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Kunst sammeln

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N° 165

€ 0,—

AUSGABE oktober / november 2017 THE GAP IST KOSTENLOS UND ERSCHEINT ZWEIMONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1040 WIEN, P.B.B. | GZ 05Z036212 M


n e h c a m r i w . u a l b t h c i n . n Ăź r g t s i s da ktober: ulrike lunacek am 15. o

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Editorial F wie fehlend Neben diesem Text steht ein Inserat der Grünen, im Blattinneren findet man Werbebotschaften der ÖVP und der SPÖ: Es ist Wahlkampf und Inseratengelder fließen deshalb sogar in unsere Richtung. Redaktionell haben wir uns der Wahl in dieser Ausgabe im Rahmen einer verlängerten Workstation gewidmet, in der wir die Menschen, die den Wahlkampf erst ermöglichen und sonst auf Plakaten meist fehlen, vor die Kamera geholt haben. Dabei hätten eigentlich alle im Nationalrat vertretenen Parteien abgebildet werden sollen. Wer einige Seiten nach hinten blättert, wird bemerken, dass eine Partei fehlt. Es liegt nahe, zu vermuten, wir hätten die FPÖ aufgrund fehlender Sympathie ausgelassen, dem ist in diesem Fall aber nicht so. Trotz Besuch einer Parteiveranstaltung in der Lugner City und beim Ottakringer Kirtag und trotz Kontakt mit der Pressestelle haben wir es leider nicht geschafft, jene Menschen, die für H. C. Strache Kugelschreiber verteilen, abzubilden und dabei etwas über ihre Motivation zu erfahren. Dass sich die Trauer darüber innerhalb der Redaktion in Grenzen hält, ist kein großes Geheimnis. Immerhin hat The Gap der FPÖ im März 2000 eine Sonderausgabe gewidmet. Als die Partei in den Nationalrat einzog, wurde in der darauffolgenden Ausgabe kein F abgedruckt. Wir hoffen – unter anderem aus Gründen der Lesbarkeit – eine solche Aktion nicht wiederholen zu müssen. Dafür freuen wir uns auf eine neue Umstellung, die Lesbarkeit nur peripher betreffend: Ab der nächsten Ausgabe wollen wir das Gendern nicht mehr den einzelnen AutorInnen überlassen, sondern in allen unseren Artikeln die weibliche Form mitdenken. Ja, damit sind wir 165 Hefte zu spät dran. Geschichten über großartige Frauen gibt es seit jeher genug, auch in dieser Ausgabe: Vienna-ContemporaryChefin Christina Steinbrecher-Pfandt erzählt in unserer Coverstory über ihren Zugang zu Kunst und Filmemacherin Jasmin Baumgartner erklärt, wieso Bewegtbild ihr Leben schon in ihrer Jugendzeit ein Stück lebenswerter gemacht hat. Filmisch geht es auch in unserem Porträt über Arash T. Riahi weiter, den wir am Set seiner neuen Produktion »Cops« besuchen durften. Und um am Schluss noch einmal auf F wie fehlend zurückzukommen: Gefehlt hat in der letzten Ausgabe leider der richtige Prosa-Text, den wir jetzt nachholen.

Yasmin Vihaus

versucht hier, die vergangene Heftproduktion zu verarbeiten vihaus@thegap.at • @yasmin_vihaus

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Herausgeber Manuel Fronhofer, Martin Mühl Chefredakteurin Yasmin Vihaus Leitende Redakteure Manfred Gram, Thomas Weber Art Direction Sig Ganhoer Gestaltung Sig Ganhoer, Michael Mickl Autoren dieser Ausgabe Amira Ben Saoud, Barbara Fohringer, Manuel Fronhofer, Pia Gärtner, Catherine Hazotte, Michael Mazohl, Dominik Oswald, Michaela Pichler, Kevin Reiterer Magdalena Reuss, Gabriel Roland, Zoran Sergievski, Alexandra-Maria Toth, Yasmin Vihaus, Jana Wachtmann, Sarah Wetzlmayr, Theresa Ziegler Kolumnisten Illbilly, Therese Kaiser, Martin Mühl, Gabriel Roland Fotografen dieser Ausgabe Erli Grünzweil (Cover), Marlene Mautner Lektorat Adalbert Gratzer, Katja Schifferegger Anzeigenverkauf Herwig Bauer, Thomas Heher, Micky Klemsch, Martin Mühl, Clemens Reichholf, Thomas Weber (Leitung) Distribution Martin Mühl Druck Ferdinand Berger & Söhne GmbH Pulverturmgasse 3, 1090 Wien Geschäftsführung Martin Mühl Produktion & Medieninhaberin Monopol GmbH, Wohllebengasse 16 / 6, 1040 Wien Kontakt The Gap c/o Monopol Medien GmbH Wohllebengasse 16 / 6, 1040 Wien office@thegap.at — www.thegap.at Bankverbindung Monopol GmbH, Bank Austria, IBAN AT 54 1200 0515 8200 1929, BIC BKAUATWW Abonnement 10 Ausgaben; Euro 19,— www.thegap.at/abo Heftpreis Euro 0,— Erscheinungsweise 6 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1040 Wien Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Für den Inhalt von Inseraten haftet ausschließlich der Inserent. Für unaufgefordert zugesandtes Bildund Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung.

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Magazin 012

Wo sind die jungen KunstsammlerInnen Kunst auf Raten

019 Columbo und die rettende Lösung Jasmin Baumgartner im Porträt 024 Der Gänsehautproduzent Arash T. Riahi im Porträt 032 Experiment Unten Linz macht Platz für Clubkultur 033 Kunst-Reaktor Das Gschwandner wird reaktiviert

036 Abseits von Köttbullar und Billy Skandinavisches Design in Wien 038 Knock-Down-Furniture Ikea-Hackers 040 Die neue Langsamkeit H&M launcht mit Arket eine neue Marke

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024 Catherine Hazotte Kommt aus der Werbung und porträtiert für uns regelmäßig Menschen aus der österreichichen Kreativszene. In dieser Ausgabe bleibt sie dem Thema Design treu, wechselt aber gen Skandinavien. Seite 036

Marlene Mautner

019 Rubriken 003 Editorial / Impressum 006 Leitfronhofer 022 Golden Frame 044 Workstation extended: WahlkämpferInnen SPÖ: Can Güven, Bernhard Häupl ÖVP: Marc Deutschmann Neos: Angelika Pipal-Leixner, Werner Albeseder Grüne: Bernhard Weingant

048 Prosa: Lydia Haider 050 Prosa erratum: Jakob Pretterhofer 052 Gewinnen 053 Rezensionen 060 Termine

Studiert Fotografie an der Angewandten und hat eine Leidenschaft für das Universum. Für unsere aktuelle Ausgabe taucht sie in Jasmin Baumgartners Film-Universum ein und liefert zudem die Bilder für die Geschichte auf Seite 019

Kevin Reiterer Schreibt über Musik, ist im Medienhaus Monopol für Projekt- und Eventmanagement zuständig und beschreibt sich als rastloses Nachtschattengewächs, sammelnden Musiknerd, Newsjunkie und Biergenießer. Auf Seite 032 hat er sich nach Linz und dort nach unten begeben.

Sarah Wetzlmayr Arbeitet neben ihrer Tätigkeit bei einem Männermagazin auch auf einem Ponyhof. Sie hat mit Regisseurin Jasmin Baumgartner über Filmrollen, Rollenverteilungen und die Rolle der Musik in ihrem Leben gesprochen. Über Wanda selbstverständlich auch. Seite 019

Kolumnen 008 Lokaljournalismus: Martin Mühl 009 Einteiler: Gabriel Roland 010 Gender Gap: Therese Kaiser 066 Know-Nothing-Gesellschaft: Illbilly

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Manuel Fronhofer

ist Mitbegründer und Co-Herausgeber von The Gap

Standortvorteil Clubkultur Dass die Ausgeh- und Feierkultur ein wirtschaftlicher Faktor und im Wettbewerb um die kreativsten Köpfe auch ein Standortvorteil sein kann, lebt weltweit kaum eine andere Stadt so vor wie Berlin. Bereits seit dem Jahr 2000 gibt es dort die Clubcommission, einen Verein mit derzeit über 140 Mitgliedern und dem Zweck, die lokale Veranstalterszene zu unterstützen und zu fördern. »Clubs, Festivals und Kulturveranstaltungen sind das Experimentallabor für Musiker und Produzenten und Ideenpools für Kreativwirtschaftsbranchen wie Mode, Film, Games und moderne Kunst. Hier werden neue Kontakte geschaffen, Projekte ausprobiert, Trends gesetzt und Nischen verteidigt. Von ihrer Wirkung auf Besucher und Fachkräfte profitieren auch andere Branchen in hohem Maße wie der IT/Start-upBereich, die Gastronomie oder der Tourismus«, heißt es auf der Website der NGO. Klar ist, dass es Nachbürgermeistern und verwandten Projekte natürlich nicht nur um ökonomische Kriterien gehen kann. Auch der

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Mit einer Stimme? Mangelnde Transparenz bei Entscheidungen von Politik und Behörden – manche nennen es gar Willkür – ist für Veranstalter und Clubbetreiber dann auch einer der Gründe dafür, sich für ein gemeinsames Auftreten stark zu machen. Und natürlich der Widerstand gegen Gesetze und Steuern, die das wirtschaftliche Überleben unnötig erschweren. Im einem gewissen Rahmen könne eine »Selbstregulierung der Clubs weitaus effizienter sein«, meint etwa Michael Palliardi, der als Initiator der IG Clubkultur schon länger daran arbeitet, die Clubs der Stadt – von Bettelalm bis Grelle Forelle – mit einer Stimme zu vertreten. Waren die Abschaffung der Vergnügungssteuer und Erleichterungen in Sachen Sperrstunde in den letzten Jahren gemeinsame Ziele,

bei denen letztlich auch Fortschritte erzielt werden konnten, so fehle nun das Einende, so Peter Nachtnebel vom Fluc über die vermeintliche Interessensgemeinschaft. »Es ist die Frage, wie definierst du Club? Es kann nicht nur eine ›IG Underground-Clubkultur‹ sein, die das subkulturelle Wien repräsentiert. Die Anliegen der jeweiligen Clubs sind dann doch zu unterschiedlich.« Das habe sich zum Beispiel beim Versuch gezeigt, einen gemeinsamen Wertekanon auszuarbeiten.

Gustav, 2008, Foto: Thomas Degen

gedeihliche Umgang mit den Anrainern spielt eine zentrale Rolle. Das zeigt sich in Projekten wie »Fair Kiez«, bei dem Lärm, Müll, Kriminalität und der Verkauf illegaler Substanzen Thema sind und für alle nachvollziehbare Spielregeln abgeleitet werden sollen, oder in Entscheidungen mit Augenmaß wie in Amsterdam: Dort bekommen manche Clubs sogar eine 24-Stunden-Lizenz erteilt, aber eben nur solche, die abseits von Wohngegenden angesiedelt sind. Und in Wien? Da hatte zuletzt das Kollektiv Tanz durch den Tag im Rahmen seines Aufwind Festivals zur Wahl des »Mach MeistA« aufgerufen. Als Denkanstoß, wie Laurent Koepp erläutert, weil eine Instanz, die zwischen Clubs bzw. Veranstaltern, Anwohnern und Stadt vermittelt, schlicht und einfach fehle. Als hätte es eines Belegs dafür bedurft, musste das junge Team des Festivals nach zunächst sehr positiven Signalen zur Kenntnis nehmen, dass eine Sperrstundenerstreckung kurzerhand doch nicht genehmigt wurde. Was im Zusammenspiel mit anderen Faktoren – ja, vielleicht auch ein wenig Naivität – zu erheblichen finanziellen Einbußen führte.

Falco, 1985, Foto: Didi Sattmann

Amsterdam hat es vorgemacht, Städte wie Paris, Zürich und London haben mittlerweile auch einen. Die Rede ist vom Nachtbürgermeister. Die Idee dahinter? Eine Schnittstelle zwischen der Club- und Veranstalterszene, den Anrainern und der Stadt zu installieren. Mirik Milan etwa ist 2012 angetreten, um Amsterdam zu einer Stadt zu machen, die auch nach Einbruch der Dunkelheit attraktiv ist – gewählt von der Partyszene, von Clubbesitzern und DJs und mit finanzieller Unterstützung der Stadt; wie in den meisten Fällen aber eben nicht als Teil der Stadtverwaltung. Eine Ausnahme: Amy Lamé. Seit Ende 2016 trägt sie den Titel »Night Czar« und vermittelt – aus der Perspektive einer profunden Kennerin des Nachtlebens – direkt im Auftrag des Londoner Bürgermeisters zwischen den Interessensgruppen. Das Ziel ist auch hier, die Stadt rund um die Uhr lebendig und lebenswert zu gestalten.

Bewusstsein schärfen Dass ein Wiener Nachtbürgermeister oder eine Wiener Nachtbürgermeisterin das Bewusstsein der Politik für die Bedeutung der Ausgeh- und Feierkultur schärfen könnte, liegt auf der Hand. Vielleicht sollte die Idee einer gemeinsamen Stimme der Veranstalterszene dabei vorerst hintangestellt und die Vorteile einer klar definierten Anlaufstelle für alle Seiten stärker betont werden. Vorausgesetzt natürlich, der politische Wille ist vorhanden, eine solche Instanz anzuerkennen und – wohl auch finanziell – zu unterstützen, um ihr das nötige Pouvoir zu verleihen. In Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny, der Projekte wie das Popfest oder Electric Spring auch unabhängig von Wahlen fortgesetzt hat, sehen die Clubvertreter einen dafür durchaus aufgeschlossenen Zuständigen. Es würde freilich Kompromisse auf allen Seiten brauchen. Könnte aber letztlich Bewegung in die eher eindimensionale Einschätzung bringen, dem Tourismus in Wien genügten Lipizzaner und Riesenrad. fronhofer@thegap.at • @posernerd P. S.: Die Idee, einen Nachtbürgermeister für Wien zu installieren, haben vor Kurzem auch die Neos aufgegriffen. Die absurde Reaktion der FPÖ sollte man gesehen haben. Die Suchmaschine eures Vertrauens hilft weiter.

Elisabeth Els

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Leitartikel Wien braucht einen Nachtbürgermeister – und Pragmatismus auf Seiten derjenigen, die er vertreten soll

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Helmut Qualtinger, 1956/57, Foto: unbekannt

Falco, 1985, Foto: Didi Sattmann

Gustav, 2008, Foto: Thomas Degen

z n n a g Wie

Kruder & Dorfmeister, 1993, Foto: Gerhard Heller

WIEN MUSEUM KARLSPLATZ

14.9.2017 Eine –25.3.2018 Pop-Tour HAUPTSPONSOR DES WIEN MUSEUMS

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AUSSTELLUNgSSPONSOR

MEDIENPARTNER

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Martin Mühl isst sich durch Wien

Charts Zoran Sergievski TOP 10

Scandinavia Sucks 01 Anders Behring Breivik 02 (OMV-)Bohrinseln vor Norwegen 03 Ingvar Kamprad 04 Die wahren Finnen 05 Skype-Störungen 06 Christiania 07 Mjölnir-Halsketten made in China 08 Yggdrasill-Tattoos made in Meidling 09 ABBA 10 Legosteine, auf die man tritt

Lokaljournalismus Rien

Top 03

Nord-Nord-Nord 01 Lego 02 Sommernächte in Island 03 Landsliðið Auch nicht schlecht: Inuit Ataqatigiit

Charts Elias Hirschl TOP 10

Zahlen von 1 bis 10 01 7 – niedrigste Generatorzahl im natürlichen Zahlenraum 02 π – Pi× r2, ein Spaß auf jeder vernünftigen Party 03 e – 2,718… Basis jedes natürlichen Logarithmus 04 Φ – 1,618, goldener Schnitt, Grenzwert der Fibonachi-Reihe 05 2 – die einzige Primzahl 06 10 – auf einer Bewertungsskala von 1 bis 10 die Nummer 1 07 9 – die perfekte Anzahl von Fingern auf jeder gesunden Hand 08 8,9 – nicht ganz so gut wie 9, aber fast 09 9,1 – die 10 unter den 8,9ern 10 5 – schon auch nicht schlecht

Top 03

Verachtenswerteste Biere 01 Egger, das Schwechater unter den Bieren 02 Heineken, das Becks unter den Bieren 03 Corona, das Corona unter den Coronas Auch nicht schlecht: Mongolei Elias Hirschl ist Slam-Poet, Musiker und Schriftsteller mit einem Hang zu weirden Buchtiteln. Kürzlich erschien sein Roman »Hundert schwarze Nähmaschinen«.

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Für das Rien haben sich ein paar Menschen zusammengefunden, die schon in den letzten Jahren mit außergewöhnlicher Gastronomie aufgefallen sind: friendship.is war und ist an der Betonküche, wie auch der Feldküche (für die Österreichischen Bundesforste) und dem FAQ-Festival in Vorarlberg beteiligt, während Hubert Peter als Barkeeper mit seinen eingelegten Säften und dem selbstgemachten Wermut nicht nur von der Barrikade in der Marktwirschaft her vielen ein Begriff ist. Die Köche Simon Kotvojs und Lucas Steindorfer hingegen haben im Mochi und der Liebe bereits gezeigt, was sie können. Kulinarisch setzt das Rien auf eine moderne Interpretation der Wiener Küche – ganz ohne Schnitzel. So gibt es als Vorspeise etwa einen Paradeisersalat mit Gurke und mit Fichtenharz gesüßtem Pfirsich. Oder »Seeviche« von der Lachsforelle mit ordentlich Zwiebel, Sauerkraut und Essig – was den rohen Fisch fast ein wenig untergehen lässt. Die Eierschwammerl-Ravioli sind bissfest und werden am Tisch mit 22 Monate gereiftem Bergkäse berieben. Das Bio-Schulter­ scherzel kommt in einer wunderbar dunklen Sauce, mit Cremespinat und Gnocchi – drei intensive Geschmäcker, die sich zusammen nur ergänzen. Beim Dessert ist der so genannte Ziegenkäse eine Cheesecake-Variation, serviert mit Mandelbrot und Hollerröster. Auf der Getränkekarte sammeln sich Säfte, offenes Bier von Trumer und Weine – während man sich die Cocktails am besten persönlich erklären lässt. Überhaupt trägt atmosphärisch das Personal das Konzept zu den Gästen: Humorvoll und engagiert werden hier Fragen beantwortet und freut man sich, wenn man Empfehlungen an den Tisch bringen kann. Die Preise sind dabei nicht niedrig und die Portionen nicht riesig – Essen, Getränke und das Personal sind aber so gut, wie es die vollmundigen Ankündigungen erhoffen ließen. muehl@thegap.at • @muehlmartin Rien, Michaelerplatz 2, 1010 Wien rien.at

Speisen 6,50 bis 23,50 Euro. Menüs mit 3 Gängen (31 Euro), 5 Gängen (47 Euro) und 9 Gängen (78 Euro)

Andreas Jakwerth, Martin Mühl

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Zoran hat einen Grundschulfreund aus Island, kann Eyjafjallajökull unfallfrei sagen und mag nordische Serien.

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Gabriel Roland

betrachtet die hiesige Modeszene Stück für Stück

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Der Schal und die anderen Teile aus der aktuellen Edition von Hood mit dem Titel »Romantic Outsider« sind auf hood.style erhältlich.

Erli Grünzweil

Die Produkte und Dienstleistungen, die das Hard Rock Cafe, Thrasher, Harvard, Levis oder Manner anbieten, könnten kaum unterschiedlicher sein. Was sie aber verbindet, ist die Art und Weise, in der ihre ästhetischen Repräsentationen sich verselbstständigt haben. Das wichtigste Vehikel der Identifikation ist dabei Kleidung, die – auch wenn ihre Bedeutsamkeit gerne in Abrede gestellt wird – die äußerste visuelle Schicht, der erste Referenzrahmen für bewusst oder unbewusst abgesetzte Botschaften an unser Umfeld bleibt. Die Frage nach der Bedeutung von Gewand als Ausdrucksmittel löst sich bezeichnenderweise just dann vollständig auf, wenn man eine oft gerade von denjenigen, die sonst die Wichtigkeit von Kleidung geringschätzen, getragene Untergruppe in Treffen bringt: Merchandise. Hier tritt das Kleidungsstück an sich auf einmal in den Hintergrund und eine unversehens explizit gewordene Bedeutsamkeit in den Vordergrund. Sei es ein Sportverein, eine Universität oder eine Band: Über Aufschriften und Symbole wird Identität und Zugehörigkeit geschaffen und diese innerhalb der peer group sowie nach außen kommuniziert. Der jacquardgestrickte Schal ist aus Fußballkreisen wohlbekannt. Seine Beschaffenheit ist durch die bestmögliche Darstellung charakteristischer Symbole, Farben und Schriftzüge bedingt. So wird er auch weniger um sich warm zu halten als seiner medialen Wirkung wegen getragen. Es sind genau diese Versatzstücke mit denen das Wiener Creative Studio Hood in seinen Modeeditionen spielt. Die Konventionen und Codes der für Merch geläufigen expliziten Kommunikation werden auf ungleich diffusere Identifikationsmodelle umgelegt. Am Ende steht man mit einem Fanschal da, der einen mit eindringlicher Typografie und (anti) religiöser Symbolik als »Romantic Outsider« ausweist. Diese intuitive Verwertung kultureller Bausteine ist eines der Merkmale vieler junger Akteure, die wie Hood unkonventionell, kollaborativ und interdisziplinär arbeiten wollen. An der Schnittstelle von High Fashion, der eine komplexe Sinnstiftung eigen ist, und Streetwear, aus der wiederum die direkte Kommunikation von Markenidentitäten an spezifische Zielgruppen stammt, schafft Hood ein Hybrid aus beidem. Der transportierte Inhalt ist nicht mehr nur ein konkreter Anbieter von Waren und Dienstleistungen, sondern eine zeitgeistige Momentaufnahme. Arbeitstitel: High Merch. roland@thegap.at • @wasichgsehnhab

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Einteiler Merch Talking

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Therese Kaiser

beschäftigt sich hier mit den großen und kleinen Fragen zu Feminismus

Nach etwa 22 Semestern Politikwissenschaft weiß ich Eines mit absoluter Sicherheit: Ich habe absolut keinen Bock, über Politik zu sprechen. Grundsätzlich ignoriere ich alle Wahlkämpfe, bis es nicht mehr geht – also meist bis zum Wahlsonntag im Pyjama in der Wahlkabine. Dort mache ich dann mein Kreuzerl und gebe ein kurzes Stoßgebet ab, dass es das jetzt eine Weile lang war. 2016 hat dann gezeigt, dass man Wahlkämpfe leider nicht immer ignorieren kann und dass das Ausblenden jeglicher parteipolitischen Regung dann unmöglich ist, wenn dir Norbert Hofer droht, dass du dich noch wundern wirst, was alles möglich ist. Irgendwo zwischen zweitem und drittem, echtem oder falschem Bundespräsidentschafts-Wahlkampf (Details inzwischen wieder verdrängt), Trump und Brexit habe ich meine Dissertation aufgegeben, moderne Demokratie konzeptionell hinterfragt und war kurz davor, Monarchistin zu werden, nur, damit wir nie wieder irgendwas mit Wahlen, Abstimmungen, Volksbegehren oder ähnlichen, offensichtlich autoaggressiven, demokratischen Prozessen zu tun haben müssen. Es war sicherlich das übertrieben hohe Frühlings-Serotonin, das mich dazu bewegt hat, die Sache mit der Dissertation wiederaufzunehmen, meine Studiengebühren zu zahlen und zaghaft wieder die Webseiten österreichischer Tageszeitungen aufzurufen. Spätestens seit ich von einem besoffen überschwänglichen JVPler das halbe Bier im Alpbacher Jakober übers T-Shirt geleert bekommen habe, habe ich mich der Wahlkampf Realität stellen müssen. Was mich an der politischen Sphäre wohl am meisten schlaucht, ist das übertriebene Herumgeaffe, dieses männlich konnotierte Brustgeklopfe und der Wahlkampf-Kriegsjargon, den uns Gratisblätter in der U-Bahn entgegenwerfen. Kanzlerduell! Duell um den Kanzler! Kanzler Kanzler! Krieg! Heteronormativ ist gar kein Ausdruck für das, was sich da in Schlagzeilen abspielt. Die Tatsache, dass frauenpolitische Agenden so stringent im Wahlkampf und in der Tagespolitik ignoriert werden, dass es ein eigenes Volksbegehren braucht, um darauf hinzuweisen, dass 50 Prozent der Wähler_innen Frauen sind, ist tragisch. Was noch tragischer ist: Auch 2017 gibt es nur eine einzige Spitzenkandidatin, ansonsten haben wir es mit mehr oder weniger alten weißen Männern zu tun,

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die gegenseitig Penisgröße messen. Während uns die ÖVP erklärt, es wäre Zeit für ein neues Frauenbild (wait, what?), die FPÖ um »unsere Frauen« fürchtet – es wäre ja tragisch, wenn Frauen in Österreich nicht von »echten« Österreichern verprügelt würden, sondern von anderen – und die SPÖ sich mir nicht erschließbare Wahlkampf-Konzepte um Wut-Omas zusammenbastelt, passiert gender-technisch in diesem Wahlkampf nicht sonderlich viel. Das Grüne »Sei ein Mann, wähl eine Frau!«-Sujet ist gut gemeint, aber kontextlos irgendwie auch sinnlos, und ich will gar nicht erst über denjenigen sprechen, der derzeit aus gekränktem Ego einfach mal so eine im Parteiensystem längst angekommene Bewegung sprengt. Ja, in den meisten Parteien werden Frauen in Position gebracht, Neos schickt Griss ins prominente Rennen, die Grünen haben mit Lunacek eine glaubhafte Feministin an der Spitze, Pilz holt sich einen Haufen Quereinsteigerinnen ins Team, die ÖVP lässt einige Damen nach vorne und die SPÖ besetzt brav paritätisch und natürlich sinnvoll mit der bewährten Ministerinnen- und Staatssekretärinnen-Riege. Daneben passiert aber nicht viel, außer dass ab und an irgendwo irgendein SocialMedia-Berater oder -Beraterin ein pinkes Shareable auf Facebook knallt, das den Wähler_innen zeigen soll, dass man sich eh mit diesem Feminismus auseinandersetzt. Versteht mich nicht falsch, ich kenne alle Partei- und Wahlprogramme leider halbwegs gut, ich habe schon bemerkt, dass die Themen Einkommensschere, Kinderbetreuung, Pflege, Frauengesundheit, Altersarmut und Artverwandtes je nach Couleur mehr oder weniger abgehandelt werden. Das reicht mir aber nicht: Ich komme nicht darum herum, mich nicht repräsentiert zu fühlen, wenn ich mit 33 Prozent Frauen im Parlament und knapp 20 Prozent der Regierung vertreten bin. Dass es nach dem nächsten Wahlgang wahrscheinlich nicht viel besser aussehen wird, ist jetzt schon abzusehen. Die wunderbaren Ausführungen zu frauenpolitischen Themen bleiben so nämlich für immer einfach nur heiße Luft auf Papier, und umgesetzt wird die kommenden Jahre davon sowieso kaum etwas. Es tut mir tatsächlich leid, dass ich hier so binär werden muss, weil es sonst nicht mein Stil ist: Aber wenn nicht mal das einfachste soziodemo-

graphische Merkmal auf Polit-Ebene abbildbar ist, und man sich ja eigentlich doch in einer repräsentativen Demokratie befindet, dann ist das bitter. Wie soll denn jemals Politik oder Wahlkampf mit kritischen Zugängen zu Geschlechterrollen gemacht werden, wenn zwei Drittel der Parlamentarier_innen noch nie am eigenen Leib erfahren mussten, was es bedeutet, auf Grund des Geschlechts diskriminiert zu werden? Frauenpolitik ist dann hoch im Kurs, wenn Politik auch von Frauen gemacht wird. Parteien sollten sich nicht zaghaft zu halbherzigen Quoten für die Listenerstellung verpflichten, sondern tatsächlich einfach paritätische Listen aufstellen – und da reden wir noch gar nicht über Diversität hinsichtlich Einkommen, Herkunft, Bildungsgrad oder sexueller Orientierung. Wenn ich dann nach Oktober 2017 irgendwann wieder im Pyjama in der Wahlkabine stehe, will ich zu gleichen Teilen Frauen und Männer auf der Liste stehen haben. Vor lauter Kanzler-Kanzler-Geschreie kann ich mich nämlich kaum noch auf Inhalte konzentrieren, und ich will innerhalb der nächsten zehn Semester dann auch meine Diss abgeben, bitte danke bussi! kaiser@thegap.at • @thereseterror Therese Kaiser ist Co-Geschäftsführerin des feministischen Business Riot Festivals und ist vor allem auf Instagram anzutreffen. facebook.com / businessriot instagram.com / thereseterror

Pamela Rußmann

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Gender Gap Kanzler, Kanzler!

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VERÄNDERUNG MIT VERANTWORTUNG.

WIR SCHLIESSEN DEN GAP. DAMIT DIE SCHERE ZWISCHEN ARM UND REICH ZUGEHT. CHRISTIAN-KERN.AT

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Kunst auf Raten Wo sind die jungen SammlerInnen?

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Wie gelingt der erste Kauf? Und was gilt es dabei zu beachten?

Die Wiener Kunstszene befindet sich im Aufbruch. Mit der Besiedlung neuer Galerien in Wien steigt auch das Potenzial junge Menschen für das Sammeln von Kunst zu begeistern. Doch wie gelingt der erste Kauf? Und was gilt es dabei zu beachten? ———— Wenn die Kunst alles darf, dann stellt sich die Frage, was sie alles kann. Kunst ist weder essbar, noch lässt sich darin wohnen. Sie kann keine menschlichen Grundbedürfnisse decken. Demnach könnte man davon ausgehen, dass das Sammeln von Kunst all jenen vorbehalten ist, die sich längst und darüber hinaus ihre Existenz abgesichert haben. Die wohlhabende Tante, das reiche Sammlerpärchen aus der Innenstadt oder der smarte Banker – der Vorstellung nach ist der Personenkreis all jener, die sich Kunst leisten können und von Auktionshäusern zu Galerien wandern, durchaus beschränkt. Die gekauften Werke werden als Investition gehandelt, als intellektuelles Kulturgut präsentiert, um den sozialen Status zu erhöhen, oder verstauben in Privatsammlungen. Das private Sammeln von Kunst fordert demnach gewisse Privilegien, die nicht gleichermaßen verteilt oder einfach zugänglich sind. Es ist genau jene Annahme, die maßgeblich Hemmschwellen produziert, an der junge Menschen, die sich für das Sammeln von Kunst interessieren, scheitern. Dass es durchaus möglich ist, mit einem geringen Budget Kunstwerke zu erstehen, zeigen verschiedene Initiativen von Kunst- und Kulturschaffenden und von etablierten sowie neuen Galerien.

ler Ebene durch Größe, Materialverwendung, Zeitaufwand zur Herstellung, Popularität des Kunstschaffenden und nicht zuletzt durch Angebot und Nachfrage bestimmt, gleicht der soziale Wert einem Versprechen und entsteht, wenn ein Werk historische Bedeutung erlangt und zum Bildungswerkzeug mutiert, das soziale Interaktion fördert und damit den sozialen Status der BesitzerInnen erhöhen kann. Die essentielle Ebene hingegen erschließt sich aus dem Potenzial eines Kunstwerks persönliche und individuelle Emotionen bei den BetrachterInnen auszulösen und ist daher stark an eigene Geschichten und Erfahrungen gekoppelt. Für SammlerInnen gilt der essentielle Wert als entscheidender Kauffaktor, obgleich die kommerzielle Ebene in finanziellen Verhandlungen an Oberhand gewinnt. Dieser Umstand ist nicht zuletzt dem künstlich erzeugten Hype um einige wenige KünstlerInnen, wie Jeff Koons und Damian Hirst, geschuldet und beeinflusst auch die Preisgestaltung jener Kunstwerke, die aus nicht ganz so bekannter Hand stammen.

Was, Wann und Warum? Ist es eine Investition, eine Leidenschaft oder das soziale Versprechen? Wer Kunst sammelt, folgt unterschiedlichen Motiven. Wenn der Rapper Jay-Z in seinem Song »Picasso Baby«

über den Besitz eines Picasso’s fantasiert und gleichzeitig seine Sammlung an Werken von Andy Warhol erwähnt, lässt dies eine Motivation an Investment und sozialem Versprechen vermuten. Wenn der Schauspieler Leonardo DiCaprio den österreichischen Künstler Christian Rosa in seinem Studio besucht, um ihm dabei zu helfen eines seiner Werke zu vollenden, dann deutet dies auf Leidenschaft hin. Christina Steinbrecher-Pfandt, Leiterin der Kunstmesse viennacontemporary, begann mit vierundzwanzig Jahren Kunst zu sammeln. »Meine anfängliche Motivation war die Konservierung von Zeit«, erklärt sie, denn erste Werke erstand sie während ihrer prägenden Studienzeit in London, die sie unbedingt festhalten wollte. Mittlerweile fokussiert sich ihre Sammlung auf abstrakte Arbeiten. Wie Florian Langhammer, Kunstsammler und Gründer der Zeitschrift »Collectors Agenda«, folgt Steinbrecher-Pfandt einer essentiellen Komponente. »Sich mit zeitgenössischer Kunst auseinanderzusetzen bedeutet für mich, sich mit unterschiedlichen Sichtweisen auf die Welt zu befassen«, so Langhammer. Einen anderen Zugang verfolgt der Szenegastronom Martin Ho, der regelmäßig Kunst kauft und verkauft, um damit teilweise sein

Der Wert der Kunst

Erli Grünzweil

Doch warum sollte in Kunst investiert werden? Um sich einer Beantwortung dieser Frage anzunähern, muss zunächst der Wert der Kunst geklärt werden. Folgt man den Gedanken des amerikanischen Kunsthändlers Michael Finlay, so ergibt sich der Wert der Kunst aus einer kommerziellen, einer sozialen und einer essentiellen Komponente. Während sich der Wert eines Kunstwerks auf kommerziel-

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» Investitionen sind ein großer Bestand­ teil des Kunst­ handels. So kommt Geld in den Markt und junge Talente werden erkannt und gefördert.« — Christina Steinbrecher-Pfandt 19.09.17 21:22


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Michael Klaar entdeckte seine Liebe für Kunst sehr früh. Leidenschaft, gepaart mit jugendlichem Leichtsinn führten zum ersten Kunstkauf in jungem Alter.

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»In Wien existieren mehr Kunst­ liebhaberInnen als SammlerInnen.« — Nathalie Halgand

Lifestyle- und Gastronomie-Imperium zu finanzieren. Er folgt somit einer Investmentregel, die der Kunstmarkt auch nötig hat, denn »Investitionen sind ein großer Bestandteil des Kunsthandels. So kommt Geld in den Markt und junge Talente werden erkannt und gefördert«, erzählt Christina Steinbrecher-Pfandt. Mit einem etwas leidenschaftlicheren Zugang und besonders früh begann der Pianist und Dirigent Michael Klaar seine Kunstsammlung aufzubauen. Sein erstes Werk, eine Gouache von Antoni Tàpies, kaufte der Musiker im Alter von dreizehn Jahren, in einer renommierten Galerie in Basel und erwähnt, dass ihn vor allem seine jugendliche Naivität vor etwaigen Hemmschwellen bewahrt hat. Wo Interesse an Kunst vorhanden ist, besteht auch vereinzelt die Sorge, nicht genügend monetäre Mittel oder künstlerisches Fachwissen bereitstellen zu können. »Galerien und Museen sind abschreckend«, erklärte der Jungsammler Nuriel Molcho einst gegenüber der österreichischen Tageszeitung Die Presse. Seine Hemmschwelle wurde durch Street Art, also einer Form der Kunst im öffentlichen Raum, überwunden. Molcho musste so keinen Schritt in eine Galerie wagen und konnte sich langsam mit dem Potenzial einer Kunstsammlung vertraut machen. Die Kunst als Inspiration für die eigene kreative Tätigkeit nutzt das Sammlerpaar Yudi und Birgit Warsosumarto der Kommunikationsagentur Peach. Neben ihrer klassischen Agenturarbeit gestalten sie auch Kataloge für zeitgenössische KünstlerInnen und definieren somit die Kunstaffinität ihres Kreativbüros. »Die Kunst, die zu uns findet, reflektiert auch unsere Haltung, unsere Ideen und im weiteren Sinne auch den sozialen Kreis, in dem wir uns bewegen«, so Yudi und Birgit Warsosumarto über ihre Sammlung, die Werke von Ulrich Nausner, Agnes Martin oder Nives Widauer umfasst. Wer Kunst kauft und sammelt, so wirkt es, ist entweder selbst in der Kunst tätig, bewegt sich in der Szene oder gehört einer Generation etablierter SammlerInnen an. Die potenziel-

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le neue SammlerInnenschaft, die auch jene umfassen kann, die nicht in Kunstbetrieben tätig oder präsent sind, können vor allem jene Galerien nutzen, die selbst von jungen Menschen geführt werden.

Junges Wien, junge Kunst Mit den GaleristInnen und KuratorInnen Sophie Tappeiner, Cornelius van Almsick, Nathalie Halgand, Vincenzo Della Corte oder auch Franziska Sophie Wildförster hat Wien einige neue junge Player gewonnen, die nun im österreichischen Kunstgeschehen mitmischen. Mit ihrer Konzentration auf zeitgenössische Kunst und Praktiken sowie ihrer Vorliebe für junge österreichische KünstlerInnen wie Angelika Loderer oder Marianne Vlaschits setzen sie neue Impulse, die eine junge und neue Generation von SammlerInnen hervorbringen kann. »Jedes Jahr besuchen immer mehr junge Menschen die viennacontemporary, um Kunst zu kaufen«, so Christina Steinbrecher-Pfandt. Dem gegenüber bleibt die Einschätzung, dass die österreichische SammlerInnenszene überschaubar sei. »In Wien existieren mehr KunstliebhaberInnen als SammlerInnen«, so Nathalie Halgand, die 2016 ihre eigene Galerie im sechsten Bezirk eröffnete und erklärt, dass die Kunstwelt noch ein undurchsichtiges Terrain für junge SammlerInnen aus Wien darstellt. Doch Wien sei aufgewacht, beschönigen einige aktuelle Beobachtungen und Zeitungsartikel. Dies mag zwar teilweise auf das Galeriegeschehen zutreffen, betrifft aber die SammlerInnenszene noch kaum. Doch zeitgenössische Kunst scheint im Trend wie schon seit längerer Zeit nicht mehr. GaleristInnen wie Sophie Tappeiner oder auch Nathalie Halgand können junges Publikum in ihre Ausstellungsräume locken, sofern sie die richtigen Signale senden und darauf setzen, dass der Genuss von Kunst keiner Elite vorbehalten und das Sammeln von Kunst durchaus leistbar ist. Ein entscheidender Aspekt ist auch die Förderung junger, noch unbekannter KünstlerInnen und das Angebot entsprechender Ausstellungsmöglichkeiten. Etablierte Galerien, die bereits bekannte KünstlerInnen vertreten und damit einhergehend auch große Preise vermuten, tun sich schwer junge Kunstinteressierte in ihre Räume zu bringen. Die ungewollt erzeugte Hemmschwelle scheint nicht leicht abbaubar. Dennoch, und vielleicht gerade deswegen, gibt es Initiativen, die es jungen Menschen erleichtern können, das Sammeln von Kunst in Erwägung zu ziehen.

So kann es beginnen Wer Kunst kauft, muss nicht gleich zahlen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Galerien Ratenzahlungen anbieten, um das gewünschte Werk erwerbbar zu machen. Dauer und Höhe der Zahlungen können in Dialog abgestimmt werden, setzen aber auch eine dauerhafte Verpflichtung an die KäuferInnen voraus. Editionen, wie sie die Kunstzeitschrift Collectors

Agenda anbietet, können den günstigen Anfang einer eigenen Sammlung darstellen. »Das Prinzip einer Edition ist es, dass ein Kunstwerk mehrfach verfügbar ist, durch Limitierung und einer Editionsnummer sowie der Unterschrift der KünstlerInnen dennoch ein Original bleibt«, erklärt Florian Langhammer. Wer zwischen 600,– bis 1.500,– Euro zur Verfügung hat, kann sich bereits eine erste Edition leisten. Kunstinteressierte, die sich im Kunstgeschehen bewegen und mit KünstlerInnen bekannt sind, können auch direkt über die Kunstschaffenden selbst ihre ersten Werke beziehen. Mit billigen Preisen sollte man hierbei aber nicht rechnen, da die Preisentwicklung und der Hype um bekannte Stars am Kunstmarkt Druck auf junge KünstlerInnen ausüben. Doch Ausnahmen gibt es auch hier. So veranstaltet die österreichische Künstlerin Marianne Vlaschits regelmäßig einen »Studio Sale«, um ihre Werke an jene zu verkaufen, die über ein geringes Budget verfügen. Auch der Künstler Stefan Reiterer verkauft seine Werke gerne auch an JungsammlerInnen. Doch beiden ist dabei der inhaltliche Austausch wichtig, denn »ein Ankauf ist eine persönliche Förderung und auch ein Vertrauen in die KünstlerIn und die Qualität der Arbeit«, betont Marianne Vlaschits. Wer keinen persönlichen Kontakt zu Kunstschaffenden hat, kann sich bei der von Nathalie Halgand und Antje Prisker gegründeten Initiative, dem »young collectors circle«, austauschen, einen Einblick in die Mechanismen des Kunstmarkts gewinnen und sich mit anderen potenziellen SammlerInnen vernetzen. Sich zu informieren ist also ein Anfang und Möglichkeiten dazu gibt es genug.

Neue SammlerInnen? Eine überschaubare und gering ausgeprägte junge SammlerInnenschaft bewegt sich derzeit in Wien und hat die Möglichkeit mit der Herausbildung neuer Galerien zu wachsen. Ambitionierte Initiativen erleichtern Kunstinteressierten den ersten Einstieg in die Sammelleidenschaft. Wer zeitgenössische Kunst sammeln möchte, kann dies bereits mit geringem Budget, jedoch nicht mit geringem Aufwand betreiben. Eine große Portion Hingabe und der ein oder andere Verzicht gehören schon dazu, um das richtige Werk zum leistbaren Preis erhalten zu können. Wichtig ist dabei immer in Dialog mit Kunst- und Kulturschaffenden zu stehen, den Schritt in die Galerien zu wagen und das Klischee der wohlhabenden Tante hinter sich zu lassen. Auch die eigenen Kaufmotivationen sollten ergründet werden, um zu entscheiden, welchen Wert die Kunst für die Person hat. »Das ist ein bisschen wie die Suche nach sich selbst. Man kann dies auch über Kunstwerke, die man erwirbt und in seinen Lebensraum integriert, ausdrücken«, erzählt Christina Steinbrecher-Pfandt und fügt hinzu: »Die Kunst ist wie ein Spiegelbild Alexandra-Maria Toth unseres Lebens.«

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Jasmin Baumgartner im Porträt Columbo und die rettende LÜsung

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auf der Suche nach dieser letzten Rettung. »Ich war ein schwieriger Teenager und hab von 12 bis 14 sehr viel Zeit damit verbracht, Filme anzuschauen, einfach, weil ich nachts nicht schlafen konnte. Es gab in Baden so etwas, das hieß ›Cinebank‹. Im Prinzip eine Videothek, die wie ein Bankomat funktionierte. Mein Ziel war es, die gesamte Cinebank durchzuschauen.« Heute würde man möglicherweise Eskapismus dazu sagen und damit argumentieren, dass Sozialleben auch bedeuten kann, sozial zu sich selbst zu sein und deshalb das gesamte Wochenende allein mit Netflix auf der Couch zu verbringen. Deshalb kommt es Jasmin Baumgartner auch wie ein Blackout vor, wenn sie an ihre Jugendjahre denkt. Am Ende ist ihr, ganz wie Inspektor Columbo, aber dann doch eine Lösung eingefallen. Rettung fand sie wiederum im Film, diesmal aber in einer weniger eskapistischen Variante: Sie entschloss sich an die Filmakademie zu gehen und unter Götz Spielmann Drehbuch zu studieren. In die Regie-Klasse, geleitet von Michael Haneke, hineingerutscht, wurde für Baumgartner Vieles eindeutiger: »Da war dann plötzlich klar, dass Regie genauso mein Ding ist und ich gerne beides machen würde. Davor habe ich viel ausprobiert, vom Produktionspraktikum, über Musikvideos, Fotografie bis zur Arbeit in einer Sales Agency. Es gab aber während der ganzen Zeit nie den Moment, in dem ich mir dachte ›sonst studier’ ich einfach Thewi oder geh ein Jahr nach Kuba‹. Eine solche Entscheidungsproblematik hatte ich einfach nie. Für mich galt immer: Entweder ich mache Film, oder ich mache gar nichts.«

Pflicht, Wahl oder Film

Wer den Unterschied zwischen wahr und wahrhaftig kennt, weiß, dass etwas Wahres viel länger im Gedächtnis haften bleibt als eine schön erzählte Geschichte. Deshalb versucht die junge Regisseurin Jasmin Baumgartner, in ihren Filmen immer etwas Wahres möglich zu machen. Auch dann, wenn sie mit Wanda am Set steht. ———— Irgendwo zwischen verdrehter Bürgerlichkeit, Erlösung und Apokalypse hält man sich im Video zur aktuellen WandaSingle Columbo auf. Eigentlich befindet man sich inmitten dieses skurril-apokalyptischen Szenarios jedoch nur am Erzberg und sieht dort genau jenen Teil des rot-braunen Gesteins explodieren, auf dem vorher noch in weißer Schrift Amore stand. Auch von Marcos Lederjacke wurde der bekannte und bei Fans wie Tätowierern beliebte Schriftzug gelöscht, denn da steht plötzlich »Columbo« drauf –

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und das aus gutem Grund. Denn wenn es in schwierigen Zeiten wie diesen keine Chance mehr auf Amore gibt, dann muss die letzte Rettung her – und die steckt, Wanda zufolge, in einem beigen Trenchcoat und schafft es gerade noch rechtzeitig dorthin, wo die Liebe kurz zuvor mit einem gefährlichen Sprengsatz versehen wurde. Vielleicht ist die Lösung aber auch viel einfacher, weniger dramatisch und um ein Vielfaches bürgerlicher: daheim bleiben, den Pyjama nicht ausziehen und zu zweit Columbo schauen. Ähnlich wie der sonntägliche Tatort dürfte das ein veritabler Beziehungskitt für unruhige Zeiten sein.

Leben ohne Notausgang Auch Jasmin Baumgartner, jene junge Filmemacherin, die beim Video zur Single Regie führte, war einst irgendwo im Filmuniversum

Sich ganz dem Filmemachen – dem für sie einzig Wahren – zu widmen, hat für Jasmin Baumgartner immer auch sehr viel mit der Suche nach Wahrheit zu tun. Damit wählt sie einen Zugang, der sich nicht für jeden Filmschaffenden erschließt. »Jene Leute, die ich gut finde, oder die ich bewundere, bei denen ist Filmemachen immer auch eine Suche nach einer Wahrheit. Ich sehe das im Prinzip zweigeteilt: Man kann entweder schöne Geschichten erzählen und die dann perfekt umsetzen – also ein wahnsinnig gutes Drehbuch schreiben – oder versuchen, immer etwas Wahres möglich zu machen. Und dort sehe ich mich mehr.« Die Suche nach Wahrheit führt Baumgartner später nach New York, wo sie unter Anleitung von Susan Batson einen Method Acting Kurs belegt, der sie anfangs einige Male verstört zurück lässt. Bereut hat sie die Zeit aber nicht, für sie sind Erfahrungen wie diese eher das eigene private Idaho, das es sich lohnt anzusteuern. Jasmin Baumgartners erklärter Lieblingsfilm, »My Own Private

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Nichts als/ist die Wahrheit Nicht nur bei Musikvideos, sondern bei all ihren filmischen Arbeiten funktioniert Musik als Absprungrampe, von der aus Jasmin Baumgartner sich in ein neues Projekt stürzt: »Bei ›I see a Darkness‹ entstand zuerst der Song, aus dem sich dann der Film entwickelte. Ich habe damals Nino aus Wien gefragt, ob er den Song covern will und der Song hat dann entscheidend zur Entwicklung des Films beigetragen. Bei Unmensch habe ich mir auch einen Film rund um einen Song ausgedacht.« Wenn man, wie Baumgartner prinzipiell viel Musik hört, lässt sich diese wie ein externes Steuerwerkzeug einsetzen, das einen genau in

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» Zitat.« — Name Name

jene Emotion hineinführt, die man für ein bestimmtes Projekt braucht. Es kann passieren, dass diese bewusste Steuerung von Emotionen manchmal etwas eigenwilligere Formen annimmt, wie an ihrem letzten Beispiel klar wird: »Wenn ich zum Beispiel für meine Fußball-Doku an Förderstellen schreibe, dann hör ich immer Bushido.« Die Doku ist ein Projekt, das sich gerade in den letzten Phasen seiner Drehzeit befindet. Es geht darin um Fußball, Wien und Rassismus und lässt sich als moderne Robin Hood-Geschichte zusammenfassen, die auf eindringliche Weise fragt, ab wann man einen Menschen tatsächlich verurteilen kann. Auch an ihrem ersten Langfilm ist Jasmin Baumgartner gerade dran. Unter dem etwas komplizierten Namen »One Delta Ten Tango« nähert sie sich darin dem Themenkomplex Internet, wie auch der unbändigba-

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Idaho«, schafft es für sie ein Gesamtbild und eine Magie zu erzeugen, die nur schwer zu schreiben oder zu erzählen sind. Denn um diese Magie geht es ihr – jene, die durch eine Dynamik zwischen gewissen Leute entstanden ist, die zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort zusammenkamen. Die Grenze zwischen Fiktion und Wahrheit zu durchbrechen und sich im Spannungsfeld dieser beiden Pole mit der Schauspielerei auseinanderzusetzen, beschäftigte die junge Regisseurin bereits bei ihren beiden Kurzfilmen »I see a Darkness« (2016) und »Unmensch« (2016). »Manchmal geht es nicht darum, sich zu fragen, ob jemand lacht oder weint, sondern einfach nur um Weltschmerz«, erklärt sie und entscheidet sich zu lachen, weil das Gespräch eine kurze Haltestelle beim Video zu Yung Hurns »Diamant« einlegt, in dem genau dieser Weltschmerz in Form einer Träne an der Wange Lars Eidingers hinunterrinnt. Ein geschickter Zug, denn viele Yung-HurnUltras werden den deutschen Schauspieler hinter der Träne nicht erkannt haben. Dass Musikvideos immer öfter zu einer eigenen Kunstform werden, ist für Baumgartner ein Grund zu feiern. Immer mehr Künstler stecken Motivation und Aufwand in ihre Videos, so auch Wanda, zu deren Videoproduktion für die Single »Columbo« sie durch Regie-Kollege Florian Pochlatko kam. Für Jasmin Baumgartner, die privat auch Wanda hört, passte zu dieser Zeit damit alles perfekt zusammen. Deshalb war aller Anfang auch umso leichter – man traf sich einige Male, redete und dann ließ die Band sie eigentlich machen. Es war eine Zeit, geprägt von guter Zusammenarbeit, während der sie auch »Ciao« zur Welt sagte und sich ausschließlich mit jener von Wanda beschäftigte. Diese beiden Monate hinterließen genau jenes Gefühl, das man sich paradoxerweise nach Abschluss eines Projekts eigentlich immer wünscht: »Wenn ein Projekt vorbei ist und man sich total verloren fühlt, so als ob plötzlich alles weg wäre, dann hat man etwas richtig gemacht.«

ren Macht der Medien an und breitet, rund um ein kompliziertes Handlungsgeflecht, die Annahme aus, dass kein Medium jemals richtig liegen kann. Alles ist Interpretation, nichts ist die Wahrheit. Dabei spielt sie, ähnlich wie bereits in Unmensch, mit der Diskrepanz zwischen äußerer und innerer Wahrnehmung, die, durch die ständige Nutzung von Facebook und Co, eine noch viel undurchsichtigere und gleichzeitig extremere Gestalt annimmt. Ob es für ihre drei jungen Protagonisten in »One Delta Ten Tango« eine Rettung gibt, möchte Jasmin Baumgartner noch nicht verraten, zu viel ist noch in Arbeit. Wir warten einfach ab, schauen in der Zwischenzeit ein wenig Columbo oder malen uns Amore auf unsere Lederjacken. Vielleicht sind Liebe und eine Folge Columbo zu zweit ja schließlich doch die rettende Lösung. Sarah Wetzlmayr

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Ineke Hans. Kunsthalle Wien Chair, Foto David Avazzadeh The Gap 165 012-033 Story.indd 23

Die Kunsthalle Wien bekommt einen neuen Stuhl. Aber nicht irgendeinen – die niederländische Designerin Ineke Hans hat für das Museum den Kunsthalle Wien Chair entworfen. ———— Ein roter Sessel, schlicht, aus teils gebogenem Holz mit Loch-Muster auf der Sitzfläche. Das ist der neue Kunsthalle Wien Chair, ein Prototyp für eine Möblierung der Kunsthalle, der nun im Rahmen der Einzelausstellung »Was ist Loos« der Designerin Ineke Hans in der Kunsthalle Wien Karlsplatz erstmals präsentiert wird. Wie es sich für institutionelle Räume gehört, ist der Stuhl auch gut verstau- und stapelbar und greift damit Elemente auf, die für modernes und zeitgemäßes Design stehen. Design begleitet uns auf Schritt und Tritt und in jeder Lebenslage. Es muss sich den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen anpassen und setzt aber auch neue Trends. Schnelle, günstige und auch digitale Produktionsverfahren haben die Arbeit von DesignerInnen in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten stark beeinflusst. So auch jene von Ineke Hans. Sie setzt sich mit den sozialen Bedürfnissen unserer Zeit auseinander, den Herausforderungen unseres Wohnens und Arbeitens, entwirft und produziert zukunftsorientiert und mit den neuesten Produktionsmethoden. Die Designerin verbindet Funktionalität mit einem gewissen Lokalkolorit und einer Poetik, die ihren Produkten anhaftet. Auch der Kunsthalle Wien Chair vermittelt bei genauerem Hinsehen eine moderne international-wienerische Ästhetik und auch Melancholie vor dem Hintergrund seiner geschichtsträchtigen Inspiration – der Ausstellungstitel verrät es, ein Blick auf den Chair auch: Adolf Loos. Loos, einer der Vorreiter moderner Architektur um die Jahrhundertwende, entwarf um 1898 einen Stuhl, der bis heute das Café Museum in Wien möblieren sollte. Dazu angeregt wurde er von Modellen der Firma Thonet, die für den Einsatz modernster Technologien und leistbare, praktische Stücke bekannt war, und auch den Loos-Stuhl produzierte. Die Zeiten änderten sich, wurden modern, praktisch und pragmatisch. Adolf Loos band diese gesellschaftlichen Umbrüche in sein Werk ein, zog einen Schlussstrich unter unnötigen Schnickschnack und spaltete 1908 mit seiner Polemik »Ornament und Verbrechen« die Gemüter. Nun ist das zwar schon über hundert Jahre her, das Loos’sche Vermächtnis hinterlässt aber bis heute maßgeblich seine Spuren im modernen Design, wie bei Ineke Hans. Sie lebt einen reduzierten, funktionalen Stil und transportiert Loos’ Fragen ins Heute: Wie gliedern sich Objekte in unser schnelllebiges Dasein und worum sollte es bei Design wirklich gehen? Der Kunsthalle Wien Chair wirkt wie ein komprimiertes Endergebnis aller Fragestellungen von Hans wie auch Loos, eingebettet in einen lokalen Kontext. Sie verbindet darin Konvention mit Innovation, der neue Stuhl besticht durch seine Schlichtheit und enthält die von Thonet im 19. Jahrhundert konzipierte Bugholz-Form genauso wie digital produzierte Elemente und das System der Stapelbarkeit. Ein lokaler gefärbtes Design wäre kaum möglich gewesen. Die Lage des Café Museum direkt gegenüber der Kunsthalle Karlsplatz, der Österreicher Adolf Loos als Inspiration und die Umsetzung des Stuhls gemeinsam mit den Gebrüdern Thonet Vienna – mit dem Kunsthalle Wien Chair bringt Hans Wien ein Stück Stadtgeschichte zurück, denn: » […] for the first time in ages there will be a chair from Thonet for a cultural institution in Vienna again«. Magdalena Reuss

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Ineke Hans Kunsthalle Wien Chair

»Ineke Hans. Was ist Loos?«, Kunsthalle Wien Karlsplatz 28. September bis 12. November

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Arash T. Riahi im Porträt

Der Gänsehautproduzent The Gap 165 012-033 Story.indd 25

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Arash verbringt als Produzent viel Zeit am Set – um für alle da zu sein, ohne selbst aktiv einzugreifen: »Das sind alles die besten Leute, die es auf ihrem Gebiet gibt. Was soll ich mich da einmischen.«

Seine Filme machen betroffen, rütteln auf oder bringen zum Lachen: Regisseur und Produzent Arash T. Riahi erzählt am Rande der Dreharbeiten zu »Cops« von seiner Arbeit, was ihm Freiheit bedeutet und weshalb er sein Publikum emotional erschüttern möchte. ———— Ein weißer Bademantel mit Zigarette im Mundwinkel läuft über die Wiedner Hauptstraße. Es ist beinahe Mitternacht. Eine Frau, sie leuchtet wie im Scheinwerferlicht, lächelt, geht immer schneller und fällt Arash T. Riahi um den Hals. Im Bademantel steckt Schauspielerin Maria Hofstätter, und sie befindet sich tatsächlich im Scheinwerferlicht – am Set von Arashs neuer Spielfilmproduktion »Cops«. Ein Abbruchhaus dient als Kulisse, von außen wird das Gebäude beleuchtet. Maria ist auf dem Weg in die Maske. Nach seinem jüngsten Kinoerfolg »Die Migrantigen« ist »Cops« der fünfte Spielfilm von Arashs »Golden Girls Filmproduktion«, neben einem beachtlichen Portfolio an Werbespots, TV-Formaten, Musikvideos und Dokumentarfilme. Seinen Durchbruch hatte er als Regisseur und Drehbuchautor mit »Ein Augenblick Freiheit«. Der Film basiert auf den Erlebnissen seiner Familie während der Flucht aus dem Iran. Einer seiner wichtigsten Partner, Wegbegleiter und Vertrauten: der neun Jahre jüngere Bruder Arman T. Riahi, der bei »Die Migrantigen« sein Debüt als Spielfilmregisseur gab. Als »Riahi Brothers« feierten die beiden unter anderem mit ihren Dokumentarfilmen »Everyday Rebellion« und »Kinders« internationale Erfolge. Auch privat sind die Familienbande sehr eng, gemeinsam bewohnen sie ein Haus in der Lobau. »Vor einiger Zeit haben wir uns einen Traum verwirklicht – einen eigenen, kleinen Kinoraum im Keller«, erzählt Arash.

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» Ich möchte einfach keine Filme machen, die distanziert sind« — Arash T. Riahi

Uniformen hat sie Stück für Stück auf Basis von Fotos und ähnlichen Quellen gefertigt. »Was die Filme von Arash so besonders machen: Es gibt immer einen hohen gesellschaftspolitischen Anspruch an die Projekte. Das ist heutzutage etwas bitter Notwendiges – und der rote Faden, der sich durch die Produktionen der Riahi-Brüder zieht«, analysiert Buttinger. Von Produktionsbedingungen und Möglichkeiten wie bei »Cops« hätte Arash bei seinen ersten Projekten nicht zu träumen gewagt – seine ersten Versuche im Filmbusiness gingen »voll in die Hose«, wie es Arash nennt.

Großes Kino In »Cops« erzählt Drehbuchautor und Regisseur Stefan A. Lukacs in seinem Spielfilmdebut die Geschichte des jungen WEGA-Beamten Christoph (gespielt von Laurence Rupp), der bei einem seiner ersten Einsätze für die Spezialkräfte in Notwehr auf einen Mann schießt. Oder war es doch keine echte Notwehr? Lukacs setzt in »Cops« auf stark atmosphärische, überwältigende Bilder. Dazu brauchte es an einem Drehtag – bzw. einer -nacht – über 270 Komparsen, die Rapid-Anhänger vor dem Ferry-Dusika-Stadion mimten. Eines der wichtigsten Details im fertigen Film: die Ausstattung. 270 Komparsen müssen mit Fan-Utensilien adjustiert werden – ein materialintensives, aber im Vergleich zur Ausstattung der Polizisten im Film, einfaches Unterfangen. Dafür zeichnet sich Ausstatterin Monika Buttinger verantwortlich. Die WEGA-

Anton Noori spiel den Hulk der Spezialeinheit. In einer kurzen Drehpause spricht er kaum, bleibt ernst und in seiner Rolle verhaftet.

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Ein neuer Stil.

Es ist Zeit.

Wenn wir das Land verändern wollen, muss Politik sich verändern. Dazu braucht es einen neuen Stil: sagen, was Sache ist. Und tun, was richtig ist.

www.sebastian-kurz.at Foto: Dominik Butzmann

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Scheitern bis zum Hauptpreis Gymnasium Schottenbastei, 1988, Freifach Medienkunde: Der sechzehnjährige Arash und sein bester Freund Gèza Horvàt entdeckten in der Schulzeit ihre Leidenschaft für das Bewegtbild. »Wir waren zu dieser Zeit von Koyaanisqatsi und der ganzen QatsiTrilogie.« Godfrey Reggio schuf Anfang der Achtziger Jahre mit seiner Qatsi-Trilogie Experimentalfilme, die zivilisationskritisch den Menschen und sein Verhältnis zur Erde thematisieren. »Wir haben in Anlehnung daran mit einer VHS-Kamera Bilder über das Leben gedreht und zu Musik von Philip Glass und Mike Oldfield geschnitten. Allerdings – das hat total scheiße ausgesehen. Zufällig haben wir auf dem Schnittplatz den StroboskopEffekt entdeckt, der das Material nach Slowmotion aussehen ließ – wir waren begeistert von dem Effekt und haben gejubelt‹ haben wir gejubelt.« So entstand ein halbstündiger Film mit dem Titel »Verloren«. Verloren hat der Film bei dem SchülerFilmfestival, zu dem er eingereicht wurde. In der Jury saß Christian Berger, bekannt als Kameramann von Michael Haneke. »Es war fatal. Niemandem hat der Film gefallen. Berger hat gesagt: Der Film ist wie ein Gedicht, das man nicht veröffentlichen soll«, die Erinnerung bringt Arash zum Lachen. Die beiden Jungproduzenten scheiterten noch ein zweites Mal – im nächsten Jahr beim gleichen Festival, mit einer Verfilmung von Kafkas »Der Kübelreiter«. Arash spielte selbst die Hauptrolle. Diesmal war es KurierFilmkritiker Rudolf John, der damals urteilte: »An Kafka sind schon Größere gescheitert, an Kafka kann man nur scheitern.« Aber dann kam das dritte Jahr im Freifach Medienkunde. Mit dem Kurzfilm »Der Junge und die seltsame Wirklichkeit« konnten Arash und Gèza den Hauptpreis der Wiener Video& Filmtage gewinnen. »Das war der erste

Monika Buttinger ist für die Ausstattung von Cops verantwortlich. Seit dem Dreh eines Musikvideos für die deutsche Band The Bates vor 18 Jahren ist sie eng mit den Riahi-Brüdern befreundet.

» Was die Filme von Arash so besonders mach: Es gibt immer einen hohen gesellschaftspoli­ tischen Anspruch an die Projekte. Das ist heutzutage etwas bitter Notwendiges.« — Monika Buttinger

Zwei Glock-Pistolen baumeln über der Schulter von Ausstatterin Lou Jakubickova. Sie berichtet Arash über Vorbereitungen zum Dreh in einem Abbruchhaus auf der Wiedner Hauptstraße.

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Film, bei dem wir wirklich alles von vorne bis hinten unter unserer Kontrolle hatten. Sogar die Filmmusik haben wir selber gemacht – zufälligerweise hat sie Anton Noori gemacht, der gerade die zweite Hauptrolle bei Cops spielt.« Vom Hauptpreis, einem Praktikum bei »Wega Film«, zeigte sich Arash wenig begeistert – und trat es nicht an. »Das hat mich damals geärgert, dass ich als Preis noch etwas arbeiten hätte sollen. Der zweite Preis war ein VHSRecorder, den hätte ich gerne bekommen.« Jahre später war es ausgerecht “Wega Film”, die seinen ersten Spielfilm produzierte.

Sehnsucht nach Utopie Heute steht er am Set seines Films, auch ohne des Praktikums, dafür mit seinem Kollegen Anton Noori. Ein weiterer Nachtdreh: Auf einem langen Gang eines Gemeindebaus in Rudolfsheim-Fünfhaus steht der Schauspieler in WEGA-Uniform mit Kevlar-Helm und -Weste. Er wischt sich mit Kleenex Kunstblut von der Schläfe und dem Vollbart. Über Arash findet er sehr persönliche Worte: »In den vergangenen dreißig Jahren hat sich Arash kaum verändert – er schaut sogar so aus wie damals, als ob die Zeit stehen geblieben wäre. Er ist vielleicht noch ruhiger geworden, als er es schon war. Er war immer schon sehr fokussiert auf das, was er sich vornimmt. Wofür ich ihn wirklich bewundere: Obwohl Arash geschätzte 25 Stunden am Tag erreichbar ist und arbeitet, strahlt er immer eine sehr angenehme und umgängliche Gelassenheit aus.« Wie Arash stammt auch Anton aus dem Iran. Ob als Regisseur oder Produzent, ein großer Teil von Arashs Filmen ist mit seiner Biografie verknüpft. Ein wesentliches Motiv dabei: die Flucht. Oder umgekehrt: die Freiheit, und wie man sie erlangt. Was Freiheit für ihn bedeutet, verbindet er mit einem Erlebnis, das sich kurz nach dem Sturz des

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Kunsthalle Wien

Shahs ereignet hat: »Meine Familie hat die verbotenen Bücher aus den Wänden geholt. Sie waren eingemauert. Ich kann mich noch genau an den speziellen Geruch des alten Papiers erinnern: das ist für mich der Geruch von Freiheit.« Das war in Isfahan, auf dem Anwesen seiner Großmutter, bei der er aufgewachsen ist. »Ich habe eine tiefe Sehnsucht nach den Orten meiner Kindheit. Und wenn man es genau nimmt: Ich trauere einer Utopie nach, einem Was-hätte-sein-Können nach dem Sturz des Shahs. Aber es wurde einfach eine Diktatur von der nächsten abgelöst«, beschreibt Arash seine Gefühle für die alte Heimat. Er erinnert sich auch an Besuche bei seinem Vater, einem Lehrer, der aus politischen Motiven in Teheran im Gefängnis war. »Als politischer Häftling wurde er gefoltert. Noch Jahre später hatte er davon Magenblutungen und andere posttraumatische Störungen.« Als Arash neun Jahre alt ist, fliehen seine Eltern mit ihm aus dem Iran. Die jüngeren Geschwister müssen sie dabei für einige Zeit im Iran zurücklassen – von deren späterer Flucht handelt sein Spielfilmdebüt »Ein Augenblick Freiheit«. 2008 erregte der Film Aufmerksamkeit, wird international mehrfach prämiert – in Österreich mit dem »Wiener Filmpreis«. »Ich möchte einfach keine Filme machen, die distanziert sind«, bringt Arash seine Arbeit auf den Punkt. » Ich will die Menschen im Herzen und im Kopf berühren. Gänsehaut, sie sollen mit Gänsehaut im Kino sitzen und damit rausgehen.« In ihrer Dokumentation »Everyday Rebellion« gingen Arash und sein

Bruder Arman noch einen Schritt weiter: Sie sammelten Beispiele und Handlungsanleitungen des politischen und zivilgesellschaftlichen Widerstands, begleiteten dazu unter anderem »Femen«, »Occupy Wallstreet« und »The Yes Man!«.

Darf alles, macht es aber nicht Am »Cops«-Set im Gemeindebau ist kurz vor Mitternacht wieder Mittagspause. In einem Gemeinschaftsraum ist für die über dreißigköpfige Crew ein Buffet aufgebaut. Arash reiht sich in die Warteschlange an, scherzt über die Pistazien im persisch angerichteten Reis. Bereits Platz genommen hat Maria Hofstätter, diesmal in Polizeiuniform. »In erster Linie hat mich das Drehbuch davon überzeugt, bei ›Cops‹ mitzuspielen. Es ist meine erste Zusammenarbeit mit Stefan Lukacs, auch mit Arash und der Produktionsfirma.« Arash stellt sie ein gutes Zeugnis aus: »Er ist als Produzent sehr oft am Set, kümmert sich um alles und jeden.« Dass Arash am Set der Chef ist, zeigt er selbst nicht. Man kann aber bemerken, dass viele aus der Crew ihm praktisch automatisch bei der Begrüßung kurze Status-Updates geben. »Ich dürfte mich zwar überall einmischen, das ist sogar mein vertragliches Recht als Produzent, aber das mache ich nur im absoluten Notfall.« So bemüht er sich am Set um möglichst spannendes Making-Of Material. »Ich kann als Produzent näher rangehen, als die Set-Fotografen das würden«, erklärt er. Und tatsächlich nimmt er Hauptdarsteller

Karlsplatz #WasLoos 28/9 – 12/11 2017 Die Ausstellung Was ist Loos? gibt einen Überblick über die Arbeiten von Ineke Hans und geht Fragen nach dem aktuellen Zustand und der Zukunft des Designs nach. Zudem entwickelt Ineke Hans neue Werke für die Ausstellung, die einerseits Wien als Design- und Produktionsstätte thematisieren, andererseits aber auch neue Wege der Entwicklung und Distribution von Design aufzeigen. Termine Do 28/9 2017, 18 Uhr Der Pragmatizismus von Ineke Hans Diskussion mit Ineke Hans, Bart Lootsma & Oliver Stratford Kunsthalle Wien Karlsplatz Fr 29/9 2017, 19 Uhr Design und Zusammenleben Wie Design aufzeigt, wie wir leben, wer wir sind und was wir wertschätzen Einführung von Deyan Sudjic, anschließend Diskussion mit Lilli Hollein, Ineke Hans und Nicolaus Schafhausen Kunsthalle Wien Museumsquartier Di 3/10 & Di 7/11, jeweils 18 Uhr Kuratorinnenführung mit Juliane Bischoff

Maria Hofstätter spielt eine Streifenpolizistin: »Mein Bild von der Polizeiarbeit hat sich durch ›Cops‹ verändert.«

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www.kunsthallewien.at

Ineke Hans, Kunsthalle Wien Chair, 2017 Image: Studio Ineke Hans

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Hauptdarsteller Laurence Rupp posiert in einer Drehpause für Arash: Making-of ist angesagt. Über Soziale Medien erreichen die Filme ihr Publikum weit vor dem Kinostart. Laurence Rupp kurz zur Seite, um am langen Gang im Gemeindebau ein paar spezielle Shots zu machen.

Wie es der Zufall so will Ein anderes Set, es ist wieder Nacht: Vor dem berüchtigten Nachtclub »Manhattan« am Neubaugürtel parkt eine Funkstreife, eine Fahrspur ist gesperrt. Das Blaulicht wirft im Sekundentakt seinen Schein auf eine Menschenmenge. Die Szene wirkt chaotisch, wie ein Ameisenhaufen, in den jemand hineingestiegen ist. »Welche Serie?« ruft ein Autofahrer, der extra stehen bleibt. »Spielfilm!« brüllt die Menge leicht erbost zurück. Equipment liegt am Boden, auf den Fensterbrettern stehen Tabletts mit belegten Brötchen. Was nach Chaos aussieht, ist minutiös geplant. Auf ein Kommando sitzt jeder Handgriff. »Ich habe es einer Aneinanderreihung von Zufällen zu verdanken, dass ich hier und heute mit diesem Team ›Cops‹ produziere«, gibt sich Arash nachdenklich. »Ich habe zur richtigen Zeit mit den richtigen Leuten zu tun gehabt und die Chancen ergriffen, die sich ergeben haben.« Nach der Schule lernte er über einen älteren Schulkollegen den Starfotografen Michael Dürr kennen. Für ihn gestaltete er mit seinem Schulfreund einen Werbespot.

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Dieser gefiel der ORF-Moderatorin MarieTherese Euler-Rolle so gut, dass er daraufhin einen Bewerbungsspot für sie drehen durfte. Dank ihr ergab sich ein Engagement beim ORF. Dort machte er es sich nicht unbedingt einfach: »Die ORF-Kameramänner wollten beispielsweise keine Shots machen, die unscharf sind. Dann waren meine Beiträge meistens aufwändiger im Schnitt – die Cutter wollten aber pünktlich nach Hause gehen.« Schritt für Schritt eignete sich Arash immer mehr Fähigkeiten an. »Ich habe mir immer geschworen: An dem Tag, an dem diese Arbeit für mich zur Routine wird, bin ich raus.« Nach sieben Jahren war es soweit. Die Szenen im Manhatten am Gürtel sind im Kasten, das Team macht sich auf zum nächsten Set. »Cops« wird Anfang September abgedreht sein, der Kinostart ist für das 2018 geplant. »Die nächsten Projekte der ›Golden Girls Filmproduktion‹ sind in der Pipeline«, darunter auch ein Spielfilm, für den Arash wieder selbst das Drehbuch schreibt und Regie führen wird. Der Film handelt von dem radikalen Performancekünstler Pyotr Pavlensky in St. Petersburg. Systemkritisch, rebellierend und ganz nah dran – ein Thema, wie für den Michael Mazohl Produzenten gemacht.

» Ich habe mir immer geschworen: An dem Tag, an dem diese Arbeit für mich zur Routine wird, bin ich raus.« — Arash T. Riahi

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ltungen Veransta n e t s e b am: Jetzt die o-Livestre e id V ls a auch .at haus.ORF r u lt u k io rad

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Linz macht Platz für Clubkultur Experiment Unten

Die oberösterreichische Landeshauptstadt bekommt eine temporäre Venue für Experimente im Clubkontext. ———— Die Flächen in und um das OK – Offenes Kulturhaus in Linz wurden in den letzten Jahren Dreh- und Angelpunkt für viele neue und wichtige Impulse in der sonst eher starren und in sich gewandten Landeshauptstadt. Neben dem breitenwirksamen Höhenrausch, einer sich jede Saison wandelnden In- und Outdoor Erlebnisausstellung, gibt es wechselnde Ausstellungen zeitgenössischer Kunst, ein Programmkino, ein Restaurant, den legendären Bar/Club-Hybrid Solaris und einiges mehr. Nun kommt mit »Sinnesrausch: Alice verdrehte Welt« eine neue, fünf Monate dauernde Ausstellung und Erlebniswelt hinzu, die sich von den Kellern bis auf die Dächer des OK erstrecken wird. Ein Teil des umfangreichen Kunst- und Kulturangebots wird Unten sein, ein temporärer Club mit Fokus auf experimentelles und multidisziplinäres Programm. Dafür verantwortlich wird das Kuratorenteam bestehend aus Julia Ransmayr, künstlerische Leiterin des Schäxpir Theaterfestivals, Clemens Bauder, der zuletzt die interaktive Stadtführung »Zur schönen Aussicht« auf dem Höhenrausch-Turm gestaltete, sowie Markus Reindl, Musiker (Ages, A.G. Trio), Veranstalter und Promoter, sein. Erklärtes Ziel ist es, Grenzen auszuloten, sowohl im Clubkontext und -betrieb selbst als auch im OK und der ganzen Stadt. Dafür hat das Trio seit Herbst letzten Jahres unzählige Stunden in dem ehemaligen

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Theater und Jazzkeller verbracht. Kernstück ist ein etwa 70 Meter langer Tunnel, den es bestmöglich auf- und einzuteilen gilt. Wichtig ist das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Welten – diese müssen sich schließlich ergänzen und nicht gegeneinander wirken, so der Grundtenor. 23 Mal wird Unten zwischen Oktober und April öffnen und 23 unterschiedliche Erlebnisse sollen den Gästen geboten werden. Von Theater und Performance sowie begleitenden und eigenständigen Installationen bis zum Clubprogramm soll es dabei ein möglichst offener Abend werden. Das heißt, dass man sich frei bewegen soll, ja sogar muss, um den jeweiligen Abend bestmöglich erleben zu können. Weg von starren und aufgezwungenen Konzepten, hin zu offenen und erlebbaren Ausflügen in bekannte und unbekannte Welten.

Rollenverteilung Clemens Bauder, der sich für die ständig wechselnden Raum- und Lichtinstallationen verantwortlich zeichnet, möchte die spezielle Charakteristik der Räumlichkeiten nutzen, um neben dem Spiel von Hell und Dunkel

auch den Besuchern neue Klangerlebnisse zu präsentieren. »Das Programm wird Ecken und Kanten haben und das ist gut so«, meint dazu Ransmayr, die verschiedene neue Strömungen des Tanz- und Performance-Bereichs abbilden wird. »Zum Höhepunkt der jeweiligen Nacht wird aber einer ausgelassenen Party nichts im Wege stehen«, wirft Reindl ein, der das Club-Booking übernimmt. Nach Eingangsbereich, Hauptraum und Bar folgt – bevor man sprichwörtlich das pulsierende Licht am Ende des Tunnels sieht – ein Holzverschlag, der ein Raum-im-Raum-Konzept beherbergt. »Der klassische Second Floor«, meint Reindl mit einem verschmitzten Grinsen. Diesen variablen Raum möchte man für spezielle Installationen und kleinere Performances nutzen. Und auch dazwischen gibt es noch jede Menge zu entdecken. Was das genau alles sein wird, möchten die drei aber noch nicht verraten. »Wir wollen die verschiedenen Welten – Club, Performance, Klangkunst – aneinander führen, aber nicht aufzwingen«, definiert Ransmayr als die größte Aufgabe der kommenden Monate, während Reindl ergänzt: »Ich denke, dass uns das bis jetzt auf jeden Fall auf einer inhaltlichen Ebene sehr gut gelingt.« Ob dies auch vom Publikum so gesehen wird, kann man ab dem 20. Oktober für fünf Monate selbst erleben. Kevin Reiterer

Unten feiert am 20. Oktober nahe dem OKPlatz in Linz Eröffnung und wird dann temporär für fünf Monate bespielt.

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Clemens Bauder, Konnektom

Das ehemalige Gschwandner in der Geblergasse in Hernals wird zum »Reaktor« und soll künftig Raum für Kunst und Veranstaltungen bieten. Ermöglicht wurde das durch einen privaten Käufer. ———— Das »Grand Etablissement Gschwandner« in Hernals galt einst als eine der beliebtesten Vergnügungsstätten der Wiener Vorstadt und bot Raum für Konzerte, Bälle, Filmvorführungen und sogar Boxkämpfe. In den 60er Jahren schloss der Familienbetrieb seine Pforten, die drei großen, mittlerweile unter Denkmalschutz stehenden Hallen wurden als Lager genutzt, verschwanden allerdings aus der öffentlichen Wahrnehmung. Mit der einst als glorreich festgehaltenen Vergangenheit der Immobilie will sich der neue Käufer, Filmemacher Bernhard Kammel, nur am Rande beschäftigen. »Die alte Geschichte des Gschwandners ist vorbei, es gab kulturelle Veränderungen und das Konzept ist so nicht weiterführbar. Für mich sind das tolle Räume, die ich historisch-kritisch in Ruhe lassen möchte und nur den Anforderungen des Veranstaltungsgesetzes genügend mit einer Belüftungsanlage versehen habe. In den zwei kleineren Sälen wurden zudem Schallschutzvorkehrungen getroffen«, so Kammel. Unter dem Namen „Reaktor“ soll das Gschwandner künftig wiederbelebt werden und als Raum für Ausstellungen und Veranstaltungen dienen. Erfolgreiche Wiederbelebungsversuche des einstigen Heurigen gab es schon 2012: Im Rahmen einer Zwischennutzung fanden dort etwa das Impulstanz-Festival, SOHO in Ottakring und die Vienna Design Week

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temporär Platz. Die anschließend geplante größere Renovierung scheiterte letztlich an der Finanzierung. Auch Bernhard Kammel hatte zunächst Zweifel: »Ich habe mich zuerst dagegen gewehrt, das Objekt zu kaufen, weil ein Projekt wie dieses eine große Herausforderung ist. Gleichzeitig war ich aber sofort infiziert von den Räumlichkeiten.«

Fremdveranstaltungen finanzieren Kunst Die Säle des ehemaligen Gschwandners nutzte Kammel schon im vergangenen Sommer als Dreh­ort für seinen Film »Elysium Hernalsiense«, der im September in Montreal seine Weltpremiere hatte und im Jänner in Wien, in eben jener Location, Österreichpremiere feiert. »Es ist sehr selten, dass ein Film in dem Raum, in dem er aufgenommen wurde, vorgeführt werden kann«, schwärmt Kammel. Im Rahmen der Filmpremiere wird der Reaktor auch offiziell eröffnet, davor wird die Venue bereits von Fremdveranstaltern genutzt: Ende Oktober im Rahmen des Festivals »The Future of Demonstration«, im November im Zuge der Vienna Art Week.

In Zukunft soll der Reaktor einerseits von externen Veranstaltern und Firmen gemietet werden können, andererseits soll der Raum Platz für Kunst bieten. »Wir staffeln die Mieten, je nachdem, wer der Klient ist. Die Kunst, die dort stattfindet, fungiert als eine Art Aufwertung des Standorts, die Vermietung ermöglicht auf der anderen Seite, dass man dort Kunst zeigen kann, obwohl damit kaum Einnahmen erzielt werden können«, so Kammel. Dabei will man bewusst unabhängig von staatlichen Förderungen bleiben und einen Ort erschaffen, in dem »eine authentische Kommunikation zwischen Künstlern und Kunstliebhabern, die dabei nicht erzogen, geleitet oder aufgeklärt werden«, stattfinden soll. Insgesamt stehen im Reaktor künftig drei große Säle zur Verfügung: Der große Saal wird zum Ausstellungsbereich, das Kino und die Bibliothek können für Veranstaltungen genutzt werden. Für das Programm und die Bespielung verantwortlich zeigt sich das Reaktor-Team, bestehend aus Eigentümer Kammel sowie Anna Resch und Sebastian Jobst, die bereits bei der ersten Zwischennutzung der Immobilie involviert waren. Yasmin Vihaus

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Kunst im Reaktor Das Gschwandner wird wiederbelebt

Offiziell eröffnet wird der Reaktor von 26. bis 27. Januar, ab 31. Oktober ist die Location allerdings bereits im Rahmen des Festivals »The Future of Demonstration« geöffnet. Von 15. bis 19. November zeigt die Hermann Vompp Foundation zudem aktuelle Positionen zeitgenössischer Kunst im Rahmen der Vienna Art Week.

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Crip Magazine #2

Lange Nacht der Museen

Das Projekt der Wiener Künstlerin Eva Egermann setzt allgegenwärtigen medialen Bildern von Opfern vs. Helden, der helfenden Hand und »Licht ins Dunkel«, von Bemitleidung und Stigmatisierung vielstimmige, starke, differenzierte und humorvolle Bilder von Behinderung entgegen. Die Beiträge stammen zu einem überwiegenden Teil von KünstlerInnen mit Behinderung und eröffnen eine selbstbestimmte Perspektive auf behinderte Verkörperungen und Realitäten. Die zweite Ausgabe des Crip Magazine wird am 21. Oktober im Rhiz in Wien präsentiert.

Bereits zum 18. Mal findet am 7. Oktober die »Lange Nacht der Museen«, eine Initiative des ORF unter Beteiligung von aktuell mehr als 650 Kultureinrichtungen in ganz Österreich statt. Als wichtigste Informationsquelle für die »Lange Nacht« dienen neun Programmbooklets, in denen bundesländerweise das umfangreiche Angebot der teilnehmenden Museen zusammengefasst ist. Parallel dazu sind sämtliche Inhalte sowie aktuelle Updates auch unter langenacht.ORF.at zu finden.

Unser Beitrag:

Editorial Design

Pre-Press Lektorat

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monopol.at

Aktuelle Projekte aus dem Medienhaus Monopol

Unser Beitrag:

Booklet-Layout Lektorat Datenbank-Management

Web-Hosting und -Development

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Jamen Percy / Shutterstock.com

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Skandinavien Special

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Skandinavisches Design in Wien Die nordischen Länder – Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden – sind über die Grenzen hinaus bekannt für reduziertes sowie funktionales Design. Skandinavisches Design ist weit mehr als Ikea und spielt in vielen österreichischen Lebensräumen eine große Rolle. Wir haben uns in Wien auf die Suche nach den schönsten Concept Stores gemacht und mit den Besitzern über die Faszination des Catherine Hazotte minimalistischen Designs gesprochen.

WYT

Die Sellerie

Währinger Straße 123. 1180 Wien —— WYT ist ein einzigartiger Raum

Burggasse 21. 1070 Wien —— Der kleine Schauraum umfasst eine herrliche Auswahl an skandinavischen Design-Stücken. Zwischen handgefertigten und lokal produzierten Papierwaren, monochromen Fine Art Prints und ausgewählten Wohnaccessoires aus europäischen Manufakturen werden bisher ungeahnte Wünsche geweckt.

mit ausgewählten Objekten und wunderbaren Stücken für das Zuhause. Elegante Stühle, ein einladender Tisch und wunderbar weiche Teppiche laden zum stundenlangen Stöbern ein. Das farbliche Zusammenspiel in den unterschiedlichsten kühlen Tönen in dunklem Blau, schattigem Grün und Grau machen die Atmosphäre zu einem einzigartigen Shopping-Erlebnis. Wie kam es dazu, dass du WYT eröffnet hast? ulrike kopp: Die Idee war schon sehr, sehr lange da, da ich früher als Interieur Designerin projektbezogen gearbeitet habe. Ich wusste, wenn ich das richtige Geschäftslokal dafür finde, dann erfülle ich mir diesen Wunsch – und heute stehen wir im WYT. Gibt es Kriterien, nach denen du die Waren aussuchst? Hauptsächlich habe ich Dinge, die ich selber besitzen möchte und die mir persönlich gut gefallen. Dabei lege ich viel Wert darauf mit kleinen traditionellen Firmen und Familienunternehmen zusammenzuarbeiten. Wieso skandinavisches Design? Mich faszinieren am skandinavischen Design vor allem die warmen »Nicht-Farben« in ihren unterschiedlichen Tönen und das Zusammenspiel mit dem Reduzierten und trotzdem Gemütlichen. Das ist eine gute Mischung, die Wohlbefinden bei mir auslöst. Worauf kannst du nicht verzichten? Stücke, die einen ideellen Wert haben. Also Dinge, die ich von Reisen mitgebracht habe oder an die ich Erinnerungen knüpfe.

Was fasziniert euch am skandinavischen Design? georg leditzky: Klare Linien, Mut zu neuen, unerwarteten Formen, die durch Einfachheit überzeugen, ohne dabei kühl oder gar klinisch zu wirken. Dezenter, aber wirkungsvoller Umgang mit Farben. Gibt es Kriterien, nach denen ihr die Waren aussucht? Natürlich! Wir im Sellerie-Team legen höchsten Wert auf eine transparente Produktionsgeschichte und eine möglichst zeitlose Ästhetik. Womit assoziiert ihr die Farben Weiß und Schwarz? In der Sellerie schaffen eine weiße und eine schwarze Wand die perfekte Bühne für unsere Produkte. Wir lieben die Kombination von Weiß und Schwarz mit Holz in den verschiedensten Tönen. Diese Farben geben uns einen perfekten Rahmen, sozusagen eine ruhige, neutrale Klammer, die durch Akzente spannend gemacht und immer wieder neugestaltet werden kann.

Abseits von Köttbullar und Billy The Gap 165 034-051 Story.indd 36

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Volta

WYT, Die Sellerie, Julius Hirtzberger, Christina Hausler

Siebensterngasse 28. 1070 Wien —— Das Konzept von Volta ist eine Mischung aus traditionellem skandinavischen Design und einfacher Ästhetik, die vor allem in Stücken für das alltägliche Leben zu finden ist. Klare Strukturen heben den zeitgenössischen Charakter der ausgewählten Exemplare im Geschäft hervor, die alle exklusiv im Volta zu finden sind. Gibt es Kriterien, nach denen du die Waren aussuchst? nela wedam-liegler: Ich habe einen hohen Anspruch bezüglich Material und Qualität der Verarbeitung. Kunststoffe findet man bei uns eher selten und wir bemühen uns nachhaltig und fair produzierte Waren auszustellen. Unser Schwerpunkt ist aber grundsätzlich: minimalistisches Design, junge internationale Designlabels, viel Handwerk und hochwertige Materialien. Welche Farbkombinationen findet man bei dir im Shop? Mit einer schönen und reduzierten Farbpalette kann man grundsätzlich nicht viel falsch machen. Farbakzente in Moosgrün, Zimtbraun, Indigo, Senfgelb oder Rostrot werten alles optisch auf und setzen besondere Akzente. Warum ist weniger oft mehr? Klare Linien und dezente Farben wirken ruhig und edel. Das wirkt aber leider auch schnell zu sleek. Ich mag die Kombination aus minimalistischen Basics zeitgenössischer Designer, kombiniert mit einzelnen Vintage Stücken, wie zum Beispiel einem alten braunen Ledersofa. Authentizität ist wie immer das Stichwort!

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Edelhofgasse 10, 1180 Vienna —— Klare Linien und funktionaler Minimalismus aus Wien. Sofia Podreka und Katrin Radanitsch studierten beide Industrial Design an der Universität für Angewandte Kunst in Wien und an der Denmark Designskole in Kopenhagen. Die beiden Köpfe hinter der Design Agentur Dottings sind unter anderem für die schlichte Formalität der handgefertigten Aromatöpfe des Traditionsunternehmen Riess und das intelligente Holzschneidebrett »RoughCutBoard« verantwortlich. Cleveres Produktdesign made in Austria.

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Dottings

popshop.name Stiegengasse 16. 1060 Wien —— Natürlich Nordisch. Der Popshop bietet nordisches Design und eine fein selektierte Auswahl an stimmungsvollen Lampen, edlem Geschirr, kleineren Möbel und weichen Teppichen. Das Raumkonzept des Geschäfts verändert sich, je nach Saison, und zeigt, wie mit wenigen Teilen eine ganz andere Atmosphäre geschaffen werden kann.

Nanna Barnabitengasse 8. 1060 Wien —— Frische Farben. Das skandinavische Einrichtungsgeschäft führt eine Vielfalt an zeitlosen Möbeln und Gegenständen mit Liebe zum Detail. Florale Muster, warme Farben und dunkles Holz machen das Geschäft zu einem Wohlfühlort mitten in Wien. Hier bliebt kein Wohntraumwunsch offen.

Scandinavian Design House Rudolfsplatz 13a. 1010 Wien —— Innovatives Interior Design. Im Einrichtungshaus am Rudolfsplatz gibt es alles, was das Herz begehrt: vom Designklassiker bis hin zu neuen Entwürfen junger skandinavischer Designer. Die Geradlinigkeit und Klarheit der ausgestellten Möbel strahlen gleichzeitig eine unvergleichliche Wärme und Gemütlichkeit aus. Wer einmal abseits von Ikea skandinavisches Lebensgefühl einatmen möchte, ist hier absolut am richtigen Ort.

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Ein Ikea Regal wird zum Gehäuse für einen 3D-Drucker.

Ikea-Hackers Knock-Down-Furniture Immer schon einen praktischen Raumteiler gewollt, aber das Geld reicht nur für die schwedischen Bausatzregale, die in fast jeder Wohnung stehen? Es gibt eine Alternative: Aufmöbeln. ———— Ex-Vorstandsmitglieder bezeichnen ihn als Rassisten, er überwachte seine Angestellten und ließ in der DDR Möbelteile von politischen Häftlingen fertigen. Entschädigungslos. Trotzdem ist der 91-jährige Ingvar Kamprad mit seinem Einrichtungshaus Ikea nach wie vor in aller Welt erfolgreich. Im Geschäftsjahr 2016 machte die schwedisch-niederländische Gesellschaft nach eigenen Angaben rund 35,1 Mrd. Euro Umsatz und 4,2 Mrd. Euro Reingewinn. Das liegt nicht nur daran, dass sich das Franchise ewig jung gibt und Jahr um Jahr Tonnen seiner Hochglanzkataloge verschenkt. 2016 erwirtschaftete es 40,48 Prozent des Gewinns oder 1,7 Mrd. Euro in den weltweit über 340 Märkten allein mit Essen. Kötbullar gehören wie das Bällebad zu einem Besuch in dem Möbelhaus. Zudem konnte Ikea seine Preise durch den Massencharakter, Steuerflucht und billige Arbeit drücken. Und obwohl immer mehr Konkurrenten das Bausatzprinzip übernehmen, setzt es niemand so zentral in der PR ein wie Kamprads Konzern. Der

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Inbusschlüssel, ikonisches Standardwerkzeug in fast jedem Ikea-Karton, wurde in den 1990ern sogar zum Werbemaskottchen. Dieser DIY-Nimbus, entstanden durch langwierige Aufbauaktionen, umgibt Ikea noch heute. Dadurch kann man einerseits auf eine enorme Fanbase setzen, andererseits bricht diese auch schon mal aus und folgt nicht den strengen Anleitungen, sondern kreiert Neues.

Pimp my Pax, Jules Einer der wohl bekanntesten Ikea-Fans der Welt ist die Malaysierin Jules Yap. 2006 stieß Yap beim Browsen auf Menschen, die ihre Selbstbau-Möbel modifizierten. Ein User, der zwei Pax-Türen zu einem Raumteiler umfunktionierte, zog sie besonders in den Bann. Yap wollte dieser Community eine Plattform bieten und beschloss, IkeaHacks zentral zu sammeln. ikeahackers. net entstand und wurde schnell bekannt und beliebt. Die Möbel der Firma, die »demokratisches Design« für sich beansprucht, wurden nun gewissermaßen direktdemokratisch. Während viele andere Unternehmen Blogger dafür bezahlen, mit ihren Produkten zu experimentieren, war Ikea anfangs nicht begeistert. Es mahnte Yap 2014 ab, droh-

te gar mit einer Unterlassungsklage, da sie ihre Seite mit Bannern finanzierte. Offiziell fürchtete man auch eine Verwechslung. Anstatt die Werbefachfrau – nebenbei bemerkt ist Jules der Name eines Drehstuhls, nicht ihr bürgerlicher Name – in die Markenkommunikation einzubeziehen, wollte Ikea den Blog schlicht abdrehen. Dabei stellt Ikeahackers. net seit jeher klar, nicht zu Kamprad zu gehören. Der Fall schlug so hohe Wellen, dass der Konzern den Streit beilegte. Jetzt gibt es wieder Werbebanner, einen Bastel-Webshop und jüngst erschien das erste Ikeahackers.netBuch mit den »25 Biggest and Best Projects«.

Lack auftragen Ikea-Hacks sind einfach, denn jede Modifikation des Ikea-Codes gilt als Hack. Dazu gehört schon die Umfärbung eines Beistelltischs wie Lack. Selten bleibt es aber dabei: ikeahackers.net hat schon über 6.000 Anleitungen gesammelt. Hackern geht es nicht um Verschönerung allein. Sie passen die Möbel ihren Bedürfnissen an, mal aus Liebe zum Label, mal aus Drang zum Individualismus, mal aus Geldnot. Ikea-Hacks können so auch als Kritik am Massenkonsum verstanden werden.

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Viele Ikea-Hacker kommen aus der boomenden Maker-Szene. Grundlage sind dabei das Open-Source- und das Open-Access-Prinzip, die sich auf einen Raum für Ideen sowie auf den Zugang zu modernen technischen Geräten, etwa in Hacker- und Makerspaces beziehen. Auf Plattformen wie Thingiverse machen Maker ihre Baupläne frei verfügbar, in Tutorials werden Hacks niederschwellig erklärt.

Bestå Maker

Vollbild.at / Stefan Wally

Kastl bauen Kreativität und handwerkliches Geschick helfen, Geld zu sparen. Der Preis war der Hauptgrund, warum eine Schülergruppe der HTL Rennweg für ein Unterrichtsprojekt mit einem Nachtkästchen der Tarva-Reihe arbeitete. Aus Tarva wurde Kastl. Das Team um Andreas Rabl stattete das 40 Euro teure Ausgangsmodell mit Sensoren aus, die menschliche Bewegungen im elektrischen Feld registrieren. Ein Kreis mit der Hand am Holz reicht, um das Licht zu dimmen, wischt man über das Brett, geht es aus oder wieder an. Außerdem programmierten die Schüler eine App, die den Handywecker per Bluetooth mit den LEDs von Kastl verbindet. Kastl entstand im Metalab, einem basisdemokratischen Hackerspace beim Parlament. Warum gerade hier? Zufall. Doch Rabl schwärmt: »Es ist perfekt, da wir Kastl wo verstauen mussten und noch Werkzeug und Maschinen brauchten. Das gibt es alles im Metalab.« Bei Kastl wurde ein Maker-Modul der Marke Raspberry Pi verbaut. Auch Stefan Wally nutzt es in seinem aktuellen Projekt. Für massentauglich hält er Making indes nur bedingt: »Ich denke, dass noch sehr viel Gehirnschmalz hineingesteckt werden muss, um einen 3D-Drucker so einfach bedienen zu können, wie etwa eine Mikrowelle.« Obwohl man mit kommerziellen Partnern zusammearbeitet, setzen Maker primär auf die Crowd

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Schüler der HTL Rennweg verwandelten Ikeas Tarva-Modell in ein intelligentes Nachtkästchen.

»Ich denke, dass noch sehr viel Gehirnschmalz hineingesteckt werden muss, um einen 3DDrucker so einfach bedienen zu können, wie etwa eine Mikrowelle.« — Stefan Wally

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So werden idealerweise Ressourcen geschont und Designs weiter demokratisiert. Aus einem Ikea-Möbel wird dabei im besten Fall ein neues Tool. Stefan Wally aus Floridsdorf widmete einen Bestå-Schrank von Ikea beispielsweise zum Gehäuse für einen 3DDrucker um. Wally interessierte sich schon lange für 3D-Druck, noch »bevor der große Hype ausbrach«. Das chinesische Modell im Wohnzimmer war allerdings zu laut, das zweite Modell sollte sich diskreter in die Wohnung einfügen. Einige Komponenten druckte Wally dann auf der ersten Maschine aus, Acrylteile schnitt der Heimwerker mit dem Lasercutter in einem Makerspace zu. Schwierig war, das Gerät im Bestå unterzubringen. Deshalb brachte er zwei Raumachsen auf eine Ebene, damit die Maschine bei 18 µ 18 cm Fläche und 16 cm Tiefe Platz hat.

selbst. Noch, denn Unternehmensberater Wally ist sich sicher, die Zukunft liege »in kostenpflichtigen Datenbanken, wo die Industrie die Dateien zum Download anbieten wird«.

Ikea PS Ikea hat das kommerzielle Potenzial der Hacks mittlerweile erkannt und verpflichtet immer mehr Lifestyle-Vlogerinnen und DIYBlogger, offiziell seinen Code fortzuschreiben. Yap gehört nicht dazu, wird aber toleriert. Das alles hat mit der Bottom-Up-Haltung des Making weniger zu tun als mit Markenbindung. Selbst dann, wenn sich die Marke in ihren Hochglanzkatalogen als ewig hip, bunt und nachhaltig gibt. Übrigens: Nicht mal das Bausatzprinzip hat Ikea erfunden. Historische US-Patente und Lexika belegen, dass Fertigteil-Möbel zum Zusammenbauen dort mindestens seit dem 19. Jahrhundert als »knock-down-furniture« bekannt sind. Zoran Sergievski

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H&M launcht mit Arket eine neue Marke 70 Jahre lang stand H&M vor allem für Fast Fashion. Mit der in diesem Sommer lancierten Marke Arket will man nun neue Wege gehen und nachhaltig denkende Konsumenten anziehen, die bereit sind, für zeitloses Modedesign mehr Geld auszugeben. ———— Ein moderner Wochenmarkt, der zeitlose und funktionale Mode ebenso wie Wohnaccessoires, Kinderspielzeug, ausgewählte, organische Lebensmittel und im angeschlossenen Café gesunde vegetarische Kost, dem »New Nordic Food Manifesto« folgend, anbietet: Arket, schwedisch für Blatt Papier, könnte dem Konzept nach eine neue Seite in der Firmengeschichte der H&M-Gruppe beschreiben. Slow Shopping statt Fast Fashion heißt das Credo, das nun bewusster lebende und gleichzeitig zahlungskräftigere Kunden anziehen soll. Neben eigenen Kreationen, die sich an der »nordischen Tradition von Funktionalität und langlebigem Design« und damit mehr an den skandinavischen Wurzeln orientieren, wie Ulrike Bernhardtz, Creative Director bei Arket, erklärt, werden auch ins Konzept passende, markenfremde Produkte angeboten. Der erste Arket-Store eröffnete am 25. August 2017 in London, hierzulande kann man über den Online-Shop bestellen, der zeitgleich mit der ersten Shoperöffnung in 18 europäischen Ländern gelauncht wurde.

Schnell und schneller Bekannt geworden ist das schwedische Familienunternehmen, das in diesem Jahr 70-jähriges Jubiläum feiert, für einen dem Arket-Modell gegenteiligen Ansatz. Aus der Idee von Gründer Erlin Persson, leistbare Mode anzubieten, und dem ersten Damenbekleidungsgeschäft mit dem Namen Hennes, schwedisch »für sie«, wurde ein Geschäftsmodell, das die Modeindustrie vor neue Herausforderungen stellte und H&M bis heute zum zweitgrößten Modeunternehmen machte. Der Konzern prägt seit Jahren das immer wieder kritisierte Fast-Fashion-Modell, das vor allem auf Schnelllebigkeit basiert. Innerhalb weniger Wochen schafft es

das Unternehmen, einen Entwurf als fertiges Produkt in die Stores zu bringen. Neben eigenen Kollektionen versucht sich H&M zudem mit immer neuen Kollaborationen neu zu erfinden – während die ersten Kreationen von Designern wie Karl Lagerfeld kreiert wurden, arbeitet man heute auch mit Musikern, in dieser Saison etwa mit Ace Tea und The Weeknd, zusammen. Ob das Hip von Hip Hop dabei auf H&M abfärbt? Schwer zu sagen, doch dem Konzept nach sollen trendbewusste Kunden durch die laufende Kreation neuer Kollektionen und durch das ständig wechselnde Sortiment möglichst oft in die Geschäfte gelockt werden. Das gelingt, brachte dem Moderiesen in den letzten Jahren allerdings immer wieder Kritik für die Produktionsbedingungen ein. Die schnelle und vergleichsweise günstige Produktion macht dem Unternehmen aber auch auf andere Weise zu schaffen. Durch die langen und kostenintensiven Transportwege wird H&M in Sachen Schnelligkeit und Profitabilität von der Konkurrenz überholt. Das erste Mal seit vier Jahren sanken Verkaufszahlen und Umsätze, die H&M-Aktie ist auf dem niedrigsten Stand seit 2011 – nicht zuletzt, weil sich der Druck auf die Modekette durch die starke Konkurrenz erhöhte. Marktführer Inditex (Zara, Bershka, Pull & Bear) produziert seine Ware zu 60 Prozent in Europa und Afrika und kann seine Kollektionen durch kürzere Transportwege noch schneller in die Läden bringen, Mitbewerber Primark schafft es, seine Mode noch billiger anzubieten. Zudem gibt es auch im immer wichtiger werdenden Onlinehandel Aufholbedarf für den Konzern, wie Vorstandschef Karl-Johann Persson bei der Vorlage des Geschäftsberichts Anfang des Jahres zugab. Dementsprechend gerät H&M gewissermaßen in Zugzwang. Seit 10 Jahren versucht man, das Angebot zu verbreitern – eine Strategie, die Konkurrent Inditex mit mittlerweile 11 Brands schon viel früher verfolgte. Die erste Sub-Brand Cos erwirtschaftet heute einen Umsatz von einer Milliarde Euro

Die neue Langsamkeit The Gap 165 034-051 Story.indd 40

Arket

»Marktführer Inditex bringt Kollektionen durch kürzere Produktionswege schneller in die Läden, Mitbewerber Primark schafft es, Mode noch billiger anzubieten.«

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Hanekes »Happy End« Am 6. Oktober startet Hanekes Film »Happy End« in den österreichischen Kinos, der bereits bei den Filmfestspielen in Cannes Premiere feierte. Wer die bisherigen Werke des Regisseurs kennt, wird darin Motive, Anspielungen und sogar Eigenzitate aus seinem Werkkatalog wiederfinden. »Happy End« wird dadurch gewissermaßen zu einem Best-of des österreichischen Regisseurs und Drehbuchautors.

Motive In »Happy End«, einer losen Fortsetzung von »Amour« verwebt Haneke all jene Motive, die sich schon durch seine bisherige Werkschau zogen und die er wie kaum ein anderer umzusetzen weiß, zu einem großen Ganzen. Im Fokus der neuen Produktion steht eine großbürgerliche Familie, deren auf den ersten Blick makellos scheinende kleine Welt, beherbergt in einem barocken Palais, zerbröckelt. Für jedes der Familienmitglieder skizziert Haneke dabei ein ganz persönliches Drama, das nicht zuletzt durch die vorherrschende menschliche Gefühlskälte und das Wechselspiel aus Unterdrückung und Rache entsteht.

Themen Todessehnsucht und Todesangst werden in »Happy End« wie schon in »Amour« erneut zum Thema: Der demente Witwer Georges, der drei Jahre zuvor seine todkranke Frau erstickte, wünscht sich nun selbst den Tod und setzt viel daran, Verbündete zu finden. Eine mögliche Gehilfin sieht er in seiner Enkelin, über die ein weiteres, bereits von Haneke in »Bennys Video«, »Caché« oder »Funny Games« behandeltes Thema seinen Weg in die Geschichte findet: Die Enkelin, deren Charakter an Klara aus »Das weiße Band« erinnert könnte, filmt verschiedenste Menschen mit ihrer Handykamera und ermächtigt sich auch sonst souverän der medialen Welt, etwa, als sie die »außerehelichen« Mails ihres Vaters liest.

Stilistik

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Stilistisch gesehen bleibt sich Haneke selbst treu, wahrt brutale Distanz zu den einzelnen Figuren und besticht gleichzeitig durch die formale Genauigkeit der Erzählung. Geschichten, die sich im Bildhintergrund entwickeln, werden durch die langen Einstellungen für den aufmerksamen Zuseher wahrnehmbar, einige davon löst der Regisseur im Laufe des Films auf, viele andere bleiben, wie auch die Haupterzählstränge, offen. Genau diese Offenheit war auch das Ziel, denn nur so könne man die Fantasie der Zuschauer möglichst stark fördern, so Haneke.

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– ein zweites Standbein ist sie aber, wie auch die ein Jahr später aufgekauften skandinavischen Marken Weekday und Cheap Monday, die eigens kreierte Streetwear-Brand Monki und die vor zwei Jahren eingeführte Marke & Other Storys, nicht. Rund 90 Prozent der Umsätze werden nach wie vor von der Dachmarke H&M erwirtschaftet.

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Zurück zum Ursprung Mit Arket setzt H&M nun auf Entschleunigung. Die Kollektionen sollen weniger oft wechseln und sich weniger an kurzweiligen Trends orientieren – stattdessen konzentriert man sich auf qualitativ hochwertiger produzierte Design-Klassiker. «Die Marken-DNA von Arket steht für Zeitlosigkeit, Frische, Qualität und Wärme. Die Zeitlosigkeit steht für einen Stil jenseits von Trends, die Frische ist das notwendige Gegenstück dazu, denn es ist für uns elementar, stets relevant, modern und neu zu bleiben. Bei der Qualität geht es nicht nur um das Tragegefühl der Kleidung, sondern auch um die Art der Produktion«, erklärt Kreativdirektorin des Labels Ulrika Bernhardtz im Interview mit Business of Fashion. Ein Arket-Store, so die Kreativdirektorin, soll zu einem ganzheitlichen Einkaufserlebnis einladen und die auf Qualität, Funktionalität und Nachhaltigkeit bedachten Kunden nicht zuletzt entspannen. Dabei folgt man gewissermaßen dennoch einem Trend, denn Themen wie Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein und die Einhaltung sozialer Mindeststandards werden in der Textilproduktion zu einem immer größeren Thema, dem sich auch Mode-Großkonzerne PR-wirksam widmen. Kleidung, die aus Biostoffen oder recycelten Materialien hergestellt wurde, fand in den letzten Jahren den Weg von Öko-Shops auf internationale Laufstege von Top-Designern oder in die Kollektionen großer Brands. H&M startete 2013 seine Conscious-Collection, bei der man, so das Unternehmen, immerhin mit »umweltfreundlicheren« Grundstoffen arbeitet. Das Bestreben, die Bedingungen für Arbeiterinnen und Arbeiter in Entwicklungsländern zu

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Fair gehandelter Kaffee, verarbeitet in einer schwedischen Rösterei: Auch im angeschlossenen Café will Arket mit Qualität und Nachhaltigkeit punkten. verbessern, sich mehr für den Umweltschutz zu engagieren oder weniger Chemikalien zu verwenden, steht nicht zuletzt auf der Agenda der H&M-Gruppe, weil Konsumenten mündiger und informierter geworden sind. Laut einer Studie des deutschen Zukunftsinstituts spielt für 69 Prozent der Konsumenten die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards eine Rolle bei der Kaufentscheidung, 67 Prozent legen beim Kauf Wert auf nachhaltige Produktion und nachhaltigen Vertrieb und für 66 Prozent ist die Transparenz der Herstellungsbedingungen relevant. Mit den LOHAS, englisch kurz für Lifestyles of Health and Sustainability, hat sich eine Konsumentengruppe entwickelt, die nachhaltige, faire und umweltbewusste Produktion nicht nur als moralisch korrekt, sondern zudem als »cool und anders« begreift und Modebewusstsein und Gesundheitsbewusstsein vereint. Genau diese Zielgruppe will man mit Arket nun ansprechen und setzt dabei neben Nachhaltigkeit auf Transparenz. Betrachtet man die Geschichte des Unternehmens, wird die Bobo-Familie, die BioBirkensaft trinkend durch einen Arket-Shop schlendert und neben dem Pullover aus Merino-Wolle auch fair gehandelte Kaffeebohnen in den Einkaufskorb packt, zum Paradoxon. Dennoch versucht das Unternehmen, mit seiner neuen Marke mehr Transparenz zu schaffen und Kunden den neuen Weg glaubhaft zu machen. Mit der Arket-ID können Konsumenten bei jedem Kleidungsstück nachvollziehen, welche Materialien verar-

beitet wurden und wo das Produkt produziert wurde. Konsumenten erhalten nicht nur Informationen darüber, welches Garn verarbeitet wurde, sondern auch in welcher Weise es verarbeitet wurde. 80 Prozent der Produkte werden weiterhin in Asien produziert, 20 Prozent in Europa. Aber nicht nur die Produktion betreffend erhalten Kunden einen Einblick in die Arbeitsweise des Konzerns: Arket stellt auch Hintergrundinformationen zum Designprozess bereit, erklärt, woher Inspirationen für bestimmte Muster stammen, oder wie der Trenchcoat zum Kultobjekt wurde. Insgesamt setzt Arket bei seinen Designs auf weiche, großteils gedeckte Farben und cleane, klassische Schnitte. Das Design, so Ulrike Bernhardtz, sei international ausgerichtet, skandinavisch sei daran vor allem die Idee der Funktionalität und Praktikabilität. Voll und ganz skandinavisch ausgerichtet ist dagegen das angeschlossene Café, in dem den Kunden vegetarische und gesunde Kost angeboten wird. Wer sich die Zeit zum Einkauf abseits von Onlineshops nimmt, soll diese angenehm verbringen können, so die Idee. Damit setzt Arket eher auf ein altes Konzept mit neuer Marketingstrategie. Dennoch: Der Wochenmarkt, auf dem einkaufen wieder mehr Freude als Stress bereitet, auf dem man gerne länger verweilt und auf dem frisch zubereitetes Essen neben Kleidung und Produkten des täglichen Bedarfs angeboten wird, ist zwar nicht neu, nicht unbedingt skandinavisch und nur bedingt hip, darf letzteres aber Yasmin Vihaus gerne werden.

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BLF


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Can Güven, 21, Student, und Bernhard Häupl, 28, Angestellter, SPÖ Can stieß 2014 zur SPÖ. Sein »semitürkischer Hintergrund« habe nie eine Hürde in der rot regierten Hauptstadt dargestellt. Deshalb unterstützt er die Partei, damit Wien weltoffen und tolerant bleibe. Sein Genosse ist der Sohn des Wiener Bürgermeisters. Der sei 2005 mit den Programmen aller Parteien zum interessierten Junior gekommen und ließ ihm die freie Wahl. »Das war sehr korrekt, sehr anständig vom Papa«, sagt er. Der Gedanke an Rot-Blau ist beiden unangenehm. »Berni« erinnert an Schwarz-Blau: »Das ist ein Wahnsinn, was uns das gekostet hat.« Er versteht den taktischen Gedanken dahinter, sieht aber zu viele ideologische Differenzen zur FPÖ. Güven pflichtet dem bei: »Antifaschismus ist ein Grundwert der Sozialdemokratie.«

Erli Grünzweil

Workstation Extended

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Marc Deutschmann, 29, selbstständig, ÖVP Das »Team Kurz« gibt sich alle Mühe, seine Pop-Up-Zentrale in der Schottenbastei wie ein einladendes NGO-Büro aussehen zu lassen. Hier prangt ein fetziges Wandbild, da eine fröhliche Fototapete, selbst beschriebene Tafeln stehen in einer Ecke. Marc Deutschmann, bundesweiter »Teamcoach« dieser Kampagne, meint: »Die Leute kommen auf uns zu, kennen Sebastian Kurz und seine Argumente. Die wissen, der steht für einen neuen Stil in der Politik.« Der BWL-Absolvent betont oft die Eigeninitiative der Freiwilligen. Man führe einen Low-Budget-Wahlkampf, das befristete Büro ist eine Sachspende des Eigentümers. Allein in Wien setze sein Team auf über 600 Freiwillige. Sicherheitshalber telefonieren zwei Leute im Nebenraum Mitglieder ÖVP-naher Organisationen ab.

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Angelika Pipal-Leixner, 39, Immobilienentwicklerin und Werner Albeseder, Steuerberater, 62, Neos

Erli Grünzweil

Ein Hund bellt, niemand ist daheim. Wer an diesem Nachmittag im Neunten doch aufmacht, entschuldigt sich: »Ich bin Deutsche, mein Mann Amerikaner, sorry.« Angelika Pipal-Leixner entgegnet empört: »Ihr solltet wählen dürfen!« Einen Stock tiefer fragt ihr Mitstreiter Werner Albeseder nett: »Wir kommen von Neos, haben Sie einen Moment?«. Pipal-Leixner und Albeseder vertreten klassisch liberale Werte. Die Döblinger Bezirksrätin kämpft »für eine enkelfitte Rente«. Albeseder, Finanzreferent der Neos Wien, hofft auf eine Steuerreform. In der täglichen Arbeit merke er immer wieder, »wie demotiviert gerade Unternehmer aufgrund der enormen Belastung sind«. Da habe »Neos wirklich ein ganz konkretes Konzept«.

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Bernhard Weingant, 26, Angestellter, Die Grünen Acht Uhr morgens, Bahnhof Liesing: Im Hintergrund kreischt eine Säge auf. Die Sonne bricht durch die Bäume und erhellt die Gesichter müder Pendler. Bernhard Weingant ist fit, lächelt. Er verteilt Folder und »Wahlzuckerln« von Pez. »Die wenigsten haben Zeit, stehen zu bleiben und zu diskutieren. Hier mit Worten zu überzeugen, funktioniert nicht.« Deshalb hofft der Mittzwanziger, dass die Leute zumindest daheim einen Blick in die Broschüre werfen. Wer doch zu reden beginnt, sei meistens auf Streit aus. Bernhard ist der dienstjüngste aller porträtierten Aktivisten. Zwar habe er immer schon grün gewählt, beigetreten ist er aber erst im April. Weingant wollte endlich selbst aktiv werden. Für den Wahlkampf hat er sich sogar zwei Wochen Urlaub genommen.

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Prosa — ly di a h a ider

Voll auf die Neun! Kreativitätsräusche können zu einer ernsten Angelegenheit avancieren, wenn sie zum Dauerzustand werden. Die gebürtige Oberösterreicherin Lydia Haider lässt in ihrem Text einen von Musen Gestalkten und schwer Gebeutelten wortgewaltig anklagen.

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Sein Abgesang, der Aufgesang: Bestiarium der Musen Das hat mir ein Freund gestern berichtet, und er hat erzählt und geschrien, und er hat dann sogar geweint. Wir haben getrunken, und so hat er es gesagt: »Wieso müssen denn die Musen herkommen, nur weil ich ihnen ein freundliches Bett bereite. Was bringt der ganze Aufwand, wenn ich sie dann doch nur rauswerfen möchte. Heute will ich sicher keine Muse mehr! Und wer kann diese Geste überhaupt verstehen, der nicht selbst von dieser aufdringlichen Musenanmaßung dauernd bedrängt wird, da könnte man ja jede Minute irgendeine Kunst hinausproduzieren, so oft, wie die herlaufen, die sind ja nur noch da. Verständlich, dass man ihrer überdrüssig wird, nicht? Wer will denn das: immerzu Kreativität, ständig gute Ideen, dass sie nur noch so herausplatzen aus jeder Naht, eine Pein ist das, eine Krux, fast eine Bürde, andauernd nur Idee und Idee und Idee, und schon wieder eine, als wolle einen dieses Untier verhöhnen, selbstgefällig, völlig übertrieben. Wen wundert es da, dass man froh ist, wenn es einmal anders ist, man frei hat sozusagen von dieser ewigen Materialqual, wie sie in einer Lawine daherkommt, schon wieder. Gott bewahre einen vor den Musen! Ja auf manche haben sie es sichtlich ärger abgesehen denn auf andere. Kein Normalsterblicher weiß, wie sich das anfühlt, als würden sie als lechzende Jägersbrut hereinstürmen und auf einen losgehen, mit Gewehren und scharfer Munition, und unter Dauerbeschuss nehmen. So stehen sie dann alle feixend und höhnisch lachend da, und schießen, schon wieder, und freilich bis ins Letzte, diese Schweine. Wer schüttelt die ab, diese Berufsidioten, die Zerstörer ganzer Existenzen, weil sie sich auf einen so eingeschworen haben und ruinieren und nicht mehr nachlassen. Grauenhaft ist das, und es lässt nicht nach, sie hören nicht auf, gar nie, ja woher denn. Selbst wenn man glaubt, ihnen endlich ein Stück voraus zu sein, sie etwas abgehängt zu haben, dann zeigen sie sich einfach so flugs

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in einem Foto, oder einem Bild, oder einer belanglosen Landschaft, oder einem nichtssagenden Haus von außen oder innen, und lachen hinterfotzig heraus und lassen einen nicht in Ruhe, nichts einfach tun, nie genießen, nichts unschuldig empfangen. Sie treiben es sehr weit, und das wollen sie auch. Sie zeigen ihre Fratzen ganz pseudoneutral und miesmacherisch aus jeder banalsten Bildwirklichkeit. Ja sie treiben es weit, und das wissen sie auch. Diese Fiesen. Und selbst wenn man sich bemüht und nicht einmal das Haus verlässt, um sie so gut wie möglich zu meiden, dann kriechen sie ekelhaft und komplett unnötig aus dem Radio, bei jeder noch so peinlichen Musik, schamlos, ganz ohne Rücksicht auf Verluste, diese Treibenden. Dann hetzen sie schon wieder und machen Neues und vermeintlich so großartiges Gedankengut her, auf heitere Weise, sie probieren ja alles, diese Hinterhältigen, und fahren ein ohne Rücksicht auf irdische Verluste. Ständig tun sie das, ich kann schon nur noch Ö1 hören, um mich gegen sie zu erwehren, aber selbst da probieren sie es und steigen wallend in einfachste Reportagen ein und bringen das Gemüt zu erhitzen und setzen Flöhe hinein, wahnwitzig, übermächtig. Und selbst wenn es gelingt, Bild und Ton völlig außen vor zu lassen, mühsam, schwerlich, weil das doch so nötig ist zum Überleben, dann schauen sie plötzlich aus dem Kleiderkasten heraus wie unschuldige Kinder, die sich hier ewig schon versteckt haben und nur noch nicht gefunden wurden, kriechen hinterhältig in das Gewand, und sie halten mir ihre Gesichter selbstbewusst und wie natürlich entgegen und hauchen ein Nimm, selbst aus der Unterwäsche. Und schließe ich die Türen angewidert, dann schauen sie schon aus dem Sockenladl, wenn ich es aufziehe, unschuldig, so peinlich sich anbiedernd dabei. Und ich stoße es wie immer völlig abgestoßen wieder zu und wehre mich ihres ständigen Anmachens überdrüssig mit primitiven Verbalausfällen und weiß doch, dass es so leicht nicht sein kann. Wie kann man sich ihrer nur entledigen? So liege ich also in meinem Bett, ohne Ton und ohne Bildhaftes, von Textlichem ganz zu schweigen, und sie probieren es über alle Ecken, wieder und wieder, und liege ich noch so nackt da, sie können es, jahrtausendealte Erfahrung macht es ihnen leicht. Sie sind ja überlegen in ihren Strategien. Wer kann dieses Nötigen

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Lydia Haider

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Lydia Haider (1985) kommt aus Steyr, lebt aber in Wien. Die zweifache Mutter studierte Germanistik und Philosophie und arbeitet gerade an ihrer Dissertation. Zuletzt veröffentlichte Haider die Bücher »Kongregation« (Müry Salzmann, 2015) und »rotten« (Müry Salzmann, 2016). In naher Zukunft werden zwei weitere Bücher erscheinen, nämlich der Roman »Orgie mit Schriftstellerin« sowie der Monolog »Wahrlich fuck you du Sau, bist du komplett zugeschissen in deinem Leib drin«.

Johannes Oberhuber

gleichtun! Kein noch so geschulter Journalist, kein abgebrühter Wissensmacher, nicht einer diesen vielen Räuber kann das, was sie schaffen, sie sind selbst in der weißen Wand, im leeren Blatt Papier, sie lugen heraus aus einer vollgepissten Häuselwand, drängen sich auf in einem entspannten Kinobesuch, wissen selbst aus der seichten Rede des Nazi-Nachbarn eine Etüde zu bauen, machen immer nur das, was und wann sie selbst wollen, diese Gehässigen, weil Pietät in deren Wortschatz so wenig wie in meinem existiert. Vielleicht ist es genau das, weswegen ich sie nicht loskriege, sie nicht zum Teufel jagen vermag: Bei mir fühlen sie sich wohl, diese Bestien, so wie das Ungeziefer sich am Hund wohllebt, so wie die Drecksau sich in ihrem Dreck suhlt. Und ich bin dabei ihr Dreck, ich bin der Heimathafen der vielen unausgeglichenen Musenabgründe, der angeschissenen Ungeheuer, weil hier ein Traum von ungenierter Entspannung wahr wird, weil sie in und durch mich völlig ungehemmt in ihrem Element sein können, sich gehen lassen dürfen, und weil sie bei mir unter sich sein können, wahrscheinlich bin ich schon so etwas wie ein hipper Treffpunkt, wie ein bekanntes Lokal, wo sich nach anstrengender Arbeit die ganze Szene trifft. Diese Wahnsinnigen. Diese schwer Gestörten, sehr Verwerflichen. Möge mich doch endlich einer von ihnen befreien und ihnen eine noch wohligere Statt bieten! Was wird denn noch aus mir? Siehst du: Selbst in dieser Rede eben, frei und in einem Guss herausbrechend, ist alles wie gemacht, kunsthaft, ja wir müssen erneut von einem ordinären Musenritt ausgehen, und sie schämen sich nicht, das hier – vor dir – mit mir zu machen, ich kann mich nicht einmal in Ruhe bei meinem Freund auslassen, ohne ihren Geilheiten ausgeliefert zu sein, nicht aushauen, ohne prosaische Gebärden zu lassen, ohne dabei Teil eines grotesken Dramas zu werden. Wie furchtbar!« Und dabei hat er das Gesicht in die Hände gelegt und geweint, und ich habe gesehen, dass die Tränen, die dabei zwischen seinen Fingern herausgelaufen und auf den Tisch niedergetropft sind, die darauf verteilte Zigarettenasche geformt haben, das feine Wasser die Asche rasch zu einem gediegenen Kunstwerk gemacht, einem maßlosen Bild, das, hätte man es abfotografiert, sicher einen Kunstpreis gekriegt hätte.

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Prosa — Ja KoB Pr ETTEr hoFEr

Geschwisterhiebe Eine Hand, ein Bein und zwei (Halb-)Brüder, die sich nicht leiden können. Jakob Pretterhofer, Drehbuchautor und Schriftsteller, erzählt eine Geschichte über ungleiche Geschwister und einen Krieg, der ein Leben lang dauert.

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Der Einarmige und der Einbeinige Mein Großvater hatte nur einen Arm, und er mochte mich nicht. Ihm fehlte der linke Arm, weil er ihn sich 1945 selbst knapp unterhalb der Schulter abgehackt hatte. Seinen Halbbruder, den Franz, den Einbeinigen, mochte er auch nicht. Dem Franz fehlte das Bein nur angenehm metaphorisch und nicht unangenehm körperlich. Der Einbeinige war ein trickreicher Mittelstürmer, bekannt für seine gefinkelten Haken und seinen Eiertanz mit dem Ball. Er wurde Einbeiniger genannt, weil er den Ball ausschließlich mit dem linken Fuß kickte. Den Franz mochten alle, und erfolgreich war er noch dazu. Mein Großvater war gar nicht erfolgreich, und niemand mochte ihn, vielleicht, weil er auch niemanden mochte. Den Erfolg hätte mein Großvater dem Franz noch verzeihen können, aber mein Großvater machte seinen Halbbruder (ihre Nieren und alles rundherum hatten dieselbe Mutter, aber unterschiedliche Väter) dafür verantwortlich, nur einen Arm zu haben, obwohl er ihn sich selbst abgehackt hatte. Die Krieg war vorbei, aber an seinem Tisch fand er noch immer statt. Vielleicht merkte er, wie er mir damit Angst machte, und mochte mich deswegen nicht. Wie erfolgreich hätte er mit zwei Armen sein können, fragte er mich jeden Abend, wenn ich im Sommer mehrere Wochen bei ihm verbrachte. Ich saß mit ihm in der Küche, er trank Spritzer und am Küchentisch war der Krieg noch lange nicht vorbei und die Erfolglosigkeit noch lange nicht überwunden. Immer wieder erzählte er von seinem einzigen Sieg, die Stadt war Wien, der Geruch miefig und der Schweiß frisch, wie er meinem Großvater den Rücken hinunter rann und auf den Ringboden tropfte, während das Publikum rief, die Catcher sollten sich gegenseitig die Därme herausreißen und daran aufhängen oder sich gegenseitig die Herzen herausreißen und in die Brust scheißen, und dann hat das Publikum gelacht und

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in ein Salzstangerl gebissen und einen großen Schluck Bier getrunken und mein Großvater, der Einarmige, hat sich gedacht, hätte ich nur einen zweiten Arm, ich würde es euch zeigen. Mein Großvater war lang und dürr und nannte sich Der lange Napoleon, weil er, wenn er den Kopf eines anderen Kämpfers in die Mangel nahm und ihn mit seiner einen und einzigen, seiner rechten Ellbogenbeuge, gegen die Rippen presste und dem Kontrahenten so die Luft aus der Lunge würgte, noch Zeit dazu fand, die Hand in die speziell genähte Einlassung des Ringergewandes zu stecken und sich so wie der kleine, der französische Napoleon, über den schmerzenden Bauch zu streicheln. Und dann saß sein Bruder im Publikum, und Schaum trat meinem Großvater vor den Mund und er schmiss seinen Kontrahenten zu Boden und würgte diesen, bis der blau anlief, und das Publikum johlte und mein Großvater siegte. Bis 1944 mochten sich die beiden. Die Mutter war krank, der Ältere kümmerte sich um sie, der Jüngere half ihm dabei. Dann sollte der Franz in den Krieg, der Einbeinige, das große Fußballtalent, aber der wollte nicht in den Krieg. Eine Lösung musste her, der Krieg konnte nicht mehr so lange dauern, laut sagen durfte man das nicht, aber sie ahnten es. Zeit schinden war angesagt. Der Franz musste sich also verletzen, gerade so, dass er der Truppe nicht von Nutzen war, aber auch so, dass er weiterhin der Einbeinige, der Fußballer bleiben konnte, und auch so, dass ihm niemand anmerken konnte, dass er sich selbst verletzt hatte. Zu diesem Zwecke hat man sich vor allem ins Café Weber und ins Café Bürgerhof begeben, dort sind die Soldaten mit eingegipsten Armen und ausgerenkten Schultern und infizierten Wunden aneinandergereiht gesessen. Es gab je nach Bezirk andere Methoden der Selbstverletzung, bei der Erdbergerischen Variante wurde ein Kochlöffel in die Höhlung neben der Kniescheibe angesetzt und mit dem Draufschlagen auf den Stiel ein Meniskusriss erzielt, bei der Simmeringer Variante sprang eine zweite Person auf das ausgestreckte Bein des Verletzungswilligen, um Knie- oder Sprunggelenk anzuknacksen.

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Jakob Pretterhofer Der gebürtige Grazer Jakob Pretterhofer (1985) lebt seit 2005 in Wien. Hier studierte er an der Fimakademie und arbeitet mittlerweile als Filmdramaturg und Drehbuchautor. Zudem veröffentlichte er vor Kurzem sein beachtenswertes, literarisches Debüt »Tagwache« (Luftschacht Verlag). Darin begibt sich Pretterhofer ins Bundesheermilieu und dringt mit einer hochsensiblen Coming-of-Age-Story tief in die prägenden, hierarchischen Strukturen der Staatsinstitution ein. Pretterhofer gelingt dabei das Kunststück, eine Story zu entwickeln, die ohne olivgrüne Bundesheer-Klischees auskommt und in klaren, knappen Sätzen die Geschichte einer alten und neuen Katastrophe erzählt.

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Der Einbeinige hat sich mehrmals hintereinander den Arm brechen lassen, die Beine sollten unversehrt bleiben. Aber sie sind ihm draufgekommen. Er wurde wegen Wehrkraftzersetzung angeklagt, acht Jahre Zuchthaus und Verlust der Wehrfähigkeit lautete das Urteil. Die letzten Kriegsmonate überlebte er, weil er eingekerkert war. Das nachgereichte Todesurteil wurde nicht vollstreckt. Jetzt war mein Großvater auf sich alleine gestellt, die Mutter wurde kränklicher, das Essen war rar, und bald sollte auch mein Großvater eingezogen werden, auch er wollte nicht. Er dachte an seinen Bruder, an das Café Bürgerhof und das Café Weber, die Erdbergerische und die Simmeringer Variante, aber die Cafés wurden mittlerweile bespitzelt und die Varianten waren amtsbekannt. Die Oberfeldrichter sprachen von einer Wiener Selbstverstümmelungsseuche. Mein Großvater wusste nicht weiter. Am nächsten Morgen war es soweit, der Krieg wartete, ein letztes Mal Holz hacken im Hinterhof, für den Ofen der Mutter, er dachte nicht nach, das Blut schoss heraus und er wurde ins Lazarett gebracht. Links nebenan reicherte einer seinen Urin mit Blut an, rechts nebenan steckten sich zwei immer wieder gegenseitig mit der Syphilis an. Es funktionierte, mein Großvater wurde nicht an die Front geschickt. Aber fünf Tage später war der Krieg vorbei. Der Arm war umsonst abgehackt worden. Einige Jahre später spendete mein Großvater seinem Bruder eine Niere, gerade weil er ihn so gehasst hat. Weil er hat gewusst, dass dem Einbeinigen nichts mehr schmerzen wird als von einem verhassten, erfolglosen, einarmigen Menschen gerettet worden zu sein und so ihm, dem verhassten Bruder, zu Dank verpflichtet sein zu müssen. Und mein Großvater hatte sich so das Anrecht erwirkt, seinem Halbbruder bei jedem Treffen sein eigenes Unglück vorhalten zu können. Es war die größte Freude in seinem Leben. Warum er mich nicht mochte, habe ich nie herausgefunden.

ERRATUM An dieser Stelle ist uns in der letzten Ausgabe leider ein Fehler unterlaufen. Neben der Beschreibung des Autors Jakob Pretterhofer wurde der Text der Prosa aus The Gap Nr. 163 von Cedric Weidmann abgedruckt. Wir bitten .. um Entschuldigung! Fur alle, die gespannt auf „ << Der Einarmige und der Einbeinige von Jakob Pretterhofer gewartet haben, hier nun der richtige Text.

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SALON ALBERTINA RAFFAEL REINTERPRETED

Gewinnen thegap.at/gewinnen

100 Jahre Nikon

Party like it’s 1500! Am 31. Oktober 2017 können Besucher voll und ganz in die Welt der Renaissance eintauchen – Stargast der Veranstaltung ist kein Geringerer als der italienische Künstler Raffael, Meister seiner Zeit, Maler in Florenz und am päpstlichen Hof sowie Bauleiter des Petersdoms. Doch nicht nur die Kunst, sondern vor allem auch die Mode Raffaels steht im Zentrum des Abends - den Höhepunkt des Salon Albertina bildet daher eine Fashion Show. Beim Costume Contest können Besucher wiederum ihre eigenen Outfits zur Schau stellen. Der Dresscode »Raffael Reinterpreted« bietet dabei viel Raum für Experimentierfreudige: Faltenröcke und Mieder für die Renaissance-Damen oder Tricothose und Barett für die Herren können als Ausgangspunkt dienen, das Motto darf aber durchaus auch moderner ausgelegt werden.

SALON ALBERTINA 31. Oktober 2017, 19 Uhr Eintritt: 15 EUR Tickets im Vorverkauf an den AlbertinaKassen und an der Abendkassa erhältlich. #AlbertinaRaffael Alle weiteren Infos findet ihr auf der Facebook-Page der Albertina: www.facebook.com/AlbertinaMuseum

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Nikon feiert heuer 100-jähriges Jubiläum. Dazu gehören eine Ausstellung in Tokio, dem Sitz der Firmenzentrale, und die Aktion »100 Jahre Geschichten«. Eine besondere Geschichte hat auch der Fotograf Lukasz Palka zu erzählen: Vor zehn Jahren hat er sich – begeistert von der Atmosphäre der Großstadt Tokio – dazu entschlossen, seinen Lebensmittelpunkt dorthin zu verlegen. Wie er die Stadt heute sieht, hat er in »Nikon Spotlight – Tokio« dokumentiert. Mit drei Nikon-Kameras und vier Nikkor-Allround-Zoomobjektiven hat er sich dafür durch die Stadt bewegt und sie in Bildern festgehalten. Die Ergebnisse zeigt er unter anderem auf dem Nikon-Blog auf Facebook. Wir verlosen auf thegap.at/gewinnen/100jahrenikon zur Feier gemeinsam mit Nikon eine D3400 18-55 VR unter allen angehenden Fotografen.

Monopoly Gamer Mit der »Mario Party«-Reihe gibt es seit vielen Jahren ein Brettspiel auf der Konsole. Hasbro macht es nun umgekehrt und verbindet Nintendo-Charaktere mit Monopoly. Neben den klassischen und bekannten Spielmechaniken gibt es hier noch weitere besondere Eigenschaften jedes Charakters und auch neue Bossgegner. Wie verlosen zwei Exemplare.

Wilde Maus Josef Haders erster Film als Regisseur – wenig überraschend hat er auch Drehbuch und Hauptrolle übernommen. In der Story, die sich sanft, aber beharrlich Richtung Absurdität entwickelt, geht es um einen Musikkritiker, der seinen Job verliert, sich mit seinem ehemaligen Chef anlegt und in der Beziehung zunehmend ins Schleudern gerät. Vor allem die humorvollen Dialoge überzeugen. Wir verlosen zwei DVDs und zwei Blu-Rays.

Lego Ninjago Fanpaket Nach »The Lego Movie« und »The Lego Batman Movie« hat das gerade in den Kinos angelaufene »The Lego Ninjago Movie« hohe Erwartungen zu erfüllen. Parallel dazu erscheint »The Lego Ninjago Movie Video Game«. Klingt mindestens so gut, wie die letzten Lego-Spiele. Wir verlosen drei Fanpakete bestehend aus Xbox-Game, Dogtags, Phone-Wallet und Giftbag.

Kitano-Collection Takeshi Kitano ist der stoische Großmeister des asiatischen Kinos. Und stur wie er selbst sind auch seine Filme. Diesen Herbst werden einige davon wiederveröffentlicht. Darunter sein sommerlichster Film »Kikujiros Sommer«, ein Roadmovie, das ästhetisch-poetische »Dolls«, das melancholische »Hana-Bi« und sein Action-Abgesang »Outrage Beyond«. Wir verlosen ein Paket bestehend aus allen vier DVDs.

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Rezensionen Musik Cid Rim 08

Termine: 21. Oktober, Graz, Forum Stadtpark — 1. Dezember, Linz, Stadtwerkstatt

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Emir Eralp

Ziemlich genau fünf Jahre ist es her, dass Clemens Bacher aka Cid Rim mit seinem selbstbetitelten, als Minialbum angelegten Release bei der schottischen Talenteschmiede Lucky Me vorstellig wurde. Jetzt liefert er ebendort mit »Material« sein offizielles Debütalbum ab und spielt dabei gekonnt seine Stärken aus. Über die letzten Jahre verfeinerte der Wiener Produzent seinen Sound stetig, ohne dabei seinen einzigartigen Stilmix zu vernachlässigen. So ist auch »Material« zu gleichen Teilen komplex und unberechenbar wie charmant und kraftvoll. Nach dem introartigen »Clay« wird man in einer Welt voller schillernder Neonschriftzüge abgesetzt, wo hastende Drum-Virtuosität auf butterweiche Synth-Magie trifft – Intelligent Dance Music neu formuliert. Bei »Repeat« schneidert Cid Rim der aus New York stammenden Sängerin Samantha Urbani ein poppiges und dennoch extravagantes Kleid, das Erinnerungen an seine Remix-Großtat für Chvrches wachruft. Im Verlauf des Albums – produziert wurde es in Wien und London – pusht Bacher sich selbst immer ein Stück weiter. Nicht jedoch im Sinne eines »höher, größer, dicker«, sondern hinsichtlich Qualität, Komplexität und, ja, Sound. Dieser ist erhaben, aber nie überladen, sondern einfach lässig. Das sich stetig steigernde »Serra Serra« ist genauso Teil davon wie der sexy Groove von »Furnace«. Und darin liegt auch die wohl größte Stärke des Albums: den Hörer nicht einlullen zu wollen, sondern mit neuen Inputs, Fährten und Entwürfen zu füttern und zu fordern. Das muss man sich natürlich auch einmal zutrauen, ist aber nicht zuletzt der unglaublichen Coolness Bachers geschuldet. Über die Dauer der insgesamt elf Tracks kommen die gechillten Kopfnicker, ebenso wie die Frickelfraktion und die Soundästheten auf ihre Kosten. (VÖ: 20. Oktober) Kevin Reiterer

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Material — Lucky Me Records

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Rezensionen Musik

Dives

Farewell Dear Ghost

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Es ist ein guter Herbst für die österreichische Musikszene. Auch bei Siluh Records kann man davon ein Lied singen: Aivery brillierten mit ihrem Debüt »Because« – und jetzt Dives. Die Wiener Dreierformation zeigt vor, wie schnell es gehen kann: Beim Pink Noise Girls Rock Camp 2015 haben Viktoria Kirner, Tamara Leichtfried und Dora de Goederen einander kennengelernt, 2016 dann die Band gegründet, diesen März Songs eingespielt und nun präsentieren sie schon ihre erste Veröffentlichung. Gemeinsam mit Siluh-Allrounder Wolfgang Möstl (Mile Me Deaf, Sex Jams, …) als Produzenten haben sich die Musikerinnen einen Monat lang im Studio eingesperrt und dabei sechs hitverdächtige Stücke fabriziert. »Dives« weckt Assoziationen – The Breeders, 90er-Grunge und ein bisschen Surf-Garage. Dass der Sound dieses Debüts aber dennoch unique ist, liegt an Strukturellem: Ungewöhnlich präsente Bass-Lines, noisige Surf-Riffs und perfekt dosierte Drums dominieren das Klangbild. Die Band verfügt damit über etwas, das andere lange suchen und die meisten nie finden – Wiedererkennungswert, ohne dabei immer gleich zu klingen. Wenn mehrstimmiger Gesang zu deinen musikalischen Guilty Pleasures zählt, dann treffen Dives mitten ins Schwarze. Wie beispielsweise bei »Tomorrow«, einem Song, der auf jeden Fall tot gespielt werden möchte. »How can you feel when your hearts are made of stone?«, fragen Leichtfried und Kirner, während sie mit stählerner E-Gitarre Herzen brechen. Der Opener »Shrimp« will hingegen nichts von Gebrochenem oder Versteinertem wissen, er tänzelt mit einer Surf-Leichtigkeit daher, wie The Drums es vor sieben Jahren in sämtlichen Indie-Playlists getan haben. Und dann gibt es da noch – wie bei »Roof« und »Squeeze« – dunklere Facetten, die den zweistimmigen Gesang auf einmal bedrohlich wirken lassen. Nicht zuletzt aufgrund dieser Diversität haben Dives ein Gustostück von einem Debüt kreiert, das ganz ohne Füller auskommt. Wärmste Empfehlung! (VÖ: 3. November) Michaela Pichler Termin: 18. November, Wien, Fluc

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Neon Nature — Ink Music

Falls Farewell Dear Ghost tatsächlich jemals Geister vertreiben mussten, so haben sie diese auf »Neon Nature« endgültig bezwungen. Auf ihrem neuen, bei Ink Music erschienenen Album, ist von düsteren Geisterstunden jedenfalls nichts übrig geblieben. Hier heißt es »Licht an!« und damit ist nicht nur die flackernde Wohnzimmerlampe gemeint, sondern die große neonfarbene Leuchtfläche, die sowohl kleine Clubs erhellt als auch große Stadien bestrahlen könnte. Auf »Neon Nature« stellt die Band erneut unter Beweis, dass ihr musikalisches Handwerk sie intime Liebesbriefe schreiben lässt, dass es ihnen aber auch das Ausholen mit der dramatischen Pranke erlaubt. Wie von der Band bereits gewohnt, finden sich auch auf ihrem neuen Album Momente, wie man sie sich für ein kleines Clubkonzert wünscht, neben ganz großen Gesten, die an Bands wie The National erinnern. Der Sound bleibt tief im Indie-Pop verankert, wird jedoch von Philipp Szalay und seinen Bandkollegen in einer rosafarbenen Wolke in deutlich grellere, plakativere und stellenweise (etwa bei »Blush«) an fluffigen Teenage-Pop erinnernde Sphären übertragen. Die beiden Singles »Pink Noise« und »Moonglass« changieren dabei mühelos zwischen Licht und Dunkelheit, wie auch zwischen Höhen und Tiefen – wobei die Höhen deutlich überwiegen. Ein Höhepunkt ist auch der Titeltrack, der sich ganz ohne Vocals, als meditative Yogamusik für anspruchsvolle Digital Natives eignen würde. Vielleicht sind genau das die Naturgeräusche, die wir im Moment brauchen: jene, die im grellen Licht zwischen Tourbus und Großstadt entstanden sind. Ich finde schon. (VÖ: 13. Oktober) Sarah Wetzlmayr Termine: 9. November, Wien, Wuk — 10. November, Graz, Generalmusikdirektion — 30. November, Salzburg, ARGE Kultur — 7. Dezember, Krems, Kino im Kesselhaus

Anna Breit, Christoph Liebentritt

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Dives — Siluh Records

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Desig n: Luisa Fra n z K leopat ra & Ema nuel Jesse

S CH U N G EL W IE N .A D F U A S T E K IC T & PROGRAMM

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Rezensionen Musik

Kettcar

Mynth

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Sie sind zum Glück rar, die Tage im Leben, die alles auf den Kopf stellen, alles aus den Fugen geraten lassen. Das EMail, dass der Flug in den Urlaub, auf den man das ganze Jahr gespart hat, ausfällt. Die Nachricht vom Arzt, dass doch nicht alles in Ordnung ist. Eine Kündigung, ein Trauerfall, das Ende einer Liebe. Aber es gibt auch gute Nachrichten, unverhofft, aber umso schöner. Den Anfang einer Liebe. Ein neues Kettcar-Album, das erste seit fünfeinhalb Jahren. Lange Jahre, in denen man dessen Vorgänger »Zwischen den Runden« wie auch die anderen drei Alben der Band immer bei sich getragen hat – Musik, die man eng mit besonderen Erlebnissen verbindet. Marcus Wiebusch hat seiner Band Zeit gegeben, es wurde beobachtet, analysiert und kanalisiert. Auch wenn die Vorabsongs wie die anfangs seltsam anmutende Spoken-Word-Nummer »Sommer ’89 (Er schnitt Löcher in den Zaun)« und »Wagenburg« es vermuten hätten lassen: Es ist kein ausschließlich politisches Album geworden. Klar, Kettcar sind dagegen, die sogenannte Flüchtlingskrise ist Thema, die gesellschaftliche Verwahrlosung des (ehemaligen) Ostens auch. Seine Beobachtungsgabe stellt Wiebusch aber vor allem wieder hinsichtlich jener Begrifflichkeit, die Kettcar als solche etabliert haben, unter Beweis: Befindlichkeitsfixiertheit. Längst geht es nicht mehr darum, dass im Taxi geweint wird, es geht ums Kleine im großen Ganzen, um Gentrifizierung, um Freiheit als Drohung, um Rückzug in die neue Altbauwohnung. »Wir haben ein Leben Zeit und das muss dann auch mal reichen.« Wiebusch schafft Figuren in der biederen Normalität – mit einem Storytelling besonderer Art, mit Zeilen, die sich so manche/r vor Jahren noch auf den Oberschenkel tätowiert hätte: »Nächster Halt, Klischeehölle Mitte«. Man darf, man muss es Kettcar hoch anrechnen, dass sie einen nach so langer Abwesenheit sofort wieder packen, an einen heranrücken. Dass sich nichts ändert, musikalisch, textlich, ganz in einem drinnen. Kettcar vereinen alles. Wir können davon nur träumen. (VÖ: 13. Oktober) Dominik Oswald

Termine: 20. Jänner 2018, Wien, FM4-Geburtstagsfest — 21. Jänner 2018, Graz, PPC

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Parallels — Seayou Records Wer Mynth sind, muss man eigentlich nicht mehr erklären. Die Zwillinge aus Salzburg haben erstmals vor zwei Jahren mit schwermütigem und schlicht schönem Elektropop auf sich aufmerksam gemacht und sich seitdem konsequent darin vertieft. Das wurde heuer auch mit einem Amadeus Award honoriert. Mynth – das sind ernste Synthesizerflächen auf der einen und diese feminine Stimme auf der anderen Seite. Die zwei Komponenten kuscheln, tanzen und zanken manchmal. Das Produkt war von Anfang an hip im besten Sinne. Seit dem im Vorjahr erschienenen Debütalbum »Plaat II« haben Giovanna und Mario Fartacek in ihrer Arbeit aber einen Vorwärtssprung in Richtung Ende des Tunnels gemacht und das Projekt wachsen lassen. Die beiden haben verstanden, dass ein bisschen Unbeschwertheit ihrer Coolness keinen Zacken aus der Krone bricht. Etwas erleichtert kann man sich jetzt über das neue Album freuen: »Parallels« ist ein melodiöses Elektronikalbum, auf dem der Pop klar überwiegt, dem man fast schon so etwas wir Fröhlichkeit, jedenfalls aber Leichtigkeit anhört. Teilweise erinnert das dann – wie im Fall der Tracks »Vault« und »Pattern« (man merkt, ein Wort reicht Mynth immer noch im Titel-Game) – sogar an picksüßen 90er-Jahre-Diven-Pop, der durch gechoppte, effektbeladene Vocals in die Gegenwart geholt wird. Die Hook der ersten Single »Mirrors« geht einem seit ihrem Release im Sommer eh nicht mehr aus dem Kopf. Aber es finden sich glücklicherweise auch noch andere Stücke mit demselben Potenzial. »Don’t Do Black« zum Beispiel kommt zwar ohne Refrain aus, das Fade-out der ätherischgespenstischen Vocals klingt aber lange nach und der Track fasst das Thema der Platte ganz gut zusammen: »I paint with colours only.« Ist das ihr Ernst? Sarkasmus? Sich ganz und gar dem Optimismus verschrieben haben sich Mynth nämlich eh nicht: Tiefen und Hall sind erhalten geblieben und ein bisschen Moll schwingt immer mit. »Parallels« ist das symbiotische Produkt zweier Charaktere, die sich nicht erst suchen mussten, um sich zu finden. (VÖ: 24. November) Pia Gärtner

Andreas Hornoff, Julie Brass / HFA Studio,

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Ich vs. Wir — Grand Hotel van Cleef

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Flüchtige Territorien

Kurator_innen: Maren Richter, Klaus Schafler

29 09 2017 – 09 12 2017 ERÖFFNUNG: DO 28 09 2017 19.00H VERANSTALTUNGSDETAILS: WWW.KUNSTRAUM.NET KUNSTRAUM NOE HERRENGASSE 13 1010 WIEN T +43 1 90 42 111

Festival zur StadraumStadraum gestaltung in Feldkirch Design, Fotografie & Medienkunst 25. Oktober – 12. November 2017 www.potentiale.at

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Rezensionen Musik

HANFMESSE 6.- 8.10.2017 EVENTPYRAMIDE W W W.Cultiva.at

Paul Plut

Lieder vom Tanzen und Sterben — Phonotron

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»Du brauchst keine Angst zu haben.« Entsagungsvolle Momente wie die, in denen du das hörst, sind es, vor denen du dich am meisten fürchten musst. Dann, wenn alles gut ist auf der Welt. Weil überall der nächste Baum steht, um den du dich drehen kannst. Während die anderen laufen, bleibst du stehen, wenn du nicht sowieso sofort hin bist. Weil du nur dann klar denken kannst, ganz ohne Angst bist, wenn du nichts mehr zu verlieren hast. Wenn dir bewusst wird, dass die Welt ohnehin ein Gräberfeld ist, demnächst mit einem Tuscher untergeht. Die Gedanken müssen düster sein, ohne Wehmut, ohne Demut. Wenn du ganz bei dir selbst bist, einsam, im Gefühl, der Einzige zu sein, der so empfindet. Ist es das Letzte an Hoffnung, dass dem gar nicht so ist? Denn einer kann tausende Lieder singen, wie es ist, wenn man sich um den Baum dreht, wie es ist, wenn alles sinnlos wird. Wenn der ehemalige Volksschullehrer Paul Plut von der Sehnsucht nach der Dunkelheit, vom Abgrund und vom Schmerz singt, fühlst du dich anfangs noch mehr alleine. Er lässt dich zuerst ganz bei dir und gibt dir dann schlussendlich ein Gefühl der Verbundenheit. Mit unbändiger Virtuosität im Gitarrenspiel, peitschendem Getrampel auf der selbstgezimmerten Stompbox, klanglich angeglichen an ehrfurchtgebietende Kirchenbänke, mit der unbedingten, tiefsten aller Stimmen entführt er dich. In seine Welt aus Suizidversuch und Autounfall (»Lärche«), dem Heranwachsen im dunklen, perversen Ramsau am Dachstein – zwischen dramatischem Todesgipfel, Hurra-Tourismus und evangelischem Außenseitertum – (»Sunn«), dem mystifizierten uralten und urösterreichischen Ehrfuchtsgedanken gegenüber dem Berg (»Vota«) und der Liebe (»I hob doch nur uns«, aus »Diamanten«). Du merkst dann, dass Gospel in steirischem Dialekt nur ein Euphemismus für tiefschwarzen Dark Folk ist. Wenn du weißt, dass »Lieder vom Tanzen und Sterben« alles beschreibt, was du ganz unten im Dunkeln erahnst, weißt du auch, dass Paul Plut damit ein Meisterwerk für alle Ewigkeit geschrieben hat. Zum Sterben schön. (VÖ: 17. November) Dominik Oswald

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Termine: 8. November, Wien, Sargfabrik — 17. November, Graz, Orpheum

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Gefried Guggi, Fabian Kasper, Wolfgang Seehofer

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Rezensionen Musik

Schapka

Wanda

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Wir sind Propaganda — Unrecords Kunst ist immer politisch. Das haben sich die vier Schapka-Mitglieder wohl irgendwo auf die Stirn tätowiert, so der Eindruck, wenn man ihrem Debütalbum »Wir sind Propaganda« lauscht. Vielleicht auch auf Russisch – wie ihr Bandname, der eigentlich Шапка geschrieben wird und übersetzt »Haube« bedeutet. So wird alles, was Schapka angreifen, zu Aktivismus: Wenn sie am Internationalen Hurentag am Urban-Loritz-Platz auf- und damit für ein Ende der Stigmatisierung eintreten. Wenn sie am Protestsongcontest 2017 mit »USQQ« und Herzchen auf den Wangen Queerness-Quoten fordern. Oder wenn das vor Kurzem veröffentlichte Musikvideo zur Single »Vibratorinnen« vom lila Ladyfinger mit Wackelkontakt erzählt. Und jetzt auch das Debüt, das sich mit seinen Nummern wie das Zehn-Punkte-Programm einer fantastischen QueerPartei liest. Gleichzeitig ist »Wir sind Propaganda« aber auch ein Geburtstagsgeschenk an die Bandmitglieder selbst, feiern Marie Luise Lehner, Laura Gstättner, Dora Lea de Goederen (überdies Drummerin bei Dives) und Lili Kaufmann damit doch auch das fünfjährige Bestehen Schapkas. Was bei so einem Debüt natürlich nicht fehlen darf? Ein eigens kreiertes Zine. Ganz gemäß der Riot-Grrrl-Tradition. Musikalisch verbirgt sich aber noch viel mehr als Drei-Akkorde-Punk hinter den zehn Songs auf »Wir sind Propaganda«. Zwischen hingerotzten Gitarrenriffs und politischen Kampfansagen kommt die Band mit Songs wie »Durchnachtet und überlebt« auch einmal zur Ruhe. Das klingt dann schon wieder fast mehr nach verjazztem Experimental als nach Bikini Kill. Und ein Song wie »Elisabeth« wird gar zur Indie-Ballade an eine verliebte Waschmaschine. Mit Wortspielereien wie »Oder in der Bim noch ein Sudoku am Weg in die Boku« («Fahrschule Ekstase«) beweisen Schapka außerdem Gespür für die richtige Line. Jeder einzelne Song verbirgt ein kleines Manifest, etwa »No No No«: »Feminism is not a radical theory against man. No!« Wer Antworten abseits des herkömmlichen, auf H&MShirts gedruckten Marketplace Feminism sucht, wird hier fündig. (VÖ: 28. Oktober) Michaela Pichler Termin: 28. Oktober, Wien, EKH

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Niente — Vertigo Nicht die Lederjacken, nicht die Austropop-Masche, nicht die Bühnenshow und auch nicht ihre klischeehafte Überheblichkeit haben Wanda groß gemacht, sondern die fast schon unerträgliche Eingängigkeit ihrer Refrains. Amore wurde zum Lebensgefühl, Bussi zur Parole und selbst unscheinbare Zahlen waren auf einmal in Pathos getränkt. Auch auf »Niente« wird wieder fleißig gezählt, doch statt »1, 2, 3, 4« heißt es nun »0043«. Wer sich schon den Reim drauf gemacht hat – Adabei, letzter Schrei, oder zumindest Frühstücksei – muss jetzt ganz stark sein: Die erste Single kommt ganz ohne aus. »Traurig-schöne Kindheit in 0043« ist mehr Gesamtkonzept als Chorus, die Struktur des Songs, die gepitchten Vocals, die Stimmung – alles äußerst untypisch für Wanda. Die Wiener Bubenband hat auf »Niente« ihr aufreizendes Hüftkreisen größtenteils gegen Kontemplationen über die Kindheit und Nostalgiemelancholie als Zeichen des Erwachsenwerdens eingetauscht. »0043« ist ein programmatischer Song, der aber ob seiner Unmitschunkelbarkeit bei eingefleischten Fans eher weniger anzukommen scheint, sieht man sich Kommentare oder Spotify-Streams an. Auch mit »Niente« im Ganzen werden es diese Menschen schwer haben; jene, die sich »Wanda neu« wünschen aber auch. »Niente« macht Verletzlichkeit zwar nicht mehr nur zum im Alkohol zu ertränkenden Topos, bietet aber auch noch keine ausgeklügelte Alternative zum besseren Kinderlied an. Die komplexeren Inhalte finden selten eine musikalische Entsprechung. Songs wie »Weiter, weiter« oder »Columbo« sind vergessen, bevor man sie noch zu Ende gehört hat. »Wenn du schläfst«, »Das Ende der Kindheit« oder auch »Einfacher Bua« haben großes Potenzial, hätten aber ein Fünkchen mehr Mut vertragen. Bei »Lascia mi fare« kann man zum ersten Mal mitgrölen und das sogar auf Italienisch – kitschig, aber ist schon recht so. Wanda beweisen mit »Niente«, dass sie mutige Ideen haben können. Doch ob diese Richtung Leuten gefallen wird, die »Bussi Baby« für eine Offenbarung halten, ist sehr fraglich (VÖ: 6. Oktober) Amira Ben Saoud Termine: 7. April, Wien, Stadthalle — 14. April, Innsbruck, Dogana — 19. Mai, Graz, Kasematten

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Termine Musik

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ÖSTERREICHS CLUBSZENE IM RADIOKULTURHAUS

WIENER BLOND

UND DAS ORIGINAL WIENER SALONENSEMBLE

29.09.2017

Wiener Blond © Konstantin Reyer

KARTEN UND INFOS: radiokulturhaus.ORF.at

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19. OKT – 2. NOV 2017 PROGRAMM ONLINE AB 10. OKTOBER, 20 UHR TICKETS AB 14. OKTOBER, 10 UHR www.viennale.at

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Blue Bird Festival November, Mysteriöses und das Blue Bird Festival sind immer ein schöner Dreiklang. Und weil Chrysta Bell als David Lynchs Muse und in »Twin Peaks« schon so nebulös ist, zeigt sie uns bald, wie viel davon in ihrem Dream-Pop steckt. Mit dabei ist auch Dillon (Bild), die bald ihr drittes Album mit dem ebenfalls mysteriösen Namen »Kind« veröffentlicht. Einschlägiges österreichischen Ursprungs ist durch vielköpfigere Acts vertreten: Saint Chameleon (7), Attic Giant (5) und Elsa Tootsie And The Mini Band (3+). 23. bis 25. November Wien, Porgy & Bess

Theresa Ziegler

Leyya leben den Traum: überall gefeiert und auf der Straße unerkannt. Stetig hat das Duo seinen Wirkungskreis erweitert – bis hin zu aktuell 2,8 Millionen Spotify-Plays für seinen Superhit »Superego«. Mit so einem Lauf kann man schon mal sein melancholisches Gewand minimal einfärben und sich mit dem neuesten Song »Zoo« ein bisschen lebensfroher zeigen. Either way – Leyya machen großartigsten Pop. Damit das auch bald die Leute auf der Straße wissen, verlosen wir kurz vor dem Konzert noch 2 × 2 Tickets auf unserer Facebook-Page. 18. Oktober Wien, Wuk

Meyrem Bulucek, Joseph Kadow, Alicia Gordon, Simone Scardovelli, Frank Lebon, Tine Steinthaler, Thomas Unterberger

Leyya

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Termine Musik EMA

highlights Sa. 14.10. Theater

Schnipo Schranke Mit »Pisse« schufen sich Daniela Reis und Fritzi Ernst bekannterweise ein Denkmal aus Körperflüssigkeiten, das sie sofort zu Lieblingen aller »Feuchtgebiete«-Leser_innen und berlinesken Misfits machte – auch wenn das Duo selbst in Hamburg wohnt. Mit ihrem zweiten Album wagen Schnipo Schranke einen Schritt auf die Musikindustrie zu, ohne ihr unangepasstes Mindset zu verlieren. 26. Oktober Wien, Flex

Mount Kimbie Brexit-Kritik versteckt sich auf der Rückseite von Mount Kimbies neuer Platte mit dem Prädikat »Made in EU«. Auf »Love What Survives« stehen Maker und Campos musikalisch sehr in britischer Tradition. In ihrer eigenen Mischung aus allen Elektronikgenres geben sie sich neuerdings eindeutiger dem Trip-Hop mit NoiseElementen – und James-Blake-Features – hin. 15. November Wien, Flex

Sans Secours Unsere Nostalgie bezüglich der ersten Ausgabe von The Gap hat in der Rückkehr von Sans Secours (schon damals feierten wir sie für ihre abwechslungsreiche, intelligente Rockmusik) eine neue Berechtigung gefunden. Nachdem sich die Band aus Graz prompt von 1999 bis heute einer Schaffenspause unterzog, lässt sie seit Neuestem online und live wieder von sich hören. Hach, good times! 20. November Wien, Chelsea — 25. November Graz, PPC

Camo & Krooked »Mosaik« scheint Camo & Krooked besonders am Herzen zu liegen. 17 eigentlich fertige Tracks drei Monate vor Release komplett überarbeiten? Risky business – das sich ausgezahlt hat. 6. Oktober Wien, Gasometer — 7. Oktober Graz, Kasematten — 13. Oktober Linz, Design Center — 14. Oktober Innsbruck, Music Hall — 21. Oktober Dornbirn, Conrad Sohm — 25. Oktober St. Pölten, Beatpatrol Festival

Jedermann! mit Philipp Hochmair

So. 15.10. HipHop

Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi

Di. 17.10. Im LiteraturSalon

Stefanie Sargnagel

Bild: Alexander Goll

Nein, mit EMA sind nicht die MTV Europe Music Awards gemeint. Das Fass zu dieser Debatte machen wir jetzt lieber nicht auf. Diese EMA hier hat nämlich nichts mit Europa oder Mainstream-Pop zu tun. Erika M. Anderson, wohnhaft an der Westküste der USA, macht Soft Noise, der seit sieben Jahren unter Musikbloggern konstant höchst relevant ist. Im Gegensatz zu MTV. 12. Oktober Wien, Arena

Di. 17.10. – Mi. 18.10. Kabarett

Roland Düringer: Der Kanzler

Mi. 18.10. Im LiteraturSalon

Simon Beckett

Do. 19.10. HipHop

Chakuza & Bizzy Montana

Fr. 20.10. Singer / Songwriter

10 Jahre Blonder Engel

Sa. 21.10. Im LiteraturSalon

Bodo Kirchhoff

Mo. 23.10. Singer / Songwriter

Fink

Fr. 27.10. Pop

Granada

31.10. – 01.12. Kabarett

34. Linzer Kleinkunstfestival: Alfred Dorfer, Rainald Grebe, Thomas Maurer, Andreas Rebers, Suchtpotenzial u. a.

01.11. – 04.11. Pop

Ahoi! Pop 2017:

Sigur Roś

Klez.e

Lola Marsh

Sigur Roś sind so alt wie Justin Bieber und ihr letztes Album ist vier Jahre her. Die fünf Isländer mit den schönen Buchstaben verzaubern mit ihrem ganz eigenen, zart-düsteren Sound und ungewöhnlichen Klangfarben aber immer noch wie am ersten Tag. Absoluter Spitzenreiter in Sachen Magic. 16. Oktober Wien, Gasometer

Unser Beauftragter für deutsche Sadness bezeichnete »Desintegra­ tion«, das aktuelle Album von Klez.e, als Meisterwerk. Seinem Rat folgend zelebrieren wir unsere Herbstdepression mit gleich drei Österreichkonzerten der Berliner. 25. Oktober Villach, Kulturhofkeller — 26. Oktober Wien, Fluc — 27. Oktober Graz, Blendend

Auch wenn Lola Marsh gerade weltweit touren, hat man doch das Gefühl, dass sie besonders oft und gern nach Österreich kommen. Wer die letzten Konzerte des Duos aus Tel Aviv verpasst hat und Lana Del Rey mag, sollte sich geschwind dem Hype und dem leichtfüßig-melancholischen Sound hingeben. 30. Oktober Wien, Porgy & Bess

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Bild: David Königsmann

Mark Lanegan, Black Lips, Voodoo Jürgens, Megaloh, Fünf Sterne deluxe u. a.

POSTHOF – Zeitkultur am Hafen, Posthofstraße 43, A – 4020 Linz Info + Tickets: 0732 / 78 18 00 kassa@posthof.at | www.posthof.at Weiterer VVK: LIVA Servicecenter im Brucknerhaus, Veritas Kartenbüro, oeticket und alle oberösterreichischen Raiffeisenbanken.

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Termine Kunst

Gerhard Rühm

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Komponist, Pianist, Performer, Literat und bildender Künstler – der 1930 in Wien geborene und heute in Köln lebende Gerhard Rühm gilt als Grenzgänger zwischen den Disziplinen, der sich in den Zwischenräumen seiner Ausdrucksmittel um deren Erweiterung bemühte. Die sechs Jahrzehnte seines künstlerischen Schaffens versucht die Ausstellung in ihrer vollen Vielfalt abzubilden: Präsentiert werden zwischen Schrift und Bild pendelnde Typocollagen, Fotomontagen und Schreibmaschinenideogramme – Rühms visuelle Poesie –, deren musikalisches Pendant, die visuelle Musik, gestische und konzeptionelle Zeichnungen, Schriftfilme sowie auditive Poesie, Chansons, Klavierstücke und Melodramen an der Schwelle von Sprache und Musik. 4. Oktober bis 28. Jänner Wien, Kunstforum

10 Jahre Forum Frohner Das Forum Frohner im ehemaligen Minoriten­ kloster in Krems-Stein feiert 2017 sein zehn­ jähriges Bestehen. Der Bau des Architekten Lukas Göbl, ein zeitgenössischer White Cube, fügt sich als offener Ort und Treffpunkt für spannende kulturelle Positionen ins historische Ensemble des Klosters ein. Pünktlich zum Jubiläum eröffnet die Ausstellung »Fokus Frohner: Die Sammlung Gabriel«. Die umfangreiche Privatsammlung von Harald und Mechtild Gabriel wird erstmals öffentlich gezeigt und umfasst neben Radierungen und Zeichnungen auch malerische Schlüsselwerke aus den 1960- und 1970er-Jahren, einer Zeit, in der Frohner der internationale Durchbruch gelang. 15. Oktober bis 8. April Krems, Forum Frohner

Florian Hecker Für die Ausstellung »Halluzination, Perspektive, Synthese« wird Florian Hecker eine eigene »synthetische« Komposition erstellen und einen szenografischen Raum für deren Aufführung entwerfen. Bildende Kunst und elektronische Musik denkt er dabei als Einheit: Skulpturen können Soundquellen sein und akustische Elemente modifizieren, verstärken oder lenken. Hecker bewegt sich in einer Grauzone verschiedener Konventionen musikalischer Psychologie und Psycho­akustik, in der Objekte gleichzeitig an mehreren Orten sein können und der Strom von Erfahrungen in verschiedene Richtungen, aber auch zusammenlaufen kann. Am 18. November wird Hecker in der Halle G des Museumsquartiers auch live zu sehen sein. 17. November bis 14. Jänner Wien, Kunsthalle

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Terra Incognita Im Rahmen des Galerienfestivals Curated By zeigt die Hilger Brot Kunsthalle zeitgenössische Kunst aus Südostasien und der Pazifikregion mit Fokus auf Malerei und Skulptur. Kuratiert wurde die Schau, deren Name auf die Unterrepräsentation künstlerischer Positionen aus den genannten Gebieten in der europäisch und nordamerikanisch geprägten Kunstwelt anspielt, von Matthias Arndt. Vertreten sind Arbeiten indonesischer, philippinischer, pakistanischer, kambodschanischer und australischer KünstlerInnen. Etwa »Unfurled« (Bild) von Patricia Piccinini, deren Arbeiten Kritik am politischen System und an aktuellen Entwicklungen in Wissenschaft und Wirtschaft üben. Bis 28. Oktober Wien, Hilger Brot Kunsthalle

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Termine Festivals

… Ur- und Erstaufführungen verspricht die 30. Ausgabe von Wien Modern. Das Festival für vielfältige neue Musik rückt heuer unter dem Titel »Bilder im Kopf« die Vorstellungskraft in den Mittelpunkt. 31. Oktober bis 1. Dezember Wien, verschiedene Locations

Mit Terminen in Graz, Wien und Feldkirch steht dem Land ein ziemlich fescher Herbst bevor. Kleine Labels und junge DesignerInnen aus Bereichen wie Mode, Schmuck, Kunst, Grafik, Food und Sport präsentieren ihre Produkte seit 2010 bei diesem überaus erfolgreichen Marktevent. Und die zugehörigen Partys und Taschen sind zumindest genauso beliebt wie der Feschmarkt selbst. 13. bis 15. Oktober Graz, Seifenfabrik — 17. bis 19. November Wien, Ottakringer Brauerei — 15. bis 17. Dezember Feldkirch, Pförtnerhaus

Mehr Bewusstein für das Thema Medienbildung und kritische Mediennutzung zu generieren, das ist das erklärte Ziel der Woche der Medienkompetenz. Österreichweit sind Lehrpersonen, SchülerInnen, Vertreter der Medien, der Wissenschaft und der Kunst sowie NGOs und Politik aufgerufen, sich mit Ideen und lokalen Aktivitäten einzubringen. 15. bis 23. Oktober Österreich, verschiedene Locations

Arndt Art Agency, Vinzent Trenkler, Alexi Pelekanos / Viennale Jana Wachtmann, Manuel Fronhofer

Woche der Medienkompetenz

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Feschmarkt

Potentiale An drei Wochenenden wird Feldkirch wieder zum Schauplatz für Kreatives aus den Bereichen Design, Fotografie und Medienkunst. Neben Ausstellungen von regionalen wie internationalen Kunstund Designschaffenden sind auch zahlreiche Veranstaltungen und Workshops anberaumt. Und die Art Design wird heuer als Potentiale Messe endgültig in das Festival der kreativen Stadt­ raumgestaltung eingegliedert. 25. Oktober bis 12. November Feldkirch, verschiedene Locations

Open Mind Festival Viennale Nach dem ebenso plötzlichen wie tragischen Tod des langjährigen Viennale-Direktors Hans Hurch (Bild) steht dessen letzte, die 55. Viennale unter dem Motto »Ein Festival von und für Hans Hurch«. Im Rahmen einer Hommage sind etwa 14 »ästhetische Komplizen« wie Kameramann Ed Lachmann oder Schauspielerin Tilda Swinton eingeladen worden, ihrem verstorbenen Freund je einen Film zu widmen. Weitere Specials gibt es zur Entstehung des Neuen Neapolitanischen Kinos, zu Valeska Grisebach und der österreichischen Kinopionierin Carmen Cartellieri. 19. Oktober bis 2. November Wien, verschiedene Kinos

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Das Spannungsfeld zwischen Individuum und Kollektiv steht im Mittelpunkt des diesjährigen Open Mind Festivals. In Anbetracht unsicherer Zeiten und permanenter Krisen gewinnt die gemeinschaftliche Organisation der Gesellschaft, das Suchen nach Gleichgesinnten wieder an Bedeutung. Hinterfragt werden die Bedingungen sozialer Netzwerke sowie Mechanismen von Identifikation und Ausgrenzung. 9. bis 19. November Salzburg, ARGE Kultur

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Heute schon jemanden entradikalisiert? Täglich mit DER STANDARD und derStandard.at

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Termine Kino Borg / McEnroe Regie: Janus Metz Pedersen Die Tennisspieler Björn Borg (verkörpert von Sverrir Guðnason) und John McEnroe (Shia LaBeouf) waren Rivalen auf dem Platz. Der Film, der das Toronto International Film Festival eröffnet hat, zeigt die beiden bei den Wimbledon Championships 1980. Gedreht wurde u. a. in Stockholm, Prag, Monaco, Göteborg und London. Start: 13. Oktober

Licht

Regie: Michael Haneke ———— »Happy End« ist der achte Film, den Haneke in Cannes vorgestellt hat. In diesem richtet der österreichische Regisseur, der nach »Liebe« eigentlich einen Film über eine übergewichtige Frau in den USA drehen wollte, aber weder eine passende Schauspielerin fand, noch das Budget für diese teuren Dreharbeiten zur Verfügung hatte, seinen Blick auf eine bürgerliche europäische Familie mitsamt deren Problemen und auf das Lebensende des Patriarchen Georges (Jean-Louis Trintignant). Dieser sitzt nach einem Suizidversuch im Rollstuhl, sein Sohn Thomas (Mathieu Kassovitz) hat eine Affäre und seine Tochter Anne (Isabelle Huppert) bereitet den Verkauf des Familienunternehmens vor. Auch der Themenbereich Flucht und Migration wird aufge-griffen. Über »Happy End« wird sicherlich noch viel diskutiert werden. Start: 6. Oktober

Good Time Regie: Ben und Josh Safdie Connie (Robert Pattinson) raubt mit seinem geistig beeinträchtigten Bruder Nick (Ben Safdie) eine Bank aus. Nick wird überführt und Connie versucht, ihn aus dem Gefängnis zu befreien. »Good Time« lief in Cannes und wurde von der Kritik positiv aufgenommen. Start: 3. November

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Happy End

Regie: Barbara Albert Ins Jahr 1777 blickt Albert in »Licht«. Der Film erzählt die Geschichte der erblindeten und äußerst begabten Klavierspielerin Maria Theresa Paradis (Maria Dragus), die dank des umstrittenen Arztes Franz Anton Mesmer (Devid Striesow) zwar wieder zu sehen beginnt, jedoch ihr musikalisches Talent verliert. Start: 2. November

Aus dem Nichts Regie: Fatih Akin Nach der Romanverfilmung »Tschick« widmet sich Akin wieder düstereren Themen. In »Aus dem Nichts« verliert Katja Sekerci (Diane Kruger) Mann und Sohn bei einer Bombenattacke. Der Film wurde als deutscher Oscar-Kandidat 2018 vorgeschlagen und Diane Kruger in Cannes als beste Schauspielerin ausgezeichnet. Start: 24. November

Barbara Fohringer

WEGA Filmproduktion, Polyfilm

Detroit

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Tiere Regie: Greg Zglinski ———— Düster und mysteriös wird es in Greg Zglinskis »Tiere«. Das Ehepaar Nick (Philipp Hochmair) und Anna (Birgit Minichmayr) nimmt sich eine Auszeit, weshalb sich Nick sogar von seiner Affäre Andrea (Mona Petri) trennt. Diese springt kurz danach aus dem dritten Stock – eine Leiche wird jedoch nicht gefunden. Während der Abwesenheit des Paares soll sich Mischa (ebenfalls Mona Petri) um seine Wohnung kümmern, dessen Verbote (etwa nicht im Ehebett zu schlafen) nimmt sie dabei nicht ernst. Anna glaubt, eine optische Ähnlichkeit zwischen Mischa und Andrea zu erkennen. Nach einem Zusammenstoß mit einem Schaf beginnt Anna an ihrer Wahrnehmung zu zweifeln, meint sie doch, dass ihr Mann eine Affäre mit einer Eisverkäuferin (und noch einmal Mona Petri) hat, die ebenso Andrea bzw. Mischa ähnlich sieht. Spannend! Start: 17. November

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Regie: Kathryn Bigelow Die zweifache Oscar-Preisträgerin Kathryn Bigelow begibt sich in diesem historischen Filmdrama nach wahren Begebenheiten ins Detroit des Jahres 1967, in dem es nach einer Polizei-Razzia in einer von zumeist Afroamerikanern besuchten Bar zu zivilem Ungehorsam und einem Bürgeraufstand mit Toten kam. Start: 24. November

Lady Macbeth Regie: William Oldroyd Mit Shakespeare hat dieser Film nichts zu tun, er basiert vielmehr auf einem Roman von Nikolai Leskov und erzählt die Geschichte von Katherine (Florence Pugh), die in einer unglücklichen Ehe gefangen ist und eine Affäre beginnt. Es handelt sich dabei um das Regiedebüt von William Oldroyd, der zuvor am Theater tätig war. Start: 24. November

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Illbilly

frönt der hohen Kunst der tiefen Pointe. Umgekehrt wird aber auch kein Schuh draus.

Hin und wieder ist es durchaus angebraucht mit einer gehörigen Portion Eigenlob im Raum eine Duftnote zu setzen. Der Volksmund behauptet ja bekanntlich, dass Eigenlob stinkt. Nun – meines nicht. Weil, ich bin der beste The Gap-Kolumnist aller Zeiten. Und wenn ich das sage, wird jeder Raum, in dem diese Worte gesetzt werden, von einem herrlichen Duft aus frischen Rosenblüten, Moschus, Vetiver und Vanille durchströmt. Ist einfach so. Ich bin übrigens nicht nur der beste Gap-Kolumnist aller Zeiten, sondern habe auch die längste Kolumne. Das hier heute ist übrigens die Hundertste. Das weiß ich genau, da ich immer alles verzeichne und mitschreibe. Vielleicht überrollt einen ja durch Unachtsamkeit morgen oder übermorgen der Traktor. Und dann stünde die IllbillyForschung vor dem Nichts. Genau deswegen notiere ich mir jedes Furziburzi. Und genau deswegen weiß ich, dass das heute die 100. Kolumne ist. Das ist – man muss es sagen – eine Topleistung für einen, der in fast 15 Jahren es exakt einmal geschafft hat die Deadline einzuhalten, die Todeslinie zu meeten, wie man so schön sagt. Und ja, ich bin nicht stolz darauf, denn ich stricke nämlich nicht gerne mit der heißen Nadel. Aber manchmal tue ich mich auch wirklich schwer, einen Text fertig zu machen, weil er einfach von einer bezaubernden Idee ausgehend, immer schlechter wird. Und schlechte Texte gebe ich ungern außer Haus. Wie kommt der Leser nämlich dazu, sich durch Schlechtes zu wälzen. Zudem hätte ich ein übles Gewissen, mein vereinbartes Honorar von 1.250 Euro zu stellen. Ich mein, dafür kriegt man, wenn man will, ja gleich drei Praktikanten, die bis in die Haarspitzen randvoll mit Motivation sind.

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Nun, um wieder ein wenig einen herrlichen Duft aus Rosenblüten, Moschus, Vetiver und Vanille zu versprühen, möchte ich mich nochmals loben und sagen, dass auch Halbfertiges, von mir Verworfenes, ein ziemlich heißer Shit sein kann. Ich habe mir nämlich überlegt, um meine 100. Kolumne gebührend zu feiern, ein wenig Rückschau zu halten. Üblicherweise präsentiert man da die Highlights aus den letzten Jahren. Ich nicht, da mein Kolumnengesamtwerk ausschließlich aus Highlights besteht, fände ich das erstens arrogant, vor allem aber eine condradictio in adiecto. Deswegen hier eine kleine Liste mit glänzenden Ideen, aus denen nie eine Kolumne entstand: 1. Ich wollte einmal eine Kolumne darüber schreiben, wie ich ein Drehbuch für ein Remake von »Lost in Translation« schreibe. Das Remake spielt in Wien. Mit Japanern. In der männlichen Hauptrolle: Takeshi Kitano. Bei der weiblichen Hauptrolle stand ich schon an. Grandios gescheitert. 2. Ich wollte einmal eine Kolumne schreiben, die ausschließlich aus Rezepten der Fünf-Elemente-Küche besteht. Sie sollte der Teaser für mein erstes Kochbuch sein: »Fünf-ElementeKüche für die Mikrowelle«. Ziemlich grandios gescheitert. 3. Ich wollte einmal eine Kolumne schreiben, in der ich nachweise, dass das Wort »sphärisch« synonym für »scheiße« verwendet wird und wie man auf 15 verschiedene Arten »sphärisch« sagen kann. Leider nur auf vier gekommen. Gescheitert, aber noch nicht eingestanden. 4. Ich wollte einmal eine Kolumne schreiben, in der ich im Stil von Thomas Bernhard dicke, männliche Komiker beschimpfe. Und

zwar grundlos. Einfach so. Sehr heikel und sehr anmaßend. Vor allem weil ich trotz 20 Semester Germanistikstudium noch nie etwas von Bernhard gelesen haben. Erfolgreich gescheitert, denn der Text erscheint demnächst in der Anthologie »Donald Trump Literaturwettbewerb«, herausgegeben von Maximilian Zirkowitsch und Vanessa Wieser im Melania-Verlag. 5. Ich wollte einmal eine Kolumne schreiben, in der ich erzähle, dass früher Prostituierte immer ordentlich Vetiver- und Vanilledüfte versprühten, weil sie merkten, dass diese Duftnoten direkt ins Männerhirn reingehen. Dabei landete ich nach wenigen Augenblicken bei der Frage: »Wie riecht es in der Gebärmutter?« Brachte dabei aber nur in Erfahrung, dass ein deutscher Forscher den mit 25.000 Euro dotierten Philip-Morris-Forschungspreis einheimste, weil er entdeckte, dass Sperma seinen Weg in den Uterus durch Riechen findet. Samen schnüffelt sich sozusagen in die Gebärmutter rauf. Das alles unter einen Kolumnenhut zu bringen war mir aber zu anstrengend. Deswegen: eben gescheitert. www.facebook.com / illbilly

Jakob Kirchmayr

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Know-Nothing-Gesellschaft Die 100. Kolumne, die aus dem Window stieg und verschwand

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