der Wandl machen. Er ist ab jetzt gesigned – willkommen. Nah, ich schmeiß ihn wieder raus. Ist wieder draußen. Dann kann er Live Beast machen. Turnup. wandl: Der Hanuschplatz ist ein Hotspot, an dem sich Touristen, Low-Lifes, Drogendealer treffen. Ihr seid da auch in
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» Wandl, Oida. Bullets für den. Und Crack Ignaz, der geht auch gar nicht.«
Hatte Lex Lugner eigentlich was mitzureden in der Produktion? Nein. Da war niemand involviert außer uns zwei. Darum auch keine Features. Generell bin ich nicht so der Feature-Fan. Nur im MissionMastering war The Clonius beteiligt. Du baust ja auch Beats … Ja erst vor Kurzem wieder. Fuego, Oida. Ultra. Ich hoffe, dass ichs am Valentinstag raushauen kann. Richtig emotional shit. Ich sing sogar. Apropos Lyrics. In Interviews und Texten kommt durch, dass ihr ein klares Bild davon habt, was Rap nicht sein soll. Stichwort »Messerstecher für Message-Rapper« und Statements gegen Realness. Was soll Rap denn sein? ignaz: Es ist nicht so, dass ich weiß, was Rap nicht sein soll. Ich sag nur, was ich Rap-technisch nicht feier. Aber Rap darf sein, was es will. Mich stört genau das, wenn Leute sagen, »Rap darf nicht«. Da kann von mir aus Taylor Swift rappen. Welche Message-Rapper hast du gemeint? ignaz: Den Wandl, Oida. Bullets für den. Und Crack Ignaz, der geht auch gar nicht. Seid ihr’s eigentlich leid, dass ihr dauernd deutschen Moderatoren die Mundart-Vokabeln erklären müsst? ignaz: Hat sich aufgehört. Also, ich muss nichts mehr erklären. Die wissen Bescheid. (grinst) wandl: Ich red ja nicht mal Mundart. ignaz: Er würd gern, aber er scheitert. Wir waren im Salzkammergut, Shout Out an Salzkammergut, und da ist ihm die Alpenregion eingfahrn. Da hat er angefangen, Mundart zu reden. So eine Blamage. wandl: So ein Bullshit. Wir waren einfach nur besoffen. ignaz: Wir waren nicht besoffen, noch am Berg oben hast du schon angefangen mit dem Shit. Ihr habt zwei Lieder nach klassisch-amerikanischen SchmalzlockenStars benannt – »Elvis« und »James Dean«. Habt ihr einen Bezug zur Ära? ignaz: Das waren die Prototypen der Bad Boys. Und Marlon Brando auch. Die kann man schon feiern. Nächstes Album heißt »Marlon«. Auch sonst orientiert ihr euch an den Staaten. Ohne die Begriffe wie »Based-Bap« oder »Boom-Trap« aus der Versenkung zu holen, wie kam’s zu den Anleihen beim Ami-Rap? ignaz: Entschuldigung, HipHop kommt aus den Staaten. »Hui, das ist aber amerikanisch« ist eins der dümmsten Meldungen überhaupt. Welches Element von HipHop ist nicht aus den Staaten? Wenn jemand Boom-Bap feiert und sagt: »Ihr schaut euch alles von den Amis ab!«, dann denk ich mir, ja, was soll das bedeuten? wandl: Was ist überhaupt Ami-Rap? ignaz: Was ist fucking Ami-Rap, Oida? wandl: Scheiß-Genres. Ihr seid ja sogar als Pop und Schlager bezeichnet worden. ignaz: Ja, »Kirsch« ist poppig, soll’s aber eh sein, ist ja geil. Die Schlager-Wünsche haben wir noch nicht erfüllen können, aber das wird schon. Valentinstag. Wird das geil. wandl: Ich kenn’s schon. Ich hoffe, es geht nicht viral, sonst kommen wir da nie mehr weg. Das waren schon meine Bedenken bei »König der Alpen«. Beides ist so richtig dumm, aber man grinst drei Minuten lang durch. Wie soll’s weitergehen mit euch? ignaz: Wie willst du dein Ziel kennen, wenn du den Weg erst bahnen musst? Wenn du die Speerspitze bist? Wir sind wie zwei Kapitäne, Galleonsfiguren, Pretty Boys. Turnup. Wir gehen in Richtung Zukunft, Oida! Erstmal Tour mit Goony. Danach eigene Tour? Sicher, aber fix ist noch nichts. Warum gibt’s zu euch eigentlich noch keinen Wikipedia-Eintrag? wandl: Weil du ihn noch nicht geschrieben hast.
interview philipp grüll Bild marlene mautner
der Nähe immer abgehangen? ignaz: Korrekt, alles richtig. Der junge Mann ist ein Genius. Göd Life ist ein Produkt des Hanuschplatzflow. Habt ihr heute schon eine Göd Life-Aktion geschoben? ignaz: Sheesh, Oida. Heute … vier in der Früh zählt auch noch? Ballin’ in irgend so einen Club gesteppt, straight zum DJ: »Play my shit, Oida.« (grinst) Fid Mella getroffen. Absinth gesippt. wandl: Hennessy! ignaz: Hennessy, ballin’. Interview, Fotoshooting, for real. Ein gönnerisches Bad hab ich genommen. Wir waren schon Sushi essen. Bei uns sieht das einfach aus. Shout Out an Fid Mella. Ignaz, dass du dein Alter nicht verrätst, wissen wir inzwischen. Wandl, wie alt bist du? wandl: Einundzwanzig. ignaz: Benimmt sich wie zwölf, und am Mic ist er 10.000 Jahre alt. Hat schon alles gesehen. Und wie alt bist du am Mic? Ich bin genauso alt wie Jesus. Ab zum Album. Es ist eine Kollabo, DJ und MC stehen beide am Cover. Wieso? wandl: War eine natürliche Entwicklung, weil wir in einem Raum eingeschlossen waren und keiner klar im Spotlight stehen sollte. Für mich ist Ignaz der Frontman der Band, wir machen gleichberechtigt Musik. ignaz: Vereint gegen den Feind. (Fistbump) Das sind alle, die nicht lieben wollen. Gibt’s von daher einen Unterschied zu »Kirsch«, das ja eine reine Crack Ignaz-Platte war? ignaz: »Kirsch« war mein Solo-Projekt, ich war Creative Director … wandl: Da hast du dich in keine Richtung drängen lassen. Bei »Geld Leben« hingegen, da gab’s einen Kommentar von einem enttäuschten Fan. ignaz: Der sagte, dass Wandl meine Musik kaputt macht. wandl: Hat mich hart getroffen. ignaz: Ja komm jetzt, chill ein bisschen. (lacht) »Geld Leben« ist komplett anders. »Kirsch« ist von einer Person, Geld Leben von zwei. Das merkt man einfach. Könnt unterschiedlicher nicht sein. Wandl, du singst nebenher. Hört man dich auf der Platte, als Sample? Ja, von mir gibt’s Gesang zu hören. Welche Nummer? Das musst du selbst herausfinden. (grinst)
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Was aus Puber geworden ist Zwischen künstlerischer Autorenschaft und rechtlicher Verantwortung
Most Hated PUBER. Die Tage, in denen diese fünf Buchstaben allgegenwärtig waren, sind vorbei. Nachdem ein Schweizer namens Renato S. im Frühjahr 2015 festgenommen und im Sommer darauf verurteilt worden war, schien der Fall Puber geklärt. Inzwischen dreht sich niemand mehr nach seinen Werken um. Das urbane Gedächtnis ist nicht tiefer als die Farbschicht der Tags. Was die Renovierungsfirmen nicht entfernt haben, wird vom archäologischen Sediment der Stadt bedeckt. Den Rest besorgt die Kürze der kollektiven Aufmerksamkeitsspanne. Das Phänomen Puber einfach so mit den Rändern der Stadtgeschichte ausfransen zu lassen, wäre aber allzu einfach. Es stellte sich beim Prozess mit Renato S. schnell als durchaus schwierig heraus, das pubersche Wirken einwandfrei mit einer Person zu verbinden. Dass statt des graphologischen Gutachtens keine typologisch-kunsthistorische Untersuchung angestrengt wurde, ist wohl der Inspirationslosigkeit der Staatsanwaltschaft geschuldet. Deren Bemühungen scheiterten letztlich auch größtenteils: Renato S. konnte nur eine vergleichsweise geringe Anzahl an Delikten nachgewiesen werden. Die vier Monate unbedingter Haft hatte er bereits in Untersuchungshaft abgesessen. Die Frage, wer denn nun die restlichen Graffiti angebracht hat, ist somit unbeantwortet und auch die von den erzürnten Fassadenbesitzern erhoffte Genugtuung blieb aus. Eine besondere Spitzfindigkeit erhielt die Causa durch Renato S. Behauptung seine Tags stets mit der Minuskel »e« ausgeführt zu haben, für diejenigen mit der Majuskel »E« also nicht verantwortlich zu sein. Während aber zum Beispiel die Pubers auf dem ehemaligen The GapBüro genauso wie die auf den Schildern, auf denen Bezirksvorsteher Blimlinger ihn des Übermalens von Kinderzeichnungen bezichtigte, beide den Kleinbuchstaben aufweisen, hat ein Tag, den der frisch freigelassene Renato S. laut dem Schweizer Onlineportal Watson in einer Zürcher Bar angebracht hat, den Großbuchstaben. Von einer alleinigen Verantwortung des Renato S. für sämtliche Puber-Gaffiti geht heute wohl niemand mehr aus, eine zentrale Person, die mit dem Phänomen Puber das individuelle Kunstschaffen und unsere Vorstellung von Street-Art transzendieren will, ist aber immer noch durchaus vorstellbar. Oder Puber ist wirklich ein Cloud Artist, einer, dessen Werk ohne konkrete Person auskommt. Man kann auch, wie der Besitzer der Bar in Zürich, der Renato S. seine Wand zum Bemalen überließ, Puber als wider den Zeitgeist agierenden Old School Sprayer sehen, der sich gegen eine weichgewaschene StreetArt der legalen und konformen Pracht-Pieces auflehnt und sich in den schmutzigen Randbereichen der Gesellschaft wohler fühlt. Vielleicht wird ja die von Puber selbst gedrehte Dokumentation über seine Wiener Zeit jenseits der Selbstdarstellung (»Guter Schwanz, dicker Schwanz, großer Schwanz«) da etwas Aufklärung bringen. In jedem Fall ist es längst überfällig, dass die Hausverwaltungen Plexiglasscheiben vor ihren Pubers anbringen lassen. Auf die ersten Restaurierungsversuche und Echtheitsstreitigkeiten darf man sich freuen. Für Februar ist sowohl eine Ausstellung mit Werken Pubers in der Galerie von Martin Ho angekündigt, als auch ein Kurzfilm über ihn mit dem wohl als Provokaktion gedachten Titel »Mein Kampf Vol.1«.
Text Gabriel Roland Bild MARLENE MAUTNER
Puber ist frei. Aber Puber ist auch entfesselt – als subversive Abstraktion.
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Als Aushängeschild moderner Hipster-Musik gefeiert, von Kritikern, Musikjournalisten und Festivalveranstaltern auf den ersten Platz der BBC Sound Of 2016-Liste gewählt: an Jack Garratt wird dieses Jahr kein Weg vorbei führen, soweit sind sich alle einig. Der 24-jährige Brite reiht sich damit ein in den Kreis von Adele und Ellie Goulding, Little Boots und Sam Smith, sie alle waren in den letzten Jahren als Sieger der weit über Großbritannien hinaus beachteten Umfrage hervorgegangen. Dass alle von ihnen dann auch tatsächlich sehr erfolgreich waren, muss nicht unbedingt verwundern, wird die Prognose von BBC Sound Of doch immer wieder als Self-Fulfilling-Prophecy kritisiert, als Inst-
rument der Musikindustrie, um Newcomer zu vermarkten. Für 2016 ist die Auswahl allerdings bereits auf den ersten Blick etwas gewagter ausgefallen als sonst, mit unter anderem Mura Masa und der großartigen Nao unter den ersten fünf. Und auch wenn mit Jack Garratt natürlich wieder ein unbestritten kommerziell ausgerichteter Künstler den ersten Platz belegt hat, ist er doch eine angenehm erfrischende Abwechslung zu den Gewinnern der Vorjahre. Sein halbes Leben lang macht er schon Musik, sagt Garratt über sich selbst, und übertreibt dabei kein bisschen: bereits 2005, im zarten Alter von 13 Jahren, bewarb er sich in der nationalen Auswahl für den britischen Slot beim Junior Eurovision Song Contest, landete allerdings am achten und letzten Platz. Später, während seiner Studi-
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Jack Garratt – »Phase« — Zum Erfolg verdammt
Es muss sich gerade ziemlich gut anfühlen, Jack Garratt zu sein Anders als alles andere, aber dann doch auch ein bisschen wie alle anderen: das spritzige Debüt eines Newcomers, der eigentlich keiner ist.
How to make a hit record Mit »Phase« legt der Multiinstrumentalist nun sein Debütalbum vor, selbst geschrieben, eingespielt, aufgenommen und nach eigener Aussage auch großteils in Eigenregie produziert – die Verwandlung vom gitarrespielenden Liedermacher zur hippen One-Man-Show, blumige Kappen und Vollbart inklusive, ist vollbracht. So stehen bereits am Anfang von »Phase« verspielte Jazz-Akkorde, Lo-Fi-Knistern und fragile Vocals – bald setzt Garratt aber das Brecheisen an, ein knarziger Synth rumort unbändig am unteren Ende des Frequenzspektrums, staccatoartige Hi-Hat-Salven waschen darüber hinweg und der beeindruckende Dynamikumfang seiner vollen Stimmgewalt offenbart sich: gerade noch intime, gehauchte Passagen, plötzlich kompressorartige Refrains. Was wurde eigentlich aus Herbert Grönemeyer? Scheinbar mühelos singt sich Jack locker-flockig durch ein buntes Potpourri von energiegeladenem Gute-Laune-Pop, mit teils inflationärem Piano-Pathos und euphorischen Hände-in-die-Luft Momenten im fliegenden Wechsel. Jack Garratt ist ganz klar nicht nur groß genug für jede Konzerthalle, spätestens beim zweiten Song »Breathe Life« steht auch fest, dass er auf seinem Erstlingswerk nichts dem Zufall überlässt: ganz bewusst werden auf »Phase« einzelne Songs zu Hits inszeniert, mit eingängigen Melodien, mehr oder weniger austauschbaren Texten und Spannungsaufbau hin zum Refrain in klassischer EDM-Manier – knapp zwei Millionen Views auf YouTube seit der Veröffentlichung Ende 2015 sprechen eine klare Sprache. Dennoch scheut sich Garratt nicht, auch Kanten und Ecken zu zeigen, und so herrscht beispielsweise auf »The Love You’re Given« (neben »Worry« und »Weathered« einer der stärksten Songs am Album) nach vier Minuten grooviger R’n’B-Schunkelei plötzlich völlig überraschenderweise brachialeuphorische Abrissstimmung.
Sound Of 2016 Weil Genres bekanntlich eher 2000 sind klingt »Phase« dabei natürlich anders als alles andere, aber dann doch auch ein bisschen nach allem anderen. Ein Album voller musikalischer Referenzen und Anlehnungen an eine Vielzahl von Genres, vor allem moderner elektronischer Tanzmusik in allen Facetten: UK-Garage Beats und wobblige Dubstep-Gedächtnis-Basslines, Elemente von Breakbeat und House, R’n’B und HipHop sowieso. Und auch wenn Garratt sagt, »Blunderbuss« von Jack White und »Channel Orange« von Frank Ocean wären die primären Inspirationsquellen für sein Debüt gewesen, drängen sich Vergleiche zu James Blake und Ben Khan, Son Lux und Flume immer wieder auf, hier und da vielleicht auch ein bisschen Bon Iver. Die eigene musikalische Vergangenheit ist auf »Phase« natürlich ebenfalls nicht zu überhören: mit bluesigen Klavierakkorden auf »Far Cry« und klassischer Singer-Songwriter-Gitarrenromantik bei »Weathered« finden sich am Debütalbum noch vereinzelt Relikte aus der Prä-Vollbart-Ära des Protagonisten. Und irgendwie macht das alles auch richtig Spaß, obwohl es manchmal ein bisschen chaotisch und überladen wirkt. Überhaupt ist »Phase« kein wirklich kohärentes Album, die Cuts zwischen den einzelnen Songs kommen oft sehr hart und unerwartet, brechen somit leider immer wieder den Fluss – ein Album ist eben doch mehr als die Summe seiner Teile, keine bloße Aneinanderreihung von einzelnen Songs, mögen sie auch noch so großartig sein. Der Kitt, der viele dieser Fugen ausfüllt und das Gebilde dann doch irgendwie zusammenhält, ist Jack Garratts eindringliches R’n’B-Falsetto, mal beklemmend und zerbrechlich, mal kraftvoll und energisch – und spätestens bei »My House Is Your Home« am Ende des Albums, einer sehr stimmigen Klavierballade, die völlig ohne elektronischen Schnickschnack auskommt, ist die Welt dann doch wieder in Ordnung.
Das nächste groSSe Ding? Jack Garratt erfindet auf »Phase« definitiv das Rad nicht neu, aber wozu auch? Zwischen Akustikgitarren und urbanen Beats (quasi die Schnittmenge von Ed Sheeran und Pharrell Williams, jetzt ist es raus) liefert er ein ebenso zeitgemäßes wie kurzweiliges Debütalbum, bunt und erfrischend, ohne Längen und Füller, konstant solide mit Ausreißern nach oben. Das Timing könnte besser nicht sein, sowohl Künstler als auch Label haben exzellente Vorarbeit geleistet, schiefgehen kann jetzt eigentlich nichts mehr – es muss sich gerade ziemlich gut anfühlen, Jack Garratt zu sein, proklamiert selbstsicher der Pressetext zum Album. Das nächste große Ding? Ja, ziemlich sicher. »Phase« von Jack Garratt wird am 19. Februar via Island / Universal veröffentlicht.
Text Jakob Bouchal Bild ISLAND / UNIVERSAL
enzeit, schrieb er weiterhin Songs, arbeitete an einem Blues-Album, das er allerdings bald wieder verwarf – und das Studium gleich mit. Anstatt Volksschullehrer zu werden, veröffentlichte er im Herbst 2014 seine erste EP »Remnants« auf Island Records, einer Tochter von Universal Music: mit »Worry« war auf dem sonst eher semi-spektakulären Release bereits ein erstes Meisterwerk in die Welt gesetzt, das auch später am Album unübertroffen bleiben sollte. Schon im nächsten Jahr folgte eine weitere EP, Auftritte beim Apple Music Festival in London und Headline-Slots auf der BBC Introducing Stage von Reading und Leeds, zwei der größten UK-Musikfestivals, außerdem Support für Mumford & Sons. Kurz, man baut große Stücke auf Jack. Noch lange vor der Veröffentlichung seines ersten Albums hatte er sich bereits eine große Fangemeinde erspielt und sämtliche Shows seiner ersten Tour durch Großbritannien ausverkauft. Natürlich ist bereits viel mehr für Europa und die USA geplant.
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»Vinyl« — Der Hype und die Fakten
Vinyl für alle Es ist ein Hype für Musik-Liebhaber und Sammelwütige. Die Zukunft von Vinyl bringt jedoch weniger, als man erwarten würde.
Die Vinyl-Euphorie ist seit Jahren ungebrochen. Sowohl notorische Puristen als auch Trend-Trittbrettfahrer haben wieder etwas, woran sie sich aufgeilen können. Es sind jedoch die kleinen Independent-Labels, Musik-Produzenten, Fachhändler, leidenschaftliche Sammler und DJs abseits der Major-Labels, die den Charme und die Wertigkeit der Schallplatte immer hochgehalten haben. Die Big Player der Industrie sehen das Potenzial und rüsten wieder auf. Sie nutzen die Liebhaberei für sich. »Es bildet sich die Major-Strategie insgesamt in dem Vorgehen ab«, meint Wirtschaftswissenschafter und Musikwirtschafts-Experte Peter Tschmuck. »Sie versuchen alles, was von Szenen groß gemacht wird, abzuschöpfen.«
52 %
Digital
46 % Physisch
Pressewerke ausgebucht
2 %
Sonstige
2 % Vinyl
Anteilige Einnahmen am globalen MusikMarkt
–10,8 % +29,8 % CD-Verkäufe 2014–2015 (global)
Vinyl (LP)-Verkäufe 2014–2015 (global)
Heute findet man gewisse Platten in großen Einkaufsketten wesentlich billiger, die früher nur bei kleinen, gut sortierten Dealern erhältlich waren. Jetzt schon blockieren die vergleichsweise umfangreichen Aufträge der großen Labels die wenigen Presswerke, die in Europa zur Verfügung stehen. Der Indie-Bereich muss teilweise erhebliche Verzögerungen ihrer Releases in Kauf nehmen. Alte Maschinen werden ausgemottet. Vinyl könnte zudem knapp werden, weil nur eine Firma weltweit fast das gesamte Rohmaterial liefert. Auf der anderen Seite legen große Firmen wieder Turntables auf. Selbst der legendäre Technics 1210 bekommt einen Nachbau, allerdings mit stolzem Preis. Noch haben aber alle etwas von dem Hype. Die Zahlen der International Federation of the Phonographic Industry (IFPI) bestätigen den Aufschwung. Im Jahr 2004 war noch die Rede davon, dass die Vinyl-LP ebenso wie die analoge Musikkassette nicht mehr wesentlich zum Gesamtmarkt beitragen. Ein paar Jahre später ist von enormen Umsatzsprüngen die Rede. In den USA schon früher als hier. 2008 verdoppeln sich dort die LP-Verkäufe nahezu. 2014 widmet die IFPI Austria in ihrem Bericht Vinyl einen eigenen Absatz und titelt »Vinyl is back«. Während der Trend zu Streaming-Angeboten laut Tschmuck in den USA und Großbritannien bereits deutlich spürbar ist oder man in Skandinavien physische Tonträger »mit der Lupe suchen muss«, kauft man in anderen Ländern noch gerne Vinyl und CDs. Japan ist hier Spitzenreiter, aber auch in Österreich und Deutschland ist der Tonträger-Verkauf noch stark.
Vinyl bleibt im Untergrund
12.000.000 9.000.000
Text Kasun Jayatilaka
6.000.000
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Der Anteil von Vinyl am Gesamtabsatz ist trotzdem noch sehr gering. Der Hype um Schallplatten ist einer, der in den sozialen Netzwerken und in Medien hochgekocht wird. Vinyl ist noch immer ein Nischenprodukt und wird es laut Tschmuck auch bleiben. »Wenn man die Zahlen der letzten Jahre betrachtet, merkt man, dass die Zuwachsraten nicht mehr zunehmen. Es gibt eine Entwicklung, wo wir bald eine Sättigung feststellen werden. Im Laufe der nächsten fünf Jahre wird diese Sättigung höchstwahrscheinlich eintreten.«
3.000.000 2007 Entwicklung des US-Vinylmarkts. Von knapp unter 1 Million verkaufter Alben vor 8 Jahren zu 12 Millionen im Jahr 2015.
Die Nachfrage steigt inzwischen und damit auch die Produktionskosten für Vinyl und der Druck auf kleine Indie-Labels. Dazu meint Peter Tschmuck: »So wie bei jeder Entwicklung wird es auch hier Gewinner und Verlierer geben. Die, die wirtschaftlich schwach aufgestellt sind, werden sicherlich Probleme haben. Andere, die sich schon etabliert haben – auch auf der Indie-Ebene – die werden durchaus auch davon profitieren.«
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»Vinyl« — 4 Betreiber von Record Stores über den Hype
A Hell of a Drug Die Schallplatte ist in unseren Alltag zurückgekehrt. Record Stores waren lange die einzigen, die diese Subkultur hochgehalten haben. Wir haben ein paar zum Revival befragt. Tongues, Wien
Ein Statement, eine jüngere Generation »Die Schallplatte ist ein schöner Tonträger. Es geht um die Wertigkeit. Dass man etwas in der Hand hält. Sie schimmert auch schön. Sie hat einen Spiegeleffekt. Sie hat einen Glanzeffekt. Früher noch mehr als heute auch ein schönes Cover-Artwork. Sie hat einen gestalterischen Anspruch. Der Musiker, der etwas von sich hält, der macht eine Platte. Der nimmt das Geld in die Hand. Das ist ein Statement. ›Ich manifestiere hier meine Aussage.‹ Das schätzen die Leute auch wieder«, meint Christopher Schweiger vom Tongues. Oft, wenn man über Vinyl spricht, schwingt etwas Auratisches mit, etwas, das schwer greifbar ist, das man erst versteht, wenn man dazu gehört. Das ist wie mit Eltern, die von ihren Freuden reden, die für kinderlose Menschen immer ein bisschen nach Sekte klingen. Dabei ist die bessere Tonqualität von Vinyl einfach nicht nachweisbar. Das Rohmaterial ist eigentlich giftig. Und schwerer zu handhaben sind die schwarzen Scheiben ohnehin. Wolfgang Auer von Substance Store bringt noch einen anderen Aspekt dazu: »Es ist jetzt, glaube ich, auch ein Generationen-Ding. Bei den jungen Kids war die Platte nicht da. Da hat es einfach nur CDs und MP3s gegeben. Für die ist es ein vollkommen neues Medium. Nach
Text Kasun Jayatilaka Bild Tongues, substance, in and out
Nostalgie, Ästhetik und Distinktion sind die häufigsten Beweggründe eines durchschnittlichen Vinyl-Käufers. DJs wollen nicht mehr in Displays schauen und stattdessen selecten, die Nadel auflegen und aufmerksam den Pitch-Regler bis zum Beatmatch hin und her schieben. Für die Verkäufer steckt da oft etwas mehr dahinter. Auch wenn der Großteil der neueren Vinyl-Verkäufe auf das Konto von Reissues gehen – der Drang, die Schallplatte unter die Leute zu bringen, ist so groß, dass sie den Mut haben, diesen Nischenmarkt zu bedienen. Reich wird man davon nicht. Aber darum geht es auch nicht. Es geht um Musik, den Austausch mit Kunden, die zu Freunden werden und mit Künstlern, einen Wahn, den man nicht entkommen kann. Österreich hat eine kleine Auswahl an Shops, in die man sich – wenn man so will – zurückziehen kann. Auch wenn im Hintergrund die neue verstörende Platte von Arca oder die pumpende Kickdrum von Tessela läuft, eine alte, aufgekratzte Soul-Platte oder die neue von Adele – die kleinen Fachgeschäfte strahlen eine Besinnlichkeit aus, die man in der anonymen Atmosphäre eines Saturn oder Media Markt nicht finden wird.
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Substance Store, Wien dem Aufwachsen mit formlosen Dateien ist das einfach was Freshes und Neues für die Musik in der Hand zu haben.« Für Niko Zagler vom Inandout Records in Graz ist es »das Ende der Evolution der Tonträger.« CDs sind am absteigenden Ast und die Leute sehnen sich nach einem Ausgleich zum Digitalen. Auch für ihn ist die Platte heute eine Sache der jungen Generation. Der größte Teil seiner Kundschaft ist unter 35. »Wenn ich eine Platte kaufe, verbinde ich etwas damit. Wenn man durch seine Sammlung geht, ist es wie ein Fotoalbum aus Erinnerungen.«
Fetischieren Florian Stöffelbauer, Betreiber des Online-Vinyl-Shops Discus Thrower und Mitbegründer des Labels Neubau, hat nicht den klassischen Kundenkontakt. Sein Geschäft findet bei ihm Zuhause statt. Plattenkisten gehören zu seinem Mobiliar, seine Besucher sind oft auch seine Kunden. Er ist nicht nur Händler, sondern auch ein gut gebuchter DJ. Seine Verbindung zu Vinyl ist damit noch intensiver. »Es ist schön, sich um etwas kümmern zu können und auf etwas aufpassen zu müssen, da eine Schallplatte nüchtern betrachtet ein Verschleißteil ist. Nicht zuletzt befriedigt es auch alle Bedürfnisse des Sammlertums.« Was Fetisch ist und was nicht, das scheint in der Vinyl-Welt zu verschwimmen. Wolfgang Auer meint dazu: »Ich fetischiere Vinyl nicht so sehr. Mir geht es mehr um die Musik dahinter. Bei mir ist es eine Sammelwut, ein Kompletierungswahn.« Und was für einer. Substance und Tongues befinden sich im 7. Wiener Bezirk. Das Inandout ist in Graz daheim. Discus Throwers ist unter discus-throwers.com erreichbar.
In And Out, Graz
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»Vinyl« — Martin Scorseses neue Musik-Serie
Rolling Stone der Regisseure Scorsese gräbt sich durch die Vinyl-Kiste. Seine Serie lässt Sex und Drogen aufleben. Um Vinyl geht es auch.
» It’s fast, it’s dirty, it smashes you over the head.«
»I own so much Vinyl« Zu Scorseses wertvollsten Platten gehört eine Gold-Pressung von »Sunshine Of Your Love«, ausgehändigt von Eric Clapton höchstpersönlich. Seine Leidenschaft zu Musik, 45s und 78s, haben wohl eine wichtige Rolle gespielt, als sich er und niemand Geringerer als Mick Jagger zusammengesetzt haben, um eine neue Serie über Sex, Drugs, Rock’n’Roll und, ja, Vinyl zu konzipieren. »It’s fast, it’s dirty, it smashes you over the head«, ein Zitat aus der neuen Serie, mit der man die Arbeit beider lebenden Legenden treffend beschreiben kann. Jagger und Scorsese sind jedoch noch nicht genug. Drehbuchautor Terence Winter (»Boardwalk Empire«, »The Wolf of Wall Street«) und RegieKollegen Allen Coulter (»The Sopranos«) und Carl Franklin (»House of Cards«) gesellen sich zum hochkarätigen Team.
Golden Age Dennoch geht es in »Vinyl« nicht um den Schallplatten-Hype, in dem wir uns zur Zeit befinden. Der wieder in den allgemeinen Sprachgebrauch zurückgekehrte Begriff soll zusammen mit dem Plot der Serie Nostalgie-Gefühle wecken. Trompetenärmel, Glockenhosen und viel
Rock’n’Roll was real Die Hauptrolle – der Labelboss Richie Finestra, gespielt von Bobby Cannavale – ist der Klischee-70er. Zurückgekämmte Brisk-Frisur, aufgeknöpftes Hemd mit besonderer Betonung der Brusthaare und borderline drogenabhängig. Er ist ein dauergestresster Label-Betreiber und steht gerade vor dem Deal seines Lebens. Der Labelriese Polygram will seine American Century Records kaufen, jedoch nur unter einer Bedingung. Finstestra muss ein großes Signing mitliefern. Um an sein Ziel zu kommen, kämpft er sich einmal quer durchs Musikgeschäft New Yorks, durch Partys, Drogentrips, Backstage-Orgien und Sex-Eskapaden. Das stellt dann seine Ehe mit Devon – gespielt von Olivia Wilde – doch ein wenig auf eine Probe. Wer Scorseses Hang zu sizilianischem Machismo, Gewalt und Profanität mag, der wird sich an »Vinyl« erfreuen. Das Vintage-Szenenbild beeindruckt, ein einfach nicht alternder Ray Romano fasziniert und der nicht all zu übertriebene Humor macht Laune. Zusätzlich zu den Schauspiel-Veteranen erfrischen Jungstar Juno Temple und Jaggers Sohn James das Set. Scorsese hat ja ohnehin eine große Nähe zur Musik. Dass er jetzt ins Serienfach wechselt, ist nicht überraschend, aber dennoch erfreulich.
Text Kasun Jayatilaka Bild SKY
Alle wollen ein Stück vom Vinyl-Kuchen. Der durchschnittliche Musik-Konsument kauft schon längst lieber Schallplatten statt CDs und MP3s. Große Kaufhäuser verzeichnen in der Vinyl-Sparte Rekord-Verkäufe und erweitern stetig ihr Sortiment. Nach 30 Jahren wurden in Detroit wieder neue Vinyl-Pressen angefertigt. Martin Scorsese bringt eine neue Dramaserie mit dem Titel »Vinyl« heraus. Moment.
Drogen zeigen die 70er Jahre in den USA wieder lebhaft auf dem Bildschirm. Aber nicht nur Stil-Sünden und Exzesse waren charakteristisch für diese Zeit. Es war die Wiege für Punk, Disco und Rap, die sich neben dem so dominanten Rock’n’Roll noch dazu reihten. Bands wie die Rolling Stones, Led Zeppelin oder AC/CD bescherten der Plattenindustrie große Umsätze. Bis Anfang der 80er Jahre die CD auf den Markt kam, war der Handel mit Vinyl ein blühendes Geschäft. Der Label-Dschungel war mit seinen Major-, Sub- und Independent-Labels mittlerweile unüberblickbar geworden. Alle kauften und fusionierten sich gegenseitig. Der Konkurrenzkampf nahm neue Ausmaße an.
Ab 14. Februar ist »Vinyl« über Sky Go, Sky On Demand und Sky Online zu empfangen. 025
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Interview mit Ewald Tatar — Festivals in Österreich
Ewald Tatar macht seit Jahrzehnten die heimische Musikszene zu einem besseren Ort. Nach zahlreichen Umbrüchen im letzten Jahr war es höchste Zeit für ein direktes Gespräch. Auch wir waren nicht immer fair zu dem wichtigsten Musikveranstalter Österreichs. Ausgewogen schon gar nicht. Irgendwann, ungefähr 2010, hatte die Barracuda Music GmbH alle Zügel in der Hand. Egal ob Madonna, Metallica, Justin Timberlake, LCD Soundsystem oder Klaxons – fast alles lief über sie. Man kannte Geschichten. Ja Panik schrieben ein Pamphlet, als sie nach Berlin auswanderten. Bilderbuch sagten, sie würden diese Firma so halb im Scherz immer als »Mafia« bezeichnen. Eine Monopol-Stellung tut eben dem Angebot nicht gut. Diese Zeiten, als Barracuda fast beliebig agieren konnte, sind spätestens seit letztem Sommer vorbei. Links und rechts kommen Veranstalter aus dem In- und Ausland mit ihren eigenen Konzerten, Festivals und Events. Von manchen Personen und Dingen musste sich Barracuda trennen. Keine Festivals mehr in Wiesen. Kein Urban Art Forms mit Christian Lakatos. Wankt der Riese also? Ewald Tatar, ein ausgesprochen freundlicher Mensch, würde das so wohl nicht sagen. Hast du die Handynummer von Campino? Nein. (lacht) Privatnummern von Künstlern hat man in den seltensten Fällen. Ich versteh, dass man seine Privatsphäre haben will. Da muss man als Booker auch für so etwas wie »Voices For Refugees« den offiziellen Weg gehen, also über den Agenten. Es gab aber sofort Interesse. Weil die Toten Hosen nicht auf Tour und über den Globus verteilt waren, hat das eine Woche gedauert, bis klar war, das können sie in der kurzen Zeit umsetzen. Das war natürlich eine tolle Sache. Da kann man sich nur bedanken, auch bei allen Bands und Beteiligten. Das war ein Zeichen, dass man auch in diesem Geschäft zusammen hält und man an einem Strang zieht. Da hat niemand etwas verrechnet. Logistisch war es eine große Herausforderung, aber so angenehm zu arbeiten wie noch nie. Normalerweise weiß man ja in etwa, wie viele Leute zu einem Konzert kommen. Das war da anders und weit mehr, als ich mir erträumt hätte. Hast du dir den »Kopf des Tages« im Standard eingerahmt? Na (lacht). Ich hab das Interview schon vergessen gehabt, war an dem Tag auf einen Kaffee, habe mir den Standard durchgeblättert und mir gedacht, hoppala, den kenne ich. Ich hoffe, es ist jetzt keiner böse, aber ich habe mir das dann nicht mitgenommen. Wie hoch war euer Anteil am Festivalmarkt heuer – es gibt ja noch immer diese Bezeichnung »Mafia« für euch … Wie hoch das in der Mafiosi-Zeit war, oder? (Lachen) … da hat sich einiges getan. Prozentuell ist das schwer zu sagen. Man kann sagen, der Markt hat sich klar bewegt. Die uns oft angekreidete Monopol-Position existiert nicht mehr. 2016 wird das wieder anders sein, auch wegen der WiesenFestivals, die nicht mehr wir veranstalten. Es gibt das Lake, das Electric Love, das Rock In Vienna und eine Menge andere. Willst du echt eine Zahl hören? Ich schätze 50 oder 60 Prozent, aber ich weiß es nicht. Man muss damit umgehen, wie es ist. Habt ihr Besucherzahlen von den anderen? Das Rock in Vienna hatte wohl mit viel mehr Besuchern gerechnet … Die DEAG hat mich schon 2013 gefragt, ob ich bei dem Festival dabei sein möchte. Ich habe abgelehnt, weil ich in so kurzem Abstand 026
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durchsetzen kann, wo einem vielleicht noch Lügen ins Gesicht geworfen werden – wofür? Ich habe echt wichtigere Dinge zu tun. Bilderbuch und Ja, Panik haben euch jeweils einen unfairen Umgang mit österreichischen Bands vorgeworfen. Mittlerweile spielen sie Headliner-Slots. Wie kam das? Ich hatte mit Bilderbuch ein gutes Gespräch über ihr Interview. Das ist erledigt. Ich hatte die Band 2010 und 2011 schon auf Festivals gebucht. Die sind musikalisch der Wahnsinn. Das kann ich international herzeigen. Wanda waren einfach plötzlich da. Ich freu mich mega, dass die österreichische Musikszene diesen Weg gehen kann. Vor zehn Jahren war das schwer. Viele haben damals versucht, etwas Internationales zu kopieren. Heute haben viele ihre eigene Linie gefunden. Deshalb ist das glaube ich so erfolgreich. Und man kann sich getrost hinstellen und sagen: He, ihr seid einfach so gut, um als Headliner oder Co-Headliner zu spielen. Es gab mit Soap & Skin, Gustav, Ja Panik eigentlich auch früher schon Musik, die zumindest im Feuilleton sehr gut angekommen ist. Wir haben auch vorher schon reagiert. Soap & Skin hat schon vor zwei Jahren bei mir als Headliner am Harvest Of Art gespielt. Zugkraft hin oder her. Ich veranstalte seit 1993. Auf meinen Festivals haben immer österreichische Bands gespielt, sie haben immer eine Gage bekommen. Der Vorwurf, dass es zu wenige von ihnen gibt, mag ein schöner sein, aber man darf ihn nicht nur im Moment sehen. Ich weiss nicht, ob ich 300, 500 oder 800 österreichische Bands veranstaltet habe. Ich glaube jedenfalls nicht, dass es in diesem Land einen Veranstalter gibt, der mehr österreichische Bands auf Festivals, Konzerten, SupportSlots spielen hat lassen als ich. Wie erfolgreich waren eure Veränderungen am Nova Rock? Sehr, sehr. Das war einer der wichtigsten Schritte, den das Festival seit Jahren gemacht hat. Es gab schon lange Forderungen wegen der langen Wege. Das Problem waren die Grundstücke, die landwirtschaftlich gefördert waren und für nichts anderes verwendet werden durften. Der Plan liegt schon lange bei mir, das konnte erst jetzt umgesetzt werden. Die Stimmung war jedenfalls mördermäßig. Ich hatte das noch nie. Jedes Mal, wenn ich rausgegangen bin, sind Leute zu mir gekommen und haben sich bedankt. Du hast sicher den Tagespresse-Artikel übers Nova Rock gelesen, oder? Ja. Der war super. (lacht) Ist der Eindruck richtig, dass Beat The Fish recht gut läuft? Ja, sehr gut. Alle neuen Formate. Indiekiste funktioniert massiv. Die Leute wissen, wo sie zu ihren Themen kommen. Ich kenne von den Acts niemand mehr. Aber die Leute, die das bei uns betreuen, machen das wirklich fantastisch. Auf der anderen Seite kann man sagen, im elektronischen Bereich gelingt das nicht ganz so gut? Der Abgang von Christian Lakatos, das Feedback auf das Urban Art Forms …? Wir arbeiten da noch dran, diskutieren untereinander. Line-up haben wir ja noch keines präsentiert. Aber Ideen und Pläne gibt es. Was sind die besten Momente in deinem Job? Puh. So blöd das klingt, Montag mittag nach dem Nova Rock und es ist nichts passiert. Ich bin während des Festivals so mit Adrenalin voll, dass ich nicht länger als zwei Stunden schlafen kann. Man schaut immer, dass es für die Besucher so angenehm wie möglich ist. Am Montag fällt dann ein großer Stein vom Herzen. Das Nova Rock findet von 9.–11. Juni statt. Das Frequency läuft von 18.–20. August. Weitere Festivals sind Urban Art Forms, Sunsplash, Two Days A Week, Clam Rock, Harvest Of Art, Lovely Days oder Picture On. Zu den Konzertreihen von Barracuda Music gehören auch Indiekiste und Beat The Fish.
Text Stefan Niederwieser Bild maria kanizaj
kein zweites Rockfestival in dieser Größe sehe. Da wird man sich die Butter vom Brot nehmen – was teilweise so war. Zum Glück hat das Nova Rock weit besser als das Rock In Vienna funktioniert. Wir hatten früher wenig Konkurrenz, jetzt wieder relativ viel Konkurrenz. Deshalb stecken wir nicht den Sand in den Kopf. (lacht) Es hat wenig Festivals gegeben, die die Zahlen aus dem Vorjahr erreicht haben. Wichtig wäre, dass sich das so regelt, dass jeder davon leben kann und man sich nicht gegenseitig umbringt. Ich glaube, auf dem Weg sind wir langsam. Nach einigen Jahren, in denen Live als Rettungsanker der Musik industrie gegolten hat, stagniert der Markt heute. Ist die Situation in Österreich normal? Dass ein Aktien-Unternehmen wie die DEAG in einen neuen Markt reingeht, ist ganz normal. Sie gehen auch mit zwei Festivals in die Schweiz. Download macht was in Paris. Scorpio geht nach Österreich und in viele skandinavische Märkte. Der Markt ist lange gewachsen und gerade in Bewegung. Ich glaube, dass sich vieles einspielen und stabilisieren wird. Der Markt schafft nur ganz gewisse Dinge nicht, zwei ähnliche Festivals an zwei Wochenenden hintereinander. Ich muss sagen, wir haben auch mit dem Frequency am selben Wochenende wie dem Lake Festival eine dumme Situation geschaffen. Jeder hatte schon Offerte draußen. Das Lake war davor nur einen Tag. Von uns dumm. Und blöd gelaufen. Das war mit einem vernünftigen Gespräch gelöst. Das Sziget war weniger ein Problem, wir sprechen miteinander. Das läßt sich super kombinieren. Kendrick, Rae Sremmurd oder Snoop Dogg waren erstmals da. Das war für Fans natürlich riesig. Kann sich das ansatzweise ausgehen? Wir sind genau in diesem Prozess, herauszufinden, was sich trägt. Kendrick, das ist eine ideologische Frage. Man bucht oft Bands, die überbezahlt sind, aber die man haben will. Wie viele Tickets wir wegen ihm verkaufen, die seine Gage rechtfertigen, kann ich nie verlässlich sagen. Fakt ist, dass das Feedback super war. Die Entscheidung hat das bewegt, was wir uns erhofft haben. Das Kapitel Wiesen hast du abgeschlossen. Mich würde interessieren, was mit der schwammigen Begründung »wirtschaftliche Gründe«, mit der euer Vertrag von Wiesen-Seite gekündigt wurde, gemeint war. Genaues weiß ich nicht. Da geht es um Wiesen und nicht um mich. Arcadia hat nur getan, was jeder getan hätte, natürlich, da kann man niemandem etwas vorwerfen. Das Absurde ist, dass es jetzt passiert ist. Weil letztes Jahr ein weit besseres Jahr war als die Jahre zuvor – mit 60.000 Besuchern doppelt so viel, doppelte Getränkeumsätze, vier Veranstaltungstage mehr als ausgemacht, ich hab 300.000 Euro in das Gelände investiert. Wir hatten jeden Cent bezahlt. Es hat nie einen Streit geben. Mir den Grund zu nennen, darum hab ich dreimal vergeblich gebeten. Aber es wird einen Grund geben. Wandern die Bühnenelemente jetzt auf die Burg Clam? Nein, das ist abgebaut. Das waren ja viele Stahlplatten, die jetzt bei mir in der Garage liegen. Man kann einige Dinge weiter verwenden, vielleicht die Hände oberhalb der Bühne am Nova Rock zum Beispiel oder das Eingangsportal in Eisenstadt. Also bleibst du nicht einfach auf 300.000 Euro sitzen? Das ist nicht komplett in den Sand gesetzt. Aber da steckt viel Arbeitszeit drin. Schon für cirka 150.000 Euro. Ich würde mir schwer tun, da so ruhig zu bleiben. Das waren einige Tage, die emotional für mich nicht leicht waren. Ich war ein Wochenende weg und habe nur für mich überlegt, wie ich damit umgehen will. Wiesen wird für mich immer etwas Besonderes sein. Ich bin dort groß geworden und habe das mit Festivals geprägt. Als wir 2007 zurückgegangen sind, haben wir Wiesen gerettet. Aber wenn dich dort niemand will und man nur etwas mit dem Gericht
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Neue Diagonale — Die Intendanten im Interview
There will be Graz
interview JAN HESTMANN Bild NATASCHA UNKART
Die Diagonale hat großen Mut bewiesen, als sie die Leitung des Festivals zwei ganz Jungen anvertraute. Wir haben Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber getroffen, um über ihr erstes Mal zu reden. Was bringt die Diagonale 2016? Die beiden Oberösterreicher Peter Schernhuber und Sebastian Höglinger haben nicht nur in den vergangenen Jahren beim Youki Filmfestival reichlich Erfahrungen an Festivalarbeit gesammelt. Sie waren auch schon sieben Jahre lang im Diagonale-Team, ehe sie nun die Rolle der Intendanten übernommen haben. 2016 steht die erste Ausgabe unter ihrer Leitung an. Miriam Ungers »Maikäfer flieg«, basierend auf einer Romanvorlage von Christine Nöstlinger, wird die Festivalwoche eröffnen. Am Kernauftrag der Diagonale wollen sie nicht rütteln, aber rundherum tüfteln sie an einigen Neuerungen. Nicht nur das Design hat sich geändert, auch ein neues Diskursformat (»Cinema Next Breakfast Club«) und eine neue internationale Programmschiene (»In Referenz«), sowie transdisziplinäre Kooperationen stehen am Plan. Einer jüngeren Generation als Vorgängerin Barbara Pichler entstammend, bringen sie neue und naturgemäß jüngere Netzwerke mit. Welche Auswirkungen das hat, erklären sie im Interview. Die Intendanz der Diagonale zu übernehmen ist ein ordentliches Ding. Wie seid ihr gestartet? sebastian höglinger: Es ging von einem Tag auf den anderen. Plötzlich hatten wir jeden Tag Termine. Uns war wichtig, dass wir auch in Graz präsent sind. Man soll merken, dass es hier nicht um ein Festival geht, das einmal im Jahr wie ein Alien in Graz einfällt. Wir versuchen, in Anlehnung an unsere Arbeit bei Youki, ein Festival aus
der Stadt heraus zu entwickeln. Gerade in Graz haben wir uns bemüht auch szeneübergreifend Leute zu treffen und das Gefühl zu vermitteln, dass die Diagonale eine Plattform ist, wo man sich einbringen kann und wo es auch zum Dialog zwischen verschiedenen Disziplinen kommen kann. Habt ihr euch da in Bezug auf Graz schon in konkrete Richtungen umgeschaut? peter schernhuber: Ein Festival, das wahnsinnig super ist und zu dem wir auch Kontakt gesucht haben, ist das Grazer Elevate Festival. Wir wollen auch mit Playern in Austausch zu treten, die nicht unmittelbar mit uns zu tun haben. Überhaupt fällt unsere Intendanz in eine sehr spannende Zeit, weil es in Graz gerade mehrere Neuerungen gibt. Auch das Schauspielhaus hat mit Iris Laufenberg erst kürzlich eine neue Intendantin bekommen. Eine erste Kooperation hat es bereits gegeben. sh: Es ist unser Vorsatz, mit der Festivalarbeit samt ihres Plattformgedankens auch über die Festivalwoche hinaus auszustrahlen. Ihr kommt aus Oberösterreich. Wie sieht es dort mit Filmkultur aus? ps: Was in Wien etwa die kleinteilige und diverse Kinoszene ist, ist in Oberösterreich, wo wir sozialisiert wurden, die Kulturszene, die ganzen Kulturvereine, freien Initiativen. Da spielte Oberösterreich bislang eine vorbildhafte Rolle auf der Landkarte. Wir kommen aus Linz und Wels, also im Vergleich zu Wien und auch Graz vom Land. Die blühende Kino-Infrastruktur, die Wien hat, haben wir nie genießen dürfen. Diese Lücke haben dann oft die freien Kulturhäuser gefüllt.
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In diesen Häusern sind wir aufgewachsen. In meinem konkreten Fall war’s das Youki Festival und das Medienkulturhaus. Und wo lässt sich nun Graz einordnen? ps: Graz ist sehr privilegiert. Die Diagonale hat ja eine lange Geschichte hinter sich. Sie hat in Salzburg begonnen, war in Kapfenberg, in Velden, auch früher noch, als sie noch nicht Diagonale hieß und in Wels als Österreichische Filmtage gastierte. Dass sie nun schon seit annähernd 20 Jahren in Graz stattfindet, hängt damit zusammen, dass Graz eine Kinoinfrastruktur hat, die sich sehen lassen kann. sh: Digital ist Graz optimal ausgerüstet. Bei historischen Programmen stößt man aber auch auf Grenzen. Die Kinos haben natürlich noch 35-mmProjektoren, allerdings laufen die das ganze Jahr nicht. Da gibt’s dann die Notwendigkeit der Wartung. 16-mm-Projektoren gibt es kaum mehr und ein Überblenden, wie es für die Vorführung historischer Filme notwendig ist, ist momentan gar nicht mehr möglich. Das ist für die Diagonale ein Problem, zumal wir es als kulturpolitische Notwendigkeit erachten, auch das filmhistorische Erbe sichtbar zu halten. ps: Wenn man heute über die technische Ausstattung von Kinos spricht, muss man auch über Filmkultur sprechen. Das ist in Österreich tatsächlich ein vernachlässigtes Thema, verglichen etwa mit Frankreich oder den USA. Die Awareness dafür, wie man filmisches Erbe sichtbar und auf der Leinwand hält, ist nicht sehr ausgeprägt. Leider. Wie teilt man sich eigentlich eine Festivalintendanz auf? sh: Uns war es sehr wichtig, dass es keine offensichtliche Teilung gibt, etwa in künstlerische Leitung und Geschäftsführung. So haben wir es auch beim Youki gemacht – als Doppelspitze. ps: Ein Riesenvorteil ist natürlich, dass man zu zweit gleich auf mehreren Kirtagen tanzen kann. Die vielleicht offensichtlichste und rascheste Änderung war das neue Design. Wieso dieser Schritt? ps: Die Diagonale hat die längste Zeit mit einem wahnsinnig guten Grafiker gearbeitet, der in seiner Arbeit einen sehr starken Fokus auf Druckgrafik hat. Unsere Bedürfnisse haben sich allerdings geändert. Die Diagonale geht mehr in Richtung Bild-Kommunikation. Man muss sich immer mehr mit Web 2.0 auseinandersetzen, mit Webauftritten usw. Um hier nachjustieren zu können, haben wir Verena Panholzer und Studio Es an Bord geholt, die diesen Aspekt abdecken können, professionell sind und obendrein auch sehr nett. Uns ist wichtig, mit netten Leuten zusammenzuarbeiten. Klingt banaler und selbstverständlicher als es ist. sh: Teil unseres inhaltlichen Konzepts ist es mit der Diagonale, das österreichische Kino gegen den Strich zu bürsten. Was bedeutet dieses Label – Österreich? Da kann man schnell in ein plumpes nationales Fahrwasser geraten, wo es auch zu Vereinnahmungen kommen kann. Man muss da schon ein Bewusstsein schaffen und sich selbst immer wieder hinterfragen. Dieser Anspruch soll auch grafisch sichtbar sein: In der Web-Animation ist das D im Logo in Bewegung und bricht die rot-weiß-roten Balken auf. Ausgehend von einer Österreichfahne, die aufgesplittet ist. Abgesehen vom Design, gibt es Dinge, die ihr wesentlich verändern wollt, oder traut man sich das im ersten Jahr gar nicht? sh: An der Kernaufgabe des Festivals, dem Wettbewerb als repräsentativen Querschnitt des österreichischen Films, wollen wir nicht rütteln. Allerdings drehen wir an kleinen Rädchen im Rahmenprogramm. Das betrifft zum Beispiel das internationale Schaufenster. Bisher war das die Reihe »Zu Gast«, wo man einer internationalen Handschrift im Rahmen der Diagonale nachspüren konnte. Diesen Blick über den eigenen Tellerrand finden wir wichtig. Das Problem für uns war die Trennung: Hier das österreichische Kino und dort das internationale. Unsere Idee ist es, internationale Programme näher an den Wettbewerb heranzuholen – das österreichische Kino als Teil des Weltkinos zu verstehen. Es wird also eine neue Programmreihe geben, die sich »In Referenz« nennt. Wir wollen punktuell internationale Arbeiten mit
aktuellen Arbeiten in Korrespondenz setzen (Anm.: etwa Matt Porterfields »Putty Hill« mit Sebastian Brameshubers Arbeit). Damit wollen wir im Idealfall das Programm auch leichter lesbar machen, rote Fäden spannen. Aber man muss sagen, die Diagonale ist auch ein Tanker, zumindest für Österreich, und jeder Tanker, der sich zu schnell dreht, bricht. Es braucht also Zeit. Wer ist eurer Ansicht nach das Kernpublikum der Diagonale? sh: Die Diagonale hat diesen eigenartigen dreiteiligen Spagat, von Branchenfestival, Publikumsfestival und Festival mit kuratorischem Anspruch. Das Programm auch für das Publikum lesbar zu machen, ist eine Vision, die wir haben, ein Wunsch. ps: Die Diagonale hat in den letzten Jahren steigende Kaufkarten, also steigendes Besucherinteresse. Diesen Erfolgskurs können wir hoffentlich verlängern. Natürlich ist uns das Publikum wichtig. Was bringt ein Film, den keiner anschaut? Ihr entstammt einer anderen Generation als eure Vorgängerin. Wird die Diagonale durch euch jünger? ps: Naturgemäß wird die Diagonale jünger. Man braucht sich nichts vormachen, wir bringen natürlich unsere Netzwerke mit. Allerdings soll die Diagonale keinesfalls krampfhaft jung oder gar jugendlich werden. Uns ist wichtig, dass es auf der Diagonale einen größeren Dialog zwischen den Generationen gibt. Wir haben es momentan mit einer Reihe Filmschaffender zu tun, die neue Handschriften und neue Ästhetiken ins österreichische Kino einspeisen. Und auf der anderen Seite große, arrivierte Namen, die dieses Label, mit dem wir arbeiten, generiert und jahrelang geprägt haben und prägen. Ein Zentralanliegen ist es daher, diese unterschiedlichen Generationen in den Dialog zueinander zu bringen. Zu diesem Thema arbeiten wir etwa mit der tollen Initiative Cinema Next zusammen und auch im Austria Film Meeting, einer Art Think Tank innerhalb der Diagonale, das sich dem Thema »Diversity« verschreibt, spielt der generationenübergreife Dialog eine zentrale Rolle. In welchem Verhältnis steht die Menge der Einreichungen zu der, die ihr vom Youki kennt? ps: Von der Anzahl her in etwa gleich oder ähnlich. Insgesamt dann aber mehr, weil die Filme ja länger sind. sh: Es waren 512 Filme, die heuer zur Diagonale eingereicht wurden. Das ist natürlich ein Wahnsinns-Output für ein Land wie Österreich. ps: Das ist eine Tendenz, die man auch von der europäischen Filmpolitik kennt. Der Output steigt von Jahr zu Jahr, in den letzten Jahren sind so viele Filme produziert worden wie noch nie. Das ist im Weiteren ein Thema, mit dem man als Festival umgehen muss. Das ist auch eine riesige Herausforderung für Markt und Filmwirtschaft, schließlich eine Frage der Verwertung. Es stellt sich die Frage, wer diese vielen Filme noch sehen kann. In eurem letzten Interview mit The Gap habt ihr öfter das experimentelle Filmformat erwähnt. Welchen Stellenwert messt ihr diesem in Österreich und auf der Diagonale bei? ps: Der Experimentalfilm hat den österreichischen Film international bekannt gemacht, noch bevor die großen publikumstauglicheren Filme, so problematisch dieses Label ist, nachzogen. Auf der Diagonale hat dieses aus vielerlei Gründen für den österreichischen Film so wichtige Segment eine zentrale Position, die uns auch wichtig ist. Mit Namen wie Rainer Kohlberger, dieser Tage beim renommierten Filmfestival in Rotterdam zu sehen, Siegfried A. Fruhauf, Johann Lurf, Claudia Larcher oder auch Antoinette Zwirchmayr schreibt eine jüngere Generation die glorreiche Geschichte des innovativen Kinos aus Österreich fort. Es gibt aber keine fixe Quote für experimentelles Kino und wer das facettenreiche Programm der Diagonale genau kennt, wird merken, dass es nur ein gewichtiger Programmteil unter vielen ist.
Diagonale – Festival des österreichischen Films 8.–13. März 2016, Graz 029
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»Tatort« kommt ins Kino — Warum sehen wöchentlich 10 Millionen »Tatort«?
Auf Spurensuche 030 Text Dominik Oswald Bild Off Duty: Syrreal Entertainment / NIk Konietzky, HR / Kai von Kröcher
Es ist die beliebteste Fernsehserie unserer Zeit: »Tatort«. Jeden Sonntag sind die Wohnzimmer, Twitterfeeds und Szene-Kinos voll mit einer Krimi-Reihe, die seit 45 Jahren läuft. Warum ist das so? Hamburg, Istanbul, Moskau, Berlin. Til Schweiger jagt das Böse durch halb Europa. Explosionen, Verfolgungsjagden. Hollywood lässt grüßen und Michael Bay steht Pate. Es soll »starke Emotionen und humorvolle Brüche« geben. »Tatort«, das seit 1970 in Deutschland und einem Jahr später in Österreich an jedem verdammten Sonntag Millionen von Fernsehzusehern an die Geräte lockt, kommt ins Kino. Für die Hauptrolle kam mit Wutbürger Schweiger nur einer in Frage. Einer, dessen Besetzung stellvertretend dafür steht, dass Krimis im Fernsehen nur scheinbar eingeschlafen sind, sich aber in Wirklichkeit riesiger Beliebtheit erfreuen.
Tatort: Kino. Tatort: Wohnzimmer Szenenwechsel. Beliebige Großstadt im deutschen Sprachraum, Sonntag, kurz vor 20.15 Uhr. Vor alten Arthouse-Kinos in den Szenebezirken und auf Balkonen von WGs in Gegenden, wo die Gentrifizierung blüht, drücken die letzten ihre Zigaretten aus. Man kennt sich, sieht sich jeden Sonntag. Viele Lichtspielhäuser zeigen die brandneuen, immer gleichen Abenteuer der insgesamt 21 Kommissar-Teams bei freiem Eintritt. Bier, Wein und Wahrheitskraut dürfen mitgebracht werden, es gibt aber auch spezielle Menü- und Getränkekarten. Es geht nicht um Umsatz, sondern ums Wiederkommen, ums gemeinsam erleben, das miteinander Detektivsein. Die Einschaltquoten sind dementsprechend hoch. Je nach Beliebtheit der Ermittlerteams sehen im Schnitt bis zu 13,2 Millionen alleine in Deutschland zu, in Österreich sind es – vor allem bei den Fällen der Wiener Kommissare – auch bis zu über einer Million, die sich gegen den US-amerikanischen Blockbuster auf ORF1 entscheiden. Einschaltquoten, die sonst nur Fußballländerspiele oder »extrem wichtige« Ski-Abfahrtsrennen erreichen. Genau diese Sportevents sorgten schon lange dafür, dass wir nicht
mehr in den eigenen vier Wänden fernsehen. Auch »Tatort« schaut man jetzt häufig öffentlich. Der ARD ist das durchaus sehr recht, viele Wirte werden sogar mit offiziellem Merchandising und Marketinginstrumenten unterstützt.
Tatort: Twitter An jedem verdammten Sonntag. Twitter, sonst oft die Blase der Elitären, quillt über. Von einigen witzigen bis nüchternen Livetickern über allzu vorschnell getroffene Verdächtigungen bis hin zu – und das sehr ausgiebig – Kritik am Sender, den Schauspielern, an allem. #tatort ist Woche für Woche unter den Top-5-Hashtags des Sonntags, der offizielle Account zählt fast 160.000 Abonnenten, das CommunityManagement ist bei der Ausstrahlung live, unmittelbar und oft lustiger als der user-generated Content. Ähnlich wie bei Sport-Liveticker von Der Standard nimmt der Spaß mit dem Mitlesen auf Twitter zu. »Tatort« schafft es so, ein Gefühl zu erzeugen, das selten geworden ist. Man schaut gemeinsam. Der Second Screen wird zum riesigen Stammtisch für die Zuhausebleiber. Früher war mit zwei staatlichen Sendern das Gesprächsthema im Büro und in der Schule klar. Mit 117 Sendern und Serien, die jederzeit gestreamt werden können, sind kollektive Medienerlebnisse heute rar. Ereignisse wie der wöchentliche »Tatort« werden da umso dankbarer. Die ARD hat vor allem für »Tatort« einen »Teletweet« entwickelt, der die originellsten Beiträge unter dem #tatort als Untertitel direkt in das Fernsehbild einbindet. Ein zusätzlicher Motivationsschub, aktiv und kreativ an der Debatte am Second Screen teilzunehmen. Selbst bei den sonst so vorbildlich um eigene Hashtags für jede Serie bemühten USamerikanischen Produktionen klappt die Zuseher-Einbindung nicht so gut wie hier. Hohe Einschaltquoten und hohes Engagement im Netz bedingen sich gegenseitig.
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Tatort: Medien Auch die mediale Coverage ist enorm. Sämtliche deutsche Qualitätszeitungen – und mit großen Abstrichen auch wenige österreichische – bieten bereits wenige Stunden nach Ausstrahlung mitunter simultan geschriebene Abhandlungen, Kritiken und – besonders beliebt und lesenswert – Faktenchecks. Manche greifen die sozialkritischen Grundaussagen des Films auf oder informieren, wann es einen ähnlichen Fall gab, darüber, wie es Eltern wirklich geht, deren Kind vermisst wird. Für die wenigen, die sonntags keine Zeit hatten, werden TwitterNachlesen angeboten. Auch Buzzfeed International berichtete kürzlich über »Tatort« und ließ US-Amerikaner flapsig die Sendung sehen.
Tatort: Deine Region Auch die vielen Schauplätze sind ein Garant für die Beliebtheit von »Tatort«. Der ORF zeigt nicht umsonst »Landkrimis« aus einzelnen Bundesländern, die dort besonders hohe Quoten erreichen. Der »Brenner« bereist wie James Bond die Städte und Dörfer des Landes. In einer globalisierten Welt fühlt man sich damit nicht mehr so alleine. Auch »Tatort« hat seit Jahrzehnten dasselbe Konzept, manche Kommissare polieren manchmal sogar das Image einer Stadt auf. So bietet etwa Münster, wo der beliebteste, aber auch meist kritisierte »Tatort« spielt, eigene Stadtführungen für »Tatort«-Fans an. Die insgesamt 21 Teams – darunter auch 12 Frauen – sind schön auf das gesamte deutschsprachige Gebiet aufgeteilt. In Österreich waren Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser Quotenkönige. Sie waren 2014 die Protagonisten der mit Abstand meist gesehenen Spiel- oder TV-Filme des Jahres.
Tatort: Roter Teppich Apropos Schauspieler: Die These, »Tatort« wäre für viele Schauspieler eine Art Superbowl, etwas, das man unter Wert macht, um seine Beliebtheit zu steigern, steht mitunter im Raum. Aus künstlerischer Sicht trifft das – wie sich noch zeigt – nicht zu. Aus finanzieller allerdings auch nicht, denn: Natürlich gibt’s auch Kohle. Ein durchschnittlicher »Tatort«-Kommissar verdient etwa 50.000 Euro pro Fall. Angeblich werden – man darf raten für wen – Spitzengagen von bis zu 300.000 Euro bezahlt. Für deutsche Verhältnisse ist das viel. Man müsste also umgekehrt sagen: Die Beliebtheit der Serie steigt durch die Beliebtheit seiner Hauptdarsteller. Zu Stars wie etwa Jan Josef Liefers gesellten sich noch größere Heroes und Heldinnen der Leinwand dazu, wie etwa Nora Tschirner, Christian Ulmen, Wotan Wilke Möhring, Publikumsliebling und Sympathieträger Fahri Yardim, Ex-Jedermann Ulrich Tukur oder Sibel Kekilli, die auch in »Game Of Thrones« mitgespielt hat. Und Til Schweiger. Fünf Mal war er in den letzten zehn Jahren unter den zehn erfolgreichsten deutschen Filmen des Jahres. Er darf – erfolgsbedingt – als größter deutscher Leinwandstar »Tatort« ins Kino bringen.
Wände durchbrochen und fiktive Figuren zu ihren realen Schauspielern oder reale Schauspieler spielen eine fiktive Version ihrer selbst. Verwirrend, offene Münder, Grimme-Preis, Goldene Kamera. Das alles gab’s auch schon für andere »Tatort«-Produktionen, fast jährlich werden mehrere Folgen mit Preisen überhäuft, aber kein anderer Ermittler zeigt so sehr die neue, alte Klasse des »Tatort«.
Tatort: Sonntagabend Der Erfolg der »Tatort«-Reihe ist enorm, die vollen Kinos, Wohnzimmer und Twitterfeeds, Social TV, Stars und Preise in den Vitrinen. Er ist auch dem Ausstrahlungstermin geschuldet, dem Sonntag, dem traditionellen Ruhetag, an dem man nichts anderes vorhat. Keine Samstagabendshow – wo manche Leute ja rausgehen –, keine Dienstagabendsendung hätte so eine Chance, zur Institution zu werden. Nach der Arbeitswoche oder dem Feierwochenende schaffen es viele geschunden und verkatert gerade noch zum Fernseher, zum Second Screen oder ins Kino fürs Reparaturseidel. Der Krimi an sich hat ja immer noch diese klassische Anziehungskraft. Nicht umsonst wagt sich seit etwa fünf Jahren jeder österreichische Gegenwartsautor an einen Kriminalroman, das Genre ist das meistverkaufte im Literaturbetrieb. Die Anziehungskraft ist klar: Der Gerechtigkeitssinn als menschlicher Trieb, die nahezu hundertprozentige Aufklärungsquote lässt gut schlafen. Die Charakterzeichnung der »Tatort«-Kommissare wird über zig 90-minütige Episoden immer weiter getrieben, verfeinert und die Darsteller dem Zuseher als guter, schrulliger Freund nähergebracht. Die Mörder sind fast nie weltfremde Psychopathen, das könnte immer auch uns passieren. Das Spiel zwischen falschem Guten und wahrem Bösen – und umgekehrt – beherrscht der »Tatort« wie keine zweite Krimiserie. Mit Ausnahme von den Fällen Murots läuft »Tatort« fast immer nach Schema ab. Das ist – neben all den vielen Aspekten, die die Reihe so erfolgreich machen – wahrscheinlich das, was »Tatort« zu mehr als der Summe der ohnehin beeindruckenden Einzelteile macht. Oder, wie Brecht über den literarischen Bruder, den Kriminalroman, sagte: »Er hat ein Schema und zeigt seine Kraft in der Variation.« »Tatort« ist immer gleich, vorhersehbar, aber im Rahmen des Erwartbaren immer anders. »Tschiller: Off Duty« mit Til Schweiger und Fahri Yardim läuft ab 4. Februar im Kino. »Tatort« läuft seit 1971 jeden Sonntag im Fernsehen, in Österreich auf ORF2.
Tatort: Regiestuhl Auch auf der anderen Seite der Kamera waren immer wieder prominente Namen am Werk. Vor allem in Österreich wurde zuletzt namhaft inszeniert. Von Komödienkönig Harald Sicheritz über Wolfgang Murnberger (»Brenner«) bis hin zum Oscar- und Emmy-Nominierten Robert Dornhelm. Marvin Kren, der mit »Blutgletscher« das erste österreichische Creature Feature schuf, durfte – früher unvorstellbar – bereits dreimal in Deutschland drehen. Neben Geld sind auch die künstlerische Freiheit ein großer Anreiz, Regie bei »Tatort« zu führen.
Tatort: Preisverleihung Denn im Unterschied zum sonst so engen TV-Korsett, wo ambitionierte Konzepte im ORF gerne in die Dienstag Nacht geschoben werden, ermöglicht die ARD, und hier insbesondere der Hessische Rundfunk, eine durchwegs freie Interpretation des Themas »Krimi«. Zugegeben: Viele Tatorte laufen nach Schema F ab: Leiche am Anfang, der erste Verdächtige ist meistens der Täter, manchmal populistische Sozialkritik gegen die Eliten, zwei unterschiedliche Ermittler mit versteckten Gefühlen füreinander oder für andere Polizeimitarbeiter. Spätestens mit der 2010 eingeführten Figur des Felix Murot wurden einige klassische Aspekte des Kriminalfilms aber ad absurdum geführt. Mit zuvor als unmöglich eingeschätzter Freiheit in Drehbuch und Darstellung werden Querverweise und Bezüge auf das klassische Theater, aufs Avantgarde-Kino und Surrealismus geknüpft, werden vierte 031
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»The Hateful Eight« — Leichen pflastern Tarantinos Weg
Hüttengaudi
Mit »The Hateful Eight« beglückt uns der US-amerikanische Regiestar Quentin Tarantino mit einem neuen Western. Wer jedoch einen zweiten »Django Unchained« erwartet, der irrt! erscheinenden Dialoge erfüllen jedoch einen höheren Zweck: Sie verraten uns viel über die Titelhelden, die »Hateful Eight«, denen man zuhört und dadurch mehr über ihre Belange und ihre Art erfährt. Doch Tarantinos Helden sind oft nicht die, die sie zu sein scheinen: Seine Charaktere sind zwielichtig und meist unzuverlässig in ihrem Erzählen. Tarantino legt uns in »The Hateful Eight« mit Belieben falsche Fährten und verwehrt uns den Blick auf den doppelten Boden – und genau das macht »The Hateful Eight« so fintenreich, so überraschend.
Everybody’s Talking »The Hateful Eight« ist ein Dialogwerk geworden – ein Werk, das aus seiner Schwäche, größtenteils nur an einem Ort zu spielen, eine Tugend macht. Die Hütte ist mehr als nur ein austauschbarer Schauplatz. Sie ist die Bühne für einen Film, der in seiner Art sehr an ein klassisches Theaterstück erinnert. Kameramann Robert Richardson, mit dem Tarantino seit »Kill Bill Vol. 1« stets zusammenarbeitet, etabliert die Hütte durch seine toll eingefangenen Bilder als einen facettenreichen Ort des Geschehens. Tarantinos Mimen spielen fabulierend auf, ihre zahlreichen Dialoge entwickeln sich zu Wortgefechten. Niemand
Text Florian Kölsch Bild CONSTANTIN FILM
In »The Hateful Eight« versammeln sich die acht Titelhelden um den Henker John Ruth (Kurt Russell) und den Kopfgeldjäger Marquis Warren (Samuel L. Jackson) größtenteils in einer beschaulichen Hütte, irgendwo in der vollends verschneiten Prärie Wyomings. Das klingt nun erstmal nicht nach einer spannenden Ausgangshaltung für einen drei Stunden langen Spielfilm. Man beachte jedoch: Es ist ein Tarantino. Und es ist sein purster Film seit Langem: Durchwegs findet man für den Regisseur typische Merkmale – gelegentlich scheint gar das eigene Werk referenziert zu werden. Ob es nun kleine Details wie die Red Apple-Zigaretten, die Unterteilung in Kapitel oder der Hang zu goreähnlichen Gewaltszenen sind. Kernelement bleiben, wie schon bei seinen Meisterwerken »Reservoir Dogs« und »Pulp Fiction«, die Dialoge. Wieder einmal wird scheinbar die meiste Zeit über unwichtige Dinge parliert. In »The Hateful Eight« sind es beispielsweise die Qualitäten eines Stew (Deutsch: Eintopf) oder ein MacGuffin in Form eines Briefs von Abraham Lincoln an Marquis Warren, der im Laufe des Films unzählige Male thematisiert wird. All diese scheinbar bedeutungsarmen, für manche gar sinnlos
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der Anwesenden vermag der bedrohlichen Stimmung in der Hütte – liefert doch Kameramann Robert Richardson wunderschöne Aufnahentfliehen zu können – draußen weht schließlich ein Blizzard. Der men von verschneiden Berglandschaften. Doch man würde »The HateZuschauer kann ebenso wenig entfliehen – man steckt zu tief drin. Im ful Eight« unrecht tun – denn an sich ist er kein wirklicher Genrefilm, Film, in den Dialogen, in der Szenerie. »The Hateful Eight« ist ein Kam- und somit auch kein purer Schneewestern – auch wenn das Meistermerspiel – eine Art »Reservoir Dogs« im Westernsetting. Vor allem die werk des Genres, »Il Grande Silenzio« von Sergio Corbucci, laut eigener Darsteller nutzen die Bühne für sich: Spielt der Tarantino-All-Star-Cast Aussage ein großer Einfluss für den Regisseur war. um die Altherren Tim Roth, Michael Madsen und Kurt Russell solide, Die spannungsreichsten Momente erwarten den Zuschauer am liefert der eher aus dem US-Fernsehen bekannte Walter Goggins eine Ende des Films – dann, wenn aus dem Film ein Whodunit wird – und exzellente Leistung als Jung-Sheriff ab, die eigentlich nur noch von auch der ein oder andere Kopf rollt. »The Hateful Eight« ist alles in alJennifer Jason Leigh als Gefangene Daisy Domergue übertroffen wird. lem ein waschechter Tarantino: Ein Film, der radikal in seiner Machart Kommt Leigh am Anfang kaum zu Wort, dreht sie im letzten Drittel ist. Es ist kein Konsens-Western geworden wie der blutleere Vorgänger des Films richtig auf. Sie ist intrigant, brutal und erschreckend gut. Der »Django Unchained«. Mit »The Hateful Eight« unterwirft sich TarantiLohn: Eine Oscar-Nominierung. no keinem Genre-Diktat und versteht es gleichzeitig, eine Hommage an die großen Meister zu leisten.
Fear of a Black Dingus
An der Speerspitze des darstellerischen Ensembles steht jedoch ein überzeugend aufspielender Samuel L. Jackson. Er ist der große Blender: Bösewicht und Held zugleich, oft auch ein großer Geschichtenerzähler: Meist von erlogenen, selten von wahren. Jacksons Charakter ist nicht nur wegen der größten Bildpräsenz der zentrale des Films. Der Western war schon immer ein Genre mit einer großen Rassenthematik. »The Hateful Eight« spielt in der Zeit nach den Sezessionskriegen – in der Gesellschaft waren Ressentiments gegen Afro-Amerikaner die Regel – so wird auch Jacksons Charakter von vielen in der Hütte angefeindet. Beiläufig und trotzdem am Punkt baut Tarantino diese essentielle Thematik in seine Dialoge ein: So lässt er jeden der Anwesenden frei und demokratisch seine Meinung zu Afro-Amerikanern äußern, stellt einen gefühlten Rekord für den Gebrauch des Wortes »Nigger« auf und lässt Samuel L. Jackson in seiner wohl stärksten Szene im Film eine Geschichte über das größte Feindbild eines jeden weißen, rassistischen Amerikaners erzählen: seinen »black dingus«.
Kein Konsens Man könnte »The Hateful Eight« wegen seines visuell fulminanten ersten Drittels getrost der Tradition des »Schneewesterns« zuordnen
Oscar für den Maestro? »The Hateful Eight« mischt bei zahlreichen Filmpreisen mit. Auch bei den Oscars darf man in drei Kategorien auf einen Preis hoffen. Neben Leigh als beste Darstellerin und Richardson als bester Kameramann ist auch Ennio Morricone für die beste Filmmusik nominiert. Für »The Hateful Eight« komponierte der 87-jährige Italiener einen Original-Score, der so gar nicht gestrig klingt und nur lose etwas mit eben jenen Italo-Western-Themen zu tun hat, die Tarantino in der Vergangenheit so exzessiv in seinen Filmen nutzte. Der größte Gänsehaut-Moment mit Morricones Musik erwartet den Zuschauer direkt zu Beginn in der genial choreografierten Anfangssequenz. Allein wegen dieses Themas sollte sich der italienische Maestro Hoffnungen auf einen Oscar machen dürfen. Für seine Musik zu »The Hateful Eight« errang Morricone vor wenigen Wochen den Golden Globe, den Tarantino stellvertretend für seinen abwesenden »Lieblingsmusiker« entgegennahm. »The Hateful Eight« läuft seit 28. Jänner in den österreichischen Kinos. Im Wiener Gartenbaukino kann man sogar zweimal täglich die Originalfassung des Films im 70 mm-Format anschauen. 033
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»Deadpool« — Eine Hoffnung auf wildere, fiesere, bessere Superhelden
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Text Leo Dworschak Bild foxfilm
Mit »Deadpool« kommt endlich eine Marvel-Adaption in die Kinos, die den derben Gags und der blutigen Action ihrer Vorlagen gerecht wird. Es gibt wieder Hoffnung für das Superheldengenre.. Seit Monaten träumen ganze Fanboy-Heerscharen von »Deadpool« … und kleben am nächsten Morgen an ihren Bettdecken fest. Jugendverbot, Promo-Irrsinn und der Kult um die Comics sind starke Aphrodisiaka für Liebhaber von Superhelden. Wenn der rotgewandete Söldner mit der Riesenklappe endlich im Kino seine Schwerter schwingt, werden also mit Sicherheit nicht nur Augen feucht. Warum? Weil die neueste Marvel-Verfilmung hält, was sie verspricht: Derbe Gags, bitterböser Humor und exzessive Gewalt machen »Deadpool« zum ersten Comic-Movie der Generation Blockbuster, das ein R-Rating erhielt (und auch erhalten wollte). In den USA dürfen sich Kinder unter 17 Jahren den Film nur in Begleitung eines Erwachsenen ansehen. Bemerkenswert ist das, weil sich die großen Studios meist um eine Profit-steigernde Altersfreigabe (PG-13) bemühen. Dass »Deadpool« in dieser Form zu sehen ist – sprich dem Grundtenor von Robert Liefelds Comics treu und nicht für Kinder geeignet – geht vor allem auf die Kappe des Hauptdarstellers Ryan Reynolds. Der setzte sich nach dem desaströsen Kino-Debüt des AntiSuperhelden als Nebenfigur in »X-Men Origins: Wolverine« vehement für Wiedergutmachung ein. Reynolds selbst macht die Fans für die Realisierung des Streifens verantwortlich: Nach dem Leak von blutigen und politisch so gar nicht korrekten Probeaufnahmen entstand ein derart gigantischer »Deadpool«-Hype, dass 20th Century Fox das jahrelang abgewiesene Projekt schließlich bewilligte.
Nein zum Adamsblatt
Der Plot des Films sticht nicht aus der Masse der Comic-Movies heraus: Ex-Elitesoldat Wade Wilson hat seiner Geliebten gerade einen Antrag gemacht, als bei ihm Krebs im Endstadium diagnostiziert wird. Um sein Leben zu retten, nimmt er an geheimen Experimenten des US-Militärs teil. Die verleihen Wade zwar übermenschliche regenera-
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tive Kräfte, vernichten aber auch sein gutes Aussehen. Um Looks und große Liebe wiederzubekommen, jagt der Ex-Soldat als Deadpool dem Laborchef und Foltermeister Ajax hinterher. Dabei wird er von den X-Men Colossus und Negasonic Teenage Warhead (großartig: Brianna Hildebrand) unterstützt. Die unausweichliche Origin-Story ist der einzige nervige ComicVerfilmungsstandard, mit dem »Deadpool« nicht bricht. Ungeniert lassen Regisseur Tim Miller und Drehbuchautoren Rhett Reese und Paul Wernick Köpfe explodieren, amüsieren mit Schmähs härtester Gangart, zerbeulen die vierte Wand konsequent mit der Abrissbirne und sparen weder mit Selbstironie noch Genrekritik. Bei einem anderen Marvel-Helden würde das womöglich plakativ und aufgesetzt wirken, zu »Deadpool« passt es wie die Faust aufs Auge. Endlich wieder ein Film, der sich kein Blatt vor den Mund und kein Adamsblatt vor den (CGI-)Penis nimmt!
Hoffnungsschimmer
Das offenbart sich bereits in der ersten Minute des Films, die »Walking Dead«-Mastermind Robert Kirkman nach einem Vorab-Screening als »beste [Anfangs-]Credits-Sequenz, die ich in den letzten Jahren gesehen habe« beschrieb. Der Autor des Originals, Robert Liefeld, sprach gar vom besten Deadpool aller Zeiten und sorgte damit für den Ritterschlag der Comic-Adaption. Ob das Erfolgsrezept von »Deadpool« Bestand hat, wird sich spätestens im bereits geplanten Sequel zeigen. Fest steht, dass der Film in Zeiten der Comic-Movie-Ära – in der die Studios an Zehnjahresplänen feilen und mit PG-13-Franchises Milliarden scheffeln – nicht nur eine willkommene Abwechslung darstellt, sondern auch Hoffnung macht: Auf wildere, fiesere, bessere Superhelden.
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»Deadpool« startet am 12. Februar in den österreichischen Kinos.
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das kunstjahr — Highlights aus Museen, Festivals und der freien Szene
Now It’s Over … but … After Now We Build the Future
Text Denise Helene Sumi Bild Courtesy die Künstlerin und The Approach, London, Foto: Plastiques Photography, Markus Rössle,
Während das deutsche Feuilleton auf Wien blickt, wird Kunst oft nur am Rande erwähnt. Wer und was das ganze Land ganz schön bereichert, haben wir – selbstverständlich unvollständig – in einem Ausblick auf das Kunstjahr 2016 versammelt.
Wien hat 2015 bewiesen, dass die Gegenwartskunst das traditionsreiche Bild der Stadt produktiv bereichert. Die erste Vienna Biennale mit dem Titel »Ideas for Change«, die internationale Kunstmesse Vienna Contemporary, die junge Messe Parallel Vienna und die Serie Curated by, das Vienna Gallery Weekend und die Vienna Art Week erfreuten sich 2015 breiter internationaler Aufmerksamkeit. Der Condé Nast Traveler hatte Wien sogar als heimliche Hauptstadt zeitgenössischer Kunst bezeichnet. Das mag übertrieben sein – bei Artsy schafft Wien es eher nur unter die Top 20 –, aber es tut sich viel. Die unterschiedlichen Formate – Verkaufsmesse, junge Satellitenmesse, eine Fokuswoche und das Versammeln kuratorischer Praxen und aktueller Theoriedebatten – bilden Wien auch 2016 kontinuierlich als bedeutendes europäisches Zentrum der Gegenwartskunst aus. Dass Zusammenschlüsse für alle Beteiligen aber auch unbequem und wenig rentabel sein können, zeigt, dass 2016 nach sechsmaliger Durchführung kein Gallery Weekend Vienna mehr stattfinden wird.
tierte Ausstellung stattfinden. Wer ihr als Junior Curator folgen wird, ist noch nicht bekannt.
Der Vertrag von Kunsthallen-Direktor Nicolaus Schafhausen wird im Herbst 2017 auslaufen. Fünf Jahre läuft sein Vertrag insgesamt. Drei Jahre waren es bisher. Nach Ausstellungen wie »Ökonomie der Aufmerksamkeit«, »The Future of Memory« oder der kostenlosen Ausstellung zu politischem Populismus reiht sich 2016 die Ausstellung »The Promise of Total Automation« in die Reihe Gruppenausstellungen, welche sich mit globalen und gesellschaftsrelevanten Themenkomplexen einer im Wandel begriffenen Gegenwart auseinandersetzt. Sie fokussiert die Rolle der Technologie, der Maschinen und der Dinge, die ebenso wie die Menschen Teil eines globalen Netzwerks sind und spürt dabei einer Archäologie des digitalen Zeitalters und der Utopien einer technologischen Zukunft nach. Der Soundkünstler Florian Hecker kommt zu Ende des Jahres. »Beton«, zum viel gehypten Baustil des Brutalismus, im Sommer.
Monsterschau: #hybridinfopainting
Die Tanker: 21er Haus, Secession, Albertina und TBA21
Ein Highlight wird die Ausstellung Painting 2.0 Malerei im Informationszeitalter mit über 230 Werken von 107 Künstlerinnen und Künstlern – international eine der umfangreichsten musealen Malereiausstellungen der letzten Jahre. Sie wird ab Juni, nachdem sie ihren Auftakt im Museum Brandhorst in München hatte, im Mumok zu sehen sein. Sein ehemaliger Direktor Achim Hochdörfer half dabei, sie zu kuratieren. Offenbar war es eine gute Zusammenarbeit zwischen Hochdörfer und Karola Kraus’ Team. Zum Auftakt der engagierten und konzentrierten Show zeigte man in München zentral Martin Kippenbergers Serie »Heavy Burschi«, gefolgt von den Blöcken »Geste und Spektakel«, »Exzentrische Figuration« und »Soziale Netzwerke«. Letzteres zeigte malerische Positionen, die eine »Netzwerkgesellschaft« als solche ausweisen, etwa Werke von Seth Price oder auch Arbeiten aus Andy Warhols Factory. Die Ausstellung ist unentbehrlich für alle Studierende der Bildenden, Angewandten oder Kunstgeschichte, aber auch super erfrischend und gut aufbereitet für ein Museumspublikum. Der Audio-Guide lohnt sich. Zeitgleich wird im Mumok eine Ausstellung des Künstlerduos Pakui Hardware eröffnet. Ausgehend von der synthetischen Biologie entwirft Pakui Hardware ein Szenario möglicher neuer Lebewesen und Lebensweisen, (Hybrid-)Wesen der Zukunft. 2016 wird die letzte von Barbara Rüdiger am Haus kura-
Gerade eben eröffnete die Ausstellung »Sarah Ortmeyer: Koko Paradise« im 21er Haus. Neben traurigen Palmen werden dort auch bald tägliche Vorführungen der jüngsten Filmproduktion von Edgar Honetschläger, »Los Feliz«, und eine Serie großformatiger Zeichnungen, die in Zusammenhang mit seinem neuesten Spielfilm entstanden sind, zu sehen sein. Die Secession in Wien setzt auch im kommenden Jahr auf gut gewählte Einzelausstellungen. Ab Februar wird die aus Kalifornien stammende Künstlerin Lutz Bacher in der Secession in Wien vertreten sein. Der Name ist ein männliches Synonym, das sie seit den 70er Jahren verwendet. Unter anderem wird die fotografische Serie »Jokes« aus den 80er Jahren, welche Politiker zeigt, die Videoanimation »Closed Circuit« aus den 90er Jahren, die dem Leben eines Galeristen nachspürt und skulpturale Arrangements aus unterschiedlichen Schaffensphasen in der Ausstellung »Lutz Bacher. More Than This« zu sehen sein. Für den Hauptraum der Secession schafft die Künstlerin ein neues Werk. Parallel eröffnet Dike Blair. Im fotorealistischen Malstil zeigt uns Blair Cocktails, Drinks, Biergläser oder leere Teller als Stillleben der Gegenwart. Im November dann Arbeiten von Francis Alys im Hauptraum und Avery Singer in der Galerie. Ein Highlight in der Albertina werden bestimmt die Holzschnitte von Anselm Kiefer werden. Ende
Kunsthalle: Versprechungen
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Links Oben: Magali Reus im Rahmen der Ausstellung »The Promise Of Total Automation« bis Ende Mai in der Kunsthalle Wien. Links Unten: Edgar Knopps Farbprofile aus den 70ern bis Mitte April im 21er Haus. Rechts: Die hübschen Palmen in »Koko Paradise« der 1980 in Wiener geborenene Sarah Ortmeyer sind noch bis 3. April im 21er Haus zu sehen.
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des Jahres hieß es von offizieller Stelle, die Thyssen-Bornemiza-Erbin Francesca von Habsburg gedenke ihre gesamte Sammlung zu den Nachbarn nach Zürich abzuziehen. Sicher ist: 2016 wird der Standort TBA21 im Augarten weiter bespielt.
Galerien: Bio-Life, Gallery Life and Ark Building Während manche Kollegen in Berlin mit ansteigenden Mieten zu kämpfen haben, stellt der Galerist Emmanuel Layr nun in großzügigen Räumlichkeiten in der Seilerstätte aus. Gerade noch dort zu sehen: »Niklas Lichti. BioLife«. Danach Tillman Kaiser. Das Ve.sch in der Schikanedergasse beendete seine Ausstellungstätigkeit und den spannendem Austausch vor allem der jungen deutschsprachigen Kunstszene nun endgültig. Die Immobilie wird gerade, gerne auch wieder für neue Galerien, aber eben in Verbindung mit hohen Maklergebühren, weitervermittelt. Das Möe sollte seine Räumlichkeiten im 17. Bezirk nach Beendigung des Zwischennutzungsvertrags verlassen. Möe bleibt. WellWellWell, nadalokal, die Wiener Art Foundation mit dem Büro Weltausstellung, Galerie Kunstbüro und Kunstraum am Schauplatz bleiben ebenfalls Institutionen, welche das Bild von Wien als Kunst- und Künstlerinnenstadt in kleinen Spaces und Galerien fröhlich weiterfeiert. Im Februar wird in der Brunnengasse 62 ein neuer Raum eröffnet: Kevin Space. Caspar Heinemann aus London, erster Resident dort, beschäftigt sich derzeit mit queerer Verkörperung, radikaler Ökologie und der Machart von Mythen. Begriffe wie ArkBuilding und Survivalisms umkreisen die kommende Solo-Ausstellung. Es folgt ein Performance Weekend und eine Ausstellung der Wiener Künstlerin Marina Sula.
Graz, Salzburg & Krems: No Borders Aus gesamtösterreichischer Sicht darf man sich für die Zukunft wünschen, dass auch die umliegenden Bundesländer Wege und Möglichkeiten finden werden, ihre Standorte auszubauen. Ein produktiver Austausch zwischen den Städten ist dafür notwendig. Das Programm für die Internationale Sommerakademie für Bildende Kunst Salzburg wurde soeben verschickt und die Anmeldung für Stipendien läuft. Während der Laufzeit der Akademie können Studierende bei freiem Eintritt die Shows der Salzburger Institutionen besuchen. Etwa die Ausstellung »People’s Cinema« im Salzburger Kunstverein, die sich der Schnittstelle und Beziehung zwischen dem Kino und zeitgenössischer Kunst widmen wird. Im September wird im Salzburger Kunstverein eine Gegenüberstellung von drei Frauen, alle einer ähnlichen Gene-
Chris Rosa. Now It’s over Galerie Meyer Kainer | bis 27. Februar Niklas Lichti. BioLife Galerie Emanuel Layr | bis 27. Februar Melanie Gilligan Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien, Graz | bis 3. März Lutz Bacher: More Than This Secession | 12. Februar bis 3. April | Eröffnung: 11. Februar, 19 Uhr Dike Blair Floors / Doors / Windows / Walls | 12. Februar bis 3. April | Eröffnung: 11. Februar, 19.00 Uhr
Die Art Design in Feldkirch bringt Gegenwartskunst im großen Stil nach Vorarlberg. ration angehörig, stattfinden. Die Ausstellung zeigt Arbeiten der drei Künstlerinnen Anna-Sophie Berger, Hayley Silverman und Flaka Haliti. 2016 wird erneut das Format Offener Betrieb in Graz stattfinden. Eine Initiative ansässiger Institutionen. Für zwei Wochen fanden letztes Jahr im Juni Workshops für KünstlerInnen, etwa mit Heinrich Dunst und Nils Norman und Rahmenprogramm, statt. Das Programm wird voraussichtlich im Mai erscheinen. Graz steht überhaupt ein spannendes Kunstjahr bevor. Nachdem der ehemalige Wiener Galerist Peter Pakkesch vergangenen Herbst seinen Rücktritt als Direktor des Universalmuseum Joanneum angekündigt hat, finden gegenwärtig Gespräche über eine Neubesetzung statt. Im Mai wird Kuratorin Katrin Bucher Trantow im Kunsthaus Graz die Ausstellung »Bittersüße Transformation« zeigen. Mit Werken von Alina Szapocznikow, Katerina Vincourová und Camille Henrot wird darin ein Dialog auch über den weiblichen Körper als Material stattfinden. Auch dem Grazer Kunstverein steht ein Direktionswechsel bevor. Krist Gruithuisen hat es Sören Grammel gleichgetan und ebenfalls vier Jahre lang den Grazer Kunstverein geleitet und in der internationalen Gegenwartskunstlandschaft weiter gefestigt. Bald werden dort die simplen aber dynamischen Arbeiten von Philippe Van Snick zu sehen sein. Auch hier ist noch unklar aber sehr spannend, wer Gruithuisen folgen wird. Das kleine Team rund um Direktor Sandro Droschl bespielt 2016 als Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien Graz nun in ihrem vierten Jahr das Künstlerhaus im Stadtpark. Die fortlaufende Etablierung als Format zwischen Kunstverein und Kunsthalle offenbart sich in der diesjährigen Programmierung. Gleich drei international renommierte Künstlerinnen werden im Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien mit einer Solo-Show vertreten sein. Mit viel Drama, aber auch Humor, Science-Fiction und Horror thematisieren Melanie Gilligans Videos mit vielschichtigen, aus Fernsehserien adaptierten Narrativen die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Im März folgt mit Sighs Trapped by Liars – Sprache in der Kunst, eine thematische Gruppenausstellung kuratiert von Christian Egger, die zahlreiche Arbeiten von rund 15 international anerkannten Künstlerinnen und Künstlern, welche sich mit Sprache und Poesie
Edgar Honetschläger.Los Feliz 21er Haus | 19. Februar bis 28. Februar | täglich Filmvorführungen Caspar Heinemann Kevin Space | 23. Februar bis 20. März | Eröffnung: 22. Februar, 19.00 Uhr The Promise of Total Automation Kunsthalle Wien, Museumsquartier | 11. März bis 29. Mai | Eröffnung: 10. März, 19.00 Uhr Philippe Van Snick Grazer Kunstverein | 12. März bis 22. Mai | Eröffnung: 11. März, 18.00 Uhr Sighs Trapped by Liars. Sprache in der Kunst Künstlerhaus. Halle für Kunst & Medien, Graz | 12. März bis 29. Mai | Eröffnung: 11. März, 18.00 Uhr
Anselm Kiefer. Holzschnitte Albertina | 18. März bis 19. Juni | Eröffnung 17. März, 19.00 Uhr Bittersüße Transformation Alina Szapocznikow, Kateřina Vincourová und Camille Henrot | Kunsthaus Graz | 26. Mai bis 28. August | Eröffnung: 25. Mai, TBA Painting 2.0: Malerei im Informationszeitalter Mumok, Museumsquartier | 4. Juni bis 6. November | Eröffnung: 3. Juni 2016, 19 Uhr Pakui Hardware. Vanilla Eyes Mumok, Museumsquartier | 4. Juni bis 2. Oktober | Eröffnung: 3. Juni, 19.00 Uhr
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Der Prater war im Zweiten Wiener Bezirk früh jüdisch geprägt. Eine Ausstellung arbeitet dies von Mitte März bis Mitte September aus. beschäftigen, präsentiert. Ein Fanzine-Messe soll es auch geben. Florian Steininger wird ab dem 1. Juni 2016 neuer künstlerischer Leiter der Kunsthalle Krems werden. Zuvor als Kurator im Bank Austria Kunstforum tätig, zeigte er klassische Personalen von Frida Kahlo bis zuletzt Warhol und Basquiat.
Festivals & Biennalen Thomas Edlinger übernimmt ab 2017 die künstlerische Leitung des Donaufestival Krems. Dieses Jahr ist also das letzte Jahr, das von Tomas Zierhofer-Kin programmiert wird. Anfang März werden weitere Künstler und Projekte bekanntgegeben. 2016 soll in der Südtiroler Bergwelt das Sinstruct Festival nach einem Jahr Pause für Wiese und Wald wieder stattfinden. Auch die Ars Electronica in Linz bleibt Teil der österreichischen Kunst-Festivallandschaft. 2016 feiert das Sound:frame und Gründerin Eva Fischer gemeinsam mit zahlreichen Partnern, internationalen Künstlern und dem Publikum sein zehnjähriges Bestehen. Schon jetzt kann man sich das Festival Steirischer Herbst im Kalender markieren. Das gesamte Programm wird im Juni bekanntgegeben. Und obwohl oder gerade weil die Kollegen im Westen Österreichs bisher nicht genannt wurden, sei hier noch kurz ein Blick über die Grenzen gegeben.
Jenseits der Alpen Dieses Jahr findet in Zürich die Manifesta 11, the European Biennial of Contemporary Art, statt. Den Titel »What People Do For Money« darf man angesichts dessen, dass das Kunstereignis von dem deutschen Künstler Christian Jankowski kuratiert wird, ruhig etwas zynisch und mit Humor lesen. Die Vienna Biennale findet dann erst wieder 2017 statt. Bewegt sich Wien aber weiterhin in jene positive Richtung, dass sie sich auch als Stadt für junge und etablierte Gegenwartskunst einen Namen macht, dass sich die Stadt auch genau dafür einsetzt und noch mehr Räume schafft oder eben gerade aus einem Mangel daran diese aktiv beschaffen werden, dann könnte man doch mit optimistischer Aussicht auf 2018 schon mal daran denken, eine Manifesta 12 in Wien zu haben.
People’s Cinema (Salzburg Contemporary) Salzburger Kunstverein | 23. Juli bis 11. September | Eröffnung: 22. Juli, 20.00 Uhr Anna-Sophie Berger & Hayley Silverman & Flaka Haliti Salzburger Kunstverein | 24. September bis 27. November | Eröffnung: Freitag, 23. September, 20.00 Uhr Florian Hecker. Halluzination, Perspektive, Synthese Kunsthalle Wien, Museumsquartier | 11. November bis 5. Februar 2017 | Eröffnung: 10. November, 19.00 Uhr
Oben: Maria Lassnig bis Mai im Kunsthaus Bregenz. Unten: Robert La Roche ab Mai im MAK.
Messen, Festivals und andere Formate sound:frame Festival »TEN« 15. April bis 24. April Donaufestival Krems 29. April bis 1. Mai & 5. bis 7. Mai Sinstruct. Ein Festival der Art art in Südtirol TBA Ars Electronica Linz 8. bis 12. September
Vienna Contemporary 22. bis 25. September Parallel Vienna TBA Curated by TBA
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Angst-räume in der Stadt
Stadtplanung und Stadtpsychologie
Text Stefan Schallert Bild Kay Walkowiak
Da steht ein sprichwörtlicher Elefant in unserer Mitte und wartet dringend darauf, angesprochen zu werden: Ich hab Angst. Du hast Angst. Die ganze Stadt hat Angst.
Kay Walkowiak beschäftigt sich in seinen Arbeiten mit Le Corbusiers Planstadt. Ab Mitte April sind seine Arbeiten im MAK zu sehen. 040
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Ich hab manchmal Angst davor, allein in einer mir fremden Masse zu sein. Und zwar nicht jene Angst, die einem die Zeit in Wartezimmern noch unangenehmer erscheinen lässt, sondern jene, bei der sich der Magen flau anfühlt, man Hitzewallungen bekommt, leicht schwindelt und panisch die Flucht ergreifen will. Und ich weiß, ich bin nicht allein damit. Auch Josef Schörghofer fühlt manchmal ein plötzliches Unbehagen, wenn er auf seinem Arbeitsweg einen verwaisten Koffer im hektischen Bahnhofsgebäude sieht und als Leiter der Informationsabteilung der Psychosozialen Dienste Wien, Sozialarbeiter und Therapeut weiß er eigentlich, dass seine Furcht statistisch gesehen sehr irrational ist, aber so funktionieren Ängste auch nicht: rational. Man muss an dieser Stelle differenzieren, denn Ängste gibt es sehr viele und über manche wird sehr viel gesprochen, zu viel vielleicht: Terror, Krise, Schuldenberg, Flüchtlingsstrom, Geburtenquote, Erd erwärmung, Luftverschmutzung, etc., unsere Existenz wird permanent bedroht und scheinbar jeder Tag bietet eine neue Sorge, die uns abends den Schlaf raubt. Doch jene Ängste sind hier nicht gemeint, sondern jene, die uns plötzlich überfallen, uns erstarren und alles andere vergessen lassen und in Alarmzustand versetzen. Einen Alarmzustand, wie er notwendig war, als unsere Urahnen noch barfuß durch Urwälder gerannt sind, aber im Großstadtdschungel völlig fehl am Platz scheint. Schörghofer beschreibt Angst als »diffuse Reaktion« auf etwas nicht Vertrautes und Fremdes. Die scheinbare Bedrohung liege dabei im Unbekannten, in der »Anonymität des sozialen Umfelds«. Anonymität, wie sie in großen Ballungsräumen tagtäglich auf uns einströmt.
Zielgruppe Student oder Landei »Ich halte es in der Stadt einfach nicht (mehr) aus … mich ekelt einfach vor allem und ich weiß, dass es oft nicht mal rational ist«, schreibt ein Innsbrucker Student nach gut einem Jahr in der Stadt. Städte sind Stressherde, man ist einer Vielzahl von Reizen ausgesetzt und durch die permanenten Wechsel von Personen und Situationen ist die »Adaption des urbanen zum sozialen Raum«, wie Schörghofer es nennt, bedeutend schwieriger als auf dem Land. Laut Forschung schützen sich Stadtbewohner unbewusst, in dem sie die einströmenden Reize besser verarbeiten können. Für Personen, denen diese natürliche Abwehr fehlt, kann die fremde Stadt jedoch schnell zum unheimlichen Zwang werden und schlummernde Ängste wie soziale Phobien, Platzangst, Agoraphobie oder auch Fremdenfeindlichkeit wecken. So sind beispielsweise Panikattacken, Einsiedlerverhalten oder Stadtflucht keine seltenen Phänomene unter Studenten, die vom Land in die große Stadt ziehen. Doch nicht nur Reizüberflutung und Hektik machen Städte zu Angstkatalysatoren. Wo Massen aufeinandertreffen und die vertraute Umgebung ganz klein im Vergleich zum gesamten Umfeld wird, sind Angstsituationen wie vor einem verwaisten Koffer vorprogrammiert. Besonders, wenn es sich um »erlernte Ängste« handelt, wie Schörghofer die Reaktion auf die Anschläge in Paris oder die Übergriffe in Köln bezeichnet. Auch ohne direkten persönlichen Bezug können Ereignisse unser Sicherheitsgefühl tief erschüttern. Was bleibt, ist ein latentes Gefühl des Unbehagens und der Furcht, welches dem urbanen Raum seine mühevoll angeeignete vertraute Seite schlagartig abringen kann, und sie stattdessen mit Orten der Angst ersetzt. Experten sprechen von Angst-Räumen.
Panik-raum Angsträume in Städten sind schlichtweg nicht zu vermeiden: UBahn-Stationen, dunkle Ecken, Parks in der Nacht, verlassene Bürogebäude, größere Ansammlungen von Menschen, Straßenverkehr, Konzertsäle, zu viele Orte und Situationen haben das Potenzial, auf die eine oder andere Art zur Bedrohung zu werden. Zusätzlich sind Angst-Räume flexibel und verändern ihr Gesicht je nach Tages- und Jahreszeit. Was sie alle auszeichnet, ist das Fehlen von sozialer Kontrolle durch Bewohner der Stadt. Es sind Orte, wo das Leben nicht seinen geregelten Lauf nimmt, die deshalb von eben jenen Gestalten aufgesucht werden, die sich in ihrem Tun dem wachsamen Auge der Bevölkerung zu entziehen versuchen. Aus Sicht der Stadtentwicklung bedeutet die Beseitigung von Angst-Räumen in erster Linie weniger
Vandalismus, Verschmutzung und Kriminalität. Ein Beispiel, dass dies nicht immer ein leichtes Unterfangen ist, stellt die Flex-Stiege bei der Augartenbrücke dar. Von Razzias über Beleuchtungsversuche bis zur Regulierung des Außenbereichs durch den Clubbetreiber wurde bereits vieles versucht, um dort Dealer zu vertreiben, mit allseits bekanntem (Miss-)Erfolg.
Glas und Licht Durch ihre ständige Fluktuation ist die Identifikation und Beseitigung von Angst-Räumen für Stadt und Behörden eine SisyphosAufgabe, deren Effekt sich in erster Linie auf die gefühlte Sicherheit auswirkt. Dieses Gefühl der Sicherheit wird nur bedingt durch Überwachung und Exekutive erzeugt, sondern durch bauliche Maßnahmen, die den Räumen Übersicht und Transparenz zurückgeben sollen, um sie architektonisch als auch sozial wieder zu öffnen. Dies kann ein simples Entfernen von wucherndem Grün sein, oder das Ersetzen von Beton durch Glas und vor allen Dingen die richtige Beleuchtung. Schörghofer erklärt Angst-Räume mit dem drohenden »Verlust von Kontrolle«, die den Personen jedoch künstlich zurückgegeben werden kann und nennt als Beispiel die Passage zum Wiener Karlsplatz, der vor ein paar Jahren noch Drogenumschlagplatz Nummer eins war und heute bedenkenlos benutzt werden kann. Dass die Drogenkriminalität und somit der Angst-Raum sich dadurch nur an andere Orte der Stadt verschoben hat, ist dabei subjektiv und auch politisch erstmal zweitrangig.
No Brooklyn in Innsbrooklyn Wien und auch die meisten anderen österreichischen Städte sind hierfür eigentlich schlechte Beispiele, da das Sicherheitsgefühl generell hoch ist im Vergleich zu Ballungsräumen, welche mit Vierteln und Situationen zurechtkommen müssen, die man am Besten ganz meidet. Kontrollverlust seitens Behörden und Exekutive existiert quasi nicht. Aus Sicht von Angstpatienten ist dies jedoch nur ein kleiner Trost, denn es braucht keine reale Bedrohung, um eine Angstreaktion hervorzurufen. Angststörungen und damit verbundene Panikattacken können aus jeder Situation blitzschnell eine Angstsituation werden lassen und ihre Patienten in einen unerträglichen Zustand der Erregung versetzen, auch ohne erkennbare Ursache. Das Wissen, dass es keine unmittelbare Gefahr gibt, hilft in diesen Zuständen nichts mehr. Im Gegenteil: die Irrationalität des Verhaltens verstärkt die Angst vor der Angst nur noch mehr und zwingt Angstpatienten, Angstsituationen generell großflächig zu umgehen. Das kann heißen: keine U-Bahn, keine Clubs, keine Konzerte und schon gar keine öffentlichen Events, aber auch, dass man sich beispielsweise überhaupt nicht mehr auf die Straße traut. Wo gesunde Menschen Angsträumen und erlernten Ängsten mit »einem gesunden Fatalismus« begegnen können, wie Schörghofer die natürlich vernünftige Abwehr gegen die Furcht nennt, hilft für Angstpatienten oft nur Flucht und Rückzug. Dass im Durchschnitt jedem Dritten in seinem Leben eine Panikattacke widerfährt, beweist allerdings, wie relevant das Thema ist. Ein erster Schritt wäre es, einen offenen Dialog über Angstgefühle zu führen, ohne in eine Dialektik der Bedrohung zu verfallen.
Auch Sarah hat Angst vor der Angst Josef Schörghofer weiß aus seinem Berufsalltag, dass Angst, besonders in ihren irrationalen Ausformungen, gesellschaftlich oft belächelt, wenn nicht sogar als Schwäche angesehen und tabuisiert wird. Wer Angst hat, funktioniert nicht, kann mit dem Fluss der Stadt nicht mithalten, ist »Mängelexemplar«. So zumindest in den Worten von Moderatorin und Autorin Sarah Kuttner in ihrem (semibiografischen) gleichnamigen Debütroman 2009. Die Kultur führt bereits den Diskurs über die Angst in unserer Mitte, um zumindest den sozialen Leidensdruck zu bekämpfen. Die Relevanz ist offensichtlich, wird aber oft nachrangig behandelt. Oder verwandelt sie sich nur? Xenophobie wird zum Hassposting? Sicherheitsbedenken zur Überwachung? Kontrollverlust zum politischen Instrument? Der Gedanke alleine macht Angst. Mit Josef Schörghofer zu reden, ist generell eine sehr angenehme Angelegenheit. Als Koordinator des Krisentelefons ist er und das Team der Psychosozialen Dienste Wien unter der Notrufnummer (01) 31 330 errreichbar. 041
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Letzten Frühling haben Ferguson und Polizeigewalt die USA erschüttert. Ta-Nehisi Coates sucht keine Ausreden, sondern Antworten dafür.
»Zwischen mir und der Welt« von Ta-Nehisi Coates — Ein Standardwerk über Rassismus
Gewalt – Eine Laune der Welt 042
Text teresa reiter Bild CC BY2.0: FIBONACCI BLUE, tidal.com / YOUTUBE
Dieses Buch richtet sich nicht an Weiße. Es hat kein Happy End. Es ist nicht ausgewogen und dennoch ein wichtiges Rüstzeug – auch für eine europäische Rassismus-Debatte. Ferguson, Baltimore, Charleston – Ein Grund, dass uns diese Städte ein Begriff sind, ist die Gewalt, die sich dort zugetragen hat. Geschichten vom skrupellosen Vorgehen der US-Polizei gegen junge schwarze Männer und die Massenerschießung schwarzer Kirchgänger durch einen 21-jährigen Rechtsextremisten ankern in den Namen dieser Orte. Die Reaktion der afroamerikanischen Bevölkerung auf die Polizeigewalt hieß dann in deutschsprachigen Medien »Rassenunruhen« und sie führte zu einer Debatte um Rassismus, nicht nur, was die Polizei angeht, sondern innerhalb der gesamten US-amerikanischen Gesellschaft. Das ist das Fundament, auf dem das Buch des Atlantic-Kolumnisten Ta-Nehisi Coates zum Bestseller wurde. In »Zwischen mir und der Welt« wendet sich der Autor an seinen 14-jährigen Sohn und erklärt ihm die Aufteilung jener Welt, wie er sie erfahren hat. Auf der einen Seite stünden weiße Amerikaner, die hinter ebenso weißen Gartenzäunen in Vororten leben, ignorant gegenüber der Tatsache, dass ihr Status auf der Gewalt basiert, die ihre Vorfahren schwarzen Menschen angetan haben. Auf der anderen Seite des Zaunes verortet Coates sich selbst, seinen Vater, seinen Sohn und alle anderen Schwarzen. Sie, so schreibt er, seien Zeit ihrer Existenz von einer tiefen Angst vor einer Verletzung ihrer körperlichen Integrität durch Weiße beherrscht. Seinem Sohn, der weint, weil der Polizeibeamte, der im August 2014 den unbewaffneten 18-Jährigen Michael Brown erschoss, nicht angeklagt wird, spendet er keinen Trost. Für ihn ist der Fall exemplarisch für strukturellen Rassismus, für eine dem System immanente Ungerechtigkeit, mit der sein Sohn zu leben habe, denn er glaubt nicht an Veränderung in absehbarer Zukunft.
Black Panthers und Unterdrückung Coates wuchs als Sohn eines Regionalführers der Black Panther Party, eine in den 60ern entstandene Bewegung des schwarzen Nationalismus, in Baltimore auf. Seine ersten persönlichen Bekanntschaften mit Weißen machte er an der Universität, die er sein persönliches Mekka nennt. Der autobiografische Blick, den Coates auf diese Jahre des Erwachsenwerdens wirft, konzentriert sich auf die Hackordnung auf der Straße. In einer fragilen Welt voller Morde, in der jeder jemanden kennt, der durch Schießereien, Drogen oder auf andere unnatürliche Weise zu Tode gekommen ist, quält ihn die Frage nach dem Warum. Warum gibt es keine Gerechtigkeit für Schwarze in Amerika? Er liest Malcolm X, erhebt ihn zu seinem Helden, verurteilt die Schulen, die sein innerliches Aufbegehren in friedlichen Protest lenken wollen als Scheinheilige und Lügner. Wieso predigt man ihm Gewaltfreiheit in einer Welt, in der Gewalt das Definitionsmonopol über seine gesamte Umgebung hat, will er als junger Mann wissen. Erkennend, dass sein Sohn in anderen Verhältnissen, wenn auch nicht befreit von alledem aufwächst, mahnt er ihn, die Toten, die Versklavten und Unterdrückten niemals zu vergessen und schreibt, gewaltsame Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung sei »die Laune des Landes« und eine historische Tradition.
Kein Gandhi, kein Obama Und was sollen nun wir mit diesem Buch, das sich eindeutig nicht an Weiße richtet? Spricht die Nobelpreisträgerin Toni Morrison von »Required Reading«, wie sie es bei Coates tat, so birgt das einen gewissen Imperativ für die lesende Welt. Man erwartet erst, dass der Autor
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Beyoncé hat im Video zu »Formation« gleich die ganze Geschichte von Gewalt gegen Schwarze in den USA in eindrückliche Bilder gesetzt.
Advokat der Veränderung, der Stärkung Menschenrechte ist und in Zeiten, in denen Medien von »Rassenunruhen« sprechen, konstruktive Auswege aufzeigt. Stattdessen ist es ein schwieriges, ein beklemmendes und unbequemes Buch, das sich nicht vor unpopulären Meinungen scheut, oder davor, menschlichen Emotionen wie Angst, Wut und den Impuls, sich gewaltsam gegen Unrecht zu wehren, Ausdruck zu verleihen. Im Gegensatz zu Barack Obama, dem ersten schwarzen Präsidenten seines Landes, predigt er nicht Empathie und Gewaltfreiheit. Er provoziert, generalisiert, führt auch Morde, die von Schwarzen an Schwarzen begangen wurden, auf strukturellen Rassismus in den USA zurück. Sein Buch ist der Beitrag eines Antagonisten zu einer Debatte um die Frage: Was ist gerecht und wem genau gehört die Gerechtigkeit? Coates beschreibt auch seine Erfahrung mit dem Tod seines Studien kollegen Prince Jones, der im September 2000 aufgrund einer Verwechslung von der Polizei überwacht und anschließend erschossen wurde. Er sagt, durch dieses Ereignis und den Umgang der Autoritäten damit habe er sich weiter »radikalisiert«. Dieser Wortwahl zum Trotz feiert ihn die amerikanische Presse als eine der wichtigsten Stimmen in der Debatte um die Realität der afroamerikanischen Bevölkerung der USA. Speziell hier in Europa, wo wir mit einer weniger liberalen Auslegung davon leben, was Meinungsfreiheit bedeutet und wo ihre Grenzen sind, als die Amerikaner es tun, stößt man sich instinktiv daran.
Wo ist die Hoffnung Gleichzeitig kann man sich fragen, ob er nicht mit vielen Dingen recht hat. Die USA verfügen über die größte Gefängnispopulation der Welt. Die Wahrscheinlichkeit im Gefängnis zu landen ist Human Rights Watch zufolge gegenwärtig für Afroamerikaner sechsmal so groß wie für Weiße und drei Prozent aller schwarzen Männer in den USA sitzen gegenwärtig im Gefängnis. Sie werden öfter für Drogenvergehen verhaftet, strafrechtlich verfolgt und schließlich eingesperrt als Weiße und sind überdurchschnittlich oft Opfer von Polizeigewalt.
Und obwohl das alles bekannt ist, in den USA und sogar hier in Europa, ist einer der größten Kritikpunkte an Coates’ Buch nicht die Verallgemeinerungen, die kollektive Schuld, die er den Weißen gibt, nicht sein Nationalismus, sondern die Tatsache, dass sein Buch für den Geschmack einiger Leser zu wenig Hoffnung zulässt. Man will von ihm, dass die Geschichte erbaulich ausgeht, dass er seinem Sohn ein »Irgendwann wird alles gut« mit auf den Weg gibt, an das er selbst nicht glaubt und welches auch nicht das Bild reflektiert, das sich ihm vom amerikanischen Rechtssystem bietet. Selbst Obama soll nach einer angespannten Diskussion mit Coates zu ihm gesagt haben, er möge nicht verzweifeln.
Die Laune der Welt Ist also in der Welt kein Platz für zornige schwarze Schriftsteller, die dem Leser das Happy End verweigern? Am Ende muss man vielleicht sagen: Wen interessiert’s, ob Coates uns in den Kram passt? Er mag der Benachteiligung der Schwarzen in den USA eine weltweite Ausnahmestellung einräumen, sich in seinen Überlegungen selektiv auf die männliche und großteils auf eine Unterschichtsbetrachtung der Dinge beschränken. Es stimmt, dass er Konzepte, die er für die Schwarzen ablehnt, etwa, dass alle Schwarzen stets für die Tat des Einzelnen verantwortlich zeichnen sollen, ohne zu blinzeln auf die Weißen anwendet. Es ist wahr, dass er mit kaum einem Wort jene Weißen erwähnt, für die ein indirekt segregiertes Rechtssystem ein ebenso unerträglicher Gedanke ist wie für ihn. Und trotzdem ist sein Buch wichtig, weil es Reaktionen zu all diesen Punkten provoziert, die nicht das schlechteste Rüstzeug für eine Rassismusdebatte sind, die gegenwärtig in Europa weit oben auf unserer To-do-Liste stehen sollte. Denn letzten Endes ist die direkte oder indirekte, die körperliche oder verbale Gewalt an ethnischen Minderheiten nicht nur die »Laune eines Landes«, sie ist die Laune der Welt. »Zwischen mir und der Welt« von Ta-Nehisi Coates ist soeben auf Deutsch im Hanser Verlag erschienen. 043
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Mind The Map — Von der Blütezeit der Landkarten
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Die grafische Gestaltung von Landkarten und Stadtplänen kennt viele Spielarten. 0 25 50 km Zwischen illustrativer Gefälligkeit und subtiler Unterwanderung von Sehgewohnheiten ist allesTangalle möglich. Unawatuna
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Die geografisch korrekte Darstellung der Welt: Davon haben Generationen von Kartografen geträumt. Doch Atlanten und Landkarten waren seit jeher viel mehr als das – nämlich Projektionsflächen ihrer Zeit. Seit Google Maps hat zwar jeder von uns minutiös erstelltes Kartenmaterial der ganzen Welt ständig bei sich, die Faszination von Karten hat trotzdem nicht darunter gelitten.
Text PETER STUIBER Bild gestalten verlag
Neue weiSSe Flecken Publikationen mit historischem Kartenmaterial, wundervollen Atlanten oder skurrilen Globen boomen. Wir sehnen uns offensichtlich nach Unerforschtem, nach den weißen Flecken auf der Landkarte. Die deutsche Autorin und Gestalterin Judith Schalansky hat vor einigen Jahren dazu eines der erstaunlichsten Bücher publiziert: den »Atlas der abgelegenen Inseln«, eine grafisch fantastische, poetische und zugleich imaginäre Reise zu all den entfernten Mini-Inseln, die weder die Autorin noch die Leserschaft jemals erkunden werden. Als ebenso erfolgreich erwies sich eine Publikation der polnischen Grafiker Aleksandra Mizielinska und Daniel Mizielinski: »Alle Welt«, ein Landkartenbuch für Kinder, besticht mit einer Mischung aus Wimmelbild-Ästhetik, Entdeckungslust und Exotik. Landestypische Speisen, Fauna und Flora sowie Traditionen überlagern die jeweiligen Karten, die Bildsprache ist naiv, aber keineswegs kindisch.
Das Buch ist – neben unzähligen anderen Beispielen – in dem Sammelwerk »Mind The Map« vertreten, das vor Kurzem im Gestalten Verlag erschienen ist. Es ist der mehr als würdige Nachfolger einer ersten Bestandsaufnahme zum Thema Grafik und Kartengestaltung, die vor drei Jahren unter dem Titel »A Map Of The World« veröffentlicht wurde. Beide Publikationen dokumentieren eindrucksvoll, dass die grafische Gestaltung von Karten derzeit eine Blütezeit erlebt. Omnipräsent sind Land- und Stadtkarten, die von Medien oder Tourismusagenturen in Auftrag gegeben wurden. Coole Tipps fürs Weekend in Paris, die Design-Highlights von Barcelona oder Berlin, was geht abends ab in Mailand? Bei solchen lifestyligen, illustrativen Karten sind die geografischen Informationen oft reduziert (wenn auch nicht ganz redundant), es geht um Stimmung und Schaulust. Nicht zufällig hat der Dumont-Verlag soeben eine Reihe mit Reiseführern gestartet (u. a. »50 Maps of London«), deren Bände ausschließlich aus solchen Karten bestehen (»mit coolen Tipps und verrückten Karten«).
Österreicher im Buch Nicht verrückt, sondern adäquat: Darum geht es dem Innsbrucker Buero Rabensteiner, das in dem »Mind The Map«-Buch mit Karten vertreten ist, die für ein Buch über luxuriöse Eisenbahnfahrten entstanden. Wie man als Grafikerin an eine solche Aufgabe herangeht, erzählt Isabella Meischberger: »Es war von Anfang an unser Plan, die
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Karten haben sich durch Google Maps von der Notwendigkeit befreit, damit navigieren zu können. Dafür leisten sie heute viele andere Dinge. oiduts matopopiH
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Information – also in diesem Fall die Bahnstrecke – in sehr reduzierter und vereinfachter Form darzustellen. Die Karte im Hintergrund soll nicht von der Bahnstrecke ablenken und enthält deshalb nur die wichtigsten topografischen Gegebenheiten. Um den richtigen Mix an Vereinfachung und Übersichtlichkeit und auf der anderen Seite Detailverliebtheit zu treffen, wurden die Umrisse von Land und Gewässern sehr Walk fein und mit realistischer Genauigkeit gezeichnet.« Die klassi248 With Me sche Ästhetik von Karten gelte es nach Möglichkeit auszublenden, so Meischberger. Im konkreten Fall ist die extrem reduzierte Farbigkeit der Tatsache geschuldet, dass der Rest des Buches sehr bildlastig und farbenfroh gelayoutet ist. »Viele andere Farbentwürfe hatten für sich 61 alleine eine gute Wirkung, passten dann aber nicht ideal zur Farbstimmung aller einzelnen Geschichten. Das ist ein Prozess des Aussiebens.« So einfach oft das Ergebnis aussieht, so komplex sind die Informationen, die in manchen Fällen dem Betrachter und Benutzer vermittelt werden sollen. Kaum verwunderlich, dass es spezialisierte Büros gibt, die sich ganz dem Thema Karten verschrieben haben. So etwa das Studio Stamen in San Francisco, die sich als »Mapmaker« bezeichnen und ihre Profession zugleich als »Data Visualization« beschreiben. Ihr Kundenkreis: CNN, MTV, Kulturinstitutionen. Stamen hat Kartenmaterial zum Irakkrieg oder mit »Surging Seas« eine eindrucksvolle Visualisierung der Auswirkungen von Klimawandel und Ansteigen des Meeresspiegels erstellt.
Intuitiv verständlich Geradezu Kultstatus genießt der Niederländer Joost Grootens, der etliche beeindruckende Atlanten gestaltet hat und auch in dem genannten Buch zur Wort kommt. »Karten sind im Bereich Kommunikationsdesign eine eigene Typologie, mit speziellen Regeln, Konventionen und einer eigenen Geschichte, die man nicht ignorieren kann.« Konventionen bildeten in den meisten Fällen den Ausgangspunkt, aber so gut wie nie das letztlich erreichte Ziel. Das Herausschälen der essentiellen Information, das Weglassen oder Absoften des sonstigen Umfeldes, die intuitive Klarheit kennzeichnen Grootens Arbeit. »Mir ist dabei immer bewusst, dass eine Karte für den Betrachter verständlich sein sollte.« Wie politisch diese Arbeit sein kann, beweist sein mehrfach ausgezeichnetes Buch »Atlas Of The Conflict«, das die
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Auseinandersetzung zwischen Israelis und Palästinensern über die Jahrzehnte mittels Kartenmaterial veranschaulicht. Kartengestaltung auf allerhöchstem Niveau ist auch das Ziel der New York Times. Jonathan Corum, bei der Zeitung für die grafische Gestaltung von wissenschaftlichem Datenmaterial zuständig, meint: »Es ist nicht schwer, eine schöne Karte zu machen. Aber es ist schwer, eine Karte zu machen, die einen Sachverhalt gut erklärt.« Noch einen Schritt weiter geht Philippe Rekacewicz, der seit vielen Jahren Karten für Le Monde Diplomatique – berühmt für die Qualität der Infografiken und politischen Landkarten – zeichnet: »Wir bilden keine Realität ab. Wir bilden ab, wie wir Realität sehen, was ein erheblicher Unterschied ist.«
Subversive Botschaften Einen erheblichen Unterschied zu scheinbar objektivem Kartenmaterial sind jene Darstellungen, die sich Themen subjektiv und künstlerisch nähern. Die dunklen, vollgeschriebenen Karten eines Stephen Walter (im Band »A Map of the World« vertreten) zeigen Großbritannien und London in scheinbar höchstem Detaillierungsgrad und verstecken zugleich subversive Messages. Gleichsam als Warnung: Je detaillierter eine Karte auf den ersten Blick erscheint, umso leichter ist es, falsche Informationen darin zu verstecken. Anders der ebenfalls in London tätige Michael Pecirno: Er hat etwa Amerika-Karten gestaltet, die sich auf einen Aspekt konzentrieren – Wasserverbrauch, Urbanisierungsgrad oder Getreideanbau. Die entsprechenden Karten taucht er in satte Farben, die ebenso viel »Stimmung« mitgeben wie sie Information transportieren. Fast schon in die Abstraktion tendieren wiederum die Zeichnungen des norwegischen Künstlers Torgeir Huusevag. Mit blauem Filzsstift malt er Flussläufe, die vom fatalen Eingriff des Menschen in die Natur geprägt sind. Zwischen Präzision und Poesie, Purismus und politischem Engagement: Es gibt tausende Zugänge, Karten zu gestalten, und ebenso viele Arten, sie zu lesen. Es ist ein eigenes Universum, das ständig wächst und neu erfunden wird – von Künstlern, Grafikern und Informationsdesignern. Das Buch »Mind The Map« (Hg. Antonis Antoniou u.a.) ist im Gestalten Verlag erschienen. 045
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bild veronique piller-giroud dokumentation stephan kluger
Workstation — MENSCHEN AM ARBEITSPLATZ
Marianne Vlaschits, 32, Künstlerin
Sie arbeitet vor allem mit Malerei und Installationen. Und seitdem sie an der Akademie der bildenden Künste 2010 ihren Abschluss gemacht hat, ist sie freischaffend. »Momentan bereite ich mich auf meine Ausstellung kommenden Herbst in der Berliner Galerie Duve vor«, erzählt Marianne Vlaschits. Hin und wieder nimmt sie aber auch Aufträge an – etwa Artworks für die Band Hercules and Love Affair oder ein großes Wandbild in der Grellen Forelle. Den Beruf habe sie natürlich wegen des vielen Geldes ergriffen. Abgesehen davon sei sie früher sehr faul gewesen, bemerkt jedoch, dass es ihr leicht fiele, Bilder zu malen. Mittlerweile ist Vlaschits ein Streber, weil es ihr eben Spaß macht. Einsam ist man halt: »Letztens habe ich damit begonnen, beim Malen zu singen, damit die Stimmbänder nicht verkümmern.« Wenn Marianne Vlaschits mal wirklich entspannen muss, geht sie mit Freundinnen in Sauna oder Therme, da sie den Anblick nackter, schwitzender Frauen als äußerst beruhigend empfindet. »Und im Whirlpool habe ich immer künstlerische Visionen.« www.mariannevlaschits.com
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Workstation — MENSCHEN AM ARBEITSPLATZ
Andreas Ebner, 35, und Julian Oberhofer, 27, Gastronomen
Während Julian Oberhofer mehr oder weniger in einem Haubenrestaurant groß geworden ist und recht schnell klar war, dass er etwas in diesem Bereich machen wird, war die Gastronomie bei Andreas Ebner immer eine Notwendigkeit: »Um während des Studiums etwas Geld zu verdienen.« Nach seinem Abschluss war Ebner beim ORF und später dann in einer Agentur. Sehr spannend, aber auf Dauer nichts für ihn. »Der Job im Café Otto Bauer ist auch ein bisschen zu uns gekommen«, erzählt er. Zuerst war das Geschäftslokal, dann die Idee. Dann viele neue Ideen, aus denen sich ihr jetziges Konzept entwickelt hat. Gereizt habe sie insbesondere die Möglichkeit, selbst gestalten zu können. An ihrem freien Tag beschreiten die zwei Lokalbetreiber festgelegte Bahnen: Bermudadreieck, Bett, Couch, Kühlschrank. Und wenn sie rausgehen, dann in die Sauna – aber nicht in die Pratersauna. »Ein Lokal zu eröffnen ist wirklich harte Arbeit und fordert einem körperlich einiges ab«, weiß Ebner.
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Prosa von Jessica Lind
wenn sich traum und wirklichkeit vermischen und die protagonisten dennoch bei klarem verstand sind, dann ist man vielleicht gerade mitten in einer geschichte von jessica lind gelandet.
zwischen träumen Tränen verschleiern ihren Blick, da sind nur Tränen und das Gefühl innerer Zerrissenheit. Sie schluchzt in die Dunkelheit und ist mit einem Mal ganz woanders. Sie blinzelt. Die Tränen sind verschwunden. Sie ringt nach Luft. Sie liegt. Es ist weich in ihrem Bett, weich und warm unter der Bettdecke. Neben ihr ist noch ein anderer Körper, sie berührt ihn mit der Hand um sich zu vergewissern – wessen will sie sich vergewissern? Ob er wirklich da ist? Ob alles gut ist? Es ist alles gut. Es ist Nacht, sie liegt in ihrem Bett, nichts ist passiert. Nur ein Traum. Ein schlechter Traum. Aber dieses Gefühl. Sie hat es mitgebracht, mit in die Sicherheit ihres Bettes. Sarah schluchzt, dreht sich auf die andere Seite, rollt sich zusammen. Was hat sie überhaupt geträumt? Warum weint sie? Die immer gleichen Abläufe am Morgen. Eine Tasse Haferflocken, eine Tasse Milch, eine Tasse Wasser. Den Herd aufdrehen, warten. Sarahs Gliedmaßen sind schwer, ihr Nacken ist steif. Sie erinnert sich, schlecht geschlafen zu haben, sie erinnert sich ans Aufwachen mitten in der Nacht, aber nicht an den Traum. Emil kommt in die Küche. Er greift nach einem Apfel. Er beißt hinein, der Apfel knackt zwischen den Zähnen. Emil fragt, ob Sarah einen Kaffee möchte. Sie schüttelt den Kopf. »Was machst du heute?« fragt Sarah. Emil zuckt mit den Schultern. »Am Abend ist das Konzert.«
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Emil zieht die Augenbrauen zusammen. »Das hast du doch nicht vergessen?« Emil schüttelt den Kopf. Natürlich hat er es vergessen. Er ist ein kleines Kind, dem man immer wieder sagen muss, dass es sich die Schuhbänder zusammenbinden soll. Die Masse im Topf beginnt zu blubbern, Sarah greift nach der Dose mit den Rosinen. Emil umarmt Sarah von hinten. In Sarah zieht sich alles zusammen. Sie will die Berührung nicht. Sie will Emils warmen Körper nicht an ihrem spüren, sie will nicht, dass sein Atem ihr Gesicht streift. Warum? Warum will sie das nicht? Warum ärgert sie sich so über Emil? Sie kann erst wieder durchatmen, als Emils Arme sich lösen. »Irgendwas ist heute mit dir.« Er sucht Sarahs Blick. »Hab ich was gemacht?« »Was? Nein – warum?« Emil greift zum Kaffee. Seine große Handfläche und die zu kurzen Finger. »Ich hab nur schlecht geschlafen.« Am Abend sitzt Sarah bei Marlene im Wohnzimmer. Sie umarmt ihre Unterschenkel, Marlene lackiert ihre Fingernägel, sie trinken Riesling. Dieses eigenartige Gefühl hat Sarah den ganzen Tag begleitet. Es überzieht sie wie eine zweite Haut, als hätte sich eine andere, empfindlichere Sarah über sie gestülpt. Sarah fragt Marlene, ob sie das kennt. »Träume, die einen den ganzen Tag nicht loslassen?« Sarah nickt. Marlene legt den Kopf schief. »Nur, wenn ich mich noch an den Traum
erinnern kann.« Sarah nimmt einen großen Schluck aus ihrem Glas. »Vielleicht wars so ein luzider Traum, kennst du das? Wenn du weißt, dass du träumst und das beeinflussen kannst. Das ist irre.« Marlene streift den Pinsel am Rand des Nagellackfläschchens ab. Sarah denkt nach und schüttelt den Kopf. »Es ist mehr so als wär ich immer noch nicht ganz aufgewacht.« »Spooky.« Marlene lacht. Sarah lacht auch. »Wahrscheinlich sollte ich nicht fortgehen. Wahrscheinlich sollte ich mich einfach hinlegen und schlafen.« Marlene schüttelt den Kopf. »Keine Chance!« Das Lokal ist gut besucht. Emil steht an der Bar und unterhält sich mit dem Musiker, als Marlene und Sarah den Club betreten. Es ist das Konzert eines Freundes von Emil, er macht Singer-Songwriter-Zeug. Marlene geht aufs Klo, Sarah stellt sich zu den beiden. Sie hasst es, Gespräche zu unterbrechen, sie hasst Küsschen, Küsschen und die Oberflächlichkeit loser Bekanntschaften, der man sich nicht entziehen kann. Später, als das Gespräch schon wieder Fahrt aufgenommen hat, bemerkt Sarah, dass sie vergessen hat, Emil zu begrüßen. Die beiden Männer sind in ein Gespräch über Fußball vertieft. Marlene ist noch nicht wieder zurück, Sarah dreht sich um, lässt den Blick suchend über die Menge schweifen, Gesichter, Gesichter und dann ein paar Augen, ein Blick, der
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ihren trifft. Ein Lächeln. Ein Mann, den Sarah nicht kennt. Schnell dreht sie den Kopf weiter. Oder kennt sie ihn? Ihr Blick springt zurück. Noch immer der Blick, noch immer das Lächeln. Nein. Sie kennt ihn nicht. Sarah wendet sich Emil und dem Musiker zu. Sie ist durcheinander. Der Musiker muss auf die Bühne. Da ist Marlene. Emil bestellt für sie und zahlt die erste Runde. Die Musik ist einfach und schön. Man kann nicht zu ihr tanzen, aber man kann mit dem Fuß im Takt der Musik wippen. Sarah hat einen Plastikbecher in der Hand, was gut ist, weil sie so weiß, was sie mit ihren Händen machen soll. Ihr Kopf ist schwer. Sie kann ihre Gedanken in die Musik legen. Sie kann die Augen schließen und sich fortträumen. Und dann sind sie auf einmal da, die Bilder der Nacht. Sie weiß es wieder, sieht es vor ihren inneren Augen. Sie sieht zu Emil. Seine Hand unter dem T-Shirt einer anderen Frau. Sie haben sich geküsst und Sarah hat es gesehen. Emils Hand streift zufällig Sarahs Unterarm, jetzt, in der Wirklichkeit. Sarah geht einen Schritt zur Seite. Sie stößt gegen jemanden, ihr Getränk schwappt über, Sarah entschuldigt sich. Sie bahnt sich einen Weg durch die Menge, sie stößt gegen Arme, tritt auf Füße, sie will nach draußen. Frische Luft.
Ad Personam: Jessica Lind
Die 28-jährige Niederösterreicherin Jessica Lind hat schon einiges an Lorbeeren eingeheimst. Zuletzt entschied die Studentin der Wiener Filmakademie (Drehbuch und Regie) den renommierten Literaturwettbewerb »Open Mike« der Berliner Literaturwerkstatt für sich. Was ihr Schreiben auszeichnet? Eine einfache, direkte Sprache, die schnörkellos und mit träumerischer Sicherheit Zwischenräume und Widerspenstiges im Alltag aufspürt. Wie das klingt und gelingt, zeigt die hier abgedruckte Geschichte »Zwischen Träumen«. Aus einer Ahnung, die sich nur im Unbewussten andeutet, ohne Beweise, wird eine Krise und dennoch bleibt in den Momenten selbst verursachter Hilflosigkeit immer auch ein Lichtstrahl, der erhascht werden will. Spannung aus scheinbar Banalem rauszupeitschen – das kann nur, wer an den richtigen Stellen unter Manfred Gram die Oberfläche geht.
Sarah kann Emil nicht böse sein. Sie hat keinen Grund dazu. Es ist lächerlich. Die Frau aus dem Traum, die gibt es nicht einmal. Aber trotzdem, die Erinnerung daran unterscheidet sich nicht von anderen Erinnerungen. Es ist, als wäre es wirklich passiert. Sarah schluckt. Gibt es einen Unterschied? Natürlich gibt es einen. Es war Sarahs Traum, es ist ihre eigene Schuld, sie hat Emil eine andere Frau küssen lassen. Sarah ist verletzt. Anders, als wenn sie es wirklich gesehen hätte. In der Wirklichkeit hätte sich Sarah schützen können. Aber im Traum hat sie das Bild direkt getroffen. Ohne Absicherung. Weil sie es nicht mit Augen gesehen hat, weil es in ihr ist. Sarah zieht die kalte Luft tief zwischen spitzen Lippen ein, so, als würde sie an einer Zigarette ziehen. Seit sie nicht mehr raucht, macht sie das manchmal. Dann sieht sie ihn. Er steht nur ein paar Meter weiter. Kein Lächeln. Er schaut in die Nacht, auf die Straße vor dem Club. Sarah schaut auch, aber da ist nichts, es gibt nichts zu beobachten. Die Leere zieht Sarah an, sie geht zu ihm. Sie fragt ihn nach einer Zigarette und da ist es wieder, dieses Lächeln, dieser Blick, als würde er sie kennen. »Kennen wir uns?« fragt Sarah. Er schüttelt den Kopf. Sarah spürt seinen warmen Körper neben sich. Sie legt ihre Hand auf seinen Rücken. Er schläft. Sie spürt seine Atmung, das Heben und Senken des Brustkorbes. Sie möchte sich an ihn schmiegen, sie möchte die Augen schließen, sie möchte schlafen. Es ist Nacht, Sarah liegt im Bett neben Emil. Etwas ist anders. Sarah atmet tief ein, starrt in die Dunkelheit. Alles ist gut.
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Moderat III (Monkeytown)
Lost in Afterhour Moderat spielen weiter in ihrer eigenen Liga, das wo Club, Song und das ästhetisch Schöne zusammenfinden. Blut und so? In Wallung. Die Europa- und Amerikatour ist fast ausverkauft. Nach I und II folgt drei Jahre später III. Und Modeselektor und Apparat haben als Trio ein erwachsenes – das erwachsenste! – Album gefertigt. Vorhaben gelungen. Wer schon einmal »Bad Kingdom« oder »Rusty Nails« gehört hat, weiß, dass zur Feierlaune auch die ein oder andere Träne vergossen werden darf. Im Club heulen? Moderat verbinden deutsche Schwermut mit gebrochenen Beats, eine Sound-Ingenieurskunst mit Afterhour. Da zischt sie wieder auf, diese unverkennbare Stimme, die aufwühlt und klagt, nie zu pathetisch. Moderat finden den schmalen Grat, wie sonst fast nur Caribou, Jamie xx oder Nicolas Jaar, auf dem Songwriting im Club aufgeht. Diese Mischung von synthetischen Sounds, von treibender Breitband-Energie und einer ausgeklügelten Ernsthaftigkeit macht »III« nun wieder aus. Es beginnt leise, dröhnt dann immer stärker. Ganz einfach entwickelt es sich nicht, weil nicht geradlinig. Minutenlang gedehnte, sich leise entwickelnde Melodien wechseln sich ab mit fast schon poppig-ausartenden Dancetracks. Erwachsen hm? Die beiden Modeselektoren sind Väter geworden. 25 Jahre Clubkultur sind an diesen drei Herren nicht spurlos vorbeigezogen – nicht mehr nur die Euphorie, die Neugierde, die idealistische Visionen stehen im Vordergrund. Vielmehr hat man das Gefühl, das Album als roter Vorhang öffnet sich nach dem Zupfen der Kordel: dahinter stecken nicht nur Wows, sondern auch Lows. Ängste, Zweifel, Rückschläge. Abgesehen von den Lyrics, in denen sich die Lebens- und Liebeserfahrungen offensichtlich niederschlagen, ist es auch das Sound- und Klangspektrum, das sich im Gegensatz zu den Vorgängern noch ein Stück erweitert, verfeinert hat. Mit »III« schließen Moderat eine Trilogie ab. »III« wirkt nun wie das Ergebnis einer Band, die in Symbiose auf der Bühne, hinterm Pult steht. Die Tracks sind komponiert. Das wird auch darin deutlich, dass die Stimme in den Vordergrund tritt. Bandgeschichte hin, Weiterentwicklung her: Will man das Ganze aufs musikalische Skelett herunterbrechen, lautet der Anspieltipp: »Reminder«. Minimalistisch am Anfang, gefolgt von trippelndzappelnden Percussions, die sich zu den Refrains hin in eine atmosphärische, wallende Klangwolke verwandeln. Die erwähnte erste Single, der erste Vorgeschmack, bündelt das Konzept des Albums, das funktioniert wie ein dunkles Get-Together, auf dem man rauchigen Whiskey statt fancy Cosmopolitan trinkt. 09/10 Lisa Schneider 053
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Über Pop-Musik
Hello. It’s me. I’m sorry. Nutte. Ausgewählt von Stefan Niederwieser. Tim Hecker Love Streams (4AD) — Scheiße. Fast drei Monate vor Release geleakt. Noch kein Video bereit. Noch dazu das erste Album auf 4AD. Noch tödlicher ist das bei einem Album, dem die sonische Brillanz von Oneohtrix, Arca oder Fennesz aufs erste Hören fehlt. Denn es geht um Liturgie nach Yeezus. Seele im Chip. Da sind Tonnen an Gedanken, Orchesterspuren und Kontingenz in den Stömen der Liebe vergraben – auch wenn das Album mitunter nur nach niederschmetterndem Pop Ambient klingt. Ssio 0,9 (Alles oder Nix) — Korrekten Kuchen will er keinen, Strichersohn. Waffe. Droge. Nicht viel Respekt für Nutten. Das sagt man halt so. Glaubst du, ohne all dem hätte Ssio die Eins in Deutschland gemacht? Spuckt gegen Schwuchteln, Mongos, Rapper, Polizei, Hipster, Bio, alle. Hast du das Video gesehen? Weißt du. Ist alles überzeichnet. Haha. Kannst du eh nicht mögen. Ssio hat halt nur mit Abstand die besten Beats. Auch Dr. Dre hätte gerne solche Beats. Also was, Holzauge? Hustensaftjüngling König Hustensaft (21 Ent.) — Hustensaftjüngling hat nicht nur den besten Namen im Game, sondern er reimt: »Ich bin busy mit dem Drogenhandel, weil ich jetzt mit Drogen handel.« Das reicht aber nicht. Weil hinterher: »Und ich rede nicht von Shower-Gel, wenn ich mit den Drogen handel.« Der oberste Glo Up Dinero Gangster nach Moneyboy – sorry, Medikamenten-Manfred, Young Hoodhustla, Gudg, Lil Frog – hat jetzt ein richtiges Album. Ein Track heißt »Fiqqhure«. Das muss man nicht verstehen. Layla Hendryx Out Of Time (Self released) — Obwohl gratis auf Soundcloud erschienen, wurde »Out Of Time« sträflich ignoriert. Ihre früheren Videos waren hölzern. Menschen bliesen Rauch in argen Zeitlupen in die Dunkelheit. Auf diesem Album ist alles besser geworden. Es gibt vaporwavy Grafiken. Vor allem eine Breitseite Produzenten. Laylas Stimme hält sie zusammen. Sie klingt rauchig, grimmig, manchmal gelangweilt, manchmal verspielt. Nur das mit der richtigen Vermarktung passt noch nicht. NZCA Lines Infinite Summer (Memphis Industries) — Sollte »Drive« jemals einen neuen Soundtrack brauchen, muss man nur NZCA Lines fragen. Am Sound hat sich nichts geändert. Außer dass die 80s Synths noch süßer surren und die Neonlichter noch stilvoller über finstere Gesichter wandern. Ryan Gosling und New Order wären stolz. Irgendwann war das Revival kein Revival mehr, sondern die 80er wie ein Dialekt, den man in gewissen Momenten spricht. NZCA Lines perfektionieren ihn nur weiter. Und außerdem natürlich: Daughter – Not To Disappear (4AD) Nicht denselben Schmäh wiederholt, trotzdem Gefühlstremor hochgehalten. Jack Garratt – Phase (Island / Universal) Erfolg programmiert. Aber wie. David Bowie – Blackstar (Sony) Er hat uns Adieu gesagt und wir haben es erst jetzt bemerkt.
Majid Jordan Majid Jordan (OVO / Warner)
Einen Fick geben Majid Jordan haben nicht das Album gemacht, das alle von Frank Ocean erwarten. Manches spricht gegen ihr Debüt. Aber nur, wenn man mehr daraus machen will, als es ist. Mir ist das wurscht. Vor zwei Jahren hatten Leute Weeknd abgeschrieben. King Of The Fall, nicht mehr fresh. Und Drake, sowieso ein Semmeltrenzer. Das habt ihr ja toll vorhergesehen, ihr Könige. Autre Ne Veut war euch egal, nachdem das zweite Album nicht ü-ber-all breit getreten wurde. Und was macht eigentlich Jhené Aiko? Ah, ja, einen absoluten Monstersong mit Gallant. Und du sagst jetzt, du hast gehört, Majid Jordan, das Album, ist nicht so gut. Weil zu spät. Zu Club. Zu Drake. Ja ja, oui, oui. Die beiden Brudis aus Toronto haben Drakes »Hold On, We’re Going Home« geschrieben. Ausgesorgt für immer wäre also. In ihren Videos sind Menschen in dunklen Räumen zu Gemälden drapiert, immer in Zeitlupe, weil der Moment kostbar ist. Die Models waren teuer und lieben Filter. Und aus Langeweile fackeln sie kanadische Dollar ab. Ist das Kritik am Kapitalismus, seine ultimative Bestätigung, gefangen in 50 Shades of Majid? Man stellt sich das Leben bunter und lustiger vor. Da hilft auch der mit Acid zugedröhnte Tänzer in »Forever« nichts. Die Texte. Auch nicht so revolutionär, die Bitch ist weg. Oder sie ist da und deppat. Aber da ist etwas anderes in der Musik von Majid Jordan. Die Ruhe vorm Sturm. Deeper Funk. Sie haben das Album fast allein produziert. Dadurch klingt es ein bisschen gleich. Aber nur, wenn man sich ein Popalbum erwartet. Mir ist das wurscht. Majid Jordan haben es auf ihrem ersten Album geschafft, jeden Song so zu schreiben, dass man sie sofort erkennt. Es gibt viel, das sie im Jetzt verankert. Aber vor allem schreiben sie Songs über Liebe. Und die soll es angeblich in 50 Jahren noch geben. Es gibt ein Leben, das sich nicht um Hypes dreht. Es ist ok, wenn man null Fucks auf den Geschmack von anderen gibt. Leute werden sagen, so so, Majid Jordan, fährst du jetzt Audi, kaufst du bei Kare, morgen dann Voga, mein Lieber. Aber du musst nicht hören, was deine Freunde hören. Hier sind zwölf Songs über Liebe drauf, verzweifelter Soul, simpel, sanft, brillant. 08/10 Stefan Niederwieser
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Neigungsgruppe Indie
Schöner Lärm, betörende Stille, alles dazwischen und natürlich die obligate Ausnahme. Ausgewählt von Manuel Fronhofer.
Isolation Berlin Und aus den Wolken tropft die Zeit (Staatsakt)
Der Garten deiner Seele ist verwildert Isolation Berlin können alles. Ihr Debüt ist ein Überraschungsei der Genres, Referenzen und Stimmungen. Wenn sich jemand neu erfindet, manchmal in Bowie’schem Ausmaß, geben EPs Auskunft darüber, wo die künstlerische Reise hingeht, ohne eine teure Albumproduktion finanzieren zu müssen. Werden die Vorab-Kurzalben gefeiert – wie im Fall von Isolation Berlin – steht dann beim folgenden Album die strategisch wichtige Entscheidung an: Wohin mit den alten Hits? Weil so richtig recht machen kann man es niemanden: Alle großen Songs, die man schon vorher kannte, waren etwa auf »Schick Schock« drauf, zu wenig (gutes) neues Material hieß es. Julian & der Fux haben die Hits ausgelassen, hat manchen auch nicht getaugt. Dorian Concept war schon längst woanders als bei hyperaktiven Fingerübungen angelangt. Isolation Berlin – bereits gesegnet mit der großen Rio-Reiser-Gedächtnis-Hymne »Alles Grau«, der Noisepunk-Dystopie »Körper« und der Verzweiflungs-Odyssee »Isolation Berlin« – haben sich entschieden, diese und weitere Stücke auf einer Zusammenstellung zu veröffentlichen. Und beschenken die Welt jetzt mit zwölf ganz neuen Songs auf »Und aus den Wolken tropft die Zeit«. Die Beschenkten erleben die extremen Pole, zwischen denen sich die vier Berliner, denen man – sympathisch! – einen leichten Hang zur Selbstüberschätzung nachsagt, seit jeher bewegen, in noch ausgeprägterer Form. Erstens und hauptsächlich: Lyrisch desillusionierender, von nordischer Melancholie und einsamen Gitarren getragener Regener-Sehnsuchtspop, besonders prominent in den sicherlich besten Albumstücken und Liebeskummer-Nummern für Generationen wie etwa »Der Garten deiner Seele«, »Schlachtensee« und »In manchen Nächten«, ergänzt durch das eher nautische »Herz aus Stein«. Zweitens: Manchmal klingen Isolation Berlin nach Die Nerven, sind stellenweise rau und stark, wütend und laut, noisepunkig. Oft, und das muss als Referenz dann genügen, sind sie auch die etwas bundesdeutscheren Ja, Panik. Die Vorschusslorbeeren als »vielleicht wichtigste deutsche Indie-Band des Jahres« (Zitat: viele) haben sie in jedem Fall eingelöst. Und das muss auch mal reichen. 08/10 Dominik Oswald
Field Music Commontime (Memphis Industries) — Um die 80er-Jahre-Pop-Festspiele gebührend einzuläuten, dürfen Saxofon und Trompete im Album-Opener »The Noisy Days Are Over« ordentlich düdeln. Clever, elegant, ein bisschen exzentrisch und stets mit großer Pop-Sensibilität ausgerüstet – neben XTC und den Talking Heads macht diese Musik absolut gute Figur. Die Gebrüder Brewis sind mittlerweile mehr als zehn Jahre als Field Music aktiv und dabei stets frisch geblieben. Charlie Hilton Palana (Captured Tracks) — Mit ihrer Band Blouse pflegte Charlie Hilton einen fuzzy Dream-Pop, der sich neben einem Wechsel spiel von unterkühlten Synthesizer- und organischen GitarrenSounds vor allem durch Hiltons gleichermaßen luftigen wie bittersüßen Gesang auszeichnete. Solo lässt sie diesem nun mehr Raum: Zwischen reduzierten Arrangements zieht sie die Vokale stoisch in die Länge. Nico-Vergleiche sind erlaubt – sie können der Schönheit dieser Musik nichts anhaben. Yuko Yuko More Than A Facebook Friend (Field Mates) — In Elias Elgersma kann man durchaus einen Geistesverwandten des großen Indie-Exzentrikers Ariel Pink sehen. Seinen nostalgischen Psych-Pop rührt er mit New-WaveGitarren und -Synths an. Gelegentlich geht auch der Bedroom-Producer mit ihm durch – was dann aber genauso lo-fi klingt wie der Rest dieses Debütalbums, der junge Niederländer hat nämlich ein ausgeprägtes Faible für Uralt-Equipment. Your Friend Gumption (Domino) — Die Mittzwanzigerin Taryn Miller aus Kansas arrangiert synthetische Soundschleifen, Field-Recordings und konventionelles Instrumentarium zu hypnotisch dahindriftenden, sich gelegentlich sanft aufbäumenden Songs. Das hat eine gewisse Leichtig keit, lässt aber genauso auch das Unheil, das irgendwo da draußen lauert, durchklingen. Das frei Schwebende der Musik wird vor allem von Millers Gesang wieder eingefangen, er verleiht dieser auch eine ganz eigene Intimität. Nap Eyes Thought Rock Fish Scale (Paradise Of Bachelors) — Es täuscht ein wenig: Die Musik mag unaufgeregt daherkommen, doch unter der Oberfläche tut sich was. Die Leidenschaft drückt sich nicht nur in Nigel Chapmans gesprächigen Lyrics über Entfremdung und Isolation aus: Manchmal wechselt das Tempo unerwartet, dann wieder schalten die Gitarren von schwelgerisch auf fordernd. All das im Rahmen eines Sounds, in dem The Velvet Underground subtil – und schläfrig – nachklingen.
Und außerdem natürlich:
Animal Collective – Painting With (Domino) Dezenter Irrsinn in bunte Popmusik gegossen. Gut wie immer. Isolation Berlin – Und aus den Wolken tropft die Zeit (Staatsakt) Jung, wild, zerrissenes Herz – die Berliner Indie-Hoffnung geht aufs Ganze. Palehound – Dry Food (Heavenly) Ein Breakup-Album zwischen Unsicherheit, Trotz und 90er-Nostalgie. 055
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Rihanna Anti (Universal)
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Mynth Plaat II (Seayou)
Scheiße zu Gold
They’re Good
Die zachste Album-Kampagne seit Menschengedenken ist letztendlich in sich selbst zusammengebrochen und Rihanna klingt nicht wie Rihanna. Im Gegenteil.
Von minimaler Struktur zu maximalem Output: Mynth und ihr Debütalbum »Plaat I«. Oder, wie man sich ins Bett kriegen lässt.
An diesem Punkt sollte man eigentlich nur noch dankbar sein, dass dieses Album überhaupt das Licht der Welt erblickt hat. Der Anti-Rollout war ein Paradebeispiel dafür, wie man ein Album nicht veröffentlichen sollte. Es ist ein vorübergehendes »Habe die Ehre« des größten Popstars der 10er Jahre und die Niederkunft einer Künstlerin, die den Calvins und Sias dieser Welt den Rücken kehrt. Selten hat sich Rihanna so sehr nach Rihanna angefühlt, ohne dabei eine einzige brauchbare Hook abzuliefern. Das hier ist nicht das Album, das viele wollten. Aber das Schöne an Digitalisierung ist ja, dass man Alben nicht mehr so hinnehmen muss, wie sie einem vorgesetzt werden. Man kann so lange herumjonglieren, am Tracklisting basteln, bis man eine frankensteineske, aber maßgeschneiderte Sammlung an neuen Rihanna-Songs in seiner Mediathek stehen hat. »Goodnight Gotham«, der Song, der lange Rihannas Konzerte eröffnet hat (und dies ursprünglich auch mit dem Album tun sollte), von dem viele hofften, er wäre letztendlich ein kompletter Song, ist jetzt doch nur ein Instrumental, und nicht mal auf der Standard-Version von Anti enthalten. Man kann und sollte ihn aber einfach trotzdem an erste Stelle setzen, an seinen rechtmäßigen Platz. Und wenn man dann merkt, dass der Bonustrack »Sex With Me« eine ziemlich gute Brücke von »Kiss It Better« zu »Bitch Better Have My Money« bilden könnte, dann baut man die eben. Und dabei spielt es keine Rolle, ob Letzterer überhaupt auf dem Album ist – ist er nämlich nicht. Ebensowenig wie »FourFiveSeconds« und das große »American Oxygen«. Alle drei Vorab-Singles, die letztes Jahr an die Wand geworfen wurden, um zu sehen, was picken bleibt, werden auf Anti totgeschwiegen. Wem der Stargate-Pop und die gewohnte Eingängigkeit fehlt, der kann die experimentellen Nummern rauskratzen und dafür die Songs vom »Home«-Soundtrack und die Singles als Abdeckstift verwenden. Oder, wie Rihanna selbst auf dem Opener singt: »Let me cover your shit in glitter, I can make it gold.« 06/10 Franz Lichtenegger
Sich in ein neues Album einzuhören – egal, welches Genre – ist immer ein bisschen wie der Beginn einer Romanze. Man kennt sich zuerst nicht. Es muss da schon mal längere Zeit der Hof gemacht werden. Ein verzogener Schrei, die Gänsehaut ist bereit. So verhuscht, so düster fließend beginnt »Plaat II«. Das Zwillingspärchen Giovanna und Mario, die nach einigen vorangegangenen Bandprojekten beschlossen haben, sie möchten ganz in minimalistischer Downtempo-Attitüde doch lieber einfach zu zweit weiterarbeiten, waren schon seit ihrem ersten Video »Nightlight« vor etwas mehr als einem Jahr hochgelobtes Gesprächsthema. »Lola« entwickelt sich in Archive-Manier zu einem Tränenauslöser, der den klopfenden Beat im Rücken und die fragile Stimme als Krone trägt. Kennenlernen go: Hölzerne Intonation, ja beinahe wie das Klopfen schon vergessener Percussion Devices klingend, leitet »Vain« in trippelnd-hibbeligem Habitus über zu »Urge«. Das erste Mal – positiver – Overload. »Urge« jedenfalls pfeift auf minimal. Man sitzt da in der Mitte von vier Klangvorhängen, die alle eine andere Richtung vorgeben. Wenn das dann mal bewältigt ist und man diesen Teil verdaut hat, wird auch noch gerappt. Nach »Nightlight«, die eh schon sehr bekannte Ohrwurm-Single, zieht der Sog des Albums weiter, am liebsten Einwort-Titel: Woods, Turbid, Paradise. Kompositionen, die mit schweren Beats, mit sphärischen Soundflächen experimentieren. Immer getragen von starker Basslinie, von einer einhüllenden Schwere, das einzig Liebliche bleibt die Stimme. Mynth haben ein starkes, und trotz teils ausufernder Parts komplett dem Fingerspitzengefühl überlassenes Album geschrieben. Dem man die schlichte Grundstruktur trotz teils episch-großflächig angelegter Produktion heraushört. Es ist sehr gut. Und ja, Eroberung gelungen: Im Bett gelandet. 07/10 Lisa Schneider
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Und anderes Musikalisches dazwischen und darüber hinaus. Kuratiert (ha!) von Amira Ben Saoud. Jessy Lanza Oh No (Hyperdub) — Wenn Jessy Lanza in Wien ist, eröffnet sie (cf. Electronic Beats, 2014). Auch am 21. Februar, wo sie als Support Act der Junior Boys spielen wird. Dieses Mal besonders gemein: Ihr neues, grandioses Album kommt erst im Mai raus. Das heißt, nur die Allerwenigsten werden die neuen Tracks bereits kennen und verdient lieben, wenn Lanza sie live präsentiert. »Oh No« kann man da nur sagen – die Gute hätte mindestens verdient, Main Act zu sein. Im Mai wissen dann auch alle, warum.
Sam Irl Raw Land (Jazz & Milk)
House, not House Ein Debüt ist immer auch eine neue musikalische Sprachebene. Sam Irl hat sich mit seinem lange Zeit gelassen, kann dabei aber aus dem Vollen schöpfen. Es fühlt sich ein wenig so an, als wäre Sam Irl immer schon da gewesen, sein Soundpark-Account ist immerhin bald 12 Jahre alt. Das erste Album, welches er nun »Raw Land« betitelt auf dem Münchner Label Jazz & Milk veröffentlicht, ließ allerdings lange auf sich warten. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Da gab es zum einen fruchtbare Kollaborationen mit Patrick Pulsinger, Ritornell oder Dorian Concept. Zum anderen immer wieder stimmige EPs, dazwischen Compilation-Beiträge, u.a. für DJÜbervater Gilles Peterson, große Remixes und auch oft, so sagt man, zog er bei anderen Projekten still im Hintergrund die Fäden. An welcher Stelle dieser vielseitigen Diskografie sich »Raw Land« als Album und nicht zuletzt bisher stärkstes Statement einreiht, wird sich zeigen. Jedenfalls vereint das Album viele der bekannten Stärken Irls – dancy Clap-Rhythmen, zerbröckelnde Soundscapes, eine Portion HouseSexyness und nicht zuletzt der verschleppte Beat, aber dazu später. Über die Dauer von fast einer Stunde kommt dann selten aber doch das Gefühl auf, ob nicht einige Tracks schon etwas länger in der Schublade gelegen haben. Bei einem Album, welches nicht zuletzt auch Standortbestimmung sein will, muss das den Hörer nicht per se in Aufruhr versetzen, klar. Trotzdem wirken gewisse Teile zu beliebig, zu wenig eigenständig. Daher ist »Raw Land« nicht unbedingt das letztgültige, große Ganze. Mag und muss es aber auch nicht sein. Das ändert nichts an der Grundmechanik einer neuen Ausdrucksebene und Standortbestimmung Sam Irls. Vielmehr Beachtung sollte man da schon eher den diversen kleinen House-Perlen schenken, die in »Raw Land« schlummern. Meistens sind es Tracks, die mit Irls größtem Trumpf daherkommen, dem des versetzten, leicht verschleppten Beats. Vieles davon wird im Großen, wie im Kleinen funktionieren. Zu Beginn und am Höhepunkt einer Nacht. Dieses Spektrum auszufüllen und zu meistern, ist eine Kunst für sich. Und darin liegt nach den 12 Album-Tracks auch Sam Irls größte Stärke. 07/10 Kevin Reiterer
Aplot Lifetime (EP) (Tiefparterre) — Besonders schön ist es, wenn man von großartigen Dingen aus dem eigenen Medium erfährt. So tauchte Aplot durch unser Interview zu seiner neuen EP »Lifetime« in meiner (Achtung, Binnenreim) Timeline auf. Aplot bringt Future Beats und Footwork zusammen, als Topping gibt’s schon mal ein 2Pac-Sample. Die vier Tracks machen alles richtig und richtig viel Spaß. Und das nasse Katzerl am Cover ist auch so vü liab. LGoony & Crack Ignaz Aurora (Self Released) — Oida. Wow. Woher kam dieses Tape? Und warum ist es so gut? Wurde es prophezeit? Würde es Lil B gefallen? Wie strong ist eigentlich das Ad-Lib-Game? Ist »Ich fühle mich kühler als Königin Elsa« vielleicht die beste Zeile 2016? Wie viele Alben kann Crack Ignaz hintereinander raushauen, ohne dass es bedenklich wird? Hat bei dem Konzert im Fluc eine neue Ära begonnen? Kann man, wenn man ganz fest dran glaubt, Teil des Gödlife Racing Teams werden? Bitte? Baauer Aa (LuckyMe) — Debütalbum sagt die Presseaussendung, dabei kommt‘s einem vor, als hätte Baauer schon sieben Best Ofs hinter sich. »Harlem Shake« hat sich eingebrannt. »Aa« klingt aufs erste Hören ein bisschen abgelutscht. So als würde Baauer sich selbst und alle, die ihn zitiert haben, nochmal zitieren – aber ohne Twist. Beim zweiten Hören macht das Ganze schon sehr viel mehr Spaß. Die Nummer mit Future ist wirklich saftig, weil Future. Sonst auch gute Gäste am Start. Jazz Cartier Hotel Paranoia (Self-Released) — Jede Stadt hat ihren eigenen Vibe – einen Rapper aus Atlanta erkennt man, genauso wie einen aus Toronto. Zwar klingt Jazz Cartier nicht wie Drake, aber die fast düstere Instrumentierung von »If You’re Reading This …« findet sich auf die Spitze getrieben bei Cartiers »Hotel Paranoia« wieder. Wer an die frühen Sachen von Weeknd denkt, liegt auch nicht ganz daneben. Trotzdem klingt »Hotel Paranoia« mit seinen ambitionierten 16 Tracks durchaus eigenständig.
Und außerdem natürlich:
Rihanna – Anti (Westbury) Pop ist so 2015. Bitch better have »anspruchsvolle« Musik. Öhm, ok? Allan Kingdom – Northern Lights (Self Released) Der Dude von Kanyes »All Day« hat jetzt ein Album und es ist richtig gut. Sam Irl – Raw Land (Jazz & Milk) Man beginnt unweigerlich zu wippen und grinsen.
01/10 grottig 02/10 schlecht 03/10 naja 04/10 ok, passt eh 05/10 guter Durchschnitt 06/10 sehr gut 07/10 super 08/10 ein Top-Album des Jahres, Genre-Klassiker 09/10 absolutes Meisterwerk
Pop, Bass, Hop
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Constantin Luser
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TEXT Franz Lichtenegger BILD Markus Rössle, Kunsthalle Wien, Cottin Laure, Hans Kupelwieser, Anna-Sophie Berger, Lutz Bacher, Bildrecht Wien
»I’m a Luser baby, so why don’t you kill me?«, wäre ein guter Titel für eine Ausstellung von Constantin Luser gewesen. Stattdessen heißt diese jetzt aber »Musik zähmt die Bestie«, was im Grunde genommen auch keine schlechte Wahl ist und im Hinblick auf die im Zentrum stehenden spielbaren Instrumenten-Skulpturen wahrscheinlich auch mehr Sinn ergibt. Für den geborenen Grazer ein Heimspiel. Eröffnung: 25. Februar, 19.00 Uhr; Dauer: 26. Februar bis 1. Mai Graz, Kunsthaus
TERMINE KULTUR
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TERMINE
KULTUR
One, No One and One Hundred Thousand Dieses Schmankerl teilt sich seinen Namen mit einem italienischen Roman aus dem Jahr 1926 und ist keine gewöhnliche Ausstellung, sondern eine »Maschine«, die weitere Ausstellungen produzieren soll und zur Partizipation einlädt. Neun beteiligte Künstlerinnen und Künstler stellen Werke zur Verfügung, die dann vom Besucher beliebig arrangiert werden können. Man denke nur an die Unbegrenztheit der Möglichkeiten. Eröffnung: Dauer: 19. Februar bis 22. Mai Wien, Kunsthalle
Ella Littwitz
TEXT Franz Lichtenegger BILD Markus Rössle, Kunsthalle Wien, Cottin Laure, Hans Kupelwieser, Anna-Sophie Berger, Lutz Bacher, Bildrecht Wien
»Tomograma« nennt sich die Ausstellung der in Israel geborenen Künstlerin Ella Littwitz, die es bald im Salzburger Kunstverein in Kooperation mit dem DigitalSpring-Festival zu sehen gibt. Im Zentrum ihrer Arbeiten stehen die Territorialisierung und Konstruktion von historischen und psychologischen Grenzen – so wurde ein Arbeit beispielsweise von verwahrlosten Fußbällen in Jerusalem inspiriert. Eröffnung: 19. Februar, 20.00 Uhr; Dauer: 20. Februar bis 24. April Salzburg, Kunstverein
Hans Kupelwieser Zwei drehbare Plattformen. Sie bilden die Basis für Hans Kupelwiesers Installation in der Art Box im Museumsquartier. Auf ihnen montiert sind verschiedenste Dinge wie Fotogramme, Skulpturen, Produktionsreste und Abfälle. Durch die Rotation wird alles in Bewegung gebracht, das Erscheinungsbild verzerrt und beinahe entkörpert. Quasi wie ein artsy DJ-Pult. Daher auch der Name: »Turntables«. Dauer: 4. Februar bis 1. April Wien, MQ Art Box
Anna-Sophie Berger Wisst ihr noch, damals im Religionsunterricht, als es nichts Schöneres gab, als diese Mandalas mit Buntstiften – am besten allen gleichzeitig – auszumalen? Nun, Anna-Sophie Bergers Arbeiten gehen in eine ähnliche Richtung, beinhalten aber auch Selfies und iOS-Games. Die Ausstellung bildet den Auftakt der KUB Billboards: Ein Programm, das eine junge Generation von Künstlerinnen und Künstlern vorstellen soll. Eröffnung: 25. Februar, 19.00 Uhr; Dauer: 26. Februar bis 17. Mai Bregenz, Kunsthaus
Lutz Bacher Ob sich Lutz Bacher wohl manchmal so fühlt wie ein »plastic bag drifting through the wind?« Derartige Alltagsgegenständige integriert die US-amerikanische Künstlerin mit männlichem Pseudonym jedenfalls in ihre Installationen. Das geht von skulpturalen Arrangements bis hin zu Videos. Und wer denkt, das wäre nur ein Plastiksackerl, der möge sich den Ausstellungs-Titel verinnerlichen: »More Than This«. Eröffnung: 11. Februar, 19.00 Uhr; Dauer: 12. Februar bis 3. April Wien, Secession
Körper, Psyche & Tabu Künstlerinnen und Künstler der Jahrhundertwende treffen 2016 dank Leihgaben zahlreicher österreichischer Museen und Privatbesitzern im Mumok auf die Wiener Aktionisten – Skandalkünstler der 60er wie etwa Günter Brus oder Hermann Nitsch treffen dabei auf Gustav Klimt oder Oskar Kokoschka, nicht minder kontroverse Kollegen, wenn auch einer anderen Zeit. Gemeinsam haben beide Generationen die Faszination Körper. Eröffnung: 3. März, 19.00 Uhr; Dauer: 4. März bis 16. Mai Wien, Mumok 059
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G a lerien
Stephan Schwarz, 1 / 9 (2015, Fotografie, KunststoffFigur, Trockenblumen) aus »Heimat, fremde Heimat«
3Steps, The Author (2015, Sprühlack auf Holz, 100 x 140cm)
Stephan Schwarz – Heimat, fremde Heimat
3Steps – Heard on the street
Die Ausstellung »Heimat, fremde Heimat« von Stephan Das Künstlerkollektiv 3Steps (DT) präsentiert seine aktuSchwarz versteht sich als work in progress. Die momentan elle Street-Art-Show. Weil man diese Kunstform normalernoch fünf Einzelbilder sollen bald zu insgesamt neun an- weise auf Hausmauern, Fassaden und Ähnlichem findet, ist wachsen. Das Konzept des Findens ist zentral für die Arbeit es spannend, diese nun im Galeriekontext zu sehen. Die des Künstlers, es ergibt sich daraus auch die schrittweise Objektwahl ändert sich dadurch natürlich: Holz, Leinwand, Arbeitstechnik: die Objektrahmen (Floralp Tyrol) sind nicht Fotografie, Druck, Installation. Was geblieben ist, sind die leicht aufzutreiben. Die Plastikfiguren aus US-amerika- schreienden Farben und ein Weckruf an die Zuseher: hinter nischen Horrorfilmen sind auf der Suche nach neuen Ma- den glamourösen, der Pop Art nahestehenden Kunstwerken terialien hinzugekommen. Auch geht die sich entwickelnde – die bis zum Siebdruck reichen – steckt, so das Kollektiv, die Arbeitsweise mit einer der zentralen Fragen der Kunstwerke Reflexion der Gegenwart. Politisch, künstlerisch. Ebenso die zusammen: der kollektiven Angst vor dem, was vielleicht Reflexion der Arbeit von Künstlerkollegen wie -vorgängern passieren wird. Und damit meint Stephan Schwarz nicht auf diesem Gebiet. Ein bisschen Kitsch und Überstilisierung nur den Umstand, nicht genügend Bilderrahmen zu finden. sind natürlich auch dabei. Aber das ist spätestens seit Warab 23. Februar 2016 Jan Arnold Gallery, MQ Wien hol eh wieder ok. bis 12. März 2016 2CforArt, Salzburg
TEXT Lisa Schneider BILD Andrew Rinkhy / private Kunstsammlung; 3Steps, Galerie 2CforArt
Kärnten
Markus Orsini Rosenberg Galerie 3 ab 26. Februar Thomas Weuthen: Shanghai – The Invisible City Galerie 59 ab 3. März Hella Buchner-Kopper – Spurensuche Alpen-Adria-Galerie bis 3. April
Oberösterreich
Karl Schleinkofer Galerie am Stein bis 16. April KünstlerInnen-Familie – Die Schönheit der Anomalie Galerie in der Schmiede bis 23. Februar
Salzburg
Henrik Eiben Galerie Ruzicska bis 12. März Marion Kalter – Herstory Fotohof Salzburg bis 23. März
Steiermark
Behruz Heschmat Galerie Chobot bis 3. März
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Don’t Panic, It’s Organic. Natur in der zeitgenössischen Kunst Galerie Zimmermann-Kratochwill bis 19. März
Tirol
Roy Lichtenstein Galerie Rhomberg bis 5. März John Miller – Richard Hoeck: Sex Appeal of the Inorganic Galerie Johann Widauer bis 31. März
Wien
Lukas Janitsch. Das ahnt keiner unttld contemporary bis 27. Februar Ulrich Auinger Galerie Kontur bis 11. März Anna Jermolaewa Kerstin Engholm Gallery bis 5. März Alex Klein zs art bis 4. März Third Room: Skip Arnold – Hulahoop Galerie Christine König bis 5. März
Darren Bader Jason Dodge Phanos Kyriacou Adriana Lara Jonathan Monk Marlie Mul Amalia Pica Martin Soto Climent Lina Viste Grønli
19/2 – 22/5 2016 #One
T ermine
Kunsthalle Wien Karlsplatz
Beim Durchwandern einer Ausstellung beschäftigt einen als Besucher/in meist folgendes: warum hängt diese Arbeit neben jener, warum nicht auf einer anderen Höhe oder gar woanders? Warum ist diese bestimmte Möglichkeit der Ausstellung die finale Version, die präsentiert wurde? One, No One and One Hundred Thousand hinterfragt diese Gedanken und stellt die Autorität und Autorenschaft des Kurators zur Diskussion. Inspiriert durch die künstlerischen Prinzipien der literarischen Strömung Oulipo, sind alle Besucher/innen eingeladen, die Werke der neun internationalen Künstler/innen individuell im Raum zu arrangieren und ihre persönliche Version der Ausstellung zu gestalten, die dann dokumentiert wird. Der Betrachter wird zum Akteur, die Ausstellung zum Möglichkeitsraum. www.kunsthallewien.at www.kunsthallewien.at/blog
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TERMINE
FESTIVALS
4 Fragen an Christoph Gruber (Sinnes Rauschen) Was plant ihr? Beim Festival sind neben der Band Steaming Satellites auch die viermal für den Amadeus nominierten Avec sowie Minden aus Portland und der furiose Tall Tall Trees, der aus einem Banjo mehr Töne holt als andere Bands aus dem ganzen Proberaum. Das Festival soll den Besuchern in erster Linie Spaß machen, vielleicht entdeckt der eine oder andere ja auch eine neue, noch unbekannte Lieblingsband. Warum steht Indie und Alternative Rock im Fokus? Unsere Festivals und Live-Konzerte spannen immer eine breiten Bogen, wir hatten z.B. die Krautrock-Pioniere von Cluster im Haus oder auch den Fernsehschmonzes-Remixer Kurt Razelli bei einem seiner ersten Liveauftritte. Indie und Alternative passen schon von der Grundstimmung besser zum Frühling als Metalcore oder Math-Rock. »Sinnes Rauschen« kommt von Sinnesrauschen? Der Titel leitet sich aus unserer Ausstellung her. Die Installation »Pränatales Sinnesrauschen« im 2. Stock stellt mit ihren Aufnahmen der Töne, die ein ungeborenes Kind im Mutterleib hört, quasi den Beginn des Hörens und der Musikrezeption dar. Wir wollen mit unseren Konzerten auch immer eine Verknüpfung zu unserer eigentlichen Hauptaufgabe – der Herstellung neuer Zugänge zur Musik – finden. Die Besucher unserer Konzerte sind keine homogene Gruppe, wir sind ja in erster Linie ein Museum und haben daher neben den klassischen Konzertbesuchern auch viele Museumsinteressierte, die bei uns zu den Live-Auftritten kommen. Welche Frühlingsgefühle werden bei den Gästen erwartet? Hauptsächlich Euphorie. Das Festival ist am 5. März, also eigentlich noch im offiziellen Winter. Für die Musiker auf der Bühne ist dank der Scheinwerfer aber schon Hochsommer – man trifft sich also in der Mitte. Sinnes Rauschen 5. März 2016, 19:30 Uhr Wien, Haus der Musik
Thomas Aigelsreiter mit einer zeitgemäßen Interpretation von Gustav Klimts goldener Adele.
Nextcomic Sicher freuen sich viele Comic-Fans dieses Jahr auf die neue »Deadpool«-Verfilmung. Nur wird man nach dem Kinobesuch keine Signatur der Comic-Zeichner bekommen. Wer seine Bände mit einer Unterschrift versehen lassen will, sollte das diesjährige Nextcomic-Festival besuchen. Hier stehen abseits von Marvel und Co. Illustratoren aus Österreich im Vordergrund, wie etwa die Designerin des diesjährigen FestivalPosters, Frau Isa, die außerdem einen Einblick in die weibliche Street-Art-Szene gibt. Neben Karikaturen von Michael Pammesberger darf man sich auch auf internationale Prominenz wie die französische ComicLegende Jacques de Loustal freuen, der für seine /New Yorker/-Cover berühmt ist. 10. bis 20. März Linz, Steyr und Steyrermühl, verschiedene Locations
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TERMINE
FESTIVALS
Sophie Kampmark sieht wunderliche Dinge in den Wellen eines Tsunamis.
140 In Mayrhofen stehen 140 Schneekanonen. Damit Anfang April eine Horde britischer Touristen über den Ort herfallen kann und zum Saisonende zu Prodigy, Skepta, Jungle und Jamie Jones im schönen Weiß däncen können.
Tricky Women Heuer steht unabhängiges Animationsfilmschaffen von Frauen im Fokus, die hauptsächlich aus Kanada stammen. Verrät jetzt noch nicht so viel. Einen Vorgeschmack dazu gibt aber zum Beispiel der Festival-Trailer, konzipiert von der Kanadierin Martine Frossard. Bei Workshops, Publikumsgesprächen und Programmen wie »Sexe, femmes et animation« werden Besucher einen besseren Einblick in das diesjährige Konzept der Festivals bekommen. 2. bis 6. März Wien, Metro Kinokulturhaus des Filmarchivs Austria
TEXT SILVIA KLUCK BILD Hanna Pribitzer, Thomas Aigelsreiter, Sophie Kampmark, Filmladen
Akkordeon-Festival
In »Maikäfer flieg« fürchten sich alle vor den Russen, nur Christine nicht. Der Roman wurde von Miriam Unger adaptiert.
Akkordeon ist nicht Akkordeon. Die »Ziehharmonika« gilt nämlich mittlerweile als wichtiges Element in diversen Rock- und Popsongs, was beim 17. Akkordeonfestival einen Monat lang präsentiert wird. Klar muss neben internationalen Vertretern ein bisschen Tradition aus Österreich auch sein: Mit Chilli da Mur und Folksmilch wird’s dieses Jahr steirisch. 20. Februar bis 20. März Wien, verschiedene Locations
Modekollektiv Raum – Fashion Festival
Weg mit dem alten Tand. Dabei sollen diese Teil von klarer Modernität, industriellem Charme und gestalterischer Exklusivität werden. Ja, hier ist die Rede vom Fashion Festival Raum 16, der Abschluss-Show des Modekollegs der Herbststraße. Deren Modeschülerinnen widmen sich heuer dem performativen Raum: Es gilt, Raum zu zeigen, zu bespielen, zu entdecken. 18. bis 19. März Wien, Nordlicht
Diagonale Mirjam Unger eröffnet. »Maikäfer flieg«, auf dem Roman von Christine Nöstlinger basierend, zeigt Ausschnitte aus dem Leben einer echten Wienerin, die ihre Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg schildert. Inwiefern die Filmemacherin die Inhalte des Buches auf die Leinwand bringt, erfährt man dann bei der Eröffnung. Erstmals steht auch eine Filmproduzentin im Fokus: Gabriele Kranzelbinder hat Amour Fou mitbegründet. Es erwartet uns ein filmischer Dialog zwischen österreichischem Kino und internationalen Positionen. 8. bis 13. März Graz
Fairlight Festival
Die beliebte Veranstaltungsreihe Fairlight Club will mehr und schenkt der Hauptstadt ein neues, dreitägiges Clubfestival. Im Curtain, im Heuer und in der Fairlight-Homebase Café Leopold mischen sich unter nationale Bookings auch internationale Gäste wie Soichi Terada oder Hysteric. 31. März bis 2. April Wien, verschiedene Locations 063
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MAHALI AMBAPO SAMANI HUONYESHA HISTORIA.
New Sound Festival FM4-Geburtstagsfest
Zur Premiere im Vorjahr gab es gleich eindessen vollesband Haus.bloc Mitparty Wanda alsmag Headliner hattennach die abo Veranstalter zum 20. geburtstag gab’s Kele, zum 21. nun – das ein bisschen klingen, ein glückliches Händchen – dass Bandohr so schnell so groß werden würde,hits damit war kaum zu aber als headliner sorgen diebewiesen indie-rocker mitdie offenem für elektronik dank zappeliger wie »helicopter« rechnen. Heuer liegtfür derausgelassene Fokus des New Sound Festival wenigerganz auf einem Durchstarter als aufWenn vielen oder »Flux« erstens stimmung und zweitens sicher großen für ein volles haus. Wobei: Hoffnungsträgern – freikommen nach dem Veranstaltung: schon den antilopen Sound vongang, Morgen Fm4 geburtstag feiert, dieLeitsatz hörer jader eh von allein … und»Heute sonst so? oK Kid, Fat hören.« White Im Angebot: Electro-Soul von Elias, leichtfüßige Songwriter-Elektronik von Innererzeugung: Tongue, Blues-Rock von Family, grossstadtgeflüster, isolation berlin (empfehlung!) sowie aus heimischer Farewell dear den Wanton Bishops 27. aFebruar Wien, ghost, satellite storiesund undvieles a Life,mehr. a song, cigarette. 23. Ottakringer Jänner Wien,Brauerei ottakringer Brauerei
Swahili für „Wo Möbel Geschichten erzählen.“
cc
LIVE @ RKH
ÖSTERREICHS ÖSTERREICHS CLUBSZENE CLUBSZENE IM IM RADIOKULTURHAUS RADIOKULTURHAUS
NEUSCHNEE ELOUI & GäSTE
PROBLEMBäR LABEL-NIgHT
14.12.2015 16.03.2016 KARTEN UND INFOS: KARTEN UND INFOS: radiokulturhaus.ORF.at
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Neuschnee © Jan Frankl
Eloui © J.J. Kucek
Flachmann in der Hand, Make-up verschmiert – der genau richtige Zeitpunkt für Kill-J-Pressefotos. Die Libertines können auch seriös – spätestens auf der Bühne herrscht dann aber Leidenschaft.
Ja Ja Ja Festival The nordischerLibertines musikabend wäre wieder. diesmal mit dabei: júníus meyvant aus island, einer dieser empfind-
samen geht’s bärtigen songwriter – Carl aberBarât, einer,Pete der seinen gerneund mitGary ordentlich und bläsern Einmal noch, haben sich Doherty,Folk-pop John Hassall Powell streichern also gedacht – und damit aufpoliert; die der junge norwegische multiinstrumentalistin Farao, die die getragene melancholie ihrerDemontage melodien die Vorfreude Fans ebenso abheben lassen wie die Befürchtungen, dass hier eine Band an der mit vielschichtigkeit und Doch synthetischen facettenreichem pop ausbaut; die desrhythmischer eigenen Mythos arbeiten könnte. mit dem ambient-sounds Album »Anthemszu For Doomed Youth« kam im Vorjahr Finnen the scenes, den rockmag ’n’ roll ihres neuen »sex, drugs and modernsein, art« das enthemmt, aber die Entwarnung: Derdie Lebensstil mittlerweile einealbums Spur weniger halsbrecherisch versammelte auch im feinen anzugzwirn aufgroßen die bühne bringen; sowie Kill j ausdavon dänemark mit zeitgemäßem Talent und die Dynamik dieser Bubenfreundschaft bleiben aber unberührt. Und livezwischen – so heißt schummrigem und cleanemSound pop. dürfte wie immer. 29. Jänner es – zündet derr’n’b leidenschaftliche wie ingut denwerden besten –Tagen der Libertines. 25.Wien, März Wuk Wien, Stadthalle
TEXT manueL FronhoFer BILD rachaeL Wright, johanne FicK, meLt booKing (2), Warner music, per Kristiansen, jenn Five TEXT Manuel Fronhofer BILD Per Kristiansen, Universal Music, MArie Staggat, Julien Bourgeois, Debora Mittelstaedt, Stadtsaal, Hessle Audio
Gänsehautstimme in Profilansicht: Elias berührt mit Electro-Soul. Sein Auftritt beim FM4-Fest dürfte Der ihm Schwede gefallen haben: Kele kommt wieder, diesmal mit Bloc Party.
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TEXT Manuel Fronhofer BILD Per Kristiansen, Universal Music, MArie Staggat, Julien Bourgeois, Debora Mittelstaedt, Stadtsaal, Hessle Audio
TERMINE
MUSIK
highlights Heuer Winterfest Don, Maestro – die respektvollen Titel sitzen locker, wenn sich die schreibende Zunft diesem Herren aus Detroit widmet. Seit 20 Jahren ist der damit bedachte Andrés aka DJ Dez schon in Sachen House, Soul, Funk und HipHop aktiv. Beim Winterfest des Heuer am Wiener Karlsplatz gibt er nun den Headliner. Der Support kommt von Sam Irl (live), Flo Real, Hanzo und Weise. Runde Sache! 27. Februar Wien, Heuer
Do. 03.03. // 20:00 TanzTage 2016
Jakop Ahlbom: Lebensraum
Sa. 05.03. // 20:00 Songwriter
Blonder Engel & Die Hedwig Haselrieder Kombo
Di. 08.03. // 20:00 Wissenschaft
Money Schwer Geschütze fährt diese Band aus Manchester auf ihrem zweiten Album auf: »Suicide Songs« gibt sich hoffnungslos, des Lebens überdrüssig. Money rund um Leidensmann und Sänger Jamie Lee gewinnen diesem Zustand eine intensive, nahegehende Musik ab, die aufs Neue bestätigt: Zwischen Schönheit und Schmerz ist immer wieder Platz für große Kunst. 6. März Wien, B72
Science Slam Linz
Mi. 09.03. // 20:00 Jazz
Arturo Sandoval & Band
Do. 10.03. // 20:00 Electronic
IAMX
Fr. 11.03. // 20:00 Kabarett
Hagen Rether
Boy Auf »We Were Here«, ihrem zweiten Album, haben Valeska Steiner und Sonja Glass ihre Kunst perfektioniert: einfach schönen Songwriter-Pop, der von einer gewissen Leichtigkeit lebt, dabei aber nicht ins Beliebige abrutscht, der Herzensangelegenheiten verhandelt, dank einer gewissen Undurchsichtigkeit aber auch verschiedene Deutungen zulässt – von melancholisch bis euphorisch. 22. März Salzburg, Rockhouse
Di. 15.03. // 20:00 Rap
Romano
Fuzzman & The Singin Rebels Als Fuzzman hat sich Naked-Lunch-Bassist Herwig Zamernik, vom Indie-Rock kommend, schon bis zum Schlager und zur Volksmusik vorgewagt – mit bestrickenden Ergebnissen. Fürs neue Album kommt nun auch ein bisschen Soul in den Mixer. 25. März Wels, Alter Schlachthof — 26. März Ebensee, Kino — 27. März Klagenfurt, Theaterhalle 11 — 28. März Graz, Music-House — 29. März Wien, Stadtsaal
Do. 17.03. // 20:00 Alternative
The Jon Spencer Blues Explosion
Fr. 18.03. // 20:00 Kabarett
Andreas Rebers
Pearson Sound Neben Joy Orbison und Ben UFO, mit dem er auch das Label Hessle Audio betreibt, zählt David Kennedy aka Pearson Sound zu den namhaftesten Vertretern des UK Bass. Seine Musik verschluckt Techno, UK Garage, Dubstep und Breaks. Wie eine schwere Welle rollt sie über den Dance floor – man lässt sich gerne von ihr erdrücken. Die Clubreihe Tiefentanz holt den guten Mann nun nach Wien. 12. März Wien, Das Werk
Sa. 19.03. // 20:00 Musikkabarett
Hannes Ringlstetter & Band
Do. 31.03. // 20:00 Punk / Rock
Gnarwolves / Despite Everything
Do. 31.03. // 20:00 TanzTage 2016
Dance Company Nanine Linning: Silver
!!!
The Jon Spencer Blues Explosion Holy Wave
Die drei Ausrufezeichen laden zur Party unter der Diskokugel. Neben Dance-Punk-Klassikern wie »Me And Giuliani Down By The School Yard (A True Story)« darf man sich dabei auch auf Material aus dem gelungenen neuen Album »As If« freuen. Der Schweiß wird fließen. 1. März Wien, Arena — 3. März Salzburg, Rockhouse
Ende letzten Jahres musste ihre Tour Sonnendurchflutete Psychedelik aus krankheitsbedingt abgesagt werden, Texas, die auch den Schatten kennt, jetzt wird nachgeholt: Jon Spencer, mal dezent verschleppt, mal mit etwas Judah Bauer und Russell Simins jagen stärkerem Antrieb ausgestattet. Geden Blues als räudigen Straßenköter sang und Melodien schälen sich eindurch Europa. Der bellt und beißt. nehmend aus dem hypnotischen Wa3. März Dornbirn, Conrad Sohm — bern. Empfehlenswertes neues Album: 16. März Wien, Arena — 17. März »Freaks Of Nurture«. 28. März Wien, Linz, Posthof Arena — 1. April Innsbruck, P.M.K.
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Know-Nothing-Gesellschaft von Illbilly The K.I.T.T.
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illustration Jakob Kirchmayr
or Jahren habe ich an dieser Stelle folgenden Satz vom Stapel gelassen, der zudem auch noch sehr bekrittelt worden ist. »Ich bin der letzte, der ein Problem hätte, unter einer Frau zu arbeiten. Solange ich 20 Prozent mehr verdiene, ist das für mich o.k. Außerdem muss erst einmal so ein Piepsimausi Chefredakteurin werden.« Die Überheblichkeit von gestern ist nicht selten die Rache von morgen und jetzt hab ich den Salat. Denn mein lieber, guter Chefredakteur, dem es generöser Weise hauptsächlich egal war, was ich hier hinten auf der letzten Seite so veranstalte, scheidet kurzfristig aus seinem Amt dahin in ein besseres Leben. Und vielleicht scheide ich ihm bald langfristig nach. Denn, wie gesagt, jetzt hab ich den Salat. Ist doch der designierte Nachfolger für einen der prestigeträchtigsten Printmedien-Posten im gesamten deutschen Sprachraum eine Frau und nicht ich. Ja, hier wurde richtig gelesen, das ist kein Druckfehler. Eine Frau. Und ich wurde schon wieder einmal übergangen. Allerdings ist es einer meiner schönsten Wesenszüge, dass ich mich neidlos für andere freuen kann. Was vielleicht damit zu tun hat, dass ich ein sehr begabter, um nicht zu sagen, begnadeter Arschkriecher bin. Sehe ich ein Arschloch schon von der Ferne, vergehen nur wenige Momente, ehe ich es mir darin gemütlich mache. Bei einem Girlboss wird das nun, obgleich natürlich um einiges mehr an Kriech- und Nistfläche vorhanden ist, etwas schwierig, befürchte ich, denn mein herber Charme, der sich in meinen besten Momenten mit schmierigem Altherrenwitz verbrüdert, ist bei Alphaweibern eher nicht so ein Gate-Opener. Meine in mühsamer Netzwerkarbeit angeeigneten Skills in Eierschaukeln und Eicheln-blitzblank-Polieren sind über Nacht obsolet, einfach perdu. Jedenfalls wurde ich zur neuen Chefin zitiert und unsere erste Konversation hatte etwas von einem Nahtoderlebnis. »So mein Lieber. Ich bin jetzt Chefin. Ich hab mir die Online-Zahlen angeschaut. Wenn in Zukunft wieder keiner auf deine Kolumne klickt, dann klick ich dich weg.« Dazu machte sie so noch eine DaumenZeigefinger-Pistole und lachte teuflisch. Öha. Fürderhin muss ich mich also ins Zeug legen, damit ich dereinst nicht am
Kolumnenfriedhof ende. Aber wie? Muss ich in einer Sprache, die möglichst nah am Volldepp dran ist, Selbstversuche zu Papier bringen? 100 Mal hintereinander das Gesamtopus von Kraftwerk hören und dann beschreiben, was das mit mir macht, wie sich dabei mein Stuhlgang verändert oder mein Samen anders raussprudelt? Verbal Art Brut? Ich weiß es nicht. Was ich aber weiß ist, dass Menschen gerne Internas lesen. Das hab ich jetzt absichtlich falsch geschrieben, ich weiß natürlich, dass die korrekte Pluralform von Internum Interna heißt. Aber die neue Chefin kriegt, wenn sie so etwas liest, richtiggehend Hass- und Tobsuchtsanfälle, brüllt und schreit dann herum und das freut mich sehr. Keine Ahnung, warum. Vielleicht weil es manchmal hilfreich sein kann zu wissen, wie wer reagiert …? In Zukunft heißt es dennoch aufpassen, darum hab ich mich im Internet schlau gemacht, um herauszufinden, was Leute gerne lesen und anklicken. Sex, Kinder, Tiere, Nazis, Fußball und Esoterik scheinen ganz oben auf der Liste zu sein. Wenn es einem gelingt, das zu verbinden, sozusagen in einem Text zu vereinen, zerklickt die Scheiße von ganz allein die GutenbergGalaxis. Eine durchaus heikle Aufgabe, die genauer Planung und eines klaren Geistes bedarf. Beides nicht unbedingt meine Stärken. Sex mit Nazis zu kombinieren ist nämlich schon mit äußerster Vorsicht anzugehen, Tiere und Kinder da auch noch reinzuziehen – hui, hui, hui, das kann schnell ins Auge gehen. Deswegen träume ich mich jetzt an meinen inneren, sicheren Kraftort. Dort finde ich meist Lösungen für Fragestellungen, die das Internet zu beantworten nicht mehr schafft. Ich bin bei der Wahl des Ortes übrigens nicht besonders einfallsreich. Hinter mir ist ganz banal Wald, irgendwas Kanadisches, kann aber auch in Patagonien sein. Vor mir ein Fluss, in den ich beizeiten gedankenverloren eine kräftige, gelbe Fontäne hineinschiffe. Immer dabei ist auch ein freundlicher Tukan mit buntem Schnabel, der die ganze Zeit Harry Belafonte-Songs singt. Es ist eine unendliche Calypso-Party im Gange und der einzige Gast bin ich. Der Tukan dürfte übrigens mein TotemTier sein. Vielleicht lasse ich ihn mir mal
wohin tätowieren. Aber erst, wenn ich alt bin und vergessen habe, dass ich tätowierte Menschen als fast immer sehr ekelhaft empfinde und durchaus zu verachten bereit bin. Ich gehe deshalb nur sehr ungern in Thermen oder Bäder und mach bei Fußballübertragungen immer den Teletext an. Damit ich kein Bild zum Ton habe und die über und über mit Tätowierungen versehenen Kickerkörper nicht zu sehen brauche. Auch nicht gerade super, aber ich hab einen lieben Bekannten, der ein bisschen komisch ist. Wir treffen uns alle paar Monate. Er ist fanatischer Fußballfan und sagt, dass er ein bisschen AspergerSyndrom hat. In Wirklichkeit, so vermute ich, ist er auf einem Trip hängen geblieben. Er zeichnet mir besonders schöne Tore als Daumenkino auf und bringt sie zu unseren Verabredungen mit. Ich freue mich immer sehr, wenn er mir so was schenkt und lade ihn dann auf Bier ein. Ich bestelle dann an der Schank immer kräftig für uns zwei und tu dabei so, als ob ich ein Tukan wäre. Ich hab übrigens schon sehr viele Tests gemacht um rauszufinden, ob mein gefiederter Tukan-Kumpel tatsächlich mein Totem-Tier ist. Ich hatte Krähe, Biber, Schlange und noch vieles andere mehr, aber niemals einen Tukan. Tukane sind allem Anschein als Totem-Tier nicht vorgesehen. Zumindest nicht in WebSchnelltests. Ich hab übrigens auch viele andere Tests gemacht. Bei »Welches RAF-Mitglied bist du?« kam Andreas Baader raus. Bei »Which Nazi are you?« Erich von Manstein. Bei einem Schnelltest im unmittelbaren Bekannten- und Kollegenkreis kam zutage, dass Erich von Manstein eigentlich niemand mehr kennt. Um Klicks zu kriegen, wäre Goebbels als Endergebnis besser gewesen, dann könnte nämlich eine Überschrift für diesen Text z. B. »Wenn andere Fußball schauen suche ich mich selbst und rauskommen Goebbels und Baader« lauten. Klicki, Klicki, Klick.
Photo: Frank Loriou
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OBERGRENZEN? NEIN DANKE! OBERGRENZEN? NEIN DANKE!
Keine Frage, euer Job ist kein leichter. Trotzdem ist es uns ein Anliegen, euch noch einmal ganz klar zu sagen: Obergrenzen, Z채une und Panzer sind eine ganz schlechte Idee!
OBERGRENZEN? NEIN DANKE!
Liebe Bundesregierung, lieber Werner Faymann, liebe Johanna Mikl-Leitner.
Euer
OBERGRENZEN? NEIN DANKE!
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