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Katharina Seidler

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AUSGABE AUGUST / SEPTEMBER 2018 — THE GAP IST KOSTENLOS UND ERSCHEINT ZWEIMONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1040 WIEN, P.B.B. | GZ 05Z036212 M


poolbar Festival The Subways, Cassius, Alice Merton, Eels, Ziggy Marley, Joan As Police Woman, Shout Out Louds, Fink, Antilopen Gang, White Lies, Vintage Trouble, The Brian Jonestown Massacre, Faber, Seasick Steve, Beartooth The Wanton Bishops, Yungblud u.v.m. 25 Jahre Nischen bis Pop! Mehr poolbar-Stories und Infos auf poolbar.at

6. Juli bis 14. Aug 2018

25 Jahre poolbar. Dabei wollten wir damals nur einen GlasblasWorkshop veranstalten.

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Altes Hallenbad Feldkirch Vorarlberg

Danke fĂźr die FĂśrderung: Bundeskanzleramt Kunst & Kultur, Vorarlberg, Feldkirch, Bregenz, Kulturstiftung Liechtenstein, Ressort Kultur der Regierung Liechtensteins

Deap Vally, Scheibsta & die Buben, Goldroger, Hearts Hearts, 5K HD, Hayden James, Martin Kohlstedt, Algiers

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Editorial The Gap ist tot. Lang lebe The Gap. Es gibt Dinge, die nicht totzukriegen sind. Vor drei Ausgaben haben wir in unserer Coverstory genau diese Aussage zum Thema Vinyl getroffen und in ebenjener Ausgabe habe ich im Editorial die Hoffnung geäußert, dass die alte Floskel »Totgesagte leben länger« im besten Fall auch irgendwann für Printprodukte gelten wird. Schon damals haben wir intensiv über unsere Zukunft nachgedacht, haben mit den Kollegen von Intro und NME getrauert und schon zu diesem Zeitpunkt war die Situation für uns, wie auch für viele Kollegen in der Branche, nicht einfach. Trotz aller Schwierigkeiten gibt es die Marke The Gap und allen voran dieses Heft seit über 21 Jahren und damit länger, als es die beiden Gründer bei der Arbeit an der ersten Ausgabe wohl erahnen hätten können. Umso schöner ist es, dass The Gap nun genau aufgrund dieser beiden Menschen weiterbestehen kann. Dieses Heft hat für unser Verlagshaus, die Redaktion und das Grafikteam vielleicht mehr Bedeutung, als für unsere LeserInnen: The Gap wird künftig nicht mehr von Monopol herausgegeben. Ausführlichere Informationen zum kommenden Wechsel sind im Leitartikel und einer zusätzlichen Erklärung nachzulesen. Dass Monopol jetzt zumindest doch teilweise Abschied nehmen muss, stimmt traurig, denn The Gap ist nicht einfach nur ein Produkt, sondern viel mehr ein Herzensprojekt. Nicht wenige unserer AutorInnen schreiben seit Jahren für dieses Heft (und viele werden es wohl auch noch künftig tun), ein Großteil der Mitarbeiter von Monopol und der Tochtermarke Biorama hat als PraktikantIn bei The Gap angefangen, viele Leute aus unserem Umfeld haben in diesem Medium ihren ersten Artikel veröffentlicht. Damit war The Gap nicht nur ein wichtiger Teil des Unternehmens, sondern vielleicht auch ein Sprungbrett, eine Möglichkeit, sich auszuprobieren und ein Medium, dass sich der österreichischen Kulturszene in all ihren Facetten verschrieben hat. All das soll es auch in Zukunft

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– wenn auch in einer anderen Organisationsstruktur – bleiben und dementsprechend wollen wir das Abschiednehmen nicht zu sehr in die Länge ziehen und uns lieber dem Inhalt widmen. Eine Herzensangelegenheit ist das Entdecken von möglichst vielen Facetten der heimischen Musikszene auch für Katharina Seidler, der wir in dieser Ausgabe unsere Coverstory widmen. Neben ihrer langjährigen Arbeit bei FM4 ist sie für das Programm des diesjährigen Popfests verantwortlich und hat mit uns über den schmalen Grat zwischen privater Leidenschaft und beruflicher Profession, ihre Anfänge bei FM4 und ihre schönsten musikalischen Entdeckungen gesprochen. Zu letzteren könnte auch das neue Album von Dorian Concept zählen, der im Interview mit Stefan Niederwieser über den Schaffensprozess spricht und über sein Management bereits vorab verlautbaren ließ, dass ihn Gespräche über Social Media und Onlinevermarktung nicht wirklich interessieren. Warum es besser wäre, wenn wir alle etwas Abstand von Facebook und Co nehmen würden, versuchen wir auf der Grundlage des neuen Buchs von Jaron Lanier zu erörtern. Außerdem haben wir mit der neuen Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler über ihre Rolle als Retterin der Kulturpolitik gesprochen und uns in unserem Theaterund Tanzschwerpunkt unter anderem intensiv mit den KünstlerInnen, die am diesjährigen Impulstanz-Festival zu sehen sind, auseinandergesetzt.

Yasmin Vihaus

vihaus@thegap.at • @yasmin_vihaus

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Magazin 010

Der größte Feind ist der Zynismus Katharina Seidler im Porträt

018 Facebook(,) zerstört

034 Gegenseitige Wertschätzung

022 »Viele Lorbeerkränze behindern den Blick«

037 »All the world’s a play«

Wenn Daten zum wertvollsten Gut werden Veronica Kaup-Hasler im Interview

025 »›Muschi‹ und ›Arschficken‹ würde ich auf der Bühne nicht sagen!« Erika Ratcliffe im Interview

028 Auf der Suche nach der verlorenen Funkytime

Wenn MusikerInnen die Bühne wechseln Digitalität und Games im Theater

040 Es wird ein Welttheater gewesen sein

Thomas Köck erfindet zeitgenössisches Theater neu

046 Tanzen bis der Arzt kommt Choy Ka Fai im Interview

Dorian Concept über sein neues Album

028

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Web Facebook Twitter Instagram Issuu

www.thegap.at www.facebook.com / thegapmagazin @the_gap thegapmag the_gap

Herausgeber Manuel Fronhofer, Martin Mühl Chefredakteurin Yasmin Vihaus Gestaltung Michael Mickl, Angelina Pachzelt, Lisa Weishäupl

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Autoren dieser Ausgabe Barbara Fohringer, Manuel Fronhofer, Manfred Gram, Oliver Maus, Martin Mühl, Stefan Niederwieser, Dominik Oswald, Werner Schröttner, Victoria Szabó, Sarah Wetzlmayr, Yasmin Vihaus KolumnistInnen Therese Kaiser, Gabriel Roland, Martin Mühl, Illbilly FotografInnen dieser Ausgabe Michael Mickl (Cover), Fabian Gasperl, Jana Sabo Lektorat Adalbert Gratzer, Katja Schifferegger

Jakob Gsoellpointer, Georg Soulek / Burgtheater, Jana Sabo

Rubriken 003 Editorial 006 Leitartikel 008 Charts 048 Workstation: Kevin Reiterer Thomas Nussbaumer 052 Prosa: Raphaela Edelbauer 054 Gewinnen 055 Rezensionen 059 Termine

Anzeigenverkauf Herwig Bauer, Thomas Heher, Micky Klemsch, Martin Mühl, Clemens Reichholf, Thomas Weber (Leitung) Distribution Martin Mühl Druck Ferdinand Berger & Söhne GmbH Pulverturmgasse 3, 1090 Wien Geschäftsführung Martin Mühl Produktion & Medieninhaberin Monopol GmbH, Wohllebengasse 16 / 6, 1040 Wien Kontakt The Gap c/o Monopol GmbH Wohllebengasse 16 / 6, 1040 Wien office@thegap.at — www.thegap.at Bankverbindung Monopol GmbH, Bank Austria, IBAN AT 54 1200 0515 8200 1929, BIC BKAUATWW Abonnement 10 Ausgaben; Euro 19,— www.thegap.at/abo Heftpreis Euro 0,—

Kolumnen 007 Einteiler: Gabriel Roland 008 Lokaljournalismus: Martin Mühl 009 Gender Gap: Therese Kaiser 066 Know-Nothing-Gesellschaft: Illbilly

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Erscheinungsweise 6 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1040 Wien Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Für den Inhalt von Inseraten haftet ausschließlich der Inserent. Für unaufgefordert zugesandtes Bildund Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung.

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The Gap wurde 1997 von Thomas Heher und Manuel Fronhofer gegründet und 2001 erstmals als »Festivalarbeiterzeitung« in hoher Auflage gratis vertrieben. Das damalige Team u. a. mit Manuel Fronhofer, Thomas Weber und Niko Alm gründete auch 2004 Monopol als Verlag, in dem das Magazin bis heute erscheint. Kurz danach wurde Martin Mühl, der seit 1999 für The Gap schrieb, fixer Bestandteil des Kernteams. Im Herbst 2018 kehrt The Gap nun zu seinen Ursprüngen zurück: Comrades, das Unternehmen hinter Wiens Showcase-Festival Waves Vienna, und damit Thomas Heher, wird The Gap übernehmen und wieder etwas näher am Thema Musik positionieren. Manuel Fronhofer, aktuell einer der beiden Herausgeber, wird gemeinsam mit The Gap zu Comrades wechseln. Monopol und seine Tochter Biorama wollen sich auf die Entwicklung der Marke Biorama konzentrieren. Die erste Ausgabe von The Gap bei Comrades wird die September-Ausgabe zum heurigen Waves Vienna sein. »The Gap war und ist uns wichtig und ein großer Teil unserer Tätigkeit«, erklärt Martin Mühl, Co-Herausgeber von The Gap und Geschäftsführer von Monopol, »die Übergabe macht es möglich, dass wir uns künftig auf unsere zweite Marke Biorama fokussieren, und gleichzeitig stellt sie sicher, dass es The Gap weiterhin gibt. Und das im Umfeld der Personen, die das Magazin ursprünglich erfunden haben.« Thomas Heher, der die Marke übernimmt, blickt in die Zukunft: »Das kommende Heft wird wie geplant einen Fotoschwerpunkt haben und einen Sonderteil zum Waves Vienna – und in diesem Sinn unser bisheriges Waves Magazin ersetzen. The Gap soll seine alten Qualitäten behalten und in Zukunft noch mehr bieten – wir wollen den Titel sukzessiv weiterentwickeln und unsere Ideen nach und nach umsetzen.« Dass The Gap im 22. Jahr seines Bestehens in gewisser Weise zu seinen Anfängen zurückkehrt, komme nicht von ungefähr, so Manuel Fronhofer: »Thomas Heher stand dem Magazin und auch den Menschen, die es über all die Jahre geprägt und gestaltet haben, stets sehr nahe. Ich freue mich, gemeinsam mit ihm die nächsten Schritte für The Gap zu planen, und unter einem gemeinsamen Dach mit Waves Vienna Synergien und neue Perspektiven nützen zu können.«

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Ein halbes Leben Es hat The Gap vor mir gegeben, es wird The Gap nach mir geben. Dazwischen steckt mit 19 Jahren ziemlich genau die Hälfte meines Lebens. Ich habe in meinem Leben bisher nie den Job gewechselt. Zumindest nicht im klassischen Sinne: Seit 1999 für The Gap geschrieben, 2005 in den Verlag gewechselt, den CvD, Chefredakteur, Herausgeber und Geschäftsführer gemacht. Manches davon hätte ich gerne besser können, es war aber nie etwas dabei, das ich nicht auch machen wollte. Katharina Seidler beschreibt es in unserer Coverstory so richtig: Es ist ein Privileg, inhaltlich in einem Feld arbeiten zu können, das einen selbst so sehr interessiert, in dem man so sehr aufgeht. Auch wenn man deshalb dazu neigt, nicht immer klar zu sehen. Es ist in erster Linie ein Grund dankbar zu sein, für vieles, das in den letzten Jahren möglich war. Neben einer langen Reihe von inhaltlich schönen Beiträgen Aktionen mit wunderbaren Acts, Games und Projekten, stehen hier in erster Linie Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten konnte und zum Teil auch weiter werde. Dazu gehören in struktureller und noch viel mehr in alles erst ermöglichender Eigenschaft: Thomas Weber, Niko Alm und Bernhard Schmidt. Manuel Fronhofer, Christoph Hofer und

manch andere. Dieses Umfeld ist nichts weniger als großartig. Aber auch bewundernswerte KollegInnen im produzierenden Team: Stefan Niederwieser, später Amira Ben Saoud und nun zuletzt Yasmin Vihaus. Menschen, mit denen man lieber noch viel mehr gemeinsam umsetzen würde. Sig Ganhoer, Michael Mickl und Lisa Weishäupl, die das alles immer mit viel Leidenschaft gestaltet haben. Als Satelliten, der großartige Herwig Bauer. Viele SchreiberInnen, die die Begeisterung geteilt haben und da waren, weil es ihnen wichtig war, über die Band, das Spiel und den Film zu schreiben. Kultur und Pop haben immer die Welt bedeutet und tun dies noch immer. Schön, dass es in Zukunft für manche von uns bei Biorama auch irgendwie um die Welt geht. Durchaus traurig und doch voller Motivation für die Zukunft, Martin

Martin Mühl

Co-Herausgeber The Gap

Andreas Jakwerth

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In eigener Sache

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Gabriel Roland

betrachtet die hiesige Modeszene Stück für Stück

Einteiler Zwischenschuh heer kommen: ein Leisten jenseits aller Vorwürfe der modischen Kapriziosität, aber auch der rustikalen Grobschlächtigkeit – schwarzes Glattleder, eine unkomplizierte Kreppsohle. In der Tat wird man manchmal schwach und wünscht sich eine Welt, die so einfach ist, dass jemand, der einfach nur einen Schuh kaufen möchte, mit diesem hier sein Auslangen findet. roland@thegap.at • @wasichgsehnhab Im Glein-Schauraum in der Neustiftgasse 33 und auf glein.wien findet man neben Schuhen (auch in Damengrößen) noch andere Lederprodukte, Kleidung und Möbel, die nach denselben Prinzipien gestaltet sind.

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willig wir sind, dieses Leid für den richtigen Schuh auf uns zu nehmen. Der Schuh ist also ein Paradox, bei dem sowohl Konformität als auch Individualisierung zu gleichen Teilen hochgradig emotional und aus kühler Distanz passieren. Bei Schuhen sind wir genauso für das gewagteste Experiment wie die sicherste Tradition zu haben. Und an ihnen zeigt sich auch, dass das, was man für vollständig durchschnittlich und normal hält, oft gar nicht so leicht zu bekommen ist. Von einer Urform des Schuhs zu fantasieren ist natürlich idealistisches Gefasel, das kulturelle Prägung und die tatsächliche Entwicklung von Gegenständen außer Acht lässt. Ebenso irrwitzig wäre es darüber zu mutmaßen, ob sich denn besagte Urform den wackeren Betreibern von Glein nicht etwa in irgendeiner Höhle offenbart haben könnte. Fest steht lediglich, dass der schwarze Derby von Glein dieser Urform, wäre sie doch existent, sehr nahekommen muss. Es ist ein grundehrlicher Schuh, den Glein nach eigenen Vorstellungen in einer Fabrik fertigen lässt, aus der auch Stiefel für das Bundes-

Fabian Gasperl

Es ist grundsätzlich nicht schwierig, Leute dazu zu bringen sich aufzuregen. Dieses ohnehin schon einfache Unterfangen wird noch um einiges leichter, wenn es um Schuhe geht. Viel mehr noch als bei anderen Kleidungstücken neigen wir bei Schuhen zu orthodoxen Meinungsexzessen. Dem Vorschub zu leisten will sich diese Kolumne natürlich nicht vorenthalten. Während wir Fragen der Oberbekleidung gern als rein ästhetisch abtun, sind wir uns viel eher einig, dass Schuhen echte Funktionalität innewohnt. Allenthalben erscheinen sie uns überhaupt mehr als Teil der Sphäre der Gegenstände und nicht jener des Gewands – was einen überraschend großen Unterschied in unserem Bild von ihnen ausmacht. Dabei können wir einem Schuh keineswegs so distanziert wie etwa einer Tasche begegnen. Er ist alles andere als ein Accessoire und interagiert auf unmittelbare Weise mit unserem Körper. Das merkt man klar am Leid, das ein unpassender Schuh verursacht. Der Zwiespalt, in dem Kleidung – Schuhe im Besonderen – sich befindet, wird wiederum daran augenfällig, wie

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Martin Mühl isst sich durch Wien

Charts Victoria Szabó TOP 10

Spotify Playlistnamen 01 Life Sucks 02 Spooning 03 Die PMS Playlist 04 Alone Again 05 Bedroom Jams 06 Boozy Brunch 07 In the Arms of a Woman 08 Kitchen Swagger 09 Malle für alle 10 Meditate to the Sound of Nature

Lokaljournalismus Duzi’s Kitchen: Libanesisches Streetfood

TOP 03

Tinder Openings 01 Hey Victoria, what’s your secret? 02 GIF 03 Ich will direkt ganz ehrlich sein. Auch nicht schlecht: Erdmännchen

Charts Manuel Fronhofer TOP 10

Lässige Eigenschaftswörter (bislang nicht verwendet) 01 frustran 02 humos 03 kregel 04 obstinat 05 dolos 06 strack 07 frugal 08 sukzedan 09 basilar 10 spinös

TOP 03

Lieblingsbands und -musikerInnen aus den 2010er-Jahren 01 Parquet Courts 02 Courtney Barnett 03 Die Heiterkeit Auch nicht schlecht: Monopol Medien – Arbeitsplatz, Zweitwohnsitz, Herzensangelegenheit Manuel Fronhofer ist einer der beiden Gründer und aktuell Co-Herausgeber von The Gap. Er wechselt in den nächsten Wochen – gemeinsam mit The Gap – zur Comrades GmbH.

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Orientalisch-mediterrane Küche ist auch in Wien immer öfter anzutreffen, aktuell oft als Streetfood, und bei Miznon oder auch Mashu Mashu mit hebräischen Wurzeln. Duzi’s Kitchen in der Walfischgasse hat heuer das Tanoura am selben Platz ersetzt und präsentiert eine libanesische Variante – mit prominent platziertem Halal-Hinweis. Die Fliesen in der Einrichtung wirken angenehm kühl, das Türkis weckt nur anfangs Assoziationen zur nach der Farbe bekannten Kebabkette. Die Karte ist überschaubar und doch vielfältig. Klassischerweise gibt es eine große Auswahl an kalten und warmen Startern: Klassiker wie diverse Hummusgerichte, gegrillte Melanzani oder auch Paprika, und auf der warmen Seite Falafel, Kubbeh (Bulgurbällchen mit Hackfleisch), Sambousek oder auch Halloumi. Auch in Kombination mit den anderen Speisen bleibt Batata Harra eine intensive Angelegenheit: Kartoffelstücke, gebraten in ordentlich Öl, Chili, Knoblauch, Zitronensaft und Koriander. Bei den Speisen gibt es Salat-, Pita- und Wrapvarianten, Spieße und Shawarma. Verlockend sind die Menüboxen, die in unterschiedlichen Varianten rund fünf kleine Gerichte vereinen und mit warmem Brot serviert werden. Bei den Getränken ist man konsequent und so gibt es keinen Alkohol auf der Karte. Die hausgemachten Limonaden und der Hibiskus-Eistee geraten etwas süß, ansonsten setzt man auf die Klassiker aus dem Hause Coca Cola sowie Kaffee und Tee in Kannen. Das mit Hoffnung auf willkommene Erfrischung bestellte Joghurt-Kaltgetränk ist in der Konsistenz dann doch nahe am klassischen Joghurt. In Unkenntnis libanesischer Trinkgewohnheiten wünscht man sich hier noch etwas Variation und saisonale Schwerpunkte, aber die Vorspeisen und Spieße laden ein, sich immer wieder durchzukosten. muehl@thegap.at • @muehlmartin Duzi’s Kitchen, Walfischgasse 4, 1010 Wien kitchen.duzis.at

Preise: 4,9 bis 25,9 Euro (für die gemischte Grillplatte für zwei)

Michael Mickl, Andreas Jakwerth, Martin Mühl

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Victoria Szabó ist Praktikantin bei The Gap und studiert Publizistik. Aktuell plant sie lieber ihre Portugalrundreise als das nächste Semester.

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Therese Kaiser

beschäftigt sich hier mit den großen und kleinen Fragen zu Feminismus.

Pamela Rußmann

Die Diskussion um Quoten für Musikfestivals bleibt an der Oberfläche hängen: ein Plädoyer für eine Auseinandersetzung abseits des Bullshit-Bingos ———— Mittlerweile ein Klassiker der Festivalsaison: Streicht man die Namen aller männlichen Künstler von den Plakaten der großen Festivals, so wird deutlich, dass nur ein geringer Prozentsatz der gebuchten Acts weiblich ist. Soweit nichts Neues, und auch die leeren Line-Ups schockieren nach der 5. Variante der Gender-Gap-Visualisierung niemanden mehr. Trotzdem ein Meilenstein, wenn es darum geht, im Diskurs rund um Sichtbarkeit von Frauen* in der Musikbranche zumindest einen statistischen Konsens darüber zu etablieren, dass die Abwesenheit von Frauen auf Festivalbühnen keine paranoid-feministische Einbildung ist. Wesentlich dazu beigetragen haben nicht nur die Visualisierung von Festivalplakaten nach Geschlecht (c, sondern auch das FACTS Survey, das von female:pressure in der Letztversion 2017 veröffentlicht wurde (femalepressure.wordpress.com). Nun haben wir also endlich Zahlen zum Bauchgefühl, und man möchte meinen, dass das Grund genug wäre, hier gegenzusteuern. Denn es ist uns ja allen ein Anliegen, für Geschlechtergerechtigkeit einzutreten, oder nicht? Im Standard betonte der Veranstalter des Nova Rock erst kürzlich, dass es starke Headliner brauche, um genug Tickets zu verkaufen. Man könne auch keine weiblichen Stars erfinden, es gäbe einfach nicht so viele, aber generell wäre das natürlich ein wichtiges Thema. derstandard.at/2000081517127/ rock-around-the-cock-warum-auffestivalbuehnen-die-frauen-fehlen Es ist fast schon etwas gemein, jemanden aus zweiter Quelle zu zitieren, der sich zumindest getraut hat öffentlich Stellung zu beziehen. Um das nicht abzustrafen, sei dieses Zitat viel mehr als Beispiel für den üblichen Sprech männlicher Veranstalter herangezogen, die vielleicht tatsächlich der Meinung sind, es gäbe keine Frauen, oder mit Frauen ließe sich kein Festival ausverkaufen, oder es würde sich hierbei nicht um eine riesige Industrie handeln, die natürlich ihre Stars selbst erfindet. Und dabei sind Veranstalter ja nur ein Teil dieser Industrie, und oftmals der Spiegel dessen, was auf Labelseite passiert. Es ist eigentlich auch

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vollkommen egal, was man von sehr kommerziell angelegten Musikveranstaltungen hält, wie sehr man sowieso eher auf nicht-kommerzielle Festivals setzt (wo sich übrigens sowieso meist dasselbe Bild zeichnet wie bei den gewinnorientierten): Diese Festivals werden von tausenden jungen Menschen besucht, die oftmals ohne viel reflektierter Auseinandersetzung einer heteronormativen Würschtelparty ausgeliefert sind, die festgefahrene, schädliche Geschlechterrollen weiter zementieren. Grund genug, sich vielleicht intensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ob Absicht oder nicht, gerade das Betonen der wirtschaftlichen Notwendigkeit männlicher Acts ist paternalistische Argumentationstaktik par excellence: Wer solche Line-Ups kritisiert, würde eben nicht verstehen, wie kommerziell orientierte Veranstaltungen funktionieren. Dabei ist die Sache mit der Einnahmen-AusgabenRechnung eigentlich nicht sonderlich komplex, zumindest in der Theorie nicht, und wer auch in der Praxis darauf angewiesen ist, der sollte sich durchaus auch mal die Frage stellen, wie sich Festivals finanzieren, die sich trauen, abseits des Malestreams zu buchen. Nämlich nicht durch Luft und Liebe, sondern vielleicht könnte es wirklich möglich sein, dass es Leute gibt, die für weibliche Acts ebenfalls gerne Geld ausgeben. Oder das zum Ticketverkauf weit mehr dazugehört als die Headliner: Das Ganze nennt sich unter anderem gutes Marketing. Und dass Festivals mehr sein können als die Summe der Bands, die spielen, wäre ebenfalls ein extrem progressives Gedankenexperiment. Ist man Teil der Industrie, dann kann man sie durchaus mitprägen – wenn man die Eier dazu hat. Es mag schon sein, dass Bands, die seit 20 Jahren Stadien füllen, eine Safe Bet sind, um genug Tickets zu verkaufen. Dass es sich bei diesen Bands fast ausschließlich um Männer handelt, ist aber kein Zufall, sondern unter anderem auch das Ergebnis der Festivalprogrammierung der letzten 20 Jahre. Es ist immer besser, geduldig und diplomatisch zu agieren, wenn es darum geht, Allianzen in Sachen Geschlechtergerechtigkeit zu schmieden. Aber für dumm verkaufen muss sich frau nicht lassen. 90% Männer spielen zu lassen, ist keine wirtschaftliche Notwendigkeit, sondern eine aktive Entscheidung, der genauso aktiv

entgegengewirkt werden kann. Dass es auch anders geht, das zeigen Festivals wie die CTM, die den Anteil weiblicher Künstlerinnen von 10% (2013) auf 43% (2017) erhöhten, und immer noch Tickets verkaufen. Auch das Sónar verzeichnete 2013 noch 3,1% female artists und bewegt sich vor allem in den letzten drei Jahren mit Riesenschritten in Richtung Geschlechterparität – und konnte trotz der ganzen female acts 2018 mit 126.000 BesucherInnen neue Rekorde verzeichnen. Festivals können selbst ihren Teil dazu beitragen, das Geschlechterverhältnis auf Line-Ups zu verändern – und das zwar nicht von heute auf morgen –, aber mit kritischem Blick auf die Funktionsmechanismen der eigenen Industrie und ehrlicher Bereitschaft würden uns wohl auch hierzulande nur wenige Jahre von 50-50 trennen. *Disclaimer: Der Titel dieser Kolumne entstammt dem genialen Hirn des Bürgerkurators.

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Gender Gap Tote Hosen

kaiser@thegap.at @thereseterror Therese Kaiser ist Co-Geschäftsführerin des feministischen Business Riot Festivals und ist vor allem auf Instagram anzutreffen. facebook.com / businessriot instagram.com / thereseterror

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Katharina Seidler im Porträt

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Der größte Feind ist der Zynismus

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Katharina Seidler mag Tiere, nicht nur auf dieser von Pamela Russman fotografierten B-Roll eines Shootings. ausbildung und begann zu arbeiten: »Da habe ich dann drei Jahre das Studium auf Eis gelegt und meine Diplomarbeit warten lassen, die ich dann drei Wochen vor der Änderung des Diplomstudienplans noch schnell abgegeben habe. Im Nachhinein hätte ich vielleicht lieber Musikwissenschaft weitergemacht, aber in Germanistik war ich schon weiter.« Heute ist Katharina Seidler Musikjournalistin bei FM4, schreibt für den Falter und andere Publikationen. In der FM4-Sendung »Im Sumpf« widmet sie sich unter dem Titel »Die Unordnung der Dinge« elektronischer Musik und auch sonst arbeitet sie in verschiedenen Bereichen für den Sender und ist als Station Voice seine wiedererkennbare Stimme. Seit vielen Jahren schreibt sie außerdem die Party-Kolumne im Falter und hat ihren Überblick und Geschmack auch als Kuratorin des Electric Spring im Museumsquartier bereits bewiesen. Heuer kuratiert sie gemeinsam mit dem Nino aus Wien das Popfest am Wiener

»Noch heute kann ich Lieder zig mal hören und muss manchmal aus Begeisterung schon in der Mitte an den Anfang zurückspringen.« — Katharina Seidler

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Das DJ-Trio Pausch, Seidler und L’Heritier im Rahmen einer kurzen Residency beim London Calling im Flex 2014. Karlsplatz. Mit ihrem Engagement und ihrer Erfahrung dürfte sie auch in den kommenden Jahren eine prägende Figur in Wiens und Österreichs Musikleben bleiben. Sie ist sich der Verantwortung, die sie mit solchen Funktionen übernimmt, zwar bewusst, bleibt aber immer auf die Musik und die Inhalte fokussiert und lässt sich nicht von Politik oder wirtschaftlichen Belangen ablenken. Diese lässt sie auch deswegen weitgehend unkommentiert, weil ein Kommentar zu einem Wahlausgang auf Sendung, kurz nach Jobbeginn, intern hohe Wellen schlug und manche ORF-Regeln nicht neu sind. Ihr gelingt das seltene Kunststück, offen zu bleiben, sich

Pamela Russmann, Privat

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Katharina Seidler ist eine von Österreichs interessantesten MusikjournalistInnen. Gut möglich, dass sie in den kommenden Jahren ihre zentrale Rolle im Wiener Musikgeschehen weiter ausbaut – und es sich nie nehmen lässt, sich von guten Liedern rühren zu lassen. ———— Eigentlich wollte Katharina Seidler Flötistin werden. Nach dem Querflöten-Unterricht an der Schule verlor sie als außerordentliche Studentin an der Uni dann aber das Interesse: »Es ging nicht darum, dass ich nicht viel üben oder nicht im Orchester spielen wollte. Ich glaube heute, ich wollte einfach wissen, dass ich es könnte.« Zwischen der Matura 2003 und dem Studium nutzte sie ein Jahr Pause, um je ein halbes Jahr nach Frankreich und nach London zu gehen. Dort hat sie auch den Club für sich entdeckt: »In Wien war ich manchmal im Flex, aber in London hab ich mich dann richtig in die Partywelt gestürzt.« Zu dieser Zeit wurde auch klar, dass sie aus dem Lesen von Magazinen, wie etwa dem Spex, gerne mehr machen würde, gerne selbst schreiben würde. Zurück in Wien hat sie begonnen, Musik und Germanistik zu studieren – Letzteres fertig –, und beim Kellnern die Macher vom Skug kennengelernt. Dort hat sie nach einem Treffen mit Alfred Pranzl quasi von heute auf morgen mit dem Schreiben begonnen: »Das Heft war zwei Tage vor Abgabe und sie haben noch schnell Texte gebraucht – und dann waren meine Rezensionen auch schon in Druck.« Rund sechs Jahre hat sie für das Wiener Musikmagazin geschrieben, unter anderem in der Kolumne Elektronähkästchen, für deren Umbenennung sie sich retrospektiv einsetzen würde: »Das war eine Sammelrezension für eher experimentellere Elektronik – viele viele Raster-Noton- und Shitkatapult-Releases, bis zu 15 Alben pro Ausgabe, viermal im Jahr. Man musste damals selbst viel feilen, lesen und sich verbessern«, erinnert sie sich. Über den in der Wiener Musikszene ebenfalls gut verankerten Max Zeller, der damals bei Monopol und The Gap gearbeitet hat, begann sie dann auch für The Gap zu schreiben, inhaltlich mehr in Richtung Pop. Ungefähr zu dieser Zeit gründete sie auch mit Max Zeller, Stefan Niederwieser und Johannes »Laminat« Piller den Musikblog »Electronic Task Force«. Nur wenig später, 2010, hat sie sich bei FM4 beworben, bekam dort eine dreimonatige Grund-

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In guten Liedern viel entdecken

Popfest

Wichtig war für Katharina Seidler immer die Beschäftigung mit Klassik. »Vielleicht habe ich da das Zuhören gelernt«, meint sie rückblickend. »Sowohl beim Erlernen der Querflöte als auch im Musikstudium hat man Hörkurse. Und noch heute kann ich Lieder zig mal hören und muss manchmal aus Begeisterung schon in der Mitte an den Anfang zurückspringen. Ich habe das Gefühl, dass das vielleicht von der Klassik kommt, das Wissen, dass man – zumindest in guten Liedern – unglaublich viel entdecken kann.« 2010 und damit etwa zur Zeit, als sie bei FM4 begann, übernahm sie die Party-Kolumne im Falter von Florian Obkircher, die sie bis heute betreut. Sehr schnell hat sie ihre eigene Rubrik bei »Im Sumpf«, der ausgezeichneten FM4Sonntagsabendsendung von Fritz Ostermayer und Thomas Edliger, bekommen. Ersterer wollte Clubkultur in der intellektuell anregenden Sendung verankern und kannte Katharina Seidler schon vom Skug: »Die Rubrik hat sich von Techno dann in Richtung experimentellere Musik gewandelt, weil sich meiner Meinung nach auch die Clubkultur in diese Richtung verändert hat.« Trotz mittlerweile vielen Jahren Erfahrung spricht sie offen darüber, dass bis heute nicht alle Texte leicht von der Hand gehen. Auch hier verweigert sie sich steriler, vielleicht auch kalter Professionalität: »Ich habe, glaube ich, einen sehr konservativen Zugang zum Musikjournalismus. Ich lese auch immer

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»Das gilt auch für das eigene Schreiben: Ich hasse Schlampigkeit!« — Katharina Seidler noch gerne klassische große Rezensionen und Porträts und will diese auch ernst nehmen. Das gilt auch für das eigene Schreiben: Ich hasse Schlampigkeit!« Mittlerweile ist sie seit drei Jahren bei FM4 angestellt. Im Gegensatz zu vielen anderen hat sie sich in all der Zeit – mit Ausnahme von ein wenig Literatur – immer auf Musik fokussiert, auf diese aber in ihrer ganzen Bandbreite: Elektronik, Techno, aber auch Pop, deutschsprachige Bands, und auf den vielen Festivals, auf denen sie ist, gerne auch immer wieder Black Metal. »Ich genieße wirklich jede Form von Konzert – und heute gehe ich auch noch in die Oper. Auch in einer Woche mit vier Konzerten werden mich das Ausgehen und die Musik nie langweilen.«

Die Bereitschaft zur Rührung Nicht zuletzt in ihrer Arbeit als Kuratorin des heurigen Popfests Ende Juli am Wiener Karlsplatz hat sie sich gemeinsam mit Nino aus Wien auch damit beschäftigt, was Musik haben muss, um sie zu begeistern. Ihre Antwort: »Das ist ein Gefühl und schon nach drei Sekunden weiß man, ob einem das Herz aufgeht oder nicht. Das mag kitschig sein und naiv klingen, aber genau das war unser Konzept: Es geht um ein Gefühl!« Ein bewusst subjektiver Zugang, der auch immer damit zu

tun hat, wie es einem selbst gerade geht: »Es gibt da den auch von Fritz [Ostermayer] hochgehaltenen Begriff der Rührung – und das ist etwas, das auch ich mir immer bewahren will. Das kann ein schöner gemeinsamer Moment bei einem Konzert oder auf einem Dancefloor sein – ich glaube an diese transformative Kraft von Popmusik und an die spirituelle Kompo-

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Zynismus zu verweigern und sich auch nach vielen Jahren von Musik bewegen zu lassen. Eine Qualität, die sie auch im Umgang mit anderen ausmacht.

Die frühe Entscheidung, jede Wahl im Line-Up gemeinsam zu treffen, haben Katharina Seidler und Nino aus Wien bis zum Ende durchgehalten.

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nente von Clubmusik.« Soundqualität und andere Nebenerscheinungen rücken hier in den Hintergrund und oft spielt das gemeinsame Erleben eine Rolle: »Mein größter Feind ist der Zynismus und ich hoffe, dass ich mir das immer erhalten kann, die eigene Offenheit. Ein gutes Lied ist das Beste, was es gibt – und man weiß, dass man dieses Lied für immer haben wird. Das ist unkaputtbar. Etwas, das man sich auch nicht von anderen nehmen lassen muss.« Angesprochen auf außermusikalische Einflüsse und Dinge, die sie im Zusammenhang mit Musik nicht mag, kommt sie nur auf allzu durchschaubare Inszenierungen zu sprechen: »Es gibt so große Gefühle, die mit drei Akkorden evoziert werden können, auf einer großen Bühne oder im Café Carina – und man merkt, ob die Musiker das selbst spüren. Es geht dabei nicht um Authentizität, also darum, ob jemand sein Herz auf der Bühne ausschüttet und real ist. Im Gegenteil, ich liebe die Pose und die Characters des Pop sehr. Ich finde es nur ärgerlich, wenn die ›Absicht‹ hinter der Musik zu stark hervorkommt – man soll sich nicht manipuliert fühlen. Das große Gefühl kommt woanders her und nicht vom Wollen.«

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Zwangsweise Absagen Auf der Suche nach diesem Gefühl hat sie immer mehr Tätigkeiten angenommen und sucht sich jetzt wieder Freiräume, wie sie erzählt: »Es wurde mir in den letzten zwei Jahren etwas viel, weswegen ich etwa das Auflegen fast sein lassen habe. Bei FM4 muss ich andere Tätigkeiten zwar genehmigen lassen, das ist aber sehr offen und meistens kein Problem. Ich habe aber das Schreiben für andere Medien und Programme oder auch Workshops für junge Journalisten reduziert.« Um das Auflegen habe es ihr etwas leid getan, aber wenn man so viel aus ist, müsse man dort nicht auch noch arbeiten, meint sie humorvoll. Seit der Anstellung fallen bei FM4 auch klassische Dienste, wie etwa das WebseitenLektorat, an. Die Tätigkeit als Station Voice bereitet ihr in der Zusammenarbeit mit dem Producer Rudi Ortner große Freude. Auch wenn sie deswegen, um die Stimme zu schonen, quasi aufgehört hat zu rauchen. FM4 ist hier ganz das große Klischee: die NichtTrennbarkeit von Privatleben und Beruf, wie so oft, wenn man das Privileg hat, aus eigenen Interessen einen Job zu machen. »Idealisiert ausgedrückt ist FM4 natürlich mehr als ein Job und ein Lebensgefühl, man ist mit den Kollegen tatsächlich befreundet, verbringt die Freizeit gemeinsam auf Konzerten und ist sich auch in sozialen Medien nahe.« Es ist ein Luxus, sich beruflich mit Dingen zu beschäftigen, die man mag und ein Fakt, dass es so unmöglich wird, abzuschalten. Nicht nur positiv findet sie als jemand, der auf Menschen

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Seit 2010 arbeitet Katharina Seidler bei FM4, als Station Voice leiht sie dem Sender wiedererkennbar ihre Stimme. genauso offen wie auf Musik zugeht, dass jedes Gespräch beim Ausgehen zu einem Jobgespräch wird. Das gilt auch für Situationen, in denen auch – gerade während des Kuratierens des Popfests – nicht alle Bands und Promotoren professionellen Abstand wahren und berufliche Interessen und Forderungen verfolgen. Selbst hier bleibt Katharina verständnisvoll. »Es kommt schon vor, dass mich Leute in Interviews und anderen Situationen unterschätzen. Man muss halt freundlich und cool bleiben – und bei Aufgaben wie dem Popfest muss man zwangsweise auch Leuten absagen und gerät aneinander. Das muss ich auch erst lernen und ich merke, dass die Leute mitunter überrascht sind. Genauso, wie ich beim Weggehen manchmal jemandem sagen muss, dass ich nun nicht auf Anfragen antworten kann.« Wer lange in Organisationen arbeitet, beginnt sich mit den Strukturen zu beschäftigen und über die inhaltliche Arbeit hinaus Verantwortung zu übernehmen. Katharina hat etwa die Teamleitung bei Festivaleinsätzen inne und ist Teil der internen Festivalkoordination, hat sich aber auch darüberhinaus mit den Strukturen bei FM4 und deren Erneuerung beschäftigt. Sie deutet an, dass sie durchaus

lustvoll dafür sorgt, dass ihre Projekte inhaltlich und on air die Aufmerksamkeit bekommen, die sie ihrer Meinung nach bekommen sollen. Im Zusammenspiel all dieser Tätigkeiten und mit der ihr eigenen Art sich ihnen zu nähern, ist gut vorstellbar, dass Katharina Seidler in den nächsten Jahren weiter zu einer noch zentraleren und einflussreicheren Figur in der Wiener Musikszene wird. »Das Popfest hat dem nochmal einen großen Schubs gegeben und im Zuge dessen ist mir schon aufgefallen, wie viel Verantwortung hier zusammenkommt.« Verantwortung, die für sie auch bedeuten kann, sich zurückzunehmen. »In erster Linie muss man das als riesiges Privileg und Chance sehen. Es geht hier auch gar nie um einen selbst, sondern um Projekte und Acts, die man ein wenig pushen kann. Diese Rolle und Verantwortung muss man halt mal bissl durchschauen. Es ist aber das Beste, was passieren kann.«

Unterstützung ist selbstverständlich Ihre wachsende Bekanntheit führt zu mehr Anfragen, wie jener eines Linzer Veranstalters, der für eine neue Eventreihe weibliche DJs

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»Das ist ein Gefühl und schon nach drei Sekunden weiß man, ob einem das Herz aufgeht oder nicht.« — Katharina Seidler

5 aktuelle Songs Lucrecia Dalt – »Tar« Eine kolumbianische Geotechnikerin experimentiert feinsinnig mit Technik und Texturen: minimalistischer Ambient, nie gehörte Kunstmusik aus kosmischem Staub. International Music – »Mont St. Michel« Immer on top: das Label Staatsakt. Das Debütalbum von International Music hat alles: Coolness, Humor, Abgeklärtheit, Post-Punk, Pop, Shoegaze, gute Slogans und Poesiealbumzeilen.

Michael Mickl

aus der experimentelleren Richtung suchte. Ein Anliegen, das sie nur zu gerne unterstützt. Weder bei ihrer Berichterstattung noch bei den Bookings arbeitet sie nach Quoten – diese ergeben sich von selbst, in ihrer Radiokolumne sind es sogar weit über zwei Drittel. Die Unterstützung von Künstlerinnen spielt eine große Rolle: »Gerade die Nische, in der ich mich bewege, beweist, dass Aussagen wie jene, dass es zu wenig Frauen gibt, einfach nicht stimmen. Es ist mir wichtig, als Journalistin und Kuratorin, auch als Frau, ernst genommen zu werden, ich muss das aber nicht in den Vordergrund rücken.« Die Arbeit von Marlene Engel (Hyperreality, Bliss, …) oder Therese Kaiser (Business Riot) findet sie inspirierend: „Feminismus ist in meiner Arbeit immanent. Ich wünschte, es wäre nicht noch so viel zu tun.“ Sich mit gesellschaftspolitischen Fragen auseinanderzusetzen ist für sie aber dennoch in jeder Entscheidung und all ihrem Tun selbstverständlich. Politische Fragen zu FM4 oder dem ORF oder auch einem geförderten Event wie dem Popfest kommentiert sie dementsprechend eher zurückhaltend und wenig plakativ: »Natürlich konzentriert man sich auf die inhaltliche Arbeit«, meint sie und ergänzt dann:

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»Man ist sich aber seiner Rolle schon sehr bewusst und handelt auch im Sinne des Projekts. Beim Popfest haben wir totale Freiheit, aber ebenso wie in der Arbeit im Radio nützt man diese nicht aus, um eigene Vorlieben rücksichtslos auszuleben. Das wäre auch egoistisch. Und so bucht man ein Popfest natürlich nicht als Katharina-Seidler-Personale, auch wenn ich beim ›Sumpf‹ die Freiheit habe, Leute nach eigenem Ermessen vor den Vorhang zu holen. Ich interviewe aber fast genauso gerne Bands am Frequency. FM4 würde ich prinzipiell schon ein paar mehr Ecken und Kanten wünschen, ich würde daraus aber keinen ›Sumpf‹-Sender machen wollen.« Auf die Frage nach Zielen und Möglichkeiten, die sich ergeben – nennen wir es eventuell sogar Karriere – antwortet sie vorsichtig und doch mit klaren Ansagen: So lange es einen inhaltlichen Aspekt gibt, wie beim Kuratieren, kann sie sich viel vorstellen und freut sich auch mit jedem Auftrag – wie beim Popfest etwa über das Booking-Business – mehr zu lernen: »Auch wenn ich in administrativen Dingen wohl eigentlich recht gut bin, darf der Inhalt für mich nicht zu kurz kommen. Dann würde ich den Auftrag oder den Job nicht annehmen.« Ohne Bezug zu Musik, die ihr Herz aufgehen lässt, wäre jede Aufgabe die falsche Martin Mühl für Katharina Seidler.

Farce – »I Hate Berlin 2« Nach dem schmerzensreichen Post-Shoegaze-Pop ihrer umwerfenden Debüt-EP hat Farce für ihr kommendes Debütalbum die Schwermut gedeichselt und die Beats angezogen.

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Lolina – »The River« Ein tonnenschwerer Bass, komplexe BeatSamples, windschiefe Bläser, disharmonische Streicher und dazu Lolinas Stimme wie ein poppiger Leitfaden durch all das gute Chaos.

Dives – »Shrimp« Manche Bands schreiben in ihrer ganzen Karriere kein solches Lied, Dives gelingt alles gleich mit ihrer Debütsingle.

5 Lebensalben The Velvet Underground & Nico Das perfekte Album. Moloko – »Do You Like My Tight Sweater« Praktisch die gesamte Jugend lang davon träumen, so cool wie Roisin Murphy in Moloko zu sein. PJ Harvey – »Stories From The City, Stories From The Sea« Das restliche Leben davon träumen, so cool wie PJ Harvey zu sein. DJ Koze – »Amygdala« Kozi und seine ewige, duftende Popmusik der Liebe. Life Without Buildings – »Any Other City« Einziges Album dieser vergessenen schottischen Art-Rock-/Post-Punk-Band, seitdem Sehnen nach dem einzigartigen Sprechgesang von Sue Tompkins.

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Didier Fiúza Faustino »New Wave«, 2017

Otto Saxinger The Gap 170 010-053 Story.indd 17

Der portugiesische Künstler und Architekt möchte sich Sperren und Regulativen nicht beugen, sondern verbiegt diese, bis sie eine wellenförmige Gestalt annehmen. Beim diesjährigen Höhenrausch kann man sich seine verbogenen Metallzäune ansehen. ———— Absperrungen und Begrenzungen haben meist einen statischen Charakter. Lassen sie sich doch verschieben, dann meist nur von dazu befugten Autoritäten. Der portugiesische, in Paris lebende Künstler Didier Fiúza Faustino dreht mit seiner Installation »New Wave« diese Definition nicht nur um, sondern dreht und wendet sie so lange, bis sie für ihn passt. Das lässt sich auch sofort an seinem Werk, einer Auftragsarbeit für den Linzer Höhenrausch 2018, erkennen. Dafür verarbeitete Faustino herkömmliche Metallzäune, wie sie als Sperren häufig im öffentlichen Raum eingesetzt werden, verbiegt und verformt diese aber so, dass sie ihre vormals statische Erscheinung verlieren und eine wellenförmige Gestalt annehmen. Faustino möchte es jedoch nicht einfach bei dieser neuen Form belassen, sondern befestigt diese auch noch an der Decke, um sie so über den Köpfen der BesucherInnen schweben zu lassen. Damit löst er die Zäune nicht nur vom Boden, sondern auch vollkommen aus ihrem ursprünglichen Kontext. Was ursprünglich also dafür da war, ganze Wellen von Menschen zu kontrollieren, nimmt bei Faustino nun selbst die Form einer Welle an. Aufgrund ihrer ungewöhnlichen Positionierung scheinen die neun, miteinander verbundenen Metallzäune auch eher Wege zu eröffnen, anstatt diese zu verschließen – schließlich lässt es sich ja ganz einfach darunter durch spazieren. Da sich der diesjährige Höhenrausch vor allem dem Thema Wasser widmen möchte, fügt sich die Installation des Künstlers und Architekten sowohl thematisch als auch optisch sehr gut ins Themenspektrum ein. Nicht nur wegen der wellenförmigen Gestalt der Installation, sondern auch weil Wasser im Rahmen der Ausstellung nicht nur als verbindendes Element, sondern auch als natürliche Grenze verstanden werden soll. Trotz ihrer neuen Formgebung verschwindet der ursprüngliche Verwendungszweck jedoch nicht ganz aus Faustinos Metallzäunen. So bleiben sie, auch in ihrem neuen, verfremdeten Kontext, immer noch ein Zeichen für Ausgrenzung und damit auch für aktuelle Tendenzen in der Flüchtlingspolitik. Das widerspricht dem Grundgedanken des Künstlers jedoch nicht im Geringsten, denn die wellenförmige Installation soll auch darauf aufmerksam machen, dass täglich immer noch Ströme von Menschen versuchen Grenzen zu überwinden. Wie das Wasser als Grundthema des gesamten Ausstellungsformats steht Faustinos »New Wave« also für das Streben nach Freiheit in einer Welt, die Grenzen obsolet werden lässt, macht jedoch gleichzeitig auf aktuelle Probleme aufmerksam. Sarah Wetzlmayr

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Didier Fiúza Faustino Gar nicht sperrig

Der Höhenrausch ist ein innovatives Ausstellungsformat, das zeitgenössische Kunst an ungewöhnlichen Orten, nämlich über den Dächern von Linz, auf sinnliche und spielerische Weise zu vermitteln versucht. Unter dem Thema »Das andere Ufer« steht 2018 Wasser im Mittelpunkt des Höhenrausch. Wie viele unterschiedliche künstlerische Zugänge dieses Thema erlaubt, zeigen rund 40 internationale Beiträge. Der Höhenrausch kann noch bis 14. Oktober besucht werden.

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Facebook(,) zerstört Im März diesen Jahres ging die Nachricht um den Cambridge-Analytica-Skandal rund um die Welt. Kürzlich kündigte die britische Datenschutzbehörde die Höchststrafe von 500.000 Pfund an, die dennoch verschwindend gering wirkt, wenn man sich genauer mit den Dimensionen beschäftigt. ———— »Wir sind so daran gewöhnt, dass wir nicht merken, wie bizarr und krank das ist«, erklärte US-Informatiker und Netz-Pionier Jaron Lanier kürzlich auf der Cebit und thematisierte damit nicht etwa die Todesstrafe, den Umgang mit Flüchtlingen an der Grenze oder die Genforschung, sondern schlichtweg die Nutzung von sozialen Netzwerken wie Facebook. Er spricht damit ein im Vergleich scheinbar banales Thema an, das allerdings fast ein Viertel der Weltbevölkerung betrifft, ein Thema, das man vielleicht im Hinterkopf hatte, das sich aber erst durch Datenskandale, wie jenen rund um die Firma Cambridge Analytica, und Regulierungsversuche, etwa aktuell durch die Datenschutzgrundverordnung, ganz langsam und schleichend seinen Weg in die mediale Berichterstattung und weiter ins kollektive Gedächtnis bahnt. Wirklich betroffen oder gar zu einer Handlung – nämlich der Löschung von Accounts – gezwungen fühlen sich dennoch die

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Wenn Daten zum wertvollsten Gut werden

wenigsten Menschen. Seit Bekanntwerden des Datenverlusts durch Cambridge Analytica kletterte die Zahl der monatlich aktiven NutzerInnen von 2,13 auf 2,2 Milliarden und entspricht damit etwa der Einwohnerzahl von China, den USA und Indonesien zusammen. Der Umsatz der Plattform stieg im ersten Quartal im Jahresvergleich um 49 Prozent auf 11,97 Milliarden Dollar, der Gewinn um 64 Prozent auf 4,99 Milliarden Dollar. An dieser Stelle könnte man anmerken: Warum den Leser oder die Leserin mit Zahlen langweilen, die ohnehin außerhalb des Vorstellungsbereichs liegen? Das ist einerseits ein berechtigter Einwand, andererseits genau der Kern des Problems, das Plattformen wie Facebook mit sich bringen: Eine unvorstellbar große Anzahl an Menschen stellt einem Unternehmen, das – um Gewinn zu erzielen – mit einer kaum einschätzbaren Anzahl an anderen Unternehmen, deren Ziele und Bestrebungen der einzelne Nutzer oder die einzelne Nutzerin unmöglich kennen kann, zusammenarbeitet, eine unglaublich große Menge an sehr persönlichen Daten zur Verfügung. Genauso wenig vorstellbar wie all diese Zahlen sind allerdings die Auswirkungen – nicht nur auf den einzelnen Menschen, sondern viel mehr auf die Gesamtgesellschaft.

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»Google kennt Sie besser, als Sie sich selbst kennen« Unternehmen, die online agieren, stellen ihre Services nicht zur Verfügung, um der Menschheit etwas zurückzugeben, sondern um Geld zu verdienen. Wer Plattformen wie Facebook, Twitter oder auch Google nutzt, gibt als Währung gewisse Daten mehr oder weniger bewusst an die Unternehmen weiter. Das Problem dabei liegt darin, dass ein Gesamtverständnis und eine gewisse Achtsamkeit noch immer fehlen, wie Walter Peissl, stellvertretender Leiter des Instituts für Technikfolgenabschätzung der Akademie der Wissenschaften erklärt: »Wenn man einen durchschnittlichen User fragt, welche Ergebnisse er via Google bekommt, dann ist die Antwort nicht selten ›Das, was man im Internet dazu findet‹. Das stimmt aber nicht. Man sieht nämlich genau das, wovon Google denkt, dass es das Richtige für Sie ist zu sehen. Google kennt Sie besser, als Sie sich selbst kennen, weil Sie vermutlich nicht mehr wissen, wonach Sie am 13. März 2016 gesucht haben – das Unternehmen aber schon.«

Der Nutzer ist nicht der Kunde Besonders interessant werden Daten – ob

nun jene der Suche vom 13. März oder Profilinformationen auf einem sozialen Netzwerk – aber vor allem durch ihre Fülle und durch ihre Detailliertheit in Kombination mit dem an den Tag gelegten NutzerInnenverhalten. Während ein einzelner Datensatz kaum für Machine Learning taugt, helfen sehr viele sehr genaue Datensätze dabei, Algorithmen zu verfeinern. Die Plattform kann praktisch minütlich Markt- und letztlich auch Verhaltensforschung betreiben: Ist Person A, etwa 20-30 Jahre alt, politisch eher links, in einer Beziehung, in Wien lebend eher an einem Werbeclip für einen digitalen Ovulationstest interessiert, nachdem sie ein süßes Katzen- oder Babyvideo gesehen hat? Wie viel Zeit sollte optimalerweise zwischen Stimuli und Response liegen? Ist sie vielleicht doch an Weiterbildungsangeboten interessiert? Ist sie eher an Weiterbildungsangeboten interessiert, nachdem sie Postings von Freunden mit höherem Bildungsgrad gesehen hat? Nun kann man sagen: Marktforschung und Werbung gab es schon immer und das nun mögliche Mikrotargetting erspart NutzerInnen, die ohnehin kein Interesse an einem bestimmten Produkt haben und nicht in die

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Zielgruppe fallen, einen Batzen uninteressanter Werbung. Aber während man das im Bereich des klassischen Consumer-Marketings noch als wenig problematisch abtun kann – ja, grundsätzlich kann jedes Unternehmen Facebook-Werbung schalten, jeder versuchen, den Kauf seines Produkts mit bestimmten Argumenten, zugeschnitten auf die jeweilige Person, zu rechtfertigen – besteht im Bereich der allgemeinen Meinungsbildung ein viel größeres Potential, Schaden anzurichten. Eine Plattform, die mehr oder weniger auf Behaviourismus aufbaut und nach und nach lernt, wie Menschen mit bestimmten Eigenschaften ticken, was sie bewegt und durch welche Faktoren sie sich beeinflussen lassen, wird zum perfekten Tool, um Menschen zu manipulieren. In welche Richtung diese Manipulation erfolgt, ist letztlich allerdings davon abhängig, wer wie viel Geld für welche Art der Manipulation ausgibt und nicht zuletzt auch, wer am lautesten schreit, wer mit seinen Aussagen am meisten polarisiert und wer die größten Emotionen erzeugt. Der eingangs erwähnte Zitatspender Jared Lanier spricht in seinem Buch »10 Arguments For Deleting Your Social Media Accounts Right Now« in diesem Zusammenhang vom BUMMER-Zeitalter. BUMMER ist dabei eine Abkürzung für »Behaviours of Users Modified, and Made into an Empire for Rent«, auf deutsch also etwa »Verhaltensweisen von Nutzern, die verändert und zu einem Imperium gemacht wurden, das jedermann mieten kann«. Diese sogenannten Imperien werden angetrieben von entstehenden Echokammern, Fake-News-Kampagnen und künstlichen Verstärkern wie Bots.

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Facebook macht süchtig Dass sich Facebook, Twitter und Co zu Räumen entwickelt haben, in denen intensiver Meinungsaustausch und damit auch Meinungsbildung stattfinden, liegt am durchaus ausgeklügelten Konzept der Plattformen. Jedes Mal, wenn wir auf Facebook ein »Like« einheimsen, jedes Mal, wenn wir von der Plattform durch unsere Interaktion in irgendeiner Weise belohnt werden, wird in unserem Gehirn Dopamin ausgeschüttet. Neben den durchaus praktischen Funktionen ist es mitunter genau das, was Millionen Menschen dazu bewegt, die Plattform weiter zu benutzen. »Die von uns entwickelten, schnell reagierenden, dopamingetriebenen Feedbackschleifen zerstören, wie Gesellschaft funktioniert. Sie zerstören gesellschaftlichen Diskurs und Zusammenarbeit und sorgen für Desinformation und Unwahrheit. Und das ist nicht nur ein amerikanisches Problem – hier geht es nicht um von Russland geschaltete Anzeigen. Das ist ein globales Problem. (…) Ich fühle mich sehr schuldig«, erklärte beispielsweise Chamath Palihapitiya, ehemaliger Vice President of User Growth bei Facebook, nachdem er das Unternehmen 2011 verließ. Neben persönlichen Inhalten setzte Facebook vor knapp zwei Jahren zudem auch stark auf die Verbreitung von Nachrichteninhalten, etwa mit Features wie Trending Topics oder Instant Articles. Damit wurde Facebook nicht nur zu einer Plattform für sozialen Austausch, sondern für viele auch zur Informationsquelle und letztendlich zur Diskussionsplattform, die sich unter anderem auch mit gesellschaftspolitischen Inhalten auseinandersetzte. Gut funktioniert und damit eine hohe Reichweite erzielt aber auch hier, was Menschen emotional bewegt – relativ unabhängig vom Absender oder vom Wahrheitsgehalt der Nachricht. Während anfangs noch JournalistInnen beschäftigt wurden, um etwa Algorithmen zu korrigieren, änderte sich diese Praxis recht schnell, nachdem einer der MitarbeiterInnen interne Details nach außen trug, wie das Magazin Wired, das für einen umfangreichen Artikel im Februar mit rund 50 ehemaligen und aktiven Facebook-MitarbeiterInnen sprach. In der wöchentlichen Fragerunde mit Mark Zuckerberg wurde beispielsweise die Frage »What responsibility does Facebook have to help prevent President Trump in 2017?« zum Thema – ein Screenshot davon und ein Gespräch mit einem weiteren Ex-Mitarbeiter führten letztendlich zu einem Artikel mit dem Titel »Former Facebook Workers: We Routinely Suppressed Conservative News« auf Gizmodo. Die Reaktion: Obwohl

Facebook immer stärker auf die Verbreitung von Nachrichten, etwa durch die Möglichkeit der Instant Articles setzte, um mit dem Kurznachrichtendienst Twitter mithalten zu können, verzichtete die Plattform zumindest großteils auf eine Korrektur durch geschulte MitarbeiterInnen und setzte viel daran, sich im rechten Flügel als glaubwürdig zu rehabilitieren und veränderte den Umgang mit Nachrichten von dem Zeitpunkt an grundlegend. Eine Entwicklung, die noch immer andauert und die heute dem ein oder anderen Medienunternehmen, das bisher auf die Reichweite angewiesen war, Probleme macht. Der Wechsel von einer Plattform, die ursprünglich für sozialen Austausch kreiert wurde und die sich dann auf Werbekunden fokussiert hat, zu einer Plattform, auf der die ganze Welt nahezu jedes Thema diskutieren und sich informieren kann, ist nicht einfach. Das liegt letztendlich auch daran, weil Facebook nicht dafür konstruiert wurde, möglichst ausgeglichen zu informieren, wie Walter Peissl erklärt: »Wenn ich sage, ich will eine große breite möglichst diverse Meinungsvielfalt produziert und dargestellt haben, dann muss ich einen Algorithmus anders gestalten, als wenn mir wichtig ist, dass ich viel Werbung verkaufe und einen hohen 1000er-Preis erziele. Letzteres schaffe ich nur dann, wenn die Leute lang auf meiner Seite bleiben und deshalb muss ich schauen, dass ich viele emotionale Inhalte in einer bunten Mischung darbiete.«

»In dem Moment, wo die Kommerzialisierung eingesetzt hat, wo aus dem normalen Internet das World Wide Web geworden ist, wo die bunten Bilder aufgetaucht sind, hätte man erkennen können, dass es unterschiedliche Akteure mit unterschiedlichen Interessen gibt«. — Walter Peissl

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»Die von uns entwickelten, schnell reagierenden, dopamingetriebenen Feedbackschleifen zerstören, wie Gesellschaft funktioniert. Sie zerstören gesellschaftlichen Diskurs und Zusammenarbeit und sorgen für Desinformation und Unwahrheit.« — Chamath Palihapitiya Was bleibt vom freien Netz? Aber während man versucht, Facebook als Sündenbock zu skizzieren, muss man ob der immer mehr aufpoppenden möglichen Regulierungen – teils sinnvoll, etwa wenn es um Datenschutz geht, teils einschränkend, etwa wenn es um die aktuelle Debatte rund ums Urheberrecht geht – darüber nachdenken, ob wir alle viel zu lang viel zu naiv waren. Das World Wide Web wurde lange als freier Ort begriffen, brachte die Möglichkeit mit sich große Datenmengen auszutauschen und sie global zugänglich zu machen, veränderte unsere Kommunikation und letztendlich auch soziale Interaktion entscheidend. Wir sind gewöhnt daran, dass all diese Dienste kostenlos zur Verfügung stehen, und ein Großteil der Menschen hat vermutlich nie darüber nachgedacht, dass Firmen, die in diesem auf den ersten Blick so freien Raum agieren, natürlich über Profit nachdenken und sich – in einem kapitalistischen System wenig verwunderlich – auf Dauer Gedanken machen, wie sie die von ihnen zur Verfügung gestellten Services monetarisieren. »In dem Moment, wo die Kommerzialisierung eingesetzt hat, wo aus dem normalen Internet das World Wide Web geworden ist, wo die bunten Bilder aufgetaucht sind, hätte man erkennen können, dass es unterschiedliche Akteure mit unterschiedlichen Interessen gibt«, bestätigt auch Walter Peissl. Die Frage, ob es mittlerweile zu spät sei, verneint er jedoch klar. Und es gibt durchaus Grund zur Hoffnung. Die im Mai inkraftgetretene Datenschutzverordnung soll NutzerInnen künftig schützen und auch wenn die inhaltlichen Änderungen gering sind, so haben sich die Konsequenzen für große Unternehmen verschärft. Inwieweit das einen Einfluss hat, ist unklar, Peissl gibt sich jedoch hoffnungsvoll: »Die Datenschutzgrundverordnung hat materiellrechtlich oder inhalt-

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lich nicht so viel Neues gebracht. Es gibt ein paar zusätzliche Möglichkeiten, wie die Datenportabilität oder das Recht auf Vergessen. Was sich verändert hat – und darauf kann man Hoffnungen setzen – ist, dass Behörden mit Sanktionsmöglichkeiten ausgestattet wurden. Die berühmten vier Prozent vom Jahresumsatz konzernweit. Und das tut weh. Bis jetzt war das in Österreich eine Verwaltungsübertretung, für die es nur eine geringfügige Strafe gab.« Ob die Gesetze den gewünschten Nutzen bringen, sei aber vor allem von der Umsetzung abhängig. Die ersten Klagen, etwa von Max Schrems, gibt es bereits – wie damit umgegangen wird, könnte letztlich entscheidend sein. Dabei stellt sich allerdings die Frage, inwieweit Regulierungen wie diese, sofern sie funktionieren, das Geschäftsmodell letztendlich ad absurdum führen und wie glaubwürdig das Bestreben der Unternehmen dementsprechend ist. Eine andere Möglichkeit wären Bezahlmodelle, die online aber nur bedingt funktioniert, auch weil die NutzerInnen schlichtweg nicht daran gewöhnt wurden, wie sich etwa bei Paywall-Modellen von Medienhäusern zeigt. Mit der Datenschutzgrundvorordnung habe das Thema aber vor allem auch mehr Raum im öffentlichen Diskurs gefunden, so Walter Peissl. »Da bricht aus meiner Sicht gerade etwas auf, wo man sich denken könnte, dass sich, gemeinsam mit den jetzt etwas schärfer einsetzbaren Möglichkeiten der Regulierung, langsam ein Bewusstseinswandel einstellen könnte und dass die Leute darüber nachdenken: Wenn etwas kostenlos ist, zahle ich mit einer anderen Währung.« Yasmin Vihaus

Die Autorin hat ihre Social-Media-Accounts im Zuge dieses Artikels nicht gelöscht. Das Lesen des Buchs »10 Arguments For Deleting Your Social Media Accounts Right Now« von Jaron Lanier empfiehlt sie dennoch.

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Mitte Mai diesen Jahres präsentierte der neue Wiener Bürgermeister Michael Ludwig sein Team, darunter die neue Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler. Die Erwartungen aus der Kulturszene sind dementsprechend hoch – wie Kaup-Hasler diese erfüllen will, erzählt sie im Interview. ———— Vertraut man auf die Stimmung im Stadtratsbüro im Wiener Rathaus, so herrscht dort nun ein »frischer Wind«, wie viele MitarbeiterInnen schon vor dem Interview immer wieder mit einer Begeisterung betonen, die sich nur schwer spielen lässt. Veronica Kaup-Hasler kümmert sich wenig um festgefahrene Strukturen, dafür umso mehr um ihr Team, ihr Arbeitstempo überrascht zumindest intern den ein oder anderen. Die vorläufige Neubesetzung der Intendanz der Wiener Festwochen durch Christophe Slagmuylder nahm sie innerhalb weniger Wochen in die Hand, eine Ausschreibung der Stelle ab 2020 wurde ebenfalls bereits veröffentlicht. Dabei wirkt die ehemalige Intendantin des Steirischen Herbsts erstaunlich entspannt – auch, was die Erwartungshaltung von außen betrifft.

Wenn Sie auf die ersten, zum Teil durchaus intensiven eineinhalb Monate als Stadträtin zurückblicken: Gab es einen Moment, in dem sie bereut haben, diese Aufgabe übernommen zu haben? kaup-hasler: Nein (lacht.) Ich bin hartes Arbeiten gewohnt, insofern hat sich die

Intensität nicht maßgeblich erhöht. Mein Tag beginnt um halb acht und dann rauscht es durch und am Abend gibt es immer noch Veranstaltungen, aber es geht natürlich auch darum, möglichst viel zu sehen. Das gibt mir einen unglaublichen Kick, weil ich ein neugieriger Mensch bin und weil ich bestimmte Zonen,

Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler im Interview

Angelina Pachzelt

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»Viele Lorbeerkränze auf dem Kopf behindern den Blick«

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Was hat Sie hier im Rathaus bisher überrascht – positiv oder negativ? Mich hat vor allem das Team sehr überrascht. Ich habe hier ein Team von jungen engagierten Leuten vorgefunden, die Veränderungen wollen und auch ein großes Wissen mitbringen. Man muss einfach gut zuhören. Ich spüre hier keinen Widerstand – ganz im Gegenteil – eigentlich hole ich die Menschen innerhalb dieses Teams mit offenen Armen ab, wo sie sind und wo so viele Ideen auch lauern und bestärke sie, mutig zu sein und sich nicht mit Konventionen von Abläufen zufrieden zu geben. Hier herrscht eine Arbeitsweise vor, die wenig mit den Klischees zu tun hat, die man vielleicht im Kopf hat, wenn man außerhalb des Rathauses steht und an eine feste, fast kafkaeske Burg denkt. Sie kommen aus dem Kulturbereich direkt in die Politik. Eine Besetzung wie diese haben sich viele Kulturschaffende immer gewünscht, gleichzeitig gibt es jetzt eine hohe Erwartungshaltung. Wie gehen Sie damit um? Ich habe mich über die Aufgabe wahnsinnig gefreut. Ich weiß, dass meine Bestellung mit einer großen Erwartung verknüpft

wegen Kunst und Kultur nach Wien. Diese Kultur muss aber in allen Bereichen gestärkt werden. Das umfasst klassische Institutionen im Bereich Bildender Kunst, Musik, Theater und Tanz ebenso wie das breit gefächerte Filmschaffen. Und natürlich ebenso das Kunstschaffen der Freien Szene in allen Bereichen. Auch avanciertes Kunstschaffen muss gefördert werden, weil es auch zur Tradition dieser Stadt gehört. Wir müssen schauen, wie wir ins 21. Jahrhundert kommen und wie wir zeitgenössisches Kunstschaffen möglich machen.

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Hyperreality war vielleicht ein Versuch, jüngeres Publikum in die Wiener Festwo-

»Dieses Land und im Speziellen diese Stadt kann nicht nur die Verwalterin alten Kulturguts sein. Das ist uninteressant.«

In Wien gibt es eine gewisse Kluft zwischen dem, was viele als »Hochkultur« bezeichnen und der freien Kulturszene. Wie geht man damit um? Es gibt hier einen großen Gap. Mit dem Begriff der »Hochkultur« habe ich aber ein ganz großes Problem, weil es eine vertikale Struktur implementiert, die ich so nicht sehe. Ich finde, es gibt hochwertiges Kunstschaffen in allen Bereichen. Bestimmte Institutionen bringen es einfach mit sich, dass sie teurer sind. Ich kann bei einem Orchesterwerk nicht sagen: Es gibt erste Geigen und die zweiten können wir uns einsparen. Es gibt eine Summe an Orchestermitgliedern, die man einfach braucht und die ihre Verträge und ihre Gehaltsanpassungen haben und das sind natürlich Kosten. Je traditioneller Institutionen sind, umso mehr sind sie gefangen

»Ich kann den Erwartenden eines finanziellen Füllhorns nur entgegenhalten: Ich bin nicht als Geldwäscherin engagiert worden.«

ist, aber viele Lorbeerkränze auf dem Kopf behindern den Blick. Die muss man schnell loswerden und arbeiten. Ich kann den Erwartenden eines finanziellen Füllhorns nur entgegenhalten: Ich bin nicht als Geldwäscherin engagiert worden. Mir ist es leider noch nicht gelungen, Geld zu drucken. (lacht) Aber ich werde selbstverständlich auch dafür kämpfen, dass die Kultur so finanziert ist, dass es dem Stellenwert, den die Kultur für diese Stadt hat, entspricht. Man darf nicht vergessen, dass 75 Prozent der Touristen sagen, sie kommen

auszuloten und zu sondieren, um zu sehen, welche Schritte auch möglich und nötig sind.

in dieser Kostenentwicklung. Ich halte diese Dialektik »freie Szene gegen Hochkultur« für nicht fruchtbar und nicht interessant. Wir können nicht jeden einzelnen, der sich selbst als Künstler oder Künstlerin sieht, fördern. Aber man kann strukturell Linien legen, damit möglichst viele und vor allem die Besten die Möglichkeit haben, ihr Tun auszuleben. In diesem Bereich zu arbeiten ist schwieriger, auch weil diese KünstlerInnen ungeschützter sind. Daher liegt mein Augenmerk schon auch darauf: Was kann ich tun, damit deren Arbeitsbedingungen verbessert werden? Gibt es Möglichkeiten, Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen oder müssen neue erfunden werden, damit dieses Schaffen auch möglich ist? Da bin ich aber gerade erst am Anfang

chen einzubinden. Tomas Zierhofer-Kin hat seinen Vertrag nun vorzeitig beendet, wie wird sich das in Zukunft entwickeln? Ich glaube, Tomas hat an etwas weitergearbeitet, was er sehr erfolgreich beim Donaufestival betrieben hat. Das Donaufestival hat auch deshalb so gut funktioniert, weil er es geschafft hat nebeneinander sehr unterschiedliche Musik- und Kunstdarbietungen an einem Abend erleben zu lassen. Das ist etwas, das normalerweise sehr segregiert ist und dort zu einem wunderbaren Hybrid wurde. Das hat er hier in den Festwochen auch integriert und das ist zurecht auf großen Zuspruch gestoßen. Generell würde ich mir aber wünschen, dass es gelingt, dieses Publikum noch mehr ins Festival zu integrieren und dass dieser Teil dann nicht eine separate Insel bleibt. Es braucht Strategien, dieses Publikum in andere unterschiedliche Ästhetiken und Performances einzuladen und dieser Transfer muss stattfinden. Bei den Festwochen ist es wichtig, dass der Bogen ganz weit gespannt ist und sich das Publikum durchmischt. Ich sehe es extrem problematisch – und da haben die Institutionen ihren Anteil –, wenn wir etwa im Bereich des Musiktheaters und der Oper mit verstaubten Inszenierungen und Formaten, die junge Leute naturgemäß nicht interessieren, diese wunderbaren Musiken in ihrer Vielfalt nicht zugänglich machen.

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die ich sonst beackert habe oder bereist habe, jetzt auch verlasse und andere Seiten von Wien kennenlerne, die ich vorher überhaupt nicht so wahrgenommen habe. Das ist für mich sehr spannend und eine Zeit des neuen Lernens. Ich bin extrem begeistert von dieser Fülle.

In der Wiener Kulturszene wird zum Teil von einem Schlag der Regierung auf das »Rote Wien« und insbesondere auf den Kultursektor gesprochen. Wie schätzen Sie die Situation und die Verantwortung des Bundes ein? Ich denke, es wäre ein fataler Fehler, wenn der Bund seine Verantwortlichkeit für die Kultur in diesem Land nicht erkennt und ich glaube, das würde sich über kurz oder lang einfach rächen. Dieses Land und im Speziellen diese Stadt kann nicht nur die Verwalterin

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Was steht auf Ihrer Agenda für das nächste halbe Jahr? Wo wollen Sie sofort ansetzen? Ich möchte mir im Sommer Zeit nehmen, mir über das Volkstheater Gedanken zu machen. Ich möchte einen Prozess unter Einbeziehung von sehr vielen Stimmen starten und die unterschiedlichsten Denkrichtungen und Möglichkeiten, die es für dieses Theater gibt, prüfen. Das ist wahrscheinlich die schwierigste Aufgabe, weil dieses Theater seit Jahrzehnten im Verhältnis zu anderen Häusern in Wien nicht die entsprechende Dotierung und zudem auch Herausforderungen räumlicher Natur zu bewältigen hat. Da gibt es viele Dinge, die den Betrieb erschweren, jetzt kommt noch eine Sanierung dazu, die ja keine Generalsanierung, sondern eine Funktionssanierung ist. Ebenso die Kunsthalle, auch da möchte ich einen Think Tank haben, einerseits aus Leuten aus der Stadt, aber andererseits auch

aus internationalen Leuten, um nachzudenken, wie eine Kunsthalle aussehen soll und könnte. Es gibt hier auch eine Standortfrage, die nicht unproblematisch ist, die ich aber nur angehen kann, wenn ich weiß, ob es überhaupt realistische Optionen gibt, über einen veränderten Standort nachzudenken. Wenn das aus finanziellen Gründen nicht geht, dann muss man für den jetzigen, diesen doch sehr speziellen Ort, Ideen entwickeln, wie die Kunsthalle mehr Sichtbarkeit bekommt. International ist sie ja sehr anerkannt, aber lokal scheint sie, zumindest medial, nicht so angenommen zu werden, wie man sich das wünscht. Was fasziniert Sie an Wien? Ich bin in Wien aufgewachsen und ich habe die Stadt in meiner Jugend als verstaubt und eng erlebt und ich bin wirklich tief begeistert, wie sie sich entwickelt halt, welche Leute jetzt hier sind und wie viel Jugendlichkeit sie in so vielen Bereichen bekommen hat. Das ist für jüngere Leute vielleicht noch nicht ganz so wahrnehmbar (lacht), weil wir in manchen Bereichen Städten wie Berlin, Amsterdam, Paris oder New York noch immer hinterherhinken. Aber Wien hat sich enorm dynamisiert

»Ich habe mich immer an Orten wohlgefühlt, wo Internationalität und der Umgang mit unterschiedlichen Kulturen als Bereicherung empfunden wird.«

und gilt seit Jahren als lebenswerteste Stadt der Welt. Ich mag, dass es jetzt mehr nach Metropole riecht als früher. Je mehr Menschen aus unterschiedlichen Gegenden, national wie international, in diese Stadt kommen, desto spannender wird es. Ich habe mich immer an Orten wohlgefühlt, wo Internationalität und der Umgang mit unterschiedlichen Kulturen als Bereicherung empfunden wird. An unterschiedlichen Formen von Inklusion zu arbeiten, ist, finde ich, enorm herausfordernd und sexy. Haben Sie Angst vor der nächsten WienWahl? Nein. (lacht) Ich habe grundsätzlich wenig Angst. Yasmin Vihaus

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Angelina Pachzelt

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alten Kulturguts sein. Das ist uninteressant. Wenn man reist, weiß man, was beispielsweise Paris in neue Zentren für Kunst investiert hat. Da ist so viel entstanden, so viele alte Gebäude wurden transformiert für neue digitale Kunst, für Film, für Working Spaces. In Belgien genauso. Ich denke, man muss die Menschen an der Hand nehmen und ihnen erstmal zeigen, was in der Welt passiert und ich kann nur sagen, wir müssen wirklich aufpassen, dass wir in manchen Bereichen nicht den Anschluss verlieren. Da gilt es zu investieren und ich werde nicht müde, Minister Blümel und sein Team davon zu erzählen und sie mitzunehmen in diese gemeinsame Verantwortlichkeit. Ich bin erst seit kurzem da, wir werden sehen, wie der Bund sich verhält und dementsprechend wird man reagieren. Aber ich bin guter Hoffnung, dass die Befürchtungen, die im Moment im Raum stehen, nicht wahr werden.

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Jana Sabo

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»›Muschi‹ und ›Arschficken‹ würde ich auf der Bühne nicht sagen!«

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Erika Ratcliff im Interview 02.08.18 09:52


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Das Wiener Traditionscafé »Hegelhof« ist für Erika Ratcliffe ein vertrauter Ort. Hier kehrte die 25-Jährige während ihrer Schulzeit regelmäßig ein. »Zum Schwänzen natürlich«, wie sie erzählt. Mittlerweile lebt Ratcliffe seit zwei Jahren in Berlin und hat sich in der kurzen Zeiten in der deutschen Comedy-Szene einen Namen gemacht. Mit staubtrockenem Witz setzt sie Pointen, zeigt Haltung und lässt Situationen immer wieder auf die absurde Seite des Alltags kippen. In einer entschleunigten Performance übrigens, denn: »Wenn man langsamer redet, hören die Menschen besser zu. Wenn man zu schnell plappert, hört keiner mehr zu.« Auch in Österreich blieb ihr Schmäh nicht unbemerkt. 2017 erhielt die Stand-up-Comedian, die gerne über ihre japanische Mutter auf der Bühne spricht, den Jurypreis des Grazer Kleinkunstvogels. Nach Wien kommt sie in dementsprechend häufiger Regelmäßigkeit. Denn auch hier wollen Kleinkunst- und Kellerbühnen humoristisch erobert werden. Zudem blüht die heimische Comedy-Szene seit geraumer Zeit kräftig auf. Ziemlich sicher auch wegen ihr. »Ich bin eigentlich eh alle zwei Wochen in Wien«, erklärt Erika Ratcliffe lapidar und bestellt beim Ober Kaffee: einen Verlängerten ohne Zucker und schwarz. the gap: Erika, du trinkst deinen Kaffee ohne Milch. Bist du eigentlich laktoseintolerant? erika ratcliffe: Nein, bin ich nicht. War das jetzt gerade rassistisch? Es ist auf jeden Fall ein stümperhafter Versuch mit einem Klischee zu spielen. Das kannst du besser. Was macht für dich einen guten Witz aus? Wenn man die Punchlines nicht voraussieht, dann ist ein Witz gut. Wenn er dann auch noch ein wichtiges Thema streift, gibt das Bonuspunkte. Was sind die wichtigen Themen für dich, an denen du dich satirisch abarbeitest? Da gibt es einige. Die Palette reicht von sexueller Belästigung, Vergewaltigungen, Terrorismus bis zu Rassismus natürlich. Wie politisch bist du eigentlich? Du hast ja auch Politikwissenschaft studiert. Früher war mir dieser Aspekt sehr wichtig. Heute ist er ein wenig in den Hintergrund getreten. Ich habe natürlich schon eine sehr klare politische Meinung zu allem, aber ich denke, dass meine Meinung nicht die wichtigste ist. Ich lese sehr selten Zeitung und ich bin auch nicht sehr gut informiert, aber … … du hast eine klare politische Meinung zu allem. Genau. Momentan rede ich lieber über den Tod. Nur kommt dabei nichts Lustiges heraus.

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Woran hapert es? An mir, leider. Der Tod ist ein universelles Thema – wenn man darüber schreibt, sollen die Leute in 20 Jahren auch noch darüber lachen und nachdenken können. Das ist nicht einfach. Bist du eigentlich depressiv? Ja, ich habe Depressionen. Aber ich mag es nicht, wenn man einen Menschen als depressiv bezeichnet, so als wäre das ein ganz normales Adjektiv. Der ist groß, der ist klein, der ist depressiv… Wie gehst du mit deinen Depressionen um? Wenn man Schattenseiten hat, dann wertschätzt man die glücklichen und guten Seiten. Aber ich würde Depressionen nicht romantisieren. In der heutigen Kultur neigen wir leider ein wenig so zu tun, als wären Depressionen was Schönes und Bewundernswertes, aber es ist im Endeffekt eine Krankheit. Allerdings bin ich auch davon überzeugt, dass unzählige Menschen, die im Kunst- und Kulturbereich arbeiten, irgendwelche gröberen Probleme haben – Drogen, Alkohol, Depressionen.

Im Kulturbereich bist du ja sehr gut verankert. In Wien genauso wie in Berlin, wo du seit zwei Jahren lebst. Was macht für dich den Charme von Berlin aus? Berlin ist so eine offene, liberale Stadt mit unzähligen Subkulturen. Drag Shows, Burlesque Shows, Klein- und Improtheater – das gibt es in dieser Vielfalt in Wien nicht. Wie auch die Comedy-Szene, in der du dich bewegst. War es schwer für dich, dort Fuß zu fassen? Am Anfang ist es immer schwer, wenn man in eine neue Stadt zieht. Man muss erst einmal ankommen und ernst genommen werden. Diese Phase hat gut ein Jahr lang gedauert. Und zwar durchaus berechtigt. Denn ich hatte zwar schon einiges an Material für die Bühne gesammelt, aber das war nicht gut. Ich hatte keine Punchlines, die man als Standup-Comedian braucht, sonst erzählt man nur Geschichten. Wie hast du die Pointen für deine Auftritte dann gefunden? Ich mache vier Mal in der Woche Comedy in den unterschiedlichsten Locations. Wenn

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Schwarze reden. Das ist eine natürliche Grenze, vor allem auch, weil es nicht witzig ist. Außerdem gibt es ein paar Wörter, die ich nicht gerne in den Mund nehme. »Muschi« und »Arschficken« würde ich auf der Bühne nicht sagen. Aber es ist kein Tabu, sondern eher eine Frage des Stils.

Manfred Gram im Gespräch mit Erika Ratcliffe.

man das so häufig macht, bekommt man automatisch einen Blick dafür, wo Lustiges verborgen sein kann. Man beobachtet eben den Alltag und viele Punchlines entstehen auch aus persönlichen Geschichten heraus.

Jana Sabo

Auf der Bühne stellst du dich als halb Österreicherin mit jüdischem Vater und halb Japanerin mit japanischer, rassistischer Mutter vor. Kulturen mit großen Humortraditionen… Ich würde meinen Humor jedenfalls nicht als jüdisch bezeichnen, weil ich bin echt nicht jüdisch aufgewachsen. Am meisten ist mein Humor wohl österreichisch geprägt – durch Freunde und vor allem durch das Kabarett. Kannst du trotzdem einen kurzen Crashkurs in Sachen japanischen Humor geben? Japanischer Humor ist extrem absurd. Vor allem in der Comedy, die gepflegt wird. Die eigene Person wird dabei absolut nicht ernst genommen und extrem und lustvoll zerstört. In den Stand-ups kommt vor allem viel Verrücktes und Absurdes vor, das mit verschiedenen Stimmen vermittelt wird.

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Das ist jetzt aber schon als deutliche Tendenz in deinen eigenen Stand-ups bemerkbar. Ja, ja, ja! Voriges Jahr hast du die Jury beim Grazer Kleinstkunstvogel überzeugt. In der Begründung hieß es: »… sie geht mit ihrer Stand-up nach US-Format dorthin, wo es weh tut: Rassismus, Hardcore-Feminismus und Vaginalpilz. Ratcliffe kennt kein Tabu und findet genau in dieser Hemmungslosigkeit ihre ganz eigene Stimme…« Wie sehr prägt dich US-Comedy? Extrem. Ich schau fast jeden Tag »standup comedy« auf Netflix. Die Specials kenne ich fast alle auswendig. Man muss allerdings aufpassen und darf das vor seinen eigenen Auftritten nicht anschauen, sonst redest du plötzlich so wie deine Vorbilder. Und das ist peinlich… Und wie schaut es mit Tabus aus? Kennst du wirklich keine? Ja, es gibt schon Themen, über die ich nicht reden würde. Wie wenn Weiße über

Arschlöcher gibt es immer auch im Publikum. Wird man als Frau auf der Bühne eigentlich öfters geheckelt als Männer? Das weiß ich nicht. Ich habe das Gefühl, dass Frauen eher von Männern und Männer eher von Frauen geheckelt werden. Aber dazu gibt es leider keine Studien. Was ich mit Sicherheit weiß: Sobald du konterst, hast du immer das Publikum auf deiner Seite. Niemand wird den Heckler unterstützen. Man kann den also sehr leicht fertig machen.

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Die Comedyszene ist doch sehr männlich dominiert. Wie kämpfst du dich als Feministin durch diesen Betrieb? Comedy ist definitiv eine Männerdomäne. Wenn man nach Auftritten gemeinsam abhängt, wird aber rigoros jeder zerlegt und verarscht. Dabei ist das Geschlecht absolut nebensächlich. Hauptsache lustig. Die meisten Erfahrungen, die ich gemacht hab, waren aber extrem gut. In der deutschen Szene, die größer als die österreichische ist, gibt es aber schon vereinzelt Exemplare, die glauben, dass sie wegen ein bisschen Erfolg überall reinkommen – also in jede Frau. Dadurch, dass die deutsche Szene größer ist, gibt es dort auch größere Arschlöcher.

Wie hältst du es eigentlich mit der Grenze zwischen Kabarett und Comedy? Gibt es die überhaupt noch? Ich hab das Gefühl, das verschwimmt. Und ich glaube, das ist für die Altkabarettisten ein bisschen bitter. Die erfinden ja gerne Figuren und mögen dieses Theatralische sehr. Auf Netflix wird es jedenfalls wohl nicht so schnell ein Kabarett-Special geben. Figuren erfinden, würde dich das reizen? Ich finde Stand-up so schon schwierig genug. Und andere Medien als die Bühne? Ja, das interessiert mich schon eher. Ich mach gerade einen Kurzfilm fertig und entwickle eine Web-Serie. Worum wird es da gehen? Über die Web-Serie darf ich leider noch nicht sprechen. Das ist ein Pilot für einen TV-Sender. Aber im Kurzfilm geht es natürlich um mich und wie ich in Berlin Comedy mache. Und um Depressionen. Es wird zwar eh niemand sehen, aber ich mache es. Manfred Gram

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Dorian Concept Auf der Suche nach der verlorenen Funky Time

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Jakob Gsoellpointner

the gap: Warst du in der Akademie des Verlernens? dorian concept: Der Name ist super. Das Verlernen als Ambition ist mir extrem wichtig. Das passiert einerseits mit einem schlechten Kurzzeitgedächtnis automatisch, andererseits habe ich mir Dinge fast nie nach einem Buch angeeignet.

Du hast früher als Wunderkind gegolten. Was konntest du damals besser? Als das habe ich mich nie gesehen. Ich habe in einem Interview einmal erzählt, dass ich Klavier spiele seit ich sechs Jahre bin und das wurde umgedichtet. Ich war eigentlich das relative Gegenteil, habe nie Noten lesen können und mir nur über die Hände meiner Lehrerin gemerkt, was ich nachzuspielen habe. Das ging gut, bis die Stücke nach einigen Jahren zu schwierig wurden. Das Wort »Wunderkind« liest sich halt im Pressetext gut. J Buyers … wie? Kann man als eine der Kern-Nummern am Album sehen. Es baut sich über eine Minute ein Streicherthema auf, das mit der restlichen Nummer wenig zu tun hat. Und dann passiert viel Unerwartetes. Das ist generell eines der wichtigen Themen am Album: mit den Erwartungen des Zuhörers zu spielen – Sachen an ungewöhnlichen Zeitpunkten abzubrechen oder anzufangen. Außerdem war es auch die erste Nummer, die fertig war, bei der sich eine klare Richtung für das restliche Album herauskristallisiert hat. Sie geht nach vorne. Du hast beim letzten Album gemeint, dass dich das nicht mehr interessiert. Stimmt, beim letzten Album war es mir wichtig, Distanz zu finden, weil ich mich damit überassoziiert fühlte, der Typ zu sein, der mit dem Micro Korg ein Clubset spielt. Aber

»Beim letzten Album war es mir wichtig, Distanz zu finden, weil ich mich damit überassoziiert fühlte, der Typ zu sein, der mit dem Micro Korg ein Clubset spielt.«

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ich habe im Verlauf der letzten Tour gemerkt, dass es ein Teil von mir ist. Ich fühle mich als Keyboarder mit dem Lauten und Druckvollen einfach wohl. Vielleicht ist »J Buyers« eine Art Outing, dass ich davon nie ganz wegkomme. Der Track ist auch sonisch unerwartet, es gibt eine Soundscape oder Harfen. Ja, ich hab mich bei der Nummer an vielen unterschiedlichen Klangquellen bedient und mich Sachen getraut, die man sonst vielleicht so nicht von mir kennt. Es war mir wichtig, einen überladenen und verzerrten Sound einer ekstatischen und aufbauenden Ästhetik gegenüberzustellen, wie eine Art MetalSong, der auf eine K-Pop Nummer trifft. Ich glaub diesen Mut zu haben, Sachen einander gegenüberzustellen, die vielleicht auf den ersten Blick nicht zusammenpassen, war mir wichtig. Wird das die Single? Das hast du gut erhört. Es ist bei diesem Album zwar schwer, im klassischen SingleFormat zu denken, aber ich denke, dass diese Nummer am ehesten helfen kann zu verstehen, was am restlichen Album noch vor sich geht.

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Dorian Concept erforscht jetzt Erinnerungen. Er hat ein Album für die Indoor-Generation gemacht. Und er will sie mit genau gesetzten Brüchen hinaus in die Welt locken. ———— Vor zehn Jahren sind Planeten explodiert und ebenso die Familie des Affine-Labels. Dorian Concept wurde dabei besonders hoch gehandelt. Nach vielen furiosen Konzerten hat er mit »Joined Ends« ein Album veröffentlicht, das künstlerisch sehr wertvoll die meisten Erwartungen unterlief. Jetzt macht er das auf »The Nature Of Imitation« erneut, dieses Mal aber subtiler. Im neuen Werk knüpft Dorian Concept an seine alte Liebe zum Club an, er forscht Erinnerungen aus, erweckt sie zu neuem Leben und formuliert sie dabei zwangsläufig neu. Er programmiert nicht mehr im herkömmlichen Sinn, sondern nimmt seine HörerInnen auf eine Reise aus Tönen mit, um am Ende an einem anderen Ort anzukommen. Man könnte nun davon sprechen, dass es darauf ankommt, die eigene Filterblase zu verlassen – aber vielleicht sollen diese Erinnerungen vielmehr überschrieben werden, mit besseren Mythen und wahreren Melodien.

Das Album ist in Wien entstanden, oder? Ja, fast ausschließlich. Ich war zwei Monate in Los Angeles und habe Ideen gesammelt. Der größte Teil ist hier im Studio entstanden. Ich finde es spannend, wenn sich ein erschöpfender Alltag aufbaut, den man durchbrechen muss, wenn man das Gerüst möglichst gut kennt, um es abzumontieren. Das Album ist vielleicht ein Statement für die Indoor-Generation, eine Aufforderung zum inneren Reisen. Ist das Cover eine visuelle Umsetzung des Albumtitels? Linien, die sich variieren und die nächste Linie imitieren, aber nie genau so sind, wie die anderen Linien? Das ist schon eine sehr gute Interpretation. Es ist von einem Designer namens Manuel Radde. Mir war es wichtig, Themen vom Album ins Cover zu arbeiten. Du hast in einer Kette von Imitationen ja auch immer Veränderung, wie bei einem Spiel von »stiller Post«. Ich will aber noch nicht verraten, woher die Inspiration und die Symbolik genau kommen.

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Der Designer Manuel Radde zeichnet für die Gestaltung des Albumcovers verantwortlich.

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Man könnte behaupten, das letzte Album war fraktal, das hier ist seriell. Aber spiegelt das die Musik wider? Ich habe nie eine so klare Agenda gehabt. Je simpler etwas visuell ist, desto stärker löst es Assoziationen aus. Der Psychologe Frederick Charles Bartlett hat in einem Versuch Leuten eine ägyptische Eule gezeigt – die man auch von Drakes Label kennt – und hat sie sie nachzeichnen lassen. In serieller Reproduktion hat sie sich langsam zu einer Katze entwickelt. Das zeigt auch wie kulturelle Transmission und sogar unser Gedächtnis funktionieren.

Könntest du »Mother’s Lament« jetzt spielen oder ist die Nummer am Laptop editiert worden? Das ganze Album ist eigentlich ohne jegliches Programmieren im klassischen Sinn entstanden. Das meiste ist über meine Keyboards eingespielt und dann Schicht für Schicht zu dem gemacht worden, was es ist. Clemens Wenger meinte, wenn das letzte Album mein Kammermusikalbum war, dann ist das jetzt mein orchestrales. »Mother’s Lament« kommt am Ende an einem ganz anderen Punkt an, das Tonmaterial entwickelt sich linear weiter – das gibt es selten. Es ist interessant, dass du die Nummer hervorhebst, mein kommendes Material ist von diesem Prozess beeinflusst. Wir haben viele der reinen Klavierstücke dieses Mal großteils rausgenommen. Auch bei »Dream Works«, das ich im Rahmen einer Performance mit dem Cinematic Orchestra fürs Barbican Center geschrieben habe, gibt es diese Veränderung, bei dem der Anfang und das Ende nichts mehr miteinander zu tun haben. Der Pressetext fürs nächste Album schreibt sich von selbst, vom Opera Club ins Konzerthaus, dein Mahler-Album. Ich kenne Mahler zu wenig. Ich höre viel Ö1 und merke, wie sich musikalische Themen in meinen Arbeitsprozess schleichen, wenn neben dem Abwasch Debussy läuft.

Assoziation ging aber eher in Richtung Big Band, ich hatte einen Bläsersatz im Kopf, aber es dann doch mit dem Klavier aufgenommen.

Was ist zwischen London und Sheffield passiert? Die Autobahn dazwischen nennt sich jedenfalls E13, wie eine Nummer. E13.com ist eine alte Seite mit Web Art. Das erklärt vielleicht warum der Künstler so hieß, der für Warp Records, die damals in Sheffield waren, gearbeitet hat. Viele Titel des Albums beschäftigen sich mit Verlorengegangenem. »The Space« bezieht sich auf einen Jazzclub in Neuseeland, den ich als Teenager besuchen wollte, den es aber nicht mehr gibt. Die Erinnerung und wie sie funktioniert ist ein größerer Themenblock auf dem Album. Ich habe einen Artikel gelesen, in der Erinnerung mit »stiller Post« verglichen wurde, sie ist weniger wie eine Schublade, sondern aktiv, wir beeinflussen und verändern sie. Wir sind alle unsere eigenen Fabulisten. Findet sich das abseits der Titel in der Musik selbst wider? Ja, es gibt einige Motive. Auf »You Give And Give« habe ich es in der abschließenden Akkordfolge geschafft, eine Kindheitserinnerung hervorzurufen. Auch bei »Mother’s Lament« war das so. Bei den Nummern wollte ich, dass sie ähnlich distanziert wie Erinnerungen klingen. Und was ist dann das Piepsen ganz am Ende der Nummer? (Lachen) Das ist vielleicht das Aufwa-

chen. Das gibt es auch in unserem Alltag, man wechselt von einem ernsten politischen Titel zu einem lustigen Meme, so wie das etwa John Oliver macht. Unsere Aufmerksamkeitsspanne ist zerrissen, Inhalte reißen abrupt ab, viele innere Prozesse laufen gleichzeitig ab. Dieses Piepen kommt öfters vor. Es ist ein Neustart. Fühlst du dich mit John Oliver eigentlich namenstechnisch sehr verbunden [Anm. Dorian Concept heißt bürgerlich Oliver Johnson]? (Lachen) Das habe ich noch gar nicht bedacht, wow, bin ich ab jetzt auf jeden Fall, eigentlich auch optisch. Deine Musik klingt nicht wirklich politisch. Du sprichst dennoch immer wieder die Zeit an, in der wir leben, ihre Strukturen und Mechanismen. Es gibt halt schon einen starken Trend hin in Richtung Abkapselung. Viele von uns sind schon in sich selbst gefangen, ich glaube, dass die Politik das natürlich auch versteht und sich dessen bedient. Mike Patton meinte einmal, dass jede Musik politisch ist. Mir geht es in Zusammenhang von Filterblasen, Gossip oder Fake News nicht um große Statements, sondern auf eine abstrakte Art darum, wie es sich anfühlt in dieser Zeit zu leben. Musik ist dieser sichere Ort, wir suchen darin nicht unbedingt die Konfrontation. Mir war es wichtig, keine Angst vor Reibung zu haben und ein eher forderndes als angenehmes Album zu machen. Warum bist du von Ninja Tune zu Brainfeeder gewechselt?

»Ich höre viel Ö1 und merke, wie sich musikalische Themen in meinen Arbeitsprozess schleichen, wenn neben dem Abwasch Debussy läuft.«

Du hast zwei Stichwörter für meine nächste Frage geliefert. »Dishwater« klingt anfangs nämlich impressionistisch. Stimmt. Die Ruhe, die dem Chaos entgegensteht, war ein wichtiger Moment. Meine

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Jakob Gsoellpointner

Wirst du auf Jazzfeste gebucht und wie wohl fühlst du dich dort? Jazz ist als Musikbegriff sehr schwammig. Alle haben eigene Assoziationen damit, für manche ist es angenehme Hintergrundmusik, für die anderen eine Art Einstellung zum Leben. Mich hat die harmonische Sprache des Jazz immer sehr berührt und die Vielfalt an dem was mit Akkorden möglich ist. Das hat mich zum Jazz gebracht und das habe ich ihm am ehesten entnommen. Wie hat sich die Affine-Familie verändert? Sehr und auch gar nicht. Affine hat als ein Label aus Freundschaft begonnen, aus einem Glauben an Qualität und Originalität. Jetzt nach fast eine Dekade haben wir denk ich unseren Sound verfeinert und erweitert. Vielleicht sind viele der alten Clubs weg, in denen wir gespielt haben, aber den Zusammenhalt gibt es noch immer. Auch wenn jeder seinen Weg gefunden hat, kann man immer noch von einem Affine-Sound sprechen. Vielleicht sind die Haare grau, aber sie sind alle noch da.

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Beide Labels sind verwandt und nutzen dieselben Kräfte. Beim letzten Album gab es schon Überlegungen in diese Richtung, ich bin mit Flying Lotus getourt, habe auf einer Nummer des Debüt-Albums von Thundercat Keyboards gespielt. Brainfeeder hat sich mit ihm und Kamasi Washington in eine andere Richtung entwickelt. Sie denken in einer Tradition von Jazz und stehen gleichzeitig weit außerhalb davon. Insofern hat es dorthin ideal gepasst.

Stefan Niederwieser

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THEMENSPECIAL

Theater und Tanz 034 Theaterbühne statt Konzertbühne

037 Games im Theater

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Drei MusikerInnen über den Bühnen- und Szenenwechsel, den die Arbeit am Theater mit sich bringt.

Digitalisierung bestimmt im 21. Jahrhundert zunehmend unser Leben – und macht auch vor der Urform der Unterhaltung, dem Theater, nicht Halt. Über neue Theaterformen und ihre Bühne.

040 Paradies Theater: Thomas Köck Autor und Dramatiker Thomas Köck ist einer der aufstrebendsten jungen Künstler in der Theaterszene. Im Gespräch erzählt er über seine Paradies-Trilogie, die Kollaboration mit Andreas Spechtl und seinen Zugang zu Theater.

Leon Liu

046 Impulstanz-Festival: Choy Ka Fai

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Der Choreograph Choy Ka Fai gibt sich in seinem Werk »Dance Clinic« als analytischer Doktor mit Hang zur künstlichen Intelligenz.

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Gegenseitige Wertschätzung

Wenn MusikerInnen die Bühne wechseln The Gap 170 010-053 Story.indd 34

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Forster, Ulli Koch

Ganze acht Stunden dauerte die Performance »Saint Genet« im WUK, bei der Marilies Jagsch als Teil des Ensembles mitgewirkt hat.

Eine andere Art von Band Wie für viele spielte das Schauspielhaus unter Hans Gratzer, der dort von 1978 bis 2001 Intendant war, eine entscheidende Rolle. Als Student hat Wolfgang Schlögl auch in dessen Kantine als Barkeeper gearbeitet. Naheliegend war sein erster Auftrag für die Bühne: 2003 im Schauspielhaus für das Stück »2014« – einer Collage über den Mord in Sarajewo.

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Von da an begleitete ihn das Theater als Arbeitsplatz bis er um 2014 etwas kürzer trat, um einer drohenden Erschöpfung entgegenzuwirken. Was er daran besonders schätzt, waren zum einen die Narrative und längeren Erzählbögen, die ihn auch in der Musik interessieren, und zum anderen die Arbeit im Kollektiv. »Man gründet gemeinsam mit AutorInnen, RegisseurInnen, SchauspielerInnen oder auch AusstatterInnen gemeinsam eine Art Band«, beschreibt er diesen Vorgang. Ein weiterer Reiz besteht für ihn darin, mit dem Material anderer zu arbeiten und nicht jede Initialidee selbst haben zu müssen. Das ist etwas, das ihn auch am Produzieren anderer MusikerInnen Freude bereitet: eine Idee zu verstehen und dann das Beste herauszuholen, manchmal vielleicht auch Dinge neu oder anders zu deuten. »Ich glaube nicht an das Genietum«, fasst er das zusammen, »eher an die Arbeit im Ensemble und einen größeren Kanon, in dem wir uns gemeinsam bewegen. Ich muss da auch gar nicht im Scheinwerferlicht stehen.« Für ihn persönlich besteht das Ziel immer wieder darin, nach dem intellektuellen Verstehen einer Idee einen instinktbetonten, archaischen Zustand zu erreichen – ein Arbeiten, das auch sein Stammhirn aktiviert. Aktuell arbeitet er an zwei Alben und der Musik für eine TV-Serie, es reizt ihn aber schon wieder, sich als Besucher und Akteur dem Theater zu nähern. Auch Marilies Jagsch beschäftig sich schon lange mit dem Theater. Die Musikerin hat das Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaften tatsächlich aus Interesse an den drei Themenfeldern absolviert, musste

sich dann aber für eine Richtung entscheiden und konnte nicht diese »verschiedenen Bereiche, in denen sich schwer Geld verdienen lässt« mit gleichem Nachdruck verfolgen. So wurde es die Musik. Jahre später hat sie nun im WUK im November letzten Jahres und heuer nochmal im Juni im Rahmen von Saint Genet mitgewirkt und dabei ihre Ausdauer getestet. Als Teil des Ensembles hat sie letzten

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Heimische MusikerInnen spielen bei der Vertonung von Stücken auf Theaterbühnen mitunter eine entscheidende Rolle. ———— Die Geschichten und Hintergründe, aus denen MusikerInnen immer wieder ans Theater gehen, um dort bei Stücken mitzuarbeiten, sind so vielfältig wie die Menschen und die Stücke. Und immer wieder setzen die Verbindungen dabei früher an als man vielleicht annehmen mag. So etwa auch bei Wolfgang Schlögl. Der vielseitige Musiker, der mal Teil der Sofa Surfers war, arbeitet heute fürs Fernsehen, produziert andere MusikerInnen und schreibt eigene Alben. Das Theater hat dabei für ihn, auch aufgrund seiner Eltern, schon als Jugendlicher eine prägende Rolle gespielt: »Meine Eltern hatten einen eher britischen Arbeiterethos und ein Bewusstsein dafür, dass Kultur früher etwas Elitäres war. Sie haben mich ermutigt ins Theater zu gehen, und eines Tages saß ich mit ihnen in Thomas Bernhards ›Heldenplatz‹ im Burgtheater – sie hatten ein Gespür für gesellschaftliche Momente.« Für ihn bestand Wien daher nicht nur aus den Clubs und Lokalen der Stadt, sondern war immer auch eine Theaterstadt, deren Generationenwechsel und Dynamik er mitbekam. Das Theater hat ihn auch von Anfang an als Musiker beeinflusst: Fragen nach Inszenierung und Authentizität etwa hat er für sich immer schon mit einer Nähe zur Inszenierung beantwortet. An beiden Metiers schätzt er, dass sie keine festgefahrenen Monolithen, sondern permanent in Bewegung sind.

»Musik ist im Theater noch immer ein Stiefkind, das um das Budget kämpfen muss. Es sind die RegisseurInnen, die MusikerInnen mitnehmen wollen und gemeinsam mit diesen gewisse Vorstellungen umsetzen.« — Bernhard Eder

Herbst die Musik zwar nicht mitgeschrieben, aber aufgeführt, und für eineinhalb Stunden ein sektenartiges Mantra in einem Zelt aus Blumen gesungen. Im Juni dauerte die Performance, für die sie Textstücke aus Aischylos »Agamemnon« aus der »Orestie« in loopartige Songs verwandelte, acht Stunden. Die Probezeiten bei diesem Projekt waren wegen der teilweise kurzen Anwesenheiten von Saint

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Genet ausgesprochen kurz, das Arbeiten fast improvisiert. Auch mit noch wenig eigener Erfahrung war das Theater für sie immer ein großer Einfluss und hat es ihr leichter gemacht auch als Musikerin auf der Bühne eine Rolle zu übernehmen. Der nun intensivere Kontakt zur Bühne kam für sie über Kollegen wie Lukas Lauermann, der ebenfalls in verschiedenen Bereichen arbeitet.

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Aufeinander reagieren Schon länger und regelmäßig für das Theater arbeitet Bernhard Eder, der gemeinsam mit David Lipp, der ihn dorthin brachte, auch für die Tontechnik am Max-Reinhardt-Seminar zuständig ist. Als Tonmeister teilen sie sich die Aufgaben, machen auch das Sounddesign für die Stücke und schreiben teilweise die Musik. Ausgehend von dieser Basis arbeitet Eder heute für mehrere Bühnen, unter anderem in München und St. Pölten – eingeladen wird er dazu meist von jungen RegisseurInnen, die ihn für ihre Projekte haben wollen. Neben strukturellen Unterschieden, wie jenem, dass die Projektzeit oft auf sechs bis acht Wochen beschränkt ist, ist für ihn der größte Unterschied zwischen Theater und Musik, dass er am Theater auf die Arbeit anderer reagiert, während er als Musiker seine Musik meist allein aus dem Nichts schafft. Dass er auf der Bühne wenig mit der Gitarre arbeitet und stattdessen eher auf alte Synthesizer, atmosphärische Flächen und tendenziell unübliche Instrumente wie Hackbrett, Glockenspiel und singende Gläser setzt, hat dazu geführt, dass der bisher tendenziell klassische Songwriter diese Mittel nun auch auf seinem kommenden Album in den Vordergrund rückt. Dafür, wie die Musik am Theater klingen soll, entscheidet er sich meist erst beim Lesen des Stückes. Mitunter führt das auch dazu, dass Bernhard Eder als Schauspieler Rollen übernimmt – erstmals 2011 in den »Nibelungen«, als er Volker von Alzey gespielt hat, und seitdem immer wieder. Das Theater ist für ihn aber noch auf eine andere Art eine angenehme Quelle: Für Videos zu seinen

Songs kann er so Kontakte zu jungen SchauspielerInnen nutzen, die aufgrund gegenseitiger Wertschätzung mitwirken.

Kleine Budgetposten

»Das Theater war für mich immer ein großer Einfluss und hat mir geholfen auch als Musikerin auf der Bühne eine Rolle zu übernehmen.« — Marilies Jagsch

Für alle drei hat das Theater auch eine ökonomische Komponente. Die Aufträge sind finanziell teilweise besser planbar, da – anders als bei einem Album – von vornherein klar ist, welche Summen für eine bestimmte Zeit und Arbeit verrechnet werden können – auch wenn sich auch hier Produktionen ändern und mitunter deutlich aufwändiger sind als geplant. Das liegt auch daran, dass Theater, zumindest größere Häuser, strukturell anders gefördert werden als dies bei der Popmusik der Fall ist. Aber auch diese Finanzierung ist in den letzten Jahren schlechter geworden und die sowieso schon tendenziell kleinen Budgetposten für Musik noch kleiner. Bernhard Eder ist sich dieses Problems bewusst: »Musik ist im Theater noch immer ein Stiefkind, das um das Budget kämpfen muss. Ein anderes Bewusstsein kommt hier erst auf. Es sind die RegisseurInnen, die MusikerInnen mitnehmen wollen und gemeinsam mit diesen gewisse Vorstellungen umsetzen.« Wolfgang Schlögl und Bernhard Eder, die beide auch im Ausland am Theater gearbeitet haben, können übrigens nicht von großen Unterschieden zwischen den Ländern berichten. Der Umgang miteinander ist vielleicht manchmal ein anderer und auch, dass es in Deutschland mehr Häuser und Bühnen gibt, die auch die Auswahl unter mehr MusikerInnen haben. Für alle drei gilt also letztlich, dass für die Arbeit am Theater die gleichen Grundlagen gelten wie für die Arbeit als MusikerIn: Die meisten Jobs nimmt man nicht wegen des Geldes an, sondern aus eigenem Interesse und aufgrund der KollegInnen, mit denen man zusammenarbeiten will. Martin Mühl

Sascha Osaka

»Man gründet gemeinsam mit AutorInnen, RegisseurInnen, SchauspielerInnen oder auch AusstatterInnen gemeinsam eine Art Band.« — Wolfgang Schlögl

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Benno Tobler

In ihrer »Welt-Klimakonferenz« vermittelt das Kollektiv Rimini Protokoll dem Publikum Hintergrundwissen, damit gemeinsam ein fiktives, rechtlich bindendes Klimaabkommen verhandelt werden kann.

»Immersive Kunst« zu machen, ist der Versuch, ein Publikum stärker einzubeziehen. Aber ist es auch für eine klassische Kunstform wie das Theater an der Zeit, sich mit Digitalität und neuen Erzählformen auseinanderzusetzen? ———— Über zehn Jahre ist es her, dass das Wiener Performancekollektiv »God’s Entertainment« 2006 mit ihrer Performance »Fight Club – Realtekken« eine Computerspiellogik in den theatralen Raum verlagert hat. Zwei ZuschauerInnen wurden mit Gamecontrollern und damit mit der Macht, die Bewegungen von zwei PerformerInnen zu steuern, ausgestattet. Mit Lichtsignalen wurde den SchauspielerInnen vermittelt, welche Kampfhandlungen sie im Zweikampf als nächstes einsetzen sollten – bis eine/r der beiden k.o. ging. Ob beim Steuern des Helden Link durch die fiktive Stadt Hyrule in »The Legend of Zelda«, beim Lenken eines Kämpfers bei »Mortal Kombat«, oder beim Versuch, den eigenen Avatar bei »The Sims« nicht – oder eben bewusst doch – sterben zu lassen: Millennials und Folgegenerationen sind damit aufgewachsen, die Kontrolle über Figuren und Handlungen in einer interaktiven Spielwelt übernehmen zu können. Während der Versuch von »God’s Entertainment« sich mit

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Digitalität und Games im Theater dem Medium des Computerspiels auseinanderzusetzen eher kulturpessimistisch anmutete, ist »Immersion« derzeit das vielleicht beliebteste Buzzword in Programmheften von Kultur- und Theaterfestivals und öffnet damit den Raum für Experimente mit digitalen Mitteln, um das Erleben eines Publikums in den Vordergrund zu stellen.

Eintauchen und mitgestalten Aus wissenschaftlicher Sicht ist der Begriff »Immersion« im Zusammenhang mit Theater- und Performancekunst ein streitbarer. Gemeint ist ein Erlebnis, in das sich gewissermaßen »eintauchen« lässt. Genau genommen handelt es sich dabei jedoch um eine Begrifflichkeit, die eine subjektive Rezeptionserfahrung umschreiben kann und somit auf der Seite der ZuschauerInnen liegt. TheatermacherInnen oder PerformerInnen können Immersion zwar intendieren, aber nicht voraussagen. Der Theaterraum, als Ort für ein Gemeinschaftserleben, hat lange Tradition. »In der Antike war das Theater der Ort, an dem Polis eine kollektive Erfahrung machen konnte. Der Chor rekrutierte sich aus den Bürgern Athens. Hier konnten sie sich öffentlich äußern und

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»All the world’s a play.«

zugleich das Gefühl der Gemeinschaft erfahren«, erklärt Stefanie Schmitt, Lehrbeauftragte am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien. Sie setzt sich unter anderem mit Erzähltheorie und Gegenwartsdramatik auseinander. »Immersion« sieht sie in einer Tradition mit dem, was Theater als Erlebnis zu erreichen vermag. Den Begriff der »Teilhabe« als mögliches Synonym verdeutlicht für sie dabei, was den Menschen an diesem Rezeptionsversprechen so reizt: »Ich habe Teil an etwas, das größer ist als ich selbst, das mich erweitert und das gleichzeitig ohne mich nicht in exakt dieser Form existieren könnte.«

Die Zukunft spielen Während Rezipierende in ein Theaterstück hineingezogen werden können, beispielsweise weil sie bei einer Handlung mitfiebern, oder sich empathisch in eine Figur hineinversetzen, gibt der Gamecontroller, mit dem sich eine Spielwelt steuern lässt, ganz andere Möglichkeiten des immersiven Eintauchens. Um das Versprechen des Labels »immersive Kunst« auch im Theaterraum einzulösen, kann das Experimentieren mit digitalen Formen und Computerspielelementen als

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Einzelstadtstaat weiter zu existieren. Alles, was das mit Tablet ausgestattete Publikum von nun an für politische Entscheidungen als stellvertretende Regierung Wiens trifft, hat für den Ausgang des Theaterabends Konsequenzen. Georg Hobmeier, österreichischer Multimedia-Künstler, konzipierte »Vienna – All Tomorrows« in der vergangenen Spielzeit für das Volkstheater. Er bringt sowohl einen Theaterhintergrund als auch Praxiserfahrung als Gamedesigner mit. Von 1997 bis 2002 studierte er Schauspiel am Mozarteum Salzburg, gründete jedoch 2014 das Designstudio für Social Awareness Games »Causa Creations«. Derzeit arbeitet er an drei Computerspielen und diversen Sonderprojekten, zu denen auch »Vienna – All Tomorrows« gehört. Bei der Planung von »Vienna – All Tomorrows« ging es ihm dezidiert darum, nicht bloß ein Theaterstück über Computerspiele zu erarbeiten, sondern ein tatsächliches Computerspiel für

»Unser Projekt hat eine neue Nische von Leuten aktiviert. Menschen, die nicht unbedingt ins Theater gehen, aber sich zum Beispiel für ›Pokémon GO‹ und das Spielen in tatsächlichen Räumen, wie auch ›Escape Rooms‹, interessieren.« — Georg Hobmeier

den Theaterraum zu entwerfen. »Unser Projekt hat eine neue Nische von Leuten aktiviert. Menschen, die nicht unbedingt ins Theater gehen, aber sich zum Beispiel für ›Pokémon GO‹ und das Spielen in tatsächlichen Räumen, wie auch ›Escape Rooms‹, interessieren.« Auch Philipp Ehmann versucht die Grenzen zwischen Theater, Spiel und Diskurs auszutesten. Ehmann, der unter anderem für das Grazer Schauspielhaus ein Demokratiespiel mit dem Titel »Libertalia 2.0« entworfen hat, setzt dabei nicht unbedingt nur auf Spielspaß, sondern durchaus auf Erkenntnisgewinne: »Das Ziel ist für mich immer Reflexion zu ermöglichen. Dabei arbeite ich auf verschiedenen Ebenen. ZuschauerInnen sollen nicht nur sitzen und zuhören, sie werden auch auf einer haptischen oder diskursive Ebene gefordert.« Anders als beim Sprechtheater, wo ein Publikum häufig eher verunsichert reagiert, wenn es in ein Theaterstück einbezogen wird, sieht Ehmann den Vorteil in alternativen Formen,

Gabriela Neeb, Alexi Pelekanos

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eine Chance wahrgenommen werden, um das Publikum zum Mitspielen zu aktivieren. Das Performancekollektiv »Rimini Protokoll« verlagerte beispielsweise 2014 das Setup einer Welt-Klimakonferenz, die im darauffolgenden Jahr stattfand, in das Deutsche Schauspielhaus Hamburg. Das Publikum übernahm die Rolle der VertreterInnen von 195 Nationen und wurde damit betraut, mit allerlei Hintergrundinformationen in Arbeitsgruppen ein fiktives rechtlich bindendes Klimaabkommen zu erarbeiten. Die Kontrolle über die Zukunft hatten auch die ZuschauerInnen von »Vienna – All Tomorrows«. In der Simulation, die mit Mitteln von Augmented Reality arbeitet, sind sie als Kleingruppen mit der Entscheidungsmacht ausgestattet, wie sich Wien in Zukunft entwickeln könnte. Die Handlung setzt an einem Zeitpunkt an, an dem Europa zu zerbrechen beginnt. Auf die Abspaltung Österreichs, den Öxit, folgt der Wixit. Wien versucht als

Darum, als Zuseher selbst Kontrolle zu übernehmen und politische Entscheidungen zu treffen, geht es sowohl bei Vienna All Tomorrow (oben und rechts) als auch bei »Lessons of Leaking« von machina eX (links).

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Digitale Gesellschaft, digitale Kunst Neben der Tatsache, dass Computerspiele mittlerweile als Kunst anerkannt werden, ist es vor allem die Omnipräsenz von Digitalität in unserem Alltag, die eine Beschäftigung mit Computerspielen und digitalen Spielformen für das Theater interessant macht. Ein gängiger Duktus der Theaterwelt bestand immer schon darin, sich einem Themenkomplex erstmal auf inhaltlicher Ebene zu nähern – ein Stück über das Thema zu schreiben. Diese Art der Auseinandersetzung scheint für Digitalität und Computerspiele jedoch nicht mehr zu funktionieren. »Für die Menschen, die mit Digitalität aufgewachsen sind – Generation X, Millennials, mittlerweile Generation Z –, für die funktioniert die Welt anders. Wir haben jetzt so eine starke Präsenz von Digitalität, wir müssen uns mit dem Digitalen auseinandersetzen, um die Gesellschaft überhaupt noch beschreiben zu können. Um neues Erleben beschreibbar zu machen, braucht es neue Mittel und Formen«, resümiert Georg Hobmeier. Ein Theater, das sich den Elementen von Computerspielen und Digitalität bedient, erzeugt auch andere Formen des Erlebens. Sind die Eigenheiten von Theater im klassischen Sinne Flüchtigkeit und Einmaligkeit, wie auch Unmittelbarkeit, so verschieben sich diese

»Das Theater als Form ist stark genug, dass es solche Formate nicht braucht. Aus Sicht eines Kulturmanagers erreichst du damit jedoch Menschen, die vielleicht kein Theater-Leporello aufschlagen, aber einem Instagramprofil folgen würden.« — Philipp Ehmann

Merkmale im Experimentieren mit digitalen Mitteln. Stefanie Schmitt erläutert: »Bei einer virtuellen Theatererfahrung verlagert sich die Unwiederholbarkeit vom Bühnengeschehen auf den Nutzer und die Einmaligkeit seines Blickwinkels. Wir machen eine Erfahrung, die ohne uns nie so stattgefunden hätte.«

Wem soll das Theater in Zukunft gehören? Auf die Nachfrage, ob ein Theater diese digitalen Mittel braucht, antwortet Clara Gallistl, ehemalige Dramaturgieassistentin am Burgtheater und derzeit mit Community Building und Audience Development am Werk X betraut: »Aus Sicht einer Kulturmanagerin: Ja, aus Sicht einer Künstlerin: Nein.« Auch Philipp Ehmann unterscheidet zwischen diesen Perspektiven: »Das Theater als Form ist stark genug, dass es das nicht braucht. Aus Sicht

eines Kulturmanagers erreichst du damit jedoch Menschen, die vielleicht nicht ein Theater Leporello aufschlagen würden, aber einem Instagramprofil folgen würden.« Die Beantwortung der Frage, ob es ein Theater mit digitalen Mitteln braucht, geht schlussendlich auch über den ökonomischen Aspekt eines Theaters, das auf der Suche nach neuem Publikum ist, hinaus. Wenn das Theater der Immersion als ein Theater der Teilhabe definiert wird, dann ist zu reflektieren, wer genau teilhat. Zudem führt die Überlegung, ob ein Theater mit digitalen Mitteln experimentieren sollte, unweigerlich zu einer Frage, die Theatermacher Björn Bicker bereits 2013 in seiner Rede anlässlich des 125-jährigen Burgtheater-Jubiläums gestellt hatte: »Wem gehört das Theater?« Und vor allem: »Wem sollte das Theater in Zukunft gehören?« Oliver Maus

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die auch mit anderen Grundvoraussetzungen arbeiten: »(Das) Spiel arbeitet anders als Theater, da es diskursiv ist, da es ein Ausprobieren ist. Ich habe einen Publikumsvertrag, der es zulässt, dass ausprobiert werden kann und ich weiß, dass das nicht schlimm ist.«

GAMES IM THEATER »Punchdrunk« (UK) inszenieren seit 2000 Theaterstücke als frei begehbare Installationen in Fabrikhallen. »extraleben« (CH) haben sich auf intermediales Theater spezialisiert und unter anderem 2013 ein »GTA«Theaterstück auf die Bühne gebracht. »machina eX« (D) haben sich 2010 in Hildesheim gegründet und verstehen ihre spielbaren Theaterstücke als Live-Games. »Kollektiv.Signa« (DK/AT) entwickeln Performance Installationen und in sich geschlossene Parallelwelten, zum Beispiel in »Wir Hunde / Us Dogs«, das 2016 im Volkstheater uraufgeführt wurde.

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Zeitgenรถssisches Theater neu gedacht

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Georg Soulek / Burgtheater

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»Es wird Welttheater gewesen sein«

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Wortmassen, Erdmassen, Erbmassen – in Thomas Köcks Stücken bewegt sich einiges. Wem es gelingt hier mitzuhalten, erlebt dafür ein Theater, das unsere Zeitordnung infrage stellt. ———— »Ich hatte Lust, einen großen theatralen Entwurf hinzuknallen und mir anzusehen, was ein Theatertext wirklich kann. Das war Theater ja auch einmal – man hat sich an einer literarischen Form, die Theatertext heißt, abgearbeitet. Gleichzeitig wollte ich der Form auch die Möglichkeit zurückgeben als literarische Form über die Welt zu reden. Auch, weil ich überzeugt davon bin, dass dramatische Texte viel mehr Freiheit bieten als beispielsweise ein Prosatext«, erklärt Theaterautor Thomas Köck, wenn man ihn nach dem Ausgangspunkt seiner viel gespielten Klima-Trilogie (paradies fluten, paradies spielen und paradies hungern) fragt. Der große Wurf sozusagen, der ein möglichst allumfassender Entwurf sein möchte. Kennt man die Arbeiten des 32-Jährigen nicht, klingt das vermutlich nach der weit ausholenden dramatischen Pranke der Weimarer Klassik – etwas angestaubt und ein wenig anmaßend. Von dieser Vorstellung wird man sich aber schleunigst wieder verabschieden müssen, wenn man sich in ein Stück des gebürtigen Steyrers setzt. Dort wird zwar auch weit ausgeholt, also vielzitiertes »Welttheater« gemacht, jedoch auf eine Weise, die viel zu unberechenbar zwischen scheinbaren Gegensätzlichkeiten hin und her springt, als dass sich hier jemals Staub ansetzen könnte.

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Mit diesem Ansatz wollte Thomas Köck auch dem entkommen, was er als »klassischen Österreich-Ästhetizismus« bezeichnet und sich für ihn vor allem darin ausdrückt, große Themen auszuklammern. Es war ein fehlendes historisches Bewusstsein der gegenwärtigen Österreichischen Literatur für globale Themen und historische Zusammenhänge, das ihn störte und das ihn, im Zuge seines Umzugs von Wien nach Berlin, auch dazu brachte, gar nichts mehr mit dieser Art der Literatur zu tun haben zu wollen. »Ich war während meiner Anfangszeit in Berlin so anti-sprachmelodisch eingestellt, dass ich mit Sprache eigentlich gar nichts mehr zu tun haben wollte und deshalb erstmal auch lieber nur noch Performance gemacht habe. Das Lustige daran ist, dass ich dann in Deutschland als ›österreichischer Autor‹ rezipiert wurde – obwohl ich dachte, dass ich auf eine ganz eigene Sprache hingearbeitet hätte«, erklärt er und lacht, weil er diese Kategorisierung heute nicht mehr ganz so tragisch nimmt. Sich für das erste große Projekt dann gleich auf ein Thema wie

den Klimawandel zu stürzen und hier den Begriff Klima so weit aufzudröseln, dass sich darin Natur und Kultur zwar oft scheinbar widersprüchlich, aber untrennbar miteinander verbinden, kann durchaus als größenwahnsinnig bezeichnet werden. Aber das muss man als Theaterautor und Erdenker ganzer Welten vielleicht ohnehin sein. Das Ohnmachtsgefühl, das manche gerade beim Thema Klimawandel oft verspüren, weil sie nicht glauben können, dass ihr ökologischer Fußabdruck jemals groß genug sein kann, um bleibenden Eindruck zu hinterlassen, kennt allerdings auch Thomas Köck: »Ich hatte anfangs beim Schreiben der Klimatrilogie dieses klassische Bild von einem Eisberg, der im Meer treibt, vor mir, vor dem ich als kleine Kaulquappe hocke. Es kam mir

»Gleichzeitig wollte ich der Form auch die Möglichkeit zurückgeben als literarische Form über die Welt zu reden. Auch, weil ich überzeugt davon bin, dass dramatische Texte viel mehr Freiheit bieten als beispielsweise ein Prosatext.«

Georg Soulek / Burgtheater

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In »paradies fluten« nahm sich Thomas Köck zum ersten Mal auf groß angelegte Weise der Klimathematik an.

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unmöglich vor, das Thema in den richtigen Blick zu kriegen. Gleichzeitig hat das eine große Lust und Energie freigesetzt, weil ich dachte, dass man daran eh nur scheitern kann. Wenn Kunst alles kann, dann schließlich auch scheitern.«

Krisenstimmung

Vergangene Zukünfte Thomas Köck setzt gerne Chöre in seinen Stücken ein und möchte auch, dass diese als solche inszeniert werden. »Ich fand es schon öfter sehr spannend, dass selbst wenn man ›Chor‹ in den Theatertext schreibt, man nicht immer auch einen Chor bekommt. Es ist eben auch einfach ein Mittel, das Arbeit erfordert – in dem überhitzten, schnellen Betrieb möchte sich diese Zeit aber leider kaum jemand nehmen. Als wir für Klagt, Kinder, klagt mit den Kindern gearbeitet haben, fand erstmal eine Woche lang ein Workshop statt, bevor wir da-

Georg Soulek / Burgtheater

Aus dem Nachdenken über spekulativen Realismus und Futurismus entwickelte sich bei Köck eine Utopie gegen das Denken der Alternativlosigkeit und daraus eine philosophische

Auseinandersetzung mit den Themen Klima und Klimawandel. Der erste Teil seiner Klimatrilogie, der aus diesem Nachdenk- und Rechercheprozess entstand, war paradies fluten, das in der Spielzeit 2017/18 am Akademietheater gezeigt wurde. Die Bühne des Akademietheaters schien dabei fast zu klein für all die Farben, Kostüme, den Schlamm und das Wasser, das Regisseur Robert Borgmann für seine Inszenierung einsetzte. Sehr viel Raum, um Gedanken entstehen zu lassen, nahm sich auch der Autor beim Erstellen des Textes und spannte den Bogen so weit, dass die Konzentrationsfäden einzelner ZuseherInnen wohl hie und da mal kurz abzureißen drohten. Im Stück selbst geht es einerseits um eine Kleinfamilie der Gegenwart, die an der Pleite ihres Unternehmens zu zerbrechen droht, andererseits um die Ausbeutung indigener Völker bei der Kauhdes 19. Jahrhunderts. Als produktive Metapher funktioniert

Klima bei Thomas Köck auf sehr vielen verschiedenen Ebenen, die er zu einem hochexplosiven Bündel verschnürt. Obwohl die beiden darauf folgenden Stücke, paradies hungern und paradies spielen, nicht ganz so weit ausholen, verbinden sich auch hier persönliche und gesellschaftliche Krisen mit der Klimakrise. Auch das Thema Erben dringt in der Klimatrilogie immer wieder durch, schließlich verschieben sich Erdmassen und Erbmassen nicht völlig unabhängig voneinander. In Köcks Stück Die Zukunft reicht uns nicht (Klagt, Kinder, klagt), das am 9. November 2017 im Schauspielhaus uraufgeführt wurde, ist dann überhaupt in erster Linie von einem anstehenden Erbe, das nur leider niemand haben möchte, die Rede. Dafür versammelte Köck in Co-Regie mit Elsa-Sophie Jach vierzehn trotzige Teenager zu einem Chor und ließ sie stimmgewaltig erklären, dass den Toten endlich ein Strich durch die Erbschaftsrechnung gemacht werden muss. Unter einer derart verhunzten Erbmasse möchten sie nämlich sicher nicht begraben werden.

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»Ich hatte anfangs beim Schreiben der Klimatrilogie dieses klassische Bild von einem Eisberg, der im Meer treibt, vor mir, vor dem ich als kleine Kaulquappe hocke.«

Eine Fülle an Schlamm, Schmutz und Farbe prägte die Inszenierung am Akademietheater.

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o-pop

»ghostdance ist eigentlich das Projekt, an dem ich momentan am liebsten arbeite. Eigentlich wollte ich Andreas schon bei Klagt Kinder, klagt als Musiker haben, damals ging es sich aber leider nicht aus.«

Im Stück »Klagt Kinder klagt« spricht ein 14-köpfiger Kinderchor gegen ein Erbe an, das sie nicht haben möchten.

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Tanz-Festival gezeigt wird, bedient sich dieser Methodik auf ganz spezielle Weise. Die Soundinstallation lässt sich am einfachsten als Kreis unterschiedlicher Soundquellen vorstellen, die verschiedene Sound- und Sprachsamples abgeben. Die Materialsammlung ist jedoch nicht immer die gleiche, sondern wird von Performance zu Performance verändert. »ghostdance ist eigentlich das Projekt, an dem ich momentan am liebsten arbeite. Eigentlich wollte ich Andreas schon bei Klagt Kinder, klagt als Musiker haben, damals ging es sich aber leider nicht aus. Der Kontakt blieb aber bestehen und wir begannen uns, vor allem zum Thema Hauntology, intensiv auszutauschen. Außerdem arbeitet Andreas auf sehr ähnliche Weise mit Found Footage wie ich.« Die Gespenster der Vergangenheit aus Thomas Köcks Stücken und Performances müssen jedoch nicht immer aus der Vergangenheit stammen, sondern können auch aus der Zukunft sein. In der Wendung »es wird gewesen sein«, die in seinen Stücken immer wieder in unterschiedlichen Formen vorkommt, verkapselt sich dieser Gedanke. Damit wird es möglich, sich selbst immer aus der Zukunft heraus zu betrachten – als ginge es dabei um jemanden, der schon tot ist. So möchte Thomas Köck dem Terror der ständigen Gegenwart und andauernden Verfügbarkeit entkommen und einen neuen Zeitbegriff einführen, der auch für ghostdance zentral ist. Ob man den heurigen Preisträger des Mülheimer Dramatikerpreises dann überhaupt als einen der spannendsten TheaterautorInnen der Gegenwart bezeichnen kann? Wir tun es ganz einfach. Sarah Wetzlmayr

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nach ganze zehn Wochen proben konnten. Als Standard gelten mittlerweile allerdings leider eher sechs Wochen«, so Köck. Dabei liegt für den jungen Theaterautor genau im Chor der Nukleus von Theater überhaupt, denn einen Chor bekommt man ausschließlich auf einer Theaterbühne. Die Klagen seines TeenagerChors lässt Köck aber immer wieder von eingespielten PolitikerInnen-Zitaten durchbrechen, die in den Text hineinmontiert wurden. Durch Methoden wie Montage, Collage und Sampling wird das Schreiben für den jungen Theaterautor auch immer zu einer Form von Handwerk. ghostdance, eine Performance, die gemeinsam mit Andreas Spechtl entstand und am heurigen Impuls-

Matthias Heschl, MaxZerrahn

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Köcks momentanes Lieblingsprojekt »ghostdance« entstand gemeinsam mit Musiker Andreas Spechtl.


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Gestaltung: Alexander Ach Schuh, Illustration: Monika Ernst

26-29 Juli Karlsplatz AIVERY, ALICED, ANGER, ASH MY LOVE &THE CLAPPING ORCHESTRA OF JOY, BATTLE-AX, CLEMENS DENK , DIVES, DJ DAALIYAH & SNEKBOI, VERENA DÜRR, DUZZ DOWN SAN, ALICIA EDELWEISS, ESRAP, FARCE, THOMAS FRECHBERGER, FEMME DMSISTERS, GUSTAV, HANSI LANGTRIBUT FEAT. WICKERL ADAM & FRIENDS, HEARTS HEARTS, JUNG ANTAGEN, KAHLENBERG, FELIX KRAMER, LOVE GOOD FAIL, LUKAS ANTOS, LUKAS LAUERMANN, LUPIN, MALA HERBA, MAVI PHOENIX, MELT DOWNER, ALEX MIKSCH TRIO, MONOPHOBE, MONSTERHEART, NAKED CAMEO, NAKED LUNCH, NATALIE OFENBÖCK, OKMA, CHRISTIAN POLSTER & RELUPS, PRESSYES, PAUL PLUT, PAUT, PAULS JETS, KREISKY, KROKO JACK, KREIML & SAMURAI, RÁN, STEFANIE SARGNAGEL, DAVID SCHWEIGHART, SEA URCHIN, SIRTRALALA, SIRIUS & DARKTUNES, SNOWW CRYSTAL, ANDREAS SPECHTL, TONY RENAISSANCE, TONY WEGAS, ШAПKA [SCHAPKA], DJ UNIVERSAL BEATNIK, ÜBERRASCHUNGSKONZERT, WIENER BESCHWERDECHOR

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Mit den Stücken »Dance Clinic« und »UnBearable Darkness« ist Künstler Choy Ka Fai gleich zweimal am diesjährigen ImPulsTanz-Festival vertreten. Obwohl die beiden Performances des momentan in Berlin lebenden Künstlers sehr unterschiedlich sind, ist ihnen doch eines gemeinsam: Der Prozess steht immer über dem fertigen Produkt. Wie ist die Idee für Dance Clinic entstanden? Ist die Show als Kritik an der wachsenden Abhängigkeit von künstlicher Intelligenz zu sehen oder ist dieser Ansatz zu einfach? choy ka fai: Ein Großteil der Menschen, die Dance Clinic schon gesehen haben, sind mit genau dieser These an das Stück herangegangen, haben es also als eine Kritik an der immer größer werdenden Abhängigkeit der Menschen von modernen Technologien, wie künstlicher Intelligenz, gesehen. Tatsächlich war das aber gar nicht so sehr mein Anspruch, zumindest nicht bewusst. Ich habe nämlich mit dem sehr naiven Ansatz daran zu arbeiten begonnen, Muskelspannungen zu messen, um Daten zu generieren, die mit bestimmten Bewegungsabläufen zusammenhängen. Diese Informationen habe ich dann ins Umfeld des Tanzes übertragen. Nachdem ich den Körper

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durchanalysiert hatte, wollte ich noch tiefer in das Thema hinein und herausfinden, was sich während des Tanzens in den Köpfen der TänzerInnen abspielt. Dafür habe ich sehr viele TänzerInnen und ChoreografInnen interviewt und im nächsten Schritt Hirnstrommessungen durchgeführt, um herauszufinden, wo sich die TänzerInnen während der Performance mit ihren Gedanken befinden. Zwei Jahre habe ich mit diesen Ideen herumexperimentiert und mir dann die Frage gestellt, was ich mit all den gesammelten Daten tun möchte – so ist letztendlich die Idee der Dance Clinic entstanden, in der ich als Dance Doctor agiere. Hat ein Performer oder eine Performerin beispielsweise das Gefühl, dass es ihm oder ihr an Selbstbewusstsein oder Bühnenpräsenz mangelt, möchte ich mit meiner Analyse der Hirnströme eine Hilfestellung bieten. Mit meinen Messungen habe ich eine gewisse wissenschaftliche Autorität, mit der ich an die TänzerInnen herantreten kann. Wie ist dieser Zugang bis jetzt bei den TänzerInnen angekommen? Bist du auf große Skepsis gestoßen? Ich dachte anfangs, dass sie skeptisch sein würden, war dann aber überrascht, dass sie sehr offen darauf reagierten. Die meisten wa-

ren auch sehr interessiert, weil sie selbst natürlich meistens auch gar nicht wussten, was während der Performance in ihren Köpfen vor sich geht. Dance Clinic hat klarerweise für mich einen wissenschaftlichen Anspruch –ich möchte dabei aber natürlich auch, dass nicht nur ich am Schluss mehr weiß, sondern auch die TänzerInnen mehr über sich selbst herausgefunden haben. Wie bist du zu den Informationen über all diese technologischen Möglichkeiten gekommen? Vieles davon war ganz einfach ein Ausprobieren, das auch von vielen Fehlern begleitet war. Ich habe mich aber auch mit einigen NeurowissenschaftlerInnen getroffen – ihr Institut lag ganz in der Nähe des Royal College of Art in London, an dem ich studiert habe. Ich glaube einfach, dass es mitunter auch dieser Punkt ist, der das Projekt innerhalb der Tanzszene so spannend macht – eine völlig andere Perspektive auf zeitgenössischen Tanz mit dem Publikum zu teilen. Es geht dir mit diesem Programm also gar nicht um eine Kritik an dem Verlangen vieler Menschen, sich permanent selbst zu überwachen?

Law Kian Yen, Katja Illner

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Tanzen bis der Arzt kommt Choy Ka Fai im Interview

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Als »Dance Doctor« analysiert Choy Ka Fai auch die Performance von Choreografin Florentina Holzinger.

Die ZuseherInnen der letzten paar Shows haben es durchaus auch auf diese Weise interpretiert. Ich glaube, dass das auch daher rührt, dass viele Menschen einfach auch Angst vor der Zukunft, genauer gesagt, vor der künftigen Abhängigkeit von künstlicher Intelligenz haben. Allerdings ist das eine Entwicklung, die sich von einzelnen Menschen nicht stoppen lässt – darüber spreche ich auch in meiner Show. Ich wollte darüber nachdenken, inwieweit es möglich wäre, ChoreografInnen durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz zu ersetzen, oder ihnen eine Hilfestellung zu bieten. Ich zeige also einfach auf, wie sich diese Zukunft auch auf den Tanz auswirken könnte – wenn man so will auch durchaus kritisch, aber niemals mit einer perfekten Lösung im Gepäck. Wird das nicht aber beim Tanz besonders schwierig, weil es sich dabei um das unmittelbarste und natürlichste Ausdrucksmittel handelt? Ich beantworte diese Frage am besten mit einer Fallstudie, die auch Teil von Dance Clinic ist. Die Geschichte ist die eines

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Tänzers aus dem Westen Papua Neuguineas, der gerne eine Verbindung zu den traditionsreichen Tänzen und Ritualen seiner Urväter aufbauen möchte, aber damit kämpft, die Verbindung dorthin durch die Christianisierung Papua Neuguineas verloren zu haben. Um diese wiederherzustellen, begibt er sich in eine Art Trance-Zustand, die ihm diese Verbindung ermöglicht. Für mich sind die Stimulatoren, mit denen das möglich wird, und auch die Hirnströme, die diesen Zustand begleiten, sehr spannend. Mein Ziel – und das ist auch Teil der Show – ist es, ihm zu helfen, in diesen Trance-Tanz hineinzufinden. Zusätzlich habe ich auch bemerkt, dass sich das Publikum während Dance Clinic zu dem ein oder anderen Lacher hinreißen lässt. Für mich eine angenehme Gegenposition – schließlich ist es doch oft so, dass gerade bei Aufführungen, die auf großen Bühnen oder im Zuge sehr angesehener Festivals stattfinden, sich nur wenige trauen, auch mal zu lachen … Ich glaube, dass das ganz stark kulturell bedingt ist. Zeige ich meine Shows in Europa, merke ich, dass sich kaum jemand zu lachen traut. In Asien sieht das schon wieder ganz anders aus – da bricht im Publikum sehr schnell mal Gelächter aus. Doch auch das ist nicht immer optimal, weil ich oft das Gefühl habe, dass sie nach dem ersten Lacher auch über alles andere lachen und die Aufmerksamkeit dadurch verloren geht. Ich habe mit Dance Clinic aber noch nicht so viele Erfahrungen sammeln können, weil Wien nach Singapur und Düsseldorf erst die dritte Station ist, wo ich die Show auf diese Weise zeige. Im Rahmen von ImPulsTanz gibt es aber noch eine zweite Show von dir, UnBearable Darkness, die sich vor allem mit dem japanischen Butho-Tanz beschäftigt. In welcher Weise? Bei Butho geht es für mich gar nicht so sehr um den Tanzstil, sondern um die Essenz

dieses Tanzes und die Haltung, die eng damit verbunden ist. Diese Haltung ist nämlich vor allem eine, die sich in Rebellion ausdrückt. Tatsumi Hijikata, der Gründer des ButhoTanzes, hat diesen auch als Antithese zu den Tänzen des Westens erfunden. Dennoch kam Butho 1978 auch nach Europa, stieß vor allem in Frankreich auf große Beliebtheit und es begannen auch viele EuropäerInnen den Tanz zu lernen. Diese »zweite Generation« der Butho-TänzerInnen kommt für mich allerdings an die erste nicht heran. Weil ich von dieser zweiten Welle an Butho-TänzerInnen so frustriert war, habe ich beschlossen, mit dem Gründer darüber zu sprechen, dieser ist aber schon seit 1986 tot. Deshalb habe ich damit begonnen mich mit dem Thema Schamanismus auseinanderzusetzen und jemanden gefunden, der mir tatsächlich dabei helfen konnte, Hijikata anzurufen. Es funktionierte, allerdings war vor allem anfangs sehr viel Unsicherheit dabei, weil ich nicht wusste, ob er mich wirklich sehen möchte – schließlich sind wir nicht verwandt und waren auch nicht befreundet. Glücklicherweise willigte er in mein Vorhaben ein, denn ohne seine Einwilligung hätte ich UnBearable Darkness auf keinen Fall gemacht.

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»Ich wollte darüber nachdenken, inwieweit es möglich wäre, ChoreografInnen durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz zu ersetzen, oder ihnen eine Hilfestellung zu bieten.«

Du warst 2015 schon einmal Teil des ImPulsTanz-Festivals. Auf Basis dieser Erfahrungen – was sind deine Hoffnungen und Erwartungen für dieses Jahr? Ich bin schon sehr nervös, obwohl mein Stück 2015 sehr gut ankam. Deshalb glaube ich auch, dass das Publikum hier doch sehr viel positiver darauf reagieren wird als beispielsweise in Japan, wo ich für UnBearable Darkness angegriffen wurde, weil das Publikum mein Stück als Angriff auf die Tradition des Butho-Tanzes verstanden hat. Sie waren sehr verärgert, haben die Performance aber nicht verlassen, weil man das, im Gegensatz zu Österreich, in Japan einfach nicht tut. Sarah Wetzlmayr

Choy Ka Fai studierte am Royal College of Art in London, war Resident Artist am Künstlerhaus Bethanien in Berlin, bevor er das Tanzhaus NRW in Düsseldorf zu seinem Tanzlabor machte. Seine Arbeiten waren auf mehreren großen Festivals, wie dem Sadler’s Wells London und dem Tanz im August Festival in Berlin zu sehen. Mit dem Stück »Soft Machine« besuchte er 2015 schon einmal das ImPulsTanz-Festival in Wien.

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Workstation Menschen am Arbeitsplatz Michael Mickl

Thomas Nußbaumer, Eventmanagement Biorama / FairFair

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Ganz nach dem Motto »Nach dem Event ist vor dem Event« beginnen schon jetzt, wenige Wochen nach der Biorama FairFair die Vorbereitungen für das nächste Jahr. Thomas Nußbaumer ist als Teil des Biorama-Eventteams einerseits vor Ort für die Koordination des Auf- und Abbaus sowie den planmäßigen Ablauf verantwortlich, befindet sich aber schon jetzt in regelmäßigen Austausch mit AusstellerInnen und Sponsoren. Seine aktuelle Hauptaufgabe: Die Suche nach einer neuen Location für die kommende Biorama FairFair, die Indoor und Outdoor genug Platz bietet und öffentlich gut erreichbar ist. Yasmin Vihaus

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Kevin Reiterer, Eventmanager Biorama / Craft Bier Fest Kevin Reiterers Job klingt im ersten Moment nach dem Traum vieler BierliebhaberInnen. Als Head Of Events bei Biorama ist er unter anderem für die Organisation des Craft Bier Fests zuständig und macht damit in gewisser Weise seine Leidenschaft für feine Hopfengetränke zum Beruf. Dahinter steckt – neben der Pflege von Beziehungen zu Bierlokalen und Brauereien in ganz Österreich und damit einhergehenden Verkostungen – allerdings auch vieles, das sich mit Bierkonsum weniger gut verbinden lässt: Locationscouting, Ausstellerakquise, Pressearbeit, Social Media Betreuung, Sponsoren- und Medienpartner-Akquise und nicht zuletzt ein fast 24/7-Einsatz während dem Events selbst. Neben dem Craft Bier Fest kümmert sich Kevin auch um die anderen Veranstaltungen von Biorama und hat dabei vor allem gelernt: »Die größte Herausforderung ist, dass im EventmanageYasmin Vihaus ment eine Kleinigkeit plötzlich zum größten Problem werden kann.«

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PROSA — RAPHAELA EDELBAUER

TUTTI FRUTTI Die Macht der Vitamine macht müde Knochen wieder munter und hilft auch sonst rundum fit zu werden oder es zu bleiben. Mit satirischem Feingespür zerlegt Raphaela Edelbauer Optimierungs- und Heilsversprechen der Nahrungsmittel- und Pharmaindustrie.

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wieder 100 kg rauf auf 137 kg kletterte. Tja, klassischer Jojo-Effekt eben. Eine Freundin empfahl mir Fruit Powder™ – und auf der Website fand ich auch einige hilfreiche Tipps: Morgens eine kalte Dusche, dann um 9, 12, 15, 17, 19 und 21 Uhr je eine proteinreiche Mahlzeit von ca. 342 kcal und um 10, 12, 14, 16 und 18 Uhr einen kleinen Lauf von ca. 2 km, voilá! Gewicht gehalten.

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Hallo mein Name ist Elisa und ich möchte meine Geschichte mit euch teilen. Ich bin 21 Jahre alt und hatte mein Leben lang mit Neurodermitis zu kämpfen, später kam auch Schuppenflechte hinzu. Ich isolierte mich sozial zusehends, zog während meiner Ausbildung in der Krankenschwesternschule lange weiße Hemden an, da ich mich für meine Haut schämte. Hätte ich damals gewusst, dass alles, was es braucht, drei Scoops Fruit Powder™ und drei Einheiten Sport pro Woche sind, hätte ich niemals mit Cortison angefangen! Lasst euch nicht unterkriegen, Mädels, und ach ja, wascht eure Haare nur mit Wasser und ein wenig Eidotter, dann glänzt auch alles wieder.

Hallo, ich bin Karsten, 38, aus dem schönen Rheinland und leider wurden bei mir vor drei Jahren Morbus Crohn sowie X-Beine diagnostiziert. Hätte ich damals doch gewusst, dass Clean Eating, Crossfit, eine streng frutarische Ernährung und Fruit Powder™ zusammen mit FischölSupplements mich wieder gehen lassen und meinen Darm innerhalb weniger Monate sanieren! Aufgepasst, liebe Leute: Einmal pro Stunde muss man einen anabolen Response triggern, wozu ich eine Tag und Nacht bereitliegende Hantel mit 200 kg zweimal hochhebe. Ja, das inkludiert auch die Nachtstunden – einfach stündlich den Wecker stellen und zweimal die Hantel deadliften, dann einen Shot mit den Superfoods Gerstengras, Avocado, Shiitake Pilzen, Quinoa, Kurkuma und Fruit Powder™. Seitdem habe ich wieder einen Marathon gefinished und arbeite an meinem ersten Ironman Hawaii!

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Heute will ich einmal meine eigene Geschichte erzählen. Ich hatte es nach einer Schwangerschaft schwer, mein Gewicht zu halten. Im Herbst 2009 wog ich bereits 92 kg. Im Mai 2010 wieder 52 kg. Im Dezember desselben Jahres nahm ich auf 104 kg zu. Anfang 2011 wog ich durch einen Neujahrsvorsatz wieder 41 kg, und leider durch einen Ausrutscher zu meinem Geburtstag im März doch wieder 122 kg, die ich durch konzentriertes Nordic Walking auf 39 kg runterschraubte, jedoch bald zuschauen musste, wie die Waage

Ja, nun also mein eigener Erfahrungsbericht. Ich litt an Darmverschluss, Gehörsturz, nach dem Tod meiner Mutter auch an Thrombosen, Skoliose, einem Katarrh, dazu natürlich an Aussatz, Bandscheibenvorfall und einem Adenosarkom. Ich war so gut wie gelähmt. Alle Ärzte empfahlen mir, sofortige palliativmedizinische Maßnahmen einzuleiten, aber ich war schon immer eine Kämpferin und wollte so schnell nicht klein beigeben. Mit 22 Fruit Powder™-Tabletten nehme ich umgerechnet 3,2 Tonnen Gemüse zu mir, das gibt ordentlich Power.

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Raphaela Edelbauer

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FRUIT POWDER™!

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Ein Wiener Arzt injizierte mir zum Immunaufbau ein Ozon-Sauerstoffgemisch. Seitdem lebe ich in einem Zelt, das die Bedingungen des Camp 4 am Mount Everest simuliert. Es ist schwierig, sich nur von Fruit Powder™ zu ernähren und bei -14 Grad zu leben, doch das sind nun einmal die Bedingungen, für die unser Körper gemacht ist.

Raphaela Edelbauer

5 Mein Name ist Waltraud, und ja, ich war bereits einmal klinisch tot, bevor ich Fruit Powder™ entdeckte. Als ich im Jahr 2011 betrunken Auto fuhr und auf einmal einen epileptischen Anfall erlitt, krachte ich mit 200 km/h in eine Betonmauer auf der A1. Nach sieben Wochen im Koma wachte ich auf, vier Wirbel gebrochen, und vom Hals abwärts gelähmt, schweres Schädelhirntrauma. Jeder andere Arzt hätte mich sofort operiert, doch ich hatte Glück an einen Mediziner zu geraten, der von der Macht der Vitamine überzeugt war, und mir Fruit Powder™ mit Eigenblut und Stammzellspenden ins Rückenmark injizierte. Es dauerte keine drei Tage, da konnte ich mich wieder aufsetzen. Die Krankenschwestern trauten ihren Augen nicht, als ich die atrophierten Hände erhob und mit neu erweckten Muskelfasern mir die Zugänge aus den Adernkränzen riss, die wie frisch erwacht auf meinen Unterarmen hervortraten. Wer hätte gedacht, dass ich den Rollstuhl vor den Augen meiner täglichen Visite ergreifen und an der Wand zerschmetternd in seine rostigen Einzelteile zerlegen würde? Die bettlägerige Dame neben mir schlackerte mit den Ohren, da ich nun mit purer Muskelkraft die zuvor als Fixierung in meinem Kreuz eingedrehten Schrauben wie Champagnerkorken aus dem Knochenmaterial schnalzen ließ. »Das ist Fruit Powder™«, sagte ich vergnügt dem Stationsarzt auf der Intensivstation, und kniff im Krankenhausröckchen keck die äußerst kraftvoll geschwollenen Hinternbacken zusammen, ehe ich zum Leben bereit in die Stadt federte.

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zählt seit geraumer Zeit zu den spannendsten Autorenstimmen in Österreich. Die 28-jährige Wienerin studierte Sprachkunst an der Universität für Angewandte Kunst bei Robert Schindel und veröffentlicht regelmäßig in Literaturmagazinen und Anthologien. Für Furore sorgte Edelbauers Debütroman »Entdecker. Eine Poetik« (Klever Verlag) – eine ebenso feinsinnige wie fordernde Synthese zwischen Sprache und Naturwissenschaften. Als einzige österreichische Teilnehmerin liest Edelbauer heuer übrigens bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt.

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Raphaela Edelbauer

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Gewinnen thegap.at/gewinnen

Nerf Supersoaker

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Sommer ist die Zeit der Wasserspiele. Wir verlosen je eines der folgenden Modelle: Der Scatter Blast ist ein kompakter Wasserblaster, der dank einer speziellen Düse fünf Wasserstrahlen auf einmal abfeuert. Der Super Soaker Splash Mouth bietet zwei Spritzmodi: Den Wasserstrahl und die Splash-Attacke für den Nahkampf! Und der Twin Tide bietet zwei Düsen für doppelten Spaß! Zeit, nass zu werden.

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Popfest 2018 Gemeinsam mit dem Popfest 2018 verlosen wir drei bunt gefüllte Goodiebags. Diese bestehen aus einer Reihe wunderbarer Pop-Gegenstände, darunter eine Stofftasche, PopfestT-Shirts, natürlich Schallplatten, CDs und Plakate.

A Beautiful Day

Red Sparrow

Die britische Regisseurin Lynne Ramsayhat mit »A Beautiful Day« ein angenehm kompaktes Drama geschaffen. Joaquin Phoenix spielt darin einen alternden Berufskiller, der in Selbstjustiz entführte Mädchen befreit und in einen dichten Albtraum gerät. Wir verloren drei DVDs.

Jennifer Lawrence steht im Zentrum dieses Agententhrillers um eine ehemalige Ballerina, die dazu gezwungen wird, eine Ausbildung in der Sparrow School zu absolvieren – einem Geheimprogramm der Regierung, aus dem sie als tödliche Agentin hervorgeht. Wir verlosen drei DVDs.

Tomb Raider

Lady Bird

Nach dem Reboot der Game-Serie vor einigen Jahren, wurde mit »Tomb Raider« auch die Filmreihe einem Update unterzogen. Lara Croft ist hier keine großbusige Abenteurerin, sondern eine noch junge Frau, die ein großes Erbe antritt … Wir verlosen eine DVD und eine Blu-Ray.

Greta Gerwig schrieb und verfilmte mit »Lady Bird« das einfühlsame Porträt der 17-jährigen Christine, die lieber Lady Bird genannt werden will und sich gegen die Vereinnahmung durch ihre Umwelt wehrt, um auf eigenen Beinen zu stehen. Wir verlosen zwei DVDs und zwei Blu-Rays.

I’m A Cyborg, But That’s Okay

Shape Of Water

Überzeugt, ein Cyborg zu sein, schließt Younggoon ihren Körper an eine Steckdose an, um sich aufzuladen. Sie überlebt, wird aber in eine Nervenklinik eingewiesen, wo sie den Sinn ihrer Existenz als Mensch-Maschine zu ergründen versucht. Wir verlosen zwei Mediabooks auf DVD.

Märchenonkel Guillermo del Toro schickt die ZuseherInnen in »Shape Of Water« in die USA Mitte des letzten Jahrhunderts: Eine Putzfrau verliebt sich in ein gefangen gehaltenes Wasserwesen und kämpft gemeinsam mit diesem um seine Freiheit. Wir verlosen drei DVDs.

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Rezensionen Musik Sir Tralala

Hanna Partaj

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Eine süße, zarte Todesmelodie. Der erste Akkord, die Teufelsgeige im G’nack, diese elendigen Kojoten da hinten, die warten schon auf dich. Kopfhörer auf, Land unter. Scheißegal. Vom ersten Ton an hat es dich im Griff. Loslassen unmöglich, festhalten überlebensnotwendig. Der Satan leibhaftig erscheint dir. Dort, wo du es zu erwarten hast. Am Rechaud, wo du dein Gift kochst. Im Café Bauchstich. Vom Sir Tralala. Sein »Der uroide Wanderer«, die erste Nummer dieses Albums voller Coverversionen, reißt dich aus allem, was du gekannt hast. Atmosphärisch ein Wahnsinn. Klar, den »Wayfaring Stranger«, ein Stück voller gar arger Anziehung, haben schon andere kultiviert – der Cash Johnny, das belgische ArthouseKino, quasi alle. Klar, viele haben internationalen Standards das Wienerische als Tschuck auf’s Aug’ draufgehaut und damit brilliert. Der Scheitel, Die Neigungsgruppe, der Molden, die Pelz-Buben. Aber dass einer ein Stück so gut zu seinem eigenen macht – ein Wahnsinn. Leck Oasch! Und ganz ehrlich, unter uns: Das zieht sich durch das ganze Album. Loslassen unmöglich. Du hast keine Chance. Der David Hebenstreit (aka Sir Tralala), der jetzt ganz schön lange nichts mehr solo gemacht hat, aber bei oben Genannten immer wieder mal auf der Bühne zu sehen war, beobachtet dir da die Leute so genau, da musst du zuhören und mitreden. Er pickt sich die ganz Grindigen raus, die Dahinvegetierer, die Säufer, die G’schissenen. Er überhöht sie nicht, er gibt ihnen trotzdem den Platz, den sie brauchen. Und er gibt ihnen die Klänge, die ihr Wirken verstärken. Den räudigsten Americana – wie beim Opener und auch beim bereits schon mal vom Molden verwienerischten »I Drink« von Mary Gauthier –, den düstersten Psych-Blues beim tief-tief-bösen »Hundsblues« und beim geradezu Deix’schen »Schiach« und den wunderbarsten Pedal-SteelSchunkler zwischen dem ehemaligen Los Angeles und dem verdampften Schwarzen Meer bei »Biachl«. Ebenjenes Stück unterbreitet die Conclusio, die einem nach »Echt gute böse Lieder«, nach dem schonungslosen Blick auf die Beschissenheit der Dinge wohl noch bleibt: »Und heute sauf i noch viel mehr als sie, weil’s mich einfach net mehr gfreit.« (VÖ: 7. September) Dominik Oswald

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Echt gute böse Lieder — Schallter

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Filmpremiere Asphaltgorillas

NE GEWIN

75 K×ET2S TIC

Regisseur Detlev Buck wagt sich mit seinem mitreißenden neuen Film in die Berliner Unterwelt vor: Der Kleinkriminelle Atris will nicht länger nur Handlanger sein, sondern hat Hunger auf mehr. Gangsterboss El Keitar ist damit natürlich alles andere als einverstanden …

Di., 28. August, 20.15 Uhr Apollo – Das Kino Gumpendorfer Str. 63, 1060 Wien Wir verlosen 75 × 2 Tickets für die Premiere von »Asphaltgorillas«. Der Film wird in deutschsprachiger Originalversion gezeigt. Die Gewinnspielteilnahme ist bis 21. August unter thegap.at/gewinnen möglich.

In Kooperation mit

Teilnahmebedingungen: Die Gewinnspielteilnahme kann ausschließlich unter der angegebenen Adresse erfolgen. Die GewinnerInnen werden bis 23. August 2018 per E-Mail verständigt. Eine Ablöse des Gewinns in bar ist nicht möglich. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. MitarbeiterInnen des Verlags sind nicht teilnahmeberechtigt.

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Rezensionen Musik

Felix Kramer

Wahrnehmungssache — Phat Penguin

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»Es woa nix, es is’ nix, es wird nix sein.« Dieses Credo der Hauptstadt, palavert von den Wegschauern, könnte gar nicht falscher sein. Es ist immer etwas, und wenn einer geht, dann kommt der nächste. Die Wiener Weltöffentlichkeit verliert den größten Ottakringer und kriegt gleich einen neuen vor den musikalischen Latz geklatscht. Der Kramer Felix – der eigentlich ja auch gar nicht so heißt – schickt sich an, Cisdanubien zu erobern, und lässt dabei die immergleichen Vergleicher vor den ganz großen Vergleichen nicht haltmachen: Wie der Danzer selig soll er klingen, wie der Cash, wie der Cohen, wie der Brel, wie der Brassens, wie jeder eigentlich, der einmal eine Gitarre in der Hand hatte. Aber, Überraschung! Klingen tut er eigentlich nur wie Felix Kramer – und alles andere als schlecht. Nämlich so: Es sind reduzierte Gitarrenstücke, manchmal mit klimperndem Klavier und sanft gezupftem Kontrabass, leise und bedächtig erzählt, in feinem, gar patrizischem Wienerisch. Ohne konstruiertes Image, ohne Aufregung, ohne Klamauk und mit nur dosiertem Protest. Das Besondere: Kramer schafft mit seiner sehr wesentlichen Musik einen atmosphärischen Zauber, der niemals magiert wird, sondern ganz selbstverständlich verströmt und Kopfhörermuscheln und Konzertsäle gleichermaßen füllt. Der Hype um den tatsächlich studierten Gitarristen ist – nach Single und EP – einigermaßen groß und dürfte das mit dem ersten Album »Wahrnehmungssache« auch bleiben. Denn schon der Einsteiger und Titeltrack klingt nach »gekommen, um zu bleiben« und verzückt mit wahren Wienzeilen wie »Wannst ned knapp vorm Burnout bist, bist eh nix mehr wert«. Ja, der Kramer navigiert auf Albumlänge durch die Unzulänglichkeiten eines konstruierten Lebens, nur um erst immer wieder die Gurk’n zu bekommen und schlussendlich das Wohl in der ebenso überlegten Einsamkeit zu suchen. Aber auch Lamourhatscher sind dabei, wie etwa »Vielleicht bist es eh du«, aber eben auch immer mit einem Twist: »Und immer, wenn i eigentlich fortgeh’n will, fahr ich mit dir ham.« Eine grundvernünftige Entscheidung. Wie alles an »WahrDominik Oswald nehmungssache.« (VÖ: 13. Juli) Live: 9. Oktober Wien, Porgy & Bess — 15. Oktober Graz, Die Scherbe

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Rezensionen Musik

25,– Lime Crush

Sub Divide — Fettkakao

6 AUSGABEN BIORAMA UM € 25,—

www.monopol.at/shop

Seit beinahe fünf Jahren sind Lime Crush ein Fixpunkt im heimischen Lo-Fi-Pop-Underground. Mit »Sub Divide« veröffentlicht das Quartett nun sein Debütalbum, das eigentlich eine Werkschau über das bisherige Schaffen darstellt. Mit »Graveyard«, »Baby«, »Honk Tonk«, und »Never« kennt man nämlich vier der zwölf Songs bereits von der selbstbetitelten 7“ (2015) bzw. der Split-7“ mit Alte Sau (2016). Für »Sub Divide« wurden allerdings auch diese Nummern neu aufgenommen und mit Gästen wie Nadia Buyse (auch bekannt als Dubais; Gesang) bzw. Adrienne C. N. Berry (Saxofon) neu interpretiert. Lime Crush, also Veronika Eberhart, Andi Dvořák, Nicoletta Hernández und Philipp Lampert, funktionieren ja eher wie ein MusikerInnen-Kollektiv und weniger wie eine klassische Band. Instrumente und Mikros werden nicht nur im Studio, sondern auch auf der Bühne regelmäßig getauscht, wodurch sich eine gewisse Ästhetik ergibt, die irgendwo zwischen Lo-Fi-Indie, Twee, Riot Grrrl und DIY-Punk eingeordnet werden kann. Einer der größten Förderer dieser Sounds und Genres war in den letzten Jahrzehnten Indie-Legende Calvin Johnson (Beat Happening, Dub Narcotic Sound System) mit seinem Label K Records. Dass er beim Song »I Don’t Wanna Die Alone« die Gast-Vocals beisteuert, darf durchaus als Auszeichnung verstanden werden. Eben dieses »I Don’t Wanna Die Alone« zählt gemeinsam mit dem altbekannten Hit »Graveyard«, »Break The Spell«, der Love-Coverversion »Can’t Explain« (Andi Dvořáks Gesangsleistung muss hier extra positiv erwähnt werden) und der Pork-Coverversion »Wicked Ways« (das Saxofon!) zu den größten Ohrwürmern der Platte, die insgesamt sehr facettenreich ausgefallen ist. All jene, die sich musikalisch im Lo-Fi-Bereich der späten 80er und 90er wohlfühlen, werden auch »Sub Divide« heiß lieben und einen Zugang zum Humor von Songs wie »Pizza bleibt« finden. Sollte sich noch jemand fragen, von wem das abgefahrene Bild am Frontcover der Platte stammt, der/dem sei abschließend verraten: Es trägt den Titel »Offshore Creativity« und ist von Ashley Hans Scheirl. (VÖ: 13. Juli) Werner Schröttner

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AB 21. SEPTEMBER 2018 IM KINO.

SEARCHING DAVID KIMS TOCHTER WIRD VERMISST, ER WEIß NICHT, WO SIE IST, BIS ER HERAUSFINDET, WER SIE IST.

© 2018 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH

Constantin Film, Luca Fuchs, Fettkakao Records

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NE GEWIN

75 K×ET2S TIC

Als Davids Tochter spurlos verschwindet, beginnt dieser, ihren Computer nach Hinweisen zu durchstöbern – und schnell daran zu zweifeln, wie gut er sein Kind wirklich kannte. Der Film wird ausschließlich aus den Kameraperspektiven von Smartphones, Laptops & Co erzählt.

Mi., 19. September, 19.30 Uhr UCI Kinowelt Millennium City Am Handelskai, 1200 Wien Wir verlosen 75 × 2 Tickets für die Premiere von »Searching«. Der Film wird in englischsprachiger Originalversion gezeigt. Die Gewinnspielteilnahme ist bis 12. September unter thegap.at/gewinnen möglich.

In Kooperation mit

KINOWELT

Teilnahmebedingungen: Die Gewinnspielteilnahme kann ausschließlich unter der angegebenen Adresse erfolgen. Die GewinnerInnen werden bis 14. September 2018 per E-Mail verständigt. Eine Ablöse des Gewinns in bar ist nicht möglich. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. MitarbeiterInnen des Verlags sind nicht teilnahmeberechtigt.

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Schmieds Puls

Manic Acid Love — Play Dead

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»You should leave this with me, so I can double it«, singt Mira Lu Kovacs in »The Plan«, dem ersten Song von »Manic Acid Love«, und man ist geneigt ihr zu glauben. 2017 veröffentlichte sie gemeinsam mit Kompost 5 als 5K HD eines der interessantesten Alben des Jahres und zeigte damit, dass ihre Stimme vermutlich in jeglicher Komposition zum Herzstück wird. Genau darauf baut auch das neue Album von Schmieds Puls. Dennoch ist »Manic Acid Love« lauter und direkter als gewohnt und wirkt wie ein vehementer Versuch, endgültig vor der Bezeichnung Singer-Songwriter in Richtung avantgardistischer Folk-Pop zu fliehen. Dennoch wäre es übertrieben. zu behaupten, das Trio hätte sich seit »I Care A Little Less About Everything Now« neu erfunden. Die sanft gezupfte Gitarre bleibt, darf aber zwischendurch auch härtere Töne von sich geben, das Schlagzeug, das bisher oft nur einen Hauch von Berührung erfuhr, wird zuweilen stärker beansprucht und Mira Lu Kovacs’ Stimme bleibt zart und klar, wirkt in Kombination mit den nicht selten wütenden Lyrics dafür in manchem Track auf eine gewisse Art und Weise fast bedrohlich und karg. Wer Schmieds Puls bisher Naivität und Mädchenhaftigkeit zugeordnet hat, wird spätestens nach diesem Album umdenken. Denn obwohl die Band noch immer von einem im Grunde sanften und zuweilen zerbrechlichen Sound lebt, wird dieser immer öfter aufgebrochen. Und auch wenn das Hauptthema des Albums – man könnte es anhand des Titels fast erahnen – die Liebe ist, geht es nicht um romantische Zweisamkeit und Sehnsucht, sondern um eine Auseinandersetzung mit der eigenen Verletzlichkeit und um Selbstbestimmtheit. Letztere findet ihren Höhepunkt in »Superior (Fuck You)«, einem Track, der sich vor allem durch das Wechselspiel von sanften, erzählerischen Parts, grollenden Gitarrenklängen und klaren Ansagen auszeichnet und vielleicht das schönste, je gesungene »Fuck You« auszeichnet. Yasmin Vihaus (VÖ: 7. September) Live: 10. Oktober, Linz, Stadtwerkstatt — 12. Oktober, Salzburg, ARGE Kultur — 18. Oktober, Graz, Orpheum — 25. Oktober Wien, Wuk

Sony Pictures Entertainment Deutschland, Ina Aydogan

Filmpremiere Searching

Rezensionen Musik

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Termine Kunst Olaf Nicolai Olaf Nicolai präsentiert BesucherInnen selten das, was sie erwarten. Der deutsche Künstler arbeitet und spielt mit dem Moment der Überraschung, der Interpretation von Sprache und Zeichen sowie den Elementen Raum, Zeit und Körperlichkeit. Die Arbeiten von Olaf Nicolai sind seit Jahren in Kunstmetropolen auf der ganzen Welt zu finden – mit »There Is No Place Before Arrival« widmet die Kunsthalle Wien ihm nun eine große Ausstellung. Zu sehen gibt es unter anderem eine Installation mit gezeichneten Pressebildern auf dem Boden der Ausstellungshalle, die sich nach und nach verändern und verschwinden. 13. Juli bis 7. Oktober Wien, Kunsthalle

Mumok/Klaus Pichler

An Otto Wagner führt in Wien kein Weg vorbei, denn die Entwürfe des Jahrhundertwende-Architekten prägen glücklicherweise nach wie vor das Wiener Stadtbild. Anlässlich seines 100. Geburtstages widmet das Wien Museum dem 1918 verstorbenen Architekten eine umfassende Ausstellung. Rund 500 Exponate werden zu sehen sein. Neben Entwürfen, Zeichnungen, Modellen und Gemälden finden sich auch einige persönliche Gegenstände des Künstlers darunter. 15. März bis 7. Oktober Wien, Wien Museum

Resonanz von Exil Doppelleben

Sarah Wetzlmayr

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Otto Wagner

Ausschließlich Musik auszustellen klingt zugegebenermaßen nach einem etwas gewagten Experiment. Mit der Ausstellung Doppelleben möchte das mumok unter Beweis stellen, dass dieses durchaus aufgehen kann, wenn man sich mit spartenübergreifendem Schaffen auseinandersetzt. Im Rahmen der Ausstellung werden deshalb ausschließlich KünstlerInnen gezeigt, denen eine Kunstform nicht genug war – unter ihnen etwa John Cage, Yves Klein, Hermann Nitsch, Yoko Ono oder Emily Sundblad. 23. Juni bis 11. November Wien, mumok

wie kommt

es an,

Mit Auf/Bruch startete bereits im Vorjahr eine Ausstellungsreihe zu KünstlerInnen mit Exilhintergrund. Mit der kommenden Ausstellung wird dieser Themenschwerpunkt zwar weitergeführt, der Fokus aber auf das Leben und Wirken von jüdischen ExilantInnen am Ort ihrer Zuflucht gelegt. Zusätzlich sollen die Nachwirkungen bei der Remigration beleuchtet werden. Es werden unter anderem Werke von Wolfgang Paalen, Valeska Gert und Lisette Model zu sehen sein. 14. Juli bis 28. Oktober Salzburg, Museum der Moderne

dass wir jährlich

600.000 kg lebensmittel RETTEN Spendenkonto

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Termine Musik

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ÖSTERREICHS CLUBSZENE IM RADIOKULTURHAUS

ERSTES WIENER HEIMORGEL ORCHESTER & CLEMENS J. SETZ

18.09.2018

© Johannes Zinner

KARTEN UND INFOS: radiokulturhaus.ORF.at

Waves Vienna Der Wechsel in den neunten Bezirk war eine der besten Entscheidungen in der mittlerweile achtjährigen Geschichte des Club- und Showcase-Festivals Waves Vienna. Mit dem Wuk als Flaggschiff und Konferenzzentrum sowie diversen (Off-)Locations in unmittelbarer Gehnähe ist das rege Festivaltreiben rund um die Währinger Straße regelrecht spürbar. Die Slowakei und Portugal sind dabei heuer – getreu dem altgedienten Waves-Vienna-Motto »East Meets West« – die Fokusländer. Wie gewohnt gibt’s überdies aber auch viele, viele, zumeist junge und aufstrebende Bands aus Österreich, dem Rest Europas und den USA zu entdecken – neben bekannteren Acts wie The Go! Team (Foto), Schönheitsfehler oder Mile Me Deaf. 27. bis 29. September Wien, diverse Locations

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Manuel Fronhofer, Jana Wachtmann

Dass sich aus der intensiven gemeinsamen Arbeit am Popfest-Programm eine Freundschaft entwickelt hat, lässt sich in unserer aktuellen Coverstory nachlesen. Kein Wunder, hat das diesjährige KuratorInnen-Duo Katharina Seidler und Nino Mandl doch jede Menge Zeit miteinander auf Konzerten verbracht, sich über Musik ausgetauscht und dabei ganz offensichtlich festgestellt, dass die Chemie einfach stimmt – was man nun auch am äußerst gelungenen Line-up des Popfests merkt. »Alte Helden und junge Coole« werden die zehn Bühnen am und rund um den Karlsplatz bespielen, hieß es bei der Programmpräsentation treffend. Mit dabei etwa: Naked Lunch und Dives, Tony Wegas und Mavi Phoenix (Foto), Andreas Spechtl und Esrap. Man sieht sich! 26. bis 29. Juli Wien, Karlsplatz

Kyle Weeks, Annick Wolfers, Bill Crisafi, Kevin Pham, Jamie Hewlett, Sasha Eisenman, Marikel Lahana

Popfest


Termine Musik Chelsea Wolfe Über die kathartische Wirkung ihrer Musik – für Chelsea Wolfe selbst, aber auch für ihr Publikum – herrscht breite Einigkeit. Mit kargem Folk, dröhnendem Metal und pulsierender Elektronik dringt die US-amerikanische Singer-Songwriterin in eine Finsternis vor, die schaurig schön und voller Schmerz zugleich sein kann. Mit Gänsehaut ist – trotz Hochsommer – zu rechnen. 4. August Wien, Arena

Gürtel Nightwalk Alle Achtung, bereits zum 21. Mal geht der Gürtel Nightwalk heuer über die zahlreichen Bühnen entlang der U6 zwischen Thaliastraße und Alserstraße. Die in popkultureller Hinsicht wichtigste Ausgehmeile Wiens stellt dabei erneut sein vielfältiges musikalisches Angebot unter Beweis – von Viech bis Loretta Who und von Violetta Parisini bis Vague (Foto). Gemma Gürtel! 25. August Wien, diverse Locations

Frequency Festival

Manuel Fronhofer, Jana Wachtmann

Kyle Weeks, Annick Wolfers, Bill Crisafi, Kevin Pham, Jamie Hewlett, Sasha Eisenman, Marikel Lahana

Das Angebot ist vielfältig, das Publikum feierwillig. Am Frequency wird den geneigten Festivalgästen wieder ein breites Spektrum von Hip-Hop bis Punk, von EDM bis Rock, von Indie bis Pop geboten. Und mit Headlinern wie Gorillaz (Foto), Macklemore, Kygo und Imagine Dragons stehen die Zeichen entsprechend schnell auf »ausverkauft«. Für nicht wenige heißt das dann wohl: vier Tage wach! 16. bis 19. August St. Pölten, Green Park

Ariel Pink Schön, dass es noch solche Spinner gibt. Im glattgebürsteten Popgeschäft – ja auch in der Neigungsgruppe Indie – herrschen viel zu oft biedere Bravheit und banale Berechenbarkeit. Ariel Pink hingegen ist einer dieser Weirdos, die gar nicht anders können, als ihre Exzentrizität in Musik zu übersetzen. Ein Abend zwischen Lo-Fi-Pop und Neo-Psychedelia, Abgründigem und gehobenem Blödsinn. 28. August Wien, Arena

Sophie Hunger Gleich drei Wienkonzerte – an sehr unterschiedlichen Orten – gönnt Sophie Hunger sich und ihren Fans. Der Anlass: das neue Album »Molecules«, mit dem die Schweizerin ein, zwei Schritte Richtung elektronisch gefärbter Pop macht. Ihren erprobten Songwriter-Folk mit Jazz- und Rock-Anleihen ergänzt das auf erfreuliche Weise. 11. September Wien, Grelle Forelle — 12. September Wien, Arena — 13. September Wien, Porgy & Bess

inkl. Versand

Trail Of Dead

Sziget Festival

Volksstimmefest

Man muss schon zur Kurzversion ihres Namens greifen, um überhaupt eine Chance zu haben, sie auf so wenig Raum unterzubringen. In voller Pracht sollte es natürlich …And You Will Know Us By The Trail Of Dead heißen. Aber das wissen ohnehin alle, die den cleveren, zum Hymnenhaften neigenden Rock der Band – zu Recht! – zu schätzen wissen. 6. August Wien, Flex

Super Atmosphäre und zahlreiche Acts, die man immer schon mal sehen wollte – das Sziget hat einen Ruf zu verteidigen und tut dies Jahr für Jahr mit ziemlichem Erfolg. Heuer im Programm: Lana Del Rey, Kendrick Lamar, Arctic Monkeys, Gorillaz, Lykke Li, Stormzy und, und, und. Kann man machen! 8. bis 15. August Budapest, Donauinsel

Eine Institution – fürs Bands-Schauen ebenso wie fürs gepflegte Politisieren. Seit 1946 veranstaltet die linke Monatszeitung Volksstimme ihr Open-Air-Fest – für die ganze Familie! – im Wiener Prater. Für die Musik sorgen heuer Aivery, Ankathie Koi, Ash My Love, Dives, Squalloscope und viele mehr. 1. und 2. September Wien, Jesuitenwiese

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Limitiert auf wenige Hundert Flaschen: Der BIORAMA Bio-Gin 2017, das Ergebnis unserer BIORAMA Lesersafari ins Waldviertel. Erhältlich in unserem Onlineshop.

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Unser Magazin Biorama erscheint sechsmal jährlich im ganzen deutschen Sprachraum. Und deshalb landen in den Heften vor allem überregionale Themen und Geschichten. Doch einmal im Jahr schränkt die Redaktion ihren Blick bewusst ein und blickt nicht in die Ferne, sondern in die räumliche Nähe. In der Niederösterreich-Ausgabe stellt Biorama die Frage: Was tut sich rund um Wien?

Datum Seit dem Relaunch vor zwei Jahren betreut Monopol die Website des Magazins Datum und steht in technischen Fragen beratend zur Seite. Dazu gehört die Einbindung und Konzeption einer Paywall im letzten Jahr sowie die Entwicklung eines Online-Ausgabenarchivs, um Datum-Inhalte für LeserInnen online noch einfacher zugänglich zu machen. Unsere Leistungen:

Unsere Leistungen:

Konzeption

Konzeption

Webentwicklung

Florian Voggeneder, Mercan Sümbültepe

Biorama Niederösterreich #2

monopol.at

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Aktuelle Projekte aus dem Medienhaus Monopol

Redaktion Grafik

Sarah Wetzlmayr

Verkauf

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Termine Festivals

Seit mittlerweile fast 40 Jahren präsentiert sich die Ars Electronica als lebendiger Organismus, der Jahr für Jahr Kunst, Technologie und Gesellschaft zusammenbringt. Sowohl KünstlerInnen als auch WissenschaftlerInnen und ForscherInnen finden hier eine geeignete Plattform, um in Vorträgen, Ausstellungen und Workshops über ihre Themen zu sprechen. Den BesucherInnen wird damit ein Programm geboten, das stark interdisziplinär ausgelegt ist. Außerdem begreift sich die Ars Electronica als eine Art Spiel- und Experimentierfeld, weshalb die Interaktion mit den Objekten nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht ist. 6. bis 10. September Linz, Postcity

Viennacontemporary Mehr als 100 Galerien und Institutionen aus 23 Ländern versammelt die große Wiener Kunstmesse in diesem Jahr unter dem Dach der Marx Halle. Ein ganz besonderes Augenmerk wird dabei auch heuer wieder auf aktuell aufstrebende Kunstmärkte und Neuentdeckungen aus Ost- und Westeuropa gelegt. Als wichtiger Teil der Messe zeigt die Zone 1, die von Victoria Dejaco kuratiert wird, die Arbeiten österreichischer KünstlerInnen unter 40. 27. bis 30. September Wien, Marx Halle

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Ars Electronica

… Wiener Galerien sind Teil des diesjährigen Galerienfestivals curated by. Während seines mittlerweile 10-jährigen Bestehens konnte sich das Festival als fixer Bestandteil des Kunstherbstes etablieren. Die Bedeutung des Festivals liegt vor allem darin, Wiener Galerien mit internationalen KuratorInnen zusammenzubringen und so für ein außergewöhnliches Programm zu sorgen. . 13. September bis 13. Oktober Wien, diverse Locations

Sarah Wetzlmayr

Florian Voggeneder, Mercan Sümbültepe

Vienna Design Week Als größtes Designfestival des Landes versucht die Vienna Design Week auch in diesem Jahr die Aufmerksamkeit der BesucherInnen darauf zu lenken, dass Design nicht nur Kunst und Kultur, sondern auch unseren Alltag und Lebensstil beeinflusst. Deshalb möchte sich die Vienna Design Week auch nicht ausschließlich auf Ausstellungsformate konzentrieren, sondern mit Workshops und Talks einen interaktiven Mehrwert bieten. 28. September bis 7. Oktober Wien, Ehemaliges Sophienspital

Slash Filmfestival 2010 wurde das »Festival des Fantastischen Films« vom Verein zur Förderung des Fantastischen Films in Kooperation mit dem Filmcasino gegründet. Markus Keuschnigg, künstlerischer Leiter des Slash Filmfestivals, möchte die elf Festivaltage vor allem dafür nützen, Filme zu zeigen, die auffällig und kreativ sind und damit ein wenig aus ihrem Genre herausfallen. Obwohl das Festival in erster Linie mit dem Horrorgenre in Verbindung gebracht wird, passen nicht alle gezeigten Filme in diese Schublade. Fantasy und Science Fiction finden sich ebenfalls im Programm, wodurch eine fantastische Bandbreite entsteht. 20. bis 30. September Wien, diverse Locations

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Steirischer Herbst Unter der neuen Leitung von Ekaterina Degot soll das große Theater- und Performancefestival stärker in die Nähe der bildenden Künste gerückt werden. Interdisziplinäre Ansätze stehen deshalb noch deutlicher im Vordergrund und lassen die Grenzen zwischen den Künsten verschwinden. Außerdem wird das Festival nicht, wie gewohnt, in der Helmut-List-Halle, sondern im öffentlichen Stadtraum eröffnet. 20. September bis 14. Oktober Graz und Umgebung, diverse Locations

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Termine Kino

Don’t worry, weglaufen geht nicht Regie: Gus Van Sant ———— Eine Querschnittlähmung stellt das Leben des Cartoonisten John Callahan im Alter von 21 Jahren auf den Kopf. Gus Van Sant erzählt mit Hauptdarsteller Joaquin Phoenix – mitunter ein Garant für außergewöhnliche Rollen – das Leben Callahans nach, welcher lernen muss, mit seinen neuen Herausforderungen umzugehen. Humor und das Zeichnen helfen ihm dabei. Start: 17. August

So was von da

Asphaltgorillas

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Regie: Detlev Buck ———— Atris (Samuel Schneider) reicht’s. Sein Chef, der Gangsterboss El Keitar (Kida Khodr Ramadan) hält ihn als Handlanger klein, das Leben als gewöhnlicher Drogendealer ist ihm nicht genug, Veränderung muss her. Gemeinsam mit seinem Freund Frank (Jannis Niewöhner) beschließt er daher Falschgeld in Umlauf zu bringen. Doch die Sache läuft schnell aus dem Ruder. Und dann ist da noch die Diebin Marie (Ella Rumpf). Mit »Asphaltgorillas« wagt sich Regisseur Detlev Buck (u. a. »Same Same But Different«, »Die Vermessung der Welt«) in die Unterwelt Berlins – und die hat es im Film in sich. Dialoge und Schnitt sind flott, dem Popcorn-Feeling wird wohl nichts im Wege stehen. »Asphaltgorillas« basiert auf Ferdinand von Schirachs Kurzgeschichte »Der Schlüssel«, und Georg Friedrich ist auch zu sehen. Start: 31. August

Regie: Jakob Lass ———— Für Oskar (Niklas Bruhn) ist Silvester dieses Jahr von besonderer Bedeutung, muss doch der von ihm gegründete Musikclub ab dem 1. Jänner geschlossen bleiben. Eine letzte Party, ein letzter Abend voller Musik, Rausch, Liebe, Träume und Drama – das geht sich noch aus. Der Film basiert auf dem Roman von Musikjournalist und Clubbetreiber Tino Hanekamp. Start: 17. August

BlacKkKlansman Regie: Spike Lee ———— Der schwarze Polizist Ron Stallworth (John David Washington) beginnt in den 1970ern undercover gegen den Ku-Klux-Klan zu ermitteln. Spike Lee, Meister des Black Cinema, inszenierte (mit prominenten Auftritten) diese Romanverfilmung, die nach Trumps Sieg lange bestehenden Rassismus aufzeigt. Start: 23. August

Regie: Aneesh Chaganty ———— Margot (Michelle La) verschwindet. 37 Stunden später beginnt ihr Vater David (John Cho) ihren Laptop zu durchsuchen. »Searching« erhielt den Next Audience Award am Sundance Film Festival – der Film wird ausschließlich über die Kameraperspektiven der technischen Geräte, mit denen wir so kommunizieren, erzählt. Start: 31. August

Foto: © Territorium KV 2018

Searching

Barbara Fohringer

Constantin Film, Polyfilm

Die bauliche Maßnahme

Weapon Of Choice Regie: Fritz Ofner, Eva Hausberger ———— Zwischen 1968 und 2015 starben in den USA mehr als 1,5 Millionen Menschen durch Schusswaffen. Studien zufolge lässt sich folgende Korrelation bestätigen: Vermehrter Schusswaffenbesitz führt auch zu vermehrten Todesfällen durch Schusswaffengebrauch. Dass für viele US-Amerikaner das Beharren auf dem vielzitierten Second Amendment ein emotionales Thema ist, lässt sich auch in der Popkultur erkennen: Nahezu nirgends sonst werden Waffen so verherrlicht wie etwa im Rap. Die beiden österreichischen FilmemacherInnen Fritz Ofner und Eva Hausberger begleiten Männer und Frauen, Polizisten und Rapper sowie Militäroffiziere in den USA, Afghanistan und Europa, um deren Beziehung zu ihren Schusswaffen zu dokumentieren und der Frage nachzugehen: Warum sind manche Menschen überhaupt von Waffen fasziniert? Start: 28. September

Regie: Nikolaus Geyrhalter ———— Der Grenzpass Brenner kommt in Österreich schon seit Jahren nicht aus den Schlagzeilen. Der Filmemacher Nikolaus Geyrhalter hat sich zwei Jahre dieser Region gewidmet, hat BewohnerInnen und die Exekutive begleitet und einen Film unter anderem darüber gemacht, wie sich Grenzen auf unser Leben und Denken auswirken. Start: 7. September

The Man Who Killed Don Quixote Regie: Terry Gilliam ———— 17 Jahre dauerte – unter anderem aufgrund von Rechtsstreitigkeiten und Finanzierungsproblemen – die Produktion, nun kommt der Film in die Kinos. Adam Driver gibt den Werberegisseur Toby, der sich in den Wahnvorstellungen eines spanischen Schuhmachers (Jonathan Pryce) wiederfindet, welcher glaubt, Don Quijote zu sein. Start: 28. September

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MANCHE DINGE SIND NICHT DAZU BESTIMMT ENTDECKT ZU WERDEN

Foto: © Territorium KV 2018

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Illbilly

frönt der hohen Kunst der tiefen Pointe. Umgekehrt wird aber auch kein Schuh draus. draus

Alle paar Monate schaue ich mein Adressbuch am Handy durch. Warum ich das tue, weiß ich selbst nicht genau. Meistens macht es mich nämlich eher schwermütig und traurig, finden sich doch dort mittlerweile schon einige Tote. Traurigkeit ist ein mir sehr unangenehmer Zustand, denn im Grunde genommen bin ich eher ein schlichtes Gemüt, das sich gerne mit kindischen Dingen oder gar Infantilismen durch den Tag blödelt. Sagt zum Beispiel jemand »im Grunde genommen«, ergänze ich üblicherweise immer »gehört er in den Munde genommen«. So in diese Richtung funktioniere ich. Auseinandersetzungen über die Vergänglichkeit des Lebens und trübe Vanitas-Gedanken sind eher nicht so meine Baustelle. Dennoch weiß ich aus einschlägigen Filmen wie »Ghost, Nachricht von Sam«, dass man Tote gehen und ihr Seelen ziehen lassen soll, damit sie dann freudig an die Himmelstür knocken können. Verstorbene aus dem Handy zu löschen, empfinde ich aber trotzdem als barbarischen Akt. Ich will meine Toten lieber bei mir am Handy – oder zumindest in der Cloud – als auf irgendeiner Wolke schwebend haben. Ist das noch Egoismus oder schon dumm? Wobei – man muss schon sagen, dass ich auch ziemlich viele Karteileichen am Handy habe. Die leben zwar noch, irgendwie, aber so einfach wegputzen will ich sie auch nicht. Zum Beispiel findet sich in meinem Smartphone noch eine alte Festnetz- und Fax-Nummer von The Gap. Tot seit 2005. Und auch eine erkleckliche Anzahl an Florians, Julias und Kathis habe ich eingespeichert, die ich – ganz ehrlich – auch nicht mehr alle 1a zuordnen kann. Man sollte auch wissen: Nicht nur Vanitas-Gedanken sind so nicht ganz mein Ding, auch Familiennamen finde ich leider ein bissi anstrengend, weshalb selten bis gar nicht Nachnamen in meinem Handy auftauchen. Was die Unterscheidung der ganzen Julias, Kathis und Florians durchaus erschwert. Ich muss mich dann auf die Attribute verlassen, die ich den Personen gegeben habe.

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FloFm arbeitet, logisch, beim Radio. Bei welchem und wer dieser Flo genau ist, weiß ich aber nicht mehr. Flotschipopotschi mag es gern, wenn er ein bisschen Popoklatsch ins Liebesspiel einbauen kann, wie er mir einmal anvertraut hat, wohingegen Florlibohrli jetzt nicht seine Finger in allerhand Körperöffnungen verschwinden lässt, sondern mein Dentistenfreund ist, der immer ganz böse wird, wenn ich ihm zu erklären versuche, dass Zahnärzte und Zahnärztinnen nur eine Stufe über Augenärzten stehen und eigentlich gar keine richtigen Ärzte sind. Ja, und dann habe ich auch noch einen Flour-Flo im Speicher. Der ist eigentlich gelernter Bäcker, ich glaub sogar Meister, musste aber beruflich umsatteln, weil er eine Mehlstauballergie aufgerissen hat. Der Flour-Flo erzählte mir auch, dass der Geruch von frischem Brot und Gebäck Endorphine freisetzt. Bäcker und Bäckerinnen zählen somit zu den glücklichsten Menschen und sind beim Arbeiten immer voll happy. Die könnte man also über mehrere Wochen 14 oder 15 Stunden am Tag durchackern lassen, sie würden sich artig bedanken und vielleicht sogar nicht einmal Geld für die Überstunden verlangen, weil sie noch völlig berauscht von den Endorphinen sind. Und wenn es gar eine Bio-Bäckerei ist, in der sie arbeiten, die mit lange und sauber geführten Sauerteigen landauf landab einen ausgezeichneten Ruf genießt, dann steigt das Glück aller ins Unermessliche, weil man für ein Kilo Roggenbrot zwischendurch einfach einmal acht oder neun Euro verlangen kann. Das ist übrigens immer noch deutlich weniger als für ein Kilo guten Kaffees. Kaffeeröster und Kaffeerösterinnen sind nämlich ebenso glücklich, denn der Geruch von frisch gemahlenen Kaffeebohnen hat aufs Gehirn denselben Effekt wie der Duft von frischem Brot. Man muss sich den Barista also als glücklichen Menschen vorstellen. Und im Gegenzug Schauspieler und Schauspielerinnen als Menschen, die in der Mittlebenskrise im Kreise

vertrauter Gesichter schon einmal theatralisch resümieren: »Ja, ich bin Schauspieler, aber nur weil ich als Kaffeeröster gnadenlos gescheitert bin. Dabei waren die Rahmenbedingungen für Erfolg selten so gut wie damals, als gerade die Third Wave of Coffee anrollte. Mit ein bisschen mehr Glück und Geschick könnte ich jetzt täglich an Hochlandbohnen schnuppern und müsste nicht Texte von längst toten Dramatikern auswendig lernen oder mich dem Diktat sexistischer Regisseure beugen, die sich für Ausnahmekünstler halten. Ach, was habe ich mein Talent verwirkt! Unschlagbar war ich beim Filtern an der Chemex und der Hario. Und wirklich niemand kriegte die Cold Brew Infusion so gut hin wie ich. 16, 18, 20 Stunden konnte ich in Spitzenzeiten durcharbeiten. Ganz ohne Koffein versteht sich, einfach nur, weil ich so glücklich war. Aber ich musste ja Schauspieler werden.« Ich habe mich übrigens ein wenig schlau gemacht, wie es mit der Glücksquote bei anderen Berufen so aussieht. Friseure und Friseurinnen sind vorne mit dabei. Ebenso Klempner und Klempnerinnen und – Achtung – Marketing- und PR-Menschen. Dazu würde ich jetzt gerne etwas Lustiges sagen, es fällt mir nur nix ein, außer vielleicht eine Szenerie, in der ein Klempner bei eine PR-Agentur klingelt, weil er wegen eines Rohrbruchs gerufen worden ist. Die Agentur-Chefin öffnet, der Klempner sagt wie immer: »Ich bin hier, um ein Rohr zu verlegen.« Die Agenturchefin darauf: »Der Spruch geht gar nicht. Um einen neuen zu finden, müssen wir jetzt deeper diggen.« Und dann bumsen sie. Und zwar so unmotiviert, wie dieses hier eingeschobene Beispiel suggeriert. www.facebook.com / illbilly

Jakob Kirchmayr

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Know-Nothing-Gesellschaft Die Toten bleiben am Handy

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Diese Seite reicht nicht aus, um darzustellen was wir an der Politik dieser Regierung alles falsch finden. The Gap 170 059-068 Termine.indd 68

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