Pop mit Migrationshintergrund N° 172
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AUSGABE HERBST 2018 — THE GAP IST KOSTENLOS UND ERSCHEINT ZWEIMONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1052 WIEN, P.B.B. | GZ 18Z041505 M
U E L BIR B
018 D2 Dan Mangan • Roo Panes Low Roar • Deer Tick • The Burning Hell
Mark Kozelek of Sun Kil Moon Laura Gibson • Paul Plut • Holly Miranda
River Whyless • Loose Lips Sink Ships
Raoul Vignal • Ivory Tusk • Molly Burch sOngwriting.at 22.11.-24.11.2018 @ Porgy & Bess
Editorial Herzensangelegenheit, immer noch
Web www.thegap.at Facebook www.facebook.com / thegapmagazin Twitter @the_gap Instagram thegapmag Issuu the_gap
Herausgeber Manuel Fronhofer, Thomas Heher Chefredaktion vakant Leitender Redakteur Manfred Gram
Aufmerksame LeserInnen wissen es bereits: The Gap hat vor einigen Wochen sein Zuhause gewechselt. Mehr als 14 Jahre lang und somit zwei Drittel seiner Existenz waren das Magazin und alles, was in unserer digitalen Zeit sonst noch zu einer – wie man so sagt – »Medienmarke« dazugehört, Teil des Verlagshauses Monopol, einem Unternehmen, das nicht zuletzt auch wegen und für The Gap gegründet worden war. Der Wechsel zur Comrades GmbH, die unter anderem für das Club- und Showcase-Festival Waves Vienna verantwortlich zeichnet, ist nun eine Art Rückkehr zu den eigenen Ursprüngen, denn Comrades-Geschäftsführer Thomas Heher hat The Gap 1997 mitgegründet – und ist in dessen Geschichte auf die eine oder andere Weise auch immer wieder aufgetaucht. Hunderte Menschen haben in dieser Zeit mit Leidenschaft und stets kritischem Interesse dazu beigetragen, dass sich The Gap vom handkopierten Musikfanzine zum Popkulturmagazin mit in viele Richtungen offenen Augen und Ohren hat entwickeln können. Vor allem kreatives Schaffen in und aus Österreich liegt uns dabei am Herzen. Sei es der »monumentale« Mantel aus Wachstuch von Natures Of Conflict, den Gabriel Roland in seiner aktuellen Modekolumne bespricht, oder die Poetry-Slam-Szene als »Sprungbrett für junge Schreibende«, wie es Manuel Lavoriero einschätzt. Und natürlich: Musik! Alte und nicht ganz so alte Helden, eine junge Musikerin unter Genieverdacht, Pop mit Migrationshintergrund – zu all dem gibt es Beiträge in der vorliegenden Ausgabe.
Florian Auer
Und um die Rückkehr zu den Ursprüngen auch gleich mit einem frischen Blick nach vorne zu verbinden, wird The Gap 2019 mit neuer Chefredaktion an den Start gehen. Es bleibt aufregend, es bleibt eine Herzensangelegenheit. Wir hoffen, auch für euch.
Manuel Fronhofer
Herausgeber • fronhofer@thegap.at
Gestaltung Markus Raffetseder AutorInnen dieser Ausgabe Benjamin Agostini, Amira Ben Saoud, Susanna Fellner, Barbara Fohringer, Matthias Hombauer, Kami Kleedorfer, Manuel Lavoriero, Dominik Oswald, Michaela Pichler, Christina Pikl, Kevin Reiterer, Werner Schröttner, Thomas Weber, Sarah Wetzlmayr, Theresa Ziegler KolumnistInnen Illbilly, Therese Kaiser, Gabriel Roland FotografInnen dieser Ausgabe Florian Auer, Fabian Gasperl, Erli Grünzweil (Cover), Matthias Hombauer, Patrick Münnich, Niko Ostermann, Jana Sabo Lektorat Susanna Fellner, Jana Wachtmann Anzeigenverkauf Herwig Bauer, Manuel Fronhofer, Kate Haider, Thomas Heher (Leitung), Martin Mühl, Christina Pikl Distribution Kate Haider Druck Grafički Zavod Hrvatske d. o. o. Mičevečka ulica 7, 10000 Zagreb, Kroatien Geschäftsführung Thomas Heher Produktion & Medieninhaberin Comrades GmbH, Margaretenstraße 96 / 1, 1050 Wien Kontakt The Gap c/o Comrades GmbH Margaretenstraße 96 / 1, 1050 Wien office@thegap.at — www.thegap.at Bankverbindung Comrades GmbH, Raiffeisen Bank, IBAN: AT67 3200 0000 1160 0756, BIC: RLNWATWW Abonnement 6 Ausgaben; Euro 19,— www.thegap.at/abo Heftpreis Euro 0,— Erscheinungsweise 6 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1052 Wien Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der HerausgeberInnen wieder. Für den Inhalt von Inseraten haftet ausschließlich der Inserent / die Inserentin. Für unaufgefordert zugesandtes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung.
Magazin 012
Diverse InterpretInnen Pop mit Migrationshintergrund
020 026 030
Diese Person ist cool 10 Jahre Der Nino aus Wien Das G-Wort Farce im Porträt Family, Friends ’n’ Fools Hans Platzgumer im Interview
032 P-P-P-Poetry-Slam Ein Sprungbrett für junge Talente 038 How to: Konzertfotografie 5 Pro-Tipps für EinsteigerInnen von »Rockstar Photographer« Matthias Hombauer
Patrick Münnich, Nikolaus Ostermann, Maria Poly, Florian Auer, Esther Crapelle
020
026 Markus Raffetseder Schon vor zehn Jahren war Markus einige Ausgaben lang Teil des The-Gap-Grafikteams, doch dann trennten sich unsere Wege – und er konzentrierte sich auf andere Leidenschaften wie Illustration, Konzertposter und Siebdruck. 2018 dürfen wir uns nun über sein Comeback freuen.
Christina Pikl
053 Rubriken 003 Editorial / Impressum 006 Charts 044 Wortwechsel: Was kann Kulturpolitik für unsere Gesellschaft leisten? 046 Workstation: Agathe Boruszczak Eduard Winter 050 Prosa: Mario Wurmitzer 052 Gewinnen 053 Rezensionen 058 Termine
Kolumnen 009 Einteiler: Gabriel Roland 010 Gender Gap: Therese Kaiser 066 Know-Nothing-Gesellschaft: Illbilly
Aufgewachsen in Salzburg, beschreibt sich Chrissi mittlerweile als Otta kringerin – »und zwar mit Leib und Seele«. Für The Gap hört und sieht sie sich in der Kreativwirtschaft sowie in der Kunst- und Kulturszene um, was sich dieses Mal auf unseren Terminseiten niederschlägt.
025
Olaf Nicolai / museum in progress – media loop
Zwei von etwa hundert Männern, die an einer Brücke in Tiflis jeden Tag aufs Neue ihre Arbeit anbieten: Ingenieure, Angestellte, Arbeiter. (aus dem Ausstellungsbooklet der Kunsthalle Wien) Olaf Nicolai, There Is No Place Before Arrival [Vom Kollektiv zum Konjunktiv], 2018, media loop, ein Projekt von museum in progress in Kooperation mit der Kunsthalle Wien im Rahmen der Ausstellung »There Is No Place Before Arrival«, Foto: Stephan Wyckoff, © Olaf Nicolai. Medienpartner: architektur.aktuell, Augustin, brand eins, Falter, Die Furche, The Gap, Kleine Zeitung, Kurier, Neue Westfälische, profil, ray Filmmagazin, Der Standard, St. Galler Tagblatt, trend, vormagazin, Wiener Zeitung, wienlive und wina. www.instagram.com/media_loop. #medialoop Für die Kunsthalle Wien entwarf Olaf Nicolai eine großformatige, begehbare Installation, in welcher Medienbilder aus seinem Privatarchiv von TheatermalerInnen auf den Boden der Ausstellungshalle übertragen wurden. In einem kontextuellen Feedback-Loop überführt die Kunstinitiative museum in progress diese Bilder unter dem Projekttitel »media loop« in die Medienräume von 18 Zeitungen und Magazinen.
Perndl+Co
Charts Stefan Redelsteiner TOP 10
Brigitte-Bardot-Filme (»Ich wollte immer Brigitte Bardot sein.« — Bob Dylan) 01 Die Verachtung (1963) 02 Die Wahrheit (1960) 03 Das Ruhekissen (1962) 04 Privatleben (1962) 05 Mit den Waffen einer Frau (1958) 06 Und immer lockt das Weib (1956) 07 Viva Maria (1965) 08 In ihren Augen ist immer Nacht (1958) 09 Shalako (1968) 10 Don Juan 73 (1973)
Top 03
The Beatles Fan Club Christmas Records 01 1966 02 1965 03 1967 Auch nicht schlecht: Pauls Jets – Debütalbum erscheint im März 2019. Stefan Redelsteiner ist Musikmanager, Verleger, Labelbetreiber und seit Neuestem auch Agent für SchauspielerInnen und KabarettistInnen.
Charts Kate Haider TOP 10
Namen von Frisiersalons 01 Vier Haareszeiten 02 Haarbracadabra 03 Chaarisma 04 Liebhaarber 05 Vorhair, Nachhair 06 Haarnarchie 07 Hairlich 08 Haarmonie 09 GmbHaar 10 Haarchitektur
Top 03
Kekse 01 Linzer Kipferl 02 Florentiner Nussgebäck 03 Nussbusserl Auch nicht schlecht: Cat Content Kate Haider ist im Projektmanagement der Comrades GmbH tätig und sorgt u. a. dafür, dass The Gap seine AbonnentInnen und Vertriebsstellen erreicht.
Florian Auer, beigestellt
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23.–24. NOV 2018 MARX HALLE, WIEN
C R AF T B I ERFEST.AT IM RAHMEN DER
VIENNA BEER WEEK
CRAF T BIERF EST
19.–25. NOV. 2018
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Die Biobäuerinnen und -bauern
chützt. alität, s u r q e s s n s e a b e w s Grund schafft L a d n o d i g n e u R n r en Bode d , t Bio aus de l a f l e i v die Arten s e belebt. l i m e u ollen. w a w R … t n ä t e i l h a c i u l Q d den län nale Bioo i g e r n e ... weil es umentInn s n o K e i d … weil
MIT UNTERSTÜTZUNG VON BUND, LÄNDERN UND EUROPÄISCHE MIT UNTERSTÜTZUNG VON BUND, LÄNDERN UND EUROPÄISCHER UNION
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Gabriel Roland
betrachtet die hiesige Modeszene Stück für Stück
Fabian Gasperl
009
Einteiler Ein großes Detail
In der Regel stellt man sich unter einem Detail etwas Kleines vor, das Aussehen oder Funktion des Ganzen nicht maßgeblich beeinflusst: ein Aufschlag etwa, eine andersfarbige Naht oder eine als Verstärkung gesetzte Niete. Auch Dinge, deren Reiz sich erst bei genauem Hinsehen erschließt, könnte man als Details bezeichnen – wie zum Beispiel die feine Struktur eines Gewebes oder eine Innentasche. Man ist sich einig, dass Details in der Lage sind Gegenstände besser zu machen und dass der wahre Wert dieser Gegenstände vielleicht sogar in ihnen liegt. Ein Auge für Details ist etwas Gutes. Gleichzeitig besteht die Gefahr, sich in ihnen zu verzetteln. Unser Gewand kennt in Bezug auf Details einen eigentümlichen Unterschied zwischen Kleidungsstücken, die für Männer gemacht werden, und solchen für Frauen. Während in der Womenswear tendenziell auf die große Geste, unmittelbare Körperlichkeit sowie spektakuläre Schnitte und Farben abgezielt wird, legt die Menswear Wert auf die Subtilität von Materialien und gefällt sich in Anklängen an verborgene Funktionalität und Uniformierung. Selbst
wenn man der seidig fließenden Abendrobe in Leuchtrot auf der weiblichen Seite nicht die Fischerweste sondern den klassischen Herrenanzug gegenüberstellt, wird klar, dass Individualisierung auf der männlichen Seite nicht über starke Unterschiedlichkeit, sondern über ausdifferenzierte Details stattfindet. Es ist nicht weit hergeholt, dass diese geschlechterspezifischen Ansätze bei der Konzeptionierung von Gewand ihren Ursprung in den vorgefertigten Bildern haben, die unsere Gesellschaft parat hält: Männer sind der Meinung, dass die Beschaffenheit ihrer Kleidung, wo sie nicht ohnehin für vollkommen rational gehalten wird, doch zumindest historisch bedingt ist. Frauen wird unterdessen gern Oberflächlichkeit und Gefallsucht unterstellt – und im gleichen Atemzug von ihnen verlangt. Das Verhältnis von Detail zu großem Ganzen spielt dabei eine entscheidende Rolle. Wie gut also, dass Natures Of Conflict an so etwas Ähnlichem wie einem Ausweg arbeitet. Das seit 2008 von den Angewandte-Absolventinnen Nora Berger und Kathrin Lugbauer
betriebene Label produziert Stücke wie diesen monumentalen Mantel aus Wachstuch, für den sie die für ihre Androgynität bekannte Schweizer Fotografin und Schriftstellerin Annemarie Schwarzenbach als Inspiration erwählt haben. Man tut sich schwer ein Kleidungsstück, das so sehr als mit einigen breiten Pinselstrichen gezeichnet erscheint, als detailliert zu bezeichnen. Gleichzeitig ist die Formensprache des Mantels so zurückhaltend und klar, dass die Aufmerksamkeit ganz selbstverständlich auf die Minutiae von Material und Verarbeitung gelenkt wird. Die Entscheidung, ob man zwischen den ausladend geschwungenen Kimonoärmeln und dem felsig knitternden Stoff eine fein detaillierte Einheit oder ein großangelegtes Detail erkennen will, bleibt einem letztlich selbst überlassen. roland@thegap.at • @wasichgsehnhab Wer mehr über Natures Of Conflict erfahren und die wachsende Zahl ihrer in Seasonals organisierten Stücke sehen will, besucht www.naturesofconflict.com.
Therese Kaiser
beschäftigt sich hier mit den großen und kleinen Fragen zu Feminismus.
Donnerstagsdemos, Frauenvolksbegehren, globaler Diskurs über sexuelle Belästigung und Toxic Masculinity: Warum vor zwanzig Jahren fast alles gleich war und doch wieder nicht und wie in zwanzig Jahren vielleicht alles anders sein könnte. Seit Oktober ist wieder Donnerstag: Die Donnerstagsdemos sind wieder da! Von Februar 2000 bis Anfang 2002 wurden sie wöchentlich gegen die schwarz-blaue Koalition abgehalten. Die Donnerstagsdemos 2.0 reihen sich somit in die immer länger werdende Liste der politischen Wiederaufnahmen ein, deren prominenteste heimische Vertreterin vielleicht das Frauenvolksbegehren ist, das schon 1997 gegen Einkommensschere und für Gleichberechtigung kämpfte. Und auch #metoo ist eine vielleicht nicht ganz neue Diskussion rund um sexuelle Belästigung und Übergriffe – Stichwort: Anita Hill. Gerade feministische Diskurse wiederholen sich gefühlt in regelmäßigen Intervallen, und manche Dinge scheinen sich einfach nicht ändern zu wollen. Mein Verständnis für zutiefst genervte FeministInnen mit jahrzehntelanger Kampferfahrung wächst mit jedem Geburtstag exponenziell. Der Gedanke, 2037 das nächste Frauenvolksbegehren einzuläuten und gegen Nazis in der Regierung zu demonstrieren, ist etwas frustrierend. Und wenn ich in den 2040ern dann dazu eingeladen werden würde, darüber zu diskutieren, warum so wenige Frauen in den Line-ups großer Festivals zu finden sind, würde ich wohl innerlich und vielleicht sogar äußerlich explodieren. Die großen Systembrüche scheinen einfach nicht zu kommen, und auf jeden Vorstoß folgt verlässlich ein Backlash. Männer, von denen wir sogar wissen, dass sie Frauen sexuell belästigt bzw. strafrechtlich relevante Sexualstraftaten im CV stehen haben, sind nach wie vor in Spitzenpositionen. Narzisstische Egomanen dominieren zu großen Teilen Wirtschaft, Politik, Medien, Kunst und Kultur. Und die Hoffnung, dass dieser Typus Mann einfach »ausstirbt«, verblasst, wenn man sich ansieht, wie sich der heimische Nachwuchs gebärdet. In Situationen der gefühlten Ohnmacht hilft es aber immer, einen Blick auf die kleinen Dinge zu werfen, die
sich dann doch ändern. Nämlich zum Beispiel, dass zwar gewisse AkteurInnen die gleichen zu bleiben scheinen, aber dass die Reaktion auf das Verhalten ebendieser AkteurInnen vehementer ausfällt. Brett Kavanaugh wurde trotz aller Widerstände und trotz des Vorwurfs der versuchten Vergewaltigung als Richter am Supreme Court vereidigt. Dass ein Mann angesichts solcher Widerlichkeiten trotzdem eines der höchsten Ämter der Vereinigten Staaten bekleiden kann, ist selbstverständlich ein Skandal. Was jedoch positiv zu sehen ist, ist die breite öffentliche Debatte und die klare Positionierung seitens der Zivilgesellschaft. Überlegt euch mal, wie viele Männer wohl in Spitzenpositionen sind, die sich wahrscheinlich nicht viel anders verhalten haben als Kavanaugh. Es ist eine furchtbare Vorstellung, die aber wahrscheinlich der Wahrheit entspricht. Es ist eine Zeit angebrochen, in der solchen Männern zumindest Protest entgegengehalten, und den Menschen, die sie verletzt oder missbraucht haben, Unterstützung von allen Seiten geboten wird. Das ist immer noch nicht ausreichend und definitiv nicht das Ziel, wenn es darum geht, Toxic Masculinity in die Vergangenheit zu befördern. Aber es ist ein Anfang. Wenn KritikerInnen von #metoo und paranoide VerteidigerInnen tradierter Geschlechterbilder eine »Hexenjagd« auf Männer vermuten, dann sei dem entgegengestellt: Es geht nicht um die systematische Diffamierung und potenzielle Anklage aller Männer, sondern schlichtweg und eigentlich fast konservativ darum, einer Gruppe von Menschen beizubringen, dass ihr Verhalten Konsequenzen hat. Das, was man eigentlich schon Kleinkindern beibringen sollte, muss bei manchen Menschen im Erwachsenenalter nachgeholt werden. Nein, du kannst nicht immer deinen Willen durchsetzen und nein, dir steht nicht von Natur aus irgendwas zu – außer die Unantastbarkeit deiner Menschenwürde, die universell gilt und nicht nur auf dich bezogen ist. Männern, die der Meinung sind, jegliche Kritik an ihrem Verhalten sei eine ungerechte und uninformierte Reaktion auf ihre Existenz, sei
hier gesagt: Gewöhnt euch schon mal dran und beginnt, euer eigenes Verhalten zu reflektieren und vielleicht sogar selbst Konsequenzen zu ziehen! Ihr tut anderen Menschen weh, ihr zerstört Existenzen, ihr fügt Traumata zu und macht eurem Umfeld das Leben zur Hölle. Gewalt gegen marginalisierte Gruppen steht nach wie vor an der Tagesordnung, und wir sind weit entfernt von einer gewaltfreien und fairen Gesellschaft. Aber die Angst schwindet, solche Missstände öffentlich anzuprangern – und Vorwürfe einfach wegzubrüllen, wird 2018 nicht mehr funktionieren. Das ist kein feministischer Kreuzzug, sondern das Einfordern fairer gesellschaftlicher Regulationsmechanismen: Wenn du eine Person sexuell belästigt oder vergewaltigt hast, dann steht es dir nicht zu, das, was passiert ist, unter den Teppich zu kehren und weiterzumachen, als wäre nichts passiert. Wenn du dich verhältst wie ein Arschloch, dann wirst du dich zwar vielleicht immer noch mit deiner Ellbogentechnik weiter nach oben kämpfen können, aber du wirst nicht mehr, wie etwa vor zwanzig Jahren, ohne laute, öffentliche Kritik davonkommen. Und nun stellt euch mal vor, wie das in zwanzig Jahren sein könnte: Ein Verhalten wie das von Kavanaugh könnte tatsächliche (strafrechtliche) Konsequenzen haben. Und wenn ich am Equal Pay Day am 20. Oktober 2018 genervt mit den Augen rolle, weil es noch immer massive Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern gibt (nämlich ganze 20 Prozent), dann werde ich kurz durchatmen, die Augen schließen und tatsächlich fest daran glauben, dass 2037 Männer, die Frauen vergewaltigt haben, nicht am Supreme Court landen werden, sondern im Gefängnis. kaiser@thegap.at @thereseterror Therese Kaiser ist Co-Geschäftsführerin des feministischen Business Riot Festivals und ist vor allem auf Instagram anzutreffen. facebook.com / businessriot
instaGram.com / tHereseterror
Pamela Rußmann
010
Gender Gap Immer wieder Frauenvolksbegehren
WIR GEBEN KINDERN WIEDER EIN ZUHAUSE
NDEN SPEunter
projuventute.at DANKE!
012 Hat unpolitische Jugo-Nostalgie zur Marke gemacht: Jugo Ăœrdens.
013
Diverse InterpretInnen Pop mit Migrationshintergrund
Erli Grünzweil
Popmusik in Österreich könnte mehr Vielfalt vertragen. Warum KünstlerInnen in Österreich ihren Migrationshintergrund musikalisch thematisieren. ———— Jugo Ürdens verdreht die Augen. Ihm wäre es lieber gewesen, es ginge in dieser Geschichte um sein gerade erschienenes Debütalbum »Yugo«, nicht um seine Herkunft. Sprachrohr oder Identifikationsfigur möchte der Wiener Rapper mit mazedonischen Wurzeln für niemanden sein, und wenn wir ihn schon auf dem Cover abbilden, dann bitte bloß nicht mit irgendwelchen Flaggen oder anderen nationalen Symbolen. Die Befürchtung, dass jemand so etwas vorschlagen könnte, ist nicht ganz unbegründet. Mit seiner ersten größeren Single, dem 2016 erschienen »Österreicher«, hat er die Saat selbst gesät. Darin inszeniert er sich humorvoll als gefährlich schöner Brudi aus dem Ausland, der den autochtonen Peters
und Heinzis ihre Freundinnen wegnimmt und sich nun auch noch österreichischer Staatsbürger nennen darf. Ürdens war klar, dass die Nummer polarisieren, von den einen als dreiste Provokation und musikalische Bestätigung ihrer Ängste, von den anderen als kritisches Statement zu einer Politik, die diese Ängste schürt, wahrgenommen werden würde. Themen wie Integration und Migration bewegen Stammtische, Onlineforen und die internationale und heimische Politik gerade wie nichts anderes. Wer sich plakativ dazu äußert, dem sind Diskussionen und Medienberichte garantiert. Mit seinem neuen Album arbeitet Ürdens gegen dieses Image. Er möchte weg »vom Ausländerscheiß, vom Sexismus«, wie er erzählt. Und er berichtet auch, was er nicht möchte: sich öffentlich zu politischen Themen äußern, die Art Rapper sein, die auf Demos spielt.
Mit seiner Herkunft spielt er aber. Schon der Titel des Albums »Yugo« bezieht sich auf das jugoslawische Kultauto, den Zastava Yugo. Das Artwork zeigt ein Studierendenheim in Skopje in Blockoptik. Cevapcici in seinen Videos und jetzt auch auf unserem Cover – das kann man machen, das sieht gut aus. Besonders, was die Ästhetik betrifft, hat sich Ürdens mit einer Art unpolitischen Jugo-Nostalgie von anderen abgehoben, Wiedererkennungswert und eine Marke geschaffen.
Leben in der Diaspora
Eine »Wokeness-Revolution« habe das Interesse an Acts, die sich mit ihren diversen Backgrounds beschäftigen, befeuert, so FM4-Musikjournalistin Dalia Ahmed.
Clemens Fantur, Femme DMC ,Daniel Shaked
014
Dafina Sylejmani verdreht die Augen nicht, wenn man sie nach ihrer Lebensgeschichte, nach ihrer Herkunft fragt. Auch sie ist Rapperin und Produzentin – und vielleicht darf man sie auch Aktivistin nennen. Mit Femme DMC stellte sie eine erfolgreiche Plattform und Partyreihe für Frauen im Hip-Hop auf die Beine. Ende September erschien ihre EP »Qart« unter dem Alias Dacid Go8lin.
Mit 14 kam die im jugoslawischen Dragash, heute Teil des Kosovo, geborene Musikerin nach Österreich. Hier sein zu können, sieht sie als Privileg, aber sie nennt das Land auch kritisch einen goldenen Käfig, in dem sich seine BewohnerInnen nur zu gerne abschotten. »In meiner Zeit in Österreich, wurde mir ständig ins Gesicht geklatscht, wie ich zu sein habe. Bis zu einem gewissen Grad habe ich deshalb vergessen, wer ich bin, woher ich komme, was mich ausmacht. Ich musste diese ›Integration‹ erst wieder ein bisschen verlernen, um zu mir zu finden.« Dacid Go8lins Musik ist in weiten Teilen politisch, gleich die zweite Nummer ihrer EP behandelt das Leben in der Diaspora. Als queere, migrantische Künstlerin müsse sie aber
Femme DMC mit Dafina Sylejmani alias Dacid Go8lin (3. von links): Label, Plattform und Partyreihe für Frauen im Hip-Hop.
auch gar nicht viel sagen, bemerkt sie schmunzelnd: »Meine Präsenz ist oft Politik genug.« Ürdens und Go8lin unterscheidet vieles. Er rappt auf Deutsch, sie auf Albanisch. Er erlebte den Krieg nicht mit, sie schon. Sie hat einen österreichischen Pass, er – entgegen seiner Behauptung in »Österreicher« – nicht. Er identifiziert sich eher mit Akademikern, sie kann über realitätsferne Diskussionen an der Uni – ihr Studium der bildenden Kunst liegt gerade auf Eis – nur den Kopf schütteln. Aber sie sind beide MusikerInnen und sie haben nicht nur den berühmten Migrationshintergrund sondern thematisieren ihn – auf völlig unterschiedliche Weise – in ihrer völlig unterschiedlichen Musik.
Hip-Hop und Migration Die kann man trotzdem unter Hip-Hop subsumieren. Macht man sich nach MusikerInnen auf die Suche, die ihren eigenen Migrationshintergrund in ihrer Musik verhandeln, wird man bei diesem am schnellsten fündig. Das verwundert nicht großartig, denn auch wenn Hip-Hop mittlerweile zahlreiche Spielarten kennt, wird er dennoch immer noch im Sinne seiner »Erfindung« – als Ausdrucksmittel und Kultur marginalisierter Gruppen – gelebt. Dazu gehören natürlich auch MigrantInnen. »Nur schon die Tatsache, dass jeder Afroamerikaner in den USA mit einer DiasporaErfahrung in der eigenen Familie aufgewachsen ist, macht Hip-Hop und Migration, aber auch Hip-Hop und Minderheitsgesellschaft voneinander untrennbar«, sagte der deutsche
Buchautor Hannes Loh 2017 in einem Interview mit Noisey, in dem es darum ging, wie MigrantInnen Rap geformt haben. Aber sie haben ihn nicht nur geformt, sie bestimmen ihn auch heute. »Gerade Deutschrap in all seinen Ausformungen ist zur Zeit der Träger der migrantischen Identität in vielen Bereichen und ein wichtiges Ausdrucksmittel – auch für österreichische Künstler«, attestiert Ilias Dahimène, der das österreichische Label Futuresfuture, auf dem nicht zuletzt Jugo Ürdens veröffentlicht, mitbetreibt. Die Relevanz von Hip-Hop kann nicht überbetont und eine Verschiebung bei den Gatekeepern musikalischer Leitkultur – um dieses schöne Wort einmal anzubringen – nicht geleugnet werden. In Amerika – das hier natürlich noch mal ein paar Jahre voraus ist – löste das Genre voriges Jahr Rock als verkaufsstärkstes ab, ist der wichtigste Impulsgeber für Popmusik und (Pop-)Kultur, ist Popmusik und (Pop-)Kultur. Wie man in Österreich mit Hip-Hop, wenn er eine Form von migrantischer Identität verhandelt, umgeht, scheint aber oft unklar zu sein. Wenn RAF Camora und Bonez MC mit ihrem zweiten gemeinsamen Album »Palmen
aus Plastik 2« wieder Rekorde sprengen und – wie kürzlich geschehen – 13 von 14 Plätzen in den österreichischen Charts belegen, werden lieber die »Spielregeln« der Charts geändert, als darüber nachzudenken, was das bedeutet. Wenn gerade junge KonsumentInnen sich in der Musik von RAF Camora und Co wiederfinden, geht es hier – neben vielen anderen Dingen – natürlich auch um Fragen der Identifikation und Repräsentation.
Sichtbarkeit Um zu verstehen, warum das nicht ganz egal ist, können Zahlen helfen. Als Bevölkerung mit Migrationshintergrund werden in Österreich Menschen bezeichnet, deren beide Elternteile im Ausland geboren worden sind. 2017 betrug der Bevölkerungsanteil dieser Personen laut Statistik Austria in Österreich 22,8 %. In Wien waren es fast 44 %. Natürlich drängt sich die Frage auf, ob diese Menschen adäquat in der Kulturproduktion, in der Musik, vertreten sind. Denn wo immer im weitesten Sinne eigene und kollektive Erfahrungen verarbeitet werden, wird eine Welt abgebildet oder eröffnet. »Das Wir war im Hip-Hop immer das Wichtigste. Die gemeinsamen, geteilten
» Meine Präsenz ist oft Politik genug.« — Dafina Sylejmani
015
»Das Wir war im Hip-Hop immer das Wichtigste. Die gemeinsamen, geteilten Erfahrungen«, meint Esra, die mit ihrem Bruder Enes als Esrap Musik macht.
Erfahrungen. Unsere Gastarbeitersituation, dass wir in einer Zimmer-Küche-Wohnung aufgewachsen sind – das hat sich in Texten von anderen Rappern widergespiegelt«, beschreibt Esra, Teil des Geschwisterduos Esrap, ihr Verständnis davon, was Hip-Hop für eine Community leisten kann. Diverser Rap, diverse Musik im Allgemeinen schafft es Lebensrealitäten abzubilden und sorgt für Sichtbarkeit. Dennoch: »Fast jeder gepushte Rock-, Pop-, Electronic-Act ist dann doch wieder eher weiß, weiß, weiß«, beobachtet die FM4Musikjournalistin Dalia Ahmed. Was die mediale Aufmerksamkeit und das »Pushen« von Acts betrifft, liegt Ahmed sicherlich richtig. Natürlich gibt und gab es trotzdem auch abseits von Hip-Hop immer KünstlerInnen in Österreich, die sich in ihrer Musik mit ihren Wurzeln auseinandersetzen. Das betrifft bekannte Menschen wie den Jazzund Gipsy-Swing-Virtuosen Harri Stojka genauso wie MusikerInnen, die den Schritt zu größerer Öffentlichkeit – nicht zuletzt wegen fehlender medialer Aufmerksamkeit – nicht geschafft haben, oder die ganz bewusst in ihren eigenen Communitys bleiben wollen. Die 26-jährige Mascha, die diesen Sommer die Single »Dali, Dali (Ukrainian Electro Rave)« veröffentlicht hat, möchte ihre Herkunft nicht zum Dreh- und Angelpunkt ihrer Musik machen, oder in eine Schublade gesteckt werden. »Ich verstehe nicht, warum ich als komplexer Mensch nicht unterschiedliche Werke und Herangehensweisen präsentieren kann?«
» Als mein Zuhause bezeichne ich meinen Laptop.« — Mascha
Die Musikerin, die mit neun Jahren nach Wien kam und vorher in der Ostukraine lebte, macht Elektro-Pop im weitesten Sinne, auch wenn ihr die Anti-Genrebezeichnung »PostGenre« lieber wäre. Sie ist – in dieser Hinsicht Jugo Ürdens gar nicht unähnlich – ein gutes Beispiel für eine junge Generation, die wenig mit Grenzen – ob nun zwischen Genres oder zwischen Ländern – anfangen kann und ihre Herkunft nicht als besonders wichtiges Identifikationsmerkmal sieht. »Als mein Zuhause bezeichne ich meinen Laptop, meine Freunde und alles, was mir das Gefühl gibt, ein offener und starker Mensch zu sein.« Ende der 80er kam der in Moskau, damals Teil der Sowjetunion, geborene Musiker Georgij Makazaria nach Wien, da war Mascha noch nicht einmal geboren. Bekannt wurde er als Frontmann der Band Russkaja, die sich – obwohl ihre Texte auf Russisch sind – hier großer Beliebtheit erfreut. Befragt nach den Beweggründen, seine Herkunft und die damit verbundene Kultur so stark zu thematisieren, erklärt er: »Es gab eine Zeit, um die Jahrhun-
dertwende, wo ich begonnen habe Nostalgie für mein Herkunftsland zu verspüren, gerade weil es dieses Land nicht mehr gab.« Ob er den Eindruck hat, dass sich jüngere MusikerInnen aktiver und vielleicht auch anders mit Identitäts- oder Diversity-Fragen auseinandersetzen als frühere Generationen? »Das wäre nur logisch. Viele junge Menschen begleiten diese Themen seit ihrer Kindheit. Als ich Ende der 80er nach Österreich kam, wurde Migrationshintergrund nicht so thematisiert, war nicht so breit in den Medien vertreten.« Auch Dalia Ahmed spricht von einer »Wokeness-Revolution«, die aus Amerika herüberschwappt und Interesse an Acts, die sich mit ihren diversen Backgrounds beschäftigen, befeuert. Sie differenziert aber: »Ich glaube nicht, dass die KünstlerInnen erst jetzt über diese Themen reden, sondern, dass diese Themen vom Publikum jetzt eher aufgenommen werden.«
Marketing und Exotismus Fragt man bei österreichischen Labels nach, ob sie Diversity-Themen quasi auch als ver-
Michael Winkelmann, Maja Potrawiak
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Russkaja-Frontmann Georgij Makazaria (2. von links) hat vor Kurzem mit drei Musikerkollegen, die ebenfalls aus der ehemaligen UdSSR stammen, als Russian Gentlemen Club ein Album veröffentlicht.
marktbaren Trend identifizieren, wird eher abgewunken: »Wenn Artists diese Themen aufgreifen oder es Teil ihres Profils ist, dann gibt es keinerlei Berührungsängste. Aber es ist kein Schlüsselpunkt, nach dem wir aktiv suchen würden«, heißt es zum Beispiel von Nuri Nurbachsch, der bei Sony Music für den Bereich Artists & Repertoire zuständig ist. »Als Vermarktungsmethode im Speziellen fällt mir jetzt kein Beispiel ein, das es geschafft hätte, das spezifische Segment dann auch zu übersteigen, wenn es die einzige Facette ist, die man zeigt.« Denkt man in Verkaufszahlen, mag das zumindest für Österreich stimmen, sieht man von einzelnen Phänomenen wir Nazar oder dem schon erwähnten Wahlberliner Raf Camora ab. Denkt man in Blasen oder Milieus, ist dennoch ein gesteigertes Interesse an Acts, die »anders« sind, zu beobachten. Ein gutes Beispiel ist die Rapperin Ebru Düzgün alias Ebow, die voriges Jahr ihr Album »Komplexität« herausgebracht hat. Fast kein Medienbericht ist ohne den
Verweis auf ihre Herkunft ausgekommen. Fragt man sie, ob in einer gewissen Bubble – nennen wir sie Akademiker-Hip-Hop-Fans bis FM4-JüngerInnen – Diversität gar als Vorteil wahrgenommen wird, also als etwas, was eine Künstlerin/einen Künstler erst interessant macht, sagt sie: »Auf jeden Fall herrscht hier eine positive Diskriminierung. Die Grenze liegt bei mir an dem Punkt, wo meine Herkunft, mein Aussehen, mein Privates wichtiger ist als meine Musik. Wenn das Interesse vorrangig wegen dieser Kriterien besteht, fühle ich mich als Künstlerin nicht ernst genommen.«
Eine Gratwanderung Die Grenze zwischen einem Dürsten nach »neuen und diverseren Sichtweisen«, wie Dalia Ahmed es nennt, und Exotismus ist schmal. Auch Cosima Sindlhofer, die sich im Rahmen ihrer Arbeit bei der Organisation Kulturen in Bewegung stark mit Fragen der Repräsentation von KünstlerInnen beschäftigt, beschreibt das als Gratwanderung: »Viele KünstlerInnen
kommen aus traditionellen Richtungen der Kunst und Kultur. Da geht es vor allem darum, ihnen künstlerische Authentizität zu ermöglichen, andererseits aber auch zu vermeiden, Stereotype zu reproduzieren.« Kulturen in Bewegung, das sich nicht nur, aber auch um traditionelle Musikrichtungen kümmert, hat hier natürlich eine ganz andere Ausgangslage als eine Reihe wie Femme DMC oder Sounds of Blackness, ein Wiener Kollektiv aus KünstlerInnen und MusikerInnen, das sich mit der Repräsentation von Black Culture und PoC, People of Color, beschäftigt. Ein Clubkultur-Festival wie Hyperreality hat andere Ziele als der von Esrap und Kid Pex ins Lebens gerufene Gürtel Squad, bei dem Menschen durch Hip-Hop zusammengebracht werden. Dennoch gibt es wohl überall einen kleinsten gemeinsamen Nenner: »Sei es Blackness und andere Formen des PoC-Seins, Queerness etc.: All diesen Gruppen wird sonst nie Space – weder auf den großen Konzertbühnen noch in den Clubs – eingeräumt. Es geht darum Sichtbarkeit und Räume für die Communitys selbst zu erschließen«, wie Dalia Ahmed es treffend beschreibt. Ein Statement, das wohl auch die elektronische Soundkünstlerin Zosia Hołubowska, die sich als Mala Herba mit traditioneller osteuropäischer Musik auseinandersetzt und eng mit dem Wiener Kollektiv Sounds Queer? verbunden ist, unterschreiben würde. »I am working towards making room for more diversity in the music scene. I believe that music is a great tool for self-expression and strengthening agency.« Amira Ben Saoud
»Yugo«, das Debütalbum von Jugo Ürdens, ist bei Futuresfuture erschienen. Die EP »Qart« von Dacid Go8lin bei 971321 Records DK. Esra und Enes aka Esrap arbeiten gerade an ihrem neuen Album – inklusive Crowdfunding auf www.esrapduo.net. Mascha und Ebow (aktuelles Album: »Komplexität«) veröffentlichen bei Problembär Records. Mit drei Musikerkollegen, die ebenfalls aus der ehemaligen UdSSR stammen, hat Georgij Makazaria vor Kurzem unter dem Namen Russian Gentlemen Club das Album »I« (Hoanzl) herausgebracht. »Demo« von Mala Herba ist bei Transformer Music erschienen.
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Soundkünstlerin Zosia Hołubowska setzt sich als Mala Herba mit traditioneller osteuropäischer Musik auseinander.
Sagmeister & Walsh, »Sensory Room«, 2018, MAK-Ausstellungsansicht
MAK / Aslan Kudrnofsky
Wer sich hin und wieder für das Schöne entscheidet, tritt damit nicht automatisch in Opposition zum Funktionalen. In ihrer Ausstellung im Wiener MAK holen Stefan Sagmeister und Jessica Walsh deshalb zum Rundumschlag für das Schöne aus. ———— Sanft hügelige, grüne Landschaften, Sonnenuntergänge oder Fußspuren im sonst unberührten Sand – es gibt sie, diese Dinge, die wohl universell als schön eingestuft werden. Dass vor allem die Kombination all dieser Klassiker in Sachen Schönheit stark an das Setting eines Rosamunde-Pilcher-Films erinnert, klingt im ersten Moment zwar nach Zufall, ist aber vermutlich keiner. Schließlich ist es doch so, dass die Schönheit – sowohl im Kontext der eben erwähnten Kitschfilme wie auch in besonders emotionalen Momenten, etwa bei einem Heiratsantrag – nach wie vor hoch im Kurs steht. Geht es nach den beiden renommierten DesignerInnen und BürokollegInnen, Stefan Sagmeister und Jessica Walsh, so ist dem Schönen – vor allem im Rahmen des Designdiskurses – in den vergangenen beiden Jahrhunderten allerdings eher eine Randposition zugewiesen gewesen. Die Funktion hat sich zwischen das Schöne und das vielzitierte Auge des Betrachters gedrängt, wie eine große schwarze Wolke zwischen das verliebte Pärchen und den gerade eben noch äußerst vielversprechenden Sonnenuntergang am Horizont. Während sich der Heiratsantrag auf einen besseren, zur Gänze wolkenlosen Moment verschieben lässt, wollen Sagmeister und Walsh jetzt dafür sorgen, dass das Schöne überhaupt wieder am Horizont der für Kunst und Design bedeutsamen Parameter auftaucht. Mit ihrer umfassenden Ausstellung »Beauty« befreien sie die Schönheit wieder von der weitverbreiteten Idee, dass sie der Funktion bloß im Weg stehen würde. Als multimediales, höchst sinnliches Plädoyer für die Lust am Schönen durchflutet die Ausstellung das gesamte MAK und soll dabei aufzeigen, dass der Schönheit selbst wichtige Funktionen anhaften. Geht es darum, das Wesen des Schönen zu erkunden, orientieren sich Sagmeister und Walsh nicht an den vielen philosophischen und wissenschaftlichen Abhandlungen, die es zum Thema gibt, sondern an Fakten. So ist beispielsweise festgestellt worden, dass schöne Dinge unmittelbar auf die Dopaminrezeptoren und damit auch auf das menschliche Empfinden wirken und schöne Gestaltung deshalb durchaus als funktional zu verstehen ist. Im Rahmen der Ausstellung wird der Schönheit außerdem auch ein transformatorisches Potenzial zugeschrieben, das dazu beitragen kann die Welt zu verbessern. So zeigt die Installation »From Garbage To Functional Beauty« des französischen Designers Thierry Jeannot, wie aus Plastikmüll wunderschöne Kronleuchter entstehen können. Damit halten sich Sagmeister und Walsh in keiner Weise an Immanuel Kants Diktum, dass Schönheit eine »Zweckmäßigkeit ohne Zweck« sei. Wenn sich im gemeinsam mit Swarovski gestalteten »Sensory Room« alle Farben des Sonnenuntergangs mit Zitrusduft und einem Klangteppich aus Gesängen des malaysischen Sumpffrosches verbinden, wird jeder mögliche Zweck des gerade Erlebten jedoch von der Schönheit des Moments überlagert. Dann kann es lohnenswert sein, von der Frage nach dem Sinn des Ganzen einmal abzusehen und lieber auf die eigenen Sinne zu setzen. So drängen sich garantiert auch weniger häufig schwarze Wolken in den malerischen Sonnenuntergang. Sarah Wetzlmayr »Sagmeister & Walsh: Beauty« ist von 24. Oktober 2018 bis 31. März 2019 im MAK in Wien zu sehen. Begleitet wird die Ausstellung von einer – natürlich sehr schönen – Publikation aus dem Verlag Hermann Schmidt, deren Untertitel: »Schönheit als Schlüsselkonzept für die Gestaltung der Zukunft«.
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Sagmeister & Walsh: »Sensory Room« Zu schön, um falsch zu sein
10 Jahre Der Nino aus Wien
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Diese Person ist cool 2008 erschien das erste Album von Der Nino aus Wien. Zehn Jahre später gehört Nino Mandl zur A-Liga, hat das Popfest kuratiert und veröffentlicht ein Jubiläumsalbum. Wir verneigen uns. ———— Zehn Jahre also. Eine der wichtigsten Personen des österreichischen Pop schickt dessen musikalische Reise mittlerweile aufs Gymnasium. Der Mann, ohne den viele Entwicklungen der letzten Jahre nur schwer denkbar wären, drückt seit Jahr und Tag dem Wiener Wesen eine klangliche Existenzbestätigung auf und verkörpert wie kaum ein Zweiter ein romantisiertes und damit viel-leicht noch wahreres Wien der Neuzeit: existenzialistisch, virtuos und lyrisch. Und weil Jubiläen – und welches soll man denn feiern, wenn nicht dieses hier? – auch immer Platz und Raum schaffen, auf Vergangenes und Zukünftiges zu blicken, beginnen wir natürlich am Anfang, bei der Geschichte einer coolen Person.
»Hirschstettner Lebensart« Mit 17 begann der von der »Anthology«DVD der Beatles und vor allem von Syd Barretts »The Madcap Laughs« inspirierte Nino Mandl, sich mit der Gitarre zu beschäftigen und schmiss erst einmal ein paar Nummern auf Myspace. Ende 2006 stieg schließlich im Café Anno das erste Konzert, im Rahmen eines Literaturabends von DUM – das ultimative Magazin, bei dem der lyrisch Hochbegabte bereits veröffentlicht hatte. Damals schon dabei und ab und an noch heute gerne angemerkt: der Hirschstettner Slang. Dort oben, in Hirschstetten im 22. Wiener Gemeindebezirk, ist er nämlich aufgewachsen, dort klingen alle so. »Die haben alle so geredet, als wären sie bekifft. Eine ganz eigene Sprache, ein ganz eigener Dialekt. Man merkt es auch beim Yung Hurn, dass er ein Hirschstettner ist – die Leute glauben immer, er ist voll drauf«, erzählt Mandl von dieser ganz bestimmten Art sich auszudrücken. Schnell haftet das Etikett des Klebstoffschnüfflers an ihm, aber so arg war Hirschstetten erstens gar nicht in den
00er-Jahren – die Spritzen lagen eher in den 90ern um den Badeteich – und zweitens war das damals reine Vermarktung. Weißt eh, die Hirschstettner und ihr Drogen-Marketing. Ist alles nur dialektbedingt.
»Es geht immer ums Vollenden« Zurück ins Café Anno, in die Lerchenfelder Straße: Ein bisschen Glück war schon auch dabei. Gleich nach dem ersten Konzert wollte jemand aus dem Publikum ein Album machen: Manfred Scheer, der Bassist einer Reggaeband. Anderthalb Jahre wurde herumprobiert. Das Album ergab sich mit der Zeit, heißt »The Ocelot Show« und gilt heute als Klassiker. Fehlte nur mehr ein Label. Und da kam einer ins Spiel, der Mandl dann lange begleiten und selbst einen gar prächtigen Stempel in Wiens Musiklandschaft hinterlassen sollte: »Ich hab den Stefan Redelsteiner im Fernsehen gesehen, bei Puls TV oder wie das damals noch hieß. Und ihn danach gleich auf Myspace angeschrieben«, erzählt Mandl. Das erste Treffen gab’s damals im Das Bach in Ottakring: »Von Anfang an war mir klar, dass das eine außergewöhnliche Persönlichkeit ist«, so Stefan Redelsteiner. »Dafür reichten die vier Demos auf seiner MyspaceSeite, das muss irgendwann im Herbst 2007 gewesen sein. Mit einem Schlag stand dann auch fest, welche Identität mein eben erst gegründetes Plattenlabel haben sollte, was hier der rote Faden sein könnte. Zu der Zeit kam alles in Gang.« Bereits damals war einer der größten Publikumslieblinge schon dabei: »Es geht immer ums Vollenden«, kurz »Vollenden« genannt, ein Brett von einem Strophenlied, ein Wendepunkt für das Begreifen Wiener Musik. »Das kann man nur als 19-Jähriger, der keine Ahnung von nichts hat, schreiben. Mir war es damals schon unheimlich. Als würde ich etwas behaupten, von dem ich selbst keine Ahnung hab. Durch die Jahre, das Livespielen, check ich es mittlerweile«, erklärt Mandl sein frühes
Meisterwerk. Das Schreiben an sich blieb aber bis heute gleich: Der Nino schreibt mit Gitarre in der Hand, singt die Lieder eher, als dass er sie schreibt. »Ich ruf’ sie raus und schreib’ mit, eigentlich.«
»Du Oasch« Nach dem ersten Album musste dann eine Band her, es sollte wilder werden, auch hier funktioniert Myspace als Katalysator. So erzählt Paul »pauT« Schreier: »Ich habe beim Protestsongcontest 2009 mit meiner damaligen Band Westpol teilgenommen. Beim Halbfinale im Haus der Begegnung war auch Der Nino aus Wien dort. Wir haben eigentlich nicht wirklich etwas geredet, aber uns dann auf Myspace angefreundet und er mich angechattet: ›Coole Musik, coole Lieder‹ – ›Auch
021 Patrick Münnich
coole Lieder und so! Wenn du mal einen Bassisten brauchst, dann meld dich!‹ – ›He cool, ja brauch’ eh grad einen Bassisten für Studioaufnahmen und Tour‹«. Am Namen wurde festgehalten. »Uns ist echt nichts Besseres eingefallen. Zuerst hab’ ich das ja auf mich bezogen und dann ist der Name auch mit der Band so geblieben.« Die Aufgabenverteilung ist klar. Schreier: »Die Zusammenarbeit läuft meistens so, dass Nino mit Gitarre ein neues Lied vorspielt und dann spielen wir das einfach mal so als Band und probieren so ein bisschen herum. Die letzten Male war oft auch Produzent Paul Gallister mit dabei«. »Wir«, das sind neben Nino Mandl und Paul Schreier auch Raphael Sas und David Wukitsevits. Alle tragen Unterschiedliches bei
und sind doch jeweils Garanten für den Erfolg, wie auch Nino bestätigt: »Der Pauti ist wahrscheinlich der beste Musiker. Er kann fast alles spielen, sich aber auch unserem Dilettantismus öffnen. Der Raphael – ich kannte ihn von Mob – war immer ein urguter Sänger und Songwriter, und er versteht meine Lieder auch sehr. Und der David ist auch so cool Underground, überhaupt nicht so auf Kommerz, irgendwie«. Apropos vermeintlicher Kommerz: Mit »Du Oasch« kommt der erste Überhit in die Heavy Rotation – laut erster Bandreaktion beim Vorstellen »voll der Austropop-Klassiker«. Das Stück erreicht als Erstes eine größere Anzahl von Leuten und macht Der Nino aus Wien in ganz Österreich bekannt. Und das, obwohl die Nummer eigentlich für den »bösen Zwilling« Euphoric Flenson
geschrieben wurde, ein Alter Ego mit zwölf unveröffentlichten Alben mit jeweils drei bis vier Stücken drauf.
»Praterlied« Was generell auffällt: Viele der ganz großen Hits von Der Nino aus Wien – ganz objektiv betrachtet sind das eben »Du Oasch«, »Praterlied«, »Schlagoberskoch« und wohl auch »Jukebox« vom neuen Album – sind im Wienerischen gehalten. Und das, obwohl es weder der natürliche Sprachduktus Ninos ist, noch besonders typisch für seine Songs. Nur drei von zehn geschriebenen Stücken sind im Dialekt gehalten. »Man kann das nicht planen«, erklärt Mandl sein Verhältnis zum Dialekt. »Wahrscheinlich krieg ich ihn manchmal eh okay hin, weil ich so viel Ambros gehört hab. Manchmal
überkommt es mich, das fängt meistens schon mit dem ersten Wort an, und dann schreib’ ich den Rest im Dialekt. Die andere Sprache ist aber schon eher meine Sprache.« Vor allem in Zeiten, in denen sogar unauthentische Anmaßungen vom Wienerischen zu Charterfolgen werden, ist Dialekt aber deutlich beliebter als Hochdeutsch. Glaubwürdigkeit ist jedenfalls eine Stärke, die den Nino auszeichnet: »Dialekt ist keine Garantie, dass es den Leuten gefällt. Ich sing’ gerne im Dialekt und sing auch anders im Dialekt und schreib’ auch anders. Es hat automatisch mehr Witz, kommt mir vor. Da fallen mir eher die Schimpfwörter ein als die schönen.«
»Und dann bin i ka Liliputaner mehr« Ob nun im Dialekt oder nicht: Der Erfolgslauf von Der Nino aus Wien lässt sich auch in den Folgejahren nicht aufhalten. Fast jährlich erscheint ein neues Album, die Fanbasis wächst zwar langsam, aber beständig. Mit den gleichzeitig erscheinenden Geschwisteralben »Bäume« und »Träume« erreicht die Band ihren vorläufigen künstlerischen Höhepunkt. Der große Charterfolg kam für Nino Mandl dann aber außerhalb der Band – mit »Unser Österreich«, einer Zusammenarbeit mit Ernst Molden. »Der Ernst Molden hat mir gesagt, er will immer schon ein Austropop-Coveralbum machen und alleine traut er sich nicht. Die Idee fand ich ganz witzig, hab mir nicht so viel dabei gedacht.« Die beiden sind Seelenverwandte, wie Ernst Molden bereits 2014 in einem Interview mit Music Austria erzählte: »Ich fühle mich irrsinnig wohl mit ihm. Als ich seine erste Platte hörte, dachte ich: Wahnsinn, der Typ ist erst 22 Jahre alt. Ich hab ihn gleich angerufen und vor ihm salutiert.«
Maße vom Nino gefördert und inspiriert wurden, an die Spitzenposition in Österreich. Sein Einfluss auf die ganz großen Erfolgsmodelle der letzten Jahre ist nicht groß genug einzuschätzen. Stefan Redelsteiner, der Wanda in die Stadthalle und darüber hinaus gebracht hat, meint sogar: »Ohne Nino, kein Wanda. Ohne Nino, kein Voodoo. Somit ohne Nino auch kein neues aufregendes Pop-Wien.« Dass er den Erfolg möglich gemacht hat, weist Nino selbst aber zurück: »Das kann ich nicht sa-gen, da muss man bis an den Anfang der 2000er zurückgehen – Ja, Panik, Soap & Skin und A Life, A Song, a Cigarette, der Hubert Weinheimer und so. Die haben mich ermutigt. Vieles hat zeitgleich begonnen, man war da immer connected. Man hat es gespürt, dass viele Leute unabhängig voneinander was machen.« Das Image von Der Nino aus Wien wandelte sich leicht hin zu einem Hidden Champion, zu jemandem, den man entdeckt, wenn man sich tiefer mit der Materie beschäftigen will. Nicht umsonst erscheint auch die erste Werkschau »Immer noch besser als Spinat«, die sich sehr gut verkaufte, am Höhepunkt des Hypes der anderen. Von Groll aber keine Spur: »Ich vergönn’ es den Wandas und dem Voodoo voll. Der Voodoo ist schon ein Rockstar auf seine Art, immer schon gewesen. Die Eternias waren die beste Liveband, die ich kannte. Er ist ein toller Songwriter und Mensch auch, ich mag ihn voll. Wanda sind ins Rennen gegangen, dass sie die Welt erobern. Mit der Überzeugung, es kann funktionieren. Marco wollte das unbedingt, sie haben es geschafft und verdient.« Dafür, dass er selbst nur in geringerem Maße die Hallen füllt, hat er eine einfache Erklärung: »Ich hab immer schon so eine Abwehrhaltung gegen den großen Hit. Es ging
» Ohne Nino, kein Wanda. Ohne Nino, kein Voodoo. Somit ohne Nino auch kein neues aufregendes Pop-Wien.« — Stefan Redelsteiner Molden und Mandl gelang es mit »Unser Österreich«, bekanntere und unbekanntere Stücke von Ambros, Danzer, Heller, Maron und anderen zu ihren eigenen zu machen. Sie reduzierten strikt auf das Skelett und verschafften auch den alten Hadern einen neuen Schub an Popularität. Sie stiegen damit bis auf Platz drei der offiziellen Verkaufscharts auf.
»Immer noch besser als Spinat« Rund um den Nino hat sich in der Zwischenzeit einiges getan. Mit dem viel zu großen Erfolg von Wanda und Voodoo Jürgens schaffen es zwei Acts, die von Anfang an in hohem
mir nie um Hits, ich bin dankbar, dass ich spielen kann, dass Leute kommen. Ich kann keine Hits schreiben, das liegt mir nicht. Ich kann auch gut untergehen in Riesenhallen. So zwischen 200 und höchstens 1.000 ist angenehm. Meine Musik funktioniert in kleinem Rahmen besser.«
»Alles passt« Was sowieso wichtiger ist als Chartplatzierungen: Der Nino aus Wien kann gut von seiner Musik leben – schon seit einigen Jahren, fast direkt von Beginn weg. »Es hat sich über die Jahre gehoben und hält jetzt das Niveau
irgendwie. Kurz glaubt man, man ist reich, dann kommt die Steuer und man ist nicht so reich«, weiß Mandl zu erzählen. Wien ist da eh ein Paradies, es gibt gar nicht so wenige, wie man denken mag. Früher schien das immer unmöglich. Heute tragen neben hunderten Auftritten im Jahr auch vermehrt Albumverkäufe zum finanziellen Überleben bei. Es ist zwar nicht viel, läppert sich aber: der Vorteil von zehn Alben eben. »Es gibt immer wieder Leute, die das erste Album kaufen und ein paar sind halt so arg, dass sie gleich alle kaufen und sich durchhören.« Apropos Konzerte: Als einer der wenigen Künstler in Wien schafft es Nino, eine große Bandbreite anzusprechen, tritt in verrauchtverschwitzten Clubs genauso auf wie an vermeintlichen Orten der Hochkultur, kuratiert mitunter Abende in seiner »Stammhütte«, dem Theater am Spittelberg.
»Am heißesten Tag des Sommers« Dass Der Nino aus Wien nicht mehr aus der heimischen Musiklandschaft wegzudenken ist, steht ohnehin seit Beginn der 10er-Jahre fest. Eine Nominierung hat dennoch Aufsehen erregt und seinen Wert noch einmal einzementiert: die als Kurator des Popfest – gemeinsam mit Katharina Seidler. Der Anruf von Robert Rotifer kam zur richtigen Zeit: »Ich hab mir gerade überlegt, dass ich einmal etwas anderes ausprobieren sollte und dann
Nino Mandl: »Ich sing’ gerne im Dialekt. Es hat automatisch mehr Witz, kommt mir vor. Da fallen mir eher die Schimpfwörter ein als die schönen.«
relativ schnell zugesagt.« Auch seine PopfestPartnerin war von ihm überzeugt: »Nino und ich kannten einander vor diesem Projekt ja kaum, aber ich hoffte gleich, dass er Zeit und Lust haben würde. Zwei Facebook-Nachrichten später saßen wir schon Spritzer trinkend am Karlsplatz«. Der Beginn einer über mehrere Monate hinweg schweißtreibenden Arbeit, in deren Rahmen rund drei Konzerte pro Woche besucht wurden. »Wir haben es ernst genommen, es liebevoll zusammengestellt«, weiß Mandl aus dieser Zeit zu berichten. Einfacher hat es ein ähnliches Gefühl für Musik gemacht: »Nino ist einfühlend und klug, er kann Situationen, Stimmungen und Musik sofort erspüren und einordnen. Oft mussten wir über die gehörten Songs also gar nicht viel sagen – ein Blick: ›Das, gell?‹ – ›Ja, das.‹«, erzählt Katharina Seidler. Das Event selbst war für den Jungkurator – »Ich werd’ so etwas nie wieder machen« – ein Erfolg auf voller Linie.
»Jukebox« Wenn man nun mit dem zehnten Album im zehnten Jahr ins Rennen geht und es als »Jubiläumsalbum« ankündigt, in perforiertem Gold seinen Namen auf ein schwarzes Cover gibt, bleiben nur zwei Möglichkeiten: Man fährt sein Teleobjektiv auf die Vergangenheit aus, blickt klanglich und textlich noch einmal zurück. Oder: Man präsentiert seinen Status quo. »Der Nino aus Wien«, ebendieses Jubilä-
umsalbum, schafft es, gleich beides unter einen Hut zu bringen. Die Lieder – sie stammen aus dem letzten Jahr – klingen unendlich vertraut, beinhalten wieder Bewusstseinsströme und schunkelnde Dialekthymnen, wirken aber nicht so, als würde sich hier jemand wiederholen – und dennoch sind sie ohne einen retrospektiven Plan aufgenommen worden: »Dass es ein Jubiläumsalbum ist, ist mir erst aufgefallen, als alles fertig war. Ich finde es nett, dass es abwechslungsreich ist, ich finde die Lieder schon relativ verschieden.«
»Konzert« Wenn die Tour ansteht, die gebührend gefeierte Jubiläumstour, wird Der Nino aus Wien wieder auf den Bühnen der Republiken stehen, das Publikum wieder mit dem Hirschstettner Dialekt verzaubern und ein idealisiertes, romantisches Wien reminiszieren. Abhängig davon, ob er in Wien oder in Linz gastiert, wird der Applaus anders ausfallen – manchmal lange ohne Jubel, manchmal sehr kurz und laut. Was dann gespielt wird, steht noch nicht fest: »Wir spielen einfach, was uns am meisten taugt. Das können wir auch am besten. Man steht ja zu seinen Liedern, man hat sich ja eingebildet, dass sie gut sind.« 200 bis 1.000 Menschen an einem Abend können schließlich nicht irren. Dominik Oswald
»Der Nino aus Wien« von Der Nino aus Wien ist bei Problembär Records erschienen.
Dr. jur. Werner Müller Wirtschaftskammer Österreich, Fachverband Film- und Musikwirtschaft
A dvertorial
Glosse Urheberrecht Österreichische EU-Ratspräsidentschaft und das Urheberrecht – Behind the Scenes? Die österreichische EU-Ratspräsidentschaft geht in die Halbzeit und – wie man hört – das EU-Urheberrechtspaket in die entscheidende Schlussphase des sogenannten Trilogs – eines Verhandlungsprozesses, in dem die Positionen des Kommissionsvorschlags mit den Beschlüssen des Parlaments und des Rats verhandelt werden. Zu den wesentlichen Punkten dieses Pakets gibt es Beschlüsse der EU-Organe, die sich aber juristisch in manchen Details recht einschneidend unterscheiden. Wenn also aus diesem Trilog-Prozess auch keine neuen In- oder Outputs zu erwarten sind, kommt es doch auf die gescheite Mischkulanz der bestehenden Vorschläge an. Es scheint ein großes Interesse zu geben, im Rahmen der österreichischen Ratspräsidentschaft das große Paket abzuschließen oder zumindest der nächsten Präsidentschaft 2019 »schlüsselfertig« zu übergeben. Derzeit ist keine Absicht zu beobachten, den Prozess so lange zu strecken, dass sich, nach der EU-Parlamentswahl im Frühjahr 2019, die nächste Kommission und das neue Parlament mit diesem Paket befassen sollen. Das wäre auch keine begrüßenswerte Taktik, steht doch hinter diesem Paket ein mehrjähriger Behandlungsprozess. Nicht alle Ergebnisse sind bislang befriedigend. So wurde zwar die ValueGap-Bestimmung, die Lizenzierungspflichten für die »YouTubes dieser Welt« (Online-Sharing-Services) vorsehen, vom EU-Parlament am 12. September beschlossen, die Detailvorschriften sind aber noch in Diskussion und geben durchaus Anlass zur Sorge. Will man urheberrechtliche Verpflichtungen wirklich von der Größe des jeweiligen Online-Sharing-Services abhängig machen (Ausnahmebestimmung für kleine Unternehmen)? Will man das bestehende und an sich bewährte Content-ID-Verfahren von YouTube vielleicht gar infrage stellen und den Rechteinhaber selbst zwingen, das Inter-
net nach Rechtsverletzungen zu durchsuchen. Das wäre wohl das Gegenteil der geplanten Rechtssicherheit für die Urheber. Auch das Urhebervertragsrecht wird vor allem die Filmwirtschaft und ihre Kreativen noch weiter beschäftigen, machen sich doch in dieser Branche die Änderungen am ehesten bemerkbar. Natürlich stehen wir für faire, angemessene und transparente Vergütung der Urheber ein – die Filmproduktionswirtschaft selbst leidet ja gelegentlich unter mangelnder Transparenz ihrer Vertragspartner.
berrechtspakets) wurde wiederholt berichtet. Warum gerade ein im internationalen Umfeld relativ kleiner öffentlich-rechtlicher Sender wie der ORF dieses Prinzip befürwortet, bringt es ihm doch auch Probleme in der Exklusivität seiner fernsehnahen Online-Dienstleistungen, habe ich allerdings nie verstanden. Und ein Ergebnis, dass ein erfolgreiches Koproduktionsmodell zwischen Fernsehproduzenten und Sendern gefährdet, wäre ein Widerspruch zu einer jahrelangen Doktrin auch innerhalb der EU – nämlich, dass die unabhängige Produkti-
» Es wäre wünschenswert, dass auch die Stimme der österreichischen Produktionswirtschaft in diesem Prozess Gehör findet.« Ein Administrations-GAU à la DSGVO nützt aber weder der Filmproduktion noch den Urhebern noch der Entwicklung und Herstellung von Film-Content in Europa und der kulturellen Diversität. Hier gilt es, die angemessenen Ziele mit Augenmaß zu verfolgen und sich auch daran zu erinnern, dass es zwischen allen Beteiligten der Wirtschaft sowie Urhebern und Interpreten eine Vielzahl von geschäftlichen Transaktionen gibt, bei welchen es keine über das ursprünglich vereinbarte Entgelt hinausgehenden Verwertungseinnahmen gibt und bei denen daher obligatorische Transparenzbestimmungen oder gar Widerrufsbestimmungen nichts gebären außer Bürokratiemonster. Über das Ursprungslandprinzip in der SAT/CAB-Verordnung (ein Teil des EU-Urhe-
onswirtschaft, der beste Garant für innovative und kostengünstige Entwicklung, Herstellung und Verwertung von Produktionen ist. Wenn die in Diskussion befindlichen Interpretationen über die Reichweite des Ursprungslandsprinzip diesen Effekt hätte, wäre das hochgradig kontraproduktiv. Österreich versteht sich im Rahmen seiner Präsidentschaft als Mediator und nicht als Opinionleader. Trotzdem wäre es wünschenswert, dass auch die Stimme der österreichischen Produktionswirtschaft in diesem Prozess entsprechend Gehör findet. Letztlich ist es die europäische Content-Wirtschaft, die unter fehlgeleiteten Bestimmungen noch viele Jahre leiden würde, wenn die Verkehrszeichen in die falsche Richtung zeigen. www.filmandmusicaustria.at
museum in progress #medialoop
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Anlässlich ihres Debütalbums »Heavy Listening« haben wir uns mit der Künstlerin und Produzentin Farce zum Kaffee getroffen. Ein Wiener Underground-Faszinosum zwischen Perfektionismus und Genieverdacht. ———— Es gibt Personen im eigenen, indirekten Umfeld, die man aus sicherer Ferne immer schon im Augenwinkel hatte. Man kennt und schätzt ihre Arbeit, man ist von etwas oder im besten Fall von der ganzen Person fasziniert. In gewisser Weise entsteht ein Mythos. Das Wiener Allroundtalent Farce ist so eine Person. Seit zwei Jahren macht Veronika König im popkulturellen Untergrund mit ihrem Soloprojekt auf sich aufmerksam. Sie suhlt sich am Gürtel im Venster 99 mit Strobo-Taste in Bass und Nebel, bespielt Magazin-Releases und Hyperreality, veröffentlicht ihre erste EP und steht vergangenen Juli schließlich beim Popfest in der Karlskirche – wo sonst hätte eine Künstlerin besser reingepasst, die eine so große Liebe zu Orgeln pflegt!? Als wir sie im ersten Bezirk in einem klassischen Touri-Café zum Interview treffen, steht die 21-Jährige kurz vor der Veröffentlichung ihres Debütalbums »Heavy Listening«. Der Mythos Farce, der sich zuletzt durch Auftritte, Sound, Persona und Social Media aufgebaut hat, sitzt nun also vor uns. Mythen können mit einer Realitätswatschen schnell einmal bröckeln, das Faszinierende, das so manche Künstlerin und
manchen Künstler umgibt, kann sich durch ein reales Treffen schnell auflösen und im schlimmsten Fall in Enttäuschung bemerkbar machen. Farce allerdings hält im ganzen Gespräch, was ihre Kunst immer schon versprochen hat.
Der Drang zu produzieren Born and raised in einem kleinen Dorf bei Stuttgart, mitten im Schwabenland, lernte die fünfjährige Veronika klassische Gitarre, bis das schließlich irgendwann zu uncool wurde. König: »Ich musste natürlich unbedingt eine E-Gitarre haben, eine Band musste her – man kennt den Werdegang.« Dem Zeitgeist von My Chemical Romance und Konsorten entsprechend, wurde es eine Emocore/ScreamoBand, mit König als Gitarristin. Es folgte eine Black-Metal-Shoegaze-Combo, bei der die Musikerin sich auch langsam ans Songwriting herantastete und das erste Mal mit dem digitalen Produzieren von daheim aus in Berührung kam. Die Band löste sich schließlich auf, und König verschlug es nach Wien. Der Drang, Musik zu produzieren, blieb. Mit Garage Band, Interface und Laptop-Mikro entstanden erste Songs, autodidaktisch machte sich die Langzeitgitarristin auch den Synthesizer zu eigen. »Ich habe mir dann zu Weihnachten ein USB-Mikrofon und ein kleines MIDI-Keyboard gewünscht und damit meine erste EP produziert.«
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Farce im Porträt Das G-Wort
»Ich sehe im vorbeifahrenden Auto den Unfall mitvorbeifahren in Zeitlupe und rueckwaerts«, die EP mit dem vielleicht längsten Namen der Welt, wurde im Jänner 2017 bei Meta Matter Records veröffentlicht und hinterließ einen bleibenden Eindruck. Was folgte, waren viele Auftritte in und rund um Wien, eine kleine Deutschlandtournee. Die Live-Performance wurde geprobt, geschliffen und perfektioniert – so wie auch der FarceSound. »Die Grundstruktur, der Vibe und das Konzept müssen stimmen, bevor ich das überhaupt jemandem zeige.«
Professionelles Genie Farce funktioniert als Gesamtkonzept. Als hätte eine eigene PR-Maschinerie im Hintergrund einen durchgeplanten Popstar kreiert, der dennoch nur so vor Realness und Größe strotzt. Spricht man mit dem Umfeld rund um Farce, fallen im Gesprächsfluss vor allem zwei Worte immer wieder: Professionalität und Genie. Wie beispielsweise bei Rana Farahani aka Fauna, die sich im Sommer 2017 in Frankfurt das erste Mal mit Farce an dem Abend eine Bühne geteilt hat: »Ich war natürlich gleich ihr größter Fan. Veronika ist ein Genie, und ich bin extrem froh, mit ihr zusammenarbeiten zu können. Sie arbeitet absolut professionell und ist sehr talentiert, all diese Eigenschaften weiß ich sehr an ihr zu schätzen.« Das G-Wort scheint in der Farce-Reflexion sehr gängig zu sein, man könnte sogar eine Überbeanspruchung vermuten. Beschäftigt man sich allerdings genauer mit Veronika König, ist die Sache mit dem Genieverdacht schnell nachvollziehbar: Farce überzeugt durch ihren interdisziplinären
wie multimedialen Zugang zu Musik und eine unglaubliche Bühnenpräsenz. Wirkliche Wie-die-Faust-aufs-Auge-Vergleiche mit anderen Musikerinnen oder Musikern fallen schwer. Ihre Soundanleihen sind – zerpflückt man sie in die wesentlichen Bestandteile – nicht neu. Synthesizer, Samples, Effekte und Autotune hat König nicht erfunden. Wie sie ihr »Handwerk« als Songwriterin und Produzentin einsetzt, ist aber alles andere als gewöhnlich. Marlene Engel, als Bürgerkurator und Hyperreality-Brain bekannt, ist von Königs Können und DIY-Ethos überzeugt: »Ich freu mich immer besonders über Produzentinnen wie Farce, die echt alles selber machen, produzieren, singen, Videos checken und
networken, und dabei so menschlich und meistens gut drauf bleiben.« Das Multitalent, wie Engel (die übrigens auch den Geniebegriff in Zusammenhang mit Farce verwendet) die Künstlerin bezeichnet, ist am diesjährigen Hyperreality jeden Tag in einer anderen Konstellation aufgetreten – und das spreche schließlich für sich. Vom ersten Moment überzeugt war auch Rapper Gerard, der unter seinem bürgerlichen Namen Gerald Hoffmann gemeinsam mit Ilias Dahimène das Label- und Agenturkollektiv Futuresfuture betreibt. Beim einjährigen, inoffiziellen Geburtstagsanstoßen von Futuresfuture landeten die zwei am Ende in einem Club, in dem Farce gerade performte. »Sie hat uns total umgehauen, und schon
Nikolaus Ostermann
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Veronika König alias Farce überzeugt durch ihren interdisziplinären, multi medialen Zugang zu Musik.
nach den ersten Minuten war uns klar, dass das gerade ein sehr besonderer Moment ist. Farce und ich haben nach dem Gig über Synthie-Lines abgenerdet und über ihre Vision gesprochen. Wir haben ihr dann noch am selben Abend angeboten, Teil von Futuresfuture zu werden – ihr Sound und ihre Vision sind so eigenständig und futuristisch, dass sie perfekt zu uns passt.«
Liebe ist für alle da
Kaiser, die auf dich zukommen und fragen, ob du nicht Lust hättest, was zu machen. Die sind überhaupt keine Gatekeeper, die sehen etwas, was ihnen gefällt, und holen diese Person einfach rein. Da ist der Begriff der ›Freunderlwirtschaft‹ schon sehr positiv zu sehen – denn hier geht es nicht darum, Freunden etwas zuzuspielen, sondern die Leute, mit denen man arbeitet, werden dann zu Freunden.« Michaela Pichler
»Heavy Listening«, das Debütalbum von Farce, erscheint am 19. Oktober bei Futuresfuture.
Tief in mir ist es ein Anliegen » zu zeigen, dass jede und jeder irgendwo Liebe finden kann, in was oder wem auch immer.« — Farce 029
Der erste Bezirk ist nicht willkürlich für das Interview ausgewählt worden – wie es scheint, funktioniert bei Farce nichts nach dem Zufallsprinzip. Denn nach dem Interview begeben wir uns noch für ein Fotoshooting auf die Dächer Wiens sowie auf den Zollamtssteg zwischen Landstraße und Innere Stadt, wo einst Julie Delpy und Ethan Hawke in »Before Sunrise« dem Kitsch der Stadt erlegen sind. Ein ähnliches Gefühl möchte Farce mit ihrem Debüt auch erzielen, jedoch nicht durch eine heteronormativ-rosarote Brille: »Tief in mir ist es ein Anliegen zu zeigen, dass jede und jeder irgendwo Liebe finden kann, in was oder wem auch immer.«
Die viele Liebe ist auch am Longplayer »Heavy Listening« hörbar. So ist »Zozan«, der vorletzte Track am Album, Königs Freundin, gewidmet – ein Lovesong, wie ihn die Popkulturgeschichte vorschreibt. Gelangweilt vom Medium Musikvideo entwickelte Farce gemeinsam mit ihrer Freundin für die Singlepräsentation zu »Zozan« die Website www.farce.cool, die mit einem Onlinequiz als Liebesorakel fungiert. Was noch zu hören ist auf dem Debüt, ist eine gewisse Liebe zu Wien, eine Liebe zur Wiener Community. »Hier gibt es Leute wie Marlene Engel, Rana Farahani oder Therese
Fotoshooting am Wiener Zollamtssteg, zwischen Landstraße und Innere Stadt.
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Hans Platzgumer im Interview
Hans Platzgumer über die Kunstfigur Colin Holst: »Es kann sein, dass ich ihn nach diesem Album in seinem Studio in Holst Gate zurücklasse, vielleicht suche ich ihn aber auch noch mal auf.«
Family, Friends ’n’ Fools
Wie geht es Colin Holst? hans platzgumer: Gut, glaub ich, sehr gut. Der macht halt in Norwegen in Kongsberg sein Zeug. Er ist ein leicht autistischer, zurückgezogener Typ und macht unbeirrt sein Ding im Studio. So weit ich ihn kenne halt. Aber ich hab ja keinen Roman über Colin geschrieben,
auch wenn ich kurzfristig überlegt hatte, das als literarische Geschichte auszuarbeiten. So aber bleibt es bei einer vagen Vorstellung von diesem Typen, der in Kongsberg abseits des restlichen Treibens in seinem Holst Gate Studio Musik macht. Er ist eine konstante Figur, die mich sehr inspiriert hat. Es kann sein, dass ich ihn nach diesem Album in seinem Studio in Holst Gate zurücklasse, vielleicht suche ich ihn aber auch noch mal auf. Diese Kunstfigur Colin Holst hat sich für mich irgendwie derart verkörpert, dass sich das Album wie von selbst gemacht hat. Ganz so, als hätte das nicht ich, sondern wirklich eine Figur in Norwegen gemacht. Ich hab dazu auch eine große Distanz. Natürlich bin ich jetzt kein totaler Psychopath, der damit gar nichts zu tun hat. Aber es ist alles ein bisschen anders als bei früheren Alben.
Und es tat mir gut, dass ich als er andere Sachen machen kann: Bläserarrangements und lange, hypnotische, repetitive Teile. So was hab ich mit Convertible davor ja noch nie gemacht. Auch die Produktionsweise war ein eigener Stil, auf den ich als Hans Platzgumer nie gekommen wäre. Vielleicht hat Colin Holst aber auch auf mich gewartet und ist einer dieser Typen wie ich ein paar im Freundeskreis habe, die ständig im Homestudio herumtüfteln, immer an Entwürfen werken, die aber nie etwas fertigmachen. Vielleicht bin ich als Besucher also auch der Typ, den er gebraucht hat. Und wieso Norwegen? Keine Ahnung, das hat sich irgendwie ergeben und war nicht geplant. Chris Laine, mein Bassist, ist Amerikaner und hat ein Haus und
Kurt Prinz
Wieder einmal hat Hans Platzgumer eine Schnapsidee konsequent weiterverfolgt und mit seiner Band Convertible ein stilistisch unerwartetes Pop-Kleinod geschaffen. Der Musiker, der mittlerweile von Theatermusik und seiner erfolgreichen Schriftstellerei lebt, über seine verschrobene norwegische Kunstfigur Colin Holst, den Schmäh von Phil Spector und die Mühsal als Band, die keine Konzerte mehr spielt, ein Publikum zu erreichen.
nichts zu tun. Songwriting ginge, wenn, dann eher in Richtung Gedichte und Lyrik, aber das kann ich sowieso überhaupt nicht. Das wäre ein komplett anderer Ansatz. Nichtsdestotrotz waren uns die Texte schon wichtig. Wir finden sie auch sehr gut, deshalb haben wir sie auch im Booklet abgedruckt – weil wir wollten, dass Leute sie verstehen. Es war ein sehr genauer Prozess, bei dem wir auf jedes Wort geachtet haben.
Ich muss gestehen, dass ich beim Hören von »Holst Gate« dauernd darauf warte, dass Paul McCartney ins Duett einstimmt. (lacht) Da müsste man Paul fragen, ob er noch einmal Lust hat. Ich bin ja ein großer JohnLennon-Fan, insofern stimmt das: Dann wäre ich ja Lennon und er Paul McCartney. Und es geht auf dem Album viel um Songwriting, darum Sachen auf den Punkt zu bringen. Da kommt man an den Beatles und an John Lennon eh nicht vorbei. Insofern trifft es das. Meine Referenz waren aber eher die Produktionen von Phil Spector. Als das erste Lied, »Final Call«, noch ganz roh war, gab es gute Akkorde, gute Melodien, es war aber noch ein bissl beliebig – da meinte Chris, ich solle ein paar MollAkkorde gegen Dur-Akkorde austauschen und den Beat wie ein Metronom und das Tempo stur, unpathetisch und hart durchlaufen lassen. So hat Phil Spector »Mother« von John Lennon in den 70ern produziert. Davon lebt auch unser Album jetzt: Klavier-Songwriting mit einem effizienten, klaren Schlagzeug und dazu kommen nordische Aspekte und Bläser, die Weite evozieren. Es ist sehr fett geworden. E-Gitarren waren gar nicht geplant, damit hatte ich eigentlich schon abgeschlossen, das hat sich dann aber als zusätzliche Schicht und als Wall of Sound fast von selbst hinzugefügt. Auch für Hannah MacKenna, mit der ich fast alle Texte gemeinsam geschrieben habe, hat sich das in Boston sitzend gut ergeben. Sie ist zwar Amerikanerin, hat aber schwedische Vorfahren und kommt familiär aus dem skandinavischen Raum. Die Idee hat sie sofort kapiert und mitgetragen, von den ersten Akkordfolgen und Skizzen an.
Nichtsdestotrotz scheint es, als hätte die Band Convertible deutlich an Bedeutung für dich verloren. Das stimmt, ja. Ich spiele keine Konzerte mehr. Nach fast 2.000 Konzerten in meinem Leben mag ich mich nicht mehr auf die Bühne stellen. Eigentlich war es gar nicht geplant, das Album als Convertible zu veröffentlichen. Wir
Hat dein Erfolg als Autor und das Bücherschreiben dein Songwriting eigentlich verändert? Das sind komplett andere Welten. Bücher kann ich nur auf Deutsch schreiben, sicher nicht auf Englisch. Das ist wieder eine andere Person in mir. Textlich habe ich zu großen Teilen mit Hannah geschrieben, manche Songs sind ja textlich auch nur von ihr. Nein, Songwriting hat mit dem Bücherschreiben gar
zerte ja kaum mehr etwas verdienbar ist. Aber was soll’s, das ist halt nun mal so. Das muss man in Kauf nehmen. Es ist deshalb schwieriger, das bekannt zu machen und unmöglich, damit Geld zu verdienen. Es muss aber trotzdem gemacht werden. Wie findet ihr dann euer Publikum? Ich hoffe, dass das alles selbst seinen Weg geht, dass das Label was erreichen kann und setze darauf, dass es eindrückliche Songs sind, die sich letztlich durchsetzen. Vielleicht nicht ganz schnell, aber halt im Lauf der Zeit. Vielleicht passiert irgendwas Unvorhersehbares. Vielleicht kommt einer der Songs mal in einem Film vor. Mir würde auch taugen, wenn jemand Bekannter, der viele Konzerte gibt, einen unserer Songs covert. Es sei hiermit freigegeben. (lacht)
Songwriting hat mit dem » Bücherschreiben gar nichts zu tun.« — Hans Platzgumer wollten das als vermeintliche Norweger unter Pseudonym rausbringen, was uns dann aber als schwer umsetzbar schien, und wir entschieden, das besser Ziggy-Stardust-mäßig zu machen. Da war auch allen klar, dass es sich um eine Kunstfigur und um David Bowie handelt. Sonst könnten wir uns jetzt nicht unterhalten und irgendein norwegischer Freund müsste jetzt gefakte Telefoninterviews geben. Wir haben sowas in den Nullerjahren unter dem Namen Queen Of Japan ja schon einmal durchgezogen. Das war damals sogar ein Welthit, den Coca-Cola für einen Werbespot wollte. Damals war uns aber rasch zu anstrengend, den Gag weiter durchzuziehen. Da hab ich gemerkt, dass so ein Spaß schnell nur mehr Arbeit bedeutet. Das wollte ich diesmal vermeiden und mich auch nicht hinter der Musik verstecken. Wir haben Colin Holst als Inspirationsquelle genutzt, wir wollten ihn nicht als Klotz am Bein empfinden. Viele Alben werden mittlerweile nur veröffentlicht, um einen neuen Anlass für Konzerte und eine Tournee zu haben oder um in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Wie seid ihr präsent, wenn ihr keine Konzerte mehr spielt? Das ist tatsächlich schwer und ich habe das Label auch vorgewarnt. Weil ohne Kon-
Spielt Radio noch eine Rolle? Werdet ihr gespielt? Auf FM4 wahrscheinlich schon und von College-Radios. Von den großen Formatradios sicher nicht. Es ist alles nicht mehr so leicht wie früher. Weil wir vorhin von den Beatles gesprochen haben: Auch deren Produktionen, »Strawberry Fields« etwa, das ist ja schmutzig produziert und hätte in seiner Lässigkeit heute wahrscheinlich keine Chance mehr ins reichweitenstarke Radio zu kommen. Damals war das aber überall. Aber du hast schon Recht, die Verbreitung ist sehr schwierig geworden. Was wahrscheinlich hilft ist ein super Video zum Song »Final Call«, gemacht von Chris, unserem Bassisten, der im wirklichen Leben ja Kameramann in Hollywood ist. Es wird auch noch zwei, drei weitere Videos geben, aber es ist halt alles verzögert, weil es keine Budgets gibt und alles in der Freizeit passiert. Ich vertraue einfach auf die Stärke der acht Songs. Thomas Weber
»Holst Gate« von Convertible ist bei Noise Appeal Records erschienen, Hans Platzgumers aktueller Roman »Drei Sekunden Jetzt« im Zsolnay Verlag.
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ein Studio, das ganz abgelegen in Vorarlberg in der Nähe von Dornbirn liegt, in Bildstein. Dort jammen wir oft, reden und dort ist die ganze Holst-Gate-Sache wie aus einer Schnapsidee heraus entstanden. Ich dachte anfangs eher an College-Sounds einer Kleinstadt in Ohio, wir fanden das aber nicht inspirierend. Chris meinte dann, das wäre eindeutig ein europäischer Sound. Und Gate meint ja nicht das Tor, sondern Gate heißt auf Norwegisch Straße.
Siegerin Sarah Anna Fernbach beim Ö-Slam 2018. In Klagenfurt fanden heuer zum zwölften Mal die österreichischen Meisterschaften im Poetry-Slam statt.
Es ist ein Erfolgsmodell, das seit fast zwei Jahrzehnten begeistert: Die Poetry-SlamSzene bleibt weiterhin im Aufschwung. Wie ein einzigartiges literarisches Format es bis heute schafft, eine anziehende Plattform und ein Sprungbrett für junge Schreibende zu sein. ———— Auf den Programmflyern des Ö-Slams 2018 ist der Spruch »Poetry-Slam ist der Extremsport der Literatur« zu lesen. Eine klare Ansage: Nicht nur literarisches Können, auch Performance, Bühnenpräsenz, Tiefsinnigkeit und Humor sind gefragt. Die VeranstalterInnen stemmen sich bewusst gegen den von der schweizerischen Slam-Poetin Hazel Brugger provokant gemeinten Vergleich, Poetry-Slams seien »die Paralympics der Literatur«. Tatsächlich muss die Kunstform der Öffentlichkeit und der Literaturszene nichts mehr beweisen. Das Konzerthaus in Klagenfurt ist nahezu ausverkauft. Das Publikum jubelt. Das Durchschnittsalter der ZuschauerInnen ist dabei genau so niedrig wie jenes der Auftretenden. Schon vor Jahren hat sich Slam als fixer Bestandteil der deutschsprachigen Kunst- und Kulturszene etabliert. Die scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten machen Poetry-Slam zu einem beliebten Startpunkt für angehende KünstlerInnen. Und es bleibt bis heute ein Eventformat, das die Grenzen von Kleinkunst und Literatur sprengt und auch Neuzugängen keine Grenzen setzen mag. »Ich finde die Grundidee nach wie vor unfassbar überzeugend«, betont Slam-Veranstalterin Doris Mitterbacher, bekannt als Mieze Medusa. »Ich kann bei Poetry-Slams Literatur so gestalten, dass sie für alle interessant sein kann. Was etwas anderes ist, als zu sagen: Ich mache Literatur so, dass es für alle interessant ist.« Damit ist das Prinzip einfach erklärt: eine offene Bühne in einer offenen Szene, ohne Zwänge, ohne Einschränkungen. Es muss nicht gefallen, es darf. Und genauso darf
auch jeder mitmachen. Die Simplizität und die Möglichkeit, selbst ein Teil davon zu werden, sind ausschlaggebende Charakteristika des Formats, genauso die Nähe zum Publikum.
Eine junge Szene Die Szene erfahre in Österreich gerade einen großen Durchlauf, so Mieze Medusa. Es gäbe nach wie vor ein paar Leute, die »sehr lange und sehr hartnäckig« aktiv bleiben und die sich immer noch wohl fühlen. Selbst dann, wenn sie in anderen Sparten vielleicht erfolgreicher sind. Die meisten finden immer wieder den Weg zurück zum Poetry-Slam, sehr zum Wohlwollen der Slam-Gemeinde, der »Slamily«. Trotzdem sind es aber gerade neue und unbekannte Gesichter, die die Szene beleben, und die Poetry-Slam den Ruf verleihen, vielfältiger und ideenreicher zu sein als die meisten anderen literarischen Gattungen. Manch eine probiert die Bühne aus, und kann nicht mehr loslassen. Andere nutzen die Bühne, um sich einen Namen zu machen und um sich anschließend einem anderen Genre zuzuwenden. Der Kunst an sich tue das gut, betont Mitterbacher, denn jede Kunstform brauche »den Neuzugang, die total motivierten Jugendlichen, die die Regeln nicht so ernst nehmen«. Das bedeute zwar nicht, dass immer die ausgefeiltesten Werke entstehen, aber es seien vor allem »der Wille, der Impetus und die Respektlosigkeit«, also die Bereitschaft, etablierte Regeln zu brechen, die der SlamVeteranin ins Auge stechen. Und das brauche jede Kunstform, nicht nur Slam. Poetry-Slam sei nun mal eine literarische Form, die die Neugierde, auf die Bühne zu gehen, belohnt. Doch die Strecke danach, die habe dann auch mit Handwerk zu tun. »Das bedeutet, dass man eine Zeit lang nicht belohnt wird«, merkt Mitterbacher an, »bis man dann endlich durch ist. Das ist eine Phase, wo
Ein Sprungbrett für junge Talente
Contralux Klagenfurt
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P-P-P-Poetry-Slam
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Der Poetry-Slammer, Sprachinstallateur und Autor Markus Köhle veranstaltet monatlich den Bäckerei-Slam in Innsbruck. Er gilt als »Slam-Papa«, der Slam nach Österreich gebracht hat.
viele Leute abwandern, was ich auch verstehen kann. Manchmal ist es auch leichter anderswo Geld zu verdienen.«
Slam als Sprungbrett Dass Poetry-Slam alleine nicht als Lebensunterhalt ausreichen kann, ist den meisten Poeten klar. Wer einzig vom Slam-TexteSchreiben und -Vortragen leben möchte, der oder die muss sehr erfolgreich sein, sprich, im gesamten deutschsprachigen Raum regelmäßig touren und unzählige Auftritte absolvieren. Viele entscheiden sich für einen anderen Weg und nutzen die gesammelte Erfahrung und die Kontakte, um in Sparten wie Kabarett und Stand-up-Comedy, als Autor oder Musiker Fuß zu fassen. Die KabarettistInnen Lisa Eckhart und Markus Koschuh, Schriftsteller Elias Hirschl, Rapperin Yasmin »Yasmo« Hafedh verbindet eines: Sie alle haben ihre Anfänge im Poetry-Slam, ihr Weg führte sie zuerst mal auf eine Slam-Bühne. Laut Mitterbacher ist gerade in Deutschland ein starker Trend zu spüren, bei dem PoetInnen oft in die Medienbranche, etwa ins Fernsehen »abwandern«. »Die Poetinnen und Poeten mögen zwar kommerziell erfolgreich werden, aber Poetry-Slam per se ist das nicht«, so Mitterbacher. Beobachtungen zu-
folge scheint es im Poetry-Slam eine Tendenz zur Kommerzialisierung zu geben, und das obwohl sich die Kunstform im Kern gegen ebendiese Professionalisierung auflehnen will. Doch so vielfältig die Szene ist, so vielfältig sind auch die Veranstaltungen, die unter ihrem Namen gehalten werden. Auch laut Markus Köhle, Autor, Poet und langjähriger Veranstalter von Poetry-Slams in Innsbruck, liegt die Kommerzialisierung nicht in der Kunstform an sich, sondern in den Händen all jener, die Poetry-Slams veranstalten und unterschiedliche Ziele damit verfolgen. »Das geht nach wie vor vom kleinen Kneipen-Slam mit freiwilligen Spenden und Freibier für die Auftretenden bis zum kommerziell ausgerichteten Event mit theatermäßigen Eintrittspreisen und Honoraren«, sagt Köhle. »Für alles soll Platz sein und für neue Formate in Richtung Literatur- und Theaterbetrieb sollte die Szene aufgeschlossen sein.«
Grenzen einer grenzenlosen Bühne Eine Gefahr, die Poetry-Slam aufgrund des Grundprinzips einer »offenen Bühne« eingeht, zeigte sich jüngst in Speyer, im deutschen Bundesland Rheinland-Pfalz. Die Tochter einer AfD-Politikerin gewann mit ihrem
Auftritt bei einem Poetry-Slam und sorgte somit für einen Eklat und mediales Aufsehen. Im Text waren klar rassistische Passagen zu vernehmen. Dass es sich hier um einen Einzelfall handelt, darüber ist man sich in der Szene einig: »Ein Poetry-Slam sei noch immer eine Veranstaltung, wo genau das nicht vorkommt. Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit finden im österreichischen Parlament statt, nicht auf den Poetry-SlamBühnen dieses Landes«, meint Markus Köhle. Dennoch, unangenehme Ereignisse können auf – und vor der Bühne – nicht vollkommen verhindert werden. »Es gibt keine Grenzen, außer man zieht welche«, bemerkt Köhle in Anlehnung an Wittgenstein, »und die habe ich als MC im Rahmen des Formats von Anfang an gezogen. Kein Raum für Extremismus, sehr wohl Raum für Experiment und alles immer zu kommentieren, um sowohl Publikum als auch Slammerinnen und Slammer gewissermaßen zu erziehen.« Und es scheint genau das zu sein, was Menschen suchen: einen Ort, wo sie sich selbst entfalten können, ohne sich einem vorgegebenen Rahmen beugen zu müssen, wo KünstlerInnen ebenso wie das Publikum das Neue feiern können. Poetry-Slam hat sich vom Nischensport zu einer festen Königsdisziplin entwickelt. Der Weg vom ersten Ö-Slam, der vor knapp zwölf Jahren im Wuk in Wien stattgefunden hat, bis zum diesjährigen Ö-Slam in Klagenfurt ist von immensem Wachstum geprägt. Er zeugt von einem Aufschwung, der auch in Zukunft ein Garant für Erfolg in einer vom literarischen Desinteresse geprägten Gesellschaft bleiben kann. Manuel Lavoriero
Konflozius, Sabine Pichler, Contralux Klagenfurt (2)
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Doris Mitterbacher aka Mieze Medusa ist Poetry-Slammerin, Autorin, Herausgeberin und Rapperin. Sie veranstaltet regelmäßig den Textstrom-Poetry-Slam in der Brunnenpassage in Wien.
New Faces of Slam Insgesamt 32 Poetinnen und Poeten sind Ende Oktober zur österreichischen Poetry-Slam-Meisterschaft angetreten, ein Teil von ihnen zum ersten Mal. Junge Slammerinnen und Slammer erzählen von ihren Eindrücken und Hoffnungen in Hinblick auf Slam.
Ania Viero
In der Slamily dringt man in den kreativsten Kunstgenuss automatisch ein. Ein Widerstand zur »Normalität« ist nicht möglich: Die Slammerinnen und Slammer sind lebende Kreativität. Man wird Teil eines großartigen Ganzen. Beim Ö-Slam hat jeder die Möglichkeit, der persönlichen, künstlerischen Selbstkohärenz treu zu bleiben. Diese Tatsache hat mein Herz geöffnet. Es gibt nämlich keine Art der »Integration« beim Slammen, da es keine »Kunst-Vorstufen« gibt: Die Kreativität findet ihren Beginn, indem man sie als solche akzeptiert – und jede Slammerin und jeder Slammer tut es künstlerisch instinktiv.
Katharina Wenty
Nominiert von: Landesmeisterschaft Wien / Niederösterreich / Burgenland Bei meinem ersten Auftritt wollte ich einfach mal ausprobieren, wie es sich anfühlt, einen selbstgeschriebenen Text auf einer Bühne vor fremden Menschen vorzutragen. Mich bewegen vor allem soziale und gesellschaftskritische Themen. Auch schreibe ich gerne über einzelne Schicksale. Im November nehme ich an den deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften in Zürich teil – darauf freue ich mich schon sehr. Ansonsten habe ich ein paar Auftritte bis Neujahr und im Jänner meine erste kleine Deutschland-Tour. Konkrete Zukunftspläne oder -wünsche habe ich keine. In den nächsten fünf Jahren würde ich auf jeden Fall gerne ein Buch schreiben. Es wäre natürlich sehr schön, weiterhin in verschiedenen Städten auftreten zu dürfen – ich wollte nämlich schon als Kind immer reisende Geschichtenerzählerin werden.
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Nominiert von: Landesmeisterschaft Südtirol
Paul Petritsch
Nominiert von: Landesmeisterschaft Steiermark / Kärnten Ich war am Anfang sehr skeptisch. Das Einzige, was ich davor geschrieben hatte, waren Deutsch-Schularbeiten. Ich habe zwar sehr viel gelesen, aber das Schreiben hat mich davor eigentlich nicht wirklich interessiert. Wenn man dabei ist, wird man auch aufgenommen. Als ich angefangen habe, bin ich oft beim Grünschnabel-Slam in Graz aufgetreten, zu den anderen Slams bin ich aber nie hingegangen. Man muss es wirklich wollen und sich anstrengen. Es ist nicht so, dass man an Slams teilnimmt und dann gleich gefragt wird, woanders mitzumachen. Man muss schon selbst sagen, ich will das ausprobieren, jede Bühne in Österreich kennenlernen. Man muss sich selbst einbringen wollen.
King Of Queer
Ich bin vom oberösterreichischen Poetry-Slam-Verein irgendwie »reingepusht« worden. Und das überfordert mich auch nicht. Ich studiere Game Design und Animation Design und sehe mich selbst in erster Linie als Storyteller. Welches Medium ich dann verwende, um meine Message auszudrücken, ist egal. Ob ich einen Text über ein Thema schreibe, das mich beschäftigt, ein Filmskript schreibe, eine Animation mache, oder ein Videospiel designe, macht keinen Unterschied. Poetry-Slam ist hier nur eines der Medien, die ich verwende, um mich auszudrücken.
Emil Kaschka
Nominiert von: Bäckerei Poetry Slam Innsbruck Die Slam-Szene ist offen und herzlich und genauso bin ich aufgenommen worden. Ich denke, dass es hier jedem so ergeht. Ich glaube, als Poetry-Slammer muss man unglaublich viel Erfolg haben, um davon leben zu können. Viele können Poetry-Slam als Sprungbrett nutzen, um etwa Autorin oder Kabarettist zu werden. Das liegt auch daran, dass man ein direktes Feedback hat, was oft sehr schwer ist. Wenn man schreibt und Manuskripte an Verlage sendet, kriegt man oft gar keine Antwort, oder erst ein halbes Jahr später. Außerdem kann bei den meisten Slams jeder mitmachen. Die Strukturen erlauben es, dass keine jahrelange Vorbereitung notwendig ist, um in höhere Ligen aufzusteigen.
Contralux Klagenfurt (3)
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Nominiert von: Free Tree Poetry Slam Oberösterreich
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How to: Konzertfotografie 5 Pro-Tipps für EinsteigerInnen von »Rockstar Photographer« Matthias Hombauer
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Beginne in kleinen Clubs und Bars!
Was ist der beste Weg, um eine Karriere als KonzertfotografIn zu starten? Zum Aneignen einer gewissen Grunderfahrung ist es ratsam, in kleinen Clubs und Bars zu beginnen. Dort ist es einfacher, sein Kameraequipment mitzubringen, und meist wird auch keine Presseakkreditierung (später mehr dazu) benötigt. Es ist also eine gute Gelegenheit, sich mit der neuen Rolle vor der Bühne vertraut zu machen. Warum nicht zum Beispiel FreundInnen fragen, die in einer Band spielen, ob du ihr Konzert fotografieren darfst? Sie werden deine Begeisterung und deinen Einsatz zu schätzen wissen. Aber aller Anfang ist schwer, und da ist die Konzertfotografie leider keine Ausnahme, ganz im Gegenteil: Du wirst den aktuellsten Stand der Kameratechnik bis aufs Äußerste ausreizen müssen. Vor allem wegen einem der Hauptprobleme, insbesondere bei kleinen Locations: der schlechten oder fehlenden Beleuchtung. Oftmals findet man sich vor einer Bühne, die mit roten oder blauen SpotScheinwerfern ausgeleuchtet wird. Nicht nur, dass die MusikerInnen dadurch wie Außerirdische anmuten, ist es bei diesen Bedingungen noch dazu schwierig, keine verwackelten Bilder zu bekommen. Die Verwendung eines Blitzes ist auf Konzerten nicht gerne gesehen und häufig sogar verboten. Wie also mit diesem Dilemma umgehen?
Red Hot Chili Peppers
The Prodigy
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Verwende ein Objektiv mit großer Blende!
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Wenn in der Konzertfotografie über Objektive gesprochen wird, endet es immer mit der selben Einsicht: Am besten, man verwendet Objektive mit großer Blende bzw. kleiner Blendenzahl. Tatsache ist, dass man sich als KonzertfotografIn meist in Lichtsituationen wiederfindet, die für die Kamera alles andere als einfach sind. Für den Start würde ich ein Objektiv mit einer Brennweite von 50 mm und einer Blende von 1.8 empfehlen, weil es die Möglichkeit bietet, auch bei sehr schlechten Lichtverhältnissen Dinge und Menschen scharf abzubilden. Dieses Objektiv hat mich schon einige Male gerettet, als der Lichttechniker zu schlafen schien und die Bühne fast ohne Licht auskommen musste. Eine Brennweite von 50 mm ist eine gute Wahl bei kleinen Bühnen – ein guter Kompromiss, der sowohl ein Kopfporträt des Sängers als auch ein Ganzkörperporträt des Schlagzeugers erlaubt. Und wie lässt sich der Rote-KreaturenEffekt bei entsprechender Beleuchtung beheben? Einzige Möglichkeit ist, bei der Nachbearbeitung eine Schwarz-Weiß-Konvertierung durchzuführen, um die MusikerInnen wieder wie »normale« Menschen aussehen zu lassen.
Matthias Hombauer
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Metallica
Verwende hohe ISO-Einstellungen!
Eine der wichtigsten Kameraeinstellungen bei der Konzertfotografie ist der ISO-Wert, also die Sensitivität des Sensors – oder in der Analogfotografie: die Sensitivität des Films. Die meiste Zeit wird man sich selbst dabei ertappen, die ISO-Einstellung bis zum Äußersten auszureizen. D. h.: ISO 1600 oder höher, um eine plausible Belichtungszeit zu erreichen. Du wirst nun vielleicht denken: »Was? Ich verwende ein Objektiv mit einer Blende von 1.8 und einer ISO-Einstellung von 1600 und meine Bilder sehen dennoch nicht so aus, wie ich sie aus Musikmagazinen kenne?« Zugegeben, die Antwort lautet leider Ja. Die meiste Zeit wird man eher verwackelte bzw. stark »verrauschte« Bilder bekommen. Bei Einsteiger-DSLR-Kameras entsteht bei derart hohen ISO-Werten sehr viel »Rauschen« in den Bildern – verursacht durch das Erhitzen des kleinen Kamearsensors. Weshalb ich beim Nachbearbeiten auch die Verwendung von Noise-Reduction-Software empfehlen würde. Oder, wenn man die Möglichkeit hat und es professionell betreiben möchte, eine Vollformatkamera mit größerem Sensor anzuschaffen.
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Atari Teenage Riot
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Finde die für dich passenden Einstellungen!
Meiner Meinung nach sind die Einstellungen an der Kamera persönliche Präferenzen und du solltest selbst probieren, welche für dich am besten geeignet sind. Beginnen kannst du mit der Blendenautomatik (AV) mit der niedrigsten Blendenzahl (z.B.: 1.4, 1.8 oder 2.8) abhängig vom gegebenen Bühnenlicht. Ich selbst verwende die manuelle Einstellung (M), da ich so die totale Kontrolle über die Kamera habe. Stelle eine Belichtungszeit von 1/250-Sekunde ein, um Bewegungen auf der Bühne »einzufrieren«. Und zu guter Letzt: Verwende immer das RAW-Format bei Bühnenfotografie! Dir stehen bei der Nachbearbeitung dadurch viele Parameter (z. B. Weißabgleich) im RAW-Converter zur Verfügung, die beim JPEG-Format nicht verändert werden können.
Miley Cyrus
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Ramschi in the Jungle – 15 Jahre Know-NothingGesellschaft Manfred Gram liest High- und Lowlights aus eineinhalb Jahrzehnten der ziemlich dreckigen The-Gap-Kolumne Musik: Nina Hochrainer (Radio FM4) & Manuel Fronhofer (The Gap)
Do., 29. November, 21 Uhr Rhiz, Wien U-Bahnbogen 37, 1080 Wien www.co-vienna.com
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Skunk Anansie
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Erarbeite dir ein Portfolio!
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Tausende Fans, wie eingepfercht vor der Bühne – keiner kann sich mehr bewegen. Du aber gehst von der Seite, begleitet vom Sicherheitspersonal, ganz nach vorne – und realisierst zum ersten Mal die unglaubliche Größe des Equipments auf der Bühne, das du bislang nur von den Videoleinwänden kanntest. Und dann ganz plötzlich gehen die Lichter aus, die Band betritt die Bühne und dich befällt der Gedanke, ob das wirklich real ist oder ob du nur träumst. Jetzt ist der Zeitpunkt da, besser wieder zu dir zu kommen, um die Bilder deines Lebens zu schießen. Ein Szenario, wie es zumindest ich bei meinem ersten großen Konzert erlebt habe. Wenn du dich jetzt also fragst: »Was muss ich tun, um genau das auch machen zu können? , dann ist die Antwort: Du benötigst eine Presseakkreditierung, um in den Fotograben, der sich zwischen Bühne und Publikum befindet, zu gelangen. Ich zum Beispiel habe meine Karriere als Konzertfotograf für ein Web-Magazin
Matthias Hombauer ist professioneller Konzertfotograf und hat KünstlerInnen wie The Rolling Stones, Miley Cyrus, Metallica und viele mehr fotografiert. Seine Bilder sind für Albumcovers und Tourposter verwendet worden und in internationalen Medien wie The Huffington Post und Rolling Stone Magazine erschienen. Er gibt Kurse für Konzertfotografie, ist Gründer der Plattform »How To Become A Rockstar Photographer« und führt für seinen Podcast regelmäßig Interviews mit den besten KonzertfotografInnen der ganzen Welt. HowtobecomearockstarPHotoGraPHer .com
Matthias Hombauer
Ad personam
Muse
begonnen, dass von Studierenden betrieben wurde. Magazine wie dieses stellen sozusagen ein Sprungbrett zur Verfügung, damit du dir einen Namen in der Szene erarbeiten kannst. Nimm jede Gelegenheit wahr, um deine Fertigkeiten zu trainieren und ein Portfolio aufzubauen. Sprich mit anderen KonzertfotografInnen, FreundInnen, Leuten, die Magazine herausbringen. Ich bin sicher, wenn du ernsthaft überlegst, ein Konzertfotograf zu werden, dann eröffnen sich dir auch verschiedene Wege dazu. Und wenn du die Presseakkreditierung in Händen hältst, beginnt der spannende Teil des Abends für dich. Zumeist – dies ist jedoch abhängig von den jeweiligen MusikerInnen – ist es erlaubt, die ersten drei Lieder ohne Blitz zu fotografieren. Das sind die Regeln, an die sich jeder halten muss. Ein Tipp: Die meisten deiner Bilder wirst du aus Unzufriedenheit wieder löschen, aber die Chance auf wirklich gute steigt mit der Anzahl der geschossenen Fotos. Also sei nicht scheu beim Betätigen des Auslöseknopfs!
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Musik und Medien
Live Pitches of Austrian Games
Mit zwei neuen Fachbereichen startet das SAE Institute Wien am soeben eröffneten Flagship Campus als Creative Hub im Herzen Europas durch.
Thu. 06.12.18
Game Prototypes Kemono Heroes
Mad Gear Games
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Rebuilders
VR Giants
MUSIC BUSINESS
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Series on the Practice of Digital Games
Dass die boomende österreichische Musikszene gut ausgebildete Akteure benötigt, ist längst kein Geheimnis mehr. Fundiertes Praxiswissen und Kontakte ins große SAE-Netzwerk vermittelt der neue Lehrgang »Music Business«. Nicht nur für zukünftige Booking-Agents, A&R-, Product-, Tour- und Artist-Manager eine gute Wahl, sondern auch für Kulturschaffende, die ein Verständnis für die Mechanismen des Musikmarkts entwickeln wollen.
Wolfgang Tschauko
We Are Screwed Rarebyte
Fri. 07.12.18
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FH Salzburg
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FH Salzburg
Nicht zuletzt wegen der Digitalisierung muss sich die Medien- und Kreativbranche immer neuen Herausforderungen stellen. Der Lehrgang »Cross Media Production« bietet eine zeitgemäße, umfassende Ausbildung, die journalistisches Arbeiten, Fotografie, Audio- und Videoproduktion sowie Screendesign ebenso berücksichtigt wie Marketing und PR – dem SAE-Credo entsprechend, mit besonders hohem Praxisanteil im Unterricht.
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Interessiert? Der nächste Open House Day am SAE Institute Wien findet am Samstag, den 19. Jänner 2019, statt. SAE Institute Wien Hohenstaufengasse 6, 1010 Wien www.sae.edu
Wortwechsel Was kann Kulturpolitik für unsere Gesellschaft leisten?
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Ehemaliger Kulturpolitiker
Aktiv in die Nachdenklichkeit investieren. ———— Kunst und Wissenschaft gehen als Geschwisterpaar durch die Geschichte. Sie versuchen mit unterschiedlichen Mitteln der Unübersichtlichkeit unserer Zeit zu Klarheit und dem Dunkel der Zukunft zu Licht zu verhelfen. Ich glaube, jede Zeit hat sich im Nachhinein gesehen entweder maßlos überschätzt oder gefährlich unterschätzt. Die Gegenwart ist sich nie gut genug. Jede Zeit staunt wie ein Kind über die jüngsten technischen Erneuerungen. Zugleich ist sie wie eine Pubertierende unsicher, ob sie im Vergleich der Zeiten bestehen kann. Jede andere Zeit scheint im Vergleich mehr Bedeutung zu haben. Ich glaube, jede Zeit kommt sich selbst ein bissl blöd vor. Unsere Zeit hat sich der Effizienz als Credo verschrieben. »Schnell und entschlossen« ist »langsam und nachdenklich« überlegen. Dabei ist die Irrtumswahrscheinlichkeit irrelevant, weil die Folgen erst in weiter Zukunft erkennbar werden. Die Effizienzkriterien lügen nie, weil Dummheit nie lügt, sie hat nur Unrecht. Kunst und Grundlagenforschung sind dem tödlichen Verdacht mangelhafter Rentabilität ausgesetzt. Sie sind traurige Seiltänzer in der Arena der Kommerzialisierung. Der Staat, der die Aufgabe hätte, den Mankos der Gegenwart entgegenzuwirken und in sachter Korrektur Schieflagen auszubalancieren, beugt sich den kurzatmigen Marktgesetzen. Wie jede zivilisierte Gesellschaft dem Recht auf Leben auch ein Recht auf ökono-
misches Überleben beistellt, sollte das auch für die Kunst und Wissenschaft gelten. Ein intelligenter Staat erkennt, dass es im Interesse einer modernen Gesellschaft liegt, in die Nachdenklichkeit aktiv und bewusst zu investieren. Es gibt keine größere Gemeinsamkeit von Erfolgsgeschichten der Menschheit, als die, dass die Gesellschaften, die die Kapitel der Kunstgeschichte geschrieben haben und die Meilensteine der wissenschaftlichen Entdeckungen gesetzt haben, auch in wirtschaftlicher und politischer Sicht erfolgreich waren. Kunst ist also nicht das nette Beiwerk einer Wohlstandgesellschaft, sondern eine Voraussetzung von Wachheit, Aufmerksamkeit und Neugierde – ähnlich dem Rückgrat als Voraussetzung für aufrechten Gang. Wir brauchen eine simple Entscheidung, nämlich ein gezieltes budgetäres Privileg für eine verbesserte Bildung und für eine von Freiheit, Leidenschaft und Neugierde begleitete Wissenschaft und Kunst. Dieses wundersame Artistenpaar dient nicht der Umwegrentabilität des Fremdenverkehrs, auch nicht dem vielzitierten Standortfaktor. Wir schulden auch nichts der gern beteuerten Kulturnation, sondern wir schulden unserer eigenen Zukunft, die Gläubiger sind unsere Kinder. Von einem Renaissancefürsten wird die Geschichte erzählt, dass er von seinem Finanzminister ermahnt wird, in einer für den Staatshaushalt schwierigen Situation nicht noch in die Kunst und Universität zusätzliche Mittel zu geben. Der Fürst antwortet seinem Minister: »Das versteh ich nicht, wenn wir schon verarmt sind, warum sollen wir auch noch verblöden.«
Rudolf Scholten ist Mitglied in diversen Aufsichtsräten großer Kulturinstitutionen, etwa bei den Wiener Festwochen und beim Österreichischen Filminstitut, sowie Mitbegründer des Waldviertler Festivals Literatur im Nebel. In den 90er-Jahren war er österreichischer Kulturminister.
Manuel Fronhofer
Rudolf Scholten
Christian Jobst, beigestellt (3)
Auch wenn es seitens der türkis-blauen Regierung ein Bekenntnis zur oft zitierten »Freiheit von Kunst und Kultur« gibt, sieht so mancher diese längst bedroht. Hinter Schlagworten wie Standortfaktor und Ergebnisorientierung wittern unbequeme Kulturschaffende und -initiativen ihre gezielte Aushungerung – mit den repräsentativen Einrichtungen und der Traditionspflege als großen Gewinnerinnen. Dabei seien, so heißt es sogar im Regierungsprogramm, »künstlerische Positionen zu Fragen unserer Zeit (...) wichtige Beiträge zur Diagnose gesellschaftlicher Herausforderungen«. Welchen Stellenwert haben welche Kunst und Kultur, hat Kulturpolitik für unsere Gesellschaft? Und welche Kulturpolitik braucht Österreich in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung?
Veronica Kaup-Hasler
Lisa Neuhuber & Renée Chvatal
Stefan Stürzer
Nicht nur fördern, sondern auch herausfordern. ———— Kunst und Kultur schaffen soziale Räume. Beide sind umso notwendiger in einer Gesellschaft, die – getrieben von den natürlichen darwinistischen, von den neoliberalen Schwerkräften – immer mehr auseinanderfällt. Und dabei handelt es nicht um eine ideologische Einschätzung, sondern ganz klar um analytische Fakten, die uns Soziologinnen und Soziologen bereitstellen. Wie entwickelt sich unsere Gesellschaft? Welche Menschen studieren beispielsweise? Welche Menschen werden Künstlerinnen oder Künstler? Es ist deutlich zu beobachten, dass es sich da zunehmend um ein Phänomen bürgerlicher, reicherer Schichten handelt. Dem entgegenzuwirken, das ist für mich ein wesentliches Ziel der Kulturpolitik. Wir brauchen einen gesellschaftlichen Entwurf, der sagt: Wir wollen, dass alle partizipieren können. Was keineswegs Gleichmacherei bedeutet, sondern die Möglichkeit bieten soll, dass sich Menschen unterschiedlichster Herkunft und Schichten mischen. An die Institutionen gerichtet, heißt das aber auch, dass sich diese teils aus den tradierten Blasen und Ritualen herauswagen müssen, dass sie sich öffnen und sich Konzepte einfallen lassen müssen, wie man auch andere Menschen in dieser Stadt erreichen kann. Ich bin davon überzeugt, dass wir auch mit anspruchsvolleren künstlerischen Experimenten eine breitere Schicht erreichen können, wenn wir uns darum bemühen. Das heißt also: nicht nur fördern, sondern auch herausfordern. Kultur ist wesenhaft mit der Identität der Stadt verbunden, sie gehört zur DNA Wiens. Kulturpolitik muss daher zum einen auf die Fülle der Kulturschaffenden und des kulturellen Lebens eingehen und gewährleisten, dass dieses kulturelle Leben möglich ist. Zum anderen muss sie – neben dieser Reaktion auf die Gegenwart – auch Perspektiven und künstlerische Entwicklung für die Zukunft ermöglichen, muss den Finger am Puls der Zeit haben. Gute Kulturpolitik erahnt, wie sich eine Stadt in der Zukunft weiterentwickeln wird und stellt bestehende Formate und Förderstrukturen auch infrage, um diesem mäandernden kulturellen Leben gerecht zu werden.
Teilhabe ermöglichen. ———— Zunehmende Komplexität und Beschleunigung sind Teil unserer modernen Welt. Sich in ihr zurechtzufinden, wird künftig unsere neue gesellschaftliche Herausforderung. Umso wichtiger ist es, dass der Mensch Wege und Mittel hat. um sich selbst und sein Umfeld zu reflektieren und zu hinterfragen. Kultur und Kunst dienen als Transportmittel und Spiegel mit demokratischer Funktion und machen gesellschaftliche Entwicklung erst möglich. Sie setzen nichts voraus, demnach sollten wir uns auch nicht in diesem immerwährenden Konkurrenzkampf aufhalten und aufhören uns wie fehlerfreie Wesen in einem Warenkatalog zu präsentieren, brav zu folgen und unsere Leistung zu bringen. Wir haben das Glück der Freiheit, und das Bestreben, anders sein zu dürfen, uns Zugeständnisse zu machen und dem kreativen Charakteristikum des Menschen nachzugehen, um daraus eine Gesellschaft, wie wir sie uns wünschen, zu kreieren. Die Basis dafür bieten KulturarbeiterInnen, denn jene führen Leute zusammen, und bilden damit ein Fundament für Gespräche, auf denen alles aufbaut. Kultur und Kunst sind kein Luxus, sondern Notwendigkeit, und die Möglichkeit der Teilhabe daran ist es ebenso. Dies ist in Artikel 27 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschrieben. Die Aufgabe der Kulturpolitik ist es, diese Teilhabe zu ermöglichen sowie Kultur und Kunst (aller Sparten!) zu unterstützen und zu fördern. Ein Blick auf das aktuelle Kulturbudget verrät einiges über den Stellenwert von Kultur und Kunst. Lediglich 0,58 % des Bundesbudgets sind für den Kultur- und Kunstbereich vorgesehen, von diesen 0,58 % dürfen sich freie Kulturinitiativen über – Achtung, jetzt kommt’s! – 1,16 % freuen. Die Politik in unserem Land muss verstehen und lernen, wie wichtig es ist Kultur zu fördern und zu erhalten und all jene, die dafür arbeiten, denn Kultur wird durch uns alle geschaffen! Für uns stellt sich also nicht die Frage, was die Kulturpolitik leistet, sondern, wie wir sie uns gestalten.
Räume für Experimente schaffen. ———— Betrachtet man zunächst die Entwicklungen der Robotisierung und geht davon aus, dass in den nächsten Dekaden viele Jobs von Maschinen gemacht werden, dann ist es die wohl größte Aufgabe der Kulturpolitik die Kreativität der Menschen zu fördern und fordern. Denn wird ein bedingungsloses Grundeinkommen an irgendeine Art von Produktivität geknüpft, so wird sich diese zu einem hohen Prozentsatz in kreativen wie auch sozialen Tätigkeiten wiederspiegeln. Somit steht hier die Bildung an oberster Stelle, wodurch auch kritisches Denken und Handeln sowie die Erziehung zur Selbständigkeit im Fokus der Kulturpolitik liegen müssen. Durch einen interdisziplinären wie auch interkulturellen Austausch können gesellschaftliche Herausforderungen wie Segregationen verringert werden. Das aus der Vermittlung von Wissen resultierende Verständnis und der damit einhergehende Respekt für das Gegenüber können Brücken zwischen den Menschen bauen und aufgerissene Schluchten zuschütten. »Anders sein« darf keine negativen Konnotationen aufweisen, sondern soll neugierig machen auf die unbändige Vielfalt in unserer Gesellschaft. Durch eine möglichst breite monetäre Förderung von neuen Initiativen und Kulturvereinen können genau diese Vorhaben vorangetrieben werden. Der Blick über den Tellerrand und das Aufbrechen starrer Strukturen kann dies ermöglichen. Dabei muss der Jugend ein Platz für Experimente eingeräumt und müssen Räume für solche geschaffen werden. Zugangsbeschränkungen gehören auf ein Minimum nivelliert, damit jeder die gleiche Möglichkeit hat, an kulturellen Aktivitäten zu partizipieren. Kunst soll den Menschen dazu anstiften, sich und seiner Kreativität Ausdruck zu verleihen. Aber Kunst darf nicht einer elitären Oberschicht gehören. Kunst muss allen gehören! Als Betreiber eines Kulturvereins versuchen wir fast täglich Kunstschaffenden und Kunstinteressierten mit unseren Räumlichkeiten eine Plattform zu bieten, wo Interaktionen möglich sind, aus denen neue Synergien entstehen können. Das sollte Kulturpolitik ebenfalls tun, ohne die Ergebnisse dabei immer in Zahlen zu messen und zu bewerten, was förderungswürdig ist und was nicht.
Veronica Kaup-Hasler ist Wiener Kulturstadträtin. Von 2006 bis 2017 war sie Intendantin des Festivals Steirischer Herbst.
Kulturplattform Oberösterreich
Lisa Neuhuber und Renée Chvatal engagieren sich in der freien Kulturszene und im Vorstand der Kulturplattform Oberösterreich.
Das Werk
Stefan Stürzer ist Direktor des Kunst- und Kulturzentrums Das Werk am Wiener Donaukanal.
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Stadt Wien
Workstation Menschen am Arbeitsplatz Jana Sabo
Susanna Fellner
Agathe Boruszczak
Gemälderestauratorin im Belvedere Museum Wien Wer im Rahmen der aktuellen Ausstellung »Egon Schiele. Wege einer Sammlung« vor dem Bildnis der Frau des Künstlers, Edith Schiele, steht, betrachtet indirekt auch die Arbeit von Agathe Boruszczak. Sie arbeitet als Gemälderestauratorin im Belvedere. Ihre Tätigkeiten reichen von der klassischen Restaurierung hauseigener Werke – meist vor deren Ausstellung – über die Begleitung von Gemälden auf Kurierreisen im Lkw oder im Cargoflieger bis hin zur Dokumentation, Forschung und Untersuchung. Für das von Egon Schiele selbst übermalte Bildnis der Edith arbeitete Boruszczak vorwiegend mit Fokus auf Forschung an einer Rekonstruktion des Ursprungswerks. »Besonders spannend finde ich natürlich Werke von Künstlerinnen und Künstlern, die ich gerne mag – wie eben Schiele – und sehr anspruchsvolle Arbeiten. Der Krainburger Altar (die mittelalterliche Holztafel auf unserem Bild, Anm. der Red.) zählt definitiv zu einer der herausforderndsten Restaurierungen bisher.«
Eduard Winter
Sammlungsmanager der pathologisch-anatomischen Sammlung im Narrenturm Seit 13 Jahren arbeitet der studierte Physiker Eduard Winter als Sammlungsmanager im Narrenturm. Er betreut dort die weltweit größte Sammlung pathologischer Präparate. Über 50.000 Stück stehen und liegen beinahe klischeehaft aneinandergereiht in den Regalen: Herzen, Nieren, Schädel und andere Knochen, Organe und dergleichen. Die exakte Anzahl lässt sich schwer festlegen: »Je nachdem, wie Augenpaare und Knochensplitter gezählt werden, sind es mal mehr, mal weniger.« Winter achtet darauf, dass alles in bester Ordnung und am richtigen Ort ist, und bearbeitet die Präparate im Rahmen wissenschaftlicher Forschungen. »Durch die Entnahme von Proben lassen sich hier wunderbar Entwicklungen, zum Beispiel von Virenstämmen und Krankheitsbildern, untersuchen.« Für die aktuelle, frei zugängliche Ausstellung »Medizin im ersten Weltkrieg« beschäftigte er sich zuletzt speziell mit Schuss- und Giftgasverletzungen, aber auch mit den damals gebräuchlichen Behandlungsmethoden.
Prosa — mario wurmitzer
Herz ist Stumpf Dreiecksbeziehungen sind immer eine Herausforderung. Auch literarisch. Mit feinem Humor zoomt Mario Wurmitzer auf ein aberwitzig abgestumpftes Beziehungsgeflecht, das große Emotionen sucht und sich mit kleinen Gesten der Empfindsamkeit erstickt.
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Die lebensrettende Kraft der Kleintierzucht Ben sagt manchmal zu Luise: »Ach Schatz.« »Ja, Maus«, antwortet Luise. Dann schauen sie sich traurig an. Luise, Ben und ich haben lange diskutiert und sind zu dem Entschluss gekommen, dass es angenehm wäre, wenn man das Entstehen »ehrlicher Gefühle« in sich bemerkte, auch wenn man sich deshalb vielleicht lächerlich macht. Wir haben alle Leute, die wir kennen, angerufen und gefragt, wie wir eine »Empfindung« haben könnten. Wir haben uns antiquarisch ein Ende des 19. Jahrhunderts erschienenes Buch über Pinguine gekauft. Hoffend, diese Pinguine würden in uns etwas bewegen. Aber das haben sie nicht. Luise sagte einmal, sie könne überhaupt nichts mehr lesen, das vor 2004 geschrieben worden sei, weil sie einfach keinen Zugang mehr finde zu den Gefühlswelten früherer Zeiten. Luise übertreibt immer. Ben und Luise fahren oft zu einer Müllverbrennungsanlage. Sie lassen mich nicht mitkommen. Sie sagen, ich würde ihnen dann alles zerstören. Ich frage mich, was die beiden vor mir verbergen. Vielleicht planen sie eine Zukunft ohne mich. Ich esse den Käse, den Ben gekauft hat, und trinke das Bier, das Luise gekauft hat, und ärgere mich über Ben und Luise. Ich erwarte, dass sich die beiden von mir lossagen werden, und ich nehme an, ohne Luise und Ben vollkommen zu verrohen. Um meiner drohenden Verwahrlosung vorzubeugen, habe ich vor, ein Kind zu zeugen und es nach aufklärerischen Idealen zu erziehen. Es soll mein ganzer Stolz sein. Rousseau hat über den Besuch seines inhaftierten Freundes Diderot geschrieben: Beim Eintritt sah ich nur ihn. Ich tat nur einen Sprung, einen Schrei, presste mein Gesicht an das seine, ich drückte ihn eng an mich, ohne zu ihm anders als durch meine Tränen und Seufzer zu sprechen. Ich erstickte fast vor Zärtlichkeit und Freude. Ich sage das auf und fühle gar nichts, ich stelle mir nichts vor, ich bin empfindungslos, aber mein Kind wird anders sein. Mein Kind wird über Empathie und das Ideal der aufklärerischen Freundschaft nicht lachen.
Ben und Luise sind noch immer nicht von der Müllverbrennungsanlage zurück. Ich werfe eine Leberaufstrichdose gegen die Wand, schreie panisch nach Luise, mache danach ein paar Fitnessübungen und gehe schließlich in den Park. Im Stadtpark sehe ich viele laut lachende Menschen, was mich verwundert und verunsichert und weshalb ich wieder nach Hause zurückkehre. Ich lese einen Artikel über Diderot. Ich beschäftige mich seit Monaten mit Denis Diderot und habe mittlerweile überhaupt keine Ahnung mehr, warum. Leider verwechsle ich ihn noch immer häufig mit Rousseau. Ich mache mir eine Tiefkühlpizza und rufe Luise sieben Mal an. Als Ben und Luise zurückkommen, lächeln sie verdächtig. Ich frage Luise, wie es ihr geht, und sie antwortet, es gehe ihr gut, weshalb ich wieder Panik bekomme. Warum geht es ihr plötzlich gut? In letzter Zeit ist sie ansonsten sehr gereizt, weil sie oft zur für Einwanderung und Staatsbürgerschaft zuständigen Magistratsabteilung 35 gehen muss. Man hat ihr nämlich die Staatsbürgerschaft aberkannt, weil sie angeblich schlimm war. Sie weiß gar nicht, was sie getan hat. Der Sachbearbeiter verrät es ihr auch nicht, er erteilt ihr bloß stets den Ratschlag: »Hände falten, Goschen halten!« »Luise, ich träume gerade von einem ehrlichen, nicht auf mich selbst bezogenen Gefühl«, sage ich in der Hoffnung, sie würde nun auch in diese Richtung denken und melancholisch werden, weil sie ein solches Gefühl auch gerne spürte, aber nicht spürt. »Aha«, sagt Luise, und ich rufe, ich wolle wissen, was sie und Ben planten. »Wir lieben uns«, sagt Luise. »Nein!«, schreie ich. Luise stellt ein Glas Bio-Apfel-Cranberry-Saft vor mich hin. Ich bewege mich nicht. Luise trinkt den BioApfel-Cranberry-Saft, und ich bin mir nun nicht sicher, ob sie mir diesen überhaupt angeboten hat oder ihn ohnehin selbst trinken wollte. Ben sagt, in Wahrheit liebe er niemanden, er habe sich aber ein Zukunftskonzept zurechtgelegt. Er werde sich fortan der Kleintierzucht widmen. Luise fragt ihn, ob er
Johannes Stadlbacher
gekifft/gesoffen habe und ob er sich der Kleintierzucht und/oder der Liebe widmen wolle. »Die Kleintierzucht hat eine große Zukunft«, sagt Ben. Ich nicke. Dabei weiß ich gar nicht, ob das stimmt. »Zukunft«, wiederholt Ben, als wolle er uns, insbesondere mich, durch den Gebrauch des Wortes provozieren. »Ich habe für dich die beste Zeit meines Lebens geopfert«, sagt Luise, und ich lache darüber, weil ich glaube, sie meint das ironisch, aber anscheinend meint sie das ernst. Ich bin fassungslos. Ben sagt: »Die lebensrettende Kraft der Kleintierzucht wird meinem Leben eine radikale Wendung geben. Die Menschen haben heutzutage eine große Sehnsucht nach Kleintieren. Hamster geben Hoffnung und Sicherheit. Die Eröffnung eines Kleintierhandels beziehungsweise einer Kleintierzucht erscheint mir daher sehr notwendig.« »Notwendiger als die Liebe?«, fragt Luise mit zittriger Stimme. Ich kann ihr ihre Gefühle nicht glauben. Ben nimmt seinen Skizzenblock zur Hand, in welchem anscheinend ausschließlich Berechnungen betreffend seinen Einstieg ins Kleintierbusiness zu finden sind. Vom »Markt« spricht Ben nun, als wüsste er vieles, das wir nicht wissen, und er nennt uns Zahlen, die mir fragwürdig erscheinen. »77,2 Prozent der Europäer haben ein Kleintier oder hätten gerne eins«, sagt Ben beispielsweise und verweist auf die Statistiken und Zeichnungen, die in seinen Skizzenblock Eingang gefunden haben. Bald werde ich Luise fragen, ob sie mit mir ein Kind haben will. Ich male mir eine Zukunft aus, die ich in einer Berghütte verorte, wo Luise, unser Kind und ich miteinander leben, jedoch kaum sprechen. Wir sitzen nur still da und schauen uns an. Das wird idyllisch. »Na gut, ich gehe jetzt«, sagt Ben. Luise reagiert nicht. Ben zuckt mit den Schultern und wendet sich ab. Ich bin froh, dass sein Abschied von Luise und mir nicht von übertriebenen Gefühlsäußerungen begleitet wird. Ich wünsche Ben alles Gute, halte es aber für unwahrscheinlich, dass er im Kleintierbusiness bestehen können wird.
1992 in Mistelbach geboren, schreibt Romane und Theaterstücke. Er studierte Germanistik und Geschichte und lebt in Wien. 2010 erschien sein Jugendroman »Sechzehn«, seitdem erhielt er mehrere Auszeichnungen und Stipendien. U. a. das HansWeigel-Stipendium 2012/13, den Brüder-Grimm-Preis des Landes Berlin 2015 und den Osnabrücker Dramatikerpreis 2017. In seinem aktuellen Roman »Im Inneren des Klaviers« (Luftschacht Verlag), entwirft Wurmitzer eine düstere, allegorische Märchenwelt und lässt darin eine Königstochter und einen jungen Aussteiger gemeinsam in ein (erhofft) besseres Leben flüchten. www.mariowurmitzer.at
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Mario Wurmitzer
Filmpremiere Anna and the Apocalypse
Gewinnen thegap.at/gewinnen
Isle Of Dogs – Ataris Reise Wes Anderson, Meister der Symmetrie, schickt in »Isle Of Dogs«, seinem zweiten Stop-Motion-Film, eine Truppe von ausgesetzten Hunden gemeinsam mit einem gewieften Jungen auf die Suche nach dessen treuen vierbeinigen Freund. Die Helden der Geschichte werden von Stars wie Bill Murray und Scarlett Johansson gesprochen. Wir verlosen drei DVDs.
Mandy Von Rache getrieben sucht der eigentlich friedliebende Red (Nicolas Cage) die Mörder seiner geliebten Mandy heim. Unterstützt wird er dabei bloß von seiner selbstgebauten Kriegsaxt, einer Droge, die ihm übermenschliche Fähigkeiten verleiht, und dem Gedanken, abolut nichts mehr zu verlieren zu haben. Wir verlosen drei DVDs.
ne
Gewin
75 � 2 ts Ticke
Ausgerechnet zu Weihnachten überrascht die Zombieapokalypse Anna und ihre Freunde im verschlafenen Ort Little Haven – und zwingt sie, sich den Untoten kämpfend, vor allem aber auch singend zu stellen. Jawohl, it’s a Zombie Christmas Musical. Und ein Heidenspaß!
Di., 4. Dezember, 20 Uhr Hollywood Megaplex Gasometer Guglgasse 11, 1110 Wien Wir verlosen 75 � 2 Tickets für die Premiere von »Anna and the Apocalypse«. Der Film wird in englischsprachiger Originalversion mit deutschen Untertiteln gezeigt. Die Gewinnspielteilnahme ist bis 29. November unter thegap.at/gewinnen möglich. In Kooperation mit
Deadpool 2 Im zweiten Film rund um den Söldner ohne Respekt vor der vierten Wand legt sich Marvel-Superheld Deadpool mit dem zeitreisenden Supersoldaten Cable an. Die vielen Superlative werden der Comicverfilmung nur gerecht: »Deadpool 2« ist nicht nur superunterhaltsam, sondern auch superspektakulär. Wir verlosen drei DVDs.
American Horror Story Season 7: Cult Die siebte Staffel der Serie »American Horror Story« kommt erstmals ohne übernatürliche Elemente aus, denn sie beschäftigt sich mit der angsteinflößendsten Materie der letzten Jahre: der Realität. Genauer gesagt mit der letzten US-Präsidentschaftswahl und einem Kult bestehend aus »gewöhnlichen« Bürgern. Wir verlosen drei DVDs.
The Orville – Season 1 Als Kommandant des Raumschiffs USS Orville muss sich Captain Ed Mercer (Seth MacFarlane) nicht nur intergalaktischen Herausforderungen stellen, sondern auch seiner Exfrau, die ihm als Offizier zuge teilt worden ist. Eine lustig-absurde Science-FictionSerie in der Handschrift des »Family Guy«-Erfinders. Wir verlosen drei DVDs.
Predator – Upgrade
Teilnahmebedingungen: Die Gewinnspielteilnahme kann ausschließlich unter der angegebenen Adresse erfolgen. Die GewinnerInnen werden bis 3. Dezember 2018 per E-Mail verständigt. Eine Ablöse des Gewinns in bar ist nicht möglich. Der Rechtsweg ist aus geschlossen. MitarbeiterInnen des Verlags sind nicht teilnahmeberechtigt.
Im neuesten Streifen aus dem »Predator«-Filmuniversum (Regie: Shane Black) versuchen die nun aufgerüsteten Aliens, sich die DNA eines hochintelligenten Jungen zu holen, um einen weiteren Entwicklungsschritt zu machen. Das muss mit viel Action verhindert werden. Wir verlosen zwei Goodiebags mit Military-Caps und Cross-Cult-Comics.
Rezensionen Musik From Gas To Solid / You Are My Friend — Play It Again Sam
Maria Poly
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Man kann in sich gehen und so weit in sich selbst versinken, dass man keinen Halt mehr findet. Man kann aber auch in sich gehen, etwas aus sich selbst herausholen, es sich ansehen, anschreien, es zu fassen kriegen und bei Bedarf auch wieder wegschleudern. Obwohl sich auch die beiden ersten Soap-&-Skin-Alben nicht als klassisch introvertiert bezeichnen lassen, entsprachen Anja Plaschgs frühere Stücke eher ersterer Methode, mit all dem umzugehen, was sich so im Bereich des Unbewussten ansammelt. Sechs Jahre nach »Narrow« und fast ein Jahrzehnt nach »Lovetune For Vacuum« geht Plaschg auf »From Gas To Solid / You Are My Friend« nun eher den anderen Weg. Man könnte ihn als den reflektierteren bezeichnen, doch das wäre etwas zu einfach. Was sich jedoch sagen lässt, ist, dass Anja Plaschg auf ihrem neuen Album Gedanken formt, die sie vorher in die Hand genommen hat, die sie sich angesehen hat und die deshalb vielleicht nach simplen Floskeln klingen, es aber niemals sind. Aus Gasförmigem, das nur so in der Schwebe hing, wird plötzlich Angreifbares. Wenn sie im Song »Heal« davon singt, dass sie nun nicht mehr von Angst umgeben ist, dann ist dieser Gedanke als zartes Pflänzchen auf festem Untergrund entstanden, wie auch das Video zum Song verdeutlicht. Der Albumtitel lässt sich jedoch auch auf die Entstehung von »From Gas To Solid« übertragen – zehn Jahre lang hat Anja Plaschg Töne, Klänge und einzelne Soundfetzen gesammelt, die sie dann in eine Form gegossen hat. So ist eine große Collage entstanden, die einem manchmal zuflüstert und manchmal entgegenbrüllt, dass es wunderschön versöhnlich sein kann, in sich zu gehen, ohne dabei vollkommen den Halt zu verlieren. Die Schönheit des klaren, dabei aber nie einfachen Gedankens wird am Schluss durch Plaschgs Coverversion von »What A Wonderful World« noch einmal unterstrichen. Nachdem der Song lange Zeit nur noch als leere Hülle über sämtlichen Hochzeiten geschwebt ist, verliert er hier all seine falsche Floskelhaftigkeit wieder und gewinnt eine fassbare Schönheit zurück. (VÖ: 26. Oktober) Sarah Wetzlmayr
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Soap & Skin
Rezensionen Musik
Euroteuro
Flut
07
07
Euroteuro lautet wahrscheinlich die Ausrede, wenn sich der Kreis um Peter T. mal wieder auf einen Grappa treffen will. Gemeint sind: Ninjare Di Angelo, Cash Storm, DJ Kaktus und Princess K. Für die Albumproduktion sind auch noch Werner Thenmayer, Elise Mory (Gustav, Leeloo, Möström), Bernhard Hussek (Bad Weed, Kuntz), Wolfgang Möstl und Lukas Bauer (Sex Jams) ins Studio geholt worden. Und man hört dem Ergebnis an, dass alle handelnden Personen zusammen Spaß und einander gern haben. Vor allem für Dada-Neue-Deutsche-Welle ist diese Haltung eh förderlich. Der/die geneigte LeserIn dürfte ja mitbekommen haben, dass wir ein Faible für das Hitpotenzial und die dazugehörigen Musikvideos der Euroteuros haben – die Urlaubshymne »Autogrill« hat es nach unserer Premiere von der italienischen sogar über die deutsche Grenze in die SZ geschafft. Ein bisschen hat uns das Debüt in Lang dann aber doch enttäuscht. Die Killer kennen wir nämlich schon, der Rest sind Filler. Dass sich alles an »Volume I« nach Schland in den 80ern anhören würde, ist klar gewesen und durchaus willkommen. Nur wird das Reproduzieren von Versatzstücken irgendwann alt. Zum Beispiel beim Versuch an Hamburger Schule in »Kopf«, bei den Polit-Basics von »Mensch« oder den zähen Vocals von »Schaun«, nach denen man doch mal lieber wieder K. Ronaldos Version von »Schau nicht so!« in »Coco Jambo« aufdreht. Doch es gibt auch Schmankerl auf dem ersten Volume des Kollektivs. »Kaputt« klingt dann nach einem 2018er-Take on New Wave und Hinnigsein in einem etwas charmanteren Gaga. Nach den bekannten Bangern (»Hobby«, »Kündigung«, »Musik«) findet das Album im Monolith »Hausverbot« noch ein versöhnliches – wenn auch inhaltlich unfreundliches – Ende. Über sechs Minuten wabert der Psych-Beat fast schon meditativ dahin, und wir freuen uns. Auch darüber, dass wir »Lucky Noodles« zu verstehen glauben. Das kann tatsächlich nur die einzig richtige Reaktion darauf sein, wenn einem der Club den Eingang versperrt. Ob wir nun auch Hausverbot haben oder der nächste Euroteuro-Hit schon die Route nach Italia berechnet, wird sich zeigen. Nächsten Sommer dann wieder. (VÖ: 9. November) Theresa Ziegler
Global — Problembär Records Vor nicht ganz zwei Jahren sind fünf Österreicher praktisch aus dem Nichts aufgetaucht, um mit der Single »Linz bei Nacht« sowie der zugehörigen Videogroßtat vorstellig zu werden. Retro-Synthpop mit Blick nach vorne war das. Nun legen Flut ein elf Tracks starkes Debütalbum namens »Global« vor. Dass die große erste Single der Band nicht darauf enthalten ist, fällt sofort auf, und auch die allgemeine Ausrichtung scheint sich – in Maßen, aber doch – geändert zu haben. Der Opener »Stadt aus Draht« beginnt ruhig, versucht einen Spannungsbogen aufzubauen, ist als Intro jedoch etwas zu ausschweifend und als Song etwas zu zahnlos. »Schlechte Manieren«, die erste Singleauskoppelung, ist dann aber ziemlich genau dort, wo man Flut verorten würde: verliebte und einfache Textbilder, unbeschwerter Sound Marke Tom Schilling und Konsorten sowie ein bisserl österreichisches Charmeurgehabe von Sänger Johan Paulusberger. Das Wechseln zwischen verträumter Ballade und Popsong mit Tempo zieht sich in weiterer Folge konsequent als roter Faden durch das Album. Als eines der Highlights vereint »Agent 08« viele der Stärken der Band: einen catchy Refrain und heulende SpaceGitarren in glamourösem 80er-Synthpop-Gewand. Für die Produktion verantwortlich zeichnet übrigens Zebo Adam, zuletzt nicht nur bei den Bilderbuch-Alben, sondern etwa auch für die Avantgarde-Metalband Zeal & Ardor an den Reglern. Im Schlussdrittel des Albums folgen mit »Regen« und »Eiszeit« zwei Songs, die das angesprochene Gegensatzpaar sogar in sich vereinen und so noch verstärken – ruhiger Beginn mit stetiger Steigerung. Absolut tiefgehende Kost darf man sich von »Global« nicht erwarten. Es ist Popmusik, die mal mitreißend, mal ruhiger daherkommt, meist eingängig ist und angereichert mit schlauen Ideen und natürlich jeder Menge Zitate. (VÖ: 5. Oktober) Kevin Reiterer Live: 16. November, Lustenau, Carinisaal — 17. Novem ber, Linz, Kapu — 23. November, Grieskirchen, Einfach so Festival — 28. November, Wien, Wuk — 30. November, Graz, PPC — 1. Dezember, Wolkersdorf, Outback — 21. Dezember, Salzburg, Rockhouse
Christian Benesch, Nicole Stieben, Beate Ponsold
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Volume I — Siluh Records
Rezensionen Musik
Gümix + Shanti Roots
Mile Me Deaf
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Zwei Schwergewichte der Wiener Szene haben sich in den vergangenen eineinhalb Jahren für die Produktion eines gemeinsamen Albums ins Studio zurückgezogen: DJ Gümix, ehemals Betreiber des legendären Dub Club im Flex, und Shanti Roots, DJ und Produzent der »Vienna Scientists«-Compilation-Reihe sowie von Artists wie Joyce Muniz oder Louis Austen. Die beiden erweisen sich als gut eingespieltes Duo, denn das Ergebnis kann sich hören lassen: ein Longplayer internationalen Zuschnitts, der über einen deutlichen Schuss Wiener Vibes verfügt. Günther Maier (Gümix) und Markus Dohelsky (Shanti Roots) wollten nach einer langen Veröffentlichungspause ein zeitloses Werk schaffen, bei dem die Liebe – dem Albumtitel entsprechend – im Mittelpunkt steht. Zwar handelt es sich nicht wirklich um ein Konzeptalbum, doch gibt es einen gewissen inhaltlichen roten Faden. Klassische Lovesongs darf man sich deshalb aber nicht erwarten, sondern einfach wirklich groovige Tracks, die für den Dancefloor bestimmt sind. Ähnlich bunt und eklektisch wie der Dub Club damals – es gab ihn bis 2005 – ist auch »Love’s Wanted« angelegt. Als gemeinsamer Nenner dient dabei der bravourös entspannte Flow, den die Tracks allesamt haben. Der stilistische Bogen der zwölf Tracks reicht von Downbeat und Dub über (jazzigen) House bis hin zu Tribal Beats und südamerikanischen Klänge – einem alten Faible von Günther Maier. Das Ganze kann dann mal langsamer fürs Aufwärmen ausfallen oder auch etwas flotter für die Peak Time im Club. Die organisch-verspielte Art, für die hiesige Produktionen seit den späten 90er-Jahren bekannt sind, ist hier – durchaus gewollt – auch zu hören. Damit sind vor allem die KeyboardArrangements gemeint, aber auch so manch eindringliche Bassline. Dank ihrer guten Kontakte haben es Gümix und Shanti Roots überdies geschafft, eine Reihe bekannter GastmusikerInnen und SängerInnen zu engagieren, die den Longplayer maßgeblich geprägt haben. Dazu zählen vor allem die VokalistInnen Hubert Tubbs, Kudra Owens und Ras T-Weed sowie der Keyboarder Dieter Kolbeck. (VÖ: 8. November) Kami Kleedorfer
HDD Backup — Siluh Records Wolfgang Möstl hat 50 Bands, ist ein Teil der Bühnenentourage von Clara Luzia, komponiert fürs Theater, produziert tausend Releases anderer KünstlerInnen und vor kurzem mistete er selbst – so stellen wir uns das zumindest vor – seine hundert Festplatten aus, die sich auf seinem magischen Dachboden befinden. Um bei den Zahlen zu bleiben: Er veröffentlicht mit seinem (teils erweiterten) Soloprojekt Mile Me Deaf ein Doppelalbum bestehend aus 28 Songs. Ein regelrechtes Opus – mit einem solchen hat ja auch Drake zuletzt für diverse Wows gesorgt. Anders als bei Drizzy ist »HDD Backup« aber keine 50/50-Trennung zwischen zwei Genres, sondern ein Hot Pot aus den bemerkenswerteren unter den vernachlässigten Titeln aller Mile-Me-Deaf-Backups und der jetzigen Desktop-Ordner. Ganz genau deswegen bewegt sich das Doppelalbum auch zwischen den recht weit voneinander entfernten Möstl-Identitäten hin und her. Mit »She Is Quite Alright« pullt Möstl seinen John Lennon, mit »Homebound And Secure« seinen Bob Dylan. »Light Ltd.« klingt nach einer jazzy Kollabo mit M83, und »Call Us Rats« gehört zu der Art Musik, die man in Interior-Design-Concept-Stores hört, in denen Kinfolk ausliegt. Der neue Mile-Me-Deaf-Sampler fordert in Langzeit-Fans das lustige Raten heraus, welcher Titel in welcher MMD-Evolutionsstufe entstanden sein könnte – mit 28 Runden ein durchaus abendfüllendes Quiz. Unsere Tipps: »Exterminate Something« ist ein Relikt aus »Eat Skull«-Zeiten, »Voyage« und »So Gross« haben nicht mehr auf die letzte LP »Alien Age« gepasst. Manches lässt sich sicherer verorten, zum Beispiel »Uma«, eine alternative Fassung von »Gold Kid« (auf »Holography«, 2014). Neben all dem investigativen Spaß, den man beim Hören hat, bleibt aber ein bisschen zurück, dass das Album tatsächlich auch Unerwartetes präsentiert. Nämlich in »Dive Down« (der beste Song dieser Zusammenstellung), »Legendario Gruppo« und »Voyage«, die sehr nach 2018 klingen. Mehr davon und weniger Liebhaberstücke der letzten Epochen hätten dem Sammelalbum wohl etwas zusätzliche Energie verliehen. Either way: Wir lieben den Wolfgang. Den vom ersten Backup und den aus der aktuellsten Datei. (VÖ: 25. Oktober) Theresa Ziegler
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Love’s Wanted — Dub Club Records
Rezensionen Musik
Phal:Angst
Waldeck
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Mit »Black Country« fanden Phal:Angst 2014 ihren ganz speziellen Sound. Was 2006 als Zusammenschluss der Bands Phal und Projekt Angst begonnen hatte, wurde damit endgültig zu einem Ganzen. Die eher »roheren« Industrial-Klänge ließ man zugunsten einer sehr stimmigen Mixtur aus Postrock, Drone, Ambient und elektronischen Soundscapes hinter sich. Diesen Ansatz verfolgt das Quartett nun auch auf »Phase IV«, seinem vierten Album. Die ersten fünf – zwischen neuneinhalb und zwölfeinhalb Minuten langen – Songs sind sogar noch eine Spur epischer geworden: ein Sample hier, eine Sprechpassage dort und dazu die dahinmäandernden Soundscapes, die geradezu symbiotisch ausgefallen sind. Jedes der Bandmitglieder, so scheint es, stellt sein Ego zurück, um den passenden Soundtrack für die Reise durch unendliche Weiten zu schaffen. »Phase IV« würde daher auch locker als musikalische Begleitung für ein melancholisches Weltraumepos durchgehen. Connaisseure der Sounds von Earth, Mogwai, Jesu oder Neurosis dürften jedenfalls eine wahre Freude an dieser Musik haben. Und die Songs Nummer sechs und sieben – das muss man so sagen – spielen dann noch einmal in einer ganz anderen Liga. Phal:Angst verfolgen schon länger die Tradition, eigene Songs auch remixen zu lassen. Zum letzten Album »Black Country« erschien mit »Black Country Revisited« gleich ein ganzes Remix-Album. Bei »Phase IV« beschränkt man sich auf zwei Remixe, doch die haben es in sich: Mit Will Brooks von Dälek (»Despair II (Deadverse Remix)«) und Justin Broadrick von Jesu, God flesh, Techno Animal bzw. den frühen Napalm Death (»The Books (JK Flesh Remix)«) haben zwei namhafte Artists aus den beiden Songs »Despair II« bzw. »They Won’t Have To Burn The Books When Noone Reads Them Anyway« eine Art atmosphärische Hip-Hop-Nummer bzw. einen düsteren EBM-Dance-Track fabriziert. Gelungene Add-ons für ein bereits sehr gutes Album. (VÖ: 28. September) Werner Schröttner
Atlantic Ballroom — Dope Noir Records Lässt man die leidige Genrediskussion mal beiseite, ist Waldecks »Atlantic Ballroom« einfach ein entspanntes und abwechslungsreiches Album. Gut zehn Jahre sind seit »Ballroom Stories«, dem bis dato kommerziell erfolgreichsten Waldeck-Longplayer, ins Land gezogen. Dazwischen gab es einen kurzen Abstecher ins Gefilde der Canzoni italiane, doch die unbeschwerten, mediterran geprägten Lieder blieben leider erfolglos. Dabei waren die Spaghetti-Songs der beste Beleg dafür, dass sich der musizierende Jurist Klaus Waldeck immer wieder neu erfinden kann – eine Qualität, die aus nicht nachvollziehbaren Gründen weder vom Publikum noch von Plattformen wie Spotify wirklich goutiert worden ist. Ist »Atlantic Ballroom« also bloß more of the same oder hat der neue Longplayer im Vergleich zum zehn Jahre älteren »Ballroom Stories« tatsächlich neue Impulse zu bieten? Das neue Album ist weitaus puristischer, weil Waldeck die Arrangements frei nach dem Motto »Weniger ist mehr« komplett umgestellt hat: Die Songs haben im Vergleich zum ersten »Ballroom«Longplayer weniger elektronische Elemente, wodurch das Album insgesamt runder wirkt. Es ist in sich geschlossener und ergibt einen harmonischeren Gesamteindruck. Die Blechbläser stehen im Vordergrund und setzen Akzente in Richtung Jazz, Blues und sogar Soul. Nicht zu vergessen: Sängerin Patrizia Ferrara, deren Stimme passgenau auf Waldecks Kompositionen eingestellt ist. So hört sich »Atlantic Ballroom« wie ein Soundtrack aus den 60er-Jahren an, der mit so manchem Ohrwurm ausgestattet ist. Waldeck hat dank der Vorarbeiten aus dem Vollen schöpfen können: Bei einem Repertoire von rund 50 unveröffentlichten Songs war die Auswahl sehr groß. Wichtig war dem Künstler, dass jeder Track etwas Neues zu bieten hat – mal langsamer, mal schneller, mal Bossa-Percussions, mal funkige Gitarrenklänge. Kein Wunder also, dass es bis zum finalen Tracklisting sieben Wochen gedauert hat. Und diese kleine Anekdote zeigt auch den Perfektionismus, den Herr Waldeck bei seinen Produktionen an den Tag legt. So jedenfalls ist »Atlantic Ballroom« mit seinen zwölf Songs zu einem eigenständigen Album geworden, das man beschwerdefrei in einem Rutsch durchhören und genießen kann. (VÖ: 12. Oktober) Kami Kleedorfer
Klaus Pichler, Ditz Fejer
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Phase IV — Bloodshed 666 Records
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Denn auf der internationalen Designmesse blickfang und im zugehörigen Onlineshop finden Sie genau die Möbel-, Mode- und Schmuckentwürfe, nach denen sich Stilliebhaber, Individualisten und Designliebhaber die Finger lecken und in Kaufhäusern vergeblich suchen. Zwischen 100 und 250 ausgewählte Designer warten persönlich auf Sie, um Ihnen neue Lieblingsstücke zu präsentieren und zu verkaufen – mit Kanten, Charakter und Suchtpotential. Und wer schon heute haben will, was morgen jeder gerne hätte, besucht einfach gleich den blickfang Designshop unter www.blickfang-designshop.com. Regal Johanenlies ab 775 EUR, blickfang Hamburg Kissenhüllen Manufaktur Fink ab 52 EUR, blickfang Zürich
Hannah Zenger Porzellan Studio ab 150 EUR, blickfang Stuttgart
Hyazintenglas Glaslabor ab 77 EUR, blickfang Zürich
Save the Date! blickfang Wien | MAK | 26.–28. Oktober 2018 blickfang Bern | Bernexpo | 16.–18. November 2018 blickfang Zürich | StageOne | 23.–25. November 2018 Designers Market by blickfang | imm cologne | 18.–20. Januar 2019 blickfang Hamburg | Deichtorhallen | 01.–03. Februar 2019 blickfang Stuttgart | Liederhalle | 15.–17. März 2019 blickfang Basel | Messe Basel | 26.–28. April 2019 Kaufen Sie Ihr vergünstigtes Ticket auf: www.blickfang.com
Termine Musik
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ÖSTERREICHS CLUBSZENE IM RADIOKULTURHAUS
SIR TRALALA & GÄSTE
03.12.2018
Das Blue Bird Festival ist ein bisschen wie der coole Songcontest für akustische Gitarrenmusik. Die USA senden Blue-Bird-Alumni Holly Miranda (Foto) und die /folk folks/ River Whyless. Kanada ist ebenfalls mehrfach vertreten durch den Juno-Preisträger Dan Mangan und die Dauer-TourerInnen von The Burning Hell. Douze points an das französische Label Talitres und ihren Raoul Vignal. Die kürzeste Anreise haben die »Viennese Hyperballads« von Loose Lips Sink Ship und Paul Plut. 22. bis 24. November Wien, Porgy & Bess
© Bert Walster
KARTEN UND INFOS: radiokulturhaus.ORF.at
Blue Bird Festival
musik.wuk.at 01.12.
Bosse 02.12.
Matthäus Bär 08.12.
Benjamin von Stuckrad-Barre 13.12.
Shantel & Bucovina Club Orkestar 25.01.
Ja Ja Ja Festival Vienna 2019 28.02.
Depedro wukvienna
Ja Ja Ja Festival Wenn skandinavische Musik für etwas steht, dann sind das Qualität und Charme. Da werden Genres gesprengt und es wird mit voller Inbrunst vorgetragen. Zu Gesicht und Gehör bekommt man das Neueste aus dem Norden Europas beim Ja Ja Ja Festival. Bereits zum zehnten Mal holt Ink Music aufstrebende Bands aus der nordischen Kälte nach Wien – und heuer erstmals auch nach Salzburg. Mit vollen Hallen ist zu rechnen. Bisher wurden die Gaze-Popper Great News (Foto) und der Songwriter Alex Vargas bestätigt. 24. Jänner Salzburg, Rockhouse — 25. Jänner Wien, Wuk
Termine Musik Cari Cari
Mi. 28.11. Indie
Genetikk
Bevor du dich beschwerst, dass Deutsch-Rap nicht mehr so wie früher ist: schwerfällige Gangster-Beats plus Horrorästhetik – alles an Genetikk ist so wie 2004, als noch jemand anderes eine Maske trug (übrigens laut Genetikk selbst das drittbeste Deutsch-Rap-Album). Wenn du zum anderen Lager gehörst, das Deutsch-Rap aus den 10ern will: Warte aufs Yung-Hurn-Konzert. 11. November Wien, Arena
The Big Howard Der österreichische Songwriter Florian Horwath heißt jetzt The Big Howard und fast emblematisch klingt auch das dazugehörige Debüt »Will«: erhebend, groß und voller Hippie-Pop. Auf dem Langspieler finden sich elf Stücke, die perfekt für die Realitätsflucht geeignet sind. Oder einfach zum Tanzen – aber stets mit der Sonne im Herzen und einem Hauch Melancholie in der Stimme. 26. November Wien, Tag
Mi. 28.11. Kabarett
Nadja Maleh
Do. 29.11. Kabarett
Gunkl & Walter
Sa. 01.12. Rap
Yung Hurn
Mo. 03.12 Pop
Conchita & Band
Mi. 05. bis Sa. 08.12. Impro
19. Österreichische TheatersportMeisterschaften
Googlet man »Zukunft des österreichischen Indie-Rock«, sollten unter den Top-Resultaten eigentlich die Namen Vague und Culk (Foto) zu finden sein. Die beiden Bands verbindet ein Hang zum Sound von 90er-Jahre-Indie. Das bedeutet unterkühlter, aber gefühlvoller Gesang und Melodien abseits von abgehalftertem Pop. Wer die dunklen Novembertage musikalisch untermalen will, muss zu diesem Doppelkonzert. 28. November Wien, B72
International Music »Frauen müssen geil sein, Männer müssen cool sein, Jobs müssen Geld bringen«, singen International Music in den ersten Zeilen ihres Debüts »Die besten Jahre«, tauschen dabei einmal alle Rollen durch und geben sofort zu verstehen, wofür die drei Jungs stehen: scharfsinnige Gesellschaftsbeobachtungen, verpackt in gewandte Metaphern und einen lässigen Sound, der u. a. an The Velvet Underground erinnert. 4. Dezember Wien, Rhiz
Bild: Günther Gröger
Vague / Culk
Do. 06.12. Pop
Granada
Di. 11.12. Rock
Left Boy
Mi. 12.12. Comedy
Katrin Bauerfeind
Do. 13.12. Buch
Friedrich Ani zu Gast im LiteraturSalon
Mi. 19.12. Kabarett
Andrea Bongers
Sa. 22.12. Pop
folkshilfe
Flut
9 Jahre The Loft Signale 18
Flut fluten (fast) die ganze Welt auf der Tour zu ihrem Debütalbum »Global«. »Linz bei Nacht« nun nicht mehr nur in Linz. Keine Ebbe in Sicht. 16. November Lustenau, Carinisaal — 17. November Linz, Kapu — 28. November Wien, Wuk — 30. November Graz, PPC — 1. Dezember Wolkersdorf, Outback — 21. Dezember Salzburg, Rockhouse
Das Loft am Wiener Gürtel gibt es jetzt seit neun Jahren. Das sind neun Jahre vollgestopft mit Partys, Konzerten und allem dazwischen. Dementsprechend bunt fällt die Jahresfeier aus: Ankathie Koi, Austrian Apparel und Philiam Shakesbeat treten da neben einigen Elektro-DJs auf. Von uns auch alles Gute! 23. November Wien, The Loft
Mit Musik ein politisches Zeichen zu setzen, darum geht es den VeranstalterInnen von Signale 18. Sie stellen sich gegen alles, was in Österreich derzeit falsch läuft, und plädieren für ein Miteinander. Dafür haben sie u. a. Gustav, Fauna, Femme DMC und eine eigene, prominent besetzte SignaleBand in die Arena geladen. Gute Sache! 19. Dezember Wien, Arena
Bild: Grünwald
Misha Vladimirskiy, Linn Heidi Stokkedal, Andreas Jakwerth, Christian Hell, Eva Mühlbauer, Michael Würmer, Alfred Jansen
Editors
Bild: Rahi Rezvani
Cari Cari haben einmal gesagt, die Band sei u. a. deshalb gegründet worden, um irgendwann auf einem Quentin-Tarantino-Soundtrack mit dabei zu sein. In Anbetracht der Coolness des Duos: Sollte Tarantino mal wieder einen Western drehen, stünden die Chancen gar nicht so schlecht … 23. November Mödling, Freie Bühne Mayer — 29. November St. Pölten, Cinema Paradiso — 6. Dezember Graz, PPC — 7. Dezember Villach, Kulturhofkeller
Benjamin Agostini, Theresa Ziegler
highlights
POSTHOF – Zeitkultur am Hafen, Posthofstraße 43, A – 4020 Linz Info + Tickets: 0732 / 78 18 00 kassa@posthof.at | www.posthof.at Weiterer VVK: LIVA Servicecenter im Brucknerhaus, Veritas Kartenbüro, oeticket und alle oberösterreichischen Raiffeisenbanken.
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Termine Festivals
Craft Bier Fest Wien Bereits seit fünf Jahren können sich Bier-Aficionados beim Craft Bier Fest durch die Vielfalt der handwerklichen Braukunst probieren. In ihrer zehnten Ausgabe bringt die Veranstaltungen über 400 verschiedene Bierspezialitäten in die Marx Halle. Viele der österreichischen AusstellerInnen wurden auch im Rahmen der Austrian Beer Challenge prämiert. International ist das Fest ebenfalls bestens aufgesteltt – etwa mit Craft-Brauern aus Tschechien, der Slowakei, Slowenien, Deutschland, Italien und der Gastregion Flandern. Wer damit nicht genug von Hopfen und Malz hat, der kann außerdem der Vienna Beer Week einen Besuch abstatten, die rund um das Craft Bier Fest stattfindet. Führende Gastronomiebetriebe nehmen mit Tastings und Führungen daran teil. Zur Eröffnung der Vienna Beer Week wird ein eigens eingebrautes Festivalbier, ein Orange Earl Grey Pale Ale, präsentiert. Craft Bier Fest Wien: 23. bis 24. November Wien, Marx Halle — Vienna Beer Week: 25. November Wien, diverse Locations
Termine Festivals
… Jahre ist das Höchstalter für RegisseurInnen, um sich für das internationale Nachwuchsmedienfestival Youki in Wels bewerben zu können. Die besten 96 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme aus mehr als 500 Einreichungen werden Ende November präsentiert. Teil des Festivals, das sein 20-jähriges Jubiläum feiert, sind zudem Vermittlungsprogramme für Schulen, Artist-in-Residence-Programme und Workshops. 20. bis 24. November Wels, Medien Kultur Haus und Alter Schlachthof
Wien Modern Das Festival für zeitgenössische Musik widmet sich in diesem Jahr dem Thema »Sicherheit«. Dass Musik ohne Mut zum Risiko undenkbar ist, wird in über 100 Veranstaltungen mit mehr als 80 Ur- und Erstaufführungen deutlich. In seiner 31. Auflage holt Wien Modern über 30 Orchester, Chöre und Ensembles sowie zahlreiche DirigentInnen und SolistInnen nach Wien. Letztere können in den sogenannten Solo-Challenges ganz alleine auf der Bühne ihren persönlichen Drahtseilakt wagen. 28. Oktober bis 30. November Wien, diverse Locations
Potentiale Die Potentiale macht Feldkirch einmal mehr zum Schauplatz für regionale und internationale Arbeiten aus den Bereichen Design, Fotografie und Medienkunst. GestalterInnen, Design-Talente und FotografInnen bieten ihre Produkte und Kleinstserien auf der Messe im Reichenfeld-Areal zum Verkauf. Ausstellungen im Alten Hallenbad, im Pförtnerhaus und im Konservatorium gehören ebenso zum Festival wie ein Vintage-Markt, Outdoor-Installationen und so manch überraschende Intervention im Stadtraum. 9. bis 11. November Feldkirch, diverse Locations
Christina Pikl
Christoph Adamek, Eric Melzer, This Human World
Forum Creative Industries Das Festival der Kreativwirtschaft holt unter dem Motto »The Fabulous Factory« die in der Tabakfabrik angesiedelten Unternehmen vor den Vorhang. Die Kreativschmieden können im Rahmen der Open Studios besucht werden. Neben einem Symposium und Workshops zu Themen wie »New Ways Of Work« sind Keynotes Teil des Festivalprogramms – etwa von Wolf Lotter, Publizist und Mitbegründer des Wirtschaftsmagazins Brand eins, über barrierefreies Denken. In der »Strada del Start-up« wird zudem zur Party geladen. 3. bis 11. Dezember Linz, Tabakfabrik
Buchquartier
This Human World Bereits zum elften Mal rückt das Filmfestival die Rechte der Menschen und deren Durchsetzung in den Fokus. Es werden rund 90 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme gezeigt. Teil des Festivals ist zudem ein umfangreiches Rahmenprogramm in Form von Workshops, Masterclasses und Diskussionen mit führenden FilmemacherInnen und ExpertInnen aus aller Welt. Erstmalig hat Michael Schmidt, Spezialist für NGOs und Menschenrechtsbelange, die Festivalleitung übernommen. 29. November bis 10. Dezember Wien, diverse Locations
Über 100 Independent- und Kleinverlage sind bei freiem Eintritt auf der Buchmesse im Wiener Museumsquartier zu entdecken. Aussteller aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und Luxemburg sind auf der Buchquartier mit Publikationen sämtlicher literarischen Genres vertreten. Zum Rahmenprogramm zählen Auktionen, Vorträge, Signierstunden, Kabarettbeiträge und Lesungen – mit dabei sind etwa Hanna Herbst, Poetry-Slammerin Adina Wilcke und die Gebrüder Moped. 8. bis 9. Dezember Wien, Museumsquartier
Die Antarktis als Bild der vergletscherten Gesellschaft beschrieb Regisseur Michelangelo Antonioni in den 1960er-Jahren in einer Skizze zu einem nie realisierten Film: »Die Gletscher der Antarktis rücken jährlich drei Millimeter auf uns zu. Ausrechnen, wann sie ankommen. In einem Film vorhersehen, was dann passieren wird.« Die Metapher der Kälte steht für eine tief empfundene Entfremdung. Die Ausstellung »Antarktika«, kuratiert von Vanessa Joan Müller und Nicolaus Schafhausen, spürt dem Begriff der Entfremdung in seiner Aktualität und den daran geknüpften soziologischen Befunden in zeitgenössischen Werken nach. 25. Oktober bis 17. Februar Wien, Kunsthalle
Antarktika. Eine Ausstellung über Entfremdung
062
Termine Kunst
Termine Kunst Tatjana Lecomte: Anschluss In der Ausstellung »Anschluss« beschäftigt sich Tatjana Lecomte mit der medialen Darstellung geschichtlicher Ereignisse rund um das Jahr 1938. Die in Bordeaux geborene Künstlerin kombiniert ihren Film »Ein mörderischer Lärm«, in dem ein Zeitzeuge über seine Zwangsarbeit im Konzentrationslager Gusen berichtet, mit historischen Bildern aus Archiven. Lecomte setzt sich mit analogen Fotos auseinander, die verwendet wurden, um die kollektive Erinnerung an die Vergangenheit aufrecht zu erhalten. 19. Oktober bis 6. Jänner Linz, Lentos Kunstmuseum
Tacita Dean Geschichte, Erinnerung und Einfühlung, Naturgewalten und Menschenspuren sind die Themen der Künstlerin Tacita Dean. Neben ihren frühen Arbeiten mit Kreide auf Schiefer erstellt die Britin Serien aus Fundstücken: Kleeblätter, runde Steine und Postkarten werden zu Zeugen der Vergangenheit. Ihr Werk umfasst eine Vielzahl von Medien, am bekanntesten ist sie jedoch für ihre Auseinandersetzung mit dem fotochemischen Film, für dessen Erhalt sie sich einsetzt. 20. Oktober bis 6. Jänner Bregenz, Kunsthaus
Christina Pikl
Jorit Aust, Susi Maschek, Tacita Dean, Martin Schoeller, Thean Chie Chan, Marzena Wolowicz, esel.at
Er hatte die Stars vor der Linse – von Cate Blanchett über Rihanna bis Barack Obama. Martin Schoeller, einer der bedeutendsten zeitgenössischen Porträtfotografen, fertigt seit über zwanzig Jahren unverwechselbare Nahaufnahmen von Persönlichkeiten aus Politik, Sport, Film und Musik an. In Form der Serien »Close Up«, »Portraits«, »Identical«, »Transgender« und »Female Bodybuilder« sind Schoellers Arbeiten in der Galerie OstLicht erstmals in Österreich zu sehen. 31. Oktober bis 22. Dezember Wien, Galerie Ostlicht
Thean Chie Chan: Unfassbar umrissen Thean Chie Chan, Meisterschüler von Christian Ludwig Attersee, befasst sich mit dem in seiner Biografie und in seinem Wesen begründeten Entgegengesetzten, mit dem Mehrdeutigen und Unausgesprochenen, dem scharf Umrissenen und Unfassbaren. Seine Werkschau »Unfassbar umrissen«, die bei freiem Eintritt zu sehen ist, basiert auf Logik und klaren Kompositionen und zeigt eine Motivwelt, die sich auf das menschliche Gesicht konzentriert. 8. November bis 13. Jänner Wien, Tresor im Kunstforum
And | Or – But, Yay* Anders als wissenschaftliche Recherche wird künstlerische Recherche selbst zum Objekt der Untersuchung. KünstlerInnen untersuchen Möglichkeiten und Alternativen des eigenen Handelns. Die Recherche ist nicht mehr vom Kunstgegenstand zu trennen. Die Gruppenausstellung behandelt das permanente Abwägen von Problemstellungen. Der Ausstellungstitel trägt den Prozessen künstlerischer Forschung Rechnung: »und«, »oder« und »aber« als Ausdrücke der Entscheidungsfindung. 14. November bis 21. Dezember Klagenfurt, Kunstraum Lakeside
Vienna Art Week »Promising Paradise« lautet das Motto der Vienna Art Week. Rund 200 Veranstaltungen laden dazu ein, das Kunstgeschehen der Stadt zu entdecken. Zum Programm zählen Ausstellungseröffnungen, Performances und Sonderführungen. Im Rahmen des Open Studio Day öffnen 60 KünstlerInnen ihre Ateliers. Talks und Diskussionen finden ebenfalls statt: Der niederländische Künstler Joep van Lieshout wird von seinem 2001 gegründeten utopischen Staat berichten und die New Yorker Kunsthistorikerin Roselee Goldberg über Utopie und Dystopie in der Performancekunst diskutieren. 19. bis 25. November Wien, diverse Locations
063
Martin Schoeller: Up Close
Termine Kino
Suspiria Regie: Luca Guadagnino ———— Stand in Luca Guadagninos letztem Film »Call Me By Your Name« die Liebe im Fokus, so wird es nun düsterer: Die Neuinterpretation von Dario Argentos gleichnamigem Horrorfilm folgt der jungen Tänzerin Susie (Dakota Johnson), die in der Tanzakademie auf die berüchtigte Lehrerin Madame Blanc (Tilda Swinton) trifft. Start: 15. November
Styx Regie: John McPhail ———— Die Genres Horror und Musical treffen in »Anna und die Apokalypse« aufeinander – noch dazu in weihnachtlichem Setting. Anna (Ella Hunt) ist Halbwaise und besucht die Little Heaven Highschool, die demnächst eine Gesangs- und Tanzaufführung plant, bei der Anna aber nicht mitwirken kann. Am 23. Dezember bricht ein Virus aus, das Menschen zu Zombies werden lässt. Anna und ihre Clique müssen also um ihr Überleben kämpfen – und singen. Der Film feierte beim Fantastic Fest Premiere und erhielt überzeugende Kritiken. Er basiert auf dem Kurzfilm »Zombie Musical« des 2015 verstorbenen Regisseurs Ryan McHenry, dem der Film auch gewidmet ist. Als großer Horrorfan hat Regisseur John McPhail auch diverse Anspielungen auf seine liebsten Horrorfilme in »Anna und die Apokalypse« eingebaut. Start: 6. Dezember
In My Room Regie: Ulrich Köhler ———— Ein Mann in der Krise, und plötzlich sind sie nicht mehr da: alle anderen Menschen. Im Mystery-Drama »In My Room« muss Armin (Hans Löw) lernen mit der absoluten, unabwendbaren Freiheit umzugehen. Der Film lief in der Reihe »Un Certain Regard« in Cannes und wurde u. a. von Maren Ade koproduziert. Start: 7. Dezember
Leto Regie: Kirill Serebrennikov ———— Musikalisch wird es in »Leto«, in dem Serebrennikov die Rockszene im Leningrad der 1980er-Jahre wiederauferstehen lässt: Der Film basiert lose auf dem Leben des Musikers Wiktor Zoi (Tee Yoo). Der Regisseur wurde während der Arbeit an dem Film verhaftet und musste diese im Hausarrest beenden. Start: 14. Dezember
Ute Bock Superstar Regie: Houchang Allahyari ———— Am 19. Jänner 2018 ist Ute Bock verstorben. Ihre Arbeit als Flüchtlingshelferin und Menschenrechtsaktivistin wirkt jedoch weiterhin nach. In »Ute Bock Superstar« lässt der Psychiater und Filmemacher Houchang Allahyari nun Verwandte, WeggefährtInnen, Geflüchtete, AktivistInnen und Prominenz wie Alexander Van der Bellen, Roland Düringer, Josef Hader und Viktor Gernot zu Wort kommen. Sie alle blicken auf Ute Bocks Leben und Schaffen zurück. Allahyari hat Bock schon zwei andere Filmprojekte (»Bock For President« und »Die verrückte Welt der Ute Bock«) gewidmet, mit »Ute Bock Superstar« setzt er ihr nun ein letztes berührendes Denkmal, das uns gerade in Zeiten der zunehmenden gesellschaftlichen Spaltung die Bedeutung von Menschlichkeit vor Augen führt. Start: 18. Jänner
Regie: Etan Cohen ———— Die altbekannte Konstellation Sherlock Holmes (Comedy-Veteran Will Ferrell) und Dr. Watson (John C. Reilly) wird abermals für die Leinwand aufbereitet – und zwar mit viel Humor. Diesmal müssen die beiden Detektive die Queen (Pam Ferris) retten, auf die es Erzfeind Professor Moriarty (Ralph Fiennes) abgesehen hat. Start: 18. Jänner
Joy Regie: Sudabeh Mortezai ———— Gleich zwei Preise (»Bester europäischer Film« und »Beste weibliche Regie«) erhielt »Joy«, der aktuelle Film der aus dem Dokumentarbereich kommenden Sudabeh Mortezai, bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig. »Joy« handelt von einem Leben zwischen Menschenhandel und sexueller Ausbeutung. Start: 18. Jänner
Einhorn Film, Stadtkino Filmverleih
Holmes & Watson
Barbara Fohringer
064
Anna und die Apokalypse
Regie: Wolfgang Fischer ———— In »Styx« (benannt nach einem griechischen Mythos, demnach dieser Fluss die Grenze zwischen dem Reich der Lebenden und der Toten ist) ist es ausnahmsweise eine Frau (Susanne Wolff), die alleine auf dem Meer unterwegs ist. Sie bemerkt ein Flüchtlingsboot in Not und muss sich mit moralischen Grundfragen auseinandersetzen. Start: 23. November
Lesen Sie die Geschichten hinter den Schlagzeilen.
Menschen. Geschichten. Perspektiven.
DiePresse.com/Sonntagsabo
Illbilly
frönt der hohen Kunst der tiefen Pointe. Umgekehrt wird aber auch kein Schuh draus
Es ist mittlerweile auch schon wieder einige Jährchen her, es war in den 90er-Jahren um genau zu sein, da wurde im TV ein Bericht über einen Londoner Investmentbanker gesendet. Damals war die Dotcomblase noch lange nicht geplatzt und die Immobilienblase noch nicht einmal aufgepumpt. Man hatte als Bankier also viel Zeit, sich um andere Probleme zu kümmern, denn die Scheinchen flatterten an den Finanzplätzen der Welt nur so beim Fenster rein und wollten ebendort auch gleich wieder rausgeschmissen werden. Auf jeden Fall beschwerte sich der junge Banker im Bericht über seinen Bartwuchs und die morgendliche, nervenaufreibende Rasurprozedur. Für mehrere tausend Pfund ließ er sich daher alle störenden Haare im Gesicht weglasern, und er bejubelte vor allem den zeitlichen Gewinn, der dadurch entsteht. Wie gesagt, das war vor mehr als zwei Jahrzehnten. Mittlerweile tragen Craftbierbrau bauern und Offiziere des Heeres Vollbärte, und es wäre wohl als Akt der Rebellion zu werten, wenn man jetzt mit dem Laser seinem Follikelnachwuchs für immer ans Leder geht. Ähnliches wie vom Londoner Finanzgenie hörte ich Jahre später übrigens von einer sehr extrovertierten Kollegin, die jedem und allen freimütig erzählte, dass sie sich ihre Yoni hat machen lassen. Ich dachte zuerst dabei an eine Labienkorrektur. Und dann sofort an eine Hymenrekonstruktion. Was weiß man, schließlich war die liebe Frau Kollegin mit einem steinreichen Unternehmer liiert, dem sie vielleicht zum Beziehungsjahrestag eine kleine, nicht alltägliche Freude bereiten wollte: »Du Hase, heute ist unser Zweijähriges. Ich hab da unten eine kleine Überraschung für dich hineinoperieren lassen. Wir werden uns wieder fühlen wie zwei 16-Jährige, die gerade der ersten Liebe zarten Flaum erkunden.« Aber nö, nö, da war nix mit Flaum, denn sie ließ sich – schlimm genug – das Schamhaar wegbruzzeln, weil sie es satt hatte, immer mit
scharfen Klingen herumfummeln und hantieren zu müssen, wie sie sagte. Hase, das habe ich übrigens eben frisch auf der Labello-Website recherchiert, ist nach Schatz der beliebteste Kosename von Ihr für Ihn. 25 Prozent sagen das zu ihrem Partner, und ergo lassen sich 25 Prozent diesen Tiervergleich gefallen. Weitere beliebte Tiernamen unter Liebenden sind übrigens Spatz und Bär. Nicht durchgesetzt, da sie auf der Liste nicht aufscheinen, dürften sich demnach gefiederte Freunde wie der Uhu, Kuckuck, Eichelhäher und der Fitis haben. Aber auch Säugetiere wie die Ratte oder das Mangalitzaschwein scheinen keine Nickname-Burner zu sein. Jedenfalls fiel mir dann sofort wieder der englische Investmentbanker ein, denn im gleichen Atemzug bejubelte die offenherzige Kollegin den Zeitgewinn durch die Rasurersparnis in ihrem Mumuland. Ich versuchte über mehrere Wochen hinweg diskret im Freundes- und Bekanntenkreis zu klären, ob eine gewissenhafte Gesichtsrasur beim Mann oder eine gewissenhafte Intimrasur bei der Frau länger dauert – allein, es wurde mir irgendwann zu blöd, und ich sollte an dieser Stelle auch erwähnen, dass es nicht unbedingt ein Konversationsbringer ist, dieses Thema aufs Tapet zu bringen. Egal zu welchem Zeitpunkt, erntet man nämlich stets Blicke, die so in die Du-kleines-dreckiges-MangalitzaschweinRichtung gehen. Und zwar zu recht. Was allerdings tatsächlich ein Thema zu sein scheint, ist der Wunsch nach Zeitoptimierung, wenn’s um den Körper geht. Und zwar abseits von stoppelfreien Gesichtern und glatten Scheiden. So soll jetzt angeblich ein heimisches Start-up demnächst fett hochskalieren, da es ein Zahnputzset auf den Markt bringt, mit dem das Gebiss in lediglich zehn Sekunden so sauber wird wie nach drei Minuten gewissenhafter Schrubberei. Wenn nicht sogar noch sauberer.
Natürlich würde auch ich mir lieber statt mit Zahnseide meine Zwischenräume zu reinigen, einen Seidenschal durch den Schritt ziehen. Schon alleine, weil es hoffentlich nicht so blutig ist, aber dieses Start-up darf sich jetzt schon meiner absoluten Verachtung sicher sein, weil es die Welt schlechter machen wird. Kaum wo sonst ist der Mensch so bei sich selbst, wie in den zwei Mal drei Minuten, in denen er sich seine Zähne putzt. Hier ist an Emotionen alles möglich. Freude, Angst, Schrecken, Schmerz, Staunen, Wundern. Ist es vorbei, hat man dann stets auch das Gefühl, etwas geschafft und geleistet, sich was Gutes getan zu haben. Und nicht selten kommen große Geister bei der Zahnhygiene auf noch größere Geistesblitze. Dichter dichten, Rechner rechnen, Philosophen philosphieren, Erfinder erfinden in dieser kleinen Zeitspanne. Thomas Alva Edison ist ja bekanntlich die Idee zur elektrischen Zahnbürste auch abends beim Zähneputzen bei Minute zwei, Sekunde 32 gekommen. Und warum? Er wollte etwas entwickeln, das Zähne und Mundhöhle »sauberer«, »cleaner« macht, wie der alte Fuchs in seinem Tagebuch einst notierte und dabei noch zusätzlich anmerkte: »Aber nur, wenn die vollen drei Minuten fertig geputzt werden.« Aus gutem Grunde, denn sonst entsteht ein kleines Zeitvakuum, das viele Menschen nutzen, um vielleicht nicht so lässige Dinge zu tun. Partner Hase nennen zum Beispiel. www.facebook.com / illbilly
Jakob Kirchmayr
066
Know-Nothing-Gesellschaft Zeit beim Zähneputzen sparen ist der falsche Weg
DER KLEINE
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