Österreichischer Film
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N° 174
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AUSGABE APRIL / MAI 2019 — THE GAP IST KOSTENLOS UND ERSCHEINT ZWEIMONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1052 WIEN, P.B.B. | GZ 18Z041505 M
t h c i L s Da . t d a t S der
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Editorial Mehr vom guten Filmstoff, bitte! Dass man den BesucherInnenrückgang in den österreichischen Kinos nicht den heimischen Filmschaffenden umhängen kann, wie Marie Kreutzer im Interview zu ihrem neuen Film »Der Boden unter den Füßen« in dieser Ausgabe festhält, das sehen wir von The Gap ähnlich. Die Branche produziert aktuell auf meist hohem Niveau Filme, die sich ein deutlich größeres Publikum verdient hätten. Es handelt sich vielmehr um einen internationalen Trend, dass trotz einzelner Blockbuster-Peaks die BesucherInnenzahlen im Durchschnitt rückläufig sind. Auf der anderen Seite steigt die Nutzung von Streamingdiensten Jahr für Jahr – und mit ihr das Angebot an speziell für diese Kanäle produzierten Inhalten. Auch in und aus Österreich. Ob sich für die Filmschaffenden dadurch am grundlegenden Dilemma, dass es zwar, wie Kreutzer meint, viele tolle Leute, aber eben auch viel zu wenig Geld gebe, etwas ändert, sei dahingestellt. Klar ist: Die Politik ist gefordert, die lebendige Filmlandschaft – mit all ihren Umwegrentabilitäten! – weiter zu fördern. Ebenso wie die Medien und letztlich natürlich die KonsumentInnen. Bewusstsein schaffen, Interesse wecken, Einblicke geben – das wollen wir mit der vorliegenden Schwerpunktausgabe zum österreichischen Film. Zahlen (ab Seite 30) sprechen dabei eine ebenso deutliche Sprache wie die oben zitierte Marie Kreutzer (ab Seite 10). Und wer uns Film- und Serienabhängige in Zukunft – in den Kinos oder Streamingportalen – mit dem richtig guten Stoff versorgen wird, erfahrt ihr auf den Seiten 22 bis 25, auf denen wir zehn RegisseurInnen unter 35 vorstellen, die schon in den letzten Jahren deutliche Filmspuren hinterlassen haben.
Florian Auer
Einige Seiten sind aber natürlich auch in dieser Ausgabe für andere Themen reserviert – von Pop bis politische Kunst. Aber keine Angst, auch diese Seiten kann man zum Beispiel dann lesen, wenn man im Kinosaal seiner Wahl darauf wartet, dass das Licht ausgeht und die ersten Bilder über die Leinwand flackern. Vielleicht ja von einem der Filme, die wir euch in diesem Heft vorstellen.
Manuel Fronhofer
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www.thegap.at www.facebook.com / thegapmagazin @the_gap thegapmag the_gap
Herausgeber Manuel Fronhofer, Thomas Heher Chefredaktion vakant Leitende RedakteurInnen Barbara Fohringer, Manfred Gram Gestaltung Markus Raffetseder AutorInnen dieser Ausgabe Leonard Dworschak, Astrid Exner, Susanna Fellner, Pia Gärtner, Catherine Hazotte, Michael Kirchdorfer, Manuel Lavoriero, Oliver Maus, Dominik Oswald, Michaela Pichler, Christina Pikl, Nina Schedlmayer, Jana Wachtmann, Sarah Wetzlmayr KolumnistInnen Astrid Exner, Illbilly, Gabriel Roland FotografInnen dieser Ausgabe Florian Auer, Fabian Gasperl, Laura Lopocsi Coverfoto Adobe Stock Lektorat Susanna Fellner, Jana Wachtmann Anzeigenverkauf Herwig Bauer, Manuel Fronhofer, Kate Haider, Thomas Heher (Leitung), Martin Mühl, Christina Pikl Distribution Kate Haider Druck Grafički Zavod Hrvatske d. o. o. Mičevečka ulica 7, 10000 Zagreb, Kroatien Geschäftsführung Thomas Heher Produktion & Medieninhaberin Comrades GmbH, Margaretenstraße 96 / 1, 1050 Wien Kontakt The Gap c/o Comrades GmbH Margaretenstraße 96 / 1, 1050 Wien office@thegap.at — www.thegap.at Bankverbindung Comrades GmbH, Raiffeisen Bank, IBAN: AT67 3200 0000 1160 0756, BIC: RLNWATWW Abonnement 6 Ausgaben; Euro 21,— www.thegap.at/abo Heftpreis Euro 0,— Erscheinungsweise 6 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1052 Wien Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der HerausgeberInnen wieder. Für den Inhalt von Inseraten haftet ausschließlich der Inserent / die Inserentin. Für unaufgefordert zugesandtes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung.
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Magazin 010
»Nichts, was wir tun, kann gänzlich unpolitisch sein« Marie Kreutzer im Interview
016 »Wir wollten, dass dieses Projekt tief im Land verankert ist« Das Nature Theater Of Oklahoma im Interview 022 10 RegisseurInnen unter 35 Junge Filmschaffende, die man kennen sollte 026 Nicht zu vorlaut, nicht zu leise Filmmusik in Österreich 028 Die Musikarbeiterin Filmkomponistin Iris Wallner
030 Zahlen, bitte! Die österreichische Film- und Kinolandschaft in Zahlen 032 Filmkalender 2019 Österreichische Filme, die dieses Jahr im Kino zu sehen sind 040 Frei von chemischen Zusatzstoffen Soia im Interview
Stadtkino Wien, Ina Aydogan, Aleksandar Petronijevic, Florian Auer, privat
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Susanna Fellner Wenn Susi nicht gerade (verdienten!) Urlaub in Vietnam macht, kümmert sie sich bei The Gap um die Rubrik »Workstation – Menschen am Arbeitsplatz«. Vor dem einen oder anderen peinlichen Fehler hat sie uns dank spontanem Last-Minute-Lektorat auch schon bewahrt. Dabei ist die 32-jährige gebürtige Oberösterreicherin und leidenschaftliche Radfahrerin eigentlich eher in unserem Veranstaltungsteam aktiv – unter anderem bei ihren, wie sie sagt, »Herzensprojekten« Electric Spring und Waves Vienna.
Oliver Maus
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Es liegt an Oliver, den es vor sieben Jahren aus der deutschen Provinz nach Wien verschlagen hat (»Gekommen, um zu bleiben!«), dass ihr im Serviceteil von The Gap auch über spannende Termine aus dem Bereich Bühne informiert werdet. Dafür dass er seine Weihnachtsdeko Mitte März immer noch nicht eingesommert hat, übernehmen wir deshalb aber nicht die Verantwortung. Außerdem erachten wir das tatsächlich als einen sehr sympathischen Zug des 26-jährigen Medienwissenschaftsstudenten.
Rubriken ENNA ES VI ass V A W valp Festi Gap Abo e + Th * € 56 statt
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€ 40
AUSGABE APRIL /
003 Editorial / Impressum 006 Charts 034 Workstation: Harald Sochor Marlene Dinhof 038 Prosa: Andreas Kump 044 Gewinnen 045 Rezensionen 048 Termine
Österreichischer Film The_Gap_174_001_Cover.in
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Kolumnen 007 Einteiler: Gabriel Roland 008 Gender Gap: Astrid Exner 058 Know-Nothing-Gesellschaft: Illbilly
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WWW.WAVESVIENNA.COM * gegenüber dem Einzelpreis von € 35 für den Festivalpass und € 21 für das Jahresabo. Angebot gültig bis 15. Mai 2019.
26.–28.SEP.2019
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www.constantinfilm.at
NACH DEM KULT-ROMAN VON
STEPHEN KING
Charts Paul Poet TOP 10
Die kleinen Poeten-Ekstasen 01 New Green Deal 02 Meine Brieffreundschaft mit Rose McGowan 03 Böse Menschen mit meinen Politdokus den Job zu kosten 04 Grad meinen ersten englischsprachigen Horrorfilm schreiben zu dürfen 05 Mandelbaumblüte im eigenen Garten 06 Vögeln im Frühlingsgras 07 Brandstötter 08 Vinyl-Reissues meiner alten Lieblingsband Laughing Hyenas auf Third Man Records 09 Selbstermächtigung bzw. mit Ü40 noch Anarchist zu sein, ohne drüber lachen zu müssen 10 Meerjungfraueneis
TOP 03
Österreichische Regierungsmitglieder, die wie Asterix-Figuren aussehen 01 Herbert Kickl alias Tullius Destructivus (»Streit um Asterix«) 02 Sebastian Kurz alias Technokratus (»Obelix GmbH & Co KG«) 03 Beate Hartinger-Klein alias Gutemine Auch nicht schlecht: Das Ende von Craft Beer und Cloud Rap Paul Poet ist Regisseur, Autor und Kurator. Seine letzte Kinodoku »My Talk With Florence« erscheint Ende März als Mediabook beim Label Trost, inklusive Bonus-Score von Alec Empire und Texten von Rose McGowan, Stoya u. a.
Charts Barbara Fohringer
TOP 03
Dinosaurier 01 Stegosaurus 02 Vulcanodon 03 Triceratops Auch nicht schlecht: Diese eine Sekunde, bevor ein Konzert beginnt. Barbara Fohringer lebt und schreibt (u. a. zum Thema Film für The Gap) in Wien sowie Niederösterreich und weiß bis heute nicht, welches ihr Lieblings-Spice-Girl ist.
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Fabian Gasperl
AB 4. APRIL NUR IM KINO!
Serienfiguren, die mich immer zum Lachen bringen 01 Liz Lemon (»30 Rock«) 02 George Costanza (»Seinfeld«) 03 Mindy Lahiri (»The Mindy Project«) 04 Lucille Bluth (»Arrested Development«) 05 Larry David (»Curb Your Enthusiasm«) 06 Titus Andromedon (»Unbreakable Kimmy Schmidt«) 07 Gina Linetti (»Brooklyn Nine-Nine«) 08 Pete Holmes (»Crashing«) 09 Gene Cousineau (»Barry«) 10 Miriam »Midge« Maisel (»The Marvelous Mrs. Maisel«)
Elevate Festival / We Are Europe, privat
TOP 10
Gabriel Roland
betrachtet die hiesige Modeszene Stück für Stück
Im Textilen sind Streifen überhaupt besonders naheliegend. Beim Weben muss man nur nicht ganz einheitliche Fäden verwenden, und schon entstehen sie von alleine. Von dort ist es nicht weit hergeholt, Kett- oder Schussfäden farblich zu gruppieren, und schon ist man grundsätzlich bei der Produktion moderner Hemdenstoffe angekommen. Der Streifen ist in der endlosen Geradlinigkeit des Webens angelegt, lässt sich aber fast genauso gut stricken oder drucken. Plissee bildet ebenso Streifen wie reihig aufgenähte Pailletten oder die Knitter in ausgewaschenem Denim. Aus den Gegebenheiten von Material und Herstellung entstehend sind Streifen eine den Textilien ureigene Ausdrucksform. Dort verlieren sie durch die Flexibilität des Stoffs auch die reine Geradheit. Wenn man sich auf die Suche nach dem Sinn von Streifen macht, kommt man weniger schnell ans Ziel. Bei Pflanzen und Tieren mag man ihr Vorkommen mit Tarn-, Täusch- und Balzverhalten erklären können, warum sie aber vom Purpurstreifen der römischen Senatorentoga über die Uniform der Schweizergarde und die von Vuokko Nurmesniemi für Marimekko entworfenen Streifenhemden bis zum ikonischen Tristrip von Adidas ein stets
präsentes Designelement sind, ist nicht so klar. Die einfache und naheliegende Erzeugbarkeit von Streifen ist als Erklärungsmodell jedenfalls nicht ausreichend. Jana Wielands hier abgebildete Bluse vereint viel der Attraktivität von Streifen und deutet sie gleichzeitig neu. Kontrast, Richtung und Struktur geben dem Kleidungsstück eine klare Organisation. Das unvermittelte Aufeinandertreffen der Blöcke unterschiedlicher breiter Streifen bricht dieses strenge Regiment ohne unaufgeräumt zu wirken. Genauso wie die Streifen eignet sich Wieland auch die stets wiedererkennbaren Elemente des Hemds an: Auf einmal sind auf beiden Seiten Krägen und Kopfleisten. Mit Hilfe des Bändchens lässt sich die Bluse dadurch rückenfrei tragen. Zusammengehalten wird das Stück durch seinen sommerlichen Charme: kühle Baumwolle, flatternder Schnitte, luftige Öffnungen. Auch hier tun die Streifen fleißig, aber ruhig ihren Dienst.
Jana Wielands Mode kann man auf www.janawieland.at sehen und bei Nachbarin in der Gumpendorfer Straße 17 in 1060 Wien kaufen.
Fabian Gasperl
Elevate Festival / We Are Europe, privat
Kurioserweise ist ein Streifen etwas zugleich Unbegrenztes wie Abgegrenztes. Er muss klar von den benachbarten Bereichen unterscheidbar sein, scheint aber, wenn man ihm folgt, nie enden zu wollen. Dadurch wird er lang und schmal. Meistens ist er außerdem halbwegs gerade. Im Gegensatz zu Kondensstreifen am Himmel treten Streifen in der Mode normalerweise in koordinierter Mehrzahl auf – von den dreien an der Seite einer Adidas-Trainingsjacke bis zu den hunderten einer Schnürlsamthose. Einmal sind sie klar gezogen, in anderen Fällen nicht viel mehr als ein sanfter Schattenwurf. Streifen sind eines der Urmuster. Ohne irgendwie recherchieren zu müssen, kann man sie gefahrlos als eine der ältesten der Menschheit zur Verfügung stehenden Methoden, Oberflächen zu organisieren, bezeichnen. Entlehnt sind sie natürlich einerseits aus der Natur. Jede Menge Pflanzen und Tiere weisen Streifen auf und auch natürliche Phänomene ganz anderer Größenordnungen sind streifig: Wolken, Wellen oder die Arme der Milchstraße. Streifen lassen sich einfach herstellen. Der Pflug zieht sie am Acker und neben der einen in den Knochen geritzten Rille entsteht gern einmal noch eine. Man denke nur an die schön streifenden Haarreihen der Venus von Willendorf.
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Einteiler Streifzug
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Astrid Exner
beschäftigt sich hier mit den großen und kleinen Fragen zu Feminismus.
Wer uns auf der Kinoleinwand oder aus dem Fernsehkastl entgegenblickt, ist kein Abbild der Gesellschaft. Die in Kameralinsen eingefangene und medial wahrgenommene Welt ist über die Maßen männlich – noch. Denn der Status quo ist alles andere als wirtschaftlich sinnvoll. Sexistische Shitstorms werden die Entwicklung nicht aufhalten können. ———— Laut einer Analyse von beinahe tausend Hollywood-Drehbüchern aus den vergangenen Jahrzehnten machen Frauen nur zwei Siebentel der darin vorkommenden Rollen aus. Im deutschsprachigen TV ist in jedem dritten Fernsehprogramm überhaupt keine Frau zu sehen. Wenig überraschen dürfte daher das Bild, das der »Österreichische Film Gender Report 2012–2016« zeichnet. Öffentliche Filmförderung ging zu 80 % an Projekte von Männern, bei Fernsehserien gar zu 92 %. Und wer das Geld hat, entscheidet auch, welche Personengruppen auf der Leinwand zu sehen sind. »Je geringer der Frauenanteil in den untersuchten Stabstellen eines Filmes war, desto geringer war der Frauenanteil auch bei den HauptdarstellerInnen – und umgekehrt«, heißt es im Report. Inhaltlich wurden die österreichischen Spielfilme dem Bechdel-Wallace-Test unterzogen. Um ihn zu bestehen, muss ein filmisches Produkt bloß 1.) mindestens zwei Frauen vorweisen, die einen Namen haben. Diese müssen 2.) miteinander reden, und zwar 3.) über etwas anderes als einen Mann. Das hört sich reichlich einfach an, doch fast die Hälfte der Filme im untersuchten Zeitraum bringt das nicht zustande. In seiner vermeintlichen Banalität gibt der Test tiefe Einblicke in die herrschenden Zustände. Wenn ein »Ja« auf die Frage »Does it pass the Bechdel test?« schon ein feministisches Erfolgserlebnis ist, wie schmerzhaft niedrig liegt dann eigentlich die Messlatte? In den letzten Jahren wurden daher andere Tests entwickelt, die Aspekte wie die Darstellung von Minderheiten oder die Situation hinter den Kulissen beleuchten. Auch die App »Mango Meter« zielt auf die Bewertung von Filmen in Bezug auf ihren feministischen Gehalt. Wer die App installiert, kann
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Fragen zu Filmen beantworten, etwa ob weibliche Hauptfiguren darin vorkommen und diese sich mehr als Mutterschaft und Ehe wünschen. Das berichtete die frauenpolitische Plattform dieStandard.at. Mehr haben die zornigen User im Standard-Forum nicht gebraucht. Der User »Masturbo« (alles klar) etwa hat einen bestechend einfachen Lösungsvorschlag für das sexistische Dilemma: »Werde nie verstehen wieso Feministinnen so zwanghaft-krankhaft versuchen, anderen Leuten einzutrichtern worüber sie empört sein sollen und worüber nicht. Anstatt einfach eigene, feministische Filme zu produzieren und auf dem Markt zu veröffentlichen.« Ein anderer User pflichtet ihm bei: »Dafür gibts auch einen Grund: würde man feministische Filme produzieren, wäre schnell klar, wie groß die Zielgruppe ist.« Hä? Warum der Konjunktiv? Auf den billigen Plätzen des Internets wird die Marktlage enorm verkannt. Wie viel Sinn Vielfalt vor und hinter der Kamera finanziell macht, dafür findet die Chefin des Geena Davis Institute On Gender In Media deutliche Worte: »Wisst ihr was, HollywoodMachthaber? Filme unter weiblicher Führung spielen konsequent mehr Geld ein, Jahr für Jahr für Jahr. Denkt da dran, wenn ihr entscheidet, welchen Filmen ihr grünes Licht gebt.« Mehr als tausend untersuchte, zwischen 1990 und 2013 veröffentlichte Filme untermauern ihre Aussage. Jene, die den Bechdel-Test bestanden, fuhren im Schnitt einen höheren Profit ein als solche, die versagten. Warum sind dann User im Standard-Forum davon überzeugt, dass es kein nennenswertes Publikum für feministische Filme gibt? Vielleicht hat es damit zu tun, wie diese Filme rezipiert werden. Eine Untersuchung von Kritiken auf der Plattform des Review-Aggregators Rotten Tomatoes fand heraus, dass Journalistinnen zwar statistisch häufiger Filme von Regisseurinnen und mit weiblichen Hauptpersonen besprachen. Sie machen allerdings nur ein Drittel der FilmkritikerInnen aus und veröffentlichen vergleichsweise weniger Besprechungen: Männer schrieben 71 % aller Reviews.
Zu dem ohnehin schon verzerrten traditionellen medialen Output gesellen sich in Sozialen Medien zu allem Überfluss Angry White Men, die bitte gerne alle ihre Privilegien behalten und unter sich bleiben möchten. Sie bescherten dem Remake von »Ghostbusters« noch vor dessen Veröffentlichung einen Shitstorm sondergleichen, bloß weil die fiktiven Geister – Häresie! – diesmal von Frauen gejagt wurden. Sie taten dasselbe, als bekannt wurde, dass die britische Science-Fiction-Kultfigur Doctor Who nach zwölf männlichen Inkarnationen nun auch einmal von einer Frau dargestellt werden darf. Dass es sich dabei gesamtgesellschaftlich um eine hysterische, aber absolute Minderheit handelt, beweisen Hollywoodfilme wie »Wonder Woman« und aktuell »Captain Marvel«. Ähnlich wie »Black Panther« und »Crazy Rich Asians«, die vergleichbare finanzielle Argumente für die mediale Sichtbarkeit von Ethnic Minorities liefern, brechen diese Superheldinnen-Blockbuster Rekorde an den Kinokassen. »Captain Marvel«, der 21. im Marvel-Universum angesiedelte Film, ist gleichzeitig der erste mit einer Frau als Hauptperson – anscheinend erneut Anlass für einen sexistischen Backlash im Vorfeld der Veröffentlichung. In der Kommentarsektion von Rotten Tomatoes tummelten sich User mit Wortspenden wie »Terrible movie hate it already!!!!!!«, ohne jemals mehr als den Trailer gesehen haben zu können. Die wiederholten substanzlosen Angriffe bewegten Rotten Tomatoes sogar dazu, die Kommentarfunktion ab sofort erst ab dem jeweiligen Erscheinungstermin eines Filmes zu aktivieren. Was die Trolle freilich nicht verhindern konnten, war der überragende Erfolg von »Captain Marvel« zum Kinostart: Der Film spielte am ersten Wochenende allein in den USA mehr als 150 Millionen Dollar (weltweit sogar 455 Millionen) ein und ist damit der kommerziell bisher mit Abstand erfolgreichste Film des Jahres. Anscheinend gibt es doch ein Publikum für feministische Filme?! Mind = blown. exner@thegap.at @astridexner
Michael Exner
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Gender Gap Faule Paradeiser, faule Verhältnisse
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Kreativwirtschaftsgeschichte 2019 Der Wettbewerb fĂźr dich und deine Kunden!
Deine Kreativleistung hat das Unternehmen deiner Kunden vorangebracht? Erzähl uns deine Geschichte!
Jetzt einreichen und Image-Film gewinnen! Einsendeschluss: 24. Mai 2019
Die Kreativwirtschaft Austria sucht wieder die beste Kreativwirtschaftsgeschichte 2019
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Marie Kreutzer im Interview »Nichts, was wir tun, kann gänzlich unpolitisch sein« Wie gelang Ihnen die Recherche in Bezug auf die Welt der Unternehmensberatung? Wie gestaltete sich der Schreibprozess? Die Idee, Lola als Unternehmensberaterin zu erzählen, hat sicher damit zu tun, dass ich 2004 einen kurzen Dokumentarfilm über eine Unternehmensberaterin gedreht habe und die Faszination so groß war wie die Hindernisse. In die echte Arbeitswelt einer Beraterin kann man nämlich nicht hineinschauen, da sie ja mit sensiblen Daten arbeitet und alles vertraulich ist. Ich habe in der Recherche viele Erfahrungsberichte gelesen, aber mir auch die Websites großer Unternehmensberatungen angeschaut, mit welchem Wording dort um neue MitarbeiterInnen geworben wird, was man ihnen in Aussicht stellt. Die wichtigste Hilfe waren aber mehrere ehemalige BeraterInnen, die mir alle Fragen beantwortet, von sich erzählt, das Drehbuch gelesen und mit Detailnotizen versehen haben. Kein Dialog in Lolas beruflichem Umfeld ist ohne die Hilfe dieser Ex-BeraterInnen entstanden. Das hätte ich nie geschafft. Es ist ja quasi eine Fremdsprache. Der Film verhandelt den Druck, den wir uns alle auferlegen. Oft ist Lola beim Sport zu sehen, in einer Szene sieht man den dem Radiohead-Song »Fitter Happier« entnommenen Spruch »Fitter, happier, more productive« in Lolas Büro. Sie selbst meinten in einem Interview, dass auch Ihnen dieser Perfektionsdruck nur allzu gut
Wolf Silveri
Wie sind Sie zum Thema des Films gekommen und welche Herausforderungen gab es für Sie bei der Arbeit an diesem Projekt? marie kreutzer: Meine Tante war schizophren, wie die Figur, die Pia Hierzegger in meinem Film spielt. Ich würde sagen, sie war der Ursprung des Projekts. Und eine Phase in meinen Zwanzigern, in der sie mehr von mir wollte, als ich zu geben bereit war, weil ich mit meinem Leben und meiner Arbeit beschäftigt war. Wofür ich mich schuldig gefühlt habe. Mich hat die Frage angetrieben, was die »richtigen« Prioritäten sind und ob wir den Menschen, die uns brauchen, etwas schulden. Was Egoismus ist und was Selbstschutz. Und wie viel auch die Angst davor, selbst so eine Krankheit zu bekommen, zu einer Flucht vor einem psychisch kranken Menschen führt. Die Herausforderung war bis zum Schluss, mit Lola
von einer Protagonistin zu erzählen, die keine klassische Sympathieträgerin ist, sondern eine ambivalente Figur, die mit sich selbst kämpft.
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Marie Kreutzers »Der Boden unter den Füßen« war nicht nur der österreichische Beitrag im Wettbewerb der Berlinale 2019, er eröffnet auch die diesjährige Diagonale. Im Interview mit The Gap verrät die Filmemacherin ihren Zugang zu diesem Film und erzählt von Politik, Perfektionismus und aktuellen Plänen. ———— Lola (Valerie Pachner) ist Unternehmensberaterin. Sie ist auch: jung, adrett gekleidet und erfolgshungrig. In ihrem Büro steht ein Fitnessgerät, damit sie selbst bei »Forty-Eight«-Einsätzen (48-Stunden-Schichten ohne Schlaf ) Sport machen kann – denn: Zeit für Selbstoptimierung muss immer vorhanden sein. Als ihre Schwester Conny (Pia Hierzegger) ihre Hilfe braucht, gerät Lolas Leben zunehmend aus den Fugen.
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bekannt ist. Wieso fällt es vielen Menschen so schwer, sich diesem Perfektionszwang zu entziehen? Wir sind schon zu lange von diesem Perfektionszwang besessen, und er wird einfach zu gut genährt. Heute auch von den sozialen Medien, in denen alle anderen uns ja pausenlos »fitter, happier« erscheinen, als wir uns selbst. Ich hab ein riesiges Problem mit dieser Masse an »Influencern«, die so pseudo-»echte Menschen« sind, nur halt rundum super. Das ist schlimmer als die klassische Werbung oder das Modemagazin, die ein erwachsener Mensch ja zumindest theoretisch abstrahieren kann. Wir sind immer mit uns selbst am strengsten, und das kann einen kaputt machen, weil ja niemand mehr den eigenen Ansprüchen gerecht werden kann. Ich hatte 2015 ein Burnout und davor, nach der Geburt meiner Tochter, eine postnatale Angststörung. Ich erzähle das ohne Scheu – ich habe auch bis jetzt nur freundliche und positive, ja sogar dankbare Reaktionen bekommen. Wenn andere bekennen, dass sie nicht alles schaffen und nicht perfekt sind, erleichtert uns das. Ich glaube, nur so können wir diesen Produktivitäts- und Perfektionswahnsinn durchbrechen: indem wir unsere Schwächen nicht verstecken. Oder noch besser: sie nicht als Schwächen sehen. Beim Film haben Sie mitunter mit jemandem zusammengearbeitet, der für die Intimacy-Choreografie zuständig war. Was war Ihnen hierbei in Bezug auf die Sexszenen wichtig? Die Glaubwürdigkeit. Ich habe Strategien für Sexszenen, auch wenn es wirklich weder lustig noch sexy ist, sie zu drehen. Aber beim Sex zwischen zwei Frauen war ich einfach unsicher. Ich wollte keinen Klischee-Lesbensex, und ich wollte ganz sicher nichts Voyeuristisches wie in »Blau ist eine warme Farbe«. In Bezug auf das Thema Macht fand ich die Figur der Elise (Mavie Hörbiger) und ihre Beziehung zu Lola (Valerie Pachner) beson-
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ders interessant, da Elise durch ihre Position in der Firma ebenso an herrschenden Machtstrukturen teilnimmt. Wie sehen Sie die Figur Elise und ihre Rolle im Film? Lola hat einfach eine Beziehung zu ihrem Chef, nur dass der Chef hier eine Frau ist. Ich sehe Elise als eine der Frauen, die glauben, man müsse besonders »männlich« auftreten, um als Frau Erfolg haben zu können. Ich meine das nicht wertend. Elise hat eine Führungsfunktion in einer sehr konservativen, stark männlich dominierten Branche, und ich mag an der Figur, mit welcher Souveränität sie das macht. Ich glaube, diese Souveränität zieht auch Lola an. Frauen sind nicht nur in der österreichischen Filmbranche noch immer unterrepräsentiert. Sie haben ja bei »Der Boden unten den Füßen« nicht nur vor, sondern auch hinter der Kamera mit vielen Frauen zusammengearbeitet. Welche Strategien braucht es, um Filmemacherinnen zu fördern? Ich arbeite mit vielen Frauen, aber auch mit vielen Männern. Mein Team ist ein 50/50Team, und ich bin eher allergisch drauf, dass es immer als »Frauenteam« dargestellt wird. So wie ich es auch bezeichnend finde, dass ich ständig zur Gleichstellung und Geschlechterverteilung in der Filmbranche befragt werde, meine männlichen Kollegen aber nie. Die Gleichberechtigung geht uns alle an, nicht nur die Frauen! Es gäbe viele Wege, Frauen zu fördern; aber Bekenntnisse und Freiwilligkeit haben bisher die Zahlen nicht verändert. Noch immer bekommen weibliche Filmschaffende nur ungefähr 20 % der Fördergelder. Das kann niemand gerecht finden. Ich denke, ohne Quote wird sich nichts verändern. Vor Kurzem erschien ein Artikel in der Presse, der den BesucherInnenrückgang in den österreichischen Kinos thematisierte. Wie sehen Sie die Filmlandschaft in Österreich aufgestellt?
Der BesucherInnenrückgang betrifft nicht nur österreichische Filme, sondern das Kino allgemein, den kann man also nicht der österreichischen Filmbranche umhängen. Wir haben ganz, ganz viele tolle Leute und viel zu wenig Geld – das ist die Kurzfassung. Ich glaube, dass das österreichische Kino den ÖsterreicherInnen zu wenig wert ist. Die eigene Filmkultur hat in anderen Ländern, wie beispielsweise in Frankreich, einen viel höheren Stellenwert – dort gehört es auch fix zum Schulunterricht, dass man ins Kino geht. Seit Angelobung der aktuellen Regierung formiert sich auch in der österreichischen Kulturszene nach und nach Widerstand. Mirjam Unger und Anja Salomonowitz haben die Veranstaltungsreihe Widerstandkino ins Leben gerufen, und es gibt die Aktion #KlappeAuf sowie natürlich die Donnerstagsdemos, bei denen auch diverse KünstlerInnen teilhaben. Wie zeigt sich Politik in Ihren Filmen und
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»Es gäbe viele Wege, Frauen zu fördern; aber Bekenntnisse und Freiwilligkeit haben bisher die Zahlen nicht verändert.« — Marie Kreutzer
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013 wie sehen Sie diesbezüglich Ihre Rolle als Künstlerin? Ich bin ursprünglich verantwortlich für inzwischen Tausende T-Shirts mit der Aufschrift »Not My Government«, die auch viele KollegInnen von mir gern tragen. Oder was heißt gern – anders wäre es uns lieber! Das Statement ist emotional, es ist nicht antidemokratisch, wie mir manchmal vorgeworfen wird. Ich bin Demokratin durch und durch. Aber Demokratien haben auch schon sehr antidemokratische Menschen an die Macht gebracht. So wie jetzt. In meinen Filmen wird Politik sich nie so tagesaktuell und konkret zeigen, weil mich das filmisch nicht reizt. Ich glaube, das Kino ist auch zu langsam dafür, und es hat eine andere, grundsätzlichere Aufgabe. Meine Haltung ist sicher in meinen Filmen zu sehen und zu spüren, vor allem in »Der Boden unter den Füßen«, der sich kritisch mit der Kapitalismusgesellschaft auseinandersetzt. Ich war sehr angetan vom Motto der Berlinale in diesem Jahr: »Das Private ist
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politisch.« Nichts, was wir tun, kann gänzlich unpolitisch sein. Schon gar nicht, wenn wir Geschichten erzählen. Welche Themen und Geschichten möchten Sie in Ihren kommenden Projekten noch verhandeln? So viele. Ich arbeite zur Zeit an vier Drehbüchern. An einem TV-Krimi, in dem eine homosexuelle Beziehung am Land im Mittelpunkt steht, einer Komödie über drei Paare in der Midlife-Crisis, an einem Drehbuch über Kaiserin Elisabeths Kampf gegen das Alter und an einem besonders schönen und spannenden Projekt über eine politisch engagierte Journalistin, das deswegen besonders ist, weil wir vier Autorinnen und drei Regisseurinnen sind, die diesen Film zusammen machen wollen. Man ist in dem Beruf nämlich auch oft sehr allein. Barbara Fohringer
Valerie Pachner als erfolgshungrige Unternehmensberaterin in »Der Boden unter den Füßen«, der ebendieser abhandenkommt. Regisseurin Marie Kreutzer: »Ich glaube, nur so können wir diesen Produktivitäts- und Perfektionswahnsinn durchbrechen: indem wir unsere Schwächen nicht verstecken. Oder noch besser: sie nicht als Schwächen sehen.«
»Der Boden unter den Füßen« ist ab 22. März in den österreichischen Kinos zu sehen.
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Gläser, Porzellanpuppenköpfe, Werkzeuge, Kämme, Tierschädel, Tassen, Löffel, Nudelradler: Das ist nur ein Auszug aus jenen Gegenständen, die der Künstler Daniel Spoerri sammelt und fein säuberlich in Schalen und Schachteln hortet. Anja Salomonowitz hat ihm nun einen Film gewidmet. ———— Um 1960 erfand Spoerri seine »Fallenbilder«: Auf Tischplatten fixierte er die Reste geselliger Abendessen. Diese hängte er ins Museum. Die schmutzigen Teller wurden mittlerweile abgelöst durch alle möglichen Dinge, die Flohmärkte so hergeben und die Spoerri zu surrealen Kompositionen arrangiert. Als zentraler Vertreter des Nouveau Réalisme und Begründer der »Eat Art« ging er längst in die Kunstgeschichte ein; kein Lexikon der Gegenwartskunst kommt ohne seinen Namen aus. Wenn die Wiener Filmemacherin Anja Salomonowitz (»Die 727 Tage ohne Karamo«, »Kurz davor ist es passiert«) dem 1930 in Rumänien geborenen Künstler nun einen Film widmet, dann erzählt sie jedoch nichts von seiner bedeutenden Position im Kunstkanon, sondern verwebt sein Leben mit dem ihren. Schon der Titel deutet das an: »Dieser Film ist ein Geschenk«. Die Regisseurin »schenkt« dem Künstler ihre Arbeit für eine Assemblage, in der dieser ein rotes gebrochenes Porzellanherz einbaute – einen Gegenstand aus dem Besitz des verstorbenen Vaters von Salomonowitz. Auch ihr Sohn Oskar spielt eine wichtige Rolle: Er sitzt in Spoerris Atelierwohnung und spricht an seiner Stelle, rezitiert dessen Erinnerungen. Die Kindheit des Künstlers, der als Teenager in die Schweiz floh und heute in Wien lebt, verlief traumatisch: Als Sohn jüdischer Eltern entging er nur knapp dem Holocaust und musste erleben, wie sein Vater mit einem Todeszug deportiert wurde, wie Bomben fielen. Begleitet von den unaufgeregt vorgetragenen Kommentaren der Regisseurin aus dem Off, verharrt die Kamera fast ausschließlich im Atelier des Künstlers. Es verwundert nicht, dass häufig das Thema Tod zur Sprache kommt. Die meisten seiner Freunde seien schon gestorben, erzählt Spoerri dem kleinen Oskar, aber: »Man gewöhnt sich daran«. In solchen Szenen äußert sich ein leichter Anflug von Melancholie, auch etwas Nostalgie. Doch zum Ende des Films lässt sich der Künstler voll auf die Gegenwart ein: Als ihm der lebhafte und vife Oskar über die Programmierung von Websites erzählt, fragt er neugierig nach, ob er ihm wohl eine gestalten könne: »Und so kleine Filmchen, kann man die auch …?« Darin zeigt er sich aufgeschlossener als viele seiner Altersgenossen. Die Sammelwut, die Assemblagen als Memento mori, der Tod: So, wie Salomonowitz’ Film nachdenkt, reicht er weit über eine übliche Künstlerdoku hinaus. Und er zeigt, dass das Anhäufen von all den Puppenköpfen, Kochlöffeln und Herzen eben kein Selbstzweck ist, sondern dass diese durch Spoerri in einen neuen Kreislauf eintreten. Nina Schedlmayer
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»Ich sehe ja aus, als würde ich über Leben und Tod urteilen, dabei ordne ich nur Kochlöffel«, meinte Daniel Spoerri zu diesem Bild. Anja Salomonowitz, aus: »Dieser Film ist ein Geschenk«
Anja Salomonowitz: »Dieser Film ist ein Geschenk« Spoerris HerzKreislauf-System
Am 28. März lädt das Mumok zu einem »Abend für Daniel Spoerri«, bei dem ein Preview des Films gezeigt wird. Anschließend spricht die Regisseurin mit Kurator und Autor Alexander Horwath. Der Künstler ist anwesend. Teilnahme gratis, Anmeldung erforderlich.
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Ditz Fejer
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»Wir wollten, dass dieses Projekt tief im Land verankert ist«
Wie haben Sie dieses Projekt vorbereitet? kelly copper: Wir kannten Elfriede Jelineks Arbeit seit vielen Jahren, konnten sie jedoch leider nur in der Übersetzung lesen. Wir hatten nur eingeschränkten Zugriff auf den Originaltext. Uns interessierte jedoch die Verbindung des Werks zu diesem Teil der Steiermark. Die Geschichte ist in der Gegend angesiedelt und die Landschaft ist beinahe ein eigener Charakter – das gefiel uns. Wir sprachen mit Elfriede Jelinek und sie verriet uns, dass der Roman zum Teil vom US-Horrorfilm »Carnival Of Souls« inspiriert wurde. Unsere Vorbereitung bestand im Wesentlichen daraus, die Region mehrmals zu besuchen und Einheimische zu treffen. Wir stellten Fragen, wanderten, sahen das Land in allen Jahreszeiten. Elfriede gab uns sogar die Schlüssel zu dem Haus, in dem sie in ihrer Kindheit gelebt hat. Wir wollten, dass dieses Projekt tief im Land verankert ist.
Was waren die größten Herausforderungen bei der Umsetzung des Projekts? Das erste große Problem bestand darin, dass wir den Text nicht im Original lesen konnten. Aber das hat uns auch dafür frei gemacht, ihn uns anzueignen. Wir schrieben viele Szenen, bei denen wir nicht wussten, ob wir sie umsetzen können würden. Es waren ja viele der Dreharbeiten öffentlich zugänglich, aber wir wussten im Vorhinein nicht, wer aller teilnehmen würde. Wir mussten also immer mit den Gegebenheiten arbeiten – als etwa unsere StylistInnen kurzfristig absprangen, haben wir uns Videos angesehen, um zu recherchieren, wie man Zombie-Make-up macht. Man muss sich immer anpassen und darauf vertrauen, dass jede Krise kreatives Potenzial und eine gewisse Chance in sich birgt. Wie war die Stimmung am Set? Als wir die Hauptrollen besetzten, machten wir allen klar, dass viel Arbeit vor uns liegt – lange und harte Nächte. Wir fragten sie, warum sie Teil des Projekts sein wollten. Letztendlich besetzten wir nur Menschen, die einen überzeugenden Grund dafür hatten, mitarbeiten zu wollen. Wir hätten keine bessere Gruppe auswählen können, mit vielen von ihnen sind wir noch immer befreundet. Es waren Leute, die bereit waren, durchs Feuer zu gehen. Da wir nicht mit Ton gedreht haben – der gesamte Ton des Films wurde später hinzugefügt – konnten wir uns während der Arbeit mit den Leuten unterhalten und diese anleiten. Das half auch bei der Atmosphäre. Die Kamera erlaubt es, Fehler und wunderschöne Unfälle festzuhalten, die im Zuge der Arbeit passieren. Unsere Idee war es, die Arbeit zur Probe
zu machen, den Film quasi über die Arbeit zu machen, und die Kamera sollte das einzige Publikum sein. Der Film vereint Theater, verschiedene Filmgenres und auch Literatur. Darüberhinaus arbeiten Sie beide seit langer Zeit am Theater. Wie hat dieser Hintergrund Ihren Regiestil beeinflusst? Wir sind immer Theatermenschen im Herzen, also lieben wir es – ich denke mehr als die meisten Filmleute – eine gewisse Kunstfertigkeit zu sehen. Ich habe nichts dagegen, wenn ich einen Schauspieler mit Perücke sehe oder jemanden, der schwitzt; mich stört es nicht, wenn die falschen Gehirne wie Wackelpudding aussehen.
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»Die Kinder der Toten« ist nicht nur die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Elfriede Jelinek, sondern auch eine Filmmelange aus Zombie-, Heimat- und Stummfilm. Kelly Copper vom Nature Theater Of Oklahoma hat uns mehr dazu verraten. ———— »Die Kinder der Toten« gilt als eines der besonders wichtigen Werke der österreichischen Schriftstellerin Elfriede Jelinek. Im Rahmen des Steirischen Herbst 2017 haben die beiden ursprünglich aus dem Theater kommenden RegisseurInnen Kelly Copper und Pavol Liska – sie gründeten das Nature Theater Of Oklahoma – das eigentlich Unmögliche möglich gemacht: Gemeinsam mit LaiendarstellerInnen verarbeiteten sie diese komplexe Geschichte zu einem Film – in der Obersteiermark, auf 8 mm.
Wie war es, mit 8-mm-Film zu drehen? Und warum haben Sie sich entschieden, einen Stummfilm zu machen? Wir lieben 8-mm-Film. Wir haben mit 8-mm-Film gearbeitet, als wir zum ersten Mal nach New York gezogen sind. Es war billig und die Kameras waren leicht verfügbar. Wir sammelten auch Filme, die wir auf Flohmärkten gefunden haben: Heimvideos anderer, und wir nahmen sie mit nach Hause, projizierten sie und fragten uns, ob diese Menschen noch lebten oder schon tot seien. Sie wirkten geisterhaft. Wir dachten, es wäre das ideale Medium für diesen Film, der auch recht persönlich ist. Die Entscheidung, den Film zu einem Stummfilm zu machen, war zum Teil praktisch begründet, aber wir entschieden uns für die Stummschaltung, weil sie das Bild in den Vordergrund stellt und es erlaubt, den Text alleine wirken zu lassen. Es ist auch eine primitive Form. Stummfilme sind ein bisschen
Das Nature Theater Of Oklahoma im Interview The_Gap_174_010-043_Story_PACK.indd 17
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wie gefilmtes Theater: Man sieht die Schauspielerei, sie wurde noch nicht vom Realismus oder dem Versprechen davon angesteckt – daher finden wir dies auch als Theatermenschen besonders attraktiv. Sie arbeiten schon lange in Europa. Was haben Sie durch Ihre verschiedenen künstlerischen Projekte über Europa gelernt? Und welche Erinnerungen an Ihre Zeit in der Steiermark schätzen Sie noch? Wir hatten großes Glück, in Europa ein Zuhause gefunden zu haben. Ich habe definitiv das Gefühl, dass ich viel auf der ganzen Welt gelernt habe, aber am meisten über mich als Amerikanerin. Ich habe mich nie als »Amerikanerin« bzw. amerikanische Künstlerin gefühlt, aber wenn du an einem fremden Ort bist, dann siehst du dich und dein Land durch die Augen der anderen. Das war tiefgreifend und es hat mein Leben in vielerlei Hinsicht verändert. Es gibt viele Erinnerungen an die Zeit in der Steiermark: Einige der schönsten Tage bestanden darin, im Wald zu arbeiten und den Kühen den Berg ins Tal hinab zu folgen, aber auch die Tage auf der Schneealm und unsere Zeit beim Bauernhof Michlbauer, wo wir die Tiere füttern und einfach dieses Leben einatmen konnten, Teil der Familie dort wurden – daran werde ich mich immer erinnern. Barbara Fohringer
»Die Kinder der Toten« ist ab 5. April in den österreichischen Kinos zu sehen.
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»Man muss sich immer anpassen und darauf vertrauen, dass jede Krise kreatives Potenzial und eine gewisse Chance in sich birgt.« — Kelly Copper
Stadtkino Filmverleih (2)
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Unter der Regie von Kelly Copper und Pavol Liska wird aus Elfriede Jelineks Roman »Die Kinder der Toten« ein Zombiefilm im Super-8-Format, gedreht in der Obersteiermark und mit LaiendarstellerInnen.
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Das Netzwerk für deine Nachbarschaft
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Kurdwin Ayub Die 1990 im Irak geborene Kurdwin Ayub ist Regisseurin, Drehbuchautorin, sowie Video- und Performance-Künstlerin. Sie studiert(e) Malerei und Animationsfilm sowie Performative Kunst und konnte mit ihrer Doku »Paradies! Paradies!« die Kritik überzeugen. Preise gewann sie damit auch – etwa bei der Diagonale 2016 für die »Beste Bildgestaltung« oder den »Carte Blanche«-Nachwuchspreis der Duisburger Filmwoche. Ihre Arbeiten wurden auf verschiedenen Festivals gezeigt und die Viennale widmete ihr bereits vor einigen Jahren ein eigenes Programm.
Clara Stern Der Österreichische Filmpreis in der Kategorie »Bester Kurzfilm« ging 2018 an Clara Stern für »Mathias«. Stern studiert sowohl Buch und Dramaturgie (bei Götz Spielmann) als auch Regie (bei Wolfgang Murnberger). Davor absolvierte sie das Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft. Clara Stern kann nicht nicht nur einen MA- sowie zwei BA-Abschlüsse, sondern auch einige Preise ihr Eigen nennen: etwa den Carl-Mayer-Drehbuchpreis, den sie sogar zweimal (2016 für »Training« und 2018 für »Hacklerstrich«) gewonnen hat. Ihre Kurzfilme wurden auf diversen Festivals gezeigt, obendrein moderiert sie auch.
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Leonard Dworschak, Susanna Fellner & Barbara Fohringer Elsa Okazaki, Paul Wimmer, Trumer Privatbrauerei / Patrick Langwallner, Paul Pibernig, Robert Rieger
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10 RegisseurInnen unter 35 Junge Filmschaffende, die man kennen sollte
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Adrian Goiginger
Kristina Schranz
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»Die beste aller Welten« war der Überraschungshit im österreichischen Filmjahr 2017. Der autobiografische Film, der Goigingers Kindheit und die Liebe zwischen ihm und seiner drogenabhängigen Mutter thematisiert, konnte nicht nur verschiedene Jurys, sondern auch das Publikum überzeugen: Ca. 100.000 ZuseherInnen sahen Goigingers Langfilmdebüt im Kino. Goiginger gründete bereits 2012 mit Freunden seine eigene Filmproduktionsfirma, ab 2013 studierte er Regie (Szenischer Film) an der Filmakademie Baden-Württemberg. Seit Herbst 2018 ist er Dozent an der Athanor Akademie.
Trumer Privatbrauerei / Patrick Langwallner, Paul Pibernig, Robert Rieger
Noch keine 30 Jahre alt und schon zwei »goldene Nüsschen« in der Tasche – in der Sparte »Bester Kurzdokumentarfilm« führte in den vergangenen beiden Jahren der Diagonale kein Weg an Kristina Schranz vorbei. 2017 gewann sie mit »Spielfeld«, 2018 mit »Ars Moriendi oder die Kunst des Lebens«. Schranz, geboren 1991 in Oberwart, studierte erst Publizistik und Kommunikationswissenschaft in Wien und später Dokumentarfilm und Fernsehpublizistik an der HFF München. Dazwischen absolvierte sie eine SprecherInnenausbildung und arbeitete als Moderatorin und Redakteurin, unter anderem für Servus TV.
Lukas Feigelfeld Die Graphische schloss er mit seinem ersten Kurzfilm »Verzweigungen« (2006) ab, dann zog es den gebürtigen Wiener (Baujahr 1986) nach Berlin, wo er an der Deutschen Film- und Fernsehakademie zum Regisseur ausgebildet wurde. 2010 gründete Lukas Feigelfeld mit dem Kameramann Mariel Baqueiro die Produktionsfirma »Retina Fabrik«. Es folgten Kurzfilme (»Beton«, »Interferenz«) und Musikvideos (»Der Untergang« von Budzillus). Mit seinem ersten abendfüllenden Spielfilm »Hagazussa – Der Hexenfluch« (2017) schaffte es Feigelfeld unter anderem ins Programm des Fantastic Fest in Austin und der Diagonale.
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Clara Trischler
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Ein laufendes Studium in Regie mit Schwerpunkt Dokumentarfilm an der Filmuniversität Konrad Wolf in Berlin, ein abgeschlossenes Bachelorstudium in Buch und Dramaturgie an der Filmakademie Wien, ein Auslandsjahr am Instituto Universitario Nacional del Arte in Buenos Aires, ein weiterer Studienaufenthalt am European Film College in Dänemark und außerdem eine Reihe von Reisen und Projekten in England, Israel und den Vereinigten Staaten – Clara Trischler kommt viel herum. So entdeckte sie neben der Drehbuchschreiberei auch bald ihre Liebe zum Dokumentarfilm: Mit »Das erste Meer« (2014) und »Zuhause ist kein Ort« (2016) war die junge Regisseurin bereits auf der Diagonale vertreten.
Bernhard Wenger Mit erst 26 Jahren bereits mehrere prämierte Kurzfilme gedreht zu haben, das kann auch nicht jeder von sich behaupten – der Salzburger Bernhard Wenger kann: Sein Kurzfilm »Jungwild« (2016) wurde auf über 40 internationalen Filmfestivals gezeigt. Mit »Entschuldigung, ich suche den Tischtennisraum und meine Freundin« gewann Wenger 2018 den Diagonale-Preis in der Kategorie »Bester Kurzspielfilm« sowie den Österreichischen Filmpreis für den »Besten Kurzfilm«. Sein aktuelles Projekt »Guy Proposes To His Girlfriend On A Mountain« feiert Weltpremiere im Rahmen der diesjährigen Diagonale.
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Álvaro Martinez-Alonso, Drehbuchwerstatt München, Hannah Schwaiger, beigestellt, Patrick Wally
David Clay Diaz Anfangs studierte der 1989 in Paraguay geborene David Clay Diaz noch Philosophie in Wien, bis er 2010 sein Regiestudium an der Hochschule für Fernsehen und Film in München aufnahm. Nach einem einjährigen Studienaufenthalt am Wagner College in New York schloss er das Studium mit dem vielprämierten Diplomfilm »Agonie« (2016) ab. Der Langspielfilm feierte Weltpremiere bei der Berlinale, wurde als »Bester Erstlingsfilm« nominiert und sowohl in deutschen als auch US-amerikanischen Kinos gezeigt. Für »Agonie« gewann David Clay Diaz den Kulturpreis Bayern 2016.
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Jasmin Baumgartner
Hannah Schwaiger, beigestellt, Patrick Wally
Wer behauptet, nach zwei Uhr nachts passiere nichts Gutes mehr, kennt keine FilmemacherInnen. »Ich war ein schwieriger Teenager und hab von 12 bis 14 sehr viel Zeit damit verbracht, Filme anzuschauen, einfach, weil ich nachts nicht schlafen konnte«, erklärte Jasmin Baumgartner im Gespräch mit The Gap. An der Filmakademie studierte sie Drehbuch (bei Götz Spielmann) und Regie (bei Michael Haneke). Mit dem Kurzfilm »Unmensch« (2016) und dem Musikvideo zu Wandas »Columbo« (2017) war Jasmin Baumgartner, geboren 1990 in Baden, auf der Diagonale vertreten. Derzeit arbeitet sie an der Doku »Robins Hood«.
Leni Gruber Die 1991 in Wels geborene Leni Gruber studiert Buch und Dramaturgie sowie Produktion an der Filmakademie in Wien. Seit 2017 ist sie zudem Drehbuchstipendiatin der Literar Mechana. Vergangenes Jahr wurde ihr der Crossing Europe Award in der Kategorie »Local Artist« für den Kurzfilm »Schneemann« (2018) verliehen, der zuvor auch bei der Diagonale und dem Vienna Shorts Festival zu sehen war. Mit dem Crossing Europe verbindet Leni Gruber eine längere Geschichte: Auch die beiden Kurzfilme »Wösside – Wös Rap Rec« (2015) und »It Is No Dream« (2015) waren bereits Teil des Linzer Festivals. Für die diesjährige Ausgabe gestaltet Gruber den Festivaltrailer »Brace For Impact«.
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Selten sind in österreichischen Filmen pompöse Fanfaren oder lautstarke Melodien zu hören. Es mag ein Statement gegen Emotionalisierung sein oder ein Versuch, sich von der US-amerikanischen Filmkultur abzugrenzen. Braucht die österreichische Filmmusik dennoch mehr Dezibel? ———— Weit ist der Weg vom Livepiano im Stummfilmkinosaal bis hin zu hybriden Synth-Klassik-Texturen in modernen Blockbustern. Doch die Musik hatte dabei immer eine eigenständige Rolle inne, in der sie ihren Teil zum Medium Film beitrug – und das in einer mal mehr mal weniger prominenten Position, immer jedoch als essenzieller Bestandteil des Gesamtkunstwerks Film. In all den Jahren hat Filmmusik immer ihren Platz in der Branche gefunden. Während enthusiastische HörerInnen in ihr individuelle Kunstwerke sehen, erfüllt sie für das unaufmerksame Ohr oft nur einen praktischen Nutzen. In der Anfangszeit wurden Stummfilme, so Musikautor Kurt London, nur deshalb mit Livemusik vertont, um damit das Geräusch des laufenden Projektors zu überdecken. Es
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stellte wohl einen drastischen Einschnitt in den romantisch geprägten Geniekult des Komponisten dar: Musik, die sich einem anderen Medium unterordnen muss – keine Neuheit, und doch so neu. Der Beruf der Komponistin bzw. des Komponisten wurde im Laufe der Jahrhunderte immer wieder in der Umsetzung von Auftragswerken ausgeübt. Doch selten trat die Musik so bescheiden in den Hintergrund.
Enthusiasmus am Höhepunkt Die Filmmusik an sich fand jedoch schon bald größere Zustimmung und Wertschätzung, so auch in Österreich. Die ersten Filme wurden mit Originalmusik Beethovens und Mozarts vertont. Als der Enthusiasmus bezüglich Film seinen Höhepunkt erreichte und die Möglichkeiten von Ton in der neuen Kunstform erkannt wurden, verschrieben sich selbst Kunstmusiker wie Eisler und Schönberg dem neuen Medium. In den Vereinigten Staaten brachten die Ären Morricone, Williams und Zimmer etappen-
weise eine Welle selbstbewusster KomponistInnen und unverkennbarer Filmscores. Soundtrack-Alben verkauften sich plötzlich in rauen Mengen und Hollywood schien die Vermarktung einer bis dahin wenig beachteten Musik gelungen zu sein. Die Popularität von Filmmusik ist nicht zuletzt ihrer klaren harmonischen Strukturen und dementsprechend leichten Zugänglichkeit geschuldet, im Vergleich zur oft als abstrakt empfundenen zeitgenössischen Musik. Heute wirkt Filmmusik häufig wie ein unsichtbarer, zusätzlicher Erzähler. Sie wird selten bewusst von den ZuseherInnen wahrgenommen. Doch gerade dann, so meinen viele, wenn man sie nicht merkt, mache sie einen guten Job. Filmmusik müsse nicht in pompösen Stil oder melodischer Einzigartigkeit à la John Williams hervorstechen, ganz im Gegenteil: Filmmusik bleibt oft im Hintergrund, erfüllt oft primär den Zweck, Emotionen zu evozieren. Sie unterwirft sich dabei häufig den im Script festgehaltenen Anforderungen. Nicht zu vorlaut, aber auch nicht zu leise, heißt
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Filmmusik in Österreich Nicht zu vorlaut, nicht zu leise
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Vom Livepiano im Stummfilmkinosaal bis hin zu hybriden Synth-Klassik-Texturen in modernen Blockbustern – das Genre Filmmusik hat einen weiten Weg zurückgelegt.
es gerne vonseiten österreichischer RegisseurInnen, aber doch mit einer emotionalen Kraft. Noch dazu verschwinden allmählich die Grenzen zwischen Sounddesign und Musik. Enge Zusammenarbeit zwischen Komponisten und Sound-Mixer ist inzwischen weit verbreitet in einer Branche, in der interdisziplinäres Teamwork ohnehin immer stärker gefordert wird. Die ZuseherInnen sollen nicht abgelenkt werden, heißt es von einigen Seiten, völlige Immersion soll ermöglicht werden. In Zeiten von Streaming-Formaten und Apps mit interaktiven Inhalten eine logische Schussfolgerung. Publikumsnutzen ging schon immer vor Eigenständigkeit der Musik.
Musik und ihre Abwesenheit Jemand, der sich ganz klar von alldem abwendet und sich an einem radikalen Doku-Stil orientiert, ist der österreichische Regisseur Michael Haneke. Er verzichtet in seinen Filmen komplett auf Musik. Auch das dänische Kollektiv Dogma 95, zu denen unter anderem die
Regisseure Lars von Trier und Thomas Vinterberg gehören, vertraut einzig und allein auf originalen, auf dem Filmset aufgenommenen Ton. Seinen Weg in den Mainstream fand diese Herangehensweise bislang nicht wirklich. Das reale Leben scheint oft schlichtweg zu kalt für die große Leinwand. Der realistische Stil geht unter die Haut, ja, aber große künstliche Gefühle und typisches Hollywood-Pathos entstehen so natürlich nicht. Hier zeigt die Absenz von Musik eines auf, nämlich wann wir sie am dringendsten benötigen: genau dann, wenn sie das ausdrücken muss, was Sätze und Bilder nicht vermögen. Die Filmmusik wird sich wandeln und ganz anders klingen, immerhin hat sie das schon immer. Die Filmmusik wird aber auch gleichzeitig eine neue Stimme in der Filmbranche finden. In Österreich heißt das vielleicht auch, dass sie etwas lauter hochgedreht werden muss, um endlich einmal bewusst von den ZuseherInnen wahrgenommen zu werden. Manuel Lavoriero
Gerade dann, so meinen viele, wenn man sie nicht merkt, mache Filmmusik einen guten Job.
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Filmkomponistin Iris Wallner Die Musikarbeiterin
Das Angebot an FilmkomponistInnen übersteige die Nachfrage bei weitem, so Iris Wallner, weshalb die meisten, wie auch sie selbst, nicht nur für Film schreiben.
also vor allem Anpassungsfähigkeit, die von KomponistInnen in der digitalen Welt erwartet wird. In ihrem Studio 4Soundtrack in Stockerau schreibt Wallner Musik für Filme, Videospiele, Trailer, Werbespots und verschiedenste digitale Medien. Vielseitig ist Wallner auch stilistisch: Ihre Werke sind einerseits klassisch und orchestral, andererseits aber auch von modernen Pop- und Rockelementen durchzogen. Sie habe nicht »ihren« Stil, den sie vertrete oder durchbringen wolle. »Ich sehe mich eher als Musikarbeiterin. Es ist einfach meine
Aufgabe, zu einem Auftraggeber zu gehen. Ich habe mich mittlerweile auch an Vorgaben gewöhnt«, sagt Wallner. Jeder, der an einem Film mitwirkt, muss sich oft auch zurücknehmen können. Das gilt auf allen Ebenen des Films. Es nütze dem Film einfach nicht, wenn man versucht, sich in den Vordergrund zu drängen. »Kreativität hat viel mit Beschränkung zu tun«, so Wallner. Und überhaupt gebe es wenige KomponistInnen, die allein für Film schreiben. »Das Angebot überwiegt die Nachfrage bei weitem. Es gibt so viele, auch junge, Leute, die da reinwollen.
»Ich habe das Gefühl, dass in Österreich alles, was nur entfernt an ›Kommerz‹ erinnert, tunlichst vermieden wird.« — Iris Wallner
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Zwischen Los Angeles und Wien: Iris Wallner komponiert Musik für eine Vielzahl unterschiedlicher Medien. Die Allround-Komponistin über Soundtracks im Zeitalter der digitalen Revolution, über Texturen, Harmonie und Kommerz. ———— »Interaktivität ist interessant beim Komponieren, weil darin viele Ebenen enthalten sind«, meint Komponistin Iris Wallner in Hinblick auf Virtual-Reality-Technologien und neue Medien. Interaktive Medien würden viel mehr Ebenen erlauben, denen sich die Musik anpassen könne – je nachdem was gerade im virtuellen Raum passiert. Es sei
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d.signwerk linz / foto gerhard wasserbauer
filmfestival linz // 25 – 30 april 2019
Klangfarbe und Experiment Die Postmoderne erlaube es im Musikbereich alles auszuprobieren. Der Trend in Richtung Klangtexturen ist dabei sehr stark spürbar. Doch auch eine Textur kann musikalisch sein, versichert Wallner. Es sei oft interessant und viel schwieriger, die richtige Textur zu finden. Dabei ist ihr die Harmonie jedoch am wichtigsten, weil Rhythmus und Melodie oft wegfallen. Was bleibt, ist viel Klangfarbe, bei der man sehr viel experimentieren könne. Klassische, epische Musik mit Orchester würde oft viel schneller gehen, und das obwohl viel mehr an Inhalten drin ist. Ob sie zurück nach Los Angeles will? »Für ein Projekt schon, aber ganz nach L.A. ziehen, das will ich nicht.« In den Vereinigten Staaten sei ihr der Konkurrenzkampf sehr aufgefallen. Es gebe dort im Vergleich zu Österreich nun mal viel mehr Menschen, die dasselbe anbieten würden. Dennoch sei das mit einem Enthusiasmus für Neues vereint, der in Österreich oft fehle. »Große Vielfalt ist schon etwas anderes«, meint Wallner mit Blick auf Österreich. Die Bandbreite und die Akzeptanz sei in den USA einfach anders. Dort hätten neben dem Kommerz durchaus künstlerische, minimalistische Produktionen ihren Platz. Natürlich nicht in dem Bereich, den man gemeinhin unter »Hollywood« versteht, aber sehr wohl in der breiteren US-amerikanischen Filmszene. »Bei uns hingegen habe ich das Gefühl, dass umgekehrt alles, was nur entfernt an ›Kommerz‹ erinnert, tunlichst vermieden wird«, so die Filmmusikkomponistin. Manuel Lavoriero
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www.crossingEurope.at
Verwertungsgesellschaft der Filmschaffenden GenmbH Collecting Society of Audiovisual Authors
Wir vertreten die Rechte von Regie, Kamera, Filmschnitt, Szenenbild, Kostümbild & Schauspiel. vdfs.at
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Es wird einfacher, zuhause zu produzieren. Es ist ähnlich wie bei der Popmusik, die die Musik fast demokratisiert hat.« Wallner selbst hat ihre Musikkarriere mit dem Komponieren für Videospiele begonnen, wobei sie schon immer in die Filmbranche wollte. Nach einem Psychologiestudium an der Universität Wien verschlug es sie in die Metropole Los Angeles. Dort lernte sie Komposition und Orchestrierung bei Musikern wie Conrad Pope, Steven Scott Smalley und Richard Bellis, nahm am prestigeträchtigen ASCAP Television & Film Scoring Workshop teil. In Los Angeles hat sie auch Hans Zimmer getroffen, der, wie Wallner sagt, »immer gerne nach Europa – und mittlerweile auch nach Wien kommt, da er den Klang von Aufnahmestudios wie Air Studios London oder Synchron Stage Vienna liebt und langjährige Kooperationen mit den Musikern vor Ort pflegt«.
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Zahlen, bitte!
Die österreichische Film- und Kinolandschaft in Zahlen
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Erfolgreichste österreichische Produktion 2018 – gemessen an Besucherzahlen: »Hilfe, ich habe meine Eltern geschrumpft« von Tim Trageser: 123.492 BesucherInnen Quelle: Filminstitut
40,6 Das durchschnittliche Alter der KinobesucherInnen liegt bei 40,6 Jahren. Quelle: Filminstitut
5,7
2017 erreichte der österreichische Film einen Markanteil von 5,7 % – das drittbeste Ergebnis seit 2004. Mit knapp 265.000 Besuchen war Josef Haders Film »Wilde Maus« die erfolgreichste österreichische Produktion dieses Jahres. Quelle: Filminstitut
764.757 2018 lag die GesamtbesucherInnenanzahl österreichischer Produktionen bei insgesamt 764.757 Besuchen. Damit ist sie, im Vergleich zu 2017 (838.363 Besuche), etwas zurückgegangen Quelle: Rentrak & ProduzentInnen
13.735.758
115.930 Österreichische Produktion mit der bislang höchsten Besucherzahl 2019: »Love Machine« von Andreas Schmied, 115.930 BesucherInnen (Stand: 4. März 2019) Quelle: Filminstitut
139
2017 gab es in Österreich 139 Kinos mit 562 Sälen. Quelle: Filminstitut
191
Im Berichtsjahr 2016 konnte von den österreichischen Kinos ein Netto-Umsatz von 191 Millionen Euro erwirtschaftet werden. Dieser Umsatz stammt im Durchschnitt zu 58 % aus den Ticketeinnahmen und zu 22 % aus dem Verkauf von Knabbereien und Getränken, den sogenannten Concessions. Aus kinoeigener Gastronomie kommen im Schnitt 10 % der Einnahmen. Quelle: Institut für Höhere Studien
Sarah Wetzlmayr
123.492
Kinobesuche fanden 2018 insgesamt – also alle internationalen Produktionen eingeschlossen – in Österreich statt. Das sind um 1.562.713 weniger als 2017. Quelle: WKO
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In Österreich sind 19 filmfördernde Institutionen tätig, fünf Einrichtungen auf nationaler Ebene und 14 in den Bundesländern. Quelle: Filminstitut
9,01
Auf der Liste von 35 europäischen Ländern liegt Österreich, mit 9,01 Euro, auf Platz 7 der teuersten Kinokarten. Lediglich in der Schweiz (13,7 Euro), in Norwegen (12,5 Euro), Dänemark (11,7 Euro), Schweden (11,3 Euro), Island (10,2 Euro) und Finnland (10,0 Euro) musste für eine Kinokarte im Durchschnitt mehr als in Österreich bezahlt werden. Quelle: Filminstitut
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Lehrende an der Filmakademie Wien: 44 % weibliche Studierende wurden von 30 % weiblichen Lehrenden und 10 % Professorinnen unterrichtet. Quelle: Film Gender Report 2012–2016
55
2,1
1,8
Knapp ein Viertel der geförderten Kinofilme hat Herstellungskosten von mehr als 2,1 Millionen Euro. Quelle: Filminstitut
Österreichische Filme und Koproduktionen erzielen 2017 im Ausland knapp 1,8 Millionen Kinobesuche, ein Minus von 1,2 Millionen Besuchen gegenüber 2016. Mit 20 von 95 Kinostarts ist Deutschland unangefochten der wichtigste Auslandsmarkt für Österreichische (Ko-)Produktionen. Quelle: Filminstitut
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Laut dem Film Gender Report 2012 bis 2016 wurden 80 % der Herstellungsförderungen Projekten mit Männern in Regie, Produktion oder Drehbuch zugesprochen, nur 20% der Fördermittel gingen an Projekte mit Frauen in diesen Funktionen.
In den österreichischen Kinospielfilmen aus den Jahren 2012 bis 2016 waren die Hauptfiguren zu 55 % männlich und zu 45 % weiblich. Quelle: Film Gender Report 2012–2016
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19
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2017 wurden Fördermittel in der Höhe von knapp 75 Millionen Euro vergeben. Quelle: Filminstitut
75 % der Spielfilme, die 2012 bis 2016 in die Kinos kamen, wurden von Regisseuren gedreht. 21 % wurden mit weiblicher Regie umgesetzt, 4 % von Regieteams, die aus Frauen und Männern bestanden. Quelle: Film Gender Report 2012–2016
Sarah Wetzlmayr
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Pia Gärtner
1. Februar
Kino Wien Film Vom ersten Kino, das 1896 eröffnete, bis zur Gegenwart, die durch Multiplex und Streaming bestimmt ist – die Art, Filme zu konsumieren, hat sich im Laufe der Zeit verändert. Dieser Wandel ist dabei untrennbar von gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen. In einer Hommage an die Institution wird in »Kino Wien Film« die Kinogeschichte der Stadt erzählt.
Wintersportevents im Fernsehen zu verfolgen, ist in Österreich fast schon eine Sportart für sich. »The Big Jump – Flieg mit uns in 3D« lässt das Publikum noch intensiver teilhaben: Aus Sicht der Athleten lässt sich das Skifliegen im Rahmen der Wettkämpfe in Oberstdorf und am Kulm miterleben – von der Aufregung davor bis zum Sprung selbst.
15. März
Äußerst komisch entwickelt sich das Leben des Musikers Georgy (Thomas Stipsits), als er in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Seine Schwester (Julia Edtmeier) hilft ihm, seine neue Geschäftsidee umzusetzen: Er stellt sich und seinen Körper der Damenwelt entgeltlich zur Verfügung. Doch lässt sich der Job mit dem Privatleben vereinbaren?
The Big Jump
7. März
Ute Bock ist tot, aber ihre gesellschaftliche Wirkung besteht weiter. Sie wird als Symbol der Menschlichkeit wie ein Popstar gefeiert, davon konnte sich jeder beim Lichtermeer ein Bild machen. Der Film zeigt einen Querschnitt durch das Umfeld wie auch die private, persönliche Seite des Lebens der Ikone und ihren Einsatz für Gerechtigkeit.
Ute Bock Superstar Love Machine
18. Jänner
Die Kinder der Toten Ein Super-8-Film in Splatter-Optik, gedreht in der Obersteiermark, über die schleichende Auferstehung »untoter« Gespenster. Ein Film, der die Frage nach der (Un-)Möglichkeit einer adäquaten Aufarbeitung angehäufter Schuld behandelt. Frei nach Elfriede Jelineks gleichnamigem Roman.
Marie Kreutzer zeigt in ihrem neuen Film, wie das geregelte Leben der erfolgreichen Unternehmensberaterin Lola (Valerie Pachner) nach und nach aus den Fugen gerät, als sie merkt, dass sie halluziniert. Sie ist gezwungen, sich mit sich selbst und der Geschichte psychischer Krankheit in ihrer Familie auseinanderzusetzen.
5. April
Ein Denkmal für den »kleinsten Youtuber Österreichs«. Martin Habacher kam mit der Glasknochenkrankheit zur Welt. Ihm wurde ein früher Tod prognostiziert, aber es kam anders: Sein Leben lang setzte er sich mit viel Humor gegen Barrieren und Diskriminierung ein.
Mabacher – #ungebrochen
15. Februar
Der Boden unter den Füßen
22. März
Die Dokumentation begleitet die Entstehung des Stücks »Geächtet« von Ayad Akhtar im Wiener Burgtheater und porträtiert diese Institution als eines der wichtigsten Schauspielhäuser der Welt. »Die Burg« zeigt, wie alle notwendigen Arbeitsabläufe ineinandergreifen und vermittelt vielfältige Perspektiven auf das Sujet Theater.
Die Burg
15. Februar
Die österreichischen Filmschaffenden waren nicht untätig. Eine Auswahl von Filmen, die dieses Jahr im Kino zu sehen sind.
Freibeuter Film, Stadtkino Wien, Filmladen, Georg Soulek, Docs Filmverleih, Dor Film, Kinostar, Wolfram Wuinovic, Novotny & Novotny / Juhani Zebra, Ulrich Seidl Film Produktion
Im Österreich der späten 1950er entdeckt der zwöfljährige Paul Silberstein, abenteuerhungrig und vom Schicksal mit einer blühenden Fantasie sowie schwerem Erbe ausgestattet, die Macht der Liebe und des Humors. Frei nach André Heller.
Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein
1. März
Die junge Nigerianerin Joy arbeitet in Wien als Prostituierte. Sie befindet sich in einem Teufelskreis der sexuellen Ausbeutung. Daraus auszubrechen scheint unmöglich – sie ist abhängig von ihrer Zuhälterin und muss ihre Familie finanziell unterstützen. Ihre eigene Rolle in dem mafiösen Systems ist fließend: Joy ist Opfer und Komplizin zugleich.
Joy
18. Jänner
Doku Spielfilm
Filmkalender 2019
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Freibeuter Film, Stadtkino Wien, Filmladen, Georg Soulek, Docs Filmverleih, Dor Film, Kinostar, Wolfram Wuinovic, Novotny & Novotny / Juhani Zebra, Ulrich Seidl Film Produktion
26. April
10. Mai 17. Mai
24. Mai
Nevrland Zeitgenössische Themen wie Selbstwerdung, Sexualität und Flucht in virtuelle Welten stehen im Zentrum des Films von Georg Schmiedinger. »Nevrland« erzählt von der transpersonalen Reise des schüchternen 17-jährigen Jakob, die beginnt, als er sich vor seinen Angststörungen in einen Sexcam-Chat flüchtet und dort auf den älteren Christian trifft.
Der Schauspieler Karl Markovics reagiert mit seinem dritten Drehbuch auf die Täter-Opfer-Umkehr in der öffentlichen Debatte zur Flüchtlingsthematik. In »Nobadi« treffen ein junger afghanischer Flüchtling und ein alter Mann im Schrebergartenidyll aufeinander: Zwei Menschen, die eigentlich nichts gemeinsam haben, aber durch Zufall einige Stunden miteinander teilen.
Herbst
Night« versucht Norman mit seinen Schuldgefühlen zu leben, nachdem er als Kind seine Eltern durch einen Brandunfall verloren hat. Das Trauma besteht weiter, und holt ihn trotz seiner Bemühungen, ein geregeltes Leben mit Frau und Kind zu führen, wieder ein. Er begibt sich auf einen Trip auf den Spuren der Flammen und des Lichts.
Nobadi
27. September
Auf der Fahrt übers Mittelmeer sind in den letzten Jahren Tausende Menschen gestorben. Was in der Berichterstattung aber kaum vorkommt: Was geschieht eigentlich mit den Toten, die geborgen werden? Wer kümmert sich um ihre Hinterbliebenen und hilft bei der Suche nach den Vermissten? Diesen Fragen geht die Regisseurin Nathalie Borgers nach.
Das deutsch-österreichische Drama »Gipsy Queen« erzählt die Geschichte einer Kämpferin. Die alleinerziehende Mutter Ali, gespielt von Alina Serban, arbeitet in einer Hamburger Kneipe als Reinigungskraft. Als sie ihren Alltagsfrust am Boxsack im Keller auslässt, erkennt Inhaber Tanne (Tobias Moretti) ihr Talent und beginnt, sie zu trainieren. Ihre Vergangenheit in Rumänien holt sie ein.
Nach »Ein Augenblick Freiheit« widmet sich Regisseur Arash Riahi erneut dem Thema Flucht: Oskar, Lilli und ihre Mutter aus Tschetschenien werden in Wien von der Polizei gefasst und voneinander getrennt. Die Kinder halten aber Kontakt und wollen ihre Mutter wiederfinden. Die Adaption des Romans von Monika Helfer ist als zweiter Teil einer Trilogie konzipiert, bei der Flucht im Zentrum steht.
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Gipsy Queen
Winter
Erdzeitalter, in dem die Menschen zum stärksten Einflussfaktor auf dem Planeten geworden sind. Nikolaus Geyrhalter führt in Steinbrüche, auf Großbaustellen und in Kohleabbaugebiete; dorthin, wo Menschen sich die Erde mit Hilfe von Bagger, Bohrer und Dynamit untertan machen und dabei unwiderrufliche Wunden in ihrer Oberfläche hinterlassen.
Oskar und Lilli
Herbst
Die Wiener Staatsoper, ein Ort der Magie und Präzision, wo alle Rädchen perfekt ineinandergreifen: Die Dokumentation stellt die Menschen hinter den Kulissen des weltberühmten Opernhauses vor. Von OpernsängerInnen, über Chor und Ballett bis hin zu Technikteam und Putztrupp – alle spielen ihren Part, ob auf oder hinter der Bühne.
»Little Joe« ist ein Science-FictionDrama über den Zweifel an der Wirklichkeit. Eine gentechnisch manipulierte Pflanze setzt unheimliche Veränderungen bei Menschen und Tieren in Gang. Die Befallenen wirken fremd – vor allem für die, die ihnen nahestehen. Oder ist es Einbildung? Ein Spiel mit verschiedenen Realitäten beginnt, an dessen Ende der Verlust der eigenen Identität steht.
Little Joe
Winter
Wie besteht ein öffentlich-rechtlicher Radiosender in Zeiten der »postfaktischen Gesellschaft«? »Gehört, gesehen« zeigt den Alltag hinter den Kulissen des Kultursenders Ö1 und mit welchem Ethos RadiomacherInnen ihren Beitrag zu einer aufgeklärten Öffentlichkeit leisten. Ein Porträt über die Bedeutung des Mediums in Phasen der Veränderung.
Backstage The Remains – To The Night Erde Gehört, gesehen Nach der Odyssee Im psychologischen Drama »To The Wiener Staatsoper Es herrscht das Anthropozän, jenes – ein Radiofilm
5. April
Thimfilm / Navigator Film, Freibeuter Film, Prisma Film, Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion (2), Petro Domenigg, Jo Molitoris, Wega Film, Dor Film, Coop 99 / Christa Amadea, Ben Whisha & Emily Beecham
Pia Gärtner
Workstation Menschen am Arbeitsplatz Laura Lopocsi
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Susanna Fellner
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Harald Sochor, 57
Filmvorführer im Kino im Kesselhaus, Krems Seit über zehn Jahren betreut Harald Sochor als Filmvorführer nun schon das Kino im Kesselhaus und sorgt dort für einen reibungslosen Ablauf – von der technischen Überprüfung neuer Filme über den Saaleinlass und die Saalsicherheit bis hin zum Abschließen des Kinos spätabends. Im Rahmen seiner Ausbildung im Actors Studio in Wien eignete er sich das notwendige Wissen des Filmvorführens an, etwa zu den verschiedenen Filmformaten wie Super 8, 16- bzw. 35-mm-Film sowie Nitro- und Acetatfilm. Mittlerweile kommen zumeist digitale Kopien zum Einsatz, nur noch selten arbeitet Harald mit alten Filmtelleranlagen (im Bild): »Es ist eine Erleichterung, keine 30 bis 40 Kilo schweren Filmrollen mehr herumschleppen zu müssen. Aber eine schöne Herausforderung war es schon, mit den alten Projektoren und Filmen ein perfektes Bild hinzubekommen.« Besonders wichtig sind dem Filmvorführer der Kundenkontakt und Sonderveranstaltungen wie Filmpremieren, Publikumsdiskussionen und Performances – die bald auch wieder im Rahmen des Donaufestivals auf dem Programm stehen.
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Marlene Dinhof, 21
Kassadienst und Saalregie im Filmcasino, Wien Marlene Dinhofs Interesse für Film und Kino ist groß – so groß, dass sie seit Anfang 2018 neben ihrem Studium der Theater-, Film und Medienwissenschaft auch im Filmcasino in Wien-Margareten arbeitet. Angefangen hat sie dort an der Kassa mit Aufgaben wie dem Anlegen des Wochenprogramms, dem Abarbeiten und Entgegennehmen von Reservierungen und natürlich dem Kartenverkauf. Seit ein paar Monaten übernimmt sie außerdem die Saalregie bei Filmpremieren, Publikumsdiskussionen und anderen Sonderveranstaltungen. Speziell die Arbeit mit Filmfestivals, wie beispielsweise dem Slash, dem Festival des fantastischen Films, mit Terminen im Mai und September, findet sie besonders spannend. »Man lernt das Kino in all seinen Facetten kennen. Seit ich im Filmcasino arbeite, gehe ich auch mit ganz anderer Einstellung ins Kino, weil ich weiß wie viel hinter den Kulissen passiert, während man selbst im dunklen Saal den Film genießt«, schwärmt Marlene.
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PROSA — ANDREAS KUMP
HALBZEITPFIFF
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40 zu werden ist eine Zäsur im Leben. Andreas Kump hat darüber einen Roman geschrieben. Der Musiker und Journalist lässt in »Über vierzig« gleich fünf ProtagonistInnen, kurz vor oder etwas über 40 Jahre alt, durch einen richtig heißen (40 Grad) Wiener und Linzer Hochsommertag hetzen. Mit dabei haben sie einen ganzen Rucksack voller Lebenserfahrung, die neu eingeordnet werden will. Ein kurzer Abdruck, der Eindruck hinterlassen sollte.
Lesbos lebte in einer Erdgeschoßwohnung. Über seiner Etage stapelten sich noch sieben weitere Stockwerke. Eine tonnenschwere Last aus gewöhnlichen Dingen und Existenzen. Darum gehörten ihm die gut achtzig Quadratmeter sozialer Wohnbau auch nicht alleine. Er teilte sie mit der Befürchtung, dass ihm eines Tages die Decke auf den Kopf fallen könnte. Wobei es gar nicht die Geräusche aus Plafond und Wänden waren, die ihn das befürchten ließen. Es war mehr das Rumoren in seinem Kopf. Die Gewissheit, unter sieben Schichten schwedischer Möbel und zwanzig Haushalten mit Abo der Kronen Zeitung leben zu müssen, hatte für Lesbos etwas Erdrückendes. Er behalf sich dagegen seit Jahren mit ausgesuchten Mitteln. Raum für Raum seiner Wohnung pölzte er mit Büchern ab, teils in Regalen nach Autoren und Gebieten sortiert, teils säulengleich bis zur Decke gestapelt. Das machte sein Zuhause buchstäblich erträglich, verschlang aber auch Erhaltungszeit. Ständig erwarb er neue Lektüre, begann er mit weiteren Säulen. Die Räume wurden dadurch enger und enger, kaum noch ein freier Meter Mauer. Aber mittlerweile glaubte Lesbos, dass es fatale Folgen für die Statik des gesamten Gebäudes hätte, würde er eine der Säulen einsparen oder ein gewichtiges Buch aus dem Verbund lösen. Er glaubte, der ganze Stumpfsinn, der auf seiner Decke lastete, ließe sich nur durch seine Bibliothek abfangen. Keiner der Nachbarn war sich im Klaren darüber, in welcher Gefahr alle im Haus schwebten. Dass es allein der bibliophilen BergmannTätigkeit eines Erdgeschoßbewohners zu verdanken war, dass ihr Gebäude nicht in sich zusammenfiel. Aber wurde Lesbos deswegen freudig begrüßt, wenn er sein Sixpack vom Diskonter heimtrug? Oder wünschte man ihm ein aufmunterndes »Glück auf!«, wenn er auf der Bank vor dem Haus zur Erbauung in Franz Jungs »Der Weg nach unten« las? Nein, umgangen und belächelt wurde er dabei, egal ob es alte Grantscherben oder junge Familien waren, was ihm aber die meiste Zeit nur recht war, weil es ihm lästige Unterhaltungen ersparte. Das besagte Gebäude war eines unter vielen. Wer auch immer diese Siedlung Ende der Siebzigerjahre entworfen hatte – einen geraden Strich konnte er machen.
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Sehr viele gerade Striche sogar. Vielleicht wurde dieses Talent später erkannt und passender eingesetzt. Für die Planung von Gefängnissen etwa oder bei der Errichtung von Staumauern. Lesbos wohnte seit fast dreißig Jahren zur Miete in diesem Haus. Unter Lesbos kannte ihn hier aber niemand. Hier hieß er wie früher, vor seiner Häutung. »Jäger« stand auf dem Klingelschild, denn unter diesem bürgerlichen Familiennamen hatte er bis knapp vor seinem sechzehnten Geburtstag eine unauffällige Urfahraner Kindheit und Jugend verbracht. »Grüß Gott, Herr Jäger.« Wurde er im Stiegenhaus oder auf der Straße von Nachbarn so angesprochen, machte er ein Gesicht wie nach dem Genuss von erst Salz, dann Tequila und abschließend Zitrone. Die Kombination aus katholischer Grußformel und seinem Familiennamen vertrug sich nicht mit seinem Selbstverständnis als Rock-’n’-Roll-Star. Manchmal fragte er sich, was wohl bei Slash, dem Gitarristen von Guns ’N’ Roses, zu Hause in Los Angeles an der Tür stand. Mr. Slash? Oder sein bürgerlicher Name, Saul Hudson? Das beschäftigte ihn schon deshalb, weil es ja nicht immer bei Klingelschild und Wohnungstür bleiben würde. Irgendwann musste für ihn, Lesbos, auch mal ein Grabstein her. Seine letztgültigen Überlegungen dazu lauteten: Hinter einer Tür mit der Aufschrift »Zacharias Jäger« konnte er leben. Unter einem Stein mit diesem Namen wollte er aber nicht eine Minute lang tot sein. Natürlich, Lesbos wirkte in diesem Wohnblock wie ein Teil aus einem anderen Puzzle. So einer wie er ging im Chelsea Hotel in New York City ein und aus, seinesgleichen stolzierte ungeniert in eine Peepshow in Soho, gleich bei der Carnaby Street, wo er sich Neunzehnhundertsiebenundsiebzig eine schottenkarierte Bondagehose gekauft hatte. So einer wie er sah auch aus hundert Metern Entfernung klar nach Gitarren- und nicht nach Aktenkoffer aus. Trotzdem trat er Tag für Tag aus derselben milchverglasten Haustür wie seine in Normalität gehüllten Nachbarn, wenngleich in eine andere Welt, die für ihn aus gänzlich anderen Anlaufpunkten und Ritualen bestand.
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Udo Titz
Vorhin war er durch ebendiese Milchglastür in seine Wohnung zurückgekehrt. Aus der Einsicht heraus, dass die weitere Gesellschaft von Scheibenzuber, Dörti und Peter bei ihm auf einen raschen Vollrausch hinauslief. Einen Vollrausch konnte er aber für den weiteren Abendverlauf nicht gebrauchen. Stichwort Vicky. Guter Erhaltungszustand hin oder her: Mit dreiundfünfzig war man für eine Zweiundzwanzigjährige – wenn überhaupt – nur unter Aufbietung gewisser Vorzüge eine beischläferische Überlegung wert. Und eine das Sprachzentrum beeinträchtigende Alkoholisierung zählte sicher nicht dazu. Lesbos wollte die Baggerschaufel dort ansetzen, wo er bei Vicky bereits erfolgreich vorgegraben hatte. Um den Bagger richtig zu bedienen, musste er aber halbwegs nüchtern sein. Darum war für ihn in den nächsten drei Stunden kalter Entzug in der aufgeheizten Erdgeschoßwohnung angesagt. Duschen, anschließend Stimmungsmusik. Gegen Mitternacht würde er wieder am Tresen stehen. Mit klarem Kopf und Ziel. Das Fahrrad hatte er vor der Kulturfabrik zurückgelassen. Die Polizisten des Wachzimmers Ontlstraße waren dafür berüchtigt, alkoholisierten Radfahrern aufzulauern. Die Erfolgsstatistik dieser Arschlöcher wollte er nicht aufbessern. Lesbos legte eine Platte von Shorty Rogers auf. Cool Jazz. Bei der Hitze hielt er das für angebracht. Leiser Fünfzigerjahre-Sound dudelte durch die Zimmer. Das weckte gleich die Lust auf eine Gauloises bei ihm. Mit einer Zigarette und einem Glas Bitter Lemon ließ er sich in seinen Musiksessel fallen. Er hörte Beckenschläge, Trompetenausritte und wie die gezupften Basssaiten dunkel schwangen. Der Nebel der Budweiser-Dröhnung riss auf und offenbarte einen Moment der Klarheit. Selbst als die Nadel des Plattenspielers längst die Auslaufrille erreicht hatte und dort festhing, saß er immer noch ruhig im Sessel und genoss die Zeitlupenatmosphäre seines Zuhauses.
In der heimischen Popkulturszene ist der 50-jährige Linzer Andreas Kump kein Unbekannter. Als Frontmann der Formation Shy hat er in den 90er- und Nullerjahren die Clubs bespielt und mit fein austarierten deutschen Popsongs versorgt. Und als Autor gab er 2007 mit dem vielbeachteten Ziegel »Es muss was geben« (Bibliothek der Provinz) sein Sachbuchdebüt. »Über vierzig« (Milena) ist nun Kumps literarischer Erstling. Ein, wenn man will, scharf beobachtendes und kraftvolles Porträt heutiger Mittvierziger. Ein amüsanter Haufen übrigens, den Kump hier aufs Korn nimmt. Einerseits zu jung fürs GenerationX-Reservat, andererseits zu alt, um ein Millennial zu sein. Pech.
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Andreas Kump
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Frei von chemischen Zusatzstoffen
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Die Wiener Musikerin Soia kredenzt auf ihrem dritten Album »Where Magnolia Grows« bekömmliches Soulfood. Im allerbesten Sinne. Pop und R&B kommen stärker zum Vorschein als bisher, der eigenen Nische zwischen Neo-Soul, Jazz und Downbeat bleibt sie gemeinsam mit ihrem Produzenten Mez dennoch treu. Zum Interview lädt Soia in ihre Wohnung im achten Wiener Gemeindebezirk und serviert Lavendeltee. Du hast zuletzt Konzerte in Südafrika gespielt, wie ist diese Tour denn zustande gekommen? Soia: Meine Eltern haben in den 80ern in Simbabwe und in Südafrika gelebt. Da kommen meine Kontakte zur dortigen Musikszene her. Ich habe einen starken Bezug dazu, weil meine Mutter sehr viel südafrikanischen Jazz und Pop gehört hat. Da wir eine Förderung für Auslandsauftritte bekommen, konnte ich eine Minitour mit Stationen in Johannesburg, Durban und Kapstadt organisieren. Aber wie es so ist, war der Flug verspätet, und ich musste Durban absagen. Man kann planen, so viel man will, manchmal passiert einfach etwas anderes. Ich will unbedingt mehr herumreisen und auch endlich mal nach Westafrika fahren. Wie du an meiner Wohnung siehst, interessiere ich mich stark für Afrika und Asien, zum Beispiel auch für tibetischen Buddhismus. Ich habe außerdem einen Fetisch für alle möglichen Patterns und sammle Stoffe und Textilien. Du hast auch mit dem Modelabel Lila kooperiert. Ist Mode etwas, das dich besonders interessiert? Jetzt gerade trage ich nur Jogginghosen. Aber sonst ziehe ich mich schon sehr gern bunt an. Das ist ein bewusster Ausdruck. Die Kollaboration mit Lila letztes Jahr ist zustan-
de gekommen, weil Lisi Lang eine gute Freundin ist, die uns für Foto- und Videoshootings alles borgt. Wir haben eine Minikollektion gemacht, ihre Designs adaptiert und Stoffe ausgesucht. Ich würde eigentlich gern Modedesign machen. Bevor wir mit dem Interview begonnen haben, hast du das neue Solange-Album gehört. Wie findest du »When I Get Home«? Das Album hat viele Interludes, es ist sehr narrativ. Die Songs haben keinen starken PopCharakter. Produktionstechnisch ist es ein bisschen eigenwillig, weil Solanges Stimme teilweise nicht bearbeitet klingt und sie auch schräge Harmonien verwendet. Nach mehrmaligem Hören mag ich das Album aber total gern. Solange hat 2013 ein Video zu »Losing You« im Township Langa in Kapstadt gedreht. Darin sind Sapeurs (auffällig, elegant gekleidete Männer; Anm. d. Red.) zu sehen, eine landesspezifische Subkultur aus dem Kongo, weshalb sie dafür kritisiert wurde, Langa als Leinwand für ein fiktives »Afrika« zu verwenden. Das ist sehr amerikanisch und europäisch, alles zu vermischen. Auf so etwas bin ich allergisch. Deswegen war ich auch ein bisschen enttäuscht vom Film »Black Panther«. Wenn du eine fiktive Kultur darstellst und vieles vermischst, verwässerst du damit eigentlich alles. Du kannst nicht Fulani-Sachen, einen Kente-Stoff, etwas Äthiopisches und einen Ohrschmuck von einem komplett anderen Tribe in einem Bild miteinander vermischen und dann sagen: »Das ist jetzt Afrika.« Ich liebe den Film, nur das hat mich gestört. Vielleicht verstehe ich es aber auch nicht und es ist der »Spirit Of Wakanda«, dass alles gemeinsam existiert.
Auf deinem neuen Album gibt es mit »Pay For Pizza« einen Song, der inhaltlich viele Ähnlichkeiten mit »Bills, Bills, Bills« von Destiny’s Child hat. Siehst du das auch so? Ja! Aber bei Destiny’s Child geht es nicht nur darum, dass der Mann seine eigenen Rechnungen nicht zahlen kann. Sie wollen auch, dass er ihre Rechnungen zahlt. Mein Song »Pay For Pizza« ist ein augenzwinkerndes Lied. Ich sage bloß: »Zahl deinen eigenen Scheiß. Du musst für mich nichts zahlen, aber sei self-sufficient.« Es geht auf »Where Magnolia Grows« auch noch in einem anderen Track um Essen, nämlich in »Pancakes«. Weshalb ist Nahrung so omnipräsent in deinen Texten? Das Album ist ganz allgemein ein Balanceakt zwischen einerseits Abgrenzung und Selbstschutz vor Leuten, die einen ausnutzen oder einem etwas Schlechtes tun wollen, und andererseits einer Permeabilität zu den schönen Dingen. Vielleicht hab ich deswegen unbewusst diese Essenssongs gemacht, weil es darum geht, welche Menschen, welche Energien oder welches Soulfood man sich zuführt. Wie wichtig ist dir politisches Engagement? Ich hab ein total schlechtes Gewissen, weil ich viel zu selten auf Demos gehe. Aber ich bin eine große Gerechtigkeitsfanatikerin in der Öffentlichkeit. Im achten Bezirk, wo ich lebe, sieht man immer mehr Burschenschafter auf der Straße. Hier gibt es auch Stolpersteine vor Häusern, die auf jüdische Deportierte hinweisen. Der Stolperstein in meinem Nebenhaus ist allerdings seit ein paar Wochen zerkratzt. Jemand hat versucht, ihn rauszuheben und das Wort »deportiert« wurde unkenntlich gemacht. Solche Sachen zum
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»Das Album ist ein Balanceakt zwischen Selbstschutz und einer Permeabilität zu den schönen Dingen. Es geht darum, welche Menschen, welche Energien oder welches Soulfood man sich zuführt.« — Soia
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Beispiel melde ich und ich kümmere mich darum, dass das wieder gerichtet wird. Mein neues Musikprojekt wird ein interdisziplinäres Sozialprojekt in Kooperation mit Wiener Altersheimen und Fabian Bachleitner, dem Sänger von Belle Fin. Es wird ein Versuch, die Wiener Identität darzustellen und Geschichten von älteren Leuten nach außen zu tragen. Beim letzten Amadeus bist du mit Yasmo und österreichischen Musikerinnen auf der Bühne gestanden, um gemeinsam »Girls Wanna Have Fun« zu performen. Hast du das Gefühl, dass diese Aktion bei den Leuten angekommen ist, an die sie gerichtet war? Vielleicht. Aber egal, ob es die Leute annehmen, man muss trotzdem laut sein und ein Statement setzen. Yasmo ist da Gott sei Dank sehr erbarmungslos mit ihrer Message. Es war angenehm, mit so vielen Musikerinnen auf der Bühne zu stehen. Als ich dich auf deinem neuen Album »I’m a hoe for love« singen gehört habe, war ich erst einmal irritiert. Wie sollen wir einen Ausdruck wie »hoe« in diesem Kontext verstehen? Es geht darum, dieses Wort zurückzuerobern. Die negative Konnotation zu entmächtigen, indem man sich selbst so bezeichnet. Das ist natürlich schwer ironisch gemeint: Ich bin die Hure für die Liebe und nicht die Hure für Geld. Wir haben versucht, sehr geradlinig und super simpel zu komponieren. Da haben dann auch Inhalt und Titel dazugepasst. Sonst hab ich doch eher abstraktere Texte, aber bei »Where Magnolia Grows« habe ich versucht, ein bisschen durchsichtiger zu schreiben, die Texte leichter bekömmlich zu machen. In der Vorabsingle »Run With Wolves« singst du »They seem to have opinions about me«. Wie reagierst du auf die Meinungen anderer Leute? »Run With Wolves« ist ein Lied für Frauen allgemein. Selbst wenn wir Jobs haben und Eigentum besitzen und theoretisch machen dürfen, was wir wollen – in unseren Breiten
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zumindest – lassen wir uns trotzdem noch stark beeinflussen. Mich persönlich beeinflusst es, wenn Leute mich nicht mögen. Ich würde mich gern davon befreien und es einfach akzeptieren. Ich gehe Leuten aus dem Weg, wenn ich sie nicht mag. Mir kann man auch aus dem Weg gehen. Das Lied soll eine Form von Emanzipation davon sein, was andere Leute von einem halten oder denken.
Filmpremiere Beach Bum
Also wirst du dir die Kommentare im Standard-Forum nicht durchlesen, wenn dein Album dort besprochen wird? Oh Gott, Standard-Kommentare sind das Allerschlimmste. Als verlautbart wurde, dass Pænda für Österreich zum Song Contest fährt, hat sie so viel Hate abbekommen. Respekt an sie, ich würde so etwas überhaupt nicht aushalten. Wie kann man sich das Musikerinnendasein leisten, wenn man nicht beim Song Contest auftritt und eher in einer Nische beheimatet ist? Mein Schlagzeuger kann in fünf verschiedenen Formationen spielen und tut das auch. Als Solist oder Sängerin bist du viel stärker im Vordergrund. Deswegen ist es auch schwieriger, mehrere Sachen zu machen. Man ist sehr busy mit Dingen wie Abrechnungen, Videokonzepten, Meetings, Proben oder Bookingkoordination. Ich arbeite außerdem Teilzeit in einem Chemielabor. Warum hast du für »Where Magnolia Grows« eigentlich das Label gewechselt? Die letzten beiden Alben sind in Amerika rausgekommen. Jetzt wollten wir ein bisschen praktischer und wirtschaftlicher vorgehen und auch mal was Neues probieren und sind bei Beat Art Department, einem HipHop-Sublabel von Compost Records, gelandet. Das Label gibt es in München seit 25 Jahren. Nicht zu weit weg.
Ina Aydogan
Die nächste Frage hat mir mal ein TinderDate gestellt und ich richte sie zum Abschluss auch an dich: Wenn du die Möglichkeit hättest, eine Zeitreise zu machen, würdest du dann die Zukunft oder die Vergangenheit wählen? Ich würde in die Vergangenheit reisen, aber ich weiß nicht genau, warum. Ich glaub, ich hab Angst vor der Zukunft. Astrid Exner
»Where Magnolia Grows« erscheint am 29. März bei Beat Art Department. Das Album schreibt den Pop im Vergleich zum früheren Output der Musikerin absichtlich groß und wurde von Soias langjährigem Wegbegleiter Mez produziert. Für einen organischen Zugang sorgen die Instrumentalisten Sebastian Kranner und Florian Faltner, Bläser und der Spoken-WordArtist Ayo Aloba.
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GEWIN
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Harmony Korines (»Spring Breakers«) subversive Komödie schickt Matthew McConaughey als den Drogen nicht abgeneigten, vom Genie geküssten Poeten nach dem Tod seiner Frau auf einen absurden Trip. Auf der Suche nach Inspiration für seinen Roman trifft er u. a. auf Snoop Dogg.
Mi., 27. März, 20.15 Uhr Apollo – Das Kino Gumpendorfer Str. 63, 1060 Wien Wir verlosen 75 × 2 Tickets für die Premiere von »Beach Bum«. Der Film wird in englischsprachiger Originalversion gezeigt. Die Gewinnspielteilnahme ist bis 25. März unter www.thegap.at/gewinnen möglich.
In Kooperation mit
Teilnahmebedingungen: Die Gewinnspielteilnahme kann ausschließlich unter der angegebenen Adresse erfolgen. Die GewinnerInnen werden bis 26. März per E-Mail verständigt. Eine Ablöse des Gewinns in bar ist nicht möglich. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. MitarbeiterInnen des Verlags sind nicht teilnahmeberechtigt.
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Filmpremiere Friedhof der Kuscheltiere
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Edition Der österreichische Film: 296–310 Man kann sie nicht oft genug sehen: die (neuen) Klassiker des österreichischen Films – Josef Haders »Wilde Maus«, Stefan Ruzowitzkys »Die Hölle«, Marie Kreutzers »Was hat uns bloß so ruiniert« oder Ulrich Seidls »Im Keller«. Die aktuelle 13. Staffel der Edition »Der österreichische Film« umfasst 15 DVDs. Von Dokumentation bis Drama, von Thriller über Komödie bis zum historischen und experimentellen Film ist alles mit dabei. Wir verlosen eine DVD-Box im Wert von 119 Euro.
Bilderbuch-Vinyl INNE
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Der Familienkater feiert in diesem Horror-Remake (nach Stephen King) zwar Auferstehung, rechte Freude haben die Creeds mit dem neuerdings sehr aggressiven Viech aber keine mehr. Doch als der Sohn der Familie verunfallt, soll der nahegelegene Indianerfriedhof erneut seine Wirkung tun …
17 Songs haben Bilderbuch im letzten Jahr aufgenommen und am Ende gemerkt, dass sich in der Mitte eine Linie ziehen lässt: zwei Stimmungen, zwei Platten. Entstanden sind das in sich gekehrte Album »Mea Culpa« und das gerade erst erschienene expressionistische »Vernissage My Heart«. Top-Charts-Platzierungen jeweils inkludiert. Wir verlosen ein Set der beiden Alben auf Vinyl.
Schwarzweißbuch Milch
Mi., 3. April, 20.15 Uhr Apollo – Das Kino Gumpendorfer Str. 63, 1060 Wien Wir verlosen 115 × 2 Tickets für die Premiere von »Friedhof der Kuscheltiere«. Der Film wird in englischsprachiger Originalversion gezeigt. Die Gewinnspielteilnahme ist bis 1. April unter www.thegap.at/gewinnen möglich.
In Kooperation mit
Woher kommt eigentlich der Milchboom? Welche Auswirkungen hat das Ende der EU-Milchquote und was bedeutet eine Produktionssteigerung für die Tierhaltung? Welche Form der Milchproduktion wünschen sich LandwirtInnen und VerbraucherInnen? Und wie gesund ist Milch wirklich? Fragen wie diese beantwortet Journalist Thomas Stollenwerk im »Schwarzweißbuch Milch«. Wir verlosen drei Exemplare.
Suspiria Dario Argentos »Suspiria« ist Horrormovie-Kult. Der italienische Regisseur Luca Guadagnino (»Call Me By Your Name«, »A Bigger Splash«) hat Größen wie Dakota Johnson und Tilda Swinton für eine Neuinterpretation der Hexensaga gewinnen können, die im Berlin der RAF-Ära spielt – und damit bei den Independent Spirit Awards 2019 den Robert Altman Award abgeräumt. Wir verlosen drei Mediabooks.
Waldheims Walzer
Teilnahmebedingungen: Die Gewinnspielteilnahme kann ausschließlich unter der angegebenen Adresse erfolgen. Die GewinnerInnen werden bis 2. April per E-Mail verständigt. Eine Ablöse des Gewinns in bar ist nicht möglich. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. MitarbeiterInnen des Verlags sind nicht teilnahmeberechtigt.
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Die Lücken in Kurt Waldheims Kriegsbiografie führten bei seiner Präsidentschaftswahl 1986 zu Demos und Ausschreitungen. Aktivistin und Dokumentarfilmerin Ruth Beckmann war mittendrin im Geschehen und zeichnete die Proteste mit ihrer Handkamera auf. In »Waldheims Walzer« analysiert sie mit ihren Bildern und Archivmaterial die Ereignisse. Wir verlosen drei DVDs.
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Rezensionen Musik Svaba Ortak
Aleksandar Petronijevic
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Svaba Ortak ist derzeit einer der heißesten Namen im Wiener Rap-Game. Bei den beiden ausverkauften Wiener-Stadthalle-Konzerten von RAF Camora (der auf dem neuen Album auch zu hören ist) & Bonez MC im Februar lieferte Svaba Ortak ziemlich solide SupportShows ab. Damit machte er auch letzten Zweiflern klar, dass mit seinem Solodebüt »Eva & Adam« ein starkes Straßenrap-Album präsentiert werden würde, reflektierte und persönliche Texte inklusive. Das Album widmet der serbischstämmige Wiener seinen Eltern. Eva steht dabei vor Adam, erklärt er, da in seiner Heimat Frauen einen besonders großen Stellenwert in der Gesellschaft einnehmen. Auf dem Album mischt Svaba Ortak gekonnt Wiener Dialekt mit Frankfurter Hochdeutsch und serbischen Ausdrücken. Durch seine ausgefeilte Technik und seine ganz eigene Umgangssprache wirkt die Intonation einzelner Wörter noch punktgenauer. Alle Lines bewegen sich in einem rhythmischen Fluss, schlagen hohe Wellen und brechen sich schließlich an voreingenommenen gesellschaftlichen Konstellationen. Svaba Ortak rappt über Serbian Diasporas in einem dritten »Serben in Wien«-Teil und erzählt in »Südbahnhof« zeitgleich vom ewigen Orientierungskampf ganzer Generationen: In dem Land, in dem sie geboren sind, gehören sie nicht dazu und in ihrem Herkunftsland ebenfalls nicht – »Hier bin ich Ausländer, unten aber auch, Bruder.« Mit »Simba« gelingt Svaba Ortak in Zusammenarbeit mit Kollegen Amar ein unterhaltsamer Hit. Der Track kommt mit einem ziemlichen Beat-Brett daher, das durch Guslaklänge verstärkt wird. Das Instrument hat für den Künstler eine besondere Bedeutung und es ist das einzige, das er beherrscht. Außerdem genießt es in vielen Balkanstaaten einen hohen kulturellen Stellenwert. Über die Zusammenarbeit mit Sony Music ist wenig bekannt – Svaba Ortak macht sich in den Sozialen Netzen rar, und auch Interviews gibt er nur wenige. Er wolle lieber seine Musik sprechen lassen. Mit »Eva & Adam« ist dem Wiener Rapper der Sprung in die Königsliga gelungen – auch ganz ohne durchgetakteten Medienzirkus. Das lässt Svabak Ortak authentisch und alles andere als aufgesetzt wirken. (VÖ: 29. März) Catherine Hazotte
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Eva & Adam — Sony Music
Live: 12. April, Wien, Simm Cityr
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Filmpremiere Hellboy – Call Of Darkness
Queen Leer NE GEWIN
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Dreams Pyre — Superior Street Records Der meist missmutige Halbdämon mit den gestutzten Hörnern (erstmals verkörpert von David Harbour) hat wieder ordentlich zu tun, um die Menschheit vor allerlei fantastisch bösen Fabelwesen zu bewahren. Milla Jovovich führt die Armee der Finsternis an. Vorfreude!
Do., 11. April, 20.15 Uhr Apollo – Das Kino Gumpendorfer Str. 63, 1060 Wien Wir verlosen 60 × 2 Tickets für die Premiere von »Hellboy – Call Of Darkness«. Der Film wird in englischsprachiger Originalversion gezeigt. Die Gewinnspielteilnahme ist bis 9. April unter www.thegap.at/gewinnen möglich.
In Kooperation mit
Teilnahmebedingungen: Die Gewinnspielteilnahme kann ausschließlich unter der angegebenen Adresse erfolgen. Die GewinnerInnen werden bis 10. April per E-Mail verständigt. Eine Ablöse des Gewinns in bar ist nicht möglich. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. MitarbeiterInnen des Verlags sind nicht teilnahmeberechtigt.
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Queen Leer machen Musik zum Träumen. Auch wenn der Bandname britische Larmoyanz suggeriert, geht die Reise der fünf Liedermacher aus Wien, Graz und Völkermarkt in die Weite eines romantisierten Südens, wie er auch von Genrekollegen wie Beirut oder den Fleet Foxes besungen wird. Nur klingt Queen Leers Debüt »Dreams Pyre« nicht wie die typisch halbwarme österreichische Kopie eines internationalen Trends – die melancholischen Akustikgitarren und sonnenwarmen Bläsersätze des Quintetts transportieren den kollektiven Traum so locker und ungeniert, dass das Endprodukt etwas erstaunlich Universales hat. Die Lieder tragen den Ozean in sich, Ferne und Weite. Auch wenn hier in Wien produziert und aufgenommen wurde, wo man höchstens flussauf- oder -abwärts seine Tränen vergießen kann, klingen Songs wie »Why, Thisbe?« oder »The Old Mariner« wie potenzielle Hitsingles aus den NMECharts der 90er – auf einmal ergibt dann auch der etwas seltsam anmutende Bandname viel mehr Sinn. »Dreams Pyre« ist ein großes Debüt mit internationalem Charakter, entstanden im Land der katholischen kleinen Dörfer – wo die Natur so unendlich schön und der Geist so unendlich klein sein kann. Wo man dennoch, trotz all der Kellernazis und Provinzialität, Herzen aus Gold findet. »Dearest Meadows« besticht durch weiche Chöre und die herzzerreißende Lyrik: »You touch me someplace that lies deeper than my bones.« Es geht um Identität, Wandel, den Widerspruch von idealisierten Träumen und graugelber Realität. Songs wie »Summer’s Dust« und »Winter’s Frost« tragen all die Dualitäten großer Popmusik in sich: das Drama, das Gefühl, die großen Lebensfragen. »Passing Ghosts«, »Lucy’s Child« und der Titelsong «Dreams Pyre« legen dann zum pulsierenden Folk auch noch eine Prise lysergsauren Psychedelic Rock auf die Zunge. Getragen werden die Aufnahmen vom vornehm zurückhaltenden Timbre des Sängers Stefan Slamanig und vom dramaturgisch intensiven Gitarrenspiel David Samitschs. Die Sternenkonstellation für Queen Leer steht jedenfalls gut, unter neuem Namen – die Band nannte sich früher nicht weniger selbstbewusst Superior Street – auf viele offene Ohren zu stoßen. (VÖ: 10. Mai) Michael Kirchdorfer Live: 5. April, Wien, Kramladen
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Say Goodbye to the Mainstream
Wirtschaftskammer
Wirtschaftskammer — Cut Surface
Andreas Jakwerth, Eva Kadlec
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Der Neoliberalismus lehrt uns nicht nur Ausbeutung und Dauerhackeln, sondern auch: Am Ende hast du nur dich selbst. Im Kampf gegen den größten Feind musst du dich aber trotzdem immer mit anderen zusammentun. Vor allem, wenn der Feind der Neoliberalismus ist. Und so haben auch Wirtschaftskammer, die Avengers der österreichischen Noise-Szene, zusammengefunden. Angeführt von Mastermind Clemens Denk haben sich Mitglieder von Luise Pop, Aivery, Der Nino aus Wien (die Band) und Voodoo Jürgens auf ein Packerl gehaut, um als schwer googlebare Gruppe genau das zu tun: dem Neoliberalismus gleich mehrere Schnippchen zu schlagen. Die Supergroup exerziert auf ihrem Debüt schwer verdauliche und ebenso schwer verkäufliche, vermeintliche Kakophonie – fernab von Marktzwängen, Zielgruppen- und MarketingBullshit-Bingo. Ohne Rücksicht auf Streaming-Playlisten – sechs der 13 Stücke sind unter zwei Minuten lang –, teilweise derbstes Geschrammel, teilweise Antimusik mit surrenden Tonstrukturen, stellenweise gar kaum konsumierbar. Der sich auflösende Mensch quasi als Teil ebenjenes Konsums, weißt eh. Aber der (Media) Markt braucht Einordnung, die paar Leute sollen schließlich wissen, wo sie das finden: Noise, Jazz, Experimental, Krautrock, was weiß ich?! Dass die Songcollagen Namen wie »Rechnung«, »Kaufkraft« oder »Steuerberater« tragen, ist nur ein weiteres Indiz für die Ablehnung von Konsum als Selbstzweck. Auch der »Gesang« ist verfremdet – typisch Denk halt – und trägt dem Inhalt Rechnung: verschrobene Beobachtungen aus Alltag und Wirtschaft, aufgelöst und mit vertauschten Bedeutungen, schlussendlich aber doch ineinander verwoben – wie der mechanische Webstuhl und die Industrialisierung. So erfährt man nicht nur etwas über die allgegenwärtige Frage »Hast du eine Rechnung?«, sondern auch die Telefonnummer vom »Schlüsseldienst«. Ein Konzeptalbum – klingt immer gut –, ausgerichtet auf Zerstörung: der Hörgewohnheiten, der Denkmuster der Generation Spotify und vor allem der Wirtschaft. »Du musst die Wirtschaft verstehen«, hat Onkel Frank immer gesagt. Ich sag: »Du wirst daran scheitern.« Und das ist gut so. (VÖ: 29. März) Dominik Oswald Live: 29. März, Wien, Venster 99
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Termine Musik www.vinyltom.at
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ÖSTERREICHS CLUBSZENE IM RADIOKULTURHAUS
FILOUS & GUEST
Donaufestival Mit unserer im Wandel befindlichen Gesellschaft setzt sich das heurige Donaufestival unter dem Leitmotiv »New Society« auseinander – von deren viel zitierten Spaltung bis hin zur zunehmend definierenden Rolle von Maschinen. 84 Einzelveranstaltungen an sechs Festivaltagen bieten Performances, Kunst- und Videoinstallationen, Talks und Filmvorführungen sowie natürlich jede Menge Konzerte. Mit Anna von Hausswolff, Giant Swan, Kate Tempest (Foto), Apparat, Planningtorock, Fatima Al Qadiri, Flotation Toy Warning, Holly Herndon und vielen mehr. 26. April bis 5. Mai Krems, diverse Locations
23.04.2019
C’est la Mü Wer schon mal dabei gewesen ist, weiß: Es ist eines der gemütlichsten, sympathischsten Festivals des Landes – von überschaubarer Größe, durchdrungen von maximaler Entspanntheit und mit einem guten Händchen, was die Programmauswahl betrifft. Dazu das geradezu idyllische Setting der verdienten burgenländischen Kulturinstitution Cselley Mühle. Neben Literatur (Doris Knecht, Bianca Jankovska) und Humorigem (Austrofred, Maschek Karaoke) sind für heuer beispielsweise Konzerte von Farewell Dear Ghost, Matthäus Bär und Dives (Foto) geplant. 25. Mai Oslip, Cselley Mühle
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Manuel Fronhofer, Dominik Oswald & Jana Wachtmann
© filous
KARTEN UND INFOS: radiokulturhaus.ORF.at
35 Jahre Punk, beachtenswert. Und immer noch dem konstruktiven Dagegensein verpflichtet. Wo mittlerweile ein einfaches »Nein« schon reicht, um »intelligenter Punk« zu sein, sind die Goldenen Zitronen immer ein Stückchen weiter als die anderen, immer ein Stückchen giftiger, konstruktiver, und, ja, intelligenter. Radikales gegen die Verwässerung des Radikalen. 5. April Wien, Flex — 6. April Graz, Forum Stadtpark
Dun Field Three Neues aus dem Hause Noise Appeal ist ja immer einen Versuch wert, bei Dun Field Three könnte sich daraus eine nachhaltige Leidenschaft entwickeln. Gesang, der die aufgekratzte Intensität eines Voodoo-Priesters erreicht, Gitarren, für die Blues und Punk Brüder im Geiste sind, ein druckvolles Schlagzeug und eine Orgel mit Burlesque-Faible. Roh! 11. April Wien, Fluc — 17. April Linz, Kapu — 19. April Ebensee, Kino
Nilüfer Yanya Von ihren Künstlereltern wurden der in West-London aufgewachsene Nilüfer Yanya nicht nur türkische, irische und karibische Einflüsse in die Wiege gelegt, sondern auch die Leidenschaft für Musik. Nach einer Nominierung für die einflussreiche NewcomerListe »BBC Sound Of 2018« legt sie nun ihr Debütalbum vor, auf dem sie Einflüsse von Pixies bis Nina Simone vereint. Spannend! 21. April Wien, Chelsea
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Sa. 06.04. Rock
Madsen / Reverend Backflash ..................................................
Fr. 12.04. LiteraturSalon
Karl-Markus Gauß ..................................................
Sa. 13.04. TanzTage 2019
Shaun Parker & Company ..................................................
Mi. 24.04. TanzTage 2019
Compañía Rocío Molina
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Ihr Schönbrunn-Open-Air war so schnell ausverkauft, dass gleich ein zweites drangehängt wurde, und mit der Festivalsaison im Anmarsch gibt’s Bilderbuch demnächst noch auf ein paar weiteren Großbühnen zu sehen. Better be there! 24. April Innsbruck, Dogana — 24. und 25. Mai Wien, Schloss Schönbrunn — 11. Juli Feldkirch, Poolbar auf der Wiese — 13. Juli Linz, Donaulände — 24. August, Graz, Freiluftarena B (Messe)
Element Of Crime 33 Jahre around und immer noch am schmalen Grat zwischen torkelndem Tiefsinn und schlauer Spinnerei unterwegs. Sven Regener und seine Mitstreiter haben den Folk, den Blues, die Schmalzmelodien und – wenn’s mal sein muss – auch den Krach im Gepäck. Es darf geschunkelt, ein Tränchen zerdrückt und laut aufgeschrien werden. Element Of Crime? Wir sind dabei! 2. und 3. Mai Wien, Planet Music
Deus
Lubomir Melnyk
Built To Spill
Mit »The Ideal Crash«, ihrem dritten Album, festigten Deus 1999 endgültig ihren Status als eine der spannendsten Bands zwischen Indie- und ArtRock. 20 Jahre später widmen die Belgier dem Album nun eine Jubiläumstour. Ein Klassiker revisited! Und neues Material erwartet uns wohl auch: Deus arbeiten gerade an einem neuen Album. 30. April Wien, Arena
Er gilt als einer der außergewöhnlichsten Pianisten unserer Zeit, einer der auffälligsten ist er mit seinem langen, grauen Zottelbart sowieso. Lubomyr Melnyks Kompositionen beziehen sich auf Neoklassik und Minimal Music und wirken stets soghaft – Tonfolgen wie reißende Klangströme. Präsentiert wird das neue Album » Fallen Trees«. 24. April Wien, Porgy & Bess
Noch ein 20er: Wie ein Monolith des Indie-Rock steht »Keep It Like A Secret« in der Musikgeschichte herum: formschön, überragend, irgendwie spröde – und vom Mainstream nie bezwungen. Übrigens nicht das einzige Album von Built To Spill, auf das diese Beschreibung zutrifft. Die Band um Bartträger Doug Martsch auf Jubiläumstour. 21. Mai Wien, Wuk
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HVOB
Do. 25.04. Funk / Soul / R’n’B
San2 & His Soul Patrol ..................................................
So. 28.04. LiteraturSalon
Éric Vuillard ..................................................
Mi. 01.05. Songwriter / Pop
Ziggy Alberts / Harrison Storm ..................................................
Do. 09.05. Improtheater
TheatersportLändermatch A – D ..................................................
Sa. 11.05. Singer / Songwriter
Robert Forster ..................................................
Sa. 11.05. Soul / TripHop
Morcheeba
Bild: Nicol Vizioli
Manuel Fronhofer, Dominik Oswald & Jana Wachtmann Dan Fontanelli, Tina Bauer, Frank Egel, Apollonia Bitzan, Hollie Fernando, Timothy Schaumburg, Charlotte Goltermann
Bilderbuch
Do. 04.04. Electronic / Dance
Bild: Andreas Jakwerth
Die Goldenen Zitronen
highlights
Bild: Pablo Guidali
Termine Musik
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Fr. 24.05. Figurentheater
Stuffed Puppet Theatre ..................................................
POSTHOF – Zeitkultur am Hafen, Posthofstraße 43, A – 4020 Linz Info + Tickets: 0732 / 78 18 00 kassa@posthof.at | www.posthof.at Weiterer VVK: LIVA Servicecenter im Brucknerhaus, Veritas Kartenbüro, oeticket und alle oberösterreichischen Raiffeisenbanken.
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Termine Festivals
4 Fragen an Dalia Ahmed
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Kuratorin des Electric Spring Du hast für das Electric Spring 2019 das Motto »What The People Want« gewählt, mit dem Zusatz »Wir sind viele, wir sind laut, wir sind Wiens und Österreichs Musikszene«. Klingt ein wenig nach Schlachtruf. Was möchtest du damit ausdrücken? Schlachtruf soll es nicht ganz sein. Aber es kommt schon aus einer Frustration heraus. Was ich an Wien besonders liebe, ist, dass in dieser Stadt extrem viel passiert und produziert wird. Ich glaube, das wird oft vergessen. Vor allem wird diese Vielfalt bei den großen Events kaum sichtbar. Deswegen will ich mit dem Line-up beweisen, was eh schon viele wissen: dass es hier extrem viele, unterschiedliche und vor allem gute KünstlerInnen gibt. Was macht das Electric Spring für dich aus? Ich habe mich schon beim ersten Electric Spring sehr gefreut, dass es endlich ein Festival für experimentierfreudigere elektronische Musik (und später auch Hip-Hop) mitten in Wien gibt. Die Verortung im Museumsquartier zeigt obendrein, dass man dieser Art von Musik und KünstlerInnen auch endlich den Platz einräumt, den sie verdienen. Wie gehst du ans Booking heran? Welche Kriterien versuchst du zu berücksichtigen? Mir war es wichtig, kein Line-up zu haben, dass fünf Mal den mehr oder weniger selben Act drauf hat. Obwohl der erste Tag der quasi »elektronische« Tag ist und am Freitag die Hip-Hop- und Bassmusic-Beats erklingen, ist jeder Act anders, als der davor und danach. Man groovt sich also ein. Kannst du uns schon erste Namen verraten? Ich bin super froh, dass wir Salute nach Wien locken konnten. Der House-Music-Producer ist ja hier geboren und aufgewachsen, lebt und arbeitet jedoch mittlerweile im UK. Auf die Kids-N-CatsShow im MQ Hof freue ich mich ebenfalls schon, weil die Band ein herrliches Popgespür hat. Und auch zu den Shows von T-Ser und vom Wiener Grime-Duo Kinetical & P.Tah zähle ich die Tage, Stunden und Minuten runter. Am liebsten würde ich jetzt überhaupt jeden Act aufzählen, weil ich einfach nur als Fan auf jeden der Auftritte extrem gespannt bin. 25. und 26. April Wien, Museumsquartier
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Crossing Europe Zum mittlerweile 16. Mal zeigt das Crossing Europe Festival rund 170 handverlesene Spiel- und Dokumentarfilme und holt 150 Filmschaffende aus ganz Europa nach Linz. Festivalleiterin Christine Dollhofer präsentiert mit ihrem Programm den Filmkontinent Europa in all seinen Facetten. Der österreichischen Fotografin Elfie Semotan ist einer der Eröffnungsfilme gewidmet. »Elfie Semotan, Photographer« von Regisseur Joerg Burger ist eine Hommage an die renommierte Künstlerin und an die Passion des Fotografierens selbst. Die Spezialschiene »Yaaas!« bietet Jugendlichen die Chance, sich mit Medienprofis auszutauschen, an Workshops teilzunehmen und eigene Arbeiten zu präsentieren. 25. bis 30. April Linz, diverse Locations
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Termine Festivals
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… Produktionen von 430 KünstlerInnen aus 19 Ländern sind bei den Wiener Festwochen zu sehen. An rund 30 Spielorten, darunter eine EishockeyHalle in der Donaustadt, werden 281 Vorstellungen gezeigt. Intendant Christophe Slagmuylder holt Größen wie die spanische Performancekünstlerin Angélica Liddell, den italienischen Regisseur Romeo Castellucci oder die belgische Choreografin Anne Teresa De Keersmaeker nach Wien. 10. Mai bis 16. Juni Wien, diverse Locations
Benetton-Skandalfotograf Oliviero Toscani, Grafikdesignerin Annie Atkins, die Wes Anderson und Steven Spielberg zu ihren KundInnen zählt, der niederländische Künstler Erik Kessels und UK-Illustratorin Kate Moross sind nur einige der SpeakerInnen des Festivals für Kreativität, Design und Kommunikation, das heuer seinen fünften Geburtstag feiert und zur Konferenz, zu Workshops und Side-Events wie Poster-Wettbewerb, Creative Speeddating, Hashtag-Bingo oder einer Führung durchs MAK lädt. 4. bis 6. April Wien, diverse Locations
Porn Film Festival Die Grenzen zwischen Sexualität, Kunst und Kino verschwimmen bei Wiens sexiestem Filmfestival. Das Porn Film Festival fragt sich in seiner zweiten Ausgabe »What is shame?« und thematisiert Pornografie, Sexualität und sexuelle Identität in Dokumentationen, Features und Kurzfilmen. Vorträge, Q&As und eine »Porn Party« zählen ebenfalls zum Programm. 4. bis 8. April Wien, diverse Locations
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Forward Festival
Christina Pikl
Navigator Film, Kate Moross, Maker Faire Vienna / Klaus Führer
Vienna Comix Die Vienna Comix hat sich in ihrem über 20-jährigen Bestehen zu einer der größten Comic-Conventions Europas entwickelt. Über 100 AusstellerInnen, Comics, Manga, Merchandise, Games, CosplayerInnen, Comic-ZeichnerInnen, Star-Wars-Specials und Stargäste sind nur ein Teil des schrillen Messeprogramms. 6. bis 7. April Wien, MGC-Halle
Viertelfestival NÖ Beim Viertelfestival trifft Regionalgeschichte auf Experimentalfilm, Blasmusik auf Polka-Rock, Zeitgeschichte auf Theater, Natur auf Kunst, Technik auf Performance. 66 Kunst- und Kulturprojekte wurden aus über 200 Einreichungen ausgewählt und setzen sich mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Industrieviertels auseinander. 11. Mai bis 11. August Niederösterreich, diverse Locations
Maker Faire Vienna Ihren Ursprung hat die Maker Faire in den USA, dort spricht man von der »Greatest Show (And Tell) On Earth«. Maker sind Kreative, ErfinderInnen und Technikprofis – und für so manche Kreative bzw. manchen Kreativen ist die Präsenz auf dem Do-It-Yourself-Festival der Beginn eines Start-ups. Ein familienfreundliches Event, das 2019 einen Themenschwerpunkt auf die »Stadt der Zukunft« setzt – mit Mitmachstationen, Workshops und Vorträgen zu 3D-Druck, Elektronik, Robotik, Kunst & Design sowie Handwerk. 4. bis 5. Mai Wien, Metastadt
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Take Festival Das ehemalige Sophienspital im siebten Wiener Gemeindebezirk wird zur Bühne für Fashionshows, Performances, neue Kollektionen, Ausstellungen, Screenings, Lectures und Talks: Das Festival For Independent Fashion And Arts beleuchtet Mode im Dialog zu benachbarten Kunstdisziplinen und zeigt die Vielfalt der österreichischen Modeszene. 14. bis 18 Mai Wien, ehemaliges Sophienspital
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Termine Bühne
Flötenzauber
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The Scarlet Letter Bei den diesjährigen Wiener Festwochen ist unter anderem wieder die spanische Performancekünstlerin Angélica Liddell zu Gast. Ihre neueste Arbeit orientiert sich sehr frei an Nathaniel Hawthornes titelgebendem Roman, ersetzt dabei jedoch das »A« für »Adultery« mit einem »A« für »Art« und reflektiert damit über die Freiheit der Kunst, die sich keine Fesseln anlegen lassen will. Auf der Bühne sieht sich Angélica Liddell, die durch radikales Körpertheater bekannt geworden ist, umringt von nackten Männerkörpern. Bewaffnet ist sie mit postmodernen theoretischen Denkfiguren – von Michel Foucault bis Jacques Derrida. »Mein Körper ist mein Protest gegen die Gesellschaft.« 12. bis 14. Mai Wien, Museumsquartier, Halle E
Der Ausgangspunkt des Tanztheaterstücks »Flötenzauber« ist eine Aufführung von Mozarts »Zauberflöte«. Die beiden jungen Menschen, die Tamino und Pamina verkörpern, identifizieren sich dabei in besonderem Maße mit ihren zugewiesenen Rollen. Zunehmend verschwimmen Realität und Operntext. Die Dance-Company Ich bin O.K. bringt in dieser farbenprächtigen Produktion zwei Gastsänger und mehr als 110 TänzerInnen mit und ohne Behinderung auf die Bühne. 9. April bis 8. Mai Wien, Theater Akzent
Diorama Bregenz – Der letzte Mensch Ein Zitat des französischen Schriftstellers Anatole France besagt, dass alle historischen Bücher, die keine Lügen enthalten, schrecklich langweilig seien. So erfindet »Diorama Bregenz – Der letzte Mensch« den zufälligen Fund eines Skeletts, das noch älter ist als Ötzi. Die ZuschauerInnen bewegen sich, ausgestattet mit einem Audioguide, selbstständig durch ein sonderbares Museum, das sich der Ergründung von Vergangenheit und Zukunft des Menschen verschrieben hat. 9. Mai bis 31. Juli Bregenz, Vorarlberger Landestheater
Hausbesuch Europa
Past Forward
Die Theatergruppe Rimini Protokoll verlegt die Diskussion um Europa und die Europäische Union in die heimischen Rückzugsorte. Dabei wird das Wohnzimmer von Privathaushalten zur Bühne und der Esstisch zum Ort kontroverser Debatten. Es wird nicht weniger zur Diskussion gestellt, als Fragen nach der Definition Europas, nach der Aktualität der »europäischen Idee«, sowie nach soziokultureller Identität. Die Ergebnisse der Gespräche und Abstimmungen werden anschließend im Internet zusammengetragen. Die Aufführungen sind Teil eines größeren »Hausbesuchs Europa«, der in verschiedenen Ländern (und Haushalten) gastiert. Die Gespräche an Privatorten als Teil eines europäischen Archivs. 24. Mai bis 13. Juni St. Pölten, Landestheater Niederösterreich
Revolutionäre Zeitgeschichte und Wille zum Aufbruch in Utopien werden an zwei Terminen im Mai im Werk X heraufbeschworen. Das Berliner Theaterkollektiv EGfKA nennt sein Projekt, das zwischen Stücktheater und Installation oszilliert, eine »politische Séance«. Das Deklamieren der Revolutionsgedanken soll dabei auch das Publikum aktivieren, und zwar in dem Sinne, dass es an eigene Wünsche erinnert wird, die im interaktiven Spiel eine neue Dringlichkeit erhalten. 24. und 25. Mai Wien, Werk X
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Oliver Maus
Sibylle Bergs Theatertext »Nach uns das All oder Das innere Team kennt keine Pause« blickt in eine düstere Zukunft, in der sich in Europa kriegsähnliche Zustände abspielen, nachdem sich Nationalismus und Faschismus durchgesetzt haben. Ein intergalaktisches Projekt könnte zur Rettung der Zivilisation werden – und aus dem Stück entspinnt sich ein apokalyptisches Science-Fiction-Abenteuer. 11. Mai Wien, Volx/Margareten
Bruno Simao, Pigi Psimenou
Nach uns das All oder Das innere Team kennt keine Pause
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CALL OF DARKNESS
AB 11. APRIL NUR IM KINO! leben auf SichT
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Die aktuelle Buchreihe für neue nachhaltige Wege Milch gilt vor allem in der westlichen Welt traditionell als gesundes Grundnahrungsmittel, doch hat sich ihr Image in den letzten Jahren stark gewandelt. Wie gesund ist Milch wirklich? Wieso boomt Milch überhaupt? Was sind die Lichtund Schattenseiten dieser Industrie? Das Schwarzweißbuch Milch geht diesen Fragen auf den Grund, ohne nur schwarz oder weiß zu malen.
04 & 05 MAI 2019 INFO & TICKETS:
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Die deutsch-französische Künstlerin Caroline Achaintre ist Meisterin der Tapisserie. Achaintres textile Kunstwerke bilden aber keine Heiligen ab, wie es auf populären Tapisserien aus dem darkesten Mittelalter der Fall war. Die Wandteppiche ähneln in abstrakten Art vielmehr zotteligen Mähnen – Dauerwellen im großen Stil, wenn man so will – als konventionellen Abbildungen. Ein ähnlicher Ansatz ist auch in den Zeichnungen und Keramiken sichtbar, die Teil der Soloshow im Belvedere 21 sind. Inspiration findet die multimedial arbeitende Künstlerin dabei nicht nur im deutschen Expressionismus, sondern auch im Science-Fiction- und im Horrorgenre. 17. Mai bis 15. September Wien, Belvedere 21
Caroline Achaintre: Dauerwelle
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Termine Kunst
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Termine Kunst Verrat der Fotografie Wo beginnt Fotografie und wo hört sie auf? Im Zuge der Foto Wien 2019 beschäftigt sich die Ausstellung »Verrat der Fotografie« mit den Grenzen des Fotoformats. Konsumkritik spielt dabei ebenfalls eine wichtige Rolle: In Zeiten von Snapchat, Instagram und Co KG ist durch das omnipräsente Überangebot die Zeit zum Reflektieren knapp, ein inhaltsleeres Konsumieren ist die Folge. In der Ausstellung im Kunstraum Nestroyhof sind deshalb Arbeiten u. a. von Cihad Caner, Christiane Peschek und Michaela Putz zu reflektieren. bis 9. Mai Wien, Kunstraum Nestroyhof
Maryam Jafri: Wege zur Knechtschaft neu geteert
Michaela Pichler The_Gap_174_048-058_Termine PACK.indd 55
Kathi Hofer: Cabin Essence Die künstlerische Arbeitspraxis von Kathi Hofer könnte mit Aneignung gleichgesetzt werden – das wäre aber zu einfach, denn Hofer geht in ihren Werken noch ein, zwei Schritte weiter. Die Fotografien, Installationen und Objektarrangements nehmen zwar Bezug auf Kulturbekannte wie René Magritte oder Kenzo, aber durch Hofers eigenständiges Wiederholen und Wiederkäuen werden künstlerische Praktiken ans Licht gebracht und ergeben neue Muster der Kunstproduktion. 22. März bis 26. April Klagenfurt, Kunstraum Lakeside
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Caroline Achaintre, Cihad Caner, Maryam Jafri, Kathi Hofer, Will Cenci, Miriam Cahn, Felix Obermauer & Anne-Cathrine Mosbach
Archiviertes Fotomaterial, längst vom Markt verschwundene Konsumgüter und eine Plüsch-Buddha-Installation mit Militäryoga-Videoaufnahmen: Die Ausstellungsstücke, die Maryam Jafri in Innsbruck präsentiert, scheinen auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun zu haben. Im gemeinsamen Kontext handelt die Künstlerin an ihnen allerdings Machtstrukturen und sozialpolitische Zusammenhänge ab. bis 12. Mai Innsbruck, Taxispalais Kunsthalle Tirol
Dunkle Energie. Feministisch organisieren, kollektiv arbeiten Feministische Kulturarbeit liebäugelt eigentlich immer auch mit Aktivismus – Praktiken in diesem Kontext sind deshalb nicht zufällig oft autonom, spontan, selbstorganisiert oder kollektiv. Die Ausstellung »Dunkle Energie« rückt die Frage nach der kulturellen Wissensproduktion in den Fokus und setzt sich dabei mit feministischen Formen der Organisation auseinander. 29. März bis 5. Mai Wien, Akademie der bildenden Künste
Miriam Cahn: Das genaue Hinschauen Egal ob mit schwarzer Kohle oder bunten Pastellfarben gehandwerkt wurde, Miriam Cahns Gemälde wirken auf eine beschwichtigende Weise vereinnahmend, diffus und ebenso bedrückend. Die verschwommenen Körper, die in den Werken der Schweizer Künstlerin immer wiederkehren, erfordern genaues Hinschauen – was den Besuchern auch schon im Titel der Einzelausstellung im Kunsthaus Bregenz nahegelegt wird. 13. April bis 30. Juni Bregenz, Kunsthaus
Jan Böhmermann: Deuscthland#ASNCHLUSS#Östereich Nein, der Titel dieser Ausstellung ist tatsächlich korrekt geschrieben und ja, Böhmi ist auch unter die bildenden Künstler gegangen. Bereits 2017 provozierte er mit der Ausstellung »Deuscthland« in Düsseldorf. Für das Grazer Publikum erweitert der Satiriker diese und widmet sich mit Installationen und Fotografien auf gewohnt schwarzhumorige Weise aktuellen soziopolitischen Entwicklungen in Österreich und Deutschland. 4. Mai bis 19. Juni Graz, Künstlerhaus
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Termine Kino
Friedhof der Kuscheltiere
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Hellboy – Call Of Darkness Regie: Neil Marshall ———— Action- wie Fantasy-Fans kommen bei diesem »Hellboy«-Reboot auf ihre Kosten. Halbdämon Hellboy (David Harbour) muss wieder in den Kampf ziehen – und zwar gegen die Hexe Nimue (Milla Jovovich) und das Monster Gruagach (Douglas Tait). Hellboy stand selbst eigentlich ursprünglich auf der Seite des Bösen, aber dank seines Ziehvaters Professor Broom (Ian McShane) wechselte er zu den Guten. Am Drehbuch war auch Mike Mignola, der Autor der Comicvorlage, beteiligt. David Harbour (Chief Hopper aus »Strangers Things«) übernimmt den Titelpart von Ron Perlman und darf nun im roten Hellboy-Kostüm den Dämon rauslassen. Für den Dreh in der Wells Cathedral gab’s übrigens erst das Go, nachdem die Verantwortlichen davon überzeugt werden konnten, dass Hellboy eigentlich ein guter Kerl ist – der Film hat also kirchlichen Segen. Start: 11. April
Regie: Kevin Kölsch und Dennis Widmyer ———— Auch in dieser Neuverfilmung des gleichnamigen Romans von Stephen King zieht Louis Creed (Jason Clarke) samt Familie nach Maine in die Nähe eines mysteriösen Haustierfriedhofs. Als der Familienkater stirbt, nimmt das Unglück seinen Lauf. Premiere beim SXSW Film Festival. Gruselgarantie! Start: 4. April
Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit Regie: Julian Schnabel ———— Nachdem bereits im 2017 erschienenen Animationsfilm »Loving Vincent« aus dem Leben des Malers erzählt wurde, verkörpert Willem Dafoe im vorliegenden Biopic nun Vincent van Gogh in dessen letzten Jahren. Von der Kritik wurden besonders Dafoes Spiel sowie die Arbeit des Kameramannes Benoît Delhomme positiv hervorgehoben. Start: 19. April
Christo – Walking On Water
Rocketman Regie: Dexter Fletcher ———— »Bohemian Rhapsody«, das Biopic über Freddie Mercury war in den letzten Wochen in aller Munde, nun bringt Regisseur Dexter Fletcher erneut die Biografie einer Musiklegende auf die große Leinwand: In »Rocketman« ist es Elton Johns (frühes) Leben, das nacherzählt wird und so womöglich nicht nur für alte Fans des Superstars interessant sein könnte, sondern auch für neue. Elton John, der Mann mit dem Klavier, den Anzügen, das Lied für Lady Di – man hat sofort einige Bilder und Songs vor Augen bzw. im Ohr. Taron Egerton (»Kingsman: The Secret Service«) übernimmt in »Rocketman« die Hauptrolle, das Drehbuch stammt von Lee Hall (er schrieb etwa auch das Buch zu »Billy Elliot – I Will Dance«). Und natürlich darf in Elton Johns Lebensgeschichte die Musik nicht fehlen, »Rocketman« ist Musical und Drama gleichermaßen. Start: 30. Mai
Regie: Ulli Gladik ———— Ulli Gladik begleitet in ihrem Film »Inland« drei Menschen aus den sogenannten Arbeiterbezirken Wiens, die lange als Kerngebiete der Sozialdemokratie galten. Gladiks ProtagonistInnen wählen jedoch rechtspopulistische Parteien. Die Regisseurin spürt dabei deren Wegen nach und begibt sich mit ihnen auch auf Konfrontation. Start: 3. Mai
High Life Regie: Claire Denis ———— Eine Gruppe Häftlinge wird zu einem Schwarzen Loch geschickt und muss dort nach alternativen Energiequellen suchen. Die Französin Claire Denis hat mit »High Life« ihren ersten Film in englischer Sprache gedreht. Der Entwurf für das Raumschiff im Film stammt vom bekannten Künstler Ólafur Elíasson. Start: 30. Mai
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Barbara Fohringer
Inland
Universum Film, Paramount Pictures
Regie: Jaques Audiard ———— Es war der bekannte Installationskünstler Christo, der 2016 auf dem Lago d’Iseo seine »Floating Piers« realisiert hat. Nun ist es der bulgarische Regisseur Andrey Paounov, der dazu einen Film gedreht hat – gleichermaßen Porträt des Malers als auch Bildnis der heutigen (politischen) Kunstszene. Start: 12. April
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Don’t send me love letters Bilderbuch Xavier Rudd Keb’ Mo’
YOU GOTTA GO LOW TO GET HIGH.
DIE NEUE KOMÖDIE VON
HARMONY KORINE
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Mattiel Tove Lo propagandhi & more poolbar
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Festival
11 Aug
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Illbilly
frönt der hohen Kunst der tiefen Pointe. Umgekehrt wird aber auch kein Schuh draus
Es ist jetzt genau ein Jahr her. Da habe ich an dieser Stelle darüber geschrieben, wie ich mich einst in jungen Studentenjahren als Billeteur und Kassakraft in einem berühmten Wiener Programmkino verdingte. Ich wollte keinen Namen nennen und den Teppich des Schweigens darüberstülpen, um welches Etablissement es sich handelte. Schließlich passierten dort viele Dinge, die man besser nicht in der Öffentlichkeit ausbreitet, selbst dann nicht, wenn es eine derart überschaubare wie die dieses Blattes ist. Aber ich kam nicht weit. Es war das Votivkino. Völlig zu Recht fragen sich jetzt die – wenn’s gut geht – vier Leser (Chefredakteur, Herausgeber, Lektorin und Ehefrau), die diesen Schabernack lesen, ja lesen müssen: »Warum, in drei Teufels Namen, beginnt er schon wieder damit und noch dazu beinahe wortgleich?« Und voller Stolz kann, nein, muss ich sagen: Ich mach heute ein Remake. Ein Remake von meiner eigenen Kolumne von vor einem Jahr. Warum auch nicht? Goethe schrieb immerhin zeitlebens an seinem »Faust« und hat den Stoff nicht einmal selbst erfunden. Insofern, von dem her, im Endeffekt, sozusagen eigentlich eh total gerechtfertigt, was ich jetzt gleich tu. Gegen gute Remakes im Zeilenschindgewand ist nichts einzuwenden. Also festhalten, ich schreib jetzt gleich wieder, wie ich damals wirklich unsauber den Kinosaal vor jeder Vorstellung reinigte, wie wir Leute auslachten, die den Film nicht richtig aussprechen konnten, und ihnen einredeten, dass der beste Platz im Saal der Inkreismittelpunkt des Tondreiecks ist. Ja, auch die Story, als ich mit einem Freund, der übrigens heute erfolgreicher Regisseur ist und vor nicht allzu
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langer Zeit bei der Diagonale einen Hauptpreis einheimste, Glückskekse mit falschen Sprüchen in Umlauf brachte, werde ich wieder aufwärmen. Einen dieser Glückskekse bekam übrigens Nina Proll. Überhaupt: Nina Proll war auch so einmal ganz privat im Kino. Und zwar mit Gregor Bloéb. Ich glaub die spielten damals gemeinsam am Volkstheater im Musiktheaterstück »Happy End« von Kurt Weill und hatten Probepause. Ich meine mich auch zu erinnern, dass das Stück von Elisabeth Hauptmann geschrieben wurde und auch Ol’ dirty Brecht seine Finger ein bisschen im Spiel hatte. Aber da müsste ich jetzt nachschauen. Wo ich nicht nachzuschauen brauche, ist meine Erinnerung, die ich an das verliebte Pärchen habe, denn ich musste während der Vorstellung einmal kurz Lautstärke pegeln gehen und sah, dass die Mimin und der Mime in der letzten Reihe eine ganz eigene Vorstellung am Laufen hatten. Ob mit oder ohne »Happy End« weiß ich nicht, dazu bin ich dann doch zu diskret, ich wies aber meine liebe Kollegin an, die zwei Sitze im Saal 3 bei der nächsten Projektion nicht mehr zu verkaufen. Reine hygienische Vorsichtsmaßnahme. Diese Episode, fällt mir gerade auf, habe ich im Vorjahr ausgespart. Einerseits braucht ja jedes Remake ein neues, frisches Element. Andererseits denke ich mir, dass Diskretion eine durchaus lässige Sache ist. Und letztlich sind die zwei ja auch noch heute ein Paar. Machen Werbung für eine Optikerkette, wo ich auch schon einmal eine Brille gekauft habe. Und sie tauchen immer wieder in den Medien auf, auch dann, wenn nicht gerade Promo ansteht und
sie auch sonst nicht viel zu sagen haben. Allerdings fand sich in der Tageszeitung Österreich, dem Amtsblatt der türkisschwarzblauen Bundesregierung, ein kleiner Artikel, der – auch merkwürdiger journalistischer Zugang – ein Fernsehinterview mit Gregor Bloéb zusammenfasste. Und da erzählte Bloéb, dass seine Nina ein Tier im Bett ist und er zwei bis drei Mal am Tag pudert. Ob ausschließlich mit ihr, lässt der Artikel offen. Ich gehe jetzt einmal davon aus und finde das durchaus beachtlich nach – keine Ahnung – 15 Jahren Beziehung. Und selbst, wenn ich mich nicht damit beschäftigen will, frag ich mich bei solchen Angaben immer, wie es sich nach einem sehr intensiven und leidenschaftlichen Streit verhält oder wenn man sich beruflich eine kleine Zeit lang nicht sieht. Es entstehen ja mitunter koitale Zwangspausen. Treibt man es dann zum Beispiel nach fünf Tagen Abstinenz gleich 15-mal miteinander, um den Schnitt zu halten? Oder hört man nach dem achten tierischen Fick einfach auf: »Du Schatz, machen wir morgen weiter mit dem nächsten Achter-Durchgang und übermorgen dann bitte vier Mal, dann sind wir wieder auf gleich, so statistikmäßig.« Also ich mach es so. Jetzt hab ich mich glatt verzettelt. Weil Remake, so wie ich es wollte, geht sich jetzt platztechnisch nimmer aus. Nächstes Jahr dann. Selbes Kino, selber Text. Danke Nina, danke Gregor. www.facebook.com / illbilly
Jakob Kirchmayr
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Know-Nothing-Gesellschaft Remake
15.03.19 13:15
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