The Gap 173

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€ 0,—

AUSGABE FEBRUAR / MÄRZ 2019 — THE GAP IST KOSTENLOS UND ERSCHEINT ZWEIMONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1052 WIEN, P.B.B. | GZ 18Z041505 M


feiern ist das neue arbeiten.

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Editorial Vom Draußen und vom Drinnen

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www.thegap.at www.facebook.com / thegapmagazin @the_gap thegapmag the_gap

Herausgeber Manuel Fronhofer, Thomas Heher

Es ist mehr als nur ein Heft, und das war es immer schon. Die Rede ist nicht unbedingt von etwaigen Web-Präsenzen, die The Gap ebenfalls hegt und pflegt, sondern von dem, was rund um das Magazin in der echten Welt noch so passiert. Nämlich einiges. Demnächst etwa die Premiere unserer neuen, unaussprechlichen Konzertreihe The Gap mUEsik, bei der Pop und Klassik aufeinandertreffen – nach einer Idee des ehemaligen Mitherausgebers Martin Mühl. Ausgabe Nummer eins geht am 26. Februar in Wien, in der Turnhalle im Brick-5, über die Bühne. Songwriter und Pianoman Martin Klein wird gemeinsam mit Komponist und Geiger Matthias Jakisic eigene Stücke, aber auch Werke von Werner Pirchner, Arvo Pärt und Franz Schubert spielen. Es dürfte ein spannender Abend an der Schnittstelle von U- und E-Musik werden, dem hoffentlich noch einige mehr folgen. Weiter geht’s schon wenige Tage danach mit unserem Beitrag zum Rrriot Festival, das von 1. bis 8. März ein unglaublich dichtes Programm rund um Empowerment sowie Gerechtigkeits- und Gesellschaftsfragen zu bieten hat: 70 Kulturveranstaltungen mit 50 ProgrammpartnerInnen; Lesungen, Screenings, Talks, Workshops, Stadtspaziergänge, Partys – und natürlich das Feministische Popquiz präsentiert von The Gap. Schließt euch mit euren FreundInnen zu einem Quizteam zusammen und kommt vorbei! Es war im Vorjahr schon ein großer Spaß (mit Mehrwert), und das wird es auch heuer wieder. Wann und wo? Am 4. März in der Hacienda Ephemer in der Brigittenau, dem Fokusbezirk des diesjährigen Rrriot Festivals.

Florian Auer

Soweit zum Draußen. Was das Drinnen betrifft, erwartet euch in der vorliegenden Ausgabe vor allem eine spannende Aufarbeitung zu den Themenbereichen Meinungsfreiheit und Political Correctness und dazu, wie diese instrumentalisiert werden – in der Coverstory von Jonas Vogt. Außerdem unser alljährliches Bildungsspecial und noch vieles mehr zwischen Pop, Diskurs und anderen schönen Dingen.

Manuel Fronhofer

Herausgeber • fronhofer@thegap.at

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Chefredaktion vakant Leitender Redakteur Manfred Gram Gestaltung Markus Raffetseder AutorInnen dieser Ausgabe Juliane Fischer, Barbara Fohringer, Michael Bela Kurz, Oliver Maus, Stefan Niederwieser, Dominik Oswald, Michaela Pichler, Kevin Reiterer, Gabriel Roland, Jonas Vogt, Jana Wachtmann, Sarah Wetzlmayr, Theresa Ziegler KolumnistInnen Astrid Exner, Illbilly, Gabriel Roland FotografInnen dieser Ausgabe Florian Auer, Fabian Gasperl, Armin Rudelstorfer Lektorat Wolfgang Grob, Jana Wachtmann Anzeigenverkauf Herwig Bauer, Manuel Fronhofer, Kate Haider, Thomas Heher (Leitung), Martin Mühl, Christina Pikl Distribution Kate Haider Druck Grafički Zavod Hrvatske d. o. o. Mičevečka ulica 7, 10000 Zagreb, Kroatien Geschäftsführung Thomas Heher Produktion & Medieninhaberin Comrades GmbH, Margaretenstraße 96 / 1, 1050 Wien Kontakt The Gap c/o Comrades GmbH Margaretenstraße 96 / 1, 1050 Wien office@thegap.at — www.thegap.at Bankverbindung Comrades GmbH, Raiffeisen Bank, IBAN: AT67 3200 0000 1160 0756, BIC: RLNWATWW Abonnement 6 Ausgaben; Euro 21,— www.thegap.at/abo Heftpreis Euro 0,— Erscheinungsweise 6 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1052 Wien Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der HerausgeberInnen wieder. Für den Inhalt von Inseraten haftet ausschließlich der Inserent / die Inserentin. Für unaufgefordert zugesandtes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung.

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Magazin 010

Das wird man wohl noch sagen dürfen Sprache, Macht und Meinungsfreiheit

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Das Leben als Stillleben »Immerjahn« von Barbara Zeman Zwischen Ausnahmezustand und Friedlichkeit Hans-Christian Dany im Interview »Natürlich gibt es noch Hoffnung, um Gottes willen« David Schalko und Evi Romen im Interview Wo stehst du mit deiner Kunst? Pauls Jets im Porträt Meister des Ungewöhnlichen Beirut im Porträt

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Hoch wie nie Drogen in heimischen Popsongs Musik und Wirtschaft in Einklang bringen Ausbildungsmöglichkeiten im Bereich Musikwirtschaft »Was kann man denn damit machen?« Über den Wert eines Studiums Sprühkerzen für das Feuer von damals 10 Jahre #unibrennt

ORF / Superfilm, Éva Szombat, Gloria Dimmel, privat (2)

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062 Astrid Exner Hauptberuflich sorgt Astrid als Kommunikationsverantwortliche des Wuk dafür, dass dessen Musikveranstaltungen ihren Niederschlag in den Medien finden. Bei uns kehrt die gebürtige Wienerin (31) mit dieser Ausgabe und nach etwas mehr als einem Jahr Pause als Kolumnistin (»Gender Gap«, Seite 8) zurück. Welcome back!.

Armin Rudelstorfer

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Von Linz nach Wien verschlagen hat es Armin 1997 wegen des Studiums. Geblieben ist er wegen der Stadt. Seinen Brotberuf umschreibt der 42-Jährige lapidar als »irgendwas mit Internet«. Aber The-Gap-LeserInnen wissen ohnehin: Armins große Leidenschaft ist die Fotografie, der er dieses Mal in der Rubrik »Workstation« (ab Seite 44) nachgeht.

Rubriken NA VIEN s S E V WA ivalpas Fest Gap Abo e + Th * € 56 statt

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€ 0,—

/ MÄRZ 2019 — THE GAP IST KOSTENLO S UND ERSCHEINT VERLAGSPOSTAMT ZWEIMONATLICH. 1052 WIEN, P.B.B. | GZ 18Z041505 M

€ 40

AUSGABE FEBRUAR

ORF / Superfilm, Éva Szombat, Gloria Dimmler, privat (2)

003 Editorial / Impressum 006 Charts 044 Workstation: Clemens Bayer Birgit Scholin 048 Prosa: Laura Freudenthaler 050 Gewinnen 051 Rezensionen 056 Termine

Kolumnen 007 Einteiler: Gabriel Roland 008 Gender Gap: Astrid Exner 066 Know-Nothing-Gesellschaft: Illbilly

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WWW.WAVESVIENNA.COM * gegenüber dem Einzelpreis von € 35 für den Festivalpass und € 21 für das Jahresabo. Angebot gültig bis 15. Mai 2019.

26.–28.SEP.2019

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Oh, mein Gott, Gott, Steven Stelfox Stelfox ist istzurück! zurück! Charts Martin Klein TOP 10

Die lang erwartete Fortsetzung von Kill Your Friends und Gott bewahre

Beschäftigungen an einem freien Tag 01 Schlagzeug üben 02 Simpsons schauen 03 Grantig aus dem Fenster starren 04 Ein Stück aus »Das Wohltemperierte Klavier« von J. S. Bach am Klavier spielen 05 In der Sonne liegen (falls sie scheint) 06 Ein Gedicht lesen 07 Über Elektro Guzzi nachdenken 08 Haare frisieren 09 Ein Bild malen und am selben Tag verkaufen 10 Schlafen

TOP 03

© Erik Weiss

Dinge, die ich nicht mag 01 Wenn ich irgendetwas von Ikea aufbauen muss 02 Sellerie 03 Interviews geben

Leseprobe und Infos zu den Lesungen unter heyne-hardcore.de Lesereise von John Niven im März 2019 € 20,60 [A] · ISBN 978-3-453-27157-9

Auch nicht schlecht: Das Buch »Karte und Gebiet« von Michel Houellebecq Martin Klein, Singer-Songwriter und Pianist aus Wien, eröffnet gemeinsam mit Matthias Jakisic die neue, unaussprechliche Konzertreihe The Gap mUEsik.

Charts Michaela Pichler TOP 10

Songs, die in Endlosschleife gehen 01 Die Heiterkeit »Schlechte Vibes im Universum« 02 Fotos »Wellen« 03 Farce »Zozan« 04 Ja, Panik »The Evening Sun« 05 Mile Me Deaf »Digital Memory File« 06 Pauls Jets »22703« 07 Chuckamuck »Geistergirl« 08 Stabil Elite »Alles wird gut« 09 M83 »Wait« 10 Connan Mockasin »Charlotte’s Thong«

Auch nicht schlecht: Non-Binary-Skatecrews, Crème fraîche und Blümchen Michaela Pichler ist Redakteurin bei The Gap und eine Hälfte des Happy-Hippie-Techno-DJ-Duos Angi Amok & Michi Massaka.

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Fabian Gasperl

Instagram-Menschen, die immer gehen 01 @monmoshtari 02 @theskatekitchen 03 @chailatte_roche

Pamela Rußmann, privat

TOP 03


Gabriel Roland

betrachtet die hiesige Modeszene Stück für Stück

Fabian Gasperl

Pamela Rußmann, privat

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Einteiler Eine Zikkurat für die Hand

Dieser Fäustling – es ist tatsächlich nur einer erhalten, der zweite im Paar ging frustrierenderweise zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt verloren – ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein isländisches Fabrikat aus den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Mit Fabrikat ist natürlich gemeint, dass er in irgendeiner Hütte von Hand gestrickt wurde, und man kann davon ausgehen, dass Handschuhe so oder so ähnlich aussahen, seit es in Island Leuten an den Händen friert. Danach ruhte der Handschuh von einem islandreisenden Urgroßonkel des Kolumnisten nach Wien gebracht für beinahe 100 Jahre in den geduldigen Koffern der Familiensammlung. Die archaische Kraft eines Gegenstandes, so er denn wie dieser Handschuh eine solche besitzt, ist etwas, das einem als unmittelbare, regelrecht physische Präsenz im Raum begegnet. Dabei verlieren konkrete Eigenschaften und ansonsten zugeschriebene Wertigkeiten weitgehend ihre Wichtigkeit: Die bescheidene Schüssel mit Dekor aus einigen schief eingeritzten Linien wird vom Gebrauchsgegenstand zum weihevoll beleuchteten Museumsobjekt, das ausdrucksarm geschnitzte

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Gesicht zum Symbol urtümlicher Würde und die kaum vom natürlichen Felsblock unterscheidbare Stele Schlüssel zu schon längst vergessenen Rätseln. Es sind nicht allein das Wissen um das Alter und die außergewöhnliche Herkunft des Handschuhs, die ihm seine herbe Würde geben. Vielmehr hat er auch ohne diesen biografischen Kontext die Anmutung des Alten und Mysteriösen. Es scheint, als hätten geheimnisumwobene Sumerer hier Stufe für Stufe Maschen zu einer textilen Zikkurat aufgeschichtet, nicht um Gott mittels eines Turmbaus zu lästern, sondern um prometheisch der Kälte zu trotzen, mit der er die Erde straft. Wenn man den Handschuh trägt, werden die eigenen Bewegungen kraft des magischen Artefakts zu rituellen Handlungen von unfassbarer Bedeutsamkeit und gleichzeitig labyrinthischer Mystik. Die ästhetischen Kriterien, die ein Objekt – weitestgehend unabhängig von seinem tatsächlichen Alter – mit dieser Aura ausstatten, lassen sich nur als vage Schemen ausmachen. Wie bei dem hier abgebildeten Handschuh schaden mit grober Eleganz gezogene Linien, die zu unerwartet detaillierten Stellen führen,

eine Materialität, die rohe Substanz zu spüren gibt, und eine sich ihrer selbst unbewusste Zweckmäßigkeit auf keinen Fall dabei einen Gegenstand aus dem Rahmen der Zeit zu heben. Der schroffe Umriss, die im Farbwechsel tanzenden Maschen, die unmittelbare Wolligkeit und die verschrobene Ergonomie machen den Handschuh zu mehr, als er ist. Trotz der offensichtlichen Stärke, die tief in einem Objekt wie diesem steckt, ist auf unsere Wahrnehmung natürlich kein Verlass. Würden wir den Wert eines Gegenstandes erkennen, wenn er nicht als wertvoll ausgewiesen in der Museumsvitrine oder auf der Kleiderstange der richtigen Boutique präsentiert ist? Wir vertrauen einer ganzen Batterie an Faktoren, die uns normalerweise an die Aura eines Gegenstandes heranführt, und manchmal vergessen wir dann den Gegenstand selbst anzusehen. Übrigens hat diesen Handschuh meine Mutter letztes Jahr ohne größeren Plan beim Netflix-Schauen gestrickt. roland@thegap.at • @wasichgsehnhab Handschuhe wie dieser sind in begrenzter Stückzahl über den Kolumnisten erhältlich.

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Astrid Exner

beschäftigt sich hier mit den großen und kleinen Fragen zu Feminismus.

Wie neue Technologien bestehende gesellschaftliche Schieflagen einzementieren und was das damit zu tun hat, welche Personengruppe im MINT-Sektor überproportional repräsentiert ist. ———— Wer einen zukunftsträchtigen Job will, muss laut gängiger Meinung MINT-Fächer studieren – also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften oder Technik. Eine vom Bildungsministerium in Auftrag gegebene Bestandsaufnahme kam 2017 allerdings zur Erkenntnis, dass der Frauenanteil in MINT-Studiengängen mit bloß 34 % noch immer deutlich geringer ist als in anderen Fächern. Das muss sich dringend ändern. Denn fehlende Diversität in der Tech-Branche hat negative Auswirkungen. Das Arbeitsmarktservice zum Beispiel setzt seit Neuestem einen Algorithmus ein, der Arbeitssuchende nach verschiedenen Gesichtspunkten bewertet. Das brisante Detail: Frauen bekommen, schlicht weil sie Frauen sind, vom AMS den Faktor −0,14 zugewiesen. So steht es im Bericht dreier externer Forscher (sic), die AMS-Daten ausgewertet und damit ein statistisches Modell für die Arbeitsmarktchancen Einzelner erstellt haben. Dieses Modell soll ab 2020 reale finanzielle Konsequenzen haben. Werde ich dann arbeitslos, hängen die in mich vom AMS investierten Mittel auch von der algorithmischen Bewertung ab. Die Daten bilden also nicht nur die aktuelle Realität am Arbeitsmarkt ab, sondern bestimmen auch die Zukunft mit. Sonnige Aussichten! Selbst wenn Diskriminierung nicht so offensichtlich ist wie beim AMS-Algorithmus, betrifft datenbasierte Ungleichbehandlung bestimmte Personengruppen in mannigfaltiger Hinsicht. Der Ursprung liegt in den meisten Fällen in den Datensätzen, mit denen künstliche Intelligenzen trainiert werden. Bei der Auswahl dieser Daten schleicht sich oft der sogenannte Unconscious Bias ein: Statt Vielfalt regiert dann eine weiß und männlich geprägte Sicht auf die Welt. Das ist schlecht. Denn statt uns mithilfe von KI aus unserem vorurteilsbehafteten Sumpf herauszuholen, ziehen wir neue Technologien mit uns in den jahrhundertealten

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Morast. KI-Software ist nämlich leider immer nur so intelligent wie die zur Ausbildung benutzten, ursprünglichen Daten. Ein prominentes Beispiel dafür ist Software zur Gesichtserkennung. Die damalige MIT-Studentin Joy Buolamwini beschrieb 2016 in einem TED Talk, dass ihr Gesicht von einer Webcam erst dann erkannt wurde, als sie sich eine weiße Maske aufsetzte. Warum? Die KI wurde mit Datensätzen trainiert, die überwiegend männliche und weiße Gesichter zeigten. Künstliche Intelligenz schreibt Gesichtern von schwarzen Männern häufiger negative Emotionen zu als jenen weißer, glaubt, dass asiatische Gesichter blinzeln und verwechselt schwarze Personen mit Gorillas. Sie tut sich außerdem schwer, korrekte Genderzuschreibungen bei Menschen mit nichtweißer Hautfarbe abzugeben. Das ist alles wahnsinnig rassistisch und hält – wie der AMS-Algorithmus – aktiv schädliche Vorurteile und gesellschaftliche Schieflagen aufrecht. Das Problem schlägt sich nicht nur in den Daten selbst, sondern auch in der darauf aufbauenden Industrie nieder. Den aktuellsten Facepalm leistete sich die Technikmesse CES, die im Jänner in Las Vegas stattfand. Noch bis 2013 fanden sich dort zwar leicht bekleidete »Booth Babes«, aber Unternehmerinnen oder Keynote-Speakerinnen suchte man vergeblich. Heuer bemühte man sich um Diversität und verlieh zunächst einen Innovationspreis an einen Vibrator, der von einer weiblich geführten Firma und einem Robotik-Institut entwickelt wurde. Das Besondere an dem Gadget: Es ahmt mithilfe von Mikrorobotik Finger, Zunge und Mund nach und hilft der Userin, einen sogenannten »Blended Orgasm« zu erreichen, also gleichzeitig klitoral und vaginal zu kommen. Der Vibrator wurde in der Kategorie Robotics ausgezeichnet. Doch kurze Zeit später entzog man ihm nicht nur den Preis, sondern schloss das Produkt gar komplett von der Messe aus. Das Gadget wurde als »unmoralisch« und »obszön« bezeichnet, obwohl in den Jahren davor schon Sexpuppen und Virtual-Reality-Pornos ausgestellt waren (die sich freilich an

männliche Kunden richteten). Später ruderte man zurück und erklärte, der Robotik-Vibrator passe einfach nicht in die Robotik-Kategorie. Was hilft gegen diese Rückwärtsgewandtheit in vermeintlich utopischen Branchen? Wie können wir sicherstellen, dass technologische Verbesserungen auch den allzu menschlichen Unconscious Bias eindämmen? Gute Nachrichten für brotlose GeisteswissenschaftlerInnen: Ein von den führenden Köpfen der Branche bevorzugter Lösungsansatz ist es, mehr Philosophie in die MINT-Ausbildung zu integrieren. Die Mozilla-Chefin Mitchell Baker forderte im Oktober Firmen dazu auf, mehr Philosophieund Psychologie-AbsolventInnen einzustellen, die imstande sind, über die Beziehung von Technologie und Menschen nachzudenken. So will sie das Problem der Fehlinformation im Internet, vulgo Fake News, in den Griff bekommen. Ein von Microsoft 2018 herausgegebenes Whitepaper empfiehlt ähnliche Ansätze für künstliche Intelligenz. Auch in diesem Bereich seien jene kritischen und ethischen Kompetenzen unverzichtbar, die in den Sozial- und Geisteswissenschaften gelehrt werden. Microsoft weiß um den Handlungsbedarf Bescheid, denn die hauseigenen KI-Gesichtserkennungssysteme fielen durch, als sie von Buolamwini, der Frau mit der weißen Maske, getestet wurden. Geläutert sprechen sie sich für die Prinzipien Fairness und Inklusivität aus: »Bei richtiger Gestaltung kann KI dazu beitragen, fairere Entscheidungen zu treffen, da Computer rein logisch sind und theoretisch nicht den bewussten und unbewussten Neigungen unterliegen, die unausweichlich die Entscheidungsfindung beeinflussen.« Kann das bitte jemand dem AMS erklären? exner@thegap.at @astridexner Astrid Exner hat Philosophie studiert und trotzdem einen Job gefunden. Sie war ab 2016 schon einmal Gender-Gap-Kolumnistin und übernimmt an dieser Stelle nun wieder von Kollegin Therese Kaiser.

Michael Exner

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Gender Gap MINT ist eine eintönige Farbe

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EN DEN H C U S 4 M F D N U P A THE G

L A V I T S E F T E G I SZ ! 9 1 0 2 R E N W O SUND 7. bis 13. August Aberand Of Freedom«, wenn von mmen, um friedlich zu »Isl zur der wie 9 201 h st wird auc ammenko Die Donauinsel in Budape dern am Sziget Festival zus The Gap freuen uns, aberhundert verschiedenen Län von aus Wir . hen sik nsc Mu Me die de ch sen ürli tau und nat dt entsenden die Vielfalt, den Sommer in die ungarische Hauptsta feiern – das Miteinander, sam mit euch eine Band ein l sehen? gem tiva Fes und 4 get FM Szi io am Rad auf der Europe Stage ihr mals in Kooperation mit et cht mö s Act n rte fünf nominie zu können. Welchen der

AT PAVILLON

DR AMAS

Das Quartett aus Wien spricht den Kopf gleichermaßen an wie Beine und Hinterteil. Energiegeladene Indie-Gitarren mit politischem Bewusstsein.

Unaufgeregt und doch berührend, melancholisch und doch hoffnungsvoll – so gibt sich der verspielte Pop von Viktoria Winter und Mario Wienerroither.

KIDS ’ N ’ CATS Artsy Electro-Pop, der zu gleichen Teilen mit Verrücktheit und Cuteness punktet. Satte Sounds, Vocals in sechs verschiedenen Sprachen, schön bunt.

PRES SYES Das neue Projekt von René Mühlberger (Velojet) holt die psychedelischen Sounds der 60er und 70er mit Pop- und Hip-HopEinsprengseln ins Jetzt.

HEARTS HEARTS Elektronisch gefärbter Pop mit Hang zur Schwermut, gleichermaßen detailreich wie kunstvoll mit Harfen, Bläsern und Streichern ausgestattet.

Rockstar Photographers

ritInnen abstimmen.

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Von 25. Februa

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Seit Jahren wird die Klage nicht nur von rechter Seite lauter: Es gebe eine übertriebene Kultur der Political Correctness, Unterdrückung und Denkverbote. Die Realität ist komplizierter. ———— Der 8. September 2018 ist kein guter Tag für Martin Leidenfrost. Der österreichische Journalist veröffentlicht an diesem Tag die neueste Ausgabe seiner Kolumne, die regelmäßig unter dem Titel »Der letzte Kreuzritter« in der Tageszeitung Die Presse erscheint. Leidenfrost beklagt darin, die Rechte von Homosexuellen seien zur »todernsten Staatsdoktrin« geworden und schreibt von »in Latex gepressten Männerärschen«, die man statt dem Leib Christi anbete. Ein Sturm der Entrüstung folgt, Die Presse stellt seine Kolumne im Dezember ein. Man habe sich nicht auf ein gemeinsames Format einigen können. Kurz darauf besucht die Journalistin Sibylle Hamann Leidenfrost für den Falter. Sie trifft einen freundlichen, zutiefst erschütterten Mann, der das Gefühl hat, ungerecht behandelt worden zu sein. Er schreibe doch nur gegen den linken Mainstream an. Hamann stellt daraufhin die Frage, ob Leidenfrost nicht mitbekommen habe, dass sich die glo-

balen Kräfteverhältnisse in den letzten Jahren gedreht hätten. Gibt es in einem Europa, in dem ein Strache, ein Salvini und ein Orban an der Macht sitzen, noch einen linken Mainstream, den man bekämpfen könne? So absurd und klein der Fall Leidenfrost ist, so exemplarisch ist er. Seit Jahren schallt der Vorwurf vor allem aus dem bürgerlichen und rechten Milieu, man dürfe bestimmte Dinge heute nicht mehr sagen. Es gebe eine übertriebene Kultur der Political Correctness, Unterdrückung und Denkverbote. »Das wird man wohl noch sagen dürfen« ist zum geflügelten Satz geworden – sowohl ernst gemeint wie ironisch. Auch der Buchmarkt behandelt das Thema aktuell auf vielfältige Weise. Reni Eddo-Lodges Bestseller darüber, warum sie es leid sei, mit Nicht-Betroffenen über Rassismus zu sprechen, ist seit Ende Jänner auch auf Deutsch erhältlich (»Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche«, Tropen). Ein im März erscheinendes Buch von Matthias Heine beschäftigt sich mit Kontinuitäten zur Sprache der Nationalsozialisten, die sich noch heute im Alltag wiederfinden lassen (»Verbrannte Wörter«, Dudenverlag). Und in »Die

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Das wird man wohl noch sagen dürfen

Sprache, Macht und Meinungsfreiheit

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012 neue Zensur« (ebenfalls ab März im Dudenverlag erhältlich) analysiert Christian Bommarius, wie es um das Recht auf Meinungsfreiheit in der anonymen Welt des Internets steht.

Ich kill dich Juristisch ist die Sache eindeutig. Ich darf in Österreich weiterhin alles denken und (fast) alles sagen. Nur wenn ich jemanden beleidige oder mit meiner Kommunikation den privaten Rahmen verlasse, verlangt das Gesetz gewisse Mindeststandards von mir. Gesellschaftlich ist die Sache schon umstrittener. Tatsächlich gab es unlängst prominente Fälle, wo Männer (und es sind eigentlich immer Männer) aufgrund ihrer Positionen und Aussagen in die Kritik gerieten und teilweise zumindest Karriererückschläge hinnehmen mussten. Der Abgeordnete Efgani Dönmez wurde nach einem Tweet, der vielfach als sexuelle Anspielung verstanden wurde (er selbst bestreitet das), aus dem ÖVPKlub ausgeschlossen. Martin Leidenfrost verlor seine Kolumne. Didi Mateschitz sorgte mit seinen Thesen zur Flüchtlingsthematik dafür, dass Red Bull heute als politisches Unternehmen wahrgenommen wird. Und vor der Verleihung des Karl-Valentin-Ordens an Andreas Gabalier gab es tagelange Debatten – auch bei Leuten, denen der Karl-Valentin-Orden vorher mutmaßlich relativ egal war.

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Die Angewohnheit, Phänomene an prominenten Beispielen zu diskutieren, sorgt allerdings für eine Verzerrung. Denn das beschriebene Bild ist natürlich nicht das Gesamtbild. Es ignoriert zum einen die zahlreichen problematischen Aussagen, wegen derer Menschen eben nicht zurücktreten müssen. Und es ignoriert die zahlreichen Shitstorms, die vor allem über linke Frauen hereinbrechen, wenn sie sich in der Öffentlichkeit äußern, und mit denen zumeist Vergewaltigungsdrohungen und persönliche Beleidigungen einhergehen. Die Autorin Stephanie Sargnagel bekam das erst unlängst wieder zu spüren. Nach der Bekanntgabe der Nachricht, dass die Sängerin Pænda und nicht Hyäne Fischer zum Eurovision Song Contest nach Tel Aviv fahren wird, twitterte Sargnagel »Österreich du dummes Huankind ich kill dich«. Ein Tweet, der nur für jene überraschend und skandalös sein konnte, die sich noch nie mit der öffentlichen Figur Sargnagel beschäftigt hatten. Die Medien griffen den Tweet mit Freude auf, der Sturm brach über die Autorin herein. So inkonsistent das Bild im Detail ist: Political Correctness hat unbestritten viele Gegner, auch weit über streng konservative oder rechte Kreise hinaus. In einer Umfrage des Market Instituts stimmten zwei Drittel der ÖsterreicherInnen der Aussage zu, man solle darauf keine Rücksicht nehmen. Der

kanadische Psychologe Jordan B. Peterson wurde im Jahr 2016 mit Youtube-Videos berühmt, in denen er die Political Correctness attackierte. Um ihn herum hat sich mittlerweile eine lose Gruppierung gebildet, die sich den bescheidenen Namen »Intellectual Dark Web« gegeben hat und im Onlinemagazin Quillette Ideen durchdenkt, die laut ihrem Selbstverständnis woanders nicht mal ausgesprochen werden dürften.

Historische Entwicklung Political Correctness ist ein schwammiger Begriff, der meist weder von Gegnern noch Befürwortern genau definiert wird. Grob gesagt fallen in der Debatte darunter meist Dinge wie gendergerechte Sprache, Rücksicht auf die Bedürfnisse von Minderheiten – unabhängig von ihrer Größe – und Maßnahmen, diese Minderheiten sichtbarer zu machen. Der Begriff »Political Correctness« wurde in den 70ern innerhalb der US-amerikanischen Linken etabliert, dort aber auf ideologische Linientreue bezogen und oft durchaus ironisch rezipiert. Er fristete lange ein Nischendasein, bis ihn die Republikaner Anfang der 90er-Jahre als Kampfbegriff entdeckten. Die Autorin Moira Weigel zeichnete 2016 im Guardian nach, wie nach einem Artikel mit dem Titel »The Rising Hegemony Of Political Correctness« im Jahr 1990 die Nutzung des

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013 Begriffs in der Medienlandschaft explodierte und er sich in der Öffentlichkeit festsetzte. In den meisten der Beiträge ging es um ein Phänomen, das auch 30 Jahre später noch für Diskussionen sorgt: die drohende Einschränkung akademischer Freiheit durch linke Studierende. Noch heute stürzen sich konservative KommentatorInnen gerne auf die »Snowflakes« an den Universitäten, die sich bestimmten Ideen und »Mikroaggressionen« nicht aussetzen wollten. Heute spielt Political Correctness vor allem an zwei Stellen eine wichtige Rolle. Als reales Konzept in dem Teil der Linken, der einen starken Fokus auf Identitätsfragen hat (von Kritikern gerne despektierlich »PomoLinke« genannt). Und als Phantom in den Reden ihrer GegnerInnen. Der Begriff »Political Correctness« ist ein mächtiges Mobilisierungsinstrument – kaum eine Rede von Donald Trump, in der er das Thema nicht behandelt. Auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache beklagt gerne in Reden, »selbsternannte Moralrichter« übten im Gewand der Political Correctness »geistige Zensur« aus. So präsent der Begriff in manchen Wahlkampfreden sein mag – die Frage, wie viel Einfluss der Kampf gegen die »PC-Kultur« auf das Wahlverhalten konkret hat, lässt sich nicht so einfach beantworten. Der Begriff ist zu schwammig und wird in den Umfragen

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rund um den Wahltag deshalb selten abgefragt. Es gibt aber immer wieder Details, die darauf hinweisen, dass eine als Kulturkampf empfundene Auseinandersetzung zumindest mobilisierend wirkt. Und dass kulturelle Fragen einen Einfluss auf Wahlentscheidungen haben, ist klar belegt. Schaut man an den manchmal weinerlichen Posen mancher prominenter Männer vorbei, findet man in der Kritik an konkreten Ausformungen der Political Correctness durchaus Punkte, die es sich zu debattieren lohnt. Die Position, Universitäten als Hort von intellektuellem Austausch müssten eine größtmögliche Denkfreiheit ermöglichen, ist legitim. Die Debatte über die Rolle von Emotionen in der politischen Auseinandersetzung muss man führen. Und auch die Frage, ob ein Tweet wirklich Karrieren beenden soll, darf man stellen – wobei die Antwort wahrscheinlich wie so oft ist: Es kommt halt drauf an. Es gibt durchaus auch von linker Seite Kritik an bestimmten Ausformungen der PoliticalCorrectness-Debatte. Die Innsbrucker Politikwissenschaftlerin und Genderforscherin Alexandra Weiss spricht ihr das emanzipatorische Potenzial nicht ab, sieht aber die Gefahr einer Entkoppelung von sozialen und Identitätsfragen. Der Diskurs über Political Correctness habe sich stark emotionalisiert, eine von ökonomischen Verhältnissen und

Ungleichheit losgelöste Kulturkritik werde so dominant. »Wenn wir auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im Jahr 2009 über Frauenquoten in Aufsichtsräten diskutieren, ist das angesichts von 50 % Frauen in Teilzeit die falsche Stoßrichtung«, sagt Weiss. Ohne fundierte Sozialkritik laufe Feminismus Gefahr, zum »Eliten-Programm« zu werden.

Kickl und das Overton-Fenster Versucht man sich dem Stand der Redefreiheit Anfang 2019 möglichst unbefangen zu nähern, stößt man auf das Problem, dass es darauf jenseits der juristischen Kategorie nicht unbedingt eine einfache Antwort gibt. Auch weil die Befunde teilweise sehr gegenläufig sind: Österreichs Innenminister Herbert Kickl hat in einem Jahr im Amt eine lange Liste von zumindest extrem kontroversen Zitaten angesammelt: von dem Vorschlag, Flüchtlinge »konzentriert« an einem Ort zu halten, bis zur Aussage, die österreichische Rechtsordnung kenne den Neonazismus als Straftatbestand nicht (formal richtig, aber angesichts des Verbotsgesetzes eine kühne Behauptung). Keine dieser Aussagen hatte weitgehendere Konsequenzen, Kickl ist immer noch im Amt. Auf der anderen Seite kann ein Efgani Dönmez einen Tweet nicht mehr einfach aussitzen. Und in den sozialen Medien haben Gesellschaftsgruppen, die vorher in den

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klassischen Aufmerksamkeitszirkeln nur am Rande mitspielen durften, eine laute Stimme – und nutzen sie auch. Und um das Ganze noch komplizierter zu machen, führt der Protest in genau diesen Netzwerken dazu, dass Kolumnen in klassischen Medien eingestellt werden. Um diese komplexen Gemengelage zumindest halbwegs anpacken zu können, hilft es, (mindestens) drei Phänomene zu verstehen: das Overton-Fenster, Reaktanz und den Zusammenhang von Sprache und Machtstrukturen. Das »Overton Window«, das auf den Amerikaner Joseph P. Overton zurückgeht, beschreibt die Bandbreite an Meinungen, die im öffentlichen Diskurs als akzeptabel und »nicht-radikal« gelten. Oder anders gesagt: die Grenzen dessen, was man ohne größere Konsequenzen sagen darf. Diese Bandbreite ist nicht statisch, das Akzeptable kann sich verändern. Meinungen, die gestern noch breite Empörung hervorgerufen hätten, können morgen normal sein. Und umgekehrt. Die Verschiebung des Möglichen kann mit der Zeit und ungeplant passieren, ist aber auch Teil von vielen strategischen politischen Überlegungen. Einerseits im Mainstream, wo die US-Republikaner bereits vor Jahrzehnten erkannt haben, dass man über aktuell unmögliche Randforderungen reden muss, um in der Mitte zu gewinnen. Aber auch auf Seiten der Demokraten sind Bernie Sanders oder Alexandria Ocasio-Cortez gute Beispiele für diese Verschiebung: Ihr Erfolg sorgt dafür, dass Ideen wie »universal healthcare« auch bei ihren zentristischen ParteikollegInnen nicht mehr als undenkbar gelten. Besonders im Bereich der extremen Rechten gilt die Diskursverschiebung als wichtiges Mittel des politischen Kampfs. Götz Kubitschek, der gerne »Vordenker der neuen Rechten« genannt wird, hält Vorträge über genau dieses Thema, die man auch auf Youtube finden kann. »Die Verschiebung dieses Fensters ist die Grundaufgabe unseres politischen Milieus«, sagte er im Jahr 2017 auf einem Strategiekongress der AfD. Wenn also über Schießbefehle auf Flüchtlinge gesprochen oder die Europäische Menschenrechtskonvention infrage gestellt wird, müssen die Protagonisten nicht zwingend diese konkreten Forderungen für realistisch halten. Eventuell verschiebt sich damit aber die Grenze des Sagbaren ein wenig nach rechts. In Österreich hat das in den letzten Jahrzehnten durchaus funktioniert, sagt Rudolf Muhr. Der emeritierte Sprachwissenschaftler an der Uni Graz hat die Entwicklungen der österreichischen Diskurse seit Jahrzehnten im Blick. Seit 1999 leitet er auch die Suche des österreichischen Worts und Unworts des Jahres. »Haider war der Dammbruch«, sagt Muhr, »seitdem erleben wir einen permanenten Trend zum offenen Ausländerhass.« Es sei mittlerweile gesellschaftlich akzeptiert,

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Begriffe zu verwenden, die darauf abzielten, dem Gegenüber die Würde zu nehmen. Die Theorie des Overton-Fensters ist durch die Beschäftigung mit der Neuen Rechten sehr populär geworden und wird gerne moralisch aufgeladen. Joseph Overton verband damit aber keine moralischen Überlegungen, und es gibt valide Punkte dafür, es damit zumindest nicht zu übertreiben. Die veröffentlichte und die öffentliche Meinung sind nicht deckungsgleich. Das ist keine spektakuläre Feststellung, und dafür muss man auch kein »Lügenpresse«-Schreier sein. Gesellschaftliche Eliten, zu denen Journalisten noch immer gehören, rekrutieren sich aus bestimmten Milieus und sind nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung. Das Overton-Fenster beschreibt also nur bedingt das, was in einer Gesellschaft gesagt wird und gesagt werden darf, sondern was gesellschaftliche Eliten für akzeptabel halten. Im Sagbaren manifestiert sich die Weltsicht der Mächtigen. Radikales zu fordern ist deshalb auch nicht grundsätzlich böse oder gut, sondern erstmal eine Strategie. »Provokation ist die bevorzugte Waffe der Mindermächtigen«, schreibt der Soziologe Rainer Paris. In dieselbe Kerbe schlägt auch die Diskussion um das »Tone Policing«: Vor allem Feministinnen sehen in dem Versuch, sie im Ton zu maßregeln und zu einer »zivilisierteren Debatte« aufzufordern, eine Taktik, ihren Protest zu schwächen. Tone Policing sei eine problematische Ablenkungstaktik, »die von Privilegierten gegenüber weniger Privilegierten angewendet« werde, sagte die Feministin und Journalistin Nicole Schöndorfer zuletzt in ihrem Podcast.

Reaktanz und Verschiebungen Der zweite Begriff, der zum Verständnis der Sache hilfreich ist, ist »Reaktanz«. Das Wort kommt aus der Psychologie und beschreibt eine komplexe Abwehrreaktion des Menschen gegenüber empfundenen Einschränkungen. Wenn man so will, beschreibt Reaktanz das Phänomen, dass dem Menschen das Verbotene immer sehr attraktiv erscheint. Reaktanz erklärt zu einem gewissen Maß die fast bizarr emotionale Reaktion auf Diskussionen über fleischfreie Freitage in öffentlichen Kantinen oder über geschlechtsneutrale Sprache im öffentlichen Schriftverkehr der Stadt Hannover. Die häufig auch bei Menschen vorkommt, die solche Kantinen nie betreten würden und keinen Schriftverkehr mit Hannover führen müssen. Das Gefühl,

durch andere Menschen moralisch verurteilt zu werden, wird als reale Einschränkung der Freiheit empfunden und bekämpft. Das erklärt zu einem Teil, warum sich Menschen, die Teil einer überwiegenden Mehrheit wie FleischesserInnen, AutofahrerInnen oder Heterosexuelle sind, als gesellschaftliche Avantgarde empfinden können. Dabei ist es unerheblich, ob ihnen wirklich jemand das Fleischessen, das Autofahren oder die heterosexuelle Paarbeziehung verbieten will. Bereits die Debatte darüber und die damit verbundene Selbstgerechtigkeit der linken, urbanen Milieus wird als Einschränkung der persönlichen Freiheit empfunden. Und nicht zuletzt wird die Debatte darum, was man sagen darf, als Kampf erlebt, weil es

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015 ein Kampf ist. Sprache hat die doppelte Eigenschaft, Machtstrukturen des realen Lebens abzubilden und sie gleichzeitig zu erzeugen, wie Michel Foucault schon in den 70er-Jahren feststellte. Deshalb ist die Debatte über sie immer auch ein Konflikt. Und an Konflikten ist die Gesellschaft im 21. Jahrhundert nicht arm. Die Krise der Männlichkeit, die #MeTooDebatte und auch ihr migrantisches Pendant #MeTwo sind nur die sichtbaren Auswüchse von umwälzenden, gesellschaftlichen Veränderungen: Der Griff der gesellschaftlichen Gruppierungen, die bislang in den Machtpositionen unterrepräsentiert waren, wird nicht schwächer werden. Die Feministin Laurie Penny überschrieb im Jänner 2018 einen langen Essay mit der programmatischen Aussage

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»We’re Not Done Here«. Alles fließt. Und wie bei allen gesellschaftlichen Verschiebungen gibt es potenzielle Verlierer, die einen Teil ihrer Position aufgeben sollen und sich dagegen aufbäumen. In diesem Fall sind das Männer, vor allem die mittlerweile berühmt-berüchtigten alten und weißen.

Das darf man sagen Darf man bestimmte Dinge nun also nicht mehr sagen? Ja und nein. Nein, weil man natürlich weiterhin alles sagen darf, was man früher auch sagen durfte. Und ja, weil der öffentliche Gegenwind für bestimmte Aussagen schärfer wird, weil es heute eben mehr Möglichkeiten gibt, Widerstand gegen diese Äußerungen zu organisieren. Vorrangig in

den sozialen Medien, die nicht unabhängig von den Machtstrukturen der realen Welt existieren, aber sie auch nicht nur abbilden. In Austro-Twitter zum Beispiel, das im Kern von ein paar Hundert Accounts gebildet wird, sind 50 davon – entsprechend vernetzt – ein Block mit lauter Stimme. Ist das angenehm für die Menschen, die sich dem Widerstand gegenübersehen? Nein, aber so ist das Leben. Kann man darüber debattieren, in welcher Form dieser Widerstand erfolgen sollte? Natürlich, denn so funktioniert Gesellschaft. Grundsätzlich ist laute Kritik an Aussagen aber kein Beweis dafür, dass man Dinge nicht mehr sagen darf. Genauso wenig wie Applaus bedeutet, man dürfe nur noch das sagen. Jonas Vogt

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Gloria Dimmel, »No Shame«, 2017

Das Rrriot Festival bespielt in der ersten Märzwoche ganz Wien – feministisches Rahmenprogramm inklusive. Die Gruppenausstellung »Regarding Revolt« als kollektive Auseinandersetzung mit universellen Normschönheiten liefert den künstlerischen Auftakt. ———— Das Veranstaltungsdatum des Rrriot Festivals ist natürlich nicht zufällig gewählt, immerhin findet am 8. März wie jedes Jahr der Internationale Frauentag statt. Rund um diesen special day, der sich irgendwo zwischen kommerziellem Douglas-Sale, Gratisrosen und allgemeiner Unzufriedenheit verorten lässt, bietet das feministische Programmfestival eine Woche lang Walks, Talks, Workshops und Partys. Und wo es politisch wird, darf Kunst in jeglicher Form natürlich nicht fehlen. Mit der Vernissage der Gruppenausstellung »Regarding Revolt« setzt das Festival gleich am 1. März einen themenstarken Auftakt. Kuratiert hat die Schau die WahlNew-Yorkerin und Fotografin Eva Zar, die sich in ihrer eigenen Arbeit immer schon hegemoniekritisch mit zeitgenössischen Schönheitsidealen beschäftigt hat. Dieser Anspruch setzt sich in der Konzeption von »Regarding Revolt« fort: Die Beiträge in Form von Fotografien, Videos, Skulpturen und Malerei hinterfragen nicht nur universale Schönheitsideale, sie feiern vor allem auch reale Diversität. Gloria Dimmel ist eine der ausgestellten Künstlerinnen – mit ihren 3D-Gipsabdrücken von Vulven, wie hier in der Fotografie »No Shame« abgebildet. 2019 leben wir immer noch in einer Gesellschaft, in der auf Social-Media-Kanälen weibliche Brustwarzen zensiert werden. Teile des weiblichen Geschlechtsorgans werden mit dem deutschen Unwort Scham beschrieben, gleichzeitig gehört Slut- und Fatshaming zum misogynen Verhaltenskodex einer patriarchal-getrimmten Gesellschaft. Der graue Gips, mit dem Gloria Dimmels Vulva-Abdrücke hergestellt werden, konterkariert diese Dogmen, mit denen der weibliche Körper in heteronormativen Kontexten konfrontiert ist. Inspiration für die 3D-Vulva-Repliken war Jamie McCartneys Installation »The Great Wall Of Vagina« auf der Triennale in Mailand 2013. Unter dem Motto »Changing The Female Body Image Through Art« hat der britische Künstler insgesamt 400 Vulven in Form von Gipsabdrücken fürs Museum verewigt. Gloria Dimmels Konzept ist ähnlich: In ihrer Wohnung in Wien gibt es jeden Monat Vulva-Sessions, bei denen Teilnehmerinnen ihre Intimzone in Safe-Space-Atmosphäre abbilden lassen können. Austausch, Solidarität und Endstigmatisierung stehen dabei fett unterstrichen auf Dimmels Agenda. Die einzig legitimen Mauern sind Mauern voller Vulven. Gips them by the pussy. Michaela Pichler Die Gruppenausstellung »Regarding Revolt« eröffnet – feierlich mit Vernissage – am 1. März das Rrriot Festival 2019. Die Kuratorin Eva Zar wird selbst anwesend sein und durch die Ausstellung führen. Die Schau ist bis 8. März bei freiem Eintritt im Rrriot HQ im ehemaligen Sophienspital im 7. Wiener Gemeindebezirk zu sehen.

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Rrriot Festival: »Regarding Revolt« Riots, Kunst und Viva All Vulvas!


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»Immerjahn« von Barbara Zeman Das Leben als Stillleben Barbara Zeman wagt sich in ihrem Debüt »Immerjahn« rund um einen gescheiterten Künstler und erfolgreichen Erben, an eine skurrile Familienaufstellung in Petersburger Hängung. Ein Roman wie eine aus der Zeit gefallene verstaubte Wunderkammer. ———— »Er hatte in seinem Leben nicht so viel erlebt, war doch nichts als ein melancholischer Kunstsammler in seinem von Mies van der Rohe erbauten Haus«, heißt es über das Anwesen und seinen 52-jährigen titelgebenden Besitzer Gotthold Immerjahn. Sein Dasein gleicht einem Stillleben. Lebendig wie Zement – das Material, auf dem der Reichtum der Familie gründet. In zwei Wochen soll eine Ausstellung den Bilderreichtum für die Öffentlichkeit zugänglich machen. Doch Immerjahn kann sich nicht zu Vorbereitungen aufraffen. Gelähmt in seinem Gedankenstrom lässt sich der Stammhalter im Dämmerlicht treiben. Immerjahn erinnert an den Typus des gebildeten, Idealen verpflichteten, aber durch Herkunft zu ergiebiger Faulheit resignierten russischen Romanhelden, wie Oblomow einer war. Die Trägheit als Grundstimmung ist nur zu ertragen, wenn man sich einlässt auf den kreativen wie schrulligen Witz dieses Werks. Sie mögen es schnörkellos und rasch erzählt, puristisch und klar? Bitte gehen Sie weiter!

Surrealer Fiebertraum Barbara Zeman, die als frühere Journalistin u. a. auch für The Gap schrieb, verschachtelt in ihren Satzgirlanden mit Genuss (dieses Partizip-Faible!) jene Fantasiegebilde, die ein luxuriöser Lebensstil beinhaltet. Das liest sich surreal wie ein Fiebertraum an einem heißen Augustnachmittag. Ein solcher wird auch im Buch beschrieben: »Trübe taumelten die sinkenden Brocken eines Traumes vor seinen Augen«, liest man hier. Den ganzen Roman lang ziehen die vergangenheitsgewandten, diesigen Gedanken ihre Schleifen. Wir blei-

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ben im Oberstübchen des melancholischen, geckenhaften Intellektuellen hängen. Rund um ihn: die nicht weniger eigentümlichen Hausangestellten, die wie alle Nebenfiguren dem Protagonisten konträr entgegenstehen. Sie stecken in ihren Bilderrahmen, jede von ihnen mit ihren Neurosen. Immerjahn aber sucht Zuflucht und Ablenkung bei seinen »lieben Gefangenen« – seinen Gemälden. Kunst als Reflexionsfläche, Kunst als Gesprächspartner, Kunst als Vergleichsgröße, Kunst als Objekt der Begierde, Kunst als Lebensinhalt. Kunst als kaputte Prothese auf der Sinnsuche. Die Erzählung gipfelt in der Frage: Wird Kunst (sein) Fenster zur Realität oder sperrt sie ebendiese aus?

Kunst, Kleider, Konsum Auch der 18-jährige Sohn Raffael leidet. Er sucht im Profisport nach Erfolgserlebnissen. Seine Eltern nehmen ihn genauso wenig ernst und wahr, wie sie es selbst von den Generationen zuvor kennen. Ehefrau Katka verschwindet in unregelmäßigen Abständen. Sie ist wie Schrödingers Katze in Immerjahns Leben – halb da und halb weg. Zwanghaft entwickelt sie das Gehabe einer Neureichen und zudem eine ausgewachsene Shoppingsucht. Ihr Mann bezeichnet sie als Konsumistin. Manch Literaturkritiker schreit da vorschnell Kapitalismuskritik. Doch letztlich geht es weniger um das volkswirtschaftliche System, sondern um puren Materialismus. Und den können schließlich auch Kommunisten pflegen. Katka ersetzt ihren Mann durch Konsumgüter und einen, der zwar erfolglos ist in seinem Tun, aber darin seine Berufung gefunden hat: den Künstler Fritzwalter. Er ist Immerjahns ehemaliger Untervermieter. Beide »mochten Feigen und eine bestimmte Nische in der Bar im Nachbarhaus. Aber das Wichtigste war, sie beide liebten Kunst«. Doch Immerjahn vertreibt seine Zeit mit Kunst stets

auf der Metaebene und nicht aus finanzieller Notwendigkeit. Er hält Kunst und Geld für synonym, weil er beides in unerschöpflichem Maße besitzt, ohne je dafür aktiv geworden zu sein. Erklärend liefert die Autorin die Küchenpsychologie mit: »Er hatte gelesen, sich Dinge zu kaufen sei Substitut für Religion, Ausdruck von Angst und großer, blind machender Leere. Man konnte sich Dinge kaufen gegen die Angst. Katka kaufte Kleider und er Bilder.« Beides verlor nach kürzester Zeit seinen Reiz und schaffte nicht den erhofften Halt, die Struktur im Leben. Die Immerjahn’sche Reflexion handelt vom Hinterlassen, von Besitz und Wert (geben und haben). Welche Rolle hat Arbeit in unserem Leben? Was bleibt von uns nach dem Tod? Er fühlt sich einzementiert in seinem Schicksal. Uninspiriert und passiv verwaltet er die Erbschaft. Ihm fällt nicht einmal ein, welchen Sinn seine Stiftung haben könnte. Gleichzeitig fantasiert er von einer neuen

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019 Judith Stehlik

Barbara Zeman malt in »Immerjahn« ein abstraktes Gemälde der heutigen Konsumgesellschaft.

Maßeinheit oder einer Währung, die er erfinden will, am liebsten würde er gar eine neue volkswirtschaftliche Theorie aufstellen. So schnörkelig wie die Großmutter das I für Immerjahn in das Taschentuch gestickt hat, schreibt auch die Autorin. Ihre Fabulierlust kennt keine Grenzen. Bis hin zur Trophäenschau verkrampfter Aufzählungen kann das führen und uferlos wie die erzählerische Ausstaffierung ist auch das Namedropping. Große Meister beschränken sich nicht nur auf die bildende Kunst. Mit Anspielungen auf Bands wie die Talking Heads malt sie Herzerl in die nostalgisch verträumten Augen so mancher Popkulturjournalisten (vielleicht dieselben, die sich zum Lockwort Kapitalismuskritik hinreißen lassen?). »Immerjahn« ist ein Augenschmaus für Ästheten. Doch nicht jeder findet sich in einem Kuriositätenkabinett zurecht. Und man muss das schöngeistige Flair dort schon mögen. Denn die Handlung kommt nicht weiter. Der Titelheld verläuft sich ständig in

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biografischen Abschweifungen. Erzählende Einsprengsel stellen sich als Einbahnstraßen heraus. Nicht immer ist der Bezug zur Handlung ersichtlich. Oft scheint es kecke Willkür, die vor totaler Linearität schützt. Zeman schwelgt in ihren Satzgebilden. Sie dreht die Sättigung hoch und übertreibt. Ihre Sprache wird der Maßlosigkeit von Gotthold und Katka gerecht. Die Autorin malt ein abstraktes Gemälde der heutigen Konsumgesellschaft. Detailverliebt schmückt sie die Identitätskrise aus. Die naheliegende Message dahinter: Geld allein macht auch nicht glücklich.

Fantasmusfraktion Erfinderisch positioniert sich die Autorin auf der Seite der Fabulierer. Sie stellt sich gegen die Selbstbespiegelung der Authentizitätsfiktion und Gegenwartsliteratur-Realos. Damit fällt der Roman gewissermaßen aus dem Rahmen und die Leserschaft muss auf der Hut sein, wenn die schillernde Schilderung um die

Ecke biegt und einen auf die Fantasieebene zieht, wo eine flotte Anekdote ein Schnippchen schlägt. Das Adjektiv »frisch« scheint wie angeschweißt an die Beschreibung von Debütromanen. Hier passt es nicht. Das Buch wirkt atmosphärisch und schwülstig, im schummrigen Licht – das »Lieblingslicht« des Protagonisten. Zeman schreibt anachronistisch. Ihr Stil passt zur Erzählwelt von »Immerjahn« und sie liefert damit ein Erstlingswerk, das eigen und originell ist wie seine Figuren. Man darf auf weitere Arbeiten der 37-jährigen in Wien lebenden Burgenländerin gespannt sein. Juliane Fischer

»Immerjahn« von Barbara Zeman ist bei Hoffmann und Campe erschienen.

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Zwischen Ausnahmezustand und Friedlichkeit The_Gap_173_010-043_Story_PACK_mf.indd 20

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Hans-Christian Dany im Interview

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Du beginnst »MA-1. Mode und Uniform« mit der Erzählung, wie du zu deiner ersten Bomberjacke gekommen bist. Wie bald nach dem Kauf war dir klar, dass in der Jacke eine Geschichte steckt, die du schreiben willst? hans-christian dany: Das hat sich eigentlich erst sehr viel später gezeigt, als ich bei einem Abendessen war, bei dem die Hälfte der Gäste Bomberjacken trug. Das war verblüffend, nicht nur weil alle ähnliche Jacken anhatten, sondern vor allem, weil ich das gar nicht schlimm fand. Bis dahin hatte ich immer gedacht, ich möchte mich unterscheiden. Plötzlich hat es mich nicht gestört, genauso angezogen zu sein wie die anderen. Ich habe dann angefangen, tagebuchartig über dieses Phänomen zu schreiben und gemerkt, es hört nicht mehr auf – das Thema hat mich abgeholt. Du schwenkst dann von der Geschichte deines persönliches Exemplars zur historischen Entwicklung des Modells um. Wo liegen die Ursprünge der Bomberjacke? In den 50ern startete die U. S. Army ein großes Projekt namens New Look – der Versuch, eine ganz neue Uniform für die Bedingungen eines atomaren Krieges zu entwickeln. Teil davon sind Ausdrucksformen flacher Hierarchien. Die Bomberjacke hat keine Rangabzeichen und ist sehr nah an der Freizeitkleidung dran. Dadurch ist sie eine Art Vorform des Bürolooks, den man später in den Agenturen findet, wo sich Chef und Angestellter gleich anziehen. Welche Marken haben der Bomberjacke denn zu ihrem Sprung von den Kasernenspinden in die zivilen Kleiderkästen verholfen? Es gibt die Ur-Bomberjacke von Alpha Industries, die einer von vielen Zulieferern der US-Armee waren, und überlebten, weil sie als Erste, noch während des Vietnamkriegs, auf den zivilen Markt gesetzt haben. Dann gab es die schon etwas abgeänderte Lonsdale-Bomberjacke, die eine Boxerjacke und keine Uniformjacke mehr war. Später gibt es noch die Jacke von Schott, einem Motorradjackenhersteller. Von Designern wie Raf Simons wurde die Silhouette der Bomberjacke ganz stark in

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der Herrenmode übernommen. Dass es diese Fülle an Varianten gibt, ist aber neu. Inzwischen hat fast jede Firma eine Bomberjacke im Sortiment, Avantgardemodedesigner wie Rick Owens genauso wie H&M. Was sind die Designelemente der Bomberjacke, die sie einzigartig machen und ihr diesen Siegeszug ermöglicht haben? Die Bomberjacke fühlt sich im Gegensatz zu anderen Uniformjacken distinktiv urban an. Selbst das ursprüngliche Salbeigrün der Jacke sieht aus, als wäre es für den Kampf in der Stadt gemacht worden. Von uniformierter Strenge hat sie erst einmal wenig, eher etwas von männlicher Behauptung. Man fühlt sich geschützt in ihr, aber sie hat wenig von militärischer Disziplin, schließlich hat sie sich ja aus College- und Sportjacken entwickelt. Der Weg zwischen Ausnahmezustand und Friedlichkeit ist im Fall der Bomberjacke sehr kurz. Ist die Bomberjacke als zivile Agenturuniform nur mehr gefälliges Accessoire oder wollen ihre Trägerinnen und Träger etwas aussagen? Die Popularität der Jacke hat mit dem Selbstbild der flexiblen Kulturproduzenten, die sie tragen, zu tun. Die Bomberjacke ist für postkoloniale Interventionskriege gemacht, bei denen man nicht weiß, wo man landen wird. Sie ist für ein außergewöhnlich breites Temperaturspektrum ausgelegt. Deswegen hat sie sich auch in den 90ern so gut zum Raven geeignet. Mit einer Bomberjacke kann man

Dafür, dass sie ein sehr banaler massenproduzierter Industriegegenstand ist, kann die Bomberjacke ganz erstaunlich viele Widersprüche in sich aufnehmen. Viele denken bei der Bomberjacke eher an Subkulturen – an Punk, an den frühen Hip-Hop, an Skinheads – als ans Militär. Das macht sie heute zu einer fast sentimentalen Projektionsfläche einer Welt, in der es noch eindeutige Werte gegeben hat, wo man sich noch positioniert hat, wo man sich scharf von der Mehrheit abtrennen konnte, wo eine Seite klar dagegen war. Das funktioniert heute nicht mehr so. Es gibt ganz feine Codes, die von ihrer Rahmung abhängig sind und sich laufend ändern, was ich ja sehr reizvoll finde. Die Bomberjacke steht dagegen für eine Zeit, in der alles noch eindeutiger war. Wie kam es dazu, dass die Bomberjacke begann, so einen Reiz auf Subkulturen auszuüben? Am Anfang war es das Phänomen, dass sie als Zeichen umgedeutet wurde, als Kriegsveteranen in ihren Uniformen auf die Anti-Kriegsdemonstrationen gegangen sind. Das ist nach jedem Krieg so: Die Heimkehrer tragen ganz einfach ihre Uniformen. Bei der Skinhead-Bewegung ist es dann schon ein Kult des Industriellen. Die Bomberjacke ist ein richtiges Industrieprodukt: auf der Höhe der Zeit, praktisch, ökonomisch. Wenn man sie trägt kann man in einer Gleichheit aufgehen. In der zweiten größeren SkinheadBewegung wurden Neonazis zu den symp-

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Die Bomberjacke ist eines der essenziellen Basics der zeitgenössischen Garderobe – edgy, aggressiv und trotzdem überall tragbar. HansChristian Dany hat kürzlich eine grundlegende Abhandlung über diesen modernen Klassiker vorgelegt. Der Autor des kompakten Bomberjackenhandbuchs »MA-1. Mode und Uniform« klärt uns im Interview über Bomberpiloten, Agentursoldaten und Designhelden auf.

»Von uniformierter Strenge hat die Bomberjacke erst einmal wenig, eher etwas von männlicher Behauptung.« — Hans-Christian Dany ordentlich angezogen in ein Restaurant gehen, aber auch in einen Club. Sie ist sehr offen für unterschiedliche Situationen. In den Agenturen geht es darum, ständig zwischen Jobs zu switchen und wie im Kampfeinsatz für alles gewappnet zu sein. Zu diesem Lebensgefühl passt die Bomberjacke sehr gut. In dieser ambivalenten Situation existiert die Bomberjacke zwischen diversen Widerspruchspaaren wie Pose und Zweckmäßigkeit oder Individualisierung und Uniform.

tomatischen Trägern der Bomberjacke. Weil die die bösen Buben ihrer Zeit waren, also diejenigen, auf die sich die pluralistische Gesellschaft als Feindbild einigen konnte, haben andere Gruppen auch angefangen sich die Jacke anzueignen, weil sie auf einmal verkörperte: Wir gehören nicht dazu. Ich denke da an die schwule SM-Bewegung oder migrantische Rotlichtgangs. Wie viele andere Looks hat die Bomberjacke ihren Weg von den Subkulturen in die Mode gefunden. An welchem Punkt des

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Die Bomberjacke steht also gerade sowohl bei anspruchsvollen Designlabels als auch im Mainstream hoch im Kurs. Faszinierend an dem jetzt inzwischen seit sechs Jahren anhaltenden Comeback der Bomberjacke ist, dass diese Mode zu einem Zeitpunkt auftritt, an dem der ursprüngliche Träger verschwindet. 2012 erfolgte die große Umschaltung auf Drohnenkrieg, ein Roboter ersetzt also den Bomberpiloten. Genau in diesem Moment fangen ganz viele Menschen in der Zivilbevölkerung an, diese Jacke zu tragen. Das ist als würden Roboter das Kochen übernehmen und alle würden auf einmal Kochmützen anziehen! Du stellst Leserinnen und Lesern deines Buches die Frage, welche Wirklichkeit eine Mode überhaupt denken soll. Hast du für dich eine Antwort auf diese Frage gefunden? Es ist doch ein faszinierendes Phänomen, wenn ich etwas sehe und es dann haben will. In dem Moment setzt die Imagination ein, ich könnte aus meiner Haut springen und ein anderer werden. Man denkt, ein Kleidungsstück hebt einen aus allem heraus, das man nicht sein will, wenn man es nur anzieht. Endlich würde man nicht mehr in der Nase

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popeln und würde zu neuen Ufern kommen. Was man nicht alles auf Mode projizieren kann – das finde ich schon sehr toll. In diesen Widersprüchen zwischen Hochstapeln und Tiefstapeln, zwischen Bekleidung und Mode erlebe ich mich permanent. Gerade wenn man aus dem Schreiben kommt, ist die Mode sehr verführerisch, um diese Widersprüche auszuleben. »MA-1. Mode und Uniform« ist nicht dein erster Titel in der Reihe der Nautilus Flugschriften. Gibt es eine Verbindungslinie zwischen den Büchern, die du über Speed, Kybernetik und eben die Bomberjacke geschrieben hast? Ein wiederkehrendes Motiv ist auf jeden Fall, dass das alles Dinge sind, die zwischen Krieg und Zivilleben verortet sind. Speed hat viel mit der Geschichte der militärischen Nutzung von Amphetaminen zu tun. Dieser Bereich hat auf jeden Fall einen Innovationsschub durch den Krieg erlebt, der dann in einer zivilen und kulturellen Nutzung mündete. Es geht in allen drei Büchern darum, was Technologie mit unserem Körper macht: ihn anziehen, ihm Drogen zuführen, ihn in gewisse Feedbackschleifen hineinbewegen. Und es geht ganz allgemein darum, unter welchen Vo-

raussetzungen wir uns in die Gegenwart bewegen, wie wir uns von einer Disziplinar- zu einer Kontrollgesellschaft entwickeln. Dafür sind die Nautilus Flugschriften ein ganz wunderbarer Raum. Man kann in einer Welt, die man nicht gut findet, ja eigentlich nichts werden. Na dann schreibt man eben Flugschriften. Der Krieg und seine Auswirkungen scheinen dich zu faszinieren. Woher kommt das? Ich gehöre zur Generation der Kinder von Eltern, die im Krieg aufgewachsen sind, die aber als Verlierernation nie die Chance hatten, eine Auseinandersetzung damit zu entwickeln. Der Krieg, der Nationalsozialismus und der Holocaust waren zwar immer sehr präsent, aber in einer sehr aufgeräumten, behüteten, bundesrepublikanischen Gegenwart, wo diese Dinge gar keine echte Realität hatten. Durch diese Sprachlosigkeit haben die Kriegsenkel das Trauma der Eltern übernommen. Gleichzeitig war ich untauglich und habe überhaupt keine Affinität zu Gewalt. Die Faszination ist trotzdem da. Ich hatte dazu ein ganzes Kapitel in »MA-1. Mode und Uniform«, das ich letztlich gestrichen habe, weil ich es nicht auflösen konnte. Das wird dann vielleicht das nächste Buch, das die vorhergehenden zusammenfasst.

Donnie Londi

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Zyklus zwischen Wiederentdeckung und Verwertung siehst du sie jetzt gerade? Wenn man sich ein zyklisches Schema wie das Fuccboi Glass Ceiling ansieht, ist es erstaunlich, dass die Bomberjacke an fast allen Stellen des Kreislaufs vorkommt. Das, was Raf Simons zur prägenden Figur der Mode des frühen 21. Jahrhunderts macht, ist ganz entscheidend seine Riot-Riot-Riot-Bomberjacke. Bape steht für genau diese Aneignung der Uniform und die Überzeichnung ins Comichafte – für mich ein Umgang mit dem Kriegstrauma. Vetements ist auch durch seine Bomberjacken bekannt geworden. Ihre frühen Jacken mit den gigantischen Armen sind ungeheuerlich! Comme des Garçons und Junya Watanabe haben ebenfalls viel mit fein verschobenen Basics gearbeitet. Bei HBA und Telfar taucht die Bomberjacke nur am Rande auf. Stone Island hingegen ist in seiner ganzen Herangehensweise total Bomberjacke, andernorts spielt sie in ihrer Rückkehr in die Sportjacke eine Rolle.

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Österreich

DU: 30.01.2019

Hans-Christian Dany: »Ich glaube, dass Mode momentan eine der interessantesten Sprachen ist – gerade dadurch, dass sie nicht fixierbar ist.«

Dienstag bis Freitag 2. – 5. 4. 2019

Perfect mix – perfect sound.

Krieg ist ein ernsthaftes Thema. Wenn man sich aber mit Oberflächlichkeiten wie Mode beschäftigt, sieht man sich nach wie vor mit Skepsis konfrontiert. Wie gehst du mit derartigen Vorwürfen um? Indem ich ganz einfach 200 Seiten über ein einziges Kleidungsstück schreibe. Ich glaube, dass Mode momentan eine der interessantesten Sprachen ist – gerade dadurch, dass sie nicht fixierbar ist. Mit ihr lässt sich unglaublich viel über unser Verhältnis zu unserem eigenen Körper, zu Dingen, zu Zeichen erläutern. Ich würde sogar sagen, dass es im Moment interessanter ist über Mode zu schreiben als über Kunst. Die letzten drei, vier Jahre waren sehr reich an dem, was in der Mode entstanden ist. Wenn dann noch Leute von mangelnder Tiefe sprechen, finde ich das albern. Gabriel Roland

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»MA-1. Mode und Uniform« von Hans-Christian Dany ist bei der Edition Nautilus erschienen.

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ORF / Hans Leitner

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David Schalko und Evi Romen im Interview

Evi Romen (51) ist Filmeditorin, Drehbuchautorin und Regisseurin. 2017 erhielt sie im Rahmen der Diagonale den Carl-MayerDrehbuchpreis für »Hochwald«. David Schalko (46) ist Regisseur und Autor (zuletzt: »Schwere Knochen«), zahlreiche erfolgreiche Fernsehsendungen und Serien gehen auf seine Kappe – etwa »Sendung ohne Namen«, »Braunschlag« und »Altes Geld«.

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»Natürlich gibt es noch Hoffnung, um Gottes willen«

Herr Schalko, Sie meinten in einem Interview, dass Sie vor einigen Jahren das Original nochmals gesehen haben und dass dieses Sie lange nicht losgelassen habe. Warum? david schalko: Mich hat in erster Linie das Konzept des Films fasziniert. Dass die Stadt eben die Protagonistin ist und dass es sehr viele Parallelen zur heutigen Zeit gibt: Etwa diese Vorabendstimmung und dass man nicht genau weiß, wohin die Reise geht. Schnell war die Idee da, diese Geschichte in die Gegenwart zu transferieren. evi romen: Für mich war das Original ein nicht angreifbarer Klassiker. (lacht) Ich habe diese Arbeit mit etwas Zögern angenommen, aber auch mit dem Wissen, dass es sich nicht

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um ein Remake handelt, sondern um eine Hommage. Was waren die größten Herausforderungen? Wie haben Sie es geschafft, Tribut zu zollen und gleichzeitig eine eigene Handschrift einzubringen? schalko: Wenn man etwas Neues schreibt, dann hat dies automatisch eine eigene Handschrift. romen: Ich glaube, es gibt einen ganz großen Vorteil: Nämlich, dass sich die Art der filmischen Erzählung stark verändert hat. Es liegt ja fast ein Jahrhundert Filmgeschichte dazwischen und wir haben uns zudem eines neuen Mittels bedient – nämlich der seriellen Erzählform. Als Kinofilm hätte ich diese Arbeit nicht angenommen. Der Reiz bestand darin, die Geschichte in einem heutigen Format zu erzählen und eben eine Serie daraus zu machen. Wie gestaltete sich der gemeinsame Schreibprozess? Hatten Sie andere Herangehensweisen, weil Sie beide aus unterschiedlichen Bereichen kommen? romen: Das Schreiben und das Schneiden liegt in der filmischen Erzählung sehr nah beieinander. Wir haben uns natürlich auf unsere Stärken konzentriert: Ich war sicher mehr an der Struktur und an der Dramaturgie beteiligt, weil das ja auch meinem erlernten Handwerk

entspricht. Und David mehr an den Dialogen und den Texten. schalko: Wenn zwei Stile aufeinandertreffen, dann entsteht etwas Eigenständiges – das finde ich spannend. Wir haben auch sehr unterschiedliche Arten zu arbeiten. Es war sehr hilfreich, diese für das Projekt zusammenzuführen, da ja auch die Struktur im Vordergrund steht. Zudem sind die Geschichte und die Figuren sehr komplex, da tut man sich zu zweit einfach leichter. romen: Da hilft natürlich das Handwerk der Editorin, denn da ist man es gewohnt, immer viele Bälle im Spiel zu haben. Die Stadt ist selbst eine Darstellerin der Serie und ihre verschiedenen Milieus und deren Psychologie spielen eine große Rolle. Wie sind Sie zu den Drehorten gekommen und dazu, dies schlussendlich in der Serie selbst zu reflektieren? schalko: Die Locations haben wir so ausgewählt, dass sie einem Studio ähneln. Unsere Serie ist nicht nur eine Hommage an Fritz Lang und den deutschen Expressionismus, sondern sie ist auch eine Serie über Wiener Architektur; diese spielt eigentlich eine genauso große Rolle wie die Menschen. Das war uns wichtig. Die Serie changiert zudem zwischen den Genres, das spiegelt sich auch visuell wider. Dennoch haben wir eine Atmosphäre geschaffen, die das alles zusammenhält. Und

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David Schalko und Evi Romen zollen Fritz Langs »M – Eine Stadt sucht einen Mörder« im Serienformat Tribut. Ein Gespräch über den eigentlich unantastbaren Filmklassiker und ihren gemeinsamen Schreibprozess, über aktuelle politische Tendenzen und dennoch bestehende Hoffnung. ———— Winter in Wien. Kinder verschwinden. Später stellt sich heraus: Sie sind tot. Die Stadt und ihre verschiedenen Milieus – von der Polizei über die Politik und die Medien bis hin zu besorgten Eltern – versuchen, mit den Ereignissen umzugehen. Nach und nach wird jeder verdächtigt, und einige mobilisieren die Angst aller, um die Vorteile mancher aufrechtzuerhalten. Die Story von Fritz Langs Klassiker ist bekannt, ja sogar in die Filmgeschichte eingegangen, erzählt sie doch eindringlich von der bedrohlich brodelnden Stimmung vor dem Zweiten Weltkrieg und davon, wie mit Angst Politik gemacht wird. Regisseur David Schalko und Drehbuchautorin Evi Romen haben diese Story ins heutige Wien übertragen und mit Schauspielstars wie Lars Eidinger, Moritz Bleibtreu, Udo Kier, Julia Stemberger, Sophie Rois und Verena Altenberger als Serie adaptiert. The Gap traf die beiden zum Gespräch.

»Ich wage zu behaupten, dass die Realität wesentlich härter ist als unsere fiktionale Erzählung.« — Evi Romen

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Bela B Felsenheimer als »Bleicher Mann« und Esoterikapostel in »M – Eine Stadt sucht einen Mörder«.

natürlich nimmt die Serie immer wieder Kontakt mit dem Original auf. Wir haben Anfang 2018 gedreht, da war es sehr warm. Wir hätten heuer drehen sollen … romen: Schreiben ist in dieser Hinsicht ja leichter als Drehen. Eine schöne bedrückende Schneestimmung kann in einem Roman wunderbar erzählt werden, aber sie dann beim Dreh so hinzubekommen – da war ich dann ganz froh, nicht selbst am Set stehen zu müssen. Herr Schalko, in einem Interview meinten Sie einmal, dass jeder eine gute und ein böse Seite in sich trage und dass man als AutorIn versuchen müsse, jeder Figur ein gewisses Maß an Empathie entgegenzubringen, da es sonst zynisch werden würde. Wie ist es Ihnen beiden damit bei diesem Projekt ergangen? romen: Ich kann für mich sagen, dass man für jede Figur ein gewisses Vorbild hat – manchmal auch zwei oder drei, aus denen man die Figur zusammensetzt. Während des Schreibens wird man aber tatsächlich zu dieser Figur – machmal nur für ein paar Minuten, manchmal länger. Man trägt diese Figur dann in sich. Nachdem ja keiner von sich selbst sagen möchte, dass er zynisch und böse sei, wird automatisch auch ein gewisser menschlicher Aspekt erzählt.

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schalko: Am wichtigsten für einen Autor/ eine Autorin ist es, die eigenen Figuren so gut zu kennen, dass man über sie schreiben kann. Und das ist eigentlich schon Empathie. Ebenso wichtig finde ich es, manchmal zu den eigenen Figuren gemein zu sein. Besonders schwierig ist es immer, eine Figur nicht nur als Klischee zu erzählen, sondern sie von allen Seiten, die das menschliche Dasein so mit sich bringt, zu zeigen. Da sind Gut und Böse dabei – wobei ich diese Kategorisierung etwas schwierig finde. Es gibt sehr viele Schattierungen, sagen wir es so. Welche weitere Herangehensweise gab es für Sie, dieses Projekt zu recherchieren? romen: Wir haben eine Herangehensweise gewählt, in der wir uns nicht in unsere Büros zurückgezogen haben, sondern durch die Stadt flaniert sind, und wir haben unsere Schreibtermine an verschiedene Orte dieser Stadt gelegt, um zu beobachten und Stimmungen einzufangen. Die Stadt ist die Hauptdarstellerin – daher muss man sich auch in ihr bewegen können. In der Serie hat jede Gruppe, jedes Milieu eine eigene Agenda und es geht ja auch um die Mobilisierung von Angst – ein aktuelles Thema. Gibt es für solche gesell-

schaftspolitischen Situationen überhaupt Lösungsvorschläge? romen: Ich bin immer davon überzeugt, dass es Lösungen gibt. schalko: Viele Leute wollen das ja so. Eine Wahl entspricht immer einem gewissen Willen. Das muss man auch respektieren. Ich glaube, in dem Moment, in dem Politik einen gewissen Grundsatz verlässt, der entweder den demokratischen Boden oder den bürgerlichen Konsens in Bezug auf Rechtsstaat und Menschenrechte betrifft, hört der Spaß auf. Dann gibt es nur eine einzige Lösung, und die heißt: Widerstand. Das wurde in der Kulturbranche letztens etwa auch bei der Verleihung des österreichischen Filmpreises angesprochen. romen: Wobei das ja immer ein Bad in der eigenen Badewanne ist – wie auch Ingrid Burkhard gesagt hat: ein warmes Bad. Widerstand muss aus den eigenen Reihen hinausgehen und muss sich zeigen, so wie das etwa bei den aktuellen Demos der Fall ist. Ich möchte aber betonen, dass wir »M« über mehrere Jahre entwickelt haben und wir daher nicht wissen konnten, wie die politische Situation sein wird, wenn die Serie erscheint. Erstaunlicherweise haben wir sehr viel vorhergesagt; nicht, weil wir so weise sind, sondern weil vie-

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ORF / Superfilm / Ingo Pertramer

les sich bereits zuvor in Entwicklung befunden hat. Ich wage aber zu behaupten, dass die Realität wesentlich härter ist als unsere fiktionale Erzählung. schalko: Ich glaube mit Widerstand muss auch – unabhängig aller politischen Couleurs – ein gemeinsames Grundprinzip gemeint sein, welches es zu verteidigen gilt: dass man eben gewisse Dinge nicht verlässt, auf denen unsere demokratische und aufgeklärte Gesellschaft basiert. Dazwischen ist der Spielraum der Politik. romen: Für mich heißt das: Mensch sein, Mensch bleiben. Herr Schalko, Sie haben in einem Interview einmal gesagt: »Wir leben in Zeiten, die uns mit einer Politikergeneration konfrontieren, die Gewaltentrennung im Staat, einen der wichtigsten demokratischen Grundsätze, nicht respektiert. Der direkte Weg zu herrschen steht über allem; und dieser direkte Durchgriff ist etwas sehr Präfaschistoides.« schalko: Das war aber schon, bevor Herr Kickl über den Rechtsstaat philosophiert hat. Im Prinzip ist das alles ja vorhersehbar. Was man wählt, das bekommt man auch. Es hat niemand jemals ein Geheimnis daraus gemacht, wie gewisse Kreise in der FPÖ denken

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oder was sie wollen. Das ist einfach nur die Deklination eines Gedankengutes, das sich seinen Weg bahnt. Die Fragen lauten eher: Wie lange halten sich solche Menschen in der Regierung? Und wo sind wir in drei Jahren? Das sind die Fragen, die mich interessieren. Und das hängt auch sehr stark mit unserem Bundeskanzler zusammen. Letztendlich hat er diese Menschen in die Regierung geholt und er ist somit auch mitverantwortlich dafür, wie weit sie gehen. romen: Ich habe gerade darüber nachgedacht, was du gesagt hast: Also, dass die WählerInnen das gewählt haben, was sie wollten. Ohne jetzt den Wähler/der Wählerin mangelnde Intelligenz zu unterstellen – ich habe immer folgendes Gefühl: Es wird so viel geschrien, dass man gar nicht mehr weiß, wo man hinhören soll. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man als Wähler/Wählerin wirklich weiß, was man kriegt, wenn man sein Kreuz macht. Denn vor lauter Geschrei kann man trotz aller Intelligenz nicht mehr durchblicken.

schalko: Natürlich gibt es noch Hoffnung, um Gottes willen. Wir leben noch immer in einer totalen Luxusgesellschaft. Es ist der Menschheit – statistisch gesehen – noch nie so gut gegangen. In der gesamten Menschheitsgeschichte sind noch nie so wenig Menschen in Kriegen ums Leben gekommen. Der Lebensstandard war noch nie so hoch, die Armut noch nie so niedrig. Es ist eher erstaunlich, dass man sich in so dunkle Spiralen begibt, wenn es einem eigentlich so gut geht. romen: Ich glaube, es gibt einen wesentlichen Vorteil in unserer heutigen digitalisierten Welt: Es kommt einfach sehr viel ans Licht. Und wo Licht ist, da sieht man den ganzen Dreck, man sieht den ganzen Staub, der sich angesammelt hat, und den muss man zuerst wegwischen. Insofern bin ich eigentlich sehr positiv gestimmt: Mit Putzarbeit, mit Wachsamkeit, mit sehr viel Licht können wir, so denke ich, ein positives Zukunftsszenario vor Augen haben. Barbara Fohringer

Die Serie zeigt – ähnlich wie Fritz Langs Film – gewissermaßen einen Vorabend und greift Ereignisse auf, deren Auswirkungen auf unser Leben noch nicht bekannt sind. Inwiefern gibt es dennoch Hoffnung in turbulenten und komplexen Zeiten wie diesen?

»M – Eine Stadt sucht einen Mörder« ist am 17., 20. und 22. Februar 2019 auf ORF eins zu sehen – jeweils in Doppelfolgen um 20.15 und 21 Uhr. Sieben Tage nach ihrer Ausstrahlung sind die einzelnen Episoden auch in der ORF TVthek abrufbar sowie ab 23. Februar beim StreamingDienst TV now.

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»Es ist erstaunlich, dass man sich in so dunkle Spiralen begibt, wenn es einem eigentlich so gut geht.« — David Schalko

Auch die Unterwelt wird in Sachen Mördersuche aktiv.

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Wo stehst du mit deiner Kunst? Das Wiener Trio Pauls Jets steckt mit seiner Kunst eigentlich noch in den metaphorischen Kinderschuhen – im März erscheint das Debütalbum »Alle Songs bisher«. Dessen Schuhgröße klingt allerdings schon ziemlich nach Bigfoot. ———— Wenn die erste Single einer Band »Üben üben üben« heißt, dann kann man diese Band doch eigentlich nur in ihrem Proberaum zum Interview treffen. Pauls Jets üben ihre Songs jede Woche in einem Keller am Yppenplatz. Zwischen AU, Hipster-Frühstück und Brunnenmarkt stehen Paul Buschnegg, Romy Park und Xavier Plus hinter ihren Instrumenten und feilen an zukünftigen Hits. Der Sound, der dabei rauskommt, wird hauptsächlich von EGitarre, E-Bass, Keyboard, Schlagzeug und einem Computer als, wenn man so will, viertem Bandmitglied produziert. Musikalisch flanieren Pauls Jets dabei irgendwo zwischen DIYPop, Indie-Garage und ein bisschen AutotuneFlair hin und her, getragen wird das Ganze von großen Lyrics mit vielen Bildern. Kennengelernt haben sich Paul und Xavier schon früh, nämlich als Jungspunde in der Musikschule. »Xavier hat alle Beatles-Lieder auf der E-Gitarre gekonnt, das war sehr beeindruckend.« An dieser Stelle könnte man einen kleinen Image-Mythos anzetteln, der mit der gemeinsamen Simmeringer Musikschule beginnt, mit einer Indie-Band weiter geht und schließlich in dem gipfelt, was Pauls Jets heute sind. Hier geht es aber um keinen ausgelutschten Bilderbuch-Verschnitt, deshalb fängt die eigentliche Pauls-Jets-Geschichte erst damit an, dass Romy per Facebook als Bassistin angefragt wird und das Trio damit komplettiert wird. Seitdem ist – mal abgesehen von den Studioaufnahmen für ihr Debütalbum – so einiges passiert. Pauls Jets spielten auf geheimen WG-Partys, am sommerlichen Popfest und am herbstlichen Waves Vienna. Als Vorband von Wanda gaben sie in Klagenfurt ihr erstes Stadionkonzert.

Overhype und Understatement Seit der ersten Single – und mit Fanboy Stefan Redelsteiner als Manager – ist das mediale Interesse groß. Es gipfelt in den meisten Fällen

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in Lobgesängen und Bauchpinseleien. Da treten sie in der einen Ankündigung in die großen Fußstapfen von Ja, Panik, in der anderen fallen Begriffe wie »Genie«, »Wunderkind« oder einfach nur »Everybody’s Darlings«. Als die neuen Hoffnungsträger der österreichischen Popmusik werden die drei Jets darin beschrieben, die der eingeschlafenen heimischen Szene nach dem Österreich-Hype der letzten Jahre den Boden unter den Füßen wegziehen sollen. Bei so viel Lob kann die Erwartungshaltung für das Debütalbum natürlich nur riesig sein. Romy, Xavier und Paul sehen das mit dem Hype aber eher nüchtern und pragmatisch: »Im Endeffekt müssen wir jetzt erst einmal überzeugen. So gesehen ist uns ein medialer Hype eigentlich wurscht.«

Pauls Jets im Porträt Das überzeugendste Argument für einen gerechtfertigten Hype könnte das Debütalbum von Pauls Jets sein, das in der zweiten Märzhälfte erscheint. »Alle Songs bisher«, so dessen Titel, verschreibt sich ganz der Understatement-Attitüde der Band. Denn auf der Platte sind natürlich nicht alle bisherigen Songs drauf, die jemals aus Pauls Feder und in seinen Computer geflossen sind. Die Auswahl all jener Songs bisher, die es aufs Album geschafft haben, klingt in den meisten Fällen vor allem eines: hitverdächtig. Die Vorabauskoppelungen »Üben üben üben«, »Diese Villa ist verlassen« und »22703« haben das schon im Laufe des vergangenen Jahres geleistet – jede dieser Nummern brilliert dank Ohrwurmqualitäten und griffiger Textzeilen. Und die meisten der restlichen zwölf Songs

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des Albums werden der hochliegenden Erwartungshaltung gerecht – das titelgebende »Alle Songs bisher«, »Ich will dich lieben, Baby« oder »Wo stehst du mit deiner Kunst, Baby?« zum Beispiel. Thematisch gesehen geht es viel um die unschönen Dinge des Zusammenseins. Obwohl Paul Buschnegg des Öfteren vom Auseinandergehen, vom »Tschüss sagen und gehen« singt, hört sich das unter Einfluss des heiteren Pauls-JetsSounds eher nach neuem Fahrtwind als depressiver Kleinkrise an. Zwischendurch wird es dann auch weniger ernst. Mit »Du wirst schauen was noch alles Rap sein wird« driftet das Album in Cloud-Rap-Gefilde ab. Die Schlussnummer »Ich komme in den Park« ist sogar eine Hommage an Mbeezy aka Money Boy, den Paul als »eine der bemerkenswertesten Figuren im deutschsprachigen Raum der letzten zehn Jahre« bezeichnet.

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Üben, üben, üben oder einfach mal am Balkon rumstehen: Romy Park, Xavier Plus und Paul Buschnegg.

»Im Endeffekt müssen wir jetzt erst einmal überzeugen. So gesehen, ist uns ein medialer Hype eigentlich wurscht.« — Pauls Jets

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Philipp Schuster

Einsame Band sucht In der Wiener Musikszene fühlt sich das Trio noch recht grünschnäbelig: »Wir kennen fast niemanden. Wir fühlen uns noch sehr jung und sind noch grün hinter den Ohren«, wie Paul erklärt. Auch wenn Pauls Jets durch Label und Management als Teil des Netzwerks rund um Stefan Redelsteiner und Fuzzman, Wanda und Voodoo Jürgens gesehen werden könnten, sind sie in diesem Kontext eher unübliche Beteiligte. Musikalisch doch woanders, deutlich jünger und auch progressiver. Damit Pauls Jets aber nicht ganz so alleine ihr Dasein in den hiesigen Musikgewässern fristen müssen, würden sie sich über gleichgesinnte Bands freuen. Ja, das klingt ein bisschen nach Kontaktanzeige – Vernetzungsinteressierte können sich deshalb gerne unter dem Kennwort »Einsame Band sucht« bei The Gap melden, sämtliche Einsendungen werden zuverlässig an Pauls Jets weitergeleitet. Michaela Pichler

Pauls Jets’ Debüt »Alle Songs bisher« erscheint am 22. März bei Lotterlabel, am 23. Mai gibt es dann eine verspätete Album-Release-Show im Wuk in Wien.

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Olga Baczynska

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Beirut im Porträt Meister des Ungewöhnlichen

Zurück zum Horn Wer sich damals, in der zweiten Hälfte der Nullerjahre, in Beiruts Debütalbum »Gulag Orkestar« verliebt hat, wird mit dem fünften Studioalbum der Band wieder sehr glücklich werden. Der legendäre Beirut-Brass-Sound mit Flügelhorn- und Trompeten-Einlagen, den man 2015 auf »No No No« noch vergeblich gesucht hat, ist wieder zurück. Blechbläser-Arrangements vom Feinsten – von Condon selbst eingespielt – durchziehen die zwölf Songs auf »Gallipoli«. »Ich habe die Brass-Sections selbst schon vermisst«, meint Condon im Interview. »Bei den Aufnahmesessions für ›Gallipoli‹ habe ich sie irgendwie wieder für mich entdeckt und erst da verstanden, welch integraler Bestandteil meines Sounds sie sind.« Soundtechnisch ist die neue Beirut-Platte aber nicht nur wegen Condons wiederentdeckter Hornliebe eine heiße Empfehlung für

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alle Fans weirder Indie-Auswüchse abseits der immer gleichen, langweiligen Produktionen von Gitarrenbands. Das ist unter anderem auch dem Anspruch geschuldet, den der Beirut-Mann an die Aufnahmen für das Album stellte: Jedes noch so knatternde Kratzen, Ächzen und Quietschen der eigentümlichungewöhnlichen Instrumente sollte auf der Platte zu hören sein. Und so klingt »Gallipoli« wie ein musikalisches Ankommen, wie das Zurückkehren zu den Anfangstagen der Band, die von polyphonen Harmonien, Ukulelengeschrammel, Flügelhornklängen und Condons leichtfüßigem Songwriting bestimmt wa-

mit seinem Bruder die Koffer und wagt den großen Eurotrip. 16 Jahre ist das nun her, 16 Jahre, in denen Condon zwischen Metropolen und Kontinenten hin- und herswitcht, bis er sich schließlich hemmungslos in die deutsche Hauptstadt verliebt. In Berlin findet Condon nicht nur neue Inspiration, rauschende Partys und Konzerte, sondern auch ein Zuhause. Beflügelt vom geografischen Tapetenwechsel beginnt er die Arbeit an einer neue Beirut-Platte. Neben Berlin ist allerdings auch noch ein weiterer europäischer Sehnsuchtsort ausschlaggebend für den neuesten Beirut-Release, der nicht ohne Grund nach der

»Erst bei den Aufnahmesessions für ›Gallipoli‹ habe ich verstanden, welch integraler Bestandteil meines Sounds die Brass-Sections sind.« — Zach Condon ren. Irgendwo im letzten Jahrzehnt, als das Leben des US-Amerikaners von unzähligen Tourneen, einer Scheidung und lähmenden Schreibblockaden geprägt war, ist ihm diese Leichtigkeit nämlich abhandengekommen. Was ihn aus dieser Krise wieder rausgeholt hat? Keine neue Liebe, zumindest nicht in einem romantischen, zwischenmenschlichen Sinn, sondern eine neue Stadt.

Neue Heimat Berlin Paris, New York, Istanbul – in all diese Städte hat es Zach Condon schon für längere Zeit verschlagen, so richtig angekommen fühlt er sich allerdings erst seit zwei Jahren – in Berlin. Kurz bevor er mit uns am Telefon über seine neue Platte plaudert, hat er auf der Ausländerbehörde um ein weiteres Visum für die nächsten zwei Jahre angesucht. Trumpnation, das Dasein in Brooklyn oder seinen Geburtsort Santa Fe in New Mexico vermisst Condon nicht: »Um ehrlich zu sein, hoffe ich, dass ich nie wieder in die USA zurückgehen werde.« Der Sehnsuchtskontinent Europa hat bei Zach Condon immer schon eine besondere Faszination ausgelöst. Als er mit 17 endgültig von der Schule fliegt, packt er gemeinsam

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Melancholische Sehnsucht, ein bisschen Folk und sehr viel Brass: Beirut melden sich mit »Gallipoli« zurück, aber so was von. Zach Condon, Multi-Instrumentalist sowie Brain und Sänger der Indie-Formation, über das aktuelle Album, Berlin als Homebase und süditalienische Studioträume, die wahr wurden. ———— Das Substantiv »Eigenbrötler« beschreibt den musikalischen Autodidakten Zach Condon ziemlich genau. Wie sonst sollte man jemanden nennen, der seit jeher ein reges Interesse an kaputten, ausgemusterten, verstaubten und verstimmten Musikinstrumenten hegt und diese in rauen Mengen anhäuft? Teil dieses antiquarischen Sammelsuriums – und vielleicht sogar dessen Herzstück – ist eine Farfisa, eine elektronische Orgel, die ab den 1960ern Einzug in die Popmusik hielt. Condon bekam das ausrangierte Instrument von einem Zirkusartisten geschenkt, der mit der kaputten Klaviatur der Farfisa-Orgel nichts mehr anfangen konnte. In Santa Fe erfuhr dieser über Umwege vom Musik-Nerd Condon, dem sein Ruf – so scheint’s – vorauseilte, und verkaufte ihm das schmucke Stück. Statt eines herkömmlichen Pressetexts zum neuen Album »Gallipoli« veröffentlichte Zach Condon nun einen langen Brief auf seiner Website, in dem er diese kostbare FarfisaOrgel als »starting point« bezeichnet, an dem alles, was auf »Gallipoli« zu hören ist, seinen Ausgang nahm.

apulischen Hafenstadt Gallipoli benannt ist. Angesteckt von den ersten Songideen kontaktiert Condon seine Musikerkollegen Paul Collins und Nick Petree und lässt sie schließlich nach Italien einfliegen, wo sie am Absatz des Stiefelstaates, in der Region Apulien, gemeinsam einen produktiven Oktober verbringen. »Es war im richtigen Maße abgelegen, gut ausgerüstet, erfüllt von einer entspannten Arbeitsatmosphäre – kurz, es war perfekt für uns«, beschreibt Condon in seinem OnlineBrief die Aufnahmesituation in der süditalienischen Abgeschiedenheit. Dass er sich bei den Sessions wohlfühlte, ist »Gallipoli« deutlich anzuhören. Schließlich ging es dem Songwriter auch genau um dieses Gefühl, endlich einmal zufrieden zu sein: »Ich will echt nicht cheesy klingen, aber es geht vor allem um Akzeptanz. Darum, Dinge so anzunehmen, wie sie momentan sind.« Michaela Pichler

»Gallipoli«, das fünfte Studioalbum von Beirut, ist bei 4AD erschienen. Am 14. April kann man das gute Stück gemeinsam mit Beirut im Gasometer in Wien, beim einzigen Österreichkonzert der Band im Rahmen ihrer aktuellen Tour, feiern.

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Musiker schnupfen, spritzen, schlucken und ziehen. Manche Songs zeigen ihre Liebe zu den Drugs offen, andere ein wenig maskiert. Willkommen auf der Insel der seligen Sucht. ———— Essig und Acid werden ja ununterbrochen verwechselt. So war das auch, als ein junger Mann mit Schnauzer, der gerade als Jahrgangsbester die Akademie der bildenden Künste abgeschlossen hatte, im Fernsehen auftrat. Es war an einem Hauptabend im Herbst 1972 bei der Show »Die große Chance«, die sich der ORF hatte einfallen lassen, um saubere Teenager und unsaubere Hippies mit ihren Eltern vors Empfangsgerät zu locken. Dieser junge Mann, Heinrich Walcher, sang von einem »Gummizwerg«. Er wollte Schnee, Gras, Koks und Stoff. Und eben Essig. Manche verstanden Acid, es war eine dieser teuflischen Laurel-Yanny-Situationen. Sang er von Drogen oder sang er einfach Nonsens?

Sechzig Er sang von Drogen. Wie andere vor ihm und viele nach ihm. 50 Jahre läuft das mindestens schon so in der österreichischen Popmusik, in fast allen Genres und in allen Jahrzehnten. Alkohol ist dabei noch nicht einmal mitgemeint. Denn der gehört ohnehin zum Grundausstattung von Schlager, Rock und Metal. Es

war Novak’s Kapelle, die den ersten lauten Schuss setzte. Ihre Debütsingle handelt von Heroin, ein Teenager steckt sich eine Nadel tief hinein, er taucht ab in den Rausch und bittet schließlich das Publikum – das Novak’s Kapelle abgrundtief verachtete –, ihm bei der nächsten Nadel zu helfen. Beim ORF fand man das entweder total super oder hatte nicht auf den Text gehört. Jedenfalls wurde der Song »Hypodermic Needle« für eine Silvestersendung 1968 ausgewählt. Sänger Walla Mauritz strahlt darin Sex aus wie eine atomare H-Bombe, während futuristisch kostümierte Frauen in einer Lollipop-Lava-Landschaft tanzen. Dass die Band auf ihrer nächsten Single zu Gewalt gegen die Polizei aufrief, kam nicht mehr so gut an, es gab Sendeverbot. In der Gesellschaft bildeten sich damals neue Allianzen zwischen Kunst, Musik und Substanzen. Drogen waren in den späten 60ern das Tor zum Ausstieg. Menschen mit langen Haaren wurde in der Straßenbahn schon mal »vergasen« hinterhergerufen.

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Hoch wie nie Drogen in heimischen Popsongs

Zehn Heute gilt Haschisch nicht mehr als das Rauschgift, das zwangsläufig in die Überdosis führt. Die grünen Knollen werden geraucht oder für gutes Geld weiterverkauft. Die Lean

»Die Taschen voll mit Geld wegen Kokain. Das Taxi wird bestellt, sie haben Bock zu ziehen.« — Raf Camora in »Kokain«

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»Ganz Wien storniert den Wein und raucht sich nur mehr ein.« — Wolfgang Ambros in »Du schwoaza Afghane«

Gang finanziert sich so immerhin einen Maserati. T-Ser macht aus seinem Hobby (Kiffen) einen Beruf, er bezieht das Zeug aus Bratislava oder Praha und verbaut die Kilos im Kofferraum. Cannabis, Kokain und Amphetamin, all das ist selbstverständlicher Teil der Freizeitkultur geworden. Gleichzeitig zeigt man, man gibt einen Fick auf das System, das ohnehin kaum Chancen bietet. Stattdessen entsteht aus Autos, Analsex und Arzneimitteln ein lustiger Cocktail, mit dem man im Leben obenauf schwimmt. Das schafft der erfolgreichste Musiker im deutschen Sprachraum, Raf Camora, eigentlich auch einfach so. Aber wenn einem die Reime wie im Schlaf zufliegen, kann man auch einen Hit wie »Kokain« raushauen. Joshi Mizu zeigt währenddessen die andere Seite. Er spielt den Junkie, der pleite, aber glücklich ist. Auf die Spitze treibt es Yung Hurn. Bianco ist das Pulver, das seine Nasenscheidewand zerfrisst, verstrahlt ist sein Flow, bummzua sind seine Worte. Wenn man früher vielleicht davon gesungen hat, dass man sich taub und hohl fühlt, dann demonstriert das eine neue Generation von Rappern mit Konsum. Man klinkt sich aus, man scheißt auf das, wie andere, ältere Menschen meinen, wie man sich auf den »Ernst des Lebens« vorzubereiten hätte. Stattdessen wird das Geld in Sneakers investiert, in streng limitierte Backsteine (von Supreme, google es einfach) und – sehr wichtig auch – in Drogen. Kollegen wie Crack Ignaz, Wandl oder Money Boy kennen das. Sie erzählen von Cola, Kush und so weiter. Musikhistorisch lässt sich eine nahezu gerade Linie zu texanischem Hip-Hop aus den 90ern ziehen, bei dem gerne lila Hustensaft mit Kodein geschlürft wurde. Falls jemand meint: typisch Hip-Hop – nein, not all rappers. Wenn man bestimmte Herrschaften – und es sind fast ausschließlich Herrschaften, die über Drogen singen – nach verdächtigen

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Zeilen filzt, findet man so gut wie nichts. Der Rap-Game-Song-Hybrid Dame ernährt sich lieber vegetarisch (kein Euphemismus), Gerard ernährt sich von Licht (gar nicht wahr) und Nazar ernährt sich von noch schlagenden Herzen von Neonazis (wirklich so gesehen). Drogen gibt es in ihren Songs keine.

Achtzig Einige Musiker sind wegen Drogen draufgegangen. So wie Hansi Lang, Hansi Dujmic und Hansi Hölzel. Hansi Dujmic war überhaupt eine sehr tragische Figur, einer seiner Songs stieg erst posthum in die Charts ein. Gestorben ist er bei einer nächtlichen Drogentour. Hansi Hölzel aka T>>Ma aka Falco irgendwie auch, als er vollgedröhnt von einem Bus gerammt wurde. Und bei Hansi Lang spielten Spätfolgen eine Rolle. Seine Sucht muss man eher zwischen den Zeilen heraushören. Bei Falco stand sie dagegen ganz am Anfang der Karriere, an ihrem Ende und auch dazwischen. »Ganz Wien« hatte er als Bassist bei Drahdiwaberl geschrieben. Der ORF hörte diesmal hin und setzte es 1981 auf den Index. Bei »Mutter, der Mann mit dem Koks ist da« war man 15 Jahre später nicht mehr so kleinlich. Wolfgang Ambros widmete weißem Schnee Anfang der 80er gleich ein ganzes Album und dankte Max Stramm für die gleichbleibende Qualität auf der Rückseite des Covers. In Wiener Liedern schaut man schon länger gerne nicht nur ins Glaserl. »Ganz Wien storniert den Wein und raucht sich nur mehr ein«, sang Ambros einige Jahre früher auf »Du schwoaza Afghane«, als psychedeli-

sche Gitarren, Heurigen-Melodien und Walzer-Rhythmus eine selige Melange eingingen.

Null Später war Ambros Teil der Supergroup Austria 3. Die anderen im Trio, Georg Danzer und Rainhard Fendrich, hatten mit Ambros gemein, dass sie – man ahnt es – früh schon Songs aufnahmen, in denen die Vorzüge des gedämpften Bewusstseins angepriesen wurden. Die 5/8erl, der Nino aus Wien und Voodoo Jürgens haben ebenfalls darüber gesungen. Ein bisschen baff war man womöglich, als Ja, Panik in »Run From The Ones That Say I Love You« von Heroin auf der Straße erzählten, das nicht anders schmeckt als am Schottentor. Es kommt in den allerbesten Kreisen vor und in den allerschlechtesten. Man findet den Stoff bei Bilderbuch, bei Wanda und der EAV, im Ghetto, im Club, in der Reihenhaussiedlung, in der Vorstadt und auf der Alm. Wobei man zugestehen muss, dass im Schlager kaum offen thematisiert wird, warum sich dort alle so Hulapalu fühlen. Die Drogerie ist gut bestückt. Man redet nur nicht darüber und überlässt es allen anderen, Hymnen zu schreiben. Nicht immer singen die, die süchtig sind, auch darüber. Und nicht immer sind die, die darüber singen, auch dauernd breit. Es gibt die, für die sind illegale Substanzen der Treibstoff ihrer Lieder und die, die eher beiläufig Lady C, Wundbenzin und Coca-i-Coca-i-Coca-Cola in ihren Werk-Körper einbauen. Schockieren kann man damit heute nicht mehr. Das ganze Dorf, die ganz Stadt, das ganze Land ist hoch wie nie. Stefan Niederwieser

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THEMENSPECIAL BILDUNG

Das Studium macht zwar meistens nicht die Musik, trotzdem können Lehrgänge im Bereich Musikbusiness dafür sorgen, dass durch Learning by Doing generiertes Wissen auf ein solides Fundament gehoben wird. ———— »Ich habe nie so richtig verstanden, warum es diesen Studiengang bislang noch nicht gab«, erklärt SAE-Lehrgangsleiterin Lea Spiegl, wenn sie auf das neue »Music Business«-Studium an der SAE angesprochen wird. Anderen Studienrichtungen im Bereich der Kreativwirtschaft sei es schließlich auch gelungen, sich erfolgreich zu etablieren. Dass es nun endlich passiere, sei vermutlich eine Reaktion auf eine ganze Reihe aktueller Entwicklungen am österreichischen Musikmarkt. Spiegl: »In typisch österreichischer Manier hat man sich die Sache also erst einmal in Ruhe angeschaut, bevor man wirklich aktiv wurde.« Als bislang erster Bachelor-Studiengang in Österreich widmet sich »Music Business« an der SAE zur Gänze der Musikwirtschaft und richtet sich dabei in erster Line an künftige A&R-ManagerInnen, Product- und PR-, Tour- und Artist-ManagerInnen, MusikverlegerInnen und Booking-Agents. Das Studium soll aber auch MusikerInnen, die sich selbst vermarkten möchten, ein solides Fundament bieten. Eine sinnvolle Brücke zwischen Kunst und Wirtschaft zu schlagen, die zukünftige Seiltänze zwar nicht vollkommen abschafft, sie in ihrer Anzahl aber zumindest etwas einschränkt, sei das Ziel der Ausbildung. Schließlich solle das vorhandenen künstlerische Potenzial optimal genützt werden und nicht irgendwo auf der Strecke bleiben.

Digitales und Soft Skills Als Lehrgangsleiterin konzentrierte sich Spiegl, bis zum Start des neuen Studiengangs im März, vor allem auf die Zusammenstellung des Curriculums. Weil das Studium in

Deutschland bereits angeboten wird, konnte sie sich zur Bewältigung dieser Aufgabe zwar auf einen bereits vorhandenen Lehrplan stützen, den übrigen gestalterischen Freiraum nützte sie aber dafür, ihre eigenen Vorstellungen zu Papier zu bringen: »Die Basis war zwar da, dennoch war es wichtig einzelne Bestandteile davon auf den österreichischen Musikmarkt umzumünzen. Jeder Markt hat schließlich ganz eigene Bedürfnisse. Auf zwei Punkte habe ich mich dabei ganz besonders konzentriert: einerseits auf die digitale Musikwirtschaft, andererseits auf die Soft Skills. Gerade von größeren Labels höre ich immer wieder, dass das Thema Kommunikation ein immens wichtiges ist.«

he des Unterrichts gewährleistet, sondern den Studierenden auch die Möglichkeit gibt, schon während ihrer Zeit an der SAE ein möglichst stabiles Netzwerk zu knüpfen.

Wissen, was zu tun ist Spiegl plaudert aus dem sogenannten Nähkästchen, wenn sie darüber spricht, wie wertvoll es sein kann, bereits in Learning-by-Doing-Manier erworbenes Wissen auf eine gute Basis zu stellen. »Als ich von 2014 bis 2016 in einer Musikagentur gearbeitet habe, lief das ziemlich nach dem Learning-by-Doing-Prinzip ab.« So entschied sie sich schließlich dazu, sich für den einsemestrigen Zertifikatslehrgang »Musikwirtschaft« an der FH Kufstein einzuschreiben,

»Gerade von größeren Labels höre ich immer wieder, dass das Thema Kommunikation ein immens wichtiges ist.« — Lea Spiegl, SAE Dass es am neuen SAE-Campus in der Wiener Innenstadt ab März in erster Line aber natürlich darum gehen soll, die Studierenden mit dem nötigen Rüstzeug für ihre späteren Aufgabenbereiche auszustatten, liegt nicht nur nahe, sondern wird im Gespräch mit der jungen Lehrgangsleiterin auch deutlich spürbar. Um diesen Anspruch mit der notwendigen Dosis an Authentizität und Praxisnähe zu unterfüttern, war es ihr wichtig, einen Querschnitt der österreichischen Musiklandschaft in die Klassenzimmer der SAE zu bringen. Das bedeutet: Hier sind ausschließlich PraktikerInnen am Werk. Was nicht nur die notwendige Praxisnä-

der in Kooperation mit dem Label Ink Music initiiert worden war. Aufgrund seiner kompakten Länge von einem Semester, bezeichnet sie den Lehrgang als »eine Art Crashkurs«, der es innerhalb sehr kurzer Zeit schafft, den Studierenden die wichtigsten Werkzeuge in die Hand zu drücken, um sie dann damit guten Gewissens wieder aufs Feld zu schicken. Da auch bei diesem Lehrgang speziell darauf geachtet wird, die Lehrenden so auszuwählen, dass sich Theorie und Praxis im Hörsaal unweigerlich miteinander verbinden, ist Praxisnähe in Kufstein einer der Schlüsselbegriffe. Und natürlich umfasst eine solch

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Musik und Wirtschaft in Einklang bringen

Ausbildungsmöglichkeiten im Bereich Musikwirtschaft The_Gap_173_010-043_Story_PACK_mf.indd 36

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starke Anbindung an die Praxis auch die ständige Erweiterung des eigenen Netzwerks. Lea Spiegl bezeichnet das Netzwerk deshalb überhaupt als das »Kapital der gesamten Kreativwirtschaft«. Sie ist sich sicher, dass Lehrgänge wie jener an der FH Kufstein, sinnvoll dazu beitragen können, dieses Kapital wachsen zu lassen. Wie wertvoll das eigene Netzwerk sein kann, zeigte sich beispielsweise, als es darum ging, erfahrene, praxisnahe Lehrende für den neuen Studiengang an der SAE zu gewinnen – von Nuri Nurbachsch (Sony Music) über Peter Tschmuck (Institut für Kulturmanagement und Gender Studies, Universität für Musik und darstellende Kunst) und Pinie Wang (A1 Xplore Music) bis hin zu Sandra Walkenhofer (Earcandy Entertainment).

AbsolventInnen beim Branchenprimus

Lea Spiegl, Lehrgangsleiterin an der SAE und Absolventin der FH Kufstein. Für beide Bildungseinrichtungen ist Praxisnähe ein Schlüsselthema.

Seit September 2017 gibt es den Lehrgang »Musikbusiness« am WIFI Wien bereits. Mitunter auch ein klares Zeichen dafür, dass das

ASTRID SONNE ATTILA & GOLDBERG BENDIK GISKE BJARKI CATTA CITIZENS DAF DECEMBER DEENA ABDELWAHED DORIAN CONCEPT EWA JUSTKA GIK ENSEMBLE GRRRLS DJ CREW IILW-KOLLEKTIV IKONIKA INOU KI ENDO JAYDA G KAJKYT KASSEL JAEGER KEITH FULLERTON WHITMAN KELLY MORAN KODE9 X KOJI MORIMOTO KONX OM PAX LADY LYNCH LEE GAMBLE

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»Am positivsten ist mir in Erinnerung geblieben, dass die Unterrichtenden allesamt aus der Branche kamen.« — Navneet Sidhu, WIFI-Absolventin

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WIFI, zumindest teilweise, von seinem leicht angestaubten Image befreit wurde. Unter den AbsolventInnen befinden sich viele, die jetzt im Eventmanagement, vor allem bei Festivals, arbeiten, aber auch einige, die bei Labels untergekommen sind oder sich mit einer Agentur selbstständig gemacht haben. Navneet Sidhu ist eine dieser AbsolventInnen und hat, nach ihrer FH-Ausbildung im Bereich Medien- und Kommunikationsberatung, eigentlich durch Zufall vom Lehrgang erfahren. »Am positivsten ist mir in Erinnerung geblieben, dass die Unterrichtenden allesamt aus der Branche kamen. Es waren Namen, die man, sofern man sich schon einmal mit dem Gebiet beschäftigt hat, einfach kannte.« Durch den Lehrgang, der ebenfalls nur ein Semester dauert, gelang es Navneet aber nicht nur ihrem bisherigen Wissen im Bereich Musik- und Eventmanagement einen passenden Rahmen zu geben, sondern sie wusste plötzlich auch, dass sie nicht, wie bisher geplant, ins Eventmanagement, sondern eher in Richtung Label gehen möchte. »Davor war ich von dieser Vorstellung eher etwas abgeschreckt, das hat sich durch den Lehrgang allerdings grundlegend geändert.« Ihre neuen Karrierevorstellungen hat Navneet nach dem Lehrgang auch gleich in die entsprechenden Bahnen gelenkt und beim Branchenprimus Universal Music als Junior Promotion Managerin begonnen. Wie die WIFI-Absolventin Stefanie Summerauer, Musikerin und Initiatorin der Konzertreihe Tram Sessions, erklärt, stellt der Lehrgang aber auch eine gute Gelegenheit dar, um eigene Musikprojekte wieder besser in den Blick zu bekommen. Sie empfiehlt ihn deshalb allen, die sich im Bereich Musikmanagement besser zurechtfinden möchten – also auch allen MusikerInnen, die sich mit wichtigen Basics auseinandersetzen wollen. »Wie zum Beispiel mit der Frage, was die AKM eigentlich tut«, fügt sie hinzu und lacht.

Angrenzendes Der Universitätslehrgang »Kulturmanagement« am Institut für Kulturmanagement und Gender Studies an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien grenzt an das Themenfeld Musikbusiness an oder schließt

es, besser gesagt, eigentlich mit ein. Seit 2017 ist der auf ein bereits abgeschlossenes Hochschulstudium aufbauende Studiengang noch praxisorientierter angelegt. Durch die Arbeit an einem eigenen Projekt, das über drei Semester entwickelt wird, soll das in den vorangegangenen Semestern erworbene Wissen vertieft werden. Insgesamt nimmt der Studiengang vier Semester in Anspruch. Wer über die Grenze und nach Deutschland schaut, findet in Ismaning bei München die Triagon Academy, die einen einjährigen berufsbegleitenden Bachelor mit dem Titel »Musikmanagement« anbietet. Auch hier geht es darum, die Grundlagen in den Bereichen Künstlerbetreuung, Konzertplanung, Vertragsrecht, Urheberrecht, Marketing, Musikwirtschaft und Eventmanagement zu erlernen. Um den Studierenden eine möglichst flexibel Zeiteinteilung zu ermöglichen, kommt ein Blended-Learning-Konzept zum Einsatz, das E-Learning-Module und Webinare mit anwendungsorientierten Präsenzphasen verknüpft. Die Deutsche Pop ist mit mehreren Standorten in Deutschland und einem Standort in Wien ebenfalls ein wichtiger Teil der Ausbildungslandschaft rund um Musikbusiness und Musikmanagement. Im kreativwirtschaftlich ausgerichteten Portfolio der Schule findet sich nämlich auch ein Bachelor-Lehrgang mit dem Titel »Music Management«, der die Studierenden mit dem notwendigen Wissen über wirtschaftliche Zusammenhänge und kommerzielle Verwertbarkeit ausstatten möchte. Von den Preisen der hier vorgestellten Kurse sollte man sich im Übrigen nicht sofort abschrecken lassen – um Zweifel und Entmutigung wieder etwas aus dem Weg zu räumen, lohnt sich eine kleine Exkursion in die österreichische Förderlandschaft. Sarah Wetzlmayr

— www.sae.edu — www.fh-kufstein.ac.at — www.wifiwien.at — www.mdw.ac.at — www.triagon-academy.com — www.deutsche-pop.com

Die New Design University ist die Privatuniversität der Wirtschaftskammer NÖ und ihres WIFI

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THEMENSPECIAL BILDUNG

Eigentlich wollte unsere Autorin nur einen Text über eine ihr allzu bekannte Frage und den Umgang damit schreiben. Dabei stellte sich heraus: Das Problem liegt viel tiefer. ———— Ich habe diese Frage oft gehört. Ich musste sie auf Partys und Familienfeiern, in Supermärkten und Cafés beantworten. Manchmal hatte mein Gegenüber mehr Verständnis, manchmal weniger. Oft war ich schlagfertiger, als ich dachte, dann fiel mir wieder keine Antwort ein; hin und wieder hatte ich gar keine Lust darauf, das bedeutete dann: Themenwechsel. Die Rede ist von der Frage, die vielen (ehemaligen) Studierenden der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften bekannt vorkommen wird: »Was kann man denn damit machen?« Sicher, meist wird sie mit guten Intentionen gestellt: von Oma, die nicht weiß, was man nach der Schule macht, von Freunden vom Land, die schon im Berufsleben stehen, von der besten Freundin, die Wirtschaft studiert; sicher, man könnte diese Frage als Small Talk abtun, als Interesse an der eigenen Person. Man soll ja viele Fragen stellen, und nur über das Wetter reden oder sonstige SmallTalk-Szenarien durchklopfen – das geht ja auch nicht. Eigentlich. Denn bei genauerer Betrachtung ist diese Frage durchaus auch Teil eines größeren Narrativs darüber, was es heißt, ein mehr oder weniger wertvolles Mitglied unserer Gesellschaft zu sein bzw. als solches betrachtet zu werden.

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Arbeit und Bildung sind überall Laut Studien schätzen Menschen innerhalb von Sekunden ein, ob sie jemanden sympathisch finden. Ebenso haben wir es seit den Stammbüchern zu Kindergarten- und Volksschulzeiten und durch »Und was machst du so?«-Gespräche auf Partys gelernt, Menschen anhand verschiedener Kategorien – wie etwa

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Alter oder eben Arbeit bzw. zukünftiger Arbeitsbereich – Fragen zu stellen. Und da viele eine Arbeit haben oder haben wollen bzw. sich in irgendeiner Form von Ausbildung befinden – eignen sich Gespräch über Schule, Uni und Arbeit meist, um ein Gespräch anzufangen. Dies geschieht im Alltag, oft unbewusst, wie ein Programm, das sich von selbst abspielt, ein ständiges Rauschen im Hintergrund. Der Mechanismus lässt sich nicht nur in alltäglichen Situationen beobachten, sondern auch auf dem Dating-Markt: Laut der Partnerbörse Elite Partner bevorzugen Männer Frauen, die als Ärztin, Krankenschwester oder Wissenschafterin arbeiten, während Frauen Männer bevorzugen, die als Arzt, Handwerker oder Architekt tätig sind. Selbst in Cas-

Auch in aktuellen Diskussionen über die Arbeit der Zukunft oder das bedingungslose Grundeinkommen wird mitunter über den identitätsstiftenden Beitrag von Arbeit diskutiert. Und die berühmte Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal« machte die die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf den Menschen sichtbar. (Fehlende) Arbeit – und damit verbunden Bildung sowie Ausbildung – sind also zentrale Themen alltäglicher wie gesellschaftlicher Diskurse.

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Über den Wert eines Studiums »Was kann man denn damit machen?«

»Bildung statt Ausbildung« Doch vor der Arbeit kommt – zumindest bei einigen – die Zeit des Studiums: So waren im Wintersemester 2017/2018 laut Statistik Austria 382.945 Menschen für ein Studium

»Bei genauerer Betrachtung ist diese Frage durchaus auch Teil eines größeren Narrativs darüber, was es heißt, ein mehr oder weniger wertvolles Mitglied unserer Gesellschaft zu sein.« tingshows, die eigentlich ein anderes Ziel verfolgen (den nächsten »Superstar« oder die »große Liebe« finden) werden Menschen mit ihren Jobs oder Studien verbunden: Da ist es dann die empfindsame Ethnologie-Studentin Eva, die sich mit einer Ballade in den Recall singt, oder der fröhliche Fernfahrer Ferdinand, der die Frau fürs Leben sucht. Die Bespiele sind erfunden, sie könnten sich aber so oder zumindest so ähnlich in einer RealityTV-Show zugetragen haben.

an einer österreichischen Universität eingeschrieben. Es ist seit der Einführung der Bologna-Struktur viel über die Verschulung des Studiums und Zugangsbeschränkungen, über (Un-)Sinn der neuen Studienpläne und Abschlüsse geschrieben worden. Im Herbst jährt sich zudem der Beginn der Studierendenproteste #unibrennt zum zehnten Mal. Den Studierenden ging es auch um die Kritik an diesem neuen System; ein Slogan der Proteste lautete: »Bildung statt Ausbildung«.

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»Man könnte sich gerade in Anbetracht des aktuellen Hypes um Technologien fragen, warum es nicht schaden würde, hätten Geistes-, Sozial- und KulturwissenschafterInnen hier etwas mehr zu sagen.«

Strategien zum Umgang mit der Frage »Was kann man denn damit machen?« Mit »nichts« oder »alles und nichts« antworten. Das Gegenüber mit dem Thema der aktuellen Seminararbeit nerven. Statistiken zitieren, wonach mitunter vor allem BWL- und JusStudierende von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Erfolgsstorys von StudienabbrecherInnen – wie etwa Mark Zuckerberg, Bill Gates, Mick Jagger oder Steve Jobs – ansprechen. Damit antworten, dass unsere Generation niemandem Erfolg schuldet. Einfach ironisch mit »Ich werde eh einmal Influencer« antworten. Jede Diskussion damit beenden, dass sich die Arbeitswelt ohnehin in den nächsten Jahrzehnten stark verändern wird. Stichwort: Roboter.

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Womit wir wieder bei der Frage »Was kann man denn damit machen?« wären. Stellt auch sie – ob der/dem FragestellerIn bewusst oder nicht – den (späteren) ökonomischen Wert der Person, der die Frage gestellt wird, in den Mittelpunkt; ist denn auch sie ein weiterer Beleg für die Ökonomisierung der Gesellschaft bzw. der Bildung; schwingt doch bei der Frage ein gewisser Unterton mit und der Gedanke, dass die Studien A, B oder C nur Daseinsberechtigung hätten, wenn sie zu den Jobs D, E oder F führten. Dass man überhaupt studiere, um damit später »etwas machen« zu können. Dass gerade Studien der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften vielmehr darauf ausgelegt sind (oder zumindest sein sollten), kritisches Denken zu schulen und bestehende gesellschaftliche Paradigmen zu hinterfragen sowie die eigene Persönlichkeit durch die Auseinandersetzung mit wissenschaftlicher Literatur zu prägen – das scheint viele nicht besonders zu interessieren. Dass ebenso gerade viele Studierende dieser Studien während ihres Studiums und/ oder danach unzählige (nicht oder schlecht) bezahlte Praktika machen (müssen) und dadurch praktische Erfahrungen erhalten, dass es oft diese Studierende sind, die besonders viel Leidenschaft und viel Einsatzkraft für ihr (Studien-)Gebiet haben, und dass ohnehin seit Jahren vom Konzept des lebenslangen Lernens die Rede ist – das soll hier nur am Rande erwähnt werden. Ebenso der Umstand, dass die Frage »Was kann man denn damit machen?« und die damit einhergehende Reduktion auf den ökonomischen Wert eines Menschen sich auch in anderen Bereichen zeigt: Etwa bei der Diskussion darüber, ob ein Land nur »gut ausgebildete« Flüchtlinge aufnehmen soll oder wie wir mit Menschen mit Behinderungen oder arbeitsunfähigen Menschen umgehen (sollen).

Viel wurde in den letzten Jahren auch über MINT-Fächer geschrieben, also jene aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. So spürt Österreich, unzähligen Artikeln zufolge, den IT-Fachkräftemangel besonders stark. Die oft zitierten »brotlosen« Studiengänge fallen in Diskursen eher zurück. Dass nicht jeder ein MINT-Fach studieren kann oder sogar will, das sollte – trotz deren Wichtigkeit – nicht weiter erwähnenswert sein. Vielmehr könnte man sich gerade in Anbetracht des aktuellen und vermutlich anhaltenden Hypes um Technologien fragen, warum es nicht schaden würde, hätten Geistes-, Sozial- und KulturwissenschafterInnen hier etwas mehr zu sagen.

Essenzieller denn je So schreibt etwa der irische Universitätsprofessor und Autor John Naughton in einem Artikel in The Guardian: »Now mathematics, engineering and computer science are wonderful disciplines – intellectually demanding and fulfilling. And they are economically vital for any advanced society. But mastering them teaches students very little about society or history – or indeed about human nature. As a consequence, the new masters of our universe are people who are essentially only half-educated. They have had no exposure to the humanities or the social sciences, the academic disciplines that aim to provide some understanding of how society works, of history and of the roles that beliefs, philosophies, laws, norms, religion and customs play in the evolution of human culture.« Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften schärfen den Geist. In einer krisengeprägten Gesellschaft – man denke etwa an die Finanzkrise(n) oder die Klimakrise – sind sie essenzieller denn je. Barbara Fohringer

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THEMENSPECIAL BILDUNG

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10 Jahre #unibrennt Sprühkerzen für das Feuer von damals »Wessen Uni? Unsere Uni«, so lautete eine der wichtigsten Parolen der #unibrennt-Bewegung von 2009. Schlussendlich ging es auch genau darum – um jene Aneignung, die zu einer möglichen Befreiung führt. ———— Obwohl heute, fast zehn Jahre später, meistens vor allem mit der Besetzung des Audimax der Universität Wien in Verbindung gebracht, zeichnete die Uniproteste, die am 20. Oktober 2009 an der Akademie der bildenden Künste begannen, vor allem eines aus: Es handelte sich dabei um eine Bewegung. Und es musste auch eine bewegte Zeit sein: »Vor allem in den ersten Wochen des Protestes waren es die Euphorie und die daraus resultierende Energie, die es möglich gemacht haben, dass man rund um die Uhr und praktisch ohne Schlaf Dinge auf die Beine stellt«, erklärt Christoph Hubatschke, der gerade an seiner Dissertation am Institut für Philosophie schreibt und von Beginn weg bei den Protesten dabei war. Diese Aufbruchsstimmung ist es auch, die immer wieder angesprochen und in Texten und Gesprächen schön eingerahmt als Abbild der Protestbewegung präsentiert wird. Der viel zitierte Aufbruch war zu dieser Zeit aber nicht nur zu spüren, sondern auch zu hören und zu lesen. So wurde mit der Debatte um die Hochschulbildung ein Themenkomplex aufgebrochen, der zuvor nur hin und wieder angegriffen, aber nur selten wirklich angepackt worden war. Egal ob in der U-Bahn, im Café Landtmann oder beim Zielpunkt ums Eck – Bildung war plötzlich überall Thema. »Um etwas in diesem Maße zum Thema zu machen, braucht es auf jeden Fall eine Bewegung. Es braucht aber auch einen Ort, von dem alles ausgeht, und eine gute Vernetzungsstrategie. Wichtig ist, das Thema aktiv und am Brodeln zu halten. Das klappt nur mit einer Bewegung«, so Hubatschke.

Ausprobieren statt Ausbildung Für ihn war es aber nicht nur das bewegteste, sondern auch das produktivste Semester. »Auch das intensivste, aus verschiedenen Gründen. Sicher war es auch anstrengend, aber auf eine gute Art und Weise.« Jetzt, im Nachhinein, bezeichnet er die Protestbewe-

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gung deshalb als »Schule für politische Organisation und Aktivismus«, die nicht nur damals sehr prägend war, sondern auch einen neuen Weg für ihn eröffnet hat – einen, der ihn auch nach der Räumung des Audimax am 21. Dezember 2009 und den darauffolgenden Aktionen, zur Auseinandersetzung mit Bildungsthemen geführt hat. Auch für Johannes Ruland, der damals gerade Soziologie in Wien studierte und jetzt im Referat für Studien- und MaturantInnenberatung der ÖH arbeitet, war #unibrennt eine eigene Schule innerhalb der großen Bildungsinstitution Universität. »Ich habe Dinge gelernt, mit denen ich mich sonst gar nicht erst beschäftigt hätte. Layouten zum Beispiel – um Buttons für den Infotisch zu erstellen. Im Grunde war es ein Ausprobieren, denn es musste ja schließlich gemacht werden«, so Ruland. Vielleicht ist ja das dieses »Lernen fürs Leben«, von dem die LehrerInnen in der Schulzeit schon immer gesprochen haben. Was während der Schulzeit aber noch mit Trotz und prinzipiellem Welthass beantwortet wurde, bekam während der Proteste den Stempel – oder eben Button – des politischen Aktivismus aufgedrückt. Vielleicht trifft es aber auch genau jenen Punkt, der 2009 zu den wichtigsten Forderungen der Protestbewegung gehörte. Dass die Uni ein Ort ist, an dem man sich ausprobieren kann, der

Freiräume schafft, um zu denken und nicht gleich umzusetzen, weiß jene Generation, zu der auch Johannes Ruland und Christoph Hubatschke gehören, schließlich nur noch aus Erzählungen. Die Verschulung und das damit verbundene enge Zeitkorsett zeichneten sich zwar zuvor schon im Studienalltag und in den Studienplänen ab, wurden aber durch die Einführung der Bachelor- und Masterstudienpläne zur festgeschriebenen Realität. Der Kampf gegen die Verschulung der Studienpläne, die so rein gar nichts mehr mit der vielzitierten »Schule des Lebens« zu tun hatten, stand deshalb auch sehr schnell ganz oben auf der Agendenliste der Bewegung. »Bildung vor Ausbildung« – so lautete eine der wichtigsten Parolen im Wintersemester 2009.

Kein messbarer Erfolg Weil der Aufbruch – mitsamt seiner Stimmung – nicht zum erhofften Umbruch führte, wurde #unibrennt in den vergangenen Jahren vielfach für gescheitert erklärt. Hubatschke sieht das allerdings etwas anders. Nicht nur weil er, wie bereits erwähnt, im Zuge der Protestbewegung eine Schule für politische Organisation durchlaufen durfte, sondern auch, weil er sieht, dass sich auch politisch und universitär etwas getan hat: »In der Politikwissenschaft hatten wir schon zwei Jahre vor #unibrennt immer wieder Protestwellen. Der Studien-

»Um etwas in diesem Maße zum Thema zu machen, braucht es auf jeden Fall eine Bewegung. Es braucht aber auch einen Ort, von dem alles ausgeht, und eine gute Vernetzungsstrategie.« — Christoph Hubatschke

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Besetzt oder befreit? Die Verschulung der Studienpläne ist bis heute jedoch ganz eindeutig weiter vorangeschritten. Zugangsbeschränkungen und die Ausweitung von Aufnahmeprüfungen machen es Studierenden ebenfalls nicht einfach. Ruland: »Ich bin sicher, dass so etwas wie #unibrennt immer passieren kann und auch wird. Auch im Nachhinein ist nicht wirklich erklärbar, warum die Protestwellen davor eher überschaubar geblieben sind und ausgerechnet diese so groß geworden ist.«

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Bilder aus der Dokumentation »#unibrennt – Bildungsprotest 2.0«, die 2010 fertiggestellt wurde und die Geschichte der Protestbewegung erzählt.

Sowohl Ruland als auch Hubatschke glauben also daran, dass es jederzeit wieder zu so einem groß angelegten Protest kommen könnte. Ob ein kurzes Aufflackern dann aber auch wirklich dazu führt, dass binnen weniger Wochen die Universitäten in ganz Europa »brennen«, lässt sich genauso schwer bemessen und errechnen wie der Erfolg der Bewegung von 2009. All jene Dinge, die zwischen dem 20. Oktober und dem 21. Dezember passiert sind, entstanden schließlich aus einem Moment heraus. Ein Moment, der nur kurz Gegenwart war und sich danach so unglaublich schnell in eine mögliche, bessere Zukunft verwandelte, dass er sich nur schwer ergründen und definieren lässt. Für viele, die damals studiert haben, war die Bewegung die wichtigste Proseminararbeit ihres ganzen Studiums. Vielleicht sogar die wichtigste Seminararbeit. Das liegt vor allem daran, dass im Zuge der Bewegung deutlich mehr Leute ihre Stimme erhoben und so zu ihr gefunden haben, als in den zahlreichen angebotenen Seminaren an den Universitäten. Hier zeigten plötzlich fast alle auf und nicht nur jene zwei Studierenden, die sonst in jeder Stunde und jedem Seminar mindestens einmal ihre Hand hoben. Letztlich war die Besetzung also eine Befreiung. Auch dieser Erfolg lässt sich nicht messen, spürbar war er aber allemal. Sarah Wetzlmayr

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plan stieß damals bei den Studierenden nicht wirklich auf große Zustimmung und STEOPs waren bereits absehbar. Schon zu dieser Zeit haben wir damit begonnen Studienpläne umzustellen – gemeinsam mit den Lehrerenden. Dadurch haben sich die Studienpläne doch etwas verbessert. Dazu kam, dass nach 2009 die ÖH-Wahlbeteiligung gestiegen ist. Ich werte das durchaus als Zeichen dafür, dass plötzlich einfach mehr Bewusstsein dafür da war, dass man sich auf der Uni politisch engagieren kann und auch muss.« Johannes Ruland misst den Erfolg von #unibrennt anhand ähnlicher Kriterien: »Der Erfolg der Bewegung lässt sich nicht konkret festmachen und messen. Aber man weiß jetzt einfach, dass so etwas entstehen und groß werden kann.« Klare Sicht auf die Erlebnisse von damals zu behalten, fällt allerdings oft schwer. Dabei war natürlich nicht immer alles nur gut. So kamen während der Zeit der Besetzung auch Übergriffe zur Sprache, und die von der Bewegung praktizierte Basisdemokratie stieß hin und wieder an ihre Grenzen. »Natürlich sind auch Dinge passiert, die man aus heutiger Sicht kritisch bewerten muss«, meint Ruland. »Verfällt man hier in ein Narrativ der Verklärung, hängt das meist damit zusammen, dass man nach Orientierungspunkten sucht, nach der großen Fußspur, an der man sich festhalten kann. Die Situation hat sich in der Zwischenzeit aber geändert. Die Sehnsucht danach wieder eine solche Fußspur zu hinterlassen – und meistens bleibt es bei dieser Sehnsucht – verhindert möglicherweise aber den Blick auf die aktuelle Situation.«

Der Verlauf Ausgangspunkt der #unibrennt-Bewegung war die Besetzung von Teilen der Akademie der bildenden Künste am 20. Oktober 2009 als Protest gegen die dort geplante Einführung der BolognaStruktur. Von dieser Aktion ausgehend wurde am 22. Oktober der größte Hörsaal der Universität Wien, das Audimax, besetzt. Am 27. Oktober dehnten sich die Proteste auf Linz, Graz und Klagenfurt wie auch auf andere Wiener Uni-Standorte aus. Danach auch auf Salzburg und Innsbruck und schlussendlich auf viele europäische Städte. Am 21. Dezember 2009 wurde das Audimax von Polizeibeamten geräumt.

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Workstation Menschen am Arbeitsplatz Armin Rudelstorfer

Jana Wachtmann

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Clemens Bayer

Kulturvermittler, Technisches Museum Wien »Kein Tag ist wie der andere, das finde ich besonders schön«, schwärmt Clemens Bayer von seinem Job als Kulturvermittler im Technischen Museum Wien. Ob Wiener Kindergarten oder amerikanische Reisegruppe – auf jede Führung müsse er sich individuell einstellen. Dass er dabei tagtäglich neue, spannende Dinge lernen und sich überlegen darf, wie er diese den BesucherInnen näherbringen kann, lässt ihn gar von einem »Traumberuf« sprechen. Eine Herausforderung sei es dabei, aus den Tausenden von Objekten des Museums die jeweils passenden herauszusuchen – und diese dann noch in eine interessante Geschichte zu verpacken. Ein besonders beeindruckendes Exponat ist etwa der »binär dezimale Volltransistor-Rechenautomat« mit dem Namen »Mailüfterl«, vor dem Clemens im Bild zu sehen ist. Er gilt als der erste Computer auf dem europäischen Festland, der vollständig mit Transistoren arbeitete, und wurde von 1955 bis 1958 an der TU Wien gebaut.

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Birgit Scholin

Animationskünstlerin und Kunstlehrerin Die kleine Figur am Tisch neben Birgit Scholin ist Darsteller in einem ihrer Animationsfilme und trägt den Namen Herr Korbes. Die in Villach geborene und in Wien lebende Künstlerin studierte an der Universität für angewandte Kunst sowie an der Kunstuniversität Linz. Die Charaktere ihrer Trickfilmarbeiten mit Titeln wie »Das Reale ist nicht unmöglich« (2015) oder »Family Portrait« (2012 / 2013) lässt sie durch subtile Gesten zum Leben erwachen. Die Atmosphäre, die sie dabei etabliert, ist von einer teils bedrückenden Tristesse. Ebenfalls sehr stimmungsvoll: Ihr Musikvideo zum Song »Leichtmatrosenlied« von Vienna Rest In Peace. Birgit beschäftigt sich aber nicht ausschließlich mit Animation, sondern gestaltet auch Installationen und Grafiken, die sich mit Themen wie Weiblichkeit, Mutterschaft und Geburt auseinandersetzen. Und sie unterrichtet darüber hinaus als Kunstlehrerin.

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PROSA — LAURA FREUDENTHALER

GEHEN

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Für ihren Debütroman »Die Königin schweigt« erhielt Laura Freudenthaler einiges an Auszeichnungen und Lorbeeren. »Geistergeschichte« heißt ihr neuer Roman. Darin gönnt sich die Heldin Anne ein Sabbatical und streunt durch die Stadt. Schrittweise löst sich dabei ihr bekanntes Leben auf. Ein Vorabdruck.

Auf dem Weg zum Kaffeehaus lässt die Übelkeit nach. Anne hat Hunger, stärker, gieriger, als sie das vor allem morgens von sich kennt. Sie bestellt die Semmel diesmal mit Schinken. Sobald sie aufgegessen hat, bezahlt sie. Es treibt sie hinaus aus dem Kaffeehaus, es treibt sie weiter. Sie marschiert nach einem Rhythmus, der mehr ein Schlagen ist, zwei Takte, zweimal kurz, einmal lang, zweimal kurz, zweimal lang. Auch das Gehen hat etwas Gieriges, ihre Schritte fressen den Weg, den sie zurücklegt. Immer geradeaus muss sie schauen, um Hindernissen auszuweichen, vor sich auf den Boden, ein paar Schritte voraus. Hin und wieder den Kopf heben, um abzuschätzen, was kommt. Wenn eine Ampel auf Rot steht, weicht Anne aus, wohin, ist ihr gleichgültig. Zweimal kurz, einmal lang, zweimal kurz, zweimal lang, ein Ausfallschritt wie ein Aufstampfen. In weniger belebten Straßen kann Anne den Blick heben und feststellen, dass sie hier noch nie war. In einer Erdgeschoßwohnung lehnt einer am Fenster und schaut hinaus. Zweimal kurz, zweimal lang, Ausfallschritt. Anne folgt dem Faden, der sie zieht, bis irgendwann ein Schritt weicher ist als der vorherige. Irgendwann, aber bis dahin ist es weit, bleibt ein Schlag aus, zu dem sie den Fuß gehoben hat, ist das Auftreten sachter. Irgendwann lässt der Zug nach, aber nie weiß Anne, wie viele Schritte nötig sein werden, um die Unruhe aufzubrauchen. Wenn es soweit ist, sieht Anne sich um, nach einer Bank, einem Mäuerchen, wo sie sich setzen und die Spuren ihres Marsches untersuchen kann. Manche Folgen sind erst am nächsten Tag zu spüren. Als sie noch Schuhe mit Absätzen trägt, bleibt ein Brennen hinten an den Waden. Wenn sie sich Blasen gelaufen hat, beschließt Anne, am nächsten Tag zu ruhen, aber jedes Mal zieht es sie trotzdem irgendwohin, dem Schlagen nach, zweimal kurz, einmal lang, zweimal kurz, zweimal lang, Ausfallschritt. Es nützt nichts, dass sie spürt, wie der Druck auf eine Blase hinten an der Ferse oder unten am Fußballen stärker wird. Sie kann nun zwischen Blut und Gewebeflüssigkeit unterscheiden, sie kennt den klebrigen Schmerz, wenn eine Blase sich öffnet, die Nässe von Blut und das Gefühl, als wühle ein stumpfes Messer in den Fersen. Anne kauft

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Blasenpflaster. Sie hat nicht gewusst, dass es für alle möglichen Stellen verschiedene Ausführungen gibt. Nässende Wunden oder prallgefüllte Blasen verschmelzen mit dem Pflaster, wenn sie am Abend im Bett liegt, streichen Annes Finger wieder und wieder über die weißliche Plastikhaut. Nach etwa eineinhalb Stunden Marsch beginnt Annes rechte Schulter zu schmerzen. Das Schlüsselbein scheint sich zu verschieben und in den Brustkorb zu stechen, das Schulterblatt verhakt sich und reißt bei jedem Schritt an der Muskulatur rundherum. Anne hat den Verdacht, dass an dieser Schulter der Faden befestigt ist, der sie vorwärtszieht, und tatsächlich verschwinden die Schmerzen, als das Gehen zur Gewohnheit wird. Anne begreift, dass sie jeden Tag gehen wird, vorerst. Sie trägt nur noch die Schnürschuhe, von denen sie jetzt weiß, dass es die einzigen brauchbaren Schuhe sind, die sie besitzt. Röcke und Kleider zieht sie nicht mehr an, auch keine Blusen, nur noch Leibchen und Pullover. Die Handtasche ersetzt sie durch einen Rucksack. Im Kaffeehaus isst Anne zur Schinkensemmel ein weiches Ei. Nach dem zweiten Espresso bezahlt sie und macht sich zu ihrer Wanderung auf. Der Rhythmus hat sich verändert, dreimal kurz, zweimal lang, dreimal kurz, zweimal lang, er trägt nun statt zu treiben. Trägt sie einen Anstieg hinauf, der dauert und noch einmal steiler wird. Dreimal kurz, zweimal lang, dreimal kurz, zweimal lang, die Vierteltöne werden zu halben, langsamer, dafür ausdauernd. Endlich bleibt Anne auf einem Platz stehen wie auf einem Plateau. Sie hat das Flachland hinter sich gelassen, auf dem Platz tost rund um eine Insel der Verkehr. Von hier aus erkundet sie den unbekannten Stadtteil. Es ist eine Hügellandschaft und eine Zeitlang kehrt Anne täglich in dieses Auf und Ab zurück, folgt den Gassen, die in einen offenen Himmel führen, weil sie sich dort nach unten senken, und dem nächsten Anstieg auf eine der runden Hügelkuppen. Die Sonne dringt durch den Winterdunst, der an diesem Tag herbstlich anmutet, und Anne geht an einem Mann vorüber, der in sein Telefon Arabisch spricht. Sie will sich umdrehen, verlangsamt ihren Schritt, geht doch weiter, behält ihren Rhythmus, will nicht aus der Wirklichkeit geraten, die da entstanden ist,

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Marianne Andrea Borowiec

aus der dunstigen Sonne und dem Arabisch sprechenden Mann und den über Kuppen gerundeten Straßen. Sie würde gerne hierbleiben und sich umsehen, in Paris, vor vielen Jahren, aber da sie weiß, es handelt sich um eine Täuschung, die jeden Moment brechen kann, geht Anne gleichmäßig weiter, dreimal kurz, zweimal lang. Dreimal kurz, zweimal lang, die Sonne scheint noch immer durch den Dunst, den Mann hört sie nicht mehr sprechen, aber von irgendwoher Kinderlärm, wie aus einem Schulhof hinter einem Gittertor. Anne folgt der Straße über den offenen Himmel hinaus nach unten, weiter nach unten, sie scheint am Rand der Hügellandschaft angekommen und steht auf einer grün gestrichenen Fußgängerbrücke, die über einen Güterbahnhof führt. Sie glaubt sich nach wie vor in ihrer Täuschung, als von hinten eine Stimme herankommt, die jedoch deutlicher wird und wirklich. Schritte von drei Menschen, die an ihr vorbeigehen, weiter über die Brücke, die Stimme erklärt und erzählt und immer noch hört Anne das klare, freundliche Französisch eines gebildeten jungen Mannes, der seinen aus Paris angereisten Eltern die Stadt zeigt, in der er lebt. Die Eltern sind kleiner als er, an ihren Mantelrücken sieht Anne die Zufriedenheit und den Stolz auf den wohlgeratenen Sohn. Petit bourgeois. In der Mitte der Brücke dreht er sich um, deutet mit einem Arm, die Köpfe der Eltern folgen. Er bemerkt wohl Annes Blick, sein hübsches Gesicht unverändert freundlich, sein Rücken, der dunkel gelockte Hinterkopf. Die Mutter berührt im Weitergehen seinen Arm, den er sogleich anbietet, in vollendeter Beiläufigkeit, damit sie sich einhakt. Anne hält sich an dem grün gestrichenen Geländer fest. Sie muss eine Metrostation finden, um sich zu orientieren. Sie weiß, wo in der Stadt viel Französisch gesprochen wird, im Botschaftsviertel etwa oder im neunten Bezirk. In dem Stadtteil auf den Hügeln, neben dem Güterbahnhof, versteht Anne wenig von dem, was sie auf der Straße sprechen und rufen hört, bemüht sich auch nicht zu erkennen, ob es Deutsch ist oder eine andere Sprache. Das Französisch des jungen Mannes hat sie unvorbereitet getroffen.

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Die gebürtige Salzburgerin Laura Freudenthaler zählt zu den feinsinnigsten und emotionalsten Erzählstimmen der Gegenwart. Mit scharfem Blick und trockenem Humor seziert die 35-Jährige, die in Wien Germanistik, Philosophie und Genderstudies studiert hat, Alltagssituationen und tradiertes Rollenverständnis. »Geistergeschichte« (Droschl) ist ihr zweiter Roman. Gekonnt montiert sie darin Erzählperspektiven und Wahrnehmungen zu einer spannenden Gegenwartsbeschreibung.

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Laura Freudenthaler

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Gewinnen thegap.at/gewinnen

Psycho Legacy Collection – Deluxe Edition Acht Blu-rays mit einer Laufzeit von ca. 1.425 Minuten – die volle Packung »Psycho« also. Alle Filme der Reihe, das Original noch dazu in jener Version, in der Hitchcock es 1960 ins Kino gebracht hat, dazu das Spin-off-Movie »Bates Motel« und über zwölf Stunden Bonusmaterial, darunter teilweise Unveröffentlichtes sowie eine Dokumentation über die legendäre Duschszene in Langfilmlänge. Außerdem ein 120-seitiges Hardcover-Buch, Prop-Replika und und und. Wir verlosen eine Blu-Ray-Box im Wert von ca. 150 Euro.

Auslöschung Alex Garlands Verfilmung des gleichnamigen Science-Fiction-Romans des mehrfach preisgekrönten Fantasy-Autors Jeff VanderMeer schickt fünf Wissenschaftlerinnen (in der Hauptrolle: Natalie Portman) auf eine Mission in ein Sperrgebiet, um dort mysteriöse Vorgänge aufzudecken. Der aufwendig produzierte und visuell beeindruckende Film wurde in Europa auf Netflix erstveröffentlicht. Wir verlosen 3 Blu-Rays.

Aufbruch zum Mond Das Leben Neil Armstrongs, des ersten Manns auf dem Mond, die Konflikte und Entbehrungen, mit denen er vor und während seiner legendären Mission konfrontiert war, stehen im Zentrum von Regisseur Damien Chazelles neuerlicher Zusammenarbeit mit Ryan Gosling (nach »La La Land« aus dem Jahr 2016). An Goslings Seite: Shootingstar Claire Foy als Armstrongs Ehefrau. Wir verlosen 3 DVDs.

Green Book – Eine besondere Freundschaft Die Geschichte der ungewöhnlichen Freundschaft zwischen dem begnadeten schwarzen Pianisten Dr. Don Shirley (Mahershala Ali) und seinem Fahrer Tony Lip (Viggo Mortensen), einem einfachen Mann aus der Arbeiterklasse, in einer Zeit, die geprägt ist von Gewalt und Rassentrennung. »Green Book – Eine besondere Freundschaft« ist aktuell im Kino zu sehen. Wir verlosen 2 Stunden Klavierunterricht in der Vienna Music School (Staudgasse 3, 1180 Wien, www.viennamusicschool.at).


Rezensionen Musik HVOB

Andreas Jakwerth

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Nach dem letzten, gemeinsam mit Winston Marshall von Mumford & Sons aufgenommenen Album »Silk«, das sich mit knapp einer halben Stunde Spieldauer eher auf der knackigen Seite befand, legt das Wiener Duo HVOB nun ein Doppelalbum namens »Rocco« vor. Erschienen die bisherigen Alben noch bei Oliver Koletzkis Label Stil vor Talent (»HVOB« und »Trialog«) bzw. beim bandeigenen Tragen Records (»Silk«), wird Album Nummer vier nun auf dem renommierten belgisch-englischen Label PIAS veröffentlicht, wo u. a. auch Soap & Skin zu Hause ist. Am Grundrezept haben Anna Müller und Paul Wallner nur minimal geschraubt, denn die Formel – satter, gerader Beat, wenn vonnöten; aber im Gesamten meist ruhig, Layer für Layer schichtend und von Müllers Stimme getragen, mit fragilen Piano-Parts angereichert – funktioniert nach wie vor. Auf der Bühne entfaltet sich der HVOB-Sound seit jeher mit voller Wirkung und auch genau dorthin schielen die 13 Tracks von »Rocco«. Funktional, oft treibend und sich voll einfügend in den bisherigen Katalog des Duos. Interessant ist, dass die Vinyl- und die CD/Download-Varianten eine unterschiedliche Track-Reihenfolge aufweisen, der Vinylversion fehlt gar ein Stück (»Kante«). Daher groß auf den Zusammenhang bzw. die -setzung einzugehen ist verzichtbar, die Leuchtturm-Tracks sind aber schnell ausgemacht. Wie etwa die Vorabsingle »2nd World«. Sie besitzt genug Pop-Appeal fürs Radio, ohne platt zu wirken. Oder »Butter«, in dem das Wiener Duo von zart bis (sehr) hart einen Querschnitt der Schaffensbandbreite aufbietet. Bei »Zinc« wird’s erstmals seit Längerem wieder etwas grobkörniger und rauer – gut so. Und »Shinichi« ist der ruhige, etwas abdriftende Sundowner-Track. Das alles und die Bits dazwischen vereinen auf über 80 Minuten ziemlich gut, was sich HVOB die letzten Jahre über aufgebaut und erarbeitet haben: zugängliche Clubmusik mit Charakter, die sich im Liveset wohl noch um eine Stufe steigern wird. (VÖ: 15. März) Kevin Reiterer

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Rocco — PIAS Recordings

Live: 4. April, Linz, Posthof — 27. April, Graz, Orpheum — 29. Juni, Wien, Arena Open Air

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At Pavillon

Believe Us — Las Vegas Records

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13.-17. März

TRICKY WOMEN / TRICKY REALITIES Animation Filmfestival

METRO Kinokulturhaus

des Filmarchiv Austria

Bricht man all die Sätze verschwurbelter Klugheit, die sich jemals über Musikschaffende und ihre Musik ergossen haben, auf wenige Worte herunter, könnte man sagen, dass gute Musik ins Herz, ins Hirn und in die Beine geht. Das ist natürlich sehr vereinfacht gesagt und derma-ßen heruntergebrochen, dass es eher nach Brechreiz als nach irgendeiner Form von Aufbruch klingt. Dabei geht es bei At Pavillon und ihrem Debütalbum »Believe Us« auf jeden Fall um Aufbruchsstimmung. Der vierköpfigen Wiener Band ist es mit ihrem Debüt nämlich gelungen, alle dieser drei wichtigen Bausteine menschlichen Daseins in etwa gleichem Ausmaß anzu-sprechen. Die auf dem Album versammelten Tracks regen zum Denken an, gleichzeitig aber auch dazu, beim Radfahren etwas schneller in die Pedale zu treten oder sich an einem Tag, der sich immer mehr in Richtung Nichtstun neigt, doch noch zu einem Spaziergang aufzuraffen. Tanzbar sind viele davon, wie etwa »Believers« oder die bereits viel gespielte Single »Lions«, darüber hinaus sowieso. At Pavillon wollen also nicht nur etwas bewegen, sie tun es auch – und zwar in der unteren genauso wie in der oberen Körperhälfte. Die energiegeladenen, teils an Bands wie Bloc Party oder Foals erinnernden Songs machen es schwer stillzuhalten, sorgen dabei aber auch dafür, dass das Gehirn etwas über der normalen Betriebstemperatur zu arbeiten beginnt. Das gelingt der Band vor allem mit Songzeilen wie »Let’s pray that everyone can wear whatever they want to wear / Let’s pray that everyone can do whatever they want to do« aus dem Song »Disco Demolition Night«. Ihre Ansichten reiben sie den HörerInnen aber nicht moralisierend unter die Nase, sondern lassen sie lieber langsam in deren Gehörgänge sickern. Was musika-lisch manchmal vielleicht nach weit ausholender dramatischer Pranke klingt, ist textlich eher die Hand, die sich hilfsbereit nach einem ausstreckt. Kurzum: »Believe Us« ist die große Pop-geste für alle, die sich manchmal klein und ausgegrenzt fühlen. (VÖ: 25. Januar) Sarah Wetzlmayr Live: 23. März, Linz, Stadtwerkstatt — 25. März, Wien, Aera

www.trickywomen.at • Tel: 01-990 46 63 The_Gap_173_044-055_Rezensionen_PACK_mf.indd 52

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Rezensionen Musik

Black Palms Orchestra

Kahlenberg

07

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Catalina Koerber, Markus Kloiber, Brut Royal

Tropical Gothic — Seayou Records

Die Zweite. Oftmals ein logistischer Fortpflanz des Debüts mit Versatzstücken. Fertig Gebrachtes und Bestätigung statt Weiterentwicklung und neue Interpretation. »Tropical Gothic«, das neue Black-Palms-Orchestra-Album, blüht anders, ist und will mehr. Versatil breit ist es, nicht aus einem Guss, es bietet dafür große Ansätze einflussreicher Tage in eigener Adaption. Auf dem Erstling war viel Atmosphäre großer italienischer Soundtracks und staubig reduzierte Gitarre zu hören, die mit den Scores zu neuen Serien gerade wiederauflebte. Genau dort hat die Wiener Band auch dieses Mal angesetzt, das Rad der Zeit dabei aber in beide Richtungen gedreht. So finden sich in den raueren Oden zum Start oft Erinnerungen an jene Tage, als die Insel unser Ohr belebte. Namen wie Primal Scream oder The Soup Dragons schieben sich einem da wieder ins Gedächtnis, und ein Lächeln hinterher. Mitunter gibt es früh geriatrisches Raunzen im Atem eines Lloyd Cole. Jonas Almquist von Leather Nun als eine der Gaststimmen auf »Tropical Gothic« hebt zum Iggy mit Bauhaus-Schlatzer an. Verwirrend und schön. Scott McCloud (Girls Against Boys) wiederum zelebriert zerbrechlich einen langsamen Stampfer in der Sehnsucht des Feedbacks. Medina Rekic (ExWhite-Miles) glänzt lasziv dringlich, Monsterheart sowieso dreamy super. Und über all dem – als Klammer – der musikalisch so weit gereiste Christian Fuchs, der sich mit dem Rucksack als Legende merklich wohl im Sattel fühlt und seine Rolle bestens intensiv interpretiert. Klar, das trifft auf wenig fruchtbaren Boden bei jenen, die den glattgestrichenen Pop oder uniformen Beat-Teppich bevorzugen und einfach nur pompös unterhalten werden wollen. Aber als Kino im Kopf gibt das hier so viel mehr her. Dafür sagt man Danke. (VÖ: 22. März) Michael Bela Kurz Live: 6. März, Graz, Postgarage — 7. März, Wien, Rote Bar

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Dirty Penzing — Brut Royal Nicht unlustig: »Da glaubt jemand, dass er cool ist. Bilderbuch für Arme.« – »Wohl eher Bilderbuch für Reiche.« Ach, Youtube, du stete Quelle für geistreiches Amüsement. Ein Wahnsinnsdialog, der sehr viel über das Selbstverständnis und das kokette Selbstimage der Band Kahlenberg erzählt, die hier auf eine plumpe Anmache mit Aufgelegtem antwor-tet. Denn diese Gruppe von eigentlich schon eher älteren weißen Männern, die sich aus B-Promis der hiesigen Indie-Szene zusammensetzt, chict sich an, den Lauf der Dinge einmal durch die ganz rosarote – oder doch eher türkise? – Brille zu sehen. Es ist sowieso eine Frechheit, die diskutiert werden muss: Die Popwelt gehört dem Pöbel, fast klassen-kampflos hat die Bourgeoisie das Künstlerische dem Proletariat überlassen. Man darf, dank Kahlenberg, nun also end-lich wieder der ungehörten Minderheit lauschen, die sich dazu herablässt, dem Gesocks aus ihrem Leben zu berichten. Dekadenz als Essenz des Seins. Die Krux liegt für jeden Konzeptkünstler – und welcher heimische Musikschaffende ist das nicht? – sowohl in der Konse-quenz als auch in der Authentizität. Konsequent sind sie, die Herren: Das durchkomponierte Image wird bei jeder Gele-genheit streng nach Plan poliert und hinausposaunt. Und Authentizität? Ganz ehrlich: »Drauf geschissen!« Natürlich spielen Kahlenberg mit den Klischees – und die Klischees mit ihnen. Himmelblaue Leichtigkeit und Champagnerflöten, Opernball und Moralverfall, so echt wie die Tussis und Bussis der Bussi-Bussi-Gesellschaft. Das macht aber nichts, wer so arg überhöht, darf das. Kahlenberg schaffen es auf ihrem Debüt, den Reiz der Überhöhung auszuloten und bedienen sich dabei doch altherge-brachter Mittel. Poppige Rockmusik, teilweise zackig wie jene von Kreisky, aber meist recht unspektakulär und eher unterstützend, kombiniert mit gut durchdachten, stark konzipierten und – ja, doch – amüsanten Texten. Die Frage ist nur: Wie geht es weiter? Kann so eine Idee für mehrere Alben reichen? Doch (zumindest) solange die unreflektierte Schnö-selpartie den ganzen Staat in ihren gelverklebten Griffeln hat, muss man auf sie draufhauen. Und wenn auch nur mit satirischer Überhöhung. (VÖ: 1. Februar) Dominik Oswald

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Rezensionen Musik

Oberst & Buchner

Turbobier

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Sebastian Oberst und Andreas Buchner machen schon seit vielen Jahren gemeinsam als Oberst & Buchner Musik – stets im Spannungsfeld minimalistischer und technoider Electronica. Aber auch das Downbeat-Kollektiv Heimlich, dem sie seit Beginn angehören und das in den letzten Jahren förmlich durch die Decke gegangen ist, hat Spuren im Sound der beiden hinterlassen. Nun legen die in Wien ansässigen Producer nach mehreren stimmigen EPs und einigen Remixes mit dem etwas ungelenk betitelten »Sfumato« ihr Debütalbum vor, das auf Hold Your Ground, einem Sublabel der deutschen Krawallmacher Audiolith, erscheint. Den Kernteil bilden sieben Tracks, dazu kommen noch zwei Edits der Single »Eye Liquor«, zu der Multiinstrumentalist Tobias Koett (Ant Antic) die Vocals beigesteuert hat. Dieses Stück ist auch so etwas wie das Destillat des Albums – der Sound wirkt über weite Strecken analog, daher weich, fast warm, verträumt und organisch. Von Acid geküsste Synths sind ebenso wie die leicht verschleppte Bassline ständiger Begleiter. Allgemein wirkt das Album sehr homogen. Man merkt die langjährige Erfahrung des Duos, ihre DJ- und Livesets mit einem entsprechenden Spannungsbogen auszustatten – und das gelingt ihnen auf »Sfumato« ebenfalls ausgezeichnet. »Arrival« stellt das nominelle Intro dar, ist verspielt, ruhig und sich – in Maßen – steigernd. »The Beuys In Us« biegt etwas Richtung Sci-FiEcke ab, während »Søl« zur Party am Strand lädt. »Moving Rooms« wirkt wie ein zweiter Teil von »The Beuys In Us«, dazwischen das erwähnte »Eye Liquor«. »Blank Follows Blank« ist dann – mit angezogener Handbremse – Peaktime und »Avonic« schließlich das mystisch-anmutende Outro eines in sich geschlossenen und funktionierenden Albums. (VÖ: 1. März) Kevin Reiterer Live: 12. April, Wien, Flex

King Of Simmering — Pogo’s Empire Vorab: Vergessen Sie alles Negative, was Sie jemals über die Gruppe Turbobier gehört haben. Keine Band versteht es aktuell – und das schon seit 2014 – so zeitgemäß, humorvoll und stets on point, des Österreichers höchstes Gut – »ja, ja, der Alkohol« – mit hohem popkulturellem Verständnis für Referenz und Virality zu inszenieren. Wer da »Und wer denkt an die Kinder?« fragt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren. Die Meister des themenbezogenen Covers – hierfür sei Ihnen das kostenlose Mixtape »Drangla Hits 77« aus dem Jahr 2016 empfohlen, es wird Ihr Leben verändern! – veröffentlichen auf ihrem dritten Album wieder Selbstkomponiertes. Künstlerisch immer schwierig. Aber – und das ist das große Verdienst von Turbobier – es bleibt weiterhin sympathisch, authentisch und sehr leiwand. Auch wenn die Turbobiers schon längst im vermeintlichen Mainstream angekommen sind – der Vorgänger »Das neue Festament« stieg direkt auf der Eins ein –, mit dem tatsächlichen Mainstream-Success von Seiler & Speer und Pizzera & Jaus lässt es sich gut mitschwappen. Übergeschwappt haben auch die Krügerl, Seiler & Pizzera finden sich als Gäste auf der neuen Scheibe. Natürlich geht’s auch bei »King Of Simmering« nur um das eine: Die nicht erst seit Maxl und dem Café Zipp beste Kaisermischung Wiens: Saufen und Simmering! Musikalisch flexibel, mit meist handelsüblichem Punkrock, der aber stets wenig aneckt und den superb gereimten Lyrics, die es ja ausmachen, Raum zur Entfaltung lässt, stehen die Zeichen auf Exzess: Liebeslieder an Orte der Vernichtung (»Tanke«) oder die Vertonung des typischen DNA-Defekts mit dem fehlenden »Ham«-Gen, wie etwa in »Fassl«, das gut das Album zusammenfass(l)t: »Ach, scheiß drauf, reiß noch a Fassl auf! / Komm, geht schon, das Fassl sauf’ ma aus!«. Dass mit »VHS« auch ein etwas untypisch konser-vatives Stück oben ist, ist geschenkt, denn: Hier stimmt einfach sehr vieles. Eine originäre Idee, solide umgesetzt für ein breites Publikum, aber mit zahl­reichen Entdeckerboni für die Auskenner­partie. (VÖ: 1. März) Dominik Oswald Live: 8. und 10. März, Wien, Gasthaus Brigitte — 9. März, Linz, Gasthaus Auerhahn

Denis Yashin & Josef Pfeiffer, Philipp Hirtenlehner

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Sfumato — Hold Your Ground


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ÖSTERREICHS CLUBSZENE IM RADIOKULTURHAUS

CLARA LUZIA 19.03.2019 KARTEN UND INFOS: radiokulturhaus.ORF.at

Yasmo & Die Klangkantine Bedeutsame Raps kombiniert mit Jazz-Bläsern – ein Erfolgsrezept. Yasmo & Die Klangkantine sind eine Konstante in der österreichischen Live-Landschaft und meist bis immer ausverkauft. Die Single »Mach, mach, mach« aus dem neuen Album »Prekariat & Karat« stürzt sich unter anderem auf Start-up-Spirit und Humankapital. Alle müssen, keiner will: Gesellschaftskritik. Yasmo übernimmt gern. 8. März Salzburg, ARGE Kultur — 13. März Innsbruck, Treibhaus — 14. März Dornbirn, Spielboden — 16. März Linz, Posthof — 26. März Wien, Porgy & Bess — 27. März Graz, PPC

© Christoph Liebentritt

Soap & Skin Neues von Soap & Skin in Langform war 2018 eine News, die dazu führte, dass die rechte Spalte der »Friends Activity« auf Spotify zugepflastert war mit Titeln des Albums »From Gas To Solid / You Are My Friend« – alle hörten es zumindest einmal rauf und runter. Bei der bekannt zarten Imposanz von allem, was Anja Plaschg schreibt, ist es nur klar, dass sie ein Konzerthaus-Alumni ist und sich nach drei Jahren wieder dem Großen Saal annimmt. Macht euch bereit für was Schönes! 19. April Wien, Konzerthaus

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Termine Musik The Gap mUEsik #1 Keine Sorge wegen der Aussprache – der Inhalt zählt. Und das ist bei unserer neuen Konzertreihe ein Dialog zwischen Pop und Klassik, seit anno dazumal jeweils gekennzeichnet durch die Buchstaben U und E. Den Anfang macht Songwriter und Pianist Martin Klein (Foto) gemeinsam mit Komponist und Geiger Matthias Jakisic. Mit dabei: Werke von Franz Schubert, Werner Pirchner und Arvo Pärt. 26. Februar Wien, Turnhalle im Brick-5

highlights Mi. 06.03. LiteraturSalon

Raoul Schrott ..................................................

Sa. 16.03. HipHop

Yasmo & die Klangkantine ..................................................

Di. 19.03. Pop/Rock

Sophie Hunger ..................................................

Jaakko Eino Kalevi Straßenbahnfahren ist ein super Exit-Plan. (Am Rande: Die Wiener Linien suchen derzeit Teilzeitkräfte.) Der Finne Jaakko Eino Kalevi war eben Straßenbahnfahrer, bis er seinen Exit-Plan, nämlich Musikmachen, angegangen ist. Dabei ist Jaakko seit Jahren im besten Sinne fad zwischen den 70er- und 80er-Jahren unterwegs, auf dem aktuellen Album noch ein bisschen verruchter als sonst. 1. März Wien, Rhiz

Theresa Ziegler

Wer sich mit 24 so intensiv dem Wienerlied hingibt, versucht seine Nische in der postmodernen Ironie-Spirale zu finden. Dafür spricht auch, dass der echte Normcore-Nachname (Pöchhacker) durch einen noch radikaler normalen ersetzt worden ist. Bei all dieser Metaanalyse: Felix lehnt sich ohne ein Zuviel an die Klassiker an und bleibt im Heute hörbar. Hochachtung. 6. März Wien, Konzerthaus — 28. März Graz, Orpheum — 29. März Wolfsberg, Container

Matthias Egersdörfer & Martin Puntigam ..................................................

Fr. 22.03. TanzTage 2019

Overhead Project ..................................................

Sa. 23.03. Kabarett

Michael Frowin ..................................................

Mi. 27.03. TanzTage 2019

Siamese Cie – Koen Augustijnen & Rosalba Torres Guerrero

Was kommt nach dem Tod? Die Auferstehung. Nämlich, wenn Die Heiterkeit (rund um Stella Sommer) im März nach dem Epos »Pop & Tod I + II« das Folgealbum »Was passiert ist« releasen. Einsamkeit, Desillusionierung. Als Begleitung für Existenzkrisen kennen wir Die Heiterkeit bereits. Ihre Begleitung wiederum ist Hans Unstern, zuletzt experimentierend mit Hörspiel und Livestream. 21. März Wien, Fluc — 22. März Salzburg, ARGE Kultur

Sinnesrauschen Museum und Konzert sind zwei der beliebtesten Freizeitaktivitäten, und wer sie kombiniert, gewinnt. Dieser Schluss funktioniert, denn das Sinnesrauschen gibt bereits zum fünften Mal Indie-Acts eine Bühne im Klangmuseum. Heuer mit den KalifornierInnen Karmic, dem Farbenfreund Pressyes (Foto), Multiinstrumentalist Bernhard Eder und Onk Lou, dem österreichischen Jason Mraz. 23. März Wien, Haus der Musik

Ólafur Arnalds

Culk

Gustav

Streicher – der gemeinsame Nenner in den Herzen der Menschen. Ólafur Arnalds schafft es, sie so mit leichten Beats zu unterlegen, als würde alles schon immer zusammengehören. Nach Ausflügen in experimentellen Techno als Teil des Duos Kiasmos, ist der Isländer mit »Re:member« zu seinem Signature-Sound zurückgekehrt. 3. März Wien, Konzerthaus

Bei Culk braucht man ein bisschen, bis man versteht, in welcher Sprache Sängerin Sophie Löw ihre Vokale zieht. (Noch dazu wechselt sie zwischen Englisch und Deutsch.) Das macht guten Shoegaze irgendwie auch aus. Ein Genre-Gustostückerl und auch die Attitüde stimmt. 9. März Wien, Das Werk — 22. März Salzburg, ARGE Kultur — 23. März Linz, Kapu

Fast so sehr, wie sie Musikerin ist, ist Eva Jantschitsch auch politische Aktivistin. So ist die Gustav-FacebookSeite voll mit Remindern, auf die Donnerstagsdemos zu gehen. Auf einer Bühne sehen wir sie hingegen nicht jede Woche. Schon jetzt kündigt Gustav an, dass es mit ihr und Band wieder »urarg« wird. 11. März Wien, Stadtsaal

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Bild: Danny Willems

Die Heiterkeit ..................................................

Fr. 29.03. Kabarett

Haipl & Knötzl ..................................................

Sa. 30.03. Rock

Krautschädl ..................................................

Mi. 03.04. Trancecore

Enter Shikari ..................................................

Do. 04.04. Electronic/Dance

HVOB ..................................................

Sa. 06.04. Rock

Madsen / Reverend Backflash

Bild: Dennis Dirksen

Christoph Hofbauer, Maria Poly, Pamela Rußmann, Maxime Imbert, Luca Fuchs, Dennis Schönberg, Marlene Lacherstorfer

Felix Kramer

Mi. 20.03. Kabarett

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POSTHOF – Zeitkultur am Hafen, Posthofstraße 43, A – 4020 Linz Info + Tickets: 0732 / 78 18 00 kassa@posthof.at | www.posthof.at Weiterer VVK: LIVA Servicecenter im Brucknerhaus, Veritas Kartenbüro, oeticket und alle oberösterreichischen Raiffeisenbanken.

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Frauenfilmtage Seit 2004 sind die Frauenfilmtage Plattform für Filmemacherinnen aus der ganzen Welt, die ihre Arbeiten einem interessierten österreichischen Publikum präsentieren wollen. Eröffnet wird das Festival heuer von poetischem Kino aus Vietnam: »The Third Wife« (Foto) von Ash Mayfair. Die Personale ist der Oberbeleuchterin Kimber Lee Jerrett gewidmet, die etwa an Michael Hanekes »Das weiße Band« mitgewirkt hat. Im Rahmenprogramm gibt es u. a. ein Symposium zum Thema »Politische Korrektheit als künstlerisches Korsett«. 28. Februar bis 7. März Wien, diverse Locations

Tricky Women / Tricky Realities Das internationale Animationsfilmfestival gönnt sich einen Relaunch und setzt ab sofort auf einen Tricky Doppelnamen, der den selbstgesteckten Anspruch betonen soll: Das Festival will sich mit gesellschaftlichen und politischen Prozessen aus einer feministisch-künstlerischen Perspektive auseinandersetzen. Auf dem Programm stehen lange und kurze Animationsfilme von Frauen, Workshops, Vorträge und Diskussionen. 13. bis 17. März Wien, Metro Kinokulturhaus

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Diagonale Erst vor Kurzem wurden die Verträge der DiagonaleIntendanten Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber bis 2021 verlängert. »Aufbauend auf dem vertrauensvollen Fundament der vergangenen erfolgreichen Jahre«, wie es zurecht hieß. Die Vorfreude auf die diesjährige Ausgabe des Festivals darf jedenfalls mit den ersten bekanntgegebenen Programmdetails steigen: Marie Kreutzers »Der Boden unter den Füßen« (Foto) als Eröffnungsfilm, eine Personale für Hanno Pöschl und der Große Diagonale-Schauspielpreis für Birgit Minichmayr. Gut! 19. bis 24. März Graz, diverse Locations

Jana Wachtmann

Elevate Festival 15 Jahre Elevate – nicht schlecht! Das Festival setzt seit jeher auf eine Verbindung von Musik, Kunst und politischem Diskurs und lockt damit Gäste aus aller Welt nach Graz, wo diese – im und rund um den Schlossberg – Gedanken austauschen, zukunftsrelevante Ideen bestaunen und natürlich ordentlich Party machen können. Ein paar der Highlights: Schauspielerin und Tierrechtsaktivistin Pamela Anderson als Stargast der Eröffnung, DAF, Peter Broderick (Foto), Michael Mayer, Dorian Concept, Paula Temple und Sunn O))). Wie gesagt: nicht schlecht! 27. Februar bis 3. März Graz, diverse Locations

Christian Hedel, Mayfair Pictures, Kathrin Steinbacher, Juhani Zebra

Termine Festivals

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DI., 26.02. | TURNHALLE IM BRICK-5

Martin Klein feat. Matthias Jakisic Foto: Pamela Rußmann

Jana Wachtmann

Christian Hedel, Mayfair Pictures, Kathrin Steinbacher, Juhani Zebra

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Ein Dialog zwischen Pop und Klassik, U- und E-Musik. Nähere Information und Tickets unter thegap.at / mUEsik

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Termine Bühne Mythos VOEST In einem Dokumentartheaterprojekt nimmt sich das Landestheater Linz dem Stahlkonzern VOEST an. Als wichtiger Arbeitgeber prägend für die Region, blickt der Konzern auf eine bewegte Geschichte zurück – von der Gründung als Aktiengesellschaft für Erzbergbau über die Entwicklungen zur NS-Zeit bis hin zur Etablierung als sogenannter Global Player mit mehreren Subunternehmen. »Mythos VOEST« untersucht unter anderem den wechselseitigen Einfluss zwischen Betrieb und Stadt. 22. Februar bis 19. Mai Linz, Landestheater

Ungebetene Gäste

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She He Me Paul Spittler inszeniert für das Kosmos Theater einen Text der jordanischen TheatermacherIn Amahl Khouri über Queerness im arabischen Raum. Grundlage für das Stück sind Gespräche, die Khouri über Jahre mit trans-, inter- und homosexuellen Personen geführt hat. Die drei ProtagonistInnen Randa, Omar und Rok erzählen darin unter anderem von Bedrohung, Flucht und der Entwicklung von Geschlecht und Sexualität. Mittels verschiedener Orts- und Rollenwechsel werden die Erfahrungen auf die Bühne gebracht und ein Bogen durch mehrere Jahrtausende Geschlechterdiskurs gespannt. Letztendlich wird in »She He Me«, das als szenisches Spiel in Wien zur Uraufführung kommt, vor allem der Frage nach den Möglichkeiten der (Selbst-)Akzeptanz nachgegangen. 1. bis 16. März Wien, Kosmos Theater

In einem Projekt zwischen Performance und Aktionskunst widmet sich das Kollektiv Darum, bestehend aus Laura Andreß, Victoria Halper und Kai Krösche dem Phänomen einsamer Begräbnisse, solchen also, bei denen keinerlei Angehörige anwesend sind. Diese Randerscheinung, die in Wien etwa 500 Mal pro Jahr auftritt, wird als Ausgangspunkt gewählt, um sich wortwörtlich auf Spurensuche zu begeben. So wird das Phänomen symbolisch am Stadtrand verortet und die Frage verhandelt, wie man sich Menschen annähern kann, die man nie kennengelernt hat. 24. bis 31. März Wien, Werk X

Schlammland Gewalt Das Stück porträtiert ein Alpendorf, in dem es durch eine Eruption aufeinanderprallender Meinungen und Moralvorstellungen zu einer tatsächlichen Eruption kommt. Eine Schlammlawine wird ausgelöst, die das Land unter sich begräbt. Christina Tscharyiski inszeniert einen Text von Ingeborg-Bachmann-Preisträger Ferdinand Schmalz, der von Veränderungen an einem Ort handelt, der sich über ein unverrückbares, 30 Millionen Jahre bestehendes Gebirge definiert. 28. März bis 25. April Graz, Schauspielhaus

Das Festival für Neues aus Choreografie und Performance kann mittlerweile auf sein dreißigjähriges Bestehen zurückblicken. Unter dem Motto »Dancing 30 Years Ahead« finden im März Veranstaltungen statt, die um die Themen Selbstermächtigung, Alltagsrassismus und soziale Konventionen kreisen. Gespielt wird im Atelier Augarten, im Dschungel Wien und im Studio Brut in der Zieglergasse. Zu sehen sind unter anderem sechs Uraufführungen lokaler KünstlerInnen. 8. bis 30. März Wien, diverse Locations

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Oliver Maus

Imagetanz

Choreografin Veza Fernández verhandelt in ihrem neuen Gruppenstück »Amadora Lllama (Or The Loving Flame Is Also The Lover That Calls)« in einer Mischung aus Tanz und Text die Sehnsuchtserfahrungen und Leidenschaft einer weiblichen Ordensgemeinschaft. Ausgangspunkt der Inszenierung sind Gedichte der spanischen Nonne Teresa von Ávila, die aus dem 16. Jahrhundert stammen. Die Kirchenlehrerin und Reformistin Teresa verarbeitete darin Erfahrungen, die sie als »mystisch« bezeichnete. Beza Fernández, die sich in der Vergangenheit bereits oftmals mit Familie, Liebe und Religion auseinandergesetzt hat, stellt in »Amadora Lllama« queer-feministische Verkörperungen in einen religiösen Kontext und begibt sich auf die Suche nach einem darin befindlichen emanzipatorisches Potenzial. 11. bis 13. April Wien, Tanzquartier Halle G

Franzi Kreis, Mani Froh

Amadora Llama

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15. JULI 2019

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28. JULI 2019 WIENER KONZERTHAUS

10. September 2019 WIENER KONZERTHAUS NEW ALBUM WASTELAND,

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b a r r a c u d a

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Die Hauptstadt bekommt 2019 ein neues Fotografie-Festival und feiert dieses gleich vier Wochen lang: Die Foto Wien widmet sich einen ganzen Monat lang mit über 130 ProgrammpartnerInnen dem künstlerischen Kamera-Medium. Die lokale Fotografieszene nimmt dabei einen besonderen Programmschwerpunkt ein. Über die ganze Stadt verteilt wird es von Ausstellungen nur so wimmeln, die neue Generationen von FotografInnen sowie Ikonen wie Nan Goldin, Diane Arbus oder Wim Wenders thematisieren. Egal ob digital oder analog, Vernissage oder Studio-Visit, Off-Space-Party oder Museumsbesuch – ganz Wien wird im Monat der Fotografie auf unterschiedlichste Weise bespielt. 20. März bis 20. April Wien, diverse Locations

Foto Wien – Monat der Fotografie

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Termine Kunst

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Termine Kunst Annette Kelm: Tomato Target Betrachtet man Annette Kelms Œuvre, so scheinen Produktfotografie, Stillleben und eine hohe Bildschärfe zum konzeptionellen Markenzeichen ihrer Arbeit zu gehören. In der Einzelausstellung »Tomato Target« werden mit diesem Zugang scheinbare Alltagsgegenstände zu komplexen Bildkompositionen: Eine Tomatenstaude auf Pastelltönen, ein Cowboy in eingefrorener Pose, der obligatorische Blumenstrauß in der Keramikvase vermitteln den Betrachtenden vor allem eines: Präsenz. bis 24. März Wien, Kunsthalle

Michaela Pichler The_Gap_173_056-066_Termine_MF2.indd 63

Die Darstellung des menschlichen Körpers zieht sich durch das gesamte Werk des britischen Künstlers Ed Atkins. Mit computergenerierten Bildern reflektiert er Themen wie Trauer, Frustration, Angst oder Komik. In seiner Soloshow im Kunsthaus Bregenz trifft man auf weinende ProtagonistInnen, endlose Klaviertonleitern, den Kostümtheaterfundus der Bregenzer Festspiele und Werbespots, die ungenießbare Sandwiches zeigen. Synthetischer Realismus, der schließlich bis ins letzte Detail gefaked ist. bis 31. März Bregenz, Kunsthaus

Hate Speech: Aggression und Intimität Die insgesamt 16 internationalen KünstlerInnen nehmen sich in der Gruppenausstellung der omnipräsenten Thematik der Hate Speech an. Ganz unter dem Motto »Empörung war gestern, entpört euch!« stehen dabei die Redefreiheit, ihre mediale Verwendung und ihr Missbrauch in Sozialen Netzen im künstlerischen Fokus. In der Ausstellung sind u. a. Arbeiten von Candice Breitz, Thomas Baumann, Tony Cokes, Verena Dengler und Martha Wilson zu sehen. bis 18. April Graz, Künstlerhaus

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Éva Szombat »Zsófi from Happiness Book 2013«, Annette Kelm, Markus Tretter, Signe Pierce & Alli Coate, Studio Hans Op de Beeck, Stefanie Moshammer

Ed Atkins

Über das Neue: Junge Szenen in Wien »Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit.« Es gibt wohl sehr wenige Zitate zum Thema Kunst, die abgedroschener sind als dieses. Und vielleicht passt es gerade deshalb so oft, wie die Faust aufs Auge. Wie sieht es beispielsweise mit der hiesigen, aktuellen Kunst in und um Wien aus? Dieser Frage widmet sich die Ausstellung »Über das Neue« im Belvedere 21. In zwölf Ausstellungsräumen werden 18 Kunstpositionen präsentiert, u. a. mit Arbeiten von Angelika Loderer, Cäcilia Brown und Philipp Timischl. 1. März bis 2. Juni Wien, Belvedere 21

Hans Op de Beeck: The Cliff Die Grenzen zwischen Kunst und Alltag verschwimmen, wenn man Hans Op de Beecks Kunstinstallationen betritt. Ein Ausstellungsbesuch ähnelt daher eher einer Reise als einem nachmittagsfüllenden Museumsabstecher am Sonntag. Der belgische Künstler ist Regisseur, Choreograf, Kurator, Bühnenbildner, Maler und Bildhauer in einem. Diesem multidisziplinären Ansatz begegnet man auch in seiner Schau in Krems: Hyperrealistische Skulpturen und Filminstallationen treffen auf Aquarelle und Tuschemalereien. 3. März bis 23. Juni Krems, Kunsthalle

Stefanie Moshammer: I Can Be Her Nähe und Distanz, Angst und Anziehung, Wirklichkeit und Fiktion: In Stefanie Moshammers Soloausstellung »I Can Be Her« befasst sich die Wiener Fotografin mit Gegensatzpaaren, die vor allem von ihren persönlichen Erfahrungen bei einem zweimonatigen Aufenthalt in Las Vegas im US-Bundesstaat Nevada geprägt sind. Was mit einem auf der Schreibmaschine getippten Brief eines Fremden begann, wandelte Moshammer in Produktivität und Schaffensdrang um – was schließlich in den ausgestellten Werken mündete. 22. März bis 20. April Wien, Collectors Agenda

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Termine Kino Mid 90s Regie: Jonah Hill ———— Jonah Hills Regiedebüt erzählt eine Coming-of-Age-Story, in der deren Hauptfigur, der 13-jährige Stevie (Sunny Suljic), mit älteren Skateboardern abhängt, um seiner Familie zu entkommen. Das Drehbuch stammt ebenfalls von Hill, für die Musik war u. a. Trent Reznor zuständig. Start: 6. März

High Life

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Mabacher – #ungebrochen Regie: Stefan Wolner ———— Martin Habacher wurde mit der Glasknochenkrankheit geboren. Die ÄrztInnen gaben ihm damals nur wenige Jahre. Dies hielt den im Jänner 2019 überraschend verstorbenen Social-Media-Berater, Filmemacher, Speaker und Youtuber aber nicht davon ab, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, in und mit dem er der Gesellschaft zeigte, dass Menschen mit Behinderungen keinesfalls auf diese reduziert und bemitleidet werden sollten. Stefan Wolner traf Habacher bereits 2010 beim Dreh zum Kurzfilm »Goldfisch99«, bei dem dieser als Hauptdarsteller fungierte und Wolner so beeindruckte, dass der Regisseur die vorliegende Doku über ihn in Angriff nahm. Wolner begegnet Habacher darin auf Augenhöhe und zeichnet so das einfühlsame Porträt eines Mannes, der vielen noch lange in Erinnerung bleiben wird. Start: 15. Februar

Regie: Claire Denis ———— Eine Gruppe von Häftlingen wird zu einem schwarzen Loch entsandt und muss dort nach alternativen Energiequellen suchen. Die Französin Claire Denis drehte für den ScienceFiction-Streifen »High Life« erstmals auf Englisch. Der Entwurf für das Raumschiff im Film stammt vom bekannten Künstler Ólafur Elíasson. Start: 15. März

The Sisters Brothers Regie: Jaques Audiard ———— Die Brüder Elis und Charles Sisters (John C. Reilly und Joaquin Phoenix) sind Auftragskiller und verfolgen einen Goldsucher. Der Regisseur adaptierte gemeinsam mit Thomas Bidegain Patrick deWitts Roman aus dem Jahr 2011. Ein rasanter Film, in dem auch Jake Gyllenhaal zu sehen ist. Weltpremiere in Venedig. Start: 15. März

Destroyer Regie: Karyn Kusama ———— Schauspielerin und Verwandlungskünstlerin Nicole Kidman gibt in »Destroyer« eine Polizistin, die in einem neuen Fall die Machenschaften eines ihr altbekannten Kriminellen entdeckt und diesen endlich schnappen möchte. Für ihre Rolle in Karyn Kusamas Krimidrama wurde Kidman für einen Golden Globe nominiert. Start: 22. März

Regie: Harmony Korine ———— Für jemanden wie Moondog (Matthew McConaughey) scheint der Begriff »Lebenskünstler« erfunden worden zu sein: Er lebt in den Tag hinein und liebt die Drogen ebenso wie die Frauen – vor allem seine Ehefrau Minnie (Isla Fisher). Diese hat nicht nur Geld, sondern offenbar auch wenig Probleme mit dem Lifestyle ihres Angetrauten; besitzt der doch – so heißt es – poetisches Talent. Immerhin. Als Minnie jedoch bei einem Unfall stirbt, wird Moondogs Leben auf den Kopf gestellt. Nicht nur wegen des Tods seiner Frau, nein, sondern auch weil er das ihm versprochene Erbe erst erhält, wenn er seinen lange geplanten Roman vollendet hat. Um Inspiration zu finden, begibt er sich auf eine Reise - schräge Abenteuer und Typen inklusive. Eine subversive Komödie, die ihre Weltpremiere beim South by Southwest Festival feiern wird und in der auch Snoop Dogg zu sehen ist. Start: 21. März

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Captive State Regie: Rupert Wyatt ———— Nachdem eine Stadt von Aliens übernommen worden ist, werden die Rechte der EinwohnerInnen zusehends eingeschränkt. Doch diese beginnen, sich zu wehren. Für den Film – eine Mischung aus Science-Fiction, Krimi und Thriller – ließ Rupert Wyatt ein anderes Projekt (»Gambit«) sausen. Das Drehbuch schrieb er gemeinsam mit seiner Frau Erica Beeney. Start: 29. März

Barbara Fohringer

The Beach Bum

Regie: Marie Kreutzer ———— In dem diesjährigen Diagonale-Eröffnungsfilm begibt sich Marie Kreutzer (u. a. »Die Vaterlosen«, »Gruber geht«) auf eher düsteres Terrain: Die Unternehmensberaterin Lola (Valerie Pachner) hat ihr Leben unter Kontrolle – bis ein familiäres Geheimnis ans Licht zu kommen droht. Großes Lob schon vorab. Start: 22. März

Docs Filmverleih, Constantin Film

Der Bode unter den Füßen

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Das Netzwerk für deine Nachbarschaft

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Illbilly

frönt der hohen Kunst der tiefen Pointe. Umgekehrt wird aber auch kein Schuh draus

Leider gehen allerorts gerade Musikmagazine ein. Das macht mich sehr traurig. Sorry, das war jetzt kein besonders guter Start in eine Kolumne, die noch dazu in einem Musikmagazin zu finden ist. Vor allem will niemand Depri-Shit lesen, selbst wenn er lässig und heiß serviert wird. Mein Depri-Shit bringt übrigens Scharen von Menschen zum Jubilieren. Schon nach wenigen Sätzen kreischen sie Dinge wie: »Besorg es uns bitte mit einem geilen Depri-Text du lässiger, heißer Kolumnist. Und zwar zügig. Denn allerorts gehen gerade Musikmagazine ein und wir wollen, dass du uns vorher noch einmal ordentlich rannimmst, mit deinem traurigen Shit.« Aber nicht mit mir. Darum wird jetzt einfach das Thema gewechselt und es kommt an dieser Stelle zu etwas völlig anderem: nämlich Fenchel. Ich liebe Fenchel, seit ich denken kann, und obgleich ich mir nicht sicher bin, ob der sympathische Doldenblütler diese Gefühle erwidert, kann er meiner Liebe nicht entgehen. 2009 wurde Fenchel übrigens zur Arzneipflanze des Jahres gekürt. Völlig zu Recht, weil er z. B. schleimlösend wirkt, Milchbildung anregt, magen- und darmstärkend ist, aber auch erwärmende, windzerteilende, diuretische, galaktagoge und augenstärkende Wirkung hat. Zudem hilft er bei Bauchweh, Koliken, Magenkrämpfen, Husten und anderen Brustaffektionen. Und im 55plus-magazin.net steht geschrieben, dass der Fenchel die östrogenähnliche Substanz Estragol enthält, die bei Frauen sexuelles Verlangen erhöhen soll und Männern zu mehr Ausdauer bei der Liebe verhilft. Man kann den Fenchel also auch geschickt ins Vorspiel einbauen. Zum Beispiel roh, mit ein wenig Öl genossen.

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Der Fenchel ist also ein Supertyp. Nur zum Vergleich. Die aktuelle Arzneipflanze des Jahres ist die Weißdorne. Die hilft nur bei Nervosität und Herzproblemen. Lachhaft im Vergleich zum Wunderding Fenchel. Aber zweifellos wichtig, ist man doch gut beraten immer ein wenig Weißdorne parat zu haben, wenn man zum Beispiel gerade – Fenchel sei Dank – einen kleinen Fickmarathon hinlegt. Man weiß ja nie, wann der liebe Herr Herzkasperl vorhat anzuklopfen. Gerne tut er es ja gerade dann, wenn man randvoll mit geilem Bumsobers, Lovecreme oder Sprühsahne ist, die raus will. Fenchel ist in jeder Hinsicht ein Geheimtipp und obgleich er anscheinend ein echter Bringer im Bett ist, eine flutschi Knollengranate sozusagen, fehlt er doch stets, wenn es darum geht Gemüse und Obst aufzusexen. Spargel, Banane, Karotte, Pfirsich, Aubergine, Erdbeere, Kirsche – alles kein Problem. Freche erotische Früchtchen und geile Gemüschen sind das. Sie werden auch gerne als Emoji verschickt, wenn es ans Eingemachte geht. Aber der Fenchel, dieser sperrige Hund, lässt sich scheinbar nicht geiler machen. Auch, weil er nicht so wirkt, als ob sich mit ihm gut Unzucht treiben ließe. Er ist ein wenig ungeil und braucht Hilfe. Wie ein tapsiger Freund oder leicht retardierter Kollege. Meine Unterstützung hat er, der gute Fenchel und deswegen werde ich ihn jetzt einfach rezensieren. Und wo, außer zum Beispiel in einem Musikmagazin, kann man denn heute noch Rezensionen finden? Und wo sonst lässt sich die Welt noch mit Rezensionen verändern? Es wäre eine Schande, diese Chance, diese Möglichkeit vorbeigehen zu lassen. Ich könnte es mir niemals verzeihen.

Gemüse des Monats Fenchel Foeniculum vulgare — Knollt rein

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Zugegeben. Lange war es still um Fenchel. Er war von der Landkarte, aus unserer Wahrnehmung und unserem Koordinatensystem verschwunden. Ungut, denn in unserer schnelllebigen Zeit, in der mit der harten Währung Aufmerksamkeit bezahlt wird, ein fataler Umstand. Umso erfreulicher, dass er sich jetzt, nach einer selbst auferlegten Kreativpause, wieder zurückmeldet. Was auffällt? Fenchel hat das Sabbatical genutzt, um sich neu zu erfinden und ist sich dabei selbst treu geblieben. Ein besseres Framing für eine moderne Erzählung gibt es nicht. Mit blühender Leichtigkeit entführt uns Fenchel auf eine sphärische Geschmacksreise, die in ihrer Schlichtheit bezaubernd ist und ohne riesiges Aufheben in einem epischen Finale mundet. Es ist ganz großes Kino, das und Fenchel bietet. Vor allem wie er Atmosphäre kreiert und mit unwiderstehlichen, intimen Skizzen die Klaviatur der Emotionen breit auffächert. Ein Meisterwerk. www.facebook.com / illbilly

Jakob Kirchmayr

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Know-Nothing-Gesellschaft Wie man Gemüse rezensiert

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7. bis 10. März

2019

Wiener Stadthalle 9 bis 18 Uhr, 10. März bis 17 Uhr Eintritt frei www.facebook.com/bestinfo.at www.twitter.com/bestinfo_at

D i e

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