The Gap 177

Page 1

The_Gap_177_001-084_Cover.indd 1

N° 177

€ 0,—

AUSGABE OKTOBER / NOVEMBER 2019 — THE GAP IST KOSTENLOS UND ERSCHEINT ZWEIMONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1052 WIEN, P.B.B. | GZ 18Z041505 M

WAVES VIENNA SPECIAL

Musik ohne Geschlechterschubladen

17.09.19 10:53


. l l o R ’ n ’ k Roc . 7 3 8 1 t i Se

The_Gap_177_001-084_Cover.indd 2 1 OB_Inserat_Gap_2019-09_210x280.indd

17.09.1913:20 10:53 05.09.19

0


Editorial Can’t stop waving Es ist bekannt, dass das Festival Waves Vienna ein ganz besonderes Verhältnis mit The Gap pflegt. Auch wenn wir dieses räumliche und personelle Naheverhältnis eines gemeinsamen Büros nicht hätten, würden wir nicht müde zu betonen, wie viel Arbeit hinter so einem Festival – inklusive Konferenz – steckt. In dieser Ausgabe wollen wir neben der thematischen Vielfalt des Waves Vienna auch das »Dahinter« genauer vorstellen. So sind wir zum Beispiel im WUK, seit 2016 Austragungsort des Festivals, auf Tour gegangen und haben neue Räume entdeckt, die dem gemeinen Konzertbesuch nicht inklusive sind. Die Fokusländer dieses Jahres, Schweden und Ungarn, haben wir ganz genau seziert, damit ihr bei den Konzerten der Waves-ViennaActs, die diese Länder vertreten, mit speziellem Trivia-Wissen punkten könnt. Und mit einem Beitrag über den Umgang mit problematischen MusikerInnen haben wir eines der Themen, die auf den Podien der Waves Vienna Conference besprochen werden, vorab diskutiert. Mit der Coverstory dieser speziellen Ausgabe hat sich ergeben, was echte Geschäftsmenschen und OrganisationsentwicklerInnen als »Synergie« bezeichnen. Die Idee, Musik-Acts aus und in Österreich vorzustellen, die sich im Spektrum nicht-binärer Geschlechterkonzepte identifizieren, war da, bevor Kerosin95 im Line-up des Waves Vienna erschien. Repräsentativ für die Coverstory, für das Waves Vienna und vor allem für sich selbst blickt Kerosin95 also vom Cover dieser Ausgabe. Das Waves-Vienna-Team teilt eine Leidenschaft für gute, junge Musik – national und international – und die gemeinsame Motivation, diese nachhaltig zu fördern. Und weil ihr wissen solltet, welche wunderbaren Menschen das Kernteam dieses Festivals bilden, listen wir sie hier für euch auf: Thomas Heher, Susanna Fellner, Stefan Weinöhrl, Stefan Parnreiter, Klara Prieschl, Emily Staats, Camilla Khoss, Kasun Jayatilaka, Lisa Zingerle, Franz Hergovich, Tatjana Domany, Ruth Ranacher, Vera Schnallinger, Jana Köck, Martin Stiendl, Laurent Koepp, Sabine Kronowetter, Wolfgang Grob, Benji Agostini, Julia Schwarzer, Christoph Fintl und Anna Zehetgruber.

Markus Raffetseder

Happy Waving! Wir sehen uns.

Theresa Ziegler

Chefredakteurin • ziegler@thegap.at @raverresi

The_Gap_177_003-011_Splitter_FINAL.indd 3

Web www.thegap.at Facebook www.facebook.com / thegapmagazin Twitter @the_gap Instagram thegapmag Issuu the_gap

Herausgeber Manuel Fronhofer, Thomas Heher Chefredaktion Theresa Ziegler Leitender Redakteur Manfred Gram Gestaltung Markus Raffetseder AutorInnen dieser Ausgabe Dalia Ahmed, Barbara Fohringer, Bernhard Frena, Felicitas Freygöbl, József Havasréti, Oliver Maus, Martin Mühl, Dominik Oswald, Michaela Pichler, Emily Staats, Victoria Szabó, Sarah Wetzlmayr KolumnistInnen Astrid Exner, Illbilly, Gabriel Roland FotografInnen dieser Ausgabe Fabian Gasperl, Patrick Münnich, Elsa Okazaki Lektorat Jana Wachtmann Anzeigenverkauf Herwig Bauer, Manuel Fronhofer, Thomas Heher (Leitung), Martin Mühl Distribution Wolfgang Grob Druck Grafički Zavod Hrvatske d. o. o. Mičevečka ulica 7, 10000 Zagreb, Kroatien Geschäftsführung Thomas Heher Produktion & Medieninhaberin Comrades GmbH, Stauraczgasse 10/4, 1050 Wien Kontakt The Gap c/o Comrades GmbH Stauraczgasse 10/4, 1050 Wien office@thegap.at — www.thegap.at Bankverbindung Comrades GmbH, Raiffeisen Bank, IBAN: AT67 3200 0000 1160 0756, BIC: RLNWATWW Abonnement 6 Ausgaben; Euro 21,— www.thegap.at/abo Heftpreis Euro 0,— Erscheinungsweise 6 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1052 Wien Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der HerausgeberInnen wieder. Für den Inhalt von Inseraten haftet ausschließlich der Inserent / die Inserentin. Für unaufgefordert zugesandtes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung.

18.09.19 08:48


Magazin 012

Musik ohne Geschlechterschubladen Warum ist das nicht selbstverständlich?

020 024 032 034 036

»Ihr habt’s ja uns engagiert« Veronika Franz und Severin Fiala im Gespräch Sie wollen nur spielen Hosted Nights beim Waves Vienna Von Beatmusik zur DJ-Kultur Fokusland Ungarn Euphorie und ABBA Fokusland Schweden Die Vielfalt repräsentieren Popmusik aus Israel

038 042 044 052

Your fave is problematic Wie mit problematischen MusikerInnen umgehen? And the nominees are… XA – Music Export Award 2019 Eine fotografische Liebeserklärung WUK Backstage Skandale und Randale Österreichische Plattencovers und ihre Realitäten

Thimios Bakatakis, Franz Kapfer, Tina Bauer, Bernhard Frena, Elsa Okazaki

020

The_Gap_177_003-011_Splitter_FINAL.indd 4

18.09.19 08:48


Thimios Bakatakis, Franz Kapfer, Tina Bauer, Bernhard Frena, Elsa Okazaki

038

Bernhard Frena Nach 14 Jahren in Wien kommt Bernhard Frena, ursprünglich aus Mondsee, nicht mehr umhin, sich als Wiener zu bezeichnen. Als Medienwissenschaftler, der zu queerer Pop- und Netzkultur forscht, hat er eine Ausrede, so viele Serien und Comics zu »analysieren«, wie er möchte. Die »Propaganda­kampagne einer guten Freundin« habe ihn zum Autor der Coverstory dieser Ausgabe gemacht. Auch sein Kapitel im Buch »Eurovision Song Contest – Eine kleine Geschichte zwischen Körper, Geschlecht und Nation« war ein gutes Argument.

Elsa Okazaki

012

Aus der Riege der The-Gap-FotografInnen-Alumni stammend, war Elsa Okazaki nun wieder für uns unterwegs, um Menschen an ihrem Arbeitsplatz zu fotografieren. Seit dem letzten Mal ist viel passiert: Elsas Zwillinge Mina und Kira feiern mittlerweile ihren achten Geburtstag und bald wird sich Elsa in ihr neues Atelier einleben. Dazwischen wird sie bei der Parallel eine neue Arbeit zeigen und bei der Vienna Contemporary auflegen. Am liebsten aber hört die 43-Jährige über sich selbst: »Ich habe gewusst, dass das Bild von dir ist«.

Rubriken 003 Editorial / Impressum 006 Charts 056 Wortwechsel 058 Workstation: Cornelia Ettinger Christoph Liebentritt 062 Prosa: Tonio Schachinger 064 Gewinnen 065 Rezensionen 070 Termine

Kolumnen 009 Einteiler: Gabriel Roland 010 Gender Gap: Astrid Exner 082 Know-Nothing-Gesellschaft: Illbilly

The_Gap_177_003-011_Splitter_FINAL.indd 5

079 Teil 2: The Gap #178

Teil 3: The Gap #179

Teil 4: The Gap #180

»The Cut« ist The Gaps Antwort auf den »Bravo Starschnitt« unserer Jugend. In dieser und den kommenden Ausgaben liefern wir euch einen Print des Künstlers Peter Phobia in vier Teilen. Ihr müsst diese nur gewissenhaft an der gekennzeichneten Linie ausschneiden und mit einem Klebemittel eurer Wahl zusammenfügen. Peter Phobia ist in Deutschland aufgewachsen, studierte an der Angewandten in Wien und lebt mittlerweile in New York. Das Sujet »To Do #2« ist zentral in Peters Buch »Facts And Fiction«, das Fotos zu seinen aktuellsten Ausstellungen sammelt und bei Pool Publishing erschienen ist.

Erratum: Die in den letzten beiden Ausgaben abgedruckten Teile unseres ersten »The Cut« könnt ihr getrost für kreative Bastelarbeiten verwenden. Oder ihr hebt sie auf – Fehldrucke sind später mal viel wert. Jedenfalls beginnen wir mit dieser Ausgabe von Neuem mit Teil eins von vier. Nun in richtiger Zusammensetzung: Wir haben es – gute Idee eigentlich – vorab für euch getestet.

18.09.19 08:48


W IL L SMI T H

W IL L SMI T H

Z TT

WER SCHÜTZT D I C HCharts VOR T Z T?S CWH Ü TWZETTR SWW CIL HLLÜ T ZTTT ?RW IL L SMI H IL SMI SMI H H W IL L SMI T H IL L SMI T H W IL L SMI T H D I R S E L B ST? Farce DICH VOR DICH VOR TOP 10 TR? S E L B S D T? IR SELBST? W IL L SMI T H

Namen, die ich meinen unfertigen »GarageBand«-Projekten aus Ermangelung an Kreativität gegeben und nie geändert habe 01 neu1njskn 02 bug 03 inthemooooornign 04 orgel1 05 Hälle 06 Ohne Namen 07 Ohne Namen 1 WER SCHÜTZ 08TOhne Namen 2 DICH VOR D I R S E L B S T09 ? Ohne Namen 3 10 My Song 5

W IL L SMI T H

W IL WL ILSMI L SMI T HT H W IL WL ILSMI L SMI T HT H

W IL L SMI W TH IL L W SMI IL LT SMI H W TH IL L SMI T H WER SCHÜTZT DICH VOR DW IR LÜBT S ER S SE CH Z TT ? DICH VOR DIR SELBST?

TOP 03

WR ER S SC CH WE HÜÜT Z T TZ T DICH VOR DICH VOR DIR SELBST? DIR SELBST?

Dinge, für die ich in der Schule gemobbt wurde 01 Einen Kopf größer sein als jeder Junge (weil mich dann kein Junge wollte!!!!!) 02 Dass ich wiederum sowieso und dauerhaft keinen Jungen wollte 03 Meine Emofrisur (zu Recht, I guess) Auch nicht schlecht: Dinge verdrängen, vom Land wegziehen, »Killing Eve« (BBC America)

W E RW E SR C HW SÜE CTR HZÜ T TCZHTÜ T Z T W Veronika ist H 22 Jahre S E RJ. König SC Ü Talt.ZSieTlebt und arbeitet unter ihrem Künstlernamen Farce seit 2015 in Wien. D I CD HI C VH OD RVI C OH R VOR DICH VO R D I RDS IR E LSD BEISR LTB? SSETL?B S T ? D I R S E L B S T ?

GeminiMan-Film.de

/GeminiMan.DE

#GeminiMan

@Paramount_Kino

@Paramount_Pictures_Germany GeminiMan-Film.de

/GeminiMan.DE /ParamountPicturesGER #GeminiMan

@Paramount_Kino

Charts Emily Staats

@Paramount_Pictures_Germany

/ParamountPicturesGER

TOP 10

/GeminiMan.DE

#GeminiMan

#GeminiMan

@Paramount_Kino

@Paramount_Kino

GeminiMan-Film.de GeminiMan-Film.de

/GeminiMan.DE

Film.de nt_Pictures_Germany Film.de@Paramount_Kino /GeminiMan.DE /GeminiMan.DE

#GeminiMan

@Paramount_Pictures_Germany

/ParamountPicturesGER

@Paramount_Pictures_Germany

/GeminiMan.DE

@Paramount_Kino

#GeminiMan

@Paramount_Pictures_Germany

@Paramount_Pictures_Germany /ParamountPicturesGER #GeminiMan #GeminiMan @Paramount_Kino @Paramount_Kino

/ParamountPicturesGER

@Paramount_Kino

/ParamountPicturesGER

/ParamountPicturesGER @Paramount_Pictures_Germany @Paramount_Pictures_Germany

TOP 03

@Paramount_Pictures_Germany

/ParamountPicturesGER

Herbst-Depressiönchen musikalisch ausleben /ParamountPicturesGER /ParamountPicturesGER 01 »König von Scheißegalien« von Udo Lindenberg 02 »Walking in the Rain« von Grace Jones 03 »People Always Look Better In The Sun« von Soko Auch nicht schlecht: Haarspangen und Mini-Handtaschen sammeln. It’s called fashion, Brenda, look it up! Emily Staats aus Flensburg ist für Waves Vienna nach Wien gekommen und fand sich auf einmal im Hexenkessel der The-Gap-Redaktion wieder.

GeminiMan-Film.de

GeminiMan-Film.de GeminiMan-Film.de /GeminiMan.DE /GeminiMan.DE #GeminiMan

/GeminiMan.DE

#GeminiMan

GeminiMan-Film.de @Paramount_Kino

/GeminiMan.DE @Paramount_Pictures_Germany #GeminiMan

@Paramount_Kino /ParamountPicturesGER @Paramount_Pictures_Germany

#GeminiMan @Paramount_Kino @Paramount_Kino @Paramount_Pictures_Germany @Paramount_Pictures_Germany/ParamountPicturesGER /ParamountPicturesGER

The_Gap_177_003-011_Splitter_FINAL.indd 6

/ParamountPicturesGER

18.09.19 08:48

NEOS, Neustiftgasse 73-75/7, 1070 Wien

GeminiMan-Film.de

/GeminiMan.DE

Magdalena Fischer, beigestellt

GeminiMan-Film.de

Dinge, deren Größe sich unbedingt verdoppeln sollte 01 Fußräume in öffentlichen Verkehrsmitteln 02 Die Reichweite von Bluetooth 03 Das Ego von Donald Duck 04 Die Auswahl an Fischfrikadellen und Kaubonbons in österreichischen Supermärkten 05 Kellertreppenstufen 06 Der Hosenbund nach dem ersten Lebkuchen- und Spekulatius-Gelage des Jahres 07 Die Überlebensspanne der Motivation dazu, die Glühbirne im Backofen auszutauschen 08 Respekt gegenüber funktionierenden Glühbirnen an schlecht zu erreichenden Orten 09 Der Abstand zwischen ganz interessant und beschissen 10 Pistazien


PINK WÄHLEN!

EIN KREUZ BEI NEOS HAT

KEINEN NEOS, Neustiftgasse 73-75/7, 1070 Wien

Magdalena Fischer, beigestellt

HAKEN.

The_Gap_177_003-011_Splitter_FINAL.indd 7

18.09.19 08:48


Haltungsübung Nr. 11

Filterblase verlassen. Um Ihre Haltung zu trainieren, brauchen Sie kein atmungsaktives Outfit und keine Gewichte, nur Ihren Kopf. Üben Sie zunächst jeden Tag, ihn aus der Filterblase zu ziehen. Das funktioniert sogar im Sitzen. derStandard.at

Der Haltung gewidmet.

The_Gap_177_003-011_Splitter_FINAL.indd 8 IMG_Haltungsübung#11_Filterblase-verlassen_210x280.indd 1

18.09.19 12:00 08:48 16.09.19


betrachtet die hiesige Modeszene Stück für Stück

son mit Handicap das Leben leichter machen können, allzu oft müssen KundInnen dafür aber eine medizinische Ästhetik in Kauf nehmen, die das mit einer Behinderung einhergehende Stigma nur noch stärker spürbar macht. In diese Bresche springen MOB Industries. Die frisch gegründete Wiener Marke arbeitet nicht nur mit RollstuhlfahrerInnen zusammen, um deren spezifische Ansprüche an Kleidung zu erfahren, sondern auch mit Modelabels, die bewiesen haben, dass sie erstrebenswertes Gewand entwerfen können. So ist etwa in Kollaboration mit Moto Djali, deren Arbeit auf diesen Seiten schon besprochen wurde, eine Jacke entstanden, die spezifisch auf Menschen im Rollstuhl zugeschnitten ist und die erst in zweiter Linie für Nicht-im-Rollstuhl-Sitzende, sogenannte »Companions«, adaptiert wurde. Der vorne kürzere Schnitt (zum Sitzen), die großen, magnetisch verschlossenen Taschen (lassen sich

auch mit eingeschränkter Fingerfertigkeit leicht öffnen) und die Druckknopfleisten, mit denen man beide Seiten von oben bis unten aufmachen kann (hilfreich beim assistierten An- und Ausziehen), zeichnen die Jacke aus. Aber nicht nur: Der Moto-Djali-Entwurf nimmt in seiner reduzierten Strenge und direkten Materialität Anleihen bei Uniform- und Arbeitsjacken. Resultat ist ein Kleidungsstück, das seinen TrägerInnen ohne Umschweife einen Spielraum zwischen kühler Eleganz und ebensolcher Gelassenheit eröffnet – man sehe sich nur den Rollstuhlbasketballer Philipp Hochenburger an, der die Jacke für die erste Kampagne von MOB Industries angezogen hat. roland@thegap.at • @wasichgsehnhab Im Webshop auf mob-industries.com finden sich nicht nur von Moto Djali, sondern auch von Ferrari Zöchling und GON entworfene Teile.

Fabian Gasperl

Es gibt wohl kaum einen Menschen, der das Gefühl schlecht passender Kleidung nicht kennt. Seitdem Gewand industriell massengefertigt und zentralisiert vermarktet wird, ist immer irgendwo etwas zu eng, zu lang, zu weit oder zu kurz – und nicht selten gleich alles auf einmal. Die Zeiten, in denen entweder im Haushalt selbst oder von hochspezialisierten Handwerksbetrieben Gewand für eine spezifische Person gemacht wurde, sind für uns nur mehr schwer vorstellbar. Stattdessen organisieren standardisierte Skalen die Proportionen von Kleidungsstücken, die auf Verdacht für Körper vorproduziert werden, die den HerstellerInnen nicht als physische Gegebenheiten gegenüberstehen, sondern nur als statistische Projektionen vorschweben. Das System der Kleidergrößen kommt mit der Unumstößlichkeit rationaler Objektivität daher, ist in Wahrheit aber – zumindest für den Verfasser dieser Zeilen – absolut undurchschaubar und vor allem alles andere als ein Abbild der tatsächlichen Vielfalt menschlicher Körper. Noch dazu ist das Maß der Modekonzerne von gesellschaftlichen Idealvorstellungen und Marketinginteressen getrübt, was sich wenig überraschend aber dennoch perfide in den allenthalben eingenähten Ziffern und Buchstaben niederschlägt. Die verzweifelte Suche nach dem Hemd mit dem richtigen Verhältnis zwischen Schulterbreite, Armlänge und Kragenumfang erscheint aber sofort in einem gänzlich neuen Licht, wenn man sich die Situation von Leuten vor Augen führt, deren Ansprüche vom zeitgenössischen Modeangebot nicht einmal im Ansatz berücksichtigt werden: Menschen mit Behinderungen. Spezialisierte Firmen bieten zwar Kleidungsstücke mit zusätzlichen Funktionalitäten an, die einer Per-

Gabriel Roland

009

Einteiler Neue Größe

12:00

The_Gap_177_003-011_Splitter_FINAL.indd 9

18.09.19 08:48


Astrid Exner

beschäftigt sich hier mit den großen und kleinen Fragen zu Feminismus.

Es ist zwei Stunden vor dem Redaktionsschluss für diese Kolumne und ich bin schon wieder zu spät dran. Das soll jetzt keine Entschuldigung für mein mangelhaftes Zeitmanagement sein, aber ich bin die letzten Tage bevorzugt mit Ibuprofen vollgepumpt im Bett gelegen, weil mein Körper wieder einmal nicht mitgespielt hat. Die Regelschmerzen waren gnadenlos und ermüdend, während sie mich gleichzeitig am Durchschlafen hinderten. Das erschwert das Schreiben von Kolumnen dann doch, obwohl die Wärme des MacBooks am Bauch durchaus dem angenehmen Effekt einer Wärmeflasche nahekommt. In solchen zurückgezogenen Situationen gibt es nicht so viele feministische Schlüsselerlebnisse, von denen ich hier berichten könnte. Also schreibe ich halt über die biologischen Fails, die mir das Leben als Frau auferlegt.

Als Hysterie abgetan Ich habe nämlich eine Form von Endometriose. Die Erkrankung kann unterschiedliche Symptome haben, meistens bedeutet sie aber schirche Krämpfe während der Regelblutung – im Fachjargon heißt das dann Dysmenorrhoe. Endometriose kann aber auch Schmerzen beim Sex verursachen oder der Grund für einen erfolglosen Kinderwunsch sein. Hervorgerufen wird sie durch die Ansiedlung von Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutterhöhle – in meinem Fall in der Gebärmuttermuskulatur. Dort gehört sie nicht hin. Dort macht sie mich alles andere als glücklich. Aber immerhin bin ich damit in guter Gesellschaft. Niemand weiß so genau, wie viele Frauen im gebärfähigen Alter tatsächlich von Endometriose betroffen sind. Es ist schließlich eine Frauenkrankheit, und die waren in den vergangenen Jahrhunderten keine Top-Priorität für forschende Mediziner (sic!), sondern wurden gerne als Hysterie abgetan. Immer wieder aber wird die Häufigkeit auf 10 % geschätzt. Eine von

The_Gap_177_003-011_Splitter_FINAL.indd 10

zehn Frauen leidet also an Endometriose. Das ist ziemlich viel für eine Erkrankung, deren Namen die meisten Menschen noch nie gehört haben. Nicht zuletzt dadurch, dass Celebritys wie Lena Dunham ihre Beschwerden offen thematisieren, ist sie aber in den letzten Jahren ins gesellschaftliche Bewusstsein gerückt. Und das ist ein Mitgrund dafür, dass ich jetzt einen Namen für die unsichtbaren Schmerzen habe, die ich mehr als ein Jahrzehnt hilflos ertragen habe, bevor sie jemand ernst genommen hat. Meine erste Gynäkologin empfahl mir nämlich gegen meine Regelbeschwerden, ein Parkemed 500 zu nehmen. Als ich mich beim nächsten Besuch bei ihr erkundigte, was ich denn tun könne, wenn ein Parkemed 500 gegen die Krämpfe nicht helfe, legte sie mir lapidar ans Herz, in so einem Fall einfach zwei Parkemed 500 zu nehmen. Ihr könnt euch vielleicht vorstellen, dass ich ziemlich bald danach die Frauenärztin gewechselt habe. Trotzdem dauerte es noch mehrere Jahre und Krankenstandstage, bis ich wusste, warum andere junge Frauen ihre Tage so viel lockerer als ich wegsteckten, obwohl ich mich doch sonst nicht besonders wehleidig fand.

Taub und erschöpft Mittlerweile weiß ich, dass mir Ibuprofen besser hilft und weniger leberschädlich ist als Parkemed. Und noch wichtiger: Dass es in kritischen Momenten eine Sache von wenigen Minuten ist, ob ich das Schmerzmittel rechtzeitig, nämlich beim ersten Anflug von Krämpfen, einnehme. Das ist ausschlaggebend dafür, ob ich weiter ungestört durch den Tag gehen kann oder ob mir ein Höllenritt bevorsteht. Wenn ich zuhause bin, ist es nicht so schlimm. Dann kann ich mich ins Bett retten und mich heimlich, ohne dass die Außenwelt etwas davon mitbekommt, vor Schmerzen krümmen, bis es langsam, aber immer nach spätestens zwei Stunden besser wird und ich taub und erschöpft ein Nickerchen machen kann (und muss).

Wirklich hilflos fühle ich mich, wenn die Krämpfe unterwegs beginnen. Einmal habe ich versucht, von der Arbeit nach Hause zu fahren, als es schon zu spät war. Da saß ich nach vorne gebeugt und mit schmerzverzerrtem Gesicht in der U6 und sah aus den Augenwinkeln, wie sich nach und nach alle Menschen in meiner unmittelbaren Umgebung wegsetzten oder angestrengt in andere Richtungen schauten. Das war kein schönes Gefühl. Die konnten sich einfach nicht erklären, warum diese junge Frau im Blazer und Bleistiftrock sich so komisch verhält. Aber schon allein männlichen Vorgesetzten erklären zu müssen, warum man sich jetzt mal kurz auf die Couch legen will und dass bald alles wieder gut ist, ist höchst unangenehm.

Nicht unproblematisch Was die Vorgesetzten spätestens dann merken: Wirtschaftlich gesehen bringt mich die Endometriose um meine Produktivität. Und nicht nur mich: Bereits 2011 kam eine von der World Endometriosis Research Foundation (WERF) in Auftrag gegebene Studie zu dem Ergebnis, dass von Endometriose betroffene Frauen aufgrund ihrer starken Symptome um stolze 38 % weniger produktiv arbeiten als andere Frauen. Weil es keine Therapie gibt, die die Erkrankung ursächlich heilt, wird das wohl auch noch eine Weile so bleiben. Ich selbst kämpfe nur noch in seltenen Fällen mit Situationen wie neulich. Mithilfe der Pille habe ich die Symptome der Endometriose unter Kontrolle. Auch das ist freilich aus feministischer Sicht nicht ganz unproblematisch. Aber dazu in der nächsten Ausgabe mehr. exner@thegap.at @astridexner Michael Exner

010

Gender Gap Ibuprofen zum Frühstück

18.09.19 08:48


Michael Exner

Wir haben deine Tickets fĂźr Konzerte & Events.

Tickets gibt es auf

www.ticketmaster.at The_Gap_177_003-011_Splitter_FINAL.indd 11

18.09.19 08:48


012 The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 12

18.09.19 08:49


Zosia Hołubowska verbindet im Projekt Mala Herba osteuropäische Musiktradition und Dunkle-Magie-Ästhetik.

Tina Bauer The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 13

Was bedeutet es Musik zu machen, wenn das eigene Geschlecht nicht selbstverständlich ist? Wir haben mit drei in Wien lebenden Musiker*innen gesprochen, die ihr Geschlecht außerhalb der Schubladen »Mann« und »Frau« verstehen. Sie erzählten uns über ihre Musik, ihre Erfahrungen mit Gender und ihre Wünsche an die österreichische Musikszene. ———— Gender ist kein theoretisches Hirngespinst, keine politische Korrektheit. Gender ist gelebte Realität. Gender beschreibt einen zentralen Teil unserer Identität, einen zentralen Teil davon, wie wir uns selbst ganz intim, aber auch gegenüber der restlichen Gesellschaft verstehen. Die Zuordnung von Gender ist dabei keineswegs frei. Bei unserer Geburt werden wir in eine der Schubladen »Mann« oder »Frau« eingeordnet. Für viele Menschen ist diese Zuordnung akzeptabel. Vielleicht ist die Schublade mal zu eng, vielleicht stören ein paar Kanten und Ecken. Aber im Großen und Ganzen passt sie dazu, wie sich diese Menschen selbst verstehen. Das ist die Erfahrung von Cis-Menschen. Für Cis-Menschen stimmt das Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugeteilt wurde, überein mit jenem, dem sie sich zugehörig fühlen. Andere Menschen wiederum fühlen sich zutiefst unwohl in der Schublade, in die sie eingeordnet wurden. Diese Menschen bezeichnet man als trans*. Bei Trans*-Menschen stimmt das zugeordnete Geschlecht nicht mit dem tatsächlichen Geschlecht überein. Viele Trans*-Menschen fühlen sich zwar nicht in

der ursprünglichen Schublade wohl, dafür aber in der zweiten klassischen Schublade. Viele, aber nicht alle. Für manche Menschen ist die Zuordnung in keine der beiden Schubladen »Mann« und »Frau« möglich. Sie fühlen, dass ihr Geschlecht nicht in diese Binarität hineinpasst. Für sie hat sich die Sammelbezeichnung non-binary etabliert. Vielleicht ist ihr Geschlecht irgendwo zwischen den Schubladen einzuordnen (bigender), vielleicht fluktuiert es mit der Zeit oder der Situation (genderfluid), vielleicht besteht es völlig unabhängig von diesen beiden Schubladen (genderqueer) oder vielleicht hat die Person gar kein Gefühl davon, überhaupt so etwas wie ein Gender zu haben (agender). Im Gespräch haben uns Kerosin95, Mala Herba und Tony Renaissance erzählt, was ihre Erfahrungen außerhalb der klassischen Geschlechterschubladen sind, wie sie sich und ihre Musik im Verhältnis zu einer queeren Community sehen und ob Gender überhaupt irgendwas mit ihrer Musik zu tun hat.

013

Musik ohne Geschlechterschubladen Warum ist das nicht selbstverständlich?

Gender ist etwas sehr Intimes Die Musik von Tony Renaissance füllt den Raum. Layer über Layer von Samples baut den Track langsam auf, bevor die Stimme zunehmend Platz einnimmt. Hallend, verzerrt, mal alleine, mal fast unhörbar neben der restlichen Soundwand. Wie ein Chor in einer Person wirken Tony und der Synthesizer. In dem zwölfminütigen Set, das auf Okto ausgestrahlt wurde und im Internet nachzusehen ist, kniet

18.09.19 08:49


Tony auf einem Teppich in einem schwarzen Raum. Der Blick nach unten auf den Synthesizer gerichtet, das Mikro in einer Hand, die andere an der Maschine. Weißes T-Shirt, schwarze Hose, kurzgeschorene Haare und Chucks. Tonys Performance wirkt reduziert, geht fast unter neben dem gewaltigen Sound. Tony identifiziert sich als genderfluid. »Gender ist für mich etwas, was in ständiger Bewegung ist, es ist nicht festgeschrieben. Gender ist wie ein Farbspektrum, für manche ist ihre Identität auf eine Farbe fixiert, oder komplett außerhalb. Genderfluid bedeutet für mich, dass die Farbe sich ständig verändert. Für mich ist Gender etwas sehr Persönliches, Intimes.« Gender hat bei Tony aber keinen direkten Einfluss auf die Musik: »Was da passiert, ist ein Experimentieren mit Sounds, Vocals, Songstrukturen, Lyrics etc. Natürlich ist meine Musik queer, weil ich mich als queer identifiziere, aber meine Geschlechtsidentität spielt bei der Musikerzeugung selbst keine Rolle.«

Musik als kollektiver Prozess Für Zosia Hołubowska, die Person hinter dem Projekt Mala Herba, hängen Musik und Queerness hingegen eng zusammen: »Ich habe keine endgültige Antwort, was queere Musik für die gesamte Menschheit bedeutet. Aber ich weiß, was es für mich bedeutet. In jeder Musik steckt immer eine Erfahrung drin, eine Position, ein Zugang zu dieser Musik. Für mich geht es dabei um Improvisation, verstanden als aktives Zuhören. Es geht darum, Räume zu öffnen, um verletzbar zu sein und Fehler zu machen, weil so lernen wir. Ich denke auch, dass queere Musik sehr stark mit der Community verbunden ist. Um mich sind so viele Leute, die mir auf ganz unterschiedliche Arten helfen. Ich sehe Musik als kollektiven Prozess und als grundlegend in der Community verwurzelt.« Mala Herbas Musik klingt tatsächlich als hätte sie tiefe Wurzeln. In traditioneller polnischer Musik sucht Zosia, »die kleinen Brüche und Öffnungen, die es erlauben anders zu sein«. Zosia freut sich über jeden dieser kleinen Punkte und verbindet sie anschließend mit harten Techno-Beats. Auch bei Mala Her-

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 14

ba wird die einzelne Stimme chorisch, weckt Erinnerungen an osteuropäische Frauen­ chöre. Alles wirkt treibend, immanent tanzbar. Hinzu kommt Mala Herbas Performance in dickem Make-up und tiefschwarzem Outfit. Früher hat sich Zosia einfach als queere Person identifiziert: »Aber irgendwann poppte dann dieses Wort non-binary auf. Das hat mich direkt angesprochen. Zwar fühle ich, als Frau geboren zu sein und dieselben Erfahrungen von gegenderter Gewalt und Unterdrückung zu haben, aber ich fühle mich unwohl, wenn Menschen mich als Frau oder als Mädchen bezeichnen. Ich fühle das als Bürde, denn es kommt mit diesem ganzen Berg an Verpflichtung.« Der Titel des ersten Tracks von Kerosin95 »Außen hart, innen flauschig« ist Programm: »Es kann ja nicht sein, dass man nur noch lieben, weichen Hip-Hop macht. Ich will auf jeden Fall auch hart sein dürfen, ich will wütend sein dürfen. Und ich will zach sein dürfen.« Kerosin95 ist zwar das jüngste, aber nicht das erste und einzige Projekt von Kathrin Kolleritsch. Doch Kerosin95 ist für Kathrin persönlicher: »Ich habe nach einem Ventil gesucht, meine ganzen Gedanken und Ideen und Gefühle auszudrücken. Das ging schon die letzten Jahre so, aber ich habe kein Ventil dafür gefunden. Und Kerosin ist dann das Passende gewesen am Schluss. Da kommt jetzt alles, was sich die letzten Jahre aufgestaut hat, über die Texte heraus.« Doch gleichzeitig ist da stets auch eine gehörige Portion Humor zu spüren. Wenn Kerosin im Video zu »Außen hart, innen flauschig« im dottergelben Onesie durch die Wiener Straßen tanzt, sich vor Schildern und Bananen in Pose wirft und kopfüber am Kinderspielplatz rappt, dann kann man nicht umhin, mitzugrinsen. Das wird durch den unglaublichen Flow von Beats und Texten nur unterstützt. Das geht durchs Ohr in Hirn und Beine. Zwei Tracks von Kerosin95 sind bisher veröffentlicht worden, ein dritter findet sich als Live-Mittschnitt. Im Herbst 2020 soll das erste Album folgen. Ein stressiges Jahr bisher für Kathrin, noch bevor das Nachdenken über Gender hinzukommt: »Ich bin seit

einem halben Jahr in einer sehr intensiven Findungsphase, und die wird wahrscheinlich noch mein Leben lang dauern. Ob non-binary für mich eine Bezeichnung ist, weiß ich noch nicht. Nur weil dieser Artikel über non-binary Artists ist, möchte ich mir da auch keinen Stempel aufdrücken. Ich weiß auf jeden Fall, dass ich mich nicht als Cis-Frau definiere, oder generell als Frau. Eher im Bereich genderfluid oder genderqueer.«

Themen in den Raum stellen Sowohl Zosia als auch Kathrin schätzen den Freiraum der Figuren Kerosin und Mala Herba. Kathrin etwa spricht ganz bewusst immer von Kathrin und Kerosin als getrennte Personen, »weil ich es lustig finde, damit zu spielen und ich Leuten ganz bewusst nicht sagen will, wie viel jetzt Kathrin und wie viel Kerosin ist – je nach Tagesverfassung. Ich weiß es halt auch selbst nicht immer. Bei mir ist das alles sehr fließend, spielerisch und frei. Außerdem ist es eine schöne Möglichkeit sich mehr auszudrücken, neue Sachen auszuprobieren und bei sich selbst zu checken. Es ist lustig, wie man sich selbst durch verschiedene Arten von ›Gender-Performance‹ kennenlernen kann und auf Sachen wie verinnerlichte Stereo­type oder Sexismen draufkommt.« Für Zosia ist Mala Herba hingegen eine ernstere Figur: »Manchmal übertreibe ich es ganz bewusst, etwa mit dramatischem, leichenartigem Make-up und indem ich mich ganz düster und hexenartig gebe. Es ist dann 99 % ernst und vielleicht 1 % ironisch. Aber das siehst du nicht auf der Bühne. Dort ist das alles sehr ernst und direkt.« Falls es bei Tony Renaissance einen aktiven Rollentausch gibt, dann wirkt er subtiler, fließender: »Wenn ich mein Projekt nach außen trage, verändert sich natürlich einiges, da ich vor einer Crowd sofort als alles Mögliche gelesen werde. Auf jemanden, der auf einer Bühne steht, werden automatisch bestimmte Konzepte projiziert. Damit kann ich aber auch spielen und mit meiner Präsenz alleine schon gewisse Themen in den Raum stellen.« Themen in den Raum stellen, ist ein Anspruch, den alle drei zu teilen scheinen. Bei Mala Herba geht es viel um Repräsentation:

Patrick Münnich

014

»Manchmal übertreibe ich es ganz bewusst, etwa mit dramatischem, leichenartigem Make-up und indem ich mich ganz düster und hexenartig gebe. Es ist dann 99 % ernst und vielleicht 1 % ironisch.« — Zosia Hołubowska

18.09.19 08:49


»Der Stereotyp von non-binary als schlanke, androgyne, schöne, weiße, junge Person nervt mich. Du kannst non-binary sein mit großen Brüsten oder einem Bart. Mich interessiert es, dieses Bild zu erweitern. Ich möchte so viele verschiedene Körper und Erfahrungen auf den Bühnen sehen, wie möglich.« Zosia sieht sich in einer dreifachen Rolle als Aktivist*in, Musiker*in und Forscher*in. Als Forscher*in arbeitet Zosia an einem PhD zu queerem Sound. Gleichzeitig versucht Zosia mit Mala Herba als Musiker*in beharrlich in der Wiener Clubszene Fuß zu fassen. Zuletzt versteht Zosia sich aber auch als Aktivist*in und möchte anderen queeren Personen eine Bühne schaffen. Unter dem Titel »Sounds Queer?« organisiert Zosia zusammen mit Adele Knall und Violeta Gil Workshops, Performances und Jam-Sessions. Die Absicht ist, der queeren Community mit dem DIYProjekt etwas zurückzugeben.

Hands-on-Aktivismus Auch Tony Renaissance tritt nicht nur selbst auf, sondern organisiert zusammen mit Kolleg*in Mel die Veranstaltungsreihe The Future: »Viele Menschen versuchen täglich, ihre queeren Utopien zu leben und in Kunst zu übersetzen. Wir möchten mit The Future gerne Räume öffnen, in denen über Kunst und Politik gesprochen wird, Skills ausgetauscht werden, wo durch Ausdrücke der eigenen Identität und Sexualität und den Widerstand gegen normative Strukturen Zusammenhalt entsteht. Als weiße, europäische Person, die oft auch als cis gelesen wird, bin ich aber in einer privilegierteren Position als viele andere Leute in der Community. Allein schon Personen, die ohne österreichischen Pass in Österreich leben, können es sich oft ganz einfach nicht leisten, von Utopien zu träumen, ohne dabei täglich auf harsche Realitäten zu prallen. Es braucht Hands-on-Aktivismus, täglichen Widerstand und proaktive Initiativen, um wirklich allen eine faire, zugängliche und ganz einfach positive und lebenswerte Gegenwart und Zukunft zu ermöglichen.« Auch Tony sieht sich als Teil einer queeren Community, möchte aber keinesfalls als Vorbild verstanden werden, sondern steht

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 15

»auf derselben Ebene wie alle anderen in der Community. Wenn meine Musik und StagePerformance Leute dazu inspiriert, selber Musik zu machen, ihre Identitäten offen und frei zu leben, neue Projekte und Initiativen zu gründen, oder sich einfach nur wohl und empowert zu fühlen, oder auch Dinge zu hinterfragen und sich ertappt zu fühlen, bin ich happy.« Inspiration ist auch das Äußerste, das Kathrin sich als Kerosin zuschreiben möchte: »Das Wort Vorbild bringt eine Verantwortung mit sich und hat gleich immer sowas Göttliches und Erhabenes. Ich will nicht erhaben sein, ich will mich einfach mit Sachen beschäftigen und wenn anderen Leuten das taugt, dann cool, und wenn nicht, dann nicht. Aber ich finde es cool, wenn ich diese Bühne nutzen kann, wo hundert Leute zuhören, und ich sage irgendwas und es ist vielleicht ein wichtiges Thema und dann führen wir diesen Diskurs auf der Bühne weiter. Ich habe halt eine Bühne, wo die Leute zuhören und das Gehör findet. Deswegen muss man nicht gleich abgehoben auf irgendeiner Wolke schweben.« Als Teil einer queeren Community fühlt sich Kathrin dabei mal stärker, mal weniger stark: »In meinem Umfeld gibt es schon sehr viele queere Personen, es ist aber nicht immer nur eine queere Bubble. Aber ich fühle mich dort schon sehr wohl. Das tritt zum Beispiel bei Konzerten oder Veranstaltungen zum Vorschein, je nachdem, von wem das organisiert ist. Da ist dann manchmal ein sehr ›bubbliges‹ Gefühl, was voll schön sein kann, weil das auch für mich ein sicherer Hafen ist. Das sind Orte, wo tendenziell halt weniger Scheiße passieren kann und weniger depperte Kommentare fallen. Das ist sonst leider nun mal Alltag für Musiker*innen.« Auch bei Zosia schwankt das Verhältnis zur queeren Szene: »In Wien fühle ich mich in der queeren Community nicht so verankert. Manchmal fühle ich mich fast von ihr abgewiesen. Ich glaube meine Musik trifft nicht den Geschmack der queeren Szene in Wien. Vier Jahre lang habe ich in Kopenhagen gelebt, bevor ich hierhergezogen bin. Von der ersten Woche an war ich dort in radikale,

015

Als Kerosin95 hat Kathrin Kolleritsch ein Ventil im Rap gefunden und will keinen Stempel aufgedrückt bekommen – auch nicht einen, auf dem »non-binary« steht.

18.09.19 08:49


queere Politik involviert. Bald hatte ich diese Crew von queeren Leuten um mich. Wir haben zusammen Aktivismus gemacht, aber sind auch zusammen tanzen gegangen. In meinen drei Jahren in Wien habe ich bislang wenige Leute gefunden, die sowohl queer sind als auch die gleichen musikalischen Interessen haben.« Zosia kritisiert an der queeren Community aber vor allem, welche Leute von ihr finanziell unterstützt werden: »Ich glaube viele von den großen Popstars eignen sich Elemente der

queeren Community an. Das bringt dann aber immer nur kulturelles und finanzielles Kapital für diese Stars selbst. Das geht nicht zurück in die Community. Trotzdem spielen sie dann auf queeren Partys die gleichen drei Popstars in der Schleife. Leute wie ich oder andere queere Artists, die hervorragende Musik machen, müssen jeden Monat darum kämpfen, Miete oder Versicherungen zu zahlen. Das Problem ist, wohin dein Geld als Konsument von Kultur geht. Deswegen müssen nicht alle Leute plötzlich Darkwave-Techno hören. Auch im Pop gibt es hervorragende queere Musiker*innen.« Für Kathrin ist die Aneignung von queeren Räumen durch den Mainstream ein zweischneidiges Schwert: »Wenn queere Räume einfach bezeichnen, wie man miteinander umgeht und wie man aufeinander schaut – wenn das in den Mainstream mitgenommen wird, dann ist das ja nur wünschenswert und wäre voll utopisch. Aber wenn ein queerer Mainstream heißt, dass Coca-Cola Regenbogenflaschen verkauft, oder H&M queere Siebenjährige Nähen lässt, dann … no offence – nein, schon offence!« Was sich Kathrin für die breitere Musikszene wünscht lässt sich im Wort Selbstverständlichkeit zusammenfassen: »Was als selbstverständlich gilt und was nicht. Es ist anstrengend, wenn mir selbstverständlich eine Geschlechtsidentität zugeschrieben wird, nur weil man mich sieht. Das kann ich aber auch niemandem übelnehmen, denn so ist unsere Gesellschaft halt aufgebaut. Dann muss

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 16

Tony Renaissance macht nicht nur Clubmusik, sondern fördert mit The Future Vienna auch Safe Spaces in einer Post-Gender-Clubkultur.

ich die Verantwortung eben selbst übernehmen und etwas sagen. Aber ich will einfach, dass das selbstverständlich wird und einfach nicht thematisiert werden muss. Niemand kann alleine irgendwelche gesellschaftlichen Normen ändern. Aber ich kann für mich selber schauen, wie ich mit Menschen umgehe und was ich mit meinem Umfeld tue und wie ich Normen in meinem Kopf verändere. Alle anderen müssen sich das selber klären. Man fängt halt mit sich selbst an und schaut was man in seinem Umfeld für Sachen verändern kann. Und wenn das ganz viele Leute machen, dann geht vielleicht was weiter.«

Wir waren schon immer hier Tony hingegen findet es lustig, »dass die ›Integration‹ von Queerness in den Mainstream oft als etwas so Neues dargestellt wird, als ob Queerness ein Konzept wäre, dass gerade erst entdeckt wurde und jetzt gerade langsam in den Mainstream übergeht. Queerness ist eine Lebensrealität, und queere Menschen existieren überall und seit es Menschen gibt. Vor allem in Kunst und Kultur und auch in politischen Debatten und Veränderungen der Gesellschaft waren queere Leute schon immer Vorreiter*innen, Pionier*innen und Visionär*innen. Ihre Geschichte wurde nur oft verdrängt, von cis-hetero patriarchalen Gesellschaftsstrukturen auszulöschen versucht und als anders und abseits heteronormativer Geschichte dargestellt.« Non-binary Musiker*innen sieht Tony als integralen Teil der Gesellschaft. Nur manche

»checken halt nicht, dass wir schon immer hier waren und nicht nur ein vorübergehendes Phänomen sind.« Mala Herba, Kerosin95 und Tony Renaissance machen Musik, hervorragende Musik. Musik, die bewegt, Musik, die sich etwas traut. Eigentlich sollte dieser Artikel sich nur damit beschäftigen müssen. Dass die drei mit den Schubladen »Mann« und »Frau« nicht klarkommen, sollte eigentlich etwas Selbstverständliches sein. Doch solange manche das eben nicht checken, liegt es an uns allen Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung dafür, wie wir mit anderen Menschen und mit unserem Umfeld umgehen. Verantwortung dafür, wie wir unser Geld ausgeben und wen wir unterstützen. Verantwortung dafür, ob wir die gelebte Realität von anderen Menschen ignorieren, sie aus Ignoranz verletzen und ihr Leben erschweren oder ein Minimum an Aufwand betreiben um ihnen dieselbe Selbstverständlichkeit zuteilwerden zu lassen, die so viele von uns als gegeben hinnehmen. Bernhard Frena

Von 26. bis 28. September findet das Festival Waves Vienna im WUK statt. Kerosin95 tritt dort am ersten Abend auf. Die aktuellen Tracks von Mala Herba sind auf Bandcamp nachzuhören und noch bis Ende September ist Mala auf »No Forgiveness«-Tour. Neuigkeiten zu Tony Renaissance und den kommenden The-Future-Vienna-Veranstaltungen finden sich am besten auf Facebook.

Magdalena Fischer

016

»Gender ist wie ein Farbspektrum, für manche ist ihre Identität auf eine Farbe fixiert, oder komplett außerhalb.« — Tony Renaissance

18.09.19 08:49


HA TEE - SCHWARZTEE - JASMINTEE -MATCHA TEE - SCHWARZTEE - JASMI

MATCHA SPICE BITTER

ICED TEA FOR A NEW GENERATION hakuma.com

TCHA TEE - SCHWARZTEE - JASMINTEE -MATCHA TEE - SCHWARZTEE - JASM

NTEE - MATCHA TEE - SCHWARZTEE - JASMINTEE - MA

INTEE -MATCHA TEE - SCHWARZTEE - JASMINTEE -MATC The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 17

18.09.19 08:49


018 The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 18

18.09.19 08:49


Eva Grubinger, »Ohne Titel« (František Raš), 2018. Foto: Bildrecht Wien The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 19

Manchmal reicht ein kleines Detail aus, um das Gesamtbild auf den Kopf zu stellen. Eva Grubinger beschäftigt sich in ihrer Ausstellung im Belvedere 21 mit der Entfremdung von Objekten und gibt Anstoß für gesellschaftliches Umdenken. ———— Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Vertraute Dinge und gewohnte Abläufe werden in der Regel ungern verändert oder hinterfragt. Man analysiert bekannte Gegenstände nicht jedes Mal aufs Neue, sondern erkennt diese einfach unterbewusst wieder. Aus diesem Grund lassen sich einmal eingeordnete, festgesetzte Vorstellungen auch nur schwer wieder zurück ins Bewusstsein holen. Genau hier, mitten in einem fest geschnürten Knoten aus Meinungen, Ansichten und Erwartungen, liegt häufig auch der Ursprung vieler gesellschaftlicher Konflikte. Um diese zu lösen und aktiv einen Wandel herbeizuführen, müssen nicht nur neue Ansätze gefunden, sondern vor allem auch bereits existierende Zusammenhänge infrage gestellt werden. Diese Idee steht auch hinter den international erfolgreichen Arbeiten von Eva Grubinger. Die Bildhauerin und Installationskünstlerin setzt sich bereits seit vielen Jahren mit Raumkonzepten, Materialität und Wahrnehmung auseinander. Mit besonderem Augenmerk auf die Veränderung von Oberflächen eröffnet Grubinger vollkommen neue Sichtweisen auf vermeintlich bekannte Objekte. Was aufgrund der Vertrautheit oft nicht mehr aktiv wahrgenommen werden kann, wird durch Entfremdung wieder in den Vordergrund gerückt. Die gebürtige Salzburgerin hält sich bei der Konzeption ihrer Werke nicht an Regeln – sie erschafft ihre ganz eigenen gestalterischen Prinzipien und knüpft auf diese Weise neue inhaltliche Verbindungen. Das Verständnis von Raum als sozialem Konstrukt, das unterbewusst auf den Menschen wirkt, spielt dabei eine zentrale Rolle. Im November bringt das Belvedere 21 die minimalistische Konzeptkunst von Eva Grubinger mit einer Einzelausstellung nach Wien. Die in Berlin lebende Künstlerin setzt auch hier einen Fokus auf die Wahrnehmung von vermeintlich gewöhnlichen Objekten. Durch bewusste Dekontextualisierung und Verfremdung – zum Beispiel mittels Vergrößerung oder Materialänderung – werden unerwartete Blickwinkel eröffnet und neue inhaltliche Verknüpfungen hergestellt. Die Inspiration für die Konzepte im Belvedere 21 schöpfte Grubinger aus dem Bereich der Seefahrt: »Meuterei« definiert den Schwerpunkt der Ausstellung. Die sich wandelnde Wirkung von Objekten wird zum Ausdruck einer möglichen gesellschaftlichen Umwälzung. Gewohntes wird verfälscht, Bekanntes neu entdeckt und Unscheinbares wieder sichtbar. Eva Grubinger baut mit ihrem Konzept Brücken zwischen künstlerischen und sozialen Räumen. Vom kleinen Widerstand zur großen Revolte. Das Thema Meuterei zieht sich durch die gesamte Ausstellung, für die die Künstlerin einige neue Werke konzipiert hat. Zwei Holzkugeln, die verformt in einem Hanfseil hängen, sind ein erster Vorgeschmack auf Eva Grubingers Spiel der Wahrnehmung. Je unbequemer die Ansicht, desto mehr Details kommen ans Licht. Victoria Szabó

019

Eva Grubinger: Meuterei (hängend) (De-)Formierung des Status quo

Eva Grubingers Einzelausstellung im Belvedere 21 in Wien wird am 22. November eröffnet und ist bis zum 23. Februar zu sehen.

18.09.19 08:49


The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 20

Thimios Bakatakis

020 In »The Lodge« sorgen Familie und örtliche Eingrenzung wieder für besonderen Thrill. Der neue Film von Veronika Franz und Severin Fiala ist aber alles andere als eine Forstsetzung von »Ich seh, ich seh«.

18.09.19 08:49


»The Lodge«, der neue Horrorfilm des Regieduos Veronika Franz und Severin Fiala, eröffnet das diesjährige Slash Filmfestival. Im Interview haben die beiden mit uns darüber gesprochen, wie der Erfolg von »Ich seh, ich seh« Türen nach Hollywood für sie geöffnet hat, welche kulturellen Unterschiede sie zwischen den Filmlandschaften sehen und welche Herausforderungen das mit sich gebracht hat. ———— »What in the fuck was that?!« Eine junge Frau schlägt angeekelt die Hände vor den Mund. Neben ihr sitzt ein bärtiger Mann mit weit aufgerissenen Augen, der seine Arme vor Schreck hochgerissen hat. Beide blicken gebannt auf einen Monitor direkt vor sich, während eine Kamera jede ihrer Gesichtsregungen einfängt. Ein sogenanntes »Reaction Video« inklusive eines Resümees: »I wanna watch that movie, that movie looks cool!« Der Film »Ich seh, ich seh« war in vielerlei Hinsicht ein Erfolg. Nicht nur, dass er zahlreiche positive Kritiken auf sich vereinen konnte – er erlebte seine Premiere bei den Filmfestspielen von Venedig, räumte eine Reihe von Filmpreisen ab (darunter den großen Diagonale-Preis, mehrere Auszeichnungen beim Österreichischen Filmpreis und eine Ehrung beim Europäischen Filmpreis für die beste Kamera­arbeit) und wurde als österreichischer Beitrag für die Oscar-Verleihung 2016 eingereicht. Doch ein Box-Office-Hit war der Film vorerst nicht. Dazu, dass »Ich seh, ich seh« über Österreich hinaus ein Publikum finden würde, kam es beinahe zufällig, als ein internationaler

Trailer auf Youtube hochgeladen wurde und in kürzester Zeit Hunderttausende (mittlerweile zusammengerechnet über 20 Millionen) Klicks generierte. Als viraler Trend machte der Clip in den USA und Südamerika die Runde. UserInnen begannen, sich beim Ansehen des angeblich »scariest movie trailer of all time« zu filmen, und ein Hype war geboren, der dann zumindest so groß wurde, dass sich das Regieduo knapp ein Jahr nach der ersten Vorführung des Films und ein halbes Jahr nach dem offiziellen Kinostart wieder-

»Familie ist der Ursprung des Krieges, das sage ich jetzt mal so kühn.« — Veronika Franz

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 21

holt die Frage gefallen lassen musste: Wann kommt denn euer neuer Horrorfilm bei uns in die Kinos? Und sie mussten stets antworten: Er war schon da.

Der Sprung nach Hollywood Die Aufmerksamkeit, die »Ich seh, ich seh« aus dem US-amerikanischen Raum zuteil wurde, schlug sich auch in Angeboten nieder, die das Regieduo erreichten. Jetzt beinahe fünf Jahre später stellen Veronika Franz und Severin Fiala ihren neuen Film »The Lodge«, eine US-amerikanisch-britische Koproduktion, beim Slash Filmfestival vor. Angesprochen

auf ihren Erfolg und auf die Implikationen, was es bedeute, dass die Finanzierung ihres neuen Spielfilms durch einen viralen Trailer gesichert werden konnte, zeigen sich die beiden skeptisch, ob eine solche Vermarktungsstrategie eine Chance für andere europäische FilmemacherInnen sein könnte: »Da sind wir natürlich auch etwas hineingestolpert. So was hätte man in diesem Ausmaß gar nicht planen können«, meint Severin Fiala, während Veronika Franz einwirft: »Was sich aber natürlich schon sehr verändert hat und was auch spannend ist, ist, dass man mit den Trailern, die ins Internet gestellt werden, die ganze Welt erreichen kann. Wie man das genau macht, weiß ich auch nicht, da habe ich auch kein Rezept. Aber es ist zumindest theoretisch möglich.« In ihrem neuen Film »The Lodge« spielen mit Riley Keough (»Mad Max: Fury Road«, »Logan Lucky«) und Jaeden Martell (»Es«, »Es: Kapitel 2«) zwei durchaus bekannte amerikanische SchauspielerInnen mit. Verhandelt wird das Verhältnis der Geschwister Aidan und Mia zu der neuen Freundin ihres Vaters, mit der sie in der verlassenen Familienlodge eingeschneit werden. Ähnlich wie in »Ich seh, ich seh« geht es also auch in »The Lodge« wieder um eine Familiendynamik. Im Programm des spanischen Filmfestivals Sitges, wo der Film ebenfalls gezeigt wird, heißt es dementsprechend, das Regieduo benötige wieder einmal lediglich zwei Kinder und eine Frau, um einen verdammt guten Horrorfilm zu drehen.

021

»Ihr habt’s ja uns engagiert« Veronika Franz und Severin Fiala im Gespräch

18.09.19 08:49


022

Kosten versus Vision Bis der Film beim Sundance Filmfestival – dem womöglich trendigsten amerikanischen Filmfest – erstmals aufgeführt werden konnte, gab es jedoch auch genug Konfliktpotenzial hinter den Kulissen. Die Dreharbeiten von »The Lodge« fanden Anfang 2018 in Kanada statt. Dabei legten Fiala und Franz großen Wert darauf, dass tatsächlich vor Ort in einer kleinen Lodge gedreht wurde; mit der Voraussetzung, dass diese auch wirklich abgeschieden sein sollte. Obwohl die beiden gleich zu Beginn diese Bedingung gestellt hatten, versuchte man sie zuerst von einem Studiodreh zu überzeugen und präsentierte ihnen anschließend beim Location-Scouting Lodges, die so gar nicht abgeschieden wirkten. »Da mähte links vom Haus ein Nachbar den Rasen und rechts nebenan sprang ein Kind in einen Pool. Und trotzdem meinte man, das sei ja alles nur eine Sache davon, wie man eben filmisch arbeite, um die Lodge abgeschieden wirken zu lassen«, erzählt Franz. Das hat natürlich mit dem Versuch der Kostenminimierung zu tun, der auch in anderen Diskussionen immer wieder zum Vorschein kam. So mussten die beiden fortwährend darauf bestehen, mit nur einer Kamera und anhand der Handlung chronologisch drehen zu wollen. »Wir haben schon immer wieder den Satz strapazieren müssen: Ja, ihr habt’s ja uns engagiert. Die wollten ja, dass

wir das machen und daran mussten wir sie in dem Prozess immer mal wieder erinnern. Sie wollen eh, aber die Courage verlässt sie dann am Weg«, so Franz. Fiala pflichtet ihr bei: »Sie müssen uns – wenn sie uns ja schließlich auch wollen – glauben, dass so künstlerisch das beste Ergebnis dabei herauskommt und ansonsten die schauspielerische Leistung darunter leiden wird. Sie glauben einem und trotzdem diskutieren sie es jeden Tag neu.« Nach Einschätzung der beiden holt man prinzipiell gern europäische FilmemacherInnen, auch aus einer Liebe zum Film und dem Versuch heraus, dem Medium spannende neue Seiten abzugewinnen. Nur hänge man dann doch häufig in der eigenen Vorstellung davon fest, was ein Horrorfilm zu sein habe und welche Parameter dieser erfüllen müsse. Ob sie deswegen anders an eine solche Produktion herangehen würden, sofern sich noch mal die Chance ergäbe? Es sei zu bedenken, so die beiden, dass beim Filmdreh allgemein immer wieder neue Herausforderungen zu bewältigen sind. »Alles Learning by Doing«, meint Franz, »da wächst man mit jeder neuen Aufgabe«. Auch Fiala erklärt: »In fast keinem Vertrag stehen Dinge wie ein Final Cut genau festgeschrieben. Wichtiger ist es, mit Menschen zusammenzuarbeiten, denen man vertraut. Man schaut, ob man eine gemeinsame Vision hat und versucht, da hinzukommen. Dabei gibt es dann noch immer Missverständnisse, aber so funktioniert es am ehesten.« Oliver Maus

»The Lodge« von Veronika Franz und Severin Fiala eröffnet am 19. September mit zwei Vorstellungen das diesjährige Slash Filmfestival. Der reguläre Kinostart ist für 2020 geplant.

Die österreichischen FilmemacherInnen Veronika Franz und Severin Fiala bringen ihr neuestes Horrorwerk »The Lodge« vom Sundance zum heimischen Slash Filmfestival.

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 22

Thimios Bakatakis, Slash Filmfestival

»Familie ist der Ursprung des Krieges, das sage ich jetzt mal so kühn«, erklärt Franz. »Wenn eine Familie wunderbar funktioniert, alle einander lieben, alle Konflikte gut bereinigt werden, man respektvoll miteinander umgehen würde; wenn das in allen Familien der Welt der Fall wäre, dann gäbe es vielleicht keinen Krieg«, so ihre Vermutung. »Aber das wären dann vielleicht auch keine Menschen. Menschen sind abgründig, Menschen haben Geheimnisse und Menschen wollen manchmal auch Konflikte.« Die Themen, die Veronika Franz und Severin Fiala eigentlich interessieren, sind eben eher Traumata und wie Menschen mit diesen umgehen. Das sei in einer Familie im Kleinsten gut abbildbar, erklärt Fiala: »Da arbeiten wir natürlich mit mehrfacher Zuspitzung. Zum einen, indem wir die Familie betrachten und sie zum anderen an diesen kleinen Ort, abgeschnitten vom Rest der Welt, bringen.«

18.09.19 08:49


023

»In fast keinem Vertrag stehen Dinge wie ein Final Cut genau festgeschrieben. Wichtiger ist es, mit Menschen zusammenzuarbeiten, denen man vertraut.« — Severin Fiala

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 23

18.09.19 08:49


Sie wollen nur spielen Hosted Label Nights beim Waves Vienna 2019 Auch heuer wieder kuratieren drei Musiklabels das Line-up für ihre eigene Bühne beim Waves Vienna. Um bei so vielen Acts den Überblick zu behalten, haben wir für euch ein Spiel daraus gemacht und diese Acts in Form von Quartettkarten aufbereitet. Wer ist am lautesten? Und wer hat mit seiner Musik bisher die größten Wellen geschlagen?

SO FUNKTIONIERT’S

024

Jeder von einem Label gehostete Abend hat seine eigene Farbe und alle Acts, die dort auftreten, jeweils eine eigene Karte. Alle Karten werden gemischt und auf die teilnehmenden SpielerInnen aufgeteilt. Es wird nun versucht, sich durch geschicktes Auswählen von Kategorien möglichst viele Karten anzueignen. SpielerIn A fragt beispielsweise SpielerIn B nach der Lautstärke eines ihrer/seiner Acts. Hat der Act von SpielerIn A einen höheren LautstärkeWert, muss SpielerIn B die Karte an SpielerIn A abgeben. Das Spiel ist beendet, wenn sich alle Teilnehmenden am Waves wiedersehen.

Warner Music Stage DO., 26. SEPTEMBER

20:00 CARLOS CIPA 21:15 MARTIN KOHLSTEDT WUK Halle Mit den aktuellsten Kapellen

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 24

Warner Music Stage CARLOS CIPA

Als klassisch ausgebildeter Pianist mit ausgeprägtem Interesse für Pop, elektronische Musik und Improvisation erschafft der Münchner Carlos Cipa fesselnde Klangbilder, die auf keiner Partitur ihren Ausdruck finden könnten. Der Komponist und Produzent setzt dabei auf das Miteinander von akustischen Tasteninstrumenten, Synthesizer-Soundscapes und digitalen Produktionsmethoden. Lautstärke monatliche HörerInnen auf Spotify Youtube-Hit bester Song laut The Gap

1 von 10 90.719 »And She Was« »Slide« / 7 von 10 Tasten

18.09.19 08:49


Warner Music Stage MARTIN KOHLSTEDT

monkey.business FREITAG, 27. SEPTEMBER

Für die Energie und Unberechenbarkeit seiner Konzerte ist der Thüringer durchaus berüchtigt und er hat es damit von der Russischen Staatsbibliothek über die iranische Talare Rudaki bis in den ausverkauften großen Saal der Hamburger Elbphilharmonie gebracht. Bei seinen kompositorischen Versatzstücken, gennant Module, liegt die Kraft in dem Potenzial ihrer Kombinierbarkeit und Variationen.

Mit den aktuellsten Kapellen

Emily Staats

Warner Music, J. Konrad Schmidt / BFF Professional, Monkey Music, Nadine Schachinger

025

Lautstärke 2 von 10 monatliche HörerInnen auf Spotify 60.802 Youtube-Hit »EXA« bester Song laut The Gap »NIO« / 8 von 10 Elbphilharmonien

19:00 ON BELLS 20:15 KRISTOFF 21:30 THE HAPPY SUN 23:00 BERNHARD EDER 00:15 GO! GO! GORILLO 02:00 DRAHTHAUS WUK Foyer

monkey.business DRAHTHAUS

monkey.business BERNHARD EDER

Als Kollektiv mit Berührungspunkten zu Kunst, Technologie, Medien und Gesellschaft bauen Drahthaus mit traditionellen sowie innovativen Klangerzeugern elektroakustische Sounds – Häuser aus Klang. Diese Gebäude verschmelzen mit labyrinthischen Strukturen, geometrischen Motiven und fließenden Formen zu einem audiovisuellen Gebäude, das gleichzeitig verspielt, intuitiv und verkopft ist.

Von ersten Erfolgen als Sänger der Band Wa:rum Ende der 90er über den Start seiner Solokarriere in Berlin 2006 bis heute – Singer-Songwriter Bernhard Eder hat musikalisch schon eine lange Reise hinter sich. Auf seinem neuesten Album »Reset« zeigt er sich von einer neuen Seite – die bisher im Fokus stehende Gitarre hat er gegen eine alte Heimorgel, ein »Pocket Piano« und Samples getauscht.

Lautstärke bespielte Bühnen monatliche HörerInnen auf Spotify Youtube-Hit bester Song laut The Gap

Lautstärke bespielte Bühnen monatliche HörerInnen auf Spotify Youtube-Hit bester Song laut The Gap

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 25

6 von 10 53 381 »Notch« »Flamingo« / 7 von 10 bpm

5 von 10 900 2.067 »I’m crying (Mother's tears)« »Hell« / 9 von 10 Bernhards

18.09.19 08:49


V19_

monkey.business KRISTOFF

Go! Go! Gorillo mischen Rock ’n’ Roll, Blues und Surf-Tango zu ihrem ganz eigenen Sound: Brutal Boogie. Als die Band 2011 das erste Mal live auftrat, war das Monster erwacht. Go! Go! Gorillo haben mehrere große österreichische Venues bespielt und im Frühjahr 2014 kam ihr Debütalbum »King Kongs of Rock ’n’ Roll« heraus. Klingende Titel wie »I Love Destruction« geben einen Vorgeschmack auf die Liveshow.

Im Sommer 2019 startete das Garish-Gründungsmitglied und der anderswo auch als Esteban’s oder Oberst Stern bekannte Musiker – mit bürgerlichem Namen Christoph Jarmer – sein neuestes Soloprojekt Kristoff. Dabei nimmt er Abstand von Genreverortungen und bezeichnet Kristoff als Ankommen bei sich selbst. »Poetisch, erdig und zeitlos« lässt er dann doch als Einordnung zu. Das Debütalbum folgt im Herbst.

Lautstärke 9 von 10 bespielte Bühnen 93 monatliche HörerInnen auf Spotify 54 Youtube-Hit »Wet Nightmare« bester Song laut The Gap »I Like Destruction« / 7 von 10 Trashrocks

Lautstärke 5 von 10 bespielte Bühnen 0 monatliche HörerInnen auf Spotify 58 Youtube-Hit »Du bliatst« bester Song laut The Gap »Du bliatst – Akustik« / 7 von 10 Wunden

monkey.business ON BELLS

monkey.business THE HAPPY SUN

On Bells ist das Soloprojekt des gebürtigen Steirers Jakob Kolb, der früher als Mitglied der Grazer Band Polkov unterwegs war. Nach sechs Jahren in Barcelona ist er 2018 nach Wien zurückgekehrt. Kolb studiert Malerei und leitet seit Kurzem sein eigenes Atelier – Musik und bildende Kunst gehen für ihn Hand in Hand. Als On Bells hat er eine EP und zuletzt die Doppelsingle »X« veröffentlicht.

The Happy Sun ist das neueste Projekt des seit den 1980ern aktiven, vor allem für elektronische Musik bekannten Gerhard Potuznik. 2017 startete Potuznik The Happy Sun mit Musik, die er vor Jahren mit zwei Kassettendecks, billigen E-Gitarren und noch billigeren Drumcomputern aufgenommen hatte. Das Ergebnis ist psychedelischer, rockiger und düsterer Shoegaze und Postpunk. Da werden viele happy!

Lautstärke 6 von 10 bespielte Bühnen 20 monatliche HörerInnen auf Spotify 549 Youtube-Hit »Sommerhit 2018« bester Song laut The Gap »Vamos a Traerte« / 9 von 10 corazóns

Lautstärke 8 von 10 bespielte Bühnen 7 monatliche HörerInnen auf Spotify 71 Youtube-Hit »Summerrain« bester Song laut The Gap »Red Riff White Cliff« / 7 von 10 Sonnen

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 26

Michael Keller Photography, Andreas Jakwerth, Fabian Zerche, Monkey Music

026

monkey.business GO! GO! GORILLO

18.09.19 08:49


Michael Keller Photography, Andreas Jakwerth, Fabian Zerche, Monkey Music

V19_Ins_Gap_280x210+.qxp 12.09.19 18:39 Seite 1

VIENNA INTERNATIONAL FILM FESTIVAL

24. OKTOBER BIS 6. NOVEMBER TICKETS AB 19. OKTOBER

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 27

18.09.19 08:49


Rola Music Night SAMSTAG, 28. SEPTEMBER

19:00 MARK PETERS 20:30 FOX & BONES 20:30 HAYLEY REARDON 21:45 REBECCA LOU 23:15 WORTH WUK Foyer

Das Folk-Pop-Duo Fox & Bones aus Oregon hat den Großteil seiner gemeinsamen Zeit auf Tour verbracht. 2018 veröffentlichten die beiden ihr zweites Album »Better Land«. Die intim gestalteten Liveshows ergänzen Fox & Bones mit persönlichen Geschichten von gemeinsam erlebten Abenteuern, spontanen Einlagen und Spielen – und sie stellen so eine spezielle Verbindung zum Publikum her. Lautstärke 6 von 10 bespielte Bühnen 1000 (dieses Jahr: 250) monatliche HörerInnen auf Spotify 1.391 Youtube-Hit »Love Me Like A River« bester Song laut The Gap »Tricky Love« / 6 von 10 Flanellhemden

Rola Music Night HAYLEY REARDON

Rola Music Night MARK PETERS

Hayley Reardons Leidenschaft für das Erzählen von Geschichten entstand schon sehr früh, als sie in Massachusetts auf der Epiphone ihrer Mutter zu zupfen und Folksongs zu schreiben begann. Auf »Where I Know You« taucht Reardon in die Thematik des Geschichtenerzählens ein und reflektiert darüber, wie es uns dieses möglich macht, Menschen kennenzulernen, auch wenn sie nicht anwesend sind.

Der Londoner Singer-Songwriter Mark Peters ist von Nick Drake und Radiohead inspiriert und vermischt Einflüsse aus Folk und Jazz mit Elementen aus Country, Blues und sogar Funk. Mit dem Release seiner Debüt-EP »Spirits« hat Peters 2017 internationale Aufmerksamkeit erreichen können und Vergleiche mit Stars wie Damien Rice, Iron & Wine und Kaki King geerntet.

Lautstärke bespielte Bühnen monatliche HörerInnen auf Spotify Youtube-Hit bester Song laut The Gap

Lautstärke bespielte Bühnen monatliche HörerInnen auf Spotify Youtube-Hit bester Song laut The Gap

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 28

5 von 10 circa 200 1.676 »Numb & Blue« »Good« / 7 von 10 Taylor Swifts

6 von 10 über 200 125 »24 Years« »Bone Dry« / 7 von 10 Spirits

Rola Music, Allie Krause, Ewa Podgorska

028

Mit den aktuellsten Kapellen

Rola Music Night FOX & BONES

18.09.19 08:49


Rola Music, Allie Krause, Ewa Podgorska

ILLY ARABICA SELECTION. DIE URSPRÜNGE DES GESCHMACKS, ZUTAT FÜR ZUTAT. Entdecken Sie mehr auf illy.com

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 29

18.09.19 08:49


24.10. 29.10. 06.11. 12.11. 14.11. 16.11. 18.11. 19.11. 27.11. 28.11. 04.12. 10.12.

DAN MANGAN EDWYN COLLINS CANDICE GORDON + A.S. FANNING DICHT & ERGREIFEND, PAULS JETS, ALEX CAMERON, u.a. GOSPEL DATING SERVICE BLACK SEA DAHU ELEMENT OF CRIME IN DER SZENE TV NOIR: MATZE ROSSE & TEX IMPALA RAY DJANGO 3000 THE GODFATHERS LA PEGATINA WAVING THE GUNS DIE HÖCHSTE EISENBAHN VOODOO JÜRGENS MOOP MAMA

Tickets: www.rockhouse.at | www.oeticket.com u.a.

Christopher Worth entwickelte seinen Stil, den Bohemian Blues, in einer Zeit, in der er als Straßenmusiker die USA und Europa bereiste. Gespielt hat Worth schon mit diversen Elektronik-Produzenten der Westcoast – unter anderem Lynx, SaQi oder ANML – als Gast bei Ensembles wie dem Everyone Orchester oder der Nowhere Band sowie als Frontman und Songwriter seiner eigenen Alternative-Soul-Band. Lautstärke 7 von 10 bespielte Bühnen insgesamt 2.500–3.000, in Wien 10–15 monatliche HörerInnen auf Spotify 24.370 Youtube-Hit »Caught Up« bester Song laut The Gap »Bittersweet« / 6 von 10 Hüten

Rola Music Night REBECCA LOU

Punkrock direkt aus Nørrebro, dem Herzen Kopenhagens. Über krawalligem Sound behandeln Rebecca Lou Themen wie Gender-Identity, existenzielle Fragen und das fundamentale Gefühl AußenseiterIn zu sein. Aufrührerisch und emotional zugleich haucht die Sängerin und Namensgeberin der Band, Becca, den Songs Leben ein. Sie ist schon lange Teil von Kopenhagens Underground-Punkrock-Szene. Lautstärke 8 von 10 bespielte Bühnen 20 in D-A-CH, 50 bis 70 in Dänemark monatliche HörerInnen auf Spotify 23.480 Youtube-Hit »Skeletons« bester Song laut The Gap »Take Ur Time« / 8 von 10 Riots

Shaun Mendiola, Rola Music

26.09. 27.09. 05.10. 12.10.

Rola Music Night WORTH

Rockhouse Salzburg | Schallmooser Hauptstraße 46, 5020 Salzburg | + 43-662-884914 | www.rockhouse.at

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 30

18.09.19 08:49

ABO


Shaun Mendiola, Rola Music

Hier kann man nur richtig wählen. abo.derStandard.at

KLASSIK + E-PAPER

DER STANDARD Klassik und E-Paper im Kombi-Abo – mit allen Informationen, Hintergründen und Analysen zur Nationalratswahl. Jetzt kostenlos und unverbindlich testen!

Der Haltung gewidmet.

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 31 ABO_Wahl-2019_210x280.indd 1

18.09.19 22.08.19 08:49 16:16


T H E M E N S P E C I A L WAV E S V I E N N A

032

Fokusland Ungarn Von Beatmusik zur DJ-Kultur Nachdem der Rock ’n’ Roll der 60er in Budapest sehr gefeiert wurde, bildeten sich ab den 70erJahren lokale Varianten der westlichen Trends heraus. Seit dem Fall des kommunistischen Systems wird auf einen Großteil der Popmusik der Sowjet-Zeit nostalgisch zurückgeblickt. Auch in der DJ-Szene hat sie heute große Bedeutung – allerdings in neuer Bewertung. ———— Lange Zeit wurde die Rock-'n'-Roll-Kultur in Ungarn von den schlechten Studioumständen, der Hegemonie der kommunistischen Planwirtschaft bzw. den Spielregeln der staatlich kontrollierten Medien bestimmt. In der ersten Hälfte der 60er-Jahre spielten dutzende Clubbands westliche Schlager, wobei ihre Instrumenten- und Englischkenntnisse von der Begeisterung des Publikums und der bei Konzerten freigewordenen subversiven Energie aufgewogen wurden. Ab der zweiten Hälfte der 60er-Jahre fingen die Bands an eigene Lieder zu schreiben. Die großen Drei (»Great Triple«) sind erschienen: die Bands Metro, Illés und Omega. Metro spielten melodische Beatmusik. Ihr Ruhm erwies sich zwar als vergänglich, doch Zorán Sztevanovity, der später eine bedeutende Solokarriere machte, wurde durch die Band bekannt. Die vielleicht bedeutendste Band der 60er-Jahre war Illés. Der Klang der Band wurde von János Bródys Songtexten, der suggestiven Stimme und dem schwungvollen Gitarrenspiel von Levente Szörényi geprägt. Szörényi war der Erste, der damit experimentierte, die ungarische Volksmusik in Beatmusik einzubauen. Die Band Omega zählte zu den Repräsentanten der progressiven Rockmusik. Ihr musikalisches Mastermind war der Keyboard­spieler Gábor Presser. Ihre von der Gegenkultur der Hippiezeit beeinflussten Songtexte wurden von Anna Adamis geschrieben. 1971 stieg Presser aus Omega aus und wurde zum Gründungsmitglied einer anderen ungarischen Erfolgsband: Locomotiv GT (LGT). Während die meisten Künstler der großen Drei heute nicht mehr in der vordersten Reihe der Popmusik sind, ist Presser weiterhin aktiv, sowohl als Musikproduzent als auch als Komponist. Die Szene veränderte sich in den 70erJahren. Omega spielten ohne Gábor Presser weiter und wurden als Vertreter des damals

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 32

populären Space-Rock-Genres auch in Westeuropa bekannt und erfolgreich. Die Hardrock-Band Piramis wurde – teilweise wegen ihres Leadsängers Sándor Révész – zum Idol der ungarischen Teenager: Auf den Hype, den die Band auslöste, wurden auch die damaligen Medien aufmerksam. Die Vertreterinnen der seit den 60er-Jahren auftretenden großen Sängerinnen-Generation – Zsuzsa Koncz, Kati Kovács und Sarolta Zalatnay – erreichten gleichfalls in dieser Zeit ihre KarriereHöhepunkte. Zsuzsa Koncz veröffentlichte mehrere Alben mit Folkballaden, während Kati Kovács und Sarolta Zalatnay mit Songs experimentierten, in denen sie Elemente von Hardrock und Funkmusik fusionierten. Zahlreiche bedeutende KünstlerInnen (zum Beispiel Béla Radics, die Band Taurus, János Baksa Soós und die Band Kex) konnten oder wollten sich nicht an die staatlich geleitete Musikindustrie anpassen. Ihre Karrieren wurden unterbrochen und nur einige ihrer Songs konnten veröffentlicht werden. Die Band P. Mobil zählte auch nicht zu den Lieblingsbands des Regimes: Zentral in ihrem Repertoire war die Rocksuite »Honfoglalás« (Landnahme), die heute als Vorläufer des bei rechtsradikalen Jugendlichen populären nationalen Rock gilt.

Digos gegen Rocker Viele MusikerInnen der 70er-Jahren begannen sich für afroamerikanische Genres zu interessieren, vor allem für die Klangwelt des Funk. Als Beispiel können hier Songs von den Bands Bergendy, Skorpió, LGT und Syrius erwähnt werden. Inzwischen brach das Diskofieber auch in Ungarn aus. Die kommunistische Jugendpolitik unterstützte die »gepflegte« Diskomusik gegen die »rebellische« Rockmusik, woraus eine Feindschaft zwischen den Diskofans (im damaligen Slang: »Digos«) und den Rockern entstand. In den 80er-Jahren passte sich die ungarische Popmusik an die neuen Rhythmen der westlichen Popmusik an. Auch in Ungarn gab es New Wave (URH, Európa Kiadó, Neurotic), Punk (Beatrice, CPG), Rockabilly Revival (Hungária, Dolly Roll), frühen Hip-Hop

(Tamás Pajor, Miklós Feny) und Heavy Metal (Pokolgép, Omen). In der Popmusik wurde die Kritik am kommunistischen Regime immer dominanter: Bands sangen über Zensoren, Spitzel und über verlumpte und korrupte BeamtInnen. Mit einem Song attackierte die Band URH den Leiter des innenpolitischen Fernsehmagazins »Kék fény« (Blaues Licht), und CPG schrieb den Titel »Erdös Péter, kurva anyád« (»Péter Erdös, du Hurensohn«), in dem sie den Parteifunktionär schmähten, der die damalige ungarische Popmusikszene steuerte und überwachte. Es ist eine interessante Frage, wie die Popmusik der Sowjet-Ära nach der Wende im kulturellen Gedächtnis Ungarns erscheint. In den Kreisen des Mainstream-Publikums ist eine Nostalgie zu beobachten; die Musikszene der kommunistischen Ära wird als goldenes Zeitalter betrachtet. Rechtsradikale Subkulturen entdeckten die konservative Rockmusik der 70er-Jahre für sich, vor allem das Repertoire der Band P. Mobil. AkteurInnen der DJ-Kultur arrangieren die alten Songs als Remixe neu und setzen sie in einen neuen Kontext. So wurde zum Beispiel das 1973 erschienene Album von Sarolta Zalatnay »Hadd Mondjam El« (»Lass es mich sagen«) sehr populär unter Hip-Hop-DJs und PlattensammlerInnen, die sich für die Wurzeln des ungarischen Funk interessieren. Deshalb wurde 2009 das Album als Vinyl-LP wieder auf den Markt gebracht – diesmal auf den Markt der Underground-Szene. Budabeats Records veröffentlichte 2015 den Soundtrack der in Ungarn zwischen 1984 und 1991 ausgestrahlten Krimiserie »Linda« auf Vinyl. Der Titelsong »Funky Crime-Jazz«, komponiert von György Vukán, erinnert an die Welt der US-amerikanischen Blaxploitation-Filme, während der Remix von Márton Bodó die originale Aufnahme in den Kontext des postmodernen Nu Jazz versetzt. József Havasréti

József Havasréti (1964) ist Schriftsteller, Publizist, Literaturhistoriker und unterrichtet an der Universität in Pécs (Ungarn). Sein Text wurde übersetzt von Eszter Pálfy.

18.09.19 08:49


01

02

Ungarn am Waves Vienna Eine Auswahl

Emily Staats

Balazs Lippai, beigestellt (2)

01 Middlemist Red Middlemist Red aus Ungarn machen psychedelischen Rock, der zwischen einer gewissen Nostalgie und der Gegenwart balanciert. Die vierköpfige Band lässt ich von Psychedelic Rock, Tame Impala, aber auch von Bands der späten 60er wie The Doors inspirieren. 2012 gegründet, spielte sie schnell in Budapest und erregte bald darauf international Aufmerksamkeit. Unter anderem haben sie am Eurosonic Noorderslag, am Exit Festival (Serbien), am Rock For People (Tschechien) und am ungarischen Sziget Festival gespielt. Do., 26. September 23:45, Aula

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 33

02 Mayberian Sanskülotts

Dream-Pop gemischt mit New-WaveRomantik aus den 80ern, Shoegaze der 90er und der melodischen Sensibilität neuerer Acts wie Beach House. Sängerin Zita Csordás erweckt gleichzeitig Assoziationen mit Elizabeth Fraser von den Cocteau Twins und ungarischen Folksongs. Abgesehen von diesen Einflüssen ist die Musik der Mayberian Sanskülotts etwas sehr Eigenes, immer irgendwo zwischen zutiefst persönlich und spirituell. Do., 26. September 20:30, WUK Foyer

033

03

03 Ivan & The Parazol Die fünfköpfige Rock-’n’-Roll-Band aus Budapest hat seit 2010 vier Alben veröffentlicht. Zu den mehreren hundert internationalen Konzerten zählen zwei am SXSW Festival in Texas, eines am Eurosonic Noorderslag und ein Auftritt mit Deep Purple. 2018 haben die Ungarn ihr aktuellstes Album »Exotic Post Traumatic« in den berühmten East West Studios in Holly­wood zusammen mit Will Anspach, der schon mit den Red Hot Chili Peppers und Muse zusammengearbeitet hat, aufgenommen. Sa., 28. September 24:00, WUK Halle

18.09.19 08:49


T H E M E N S P E C I A L WAV E S V I E N N A

Fokusland Schweden Euphorie und ABBA Popmusik wäre nicht dieselbe ohne schwedische Exporte. Nahezu jedes Jahrzehnt und Genre verbucht mindestens einen prägenden schwedischen Act. Schwedenpop – »an everlasting piece of art«. ———— Nach der langanhaltenden ABBA-Epoche, übernahm mit etwas Abstand ab »… Baby One More Time« und bis heute einer der wichtigsten SongwriterInnen unserer Zeit, Max Martin, die schwedische Pop-Regentschaft. Neben seinen Werken für US-Megastars ließ er gütig auch einige Banger zu, die er nicht selbst geschrieben hatte, siehe »Crying At The Disco­theque«. Auch in der Hochzeit der Indie-Bands der 2000er spielte Schweden unter anderem mit Mando Diao und The Hives ganz weit oben mit. In der Entwicklung allerlei Subgenres von Electro-Pop und EDM waren Robyn und Avicii nicht unwesentlich. Warum ist Schweden so iconic? ABBAs Sieg beim Eurovision Song Contest 1974 mit der random Napoleon-Hymne »Waterloo« pflanzte in das sozialdemokratische »Volksheim« die Saat, ein riesiges Musik­ land zu werden. Dass Politik eine große Rolle in der Entstehung von fruchtbaren Strukturen spielt, ist mindestens allen klar, die schon mal versucht haben, Musik zu machen und dabei nicht in Konkurs zu gehen. Schweden hat früh erkannt, dass es Förderung braucht – zwei Jahre lang Arbeitslosengeld nach der Uni für ausreichend Zeit im Studio, Instrumentalunterricht ab der Volksschule, Big Money vom staatlichen Kulturrat an jährlich über 100 Musik-Acts. Durch Letzteres wurde uns unter anderem 2001 das Debütalbum der IndieElectro-Sensation The Knife geschenkt. Nicht nur das Musikbusiness generell, auch der Songcontest hat sich in Schweden seit »Waterloo« professionalisiert. Kein Land hat den europäischen Song-Wettbewerb häufiger gewonnen. Die Siegerin von 2012, Loreen, führt mit »Euphoria« die Liste der am meisten runtergeladenen ESC-Songs an und gilt als einer der kommerziell erfolgreichsten EurovisionBeiträge. Das »Melodifestivalen«, der schwedische Vorentscheid, welcher Act Schweden beim ESC vertreten wird, ist ein mittlerweile wochenlanges und als national meistgesehene Unterhaltungssendung ein fast genauso gro-

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 34

ßes TV-Spektakel für SchwedInnen wie der offizielle Contest selbst. Aber nicht nur Geld spielt hier eine Rolle. Schweden ist loyal zu seinen Popgrößen und feiert sie, sobald sie ein gewisses Erbe mit sich tragen. Während sich die Förderstrukturen in Österreich ab und an fast dafür schämen, dass hier auch echter Pop passiert und nicht nur »Hochkultur«, baut sich Stockholm ein ABBA-Museum. Die Hedwig-Eleonora-Kirche im Stadtteil Östermalm veranstaltet seit Tim Berglings Tod regelmäßig Avicii-Messen, in denen die Hits des Stockholmers in Orgelund Chorfassung aufgeführt werden. Bis heute wird dafür regelmäßig Schlange gestanden. Schwedens Markt scheint für immer zu wachsen. Das Potenzial, wie viele Acts gleichzeitig gefeiert werden können, wirkt größer als in vergleichbaren Ländern. Während das Erfolgsrezept im zeitgenössischen Österreich Neo-Austropop heißt und in Deutschland der fahrende Zug des Deutschrap gilt, haben SchwedInnen, die in den Musikmarkt treten wollen, von Charts-Pop über Indie, Bedroom und Cloud Rap bis hin zur riesigen Metal­szene eine extrem breite Auswahl an Identifikationsfiguren, die die Schleusen für sie bereits aufgemacht haben. Nationale Vorbilder können Sigrid, Lykke Li, Yung Lean oder Opeth heißen. Das gibt vielen jungen Acts Motivation. Dass die Professionalität des schwedischen Musikmarkts auch mal richtig schiefgehen kann, beweist der Fall Amy Diamond. Nachdem sie an den Talentshows »Mini­ melodifestivalen« und »Super Troupers« teilnahm, veröffentlichte die damals 12-Jährige 2005 ihren Hit »What’s In It For Me«, der in Schweden Platin und in Norwegen Gold holte. Ein Song über eine ungleiche Liebesbeziehung, der folgende Songzeile beinhaltet: »I refuse to be your mother« – gesungen von einem Kind. Ein Aufruhr blieb damals aus, heute würde man wohl mindestens von einer deplatzierten Lolita-Ästhetik sprechen. Und worüber wir gar nicht erst lange reden: Rednex’ »The Spirit Of The Hawk« – wenn sich ein Musikprojekt aus einem Land, das seine eigenen indigenen Sami viel stärker als andere nordische Länder diskriminiert, kulturelle Anleihen bei Native Americans nimmt … Theresa Ziegler

18.09.19 08:49


01 02

01 Manx

02 Two Year Vacation

03 Linn Koch-Emmery

Hinter dem Namen Manx verbirgt sich das Odd-Pop-Musikprojekt von Maria Nyström aus dem schwedischen Göteborg. Manx hat 2019 mit der Single »I’m Giving U Art« debütiert, im Sommer kam der Track »Cookie Dough / Key Limes« hinterher. Vom Schreiben bis zur Produktion macht die junge Schwedin alles selbst. Erfahrung hat sie damit bereits seit 2008, damals, mit 16 und noch als Naima Train, erschien sie zum ersten Mal auf der musikalischen Bildfläche. Sa., 28. September 21:15, Aula

»Sweden is said to be one of the gloomiest countries and its citizens to cultivate the longing for light« – so beginnt der Pressetext über die schwedische Band Two Year Vacation, die ihren Namen zum Programm macht. Wie Urlaub wollen sie klingen, entspannt und sonnig. Ihr Debütalbum »Slacker Island« sammelt Releases der letzten Jahre ein und schenkt uns Unveröffentlichtes im beachigen Sound, der an die Sunshine-Indie-Hochzeit Mitte der 2000er erinnert. Sa., 28. September 21:00, WUK Halle

Die Singer-Songwriterin Linn KochEmmery kombiniert klassische Popmelodien mit verzerrten Gitarren, die an die 90er erinnern. Mit diesem Sound könnte sie zu einem der am schnellsten aufsteigenden Sterne des zeitgenössischen Indie-Rock werden. Nach Erscheinen ihrer DebütEP »Boys« 2017 wurden nationale sowie internationale Blogs und Medien sehr schnell auf sie aufmerksam. Es folgten eine Europatournee und mehrere Shows und Festivals in Mexiko, Großbritannien und den USA. Sa., 28. September 20:15, Ottakringer Stage

Emily Staats

Elsa Ljungman, beigestellt, Jasmine Storch

Schweden am Waves Vienna Eine Auswahl

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 35

035

03

18.09.19 08:49


T H E M E N S P E C I A L WAV E S V I E N N A

Popmusik aus Israel Die Vielfalt repräsentieren Wie findet, gefördert von der israelischen Botschaft in Wien, Austausch zwischen israelischen und österreichischen Musikschaffenden statt? Die Botschaft hilft, indem sie Kontakte zwischen Festivals, Veranstaltungsorten und israelischen MusikerInnen herstellt. Wir fördern und unterstützen den musikalischen Austausch auf verschiedenen Ebenen. Jedes Jahr finden in Israel Events statt, wo verschiedene KünstlerInnen und Musikrichtungen vorgestellt werden. Dazu laden wir Leute aus dem jeweiligen Bereich aus Österreich wie zum Beispiel DirektorInnen von Festivals oder LeiterInnen von Spielstätten ein. Dadurch können die österreichischen VeranstalterInnen MusikerInnen kennenlernen, die sie später zu Auftritten nach Österreich einladen können.

Was würde jungen israelischen MusikerInnen helfen, international noch mehr Reichweite zu erlangen? In unserer Zeit ist alles global. Junge MusikerInnen sollten versuchen, sich mit Gleichgesinnten in der internationalen Musikszene zu vernetzen, und sie sollten vor allem auch Soziale Medien nutzen. Gibt es Lieblings-Acts aus Israel, die von Ihnen oder den BotschaftsmitarbeiterInnen besonders gerne gehört werden? Natürlich haben wir alle LieblingssängerInnen und -gruppen. Da es so viele sind, können wir nur einige nennen: Idan Raichel, A-WA, Ester Rada, Jane Bordeaux, Orphaned Land, Assaf Avitan, Avishai Cohen und das Anat Fort Trio. Nicht zu vergessen Lola Marsh – vor allem Botschafterin Talya Lador-Fresher hört sie sehr gerne und sie sind zurzeit sicher eine der in Österreich bekanntesten israelischen Gruppen.

01

04

Special credit to Sabina Brend for making »Intro­ ducing Israel« possible.

02

Israel am Waves Vienna

03

01 Lara Snow

02 Sabina

03 Alon Lotringer

04 Paula Valstein

Lara Snow ist das Musikprojekt von Valery Sherman und Jonathan Harpak aus Tel Aviv. Mit Wurzeln im Punkrock, kombiniert mit modernem Elektro, erschaffen Lara Snow ein Crossover mit Gegensätzen, die zwischen Konflikt und Kollaboration schwingen. Fr., 27. September 21:15, Hakuma Stage

Singer-Songwriterin Sabina wurde in Deutschland in eine jüdische Familie geboren und lebt in Israel, seit sie 15 ist. Ihr Pop-Rock ist von ihrer tiefen, gefühlvollen Stimme und sanften Lyrics geprägt. Zurzeit arbeitet Sabina an ihrem neuen Album, das nächstes Jahr erscheinen wird. Fr., 27. September 22:45, Ottakringer Stage

Als Singer-Songwriter, Komponist, Produzent und Multi-Instrumentalist ist Alon Lotringer in den letzten Jahren zu einem wichtigen Teil der israelischen Musikszene geworden. Während der letzten beiden Jahre hat Lotringer an einem Album auf Englisch gearbeitet. Das neue Soloalbum »Ground« soll in Kürze erscheinen. Fr., 27. September 18:45, Aula

Die aus Tel Aviv stammende Singer-Songwriterin und Pianistin Paula Valstein erschafft dramatische Popstücke mit lebendigen Melodien. Ihre aktuellste Single »Love Song« ist ein persönliches Cover von The Cure und ein eher ungewöhnlicher Release für Val­ stein, die es gewohnt ist, ihre eigenen Songs zu schreiben. Fr., 27. September 20:00, Hakuma Stage

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 36

beigestellt (3), Jonatan Harpak

Von Mizrahi und Songcontest bis Asaf Avidan und Lola Marsh – was macht Popmusik in und aus Israel aus? maya karmely sommer: Die Antwort liegt eigentlich schon in der Frage. Das Schöne an der israelischen Musik ist ihre Vielfalt. Die israelische Bevölkerung ist sehr divers. ImmigrantInnen aus den verschiedensten Teilen der Welt – Europa, Russland oder aus arabischen Ländern – haben die Kultur des Landes beein-

flusst. Egal ob man Mizrahi-Musik hört oder Asaf Avidan, alle sind einzigartig und repräsentieren die verschiedenen Stimmen Israels.

Theresa Ziegler, Emily Staats

036

Einer der zahlreichen Showcases am Waves Vienna stellt uns die Bandbreite israelischer Acts vor. Sabina, Lara Snow, Alon Lotringer und Paula Valstein vertreten ihr Land bei »Introducing Israel« im Rahmen des Festivals. Um davor noch mehr über die israelische Musikszene zu erfahren, haben wir mit der Gesandten Botschaftsrätin Maya Karmely Sommer, Leiterin der Kulturabteilung der israelischen Botschaft in Wien, über Vernetzung in der Musikbranche und Lieblingsacts innerhalb der Botschaft gesprochen.

18.09.19 08:49

Ins_


beigestellt (3), Jonatan Harpak

Theresa Ziegler, Emily Staats

MADE IN DÄNISCHES DESIGN SEIT 1900

25.9.2019 — 12.1.2020

DEN MARK

Dänisches Design hat Vorbildcharakter und ist bis heute Inbegriff und Ausdruck eines zeitlosen und dennoch modernen Lebensstils. Die Ausstellung erfolgt in Kooperation mit dem GRASSI Museum für Angewandte Kunst Leipzig und wird mit Möbelentwürfen aus anderen renommierten Museen wie dem MAK und dem Vitra Design Museum sowie von privaten Leihgebern ergänzt. Insgesamt werden an die 220 Objekte zu sehen sein, darunter etwa 65 Möbel sowie eine repräsentative Auswahl an Keramik, Silber und Spielzeug.

Hofmobiliendepot • Möbel Museum Wien Andreasgasse 7 · 1070 Wien · Di – So 10 – 18 Uhr · U3 Zieglergasse

www.hofmobiliendepot.at Ins_HMD_MiD_210x280_160919.indd 1 The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 37

16.09.19 18.09.19 09:12 08:49


038

Mit der Serie »Not Your Heroes«, einer Auftragsarbeit für das Poolbar Festival 2019, thematisiert die Künstlerin und Designerin Maria Scharl Gewalt an Frauen und die Relevanz von verurteilten und freigesprochenen Männern in der Musikindustrie.

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 38

18.09.19 08:49


Franz Kapfer

»Wokeness« ist nicht nur Hype-Wort der Stunde, sondern beschreibt eine gedeihende Auseinandersetzung mit Gesellschaft und Popkultur. Im Zuge dieses Diskurses stehen immer mehr Fragen im Raum, wenn es um die persönlichen musikalischen Lieblinge geht, die Schlimmes verbrochen haben. Konkret: Kann man Michael Jackson, R. Kelly und Co überhaupt noch hören? ———— Zu den musikalischen Idolen unserer Jugend haben wir eine ganz besondere Bindung. Die KünstlerInnen, deren Poster an der Jugendzimmerwand hingen und deren Namen wir während des Unterrichts möglichst kunstvoll in unsere Mappe geschmiert haben. Artists, von denen wir jede B-Seite kannten und bei denen wir auf MTV hochgedreht haben, wenn sie gerade am Bildschirm waren. Man wusste viel über diese persönlichen Idole: ihr Sternzeichen, die Titel all ihrer Alben, ihr Lieblingsessen und die absurdesten Anekdoten, die sie in den paar wenigen Interviews in den paar wenigen Musikmedien, an die man herankam, erzählt haben. Aber man wusste eben bei Weitem nicht alles über die musikalischen HeldInnen. Heute ist das (Musik-)Mediennetz viel feinmaschiger. Man muss sich auch nicht mehr die paar Euro zusammensparen, um zu wissen, was beispielsweise der Rolling Stone berichtet. Alle Interviews in Schrift, Bild und Ton sind kostenlos abrufbar, Foren und

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 39

Twitter­threads liefern zusätzliche Informationen und Gerüchte zum Leben der MusikerInnen, und die Artists selbst posten sowieso fleißig aus ihrem Leben auf den restlichen und genannten Social-Media-Kanälen.

Heroes und Arschlöcher So finden wir uns in einer Situation wieder, in der wir viel mehr über unsere Faves wissen und uns jetzt damit auseinandersetzen müssen. Was tun, wenn dein Pop Hero, deine Lieblingsrapperin oder deine Lieblingsband absolute Arschlöcher sind. Oder noch schlimmer: vergewaltigt, missbraucht oder gemordet haben. Der Umgang mit dem »Problematic Fave« (also: problematischen Liebling) wird zum immer größeren Thema. In der Öffentlichkeit, aber vor allem auch für und mit uns selbst. Als vor zehn Jahren Phil Spector wegen Totschlags verurteilt wurde, war mir das ziemlich egal. Ich wusste damals nicht, dass er der Produzent hinter Alben von den Ramones,

den Beatles und Leonard Cohen war. Das persönliche Halbwissen um John Lennons, Ike Turners oder Jimmy Pages Missbrauch ihrer Partnerinnen hallte ebenfalls nur als popkulturelle Anekdote durch die Schulgänge und man erzählte sich davon, als wären es Plot Points in argen Filmen. Doch wir befinden uns nun im Hier und Jetzt. Wir wissen, wer unser Lieblingsalbum des Jahres produziert hat, wir wissen, wer ihm oder ihr was genau vorgeworfen hat, und wir wissen auch, wo wir weitere Informationen zu den Vorwürfen finden. Wir sind konfrontiert mit den Fotos einer von Chris Brown geschlagenen Rihanna und können in den Auszügen des Gerichtsprotokolls lesen, wie Brown minutenlang und mit vollster Wucht auf sie eindrosch. Wir kennen Keshas Vergewaltigungsvorwürfe, die sie gegen den Produzenten Dr. Luke erhoben hat und wir haben die Dokuserien gesehen, in denen uns Frauen und Männer davon erzählen,

039

Wie mit problematischen MusikerInnen umgehen? Your fave is problematic

»Wir wissen, wer unser Lieblingsalbum des Jahres produziert hat, wir wissen, wer ihm oder ihr was genau vorgeworfen hat und wir wissen auch, wo wir weitere Informationen zu den Vorwürfen finden.«

18.09.19 08:49


»Gebe ich Chris Brown die Klicks auf Youtube und Spotify, die sich direkt in Bargeld in seinem Börserl umrechnen lassen?«

040

Mit sechs Flaggen hat Maria Scharl am diesjährigen Poolbar Festival einen Prangerweg geschaffen, auf dem Misogynie und Heldenverehrung in der Popkultur plakativ werden.

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 40

tionen unterschreiben und man kann recyclen. Ob das den Verlauf der Dinge merkbar verbessert, ist strittig. Aber darum geht es auch gar nicht. Es geht eher um die persönliche Verantwortung und vor allem das Gewissen. Kann ich unbeschwert und unkritisch beim Konzert in der ersten Reihe stehen, wenn ich weiß, dass die PerformerInnen dort oben ganz Schreckliches tun und keine Form der Reue oder gar ein Eingeständnis ihrer Taten zum Ausdruck gebracht haben?

Persönliche Verantwortung und Gewissen Eine Frage auf die es keine pauschale Antwort gibt, außer: Das musst du wohl mit deinem Gewissen ausmachen. Wobei wir damit dann in den einen kleinen Bereich kommen, wo man tatsächlich etwas bewirken kann. Ich kann – der eh schon abgedroschenen Phrase folgend – selbst die Veränderung sein, die ich in der Welt sehen will. Ich kann mich dazu entscheiden, die Musik des Faves nimmer anzuklicken und zu kaufen und nicht mehr zum Konzert zu gehen – so weh es auch tut. In R. Kellys Fall hat der Backlash tatsächlich einiges bewirkt. Die Bewegung »#Mute­ RKelly« und die »#RKellyStummSchalten«Petition haben dazu geführt, dass R.-Kelly-

Konzerte in Deutschland abgesagt und in kleinere Hallen verlegt wurden. In Anbetracht der immer schlechter werdenden finanziellen Situation R. Kellys wurden auch mehr und mehr Stimmen aus seinem (ehemaligen) Umfeld laut, die vor Gericht gegen ihn ausgesagt und der Staatsanwaltschaft belastende Videos zugespielt haben – was wohl vermuten lässt, dass Schweigegeldzahlungen nicht mehr fließen konnten. Somit ist im Hinblick auf das Musikbusiness die Taktik des Guerillakriegs auf die Geldbörsen der AbuserInnen, die wahrscheinlich sinnvollste. Denn neben der Aufmerksamkeitsökonomie regiert im Pop ja eigentlich die ganz gewöhnliche Ökonomie. Dalia Ahmed

Auf der Waves Vienna Conference wird das Thema »How to deal with dubious performers?« am 27. September im Rahmen einer Podiumsdiskussion aufgegriffen. Unter anderem wird Maria Scharl Teil davon sein, deren Kunstwerk »Not Your Heroes« auf den Fotos zu diesem Beitrag zu sehen ist. Dalia Ahmed ist Musikjournalistin und in ihrer FM4-Radioshow »Dalia’s Late Night Lemonade« regel­ mäßig mit der Fragestellung konfrontiert, ob sie problematischen Artists Aufmerksamkeit und Airplay geben soll.

Franz Kapfer

wie sie in ihrer Jugend von R. Kelly oder Michael Jackson jahrelang missbraucht wurden. Da stellt sich für uns erst mal die Frage: Kann ich Chris Browns Flickflacks beim Tanzen, das von Dr. Luke produzierte Kim-PetrasAlbum oder R. Kellys und MJs Überhits dann überhaupt noch gut finden? Eine Frage, auf die es bestimmt viele unterschiedliche Antworten gibt. Antworten, die man für sich selber finden muss und die im Hinblick auf das große Ganze oft belanglos wirken. Dennoch muss konkret die Frage nach der finanziellen Unterstützung solcher KünstlerInnen angesprochen werden. Denn eigentlich geht es nicht darum, ob man zu Hause der »Bad«-Schallplatte lauschen kann, sondern eher um die Fragestellungen: Gehe ich zum R.-Kelly-Konzert, wenn er in die Stadthalle kommt? Gebe ich Chris Brown die Klicks auf Youtube und Spotify, die sich direkt in Bargeld in seinem Börserl umrechnen lassen? Und kaufe ich die neue MichaelJackson-»Greatest Hits«-CD (inklusive einem superexklusiven, bestimmt nicht aus Aufnahmeresten zusammengeschnipselten Track)? Wir können in dieser Welt selten oder nur in Ausnahmefällen Großes bewirken. Man kann beim U-Bahn-Fahren vorm Einsteigen alle erst mal aussteigen lassen, man kann Peti-

18.09.19 08:49


SAVE

Franz Kapfer

THE DATE 16.–18. OKTober 2020

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 41

18.09.19 08:49


XA – Music Export Award 2019 And the nominees are… Der XA – Music Export Award, eine 2017 ins Leben gerufene gemeinsame Initiative von MICA – Music Austria, Austrian Music Export, Austro Mechana / SKE Fonds, Radio FM4 und Waves Vienna, versteht sich als Sprungbrett für aufstrebende österreichische Acts. Eine international besetzte Jury von MusikexpertInnen ermittelt im Rahmen von Waves Vienna den oder die PreisträgerIn. Es winkt ein Preisgeld in der Höhe von 3.500 Euro sowie die Unterstützung des

Austrian Music Exports, von Radio FM4 und Waves Vienna – inklusive Berücksichtigung bei Partnerfestivals und Showcases. Bisherige PreisträgerInnen: Cari Cari (2017) und Dives (2018). Als Waves-Vienna-Medenpartner stellen wir euch hier die Nominierten für den XA – Music Export Award 2019 vor. Der oder die PreisträgerIn wird am letzten Festivaltag, also am Samstag, den 28. September, um 22.30 Uhr in der Wuk Halle bekannt gegeben.

Anger

Fr., 27. September 18:30, WUK Halle

Von ersten Erfolgen als Sänger der Band Wa:rum Ende der 90er über den Start seiner Solokarriere in Berlin 2006 bis hin zu seinem siebenten Album »Reset«, das im Mai 2019 erschienen ist, hat Singer-Songwriter Bernhard Eder musikalisch schon eine lange Reise hinter sich. Er spielte über 600 Konzerte in ganz Europa und schuf musikalische Beiträge fürs Theater und fürs Kino. Auf »Reset« zeigt sich Eder von einer neuen Seite – seine bisher im Fokus stehende Gitarre hat er gegen eine alte Heimorgel, ein »Pocket Piano« und Samples getauscht.

Elis Noa

Do., 26. September 19:15, Ottakringer Stage Das Wiener Trio Elis Noa erforscht die Grenzen des elektronischen Pop und streckt sich dabei in Richtung verschiedenster musikalischer Einflüsse – von Pop über zeitgenössischen R ’n’ B bis hin zu Future Soul. Auf ihrer zweiten EP »Love Letters«, erschienen im Frühling 2019, erzählen Elis Noa eine Geschichte über die verschiedenen Stadien der Liebe, aufgeteilt in vier Akte und verpackt in einen unverwechselbaren Sound. Einmal mehr stellen Elisa Godino, Angel Vassilev und Aaron Hader ihre Liebe zur Musik durch eine detailversessene Produktion unter Beweis.

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 42

Stefan Plank, Nadine Schachinger, Vilma Pflaum, Rupert Höller, LousyAuber, Axel Bosenge, Ina Aydogan

Bernhard Eder

Fr., 27. September 23:00, WUK Foyer

Emily Staats

042

Anger sind Julian Angerer und Nora Pider aus Südtirol. Am Anfang mochten sich die beiden nicht, dann wurden sie Freunde, später ein Paar und dann sogar eine Band. Vor einiger Zeit sind sie nach Wien gezogen, im Gepäck ihre Debüt-EP »Liebe & Wut« – mit wunderschön melancholischer Stimmung und einem leicht italienischem Flair. Und genau rechtzeitig zum Waves Vienna haben die beiden nun ihr Debütalbum »Heart/ Break« (siehe S. 66) veröffentlicht.

18.09.19 08:49


Do., 26. September 21:15, Open-Air-Stage Günther Paulitsch, Alex Connaughton, Mario Fartacek und Julian Pieber – bekannt aus Bands wie Mynth, Polkov oder Shaun Berkovits, bilden gemeinsam das Projekt Good Wilson. Die vierköpfige Band hat für sich das Genre Skygaze erfunden – eine eigene Form von Gaze, die teils als Lückenfüller für ihre Facebook-Seite, teils als Neudefinition des Genres entstand und sich durch eine Prise Tollpatschigkeit von anderen Gaze-Arten unterscheidet. Wie das klingt, ist etwa bei der ersten Good-Wilson-Single »Walk The Talk« nachzuhören, die diesen Sommer – inklusive Musikvideo mit SportplatzFlair – erschienen ist.

Keke

Sa., 28. September 19:45, WUK Halle Die Deutschrap-Newcomerin Keke kommt aus Wien und hat letztes Jahr bei dem aufstrebenden Label Mom I Made It mit den beiden Tracks »Donna Selvaggia« und »Validé (feat. Lent)« debütiert. 2019 folgten weitere Singles, zuletzt die im Sommer erschienene Nummer »Malibu«. Ursprünglich im Jazzgesang ausgebildet, kam Keke eher durch Zufall zum Rap. Eines ihrer größten Vorbilder ist die New Yorker Künstlerin Princess Nokia, deren Wandelbarkeit Keke besonders inspiriert – auch sie selbst möchte sich künstlerisch verschiedene Wege offenhalten.

Sketches On Duality

043

Stefan Plank, Nadine Schachinger, Vilma Pflaum, Rupert Höller, LousyAuber, Axel Bosenge, Ina Aydogan

Emily Staats

Good Wilson

Do., 26. September 22:15, WUK Foyer

Sketches on Duality aus Wien machen seit 2015 Hip-Hop mit Jazz-Einflüssen und einer deutlichen Prise Soul. Das groovy Ergebnis beschreiben die fünf Bandmitglieder als »Stretch Music«. Es geht der Band darum, Akzente zu setzen und eine neue Vielfalt zu erschaffen. So entsteht eingängige Musik, die zum Tanzen einlädt, aber auch mit ihren poetischen Texten in Erinnerung bleibt. Sketches On Duality haben 2017 ihre erste EP veröffentlicht, die auf große Resonanz stieß und auf die eine Tournee durch Europa folgte. 2019, nach fast zweijähriger Arbeit im Studio, ist die Band mit ihrem Debütalbum »Spectrum« und der Single »Love Constant« zurück.

Soia

Sa., 28. September 21:15, Open-Air-Stage Die in Taiwan geborene Wiener Songschreiberin Soia bewegt sich zwischen den Genres Soul, Pop und R ’n’ B. Überdies bindet sie Einflüsse aus Hip-Hop, Elektronik und Jazz in ihren Sound ein, welchen sie mühelos mit ihren Vocals verschmelzen lässt. Mal ist ihre Musik melancholisch und zart, mal ist sie kraftvoll und energiegeladen. Soia hat diesen Frühling ihr drittes Soloalbum »Where Magnolia Grows« veröffentlicht, auf dem sie gemeinsam mit ihrem Producer Mez ihren musikalischen Wurzeln aus den 90er-Jahren nachspürt.

Die Jury

Gorjana Jordanovska (Password Production, Skopje, MK) Andraž Kajzer (Ment Festival, Ljubljana, SI) Susi Ondrušová (Radio FM4, Wien, AT) Lea Spiegl (SAE Institute, Wien, AT) Oskar Strajn (ESNS – Eurosonic Noorderslag, Groningen, NL)

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 43

18.09.19 08:50


WUK Backstage Eine fotografische Liebeserklärung Patrick Münnich

Theresa Ziegler

Die Zukunft des WUK steht vor allem im Zeichen von Renovierungen. In der Gegenwart baut das Waves Vienna heuer zum vierten Mal seine Bühnen dort auf. Wir haben mit österreichischen Acts aus dem diesjährigen Waves-Vienna- Line-up hinter diese Bühnen geblickt und neue Lieblingsräume im WUK entdeckt.

On Bells in der Technik Im großen Saal führt ein Backstage-Weg zur Bühnentechnik. Bevor sich das WUK die Räumlichkeiten aneignete und den Saal mittlerweile für jährlich 200.000 BesucherInnen bespielte, ist hier in einer Maschinenwerk­ stätte auch schon rumgedreht und geschraubt worden. Der bildende Künstler Jakob Kolb ist nach sechs Jahren Barcelona nach Wien zurück­ gekehrt und startete sein Solo-Musikprojekt On Bells. Fr., 27. September 19:00, WUK Foyer

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 44

18.09.19 08:50


Anger am Dach Auf dem Dach des WUKs wird das Kunstprojekt »Flagge zeigen« ausgestellt – hier zu sehen ist das Exponat »Des Goldes Herr ist auch des Goldes Knecht« der WUK-Künstlerin Ona B., eine Bearbeitung von Plakaten der türkischen Softpornoindustrie der 1980er-Jahre. Julian Angerer und Nora Pider aus Brixen beschreiben ihr Duo Anger als »emo-boy meets cool skater girl«. Thematisch naheliegend: ihre EP »Liebe & Wut«. Fr., 27. September 18:30, WUK Halle

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 45

18.09.19 08:50


Kerosin95 in der Kunsthalle Exnergasse Kerosin95 hat sich aus den 400 Quadratmetern der Kunsthalle Exnergasse eine Säule ausgesucht. Die »KEX« versteht sich als offene Plattform und Ausstellungsraum zur Produktion und Präsentation innovativer, experimenteller und zeitgenössischer Kunst und ist dabei nicht kommerziell orientiert. Kerosin95 ist das Rap-Projekt von Kathrin Kolleritsch – mehr ist in der Coverstory dieser Ausgabe nachzulesen. Do., 26. September 23:00, Ottakringer Stage

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 46

18.09.19 08:50


Addendum-Mitgliedern geht der Gesprächs- und Lesestoff nie aus.

67 € Werden Sie Addendum-Mitglied, und Sie bekommen jede Ausgabe der Addendum-Zeitung frei Haus! Außerdem Bücher aus der Edition QVV und von Autoren der Addendum-Redaktion und Einladungen zu Blattkritiken und Diskussionen exklusiv für die Addendum-Mitglieder! Verwenden Sie den Rabattcode FRIEX4R und zahlen Sie 25 % weniger für die Mitgliedschaft (Originalpreis 89 Euro/ermäßigt 66,75 Euro)! (Eingabe des Rabattcodes am Ende des Bezahlprozesses)

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 47

18.09.19 08:50


Miblu im Stiegenhaus Als das WUK noch Heim des Technologischen Gewerbemuseums war, hätte Miblu den marmorierten Wandfeldern des Stiegenhauses folgend letztlich an der Wohnung des Schuldirektors Wilhelm Exner geklopft. Heute veranstaltet dort die WUK Kinderkultur. Miblu schreibt und performt R-’n’-B-Pop und ist unter ihrem bürgerlichen Namen Miriam Orth-Blau Schmuckdesignerin (Meshugge). Do., 26. September 18:45, Aula

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 48

18.09.19 08:50


The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 49

18.09.19 08:50


Titus Probst im Keller Im Keller regiert die Musik. 17 Proberäume werden von 150 Bands und Musikacts genutzt – unter anderem von Fuckhead, Bulbul und Birgit Denk. Wer genug geprobt hat, kann im offenen Tonstudio des Musikbereichs des WUK Ernst machen. Titus Probst landete vor einigen Jahren mit »Nur wegen dir« einen kleinen Hit. Mit seinem Debütalbum »Du warst auch schon mal schöner«, das 2019 erschienen ist, fand er sich in den 80ern wieder. Fr., 27. September 18:45, Hakuma Stage

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 50

18.09.19 08:50

IMG


Haltungsübung Nr. 16

Blickwinkel ändern. Haltungsübung für Fortgeschrittene: Legen Sie jeden Tag ein paar Mal den Kopf zur Seite und betrachten Sie die Welt aus einem anderen Blickwinkel. Das ist gut für den Nacken. Und noch besser für Ihren Kopf. derStandard.at

Der Haltung gewidmet.

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 51 IMG_Haltungsübung#16_Blickwinkel-ändern_210x280.indd 1

18.09.19 16.09.19 08:50 11:59


Österreichische Plattencovers und ihre Realitäten Skandale und Randale so Ikonen wie Songs, die grafische Umsetzung von »Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band«, »The Dark Side Of The Moon« oder »The Velvet Underground & Nico« ist in der Massenkultur bekannter als die Musik selbst. Aber auch klassische Fotomotive haben Eingang in den visuellen musikalischen Kanon gefunden. Ganz unüblich für die österreichische Musikszene gibt es hierzulande wenig Abweichung zu den amerikanischen, britischen und deutschen Vorbildern. Neben Plattencovers, die auf Grafikdesign beruhen – wer an das

Zungenlogo von »Sticky Fingers« denkt, soll bitte auch die Zigarettenschachtel von Wolfgang Ambros’ »19 Class A Numbers« denken –, finden sich in der heimischen Popgeschichte auch zahlreiche Fotografien, die zum Staunen anregten, für gehörige Skandale sorgten oder einfach nur Ausdruck einer neuen Szene waren. Es folgt eine persönliche Auswahl an fünf wichtigen und vor allem interessanten fotografierten Covers der österreichischen Popgeschichte. Eine Auswahl, die beliebig fortgeführt werden kann. Dominik Oswald

052

»Musik mit allen Sinnen spüren« – mehr als ein emotionaler Slogan. Großartiges Musikhören ist auch immer verbunden mit einem gesamtsinnlichen Erlebnis. Die Hintergrundstorys ikonischer österreichischer Plattencovers. ———— Man will auch was zum Schauen haben, Details in Covers entdecken, am Gatefold schnuppern, die Credits würdigen. Das Artwork ist ein wichtiger Teil des Schaffens von musikalischer Kunst. Legendäre Plattencover, die es übrigens in der Form erst seit den 1940er-Jahren gibt – vorher waren es nur papierene Schutzhüllen – wurden genau-

LES SABRES – »Everybody Loves Saturday Night« (1967) Um den seltenen Fall der gleichsam historischen, musikalischen wie auch fotografischen Relevanz in ein und derselben Platte zu zitieren, lohnt sich der Blick auf die Gruppe Les Sabres und ihr einziges Album. Die Gruppe selbst ist reichlich spannend: Die wohl einzige Wiener Beat-Band jüdischer Herkunft, die laut eigener Aussage weder Englisch noch Deutsch sprechen konnte und größtenteils ihr Ein- und Auskommen beim Livespielen auf jüdischen Hochzeiten fand, schaffte dennoch mit Spielfreude und auch ihrer einzigen Single »You’re Gonna Need Somebody When I’m Gone« den Einzug in den österreichischen Beat-Kanon. Auf dem Album spielen sie beeinflusst vom Hippie- und World-Music-Fieber eben Musiken aus aller Welt – praktischerweise auch immer angeführt: Israel, Jugoslawien, Bolivien, Indien, Afrika, Russland etc. Interessant ist aber vor allem auch der Fotograf dieses Werks: der junge Padhi Frieberger nämlich. Dieser war in der zweiten Hälfte der 1960er auch Trommler bei der ebenfalls legendären Gruppe The Slaves. Dem 2016 verstorbenen Künstler sagte man Universalgenie nach – schließlich machte er sich nicht nur als Fotograf, sondern auch als Maler und Objektkünstler einen durchaus großen Namen, der pre und post mortem im MAK und in Krems einzelausgestellt wurde. Auch eine Verkörperung des »Weltberühmt in Wien« sei er gewesen. Ungeachtet dessen, ist der Grund, warum jener Padhi Frieberger für das Cover verantwortlich zeichnet, recht banal, wie Edek Bartz von Les Sabres im Buch »Wien Pop« ausführt: »Das Foto fürs Cover hat Padhi Frieberger geschossen – eine seltsame Type, die überall herumhing und halt einen Fotoapparat dabei hatte.« Prototypisch für die Szene der 60er.

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 52

18.09.19 08:50


NOVAK’S KAPELLE – »Naked« (1978)

053

Bereits seit 1968 mischte eine gar wilde Gruppe den Wiener Underground gehörig auf: Novak’s Kapelle gelang schon mit der ersten und heute sehr gefragten Single so etwas wie ein Skandal: Auf »Hypodermic Needle / Doing The Rhythm Thing« sind Drogen und Sex Thema. Ab und an gibt’s auch noch lustigen Aktionismus, die Zumpferl werden auch gerne mal gezeigt. Aber erst als 1978 endlich das erste und einzige tatsächlich veröffentlichte Album erschien, war der Aufschrei so richtig groß. Für den deutschen Markt stülpte die Plattenfirma gleich eine rote Papierverpackung über, aber auch im unverändert spießbürgerlichen Österreich – wo sie unverpackt verkauft wurde – war der Skandal immens. Weil, na logisch: Nackte Frauen am Cover, das geht nicht. Fotografiert von Sabina Sarnitz, der Freundin von Bassist und Art-Direktor Peter Travnicek, die später auch den Supermax ablichtete, räkeln sich drei Frauen in ihren 60ern in einem Wohnzimmer, während – natürlich – die Mondlandung übertragen wird. Eigentlich wollte die Gruppe, initiiert von Sänger Walla Mauritz »Electric Ladyland« vom Jimi Hendrix mit älteren Frauen nachstellen, man hat aber nicht genügend Frauen zusammengebracht, so ist es bei dreien geblieben: Zwei Damen waren Akt-Models auf der Akademie, die dritte die Mutter von Travnicek, die der Legende nach einen Tausender und einen Friseurbesuch dafür bekam. Ein fairer Preis für einen bewussten Skandal.

VERSCHIEDENE INTERPRETEN – »Wiener Blutrausch« (1979) Als die Punk-Welle 1979 irgendwann auch das gar nicht so beschauliche Österreich erreicht, ist die Veröffentlichung eines gesamten Albums für die oft nur kurzlebigen Bands utopisch. Der Sampler »Wiener Blutrausch«, erschienen auf Rudi »Minisex« Nemezceks Label Schnazz, aus dem später Schallter wurde, beeindruckt dabei in mehrerlei Hinsicht: Mit der exklusiven Auswahl an heimischen Protopunks, die allesamt zum ersten Mal auf Tonträger gepresst wurden – wie Drahdiwaberl, Chuzpe, Metzlutzkas Erben, Mordbuben AG sowie Minisex selbst; mit dem Sammlerwert der aus 1.000 Stück bestehenden Originalauflage – eine VG+ unter 300 Euro ist quasi geschenkt –; sowie natürlich auch mit dem Artwork der Platte, geschaffen vom 2018 verstorbenen Stefan Weber, der ja bekanntermaßen nicht nur Sänger der Drahidiwaberl, sondern auch Zeichenlehrer war. Als eine Ikone des österreichischen Undergrounds zeigt das Cover nicht Weber, sondern Marcel Houf alias General Gugelhupf, der in allerhand Bands dieser Zeit zugange war. Gugelhupf, der mit seinem Nackthappening im Café Hawelka Georg Danzer zu dessen größten Hit inspirierte, und Jahrzehnte später im ATV-Format »Wir leben im Gemeindebau« noch einmal seine Lebensgeschichte aufrollte, sieht man auf dem Cover von »Wiener Blutrausch« in seiner damals üblichen – und auch beim Release-Konzert im Wiener Metropol ausgeübten – Pose: beim vermeintlichen Zerschneiden der Zunge, bevor sich eine Welle aus Kunstblut über das Publikum ergoss und sich Gugelhupf in einen Kübel erbrach, während die 60-jährige ehemalige Prostituierte Lotte Pawek »Ganz Paris träumt von der Liebe« trällerte. Was für eine Metapher für die junge Szene in Wien.

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 53

18.09.19 08:50


VERSCHIEDENE INTERPRETEN – »Die tödliche Dosis« (1981)

054

Große Geschichten entstehen auch immer in den größten Zusammenhängen: Als Punk immer mehr zu einer Parodie seiner selbst wurde und schließlich New Wave – wir sagen heute auch Post-Punk dazu – den Underground bestürmte, benötigte es wieder einen neuen Sampler. Auch »Die Tödliche Dosis«, das auf dem davor und danach nicht großartig in Erscheinung getretenen Label Lustgewinn Schallplatten veröffentlicht wurde, trägt in seiner visuellen Darstellung den Ethos mit. Das heute sogar noch teuerer als »Wiener Blutrausch« gehandelte Tondokument einer neuen Szene beinhaltet neben neuen KünstlerInnen aber in seiner Gestaltung einen Altbekannten: Das Foto der Ratte, gefangen in der Falle der Altpunks und des Systems, stammt von General Gugelhupf. Auch die beitragenden KünstlerInnen sind interessant: Neben Plastix, der zweiten Wiener Punk Band mit einer Frau am Mikro – Uschi Paranoia und die kranken Mönche haben nie den Weg in ein Studio gefunden –, hört man hier auch erstmals Wiens erste Punkband, die nur aus Frauen besteht: A-Gen 53. Auch wenn die Strukturen damals – wie heute noch immer – vor allem aus Männerbünden bestanden, würdigt »Die tödliche Dosis« damit erstmals in großem Maße auch das Schaffen von Frauen in Subkulturen.

VOODOO JÜRGENS – »Ansa Woar« (2016) Als die Vorfreude auf eine erstmalige Veröffentlichung des heutigen Stars des »neuen Austropops« Voodoo Jürgens immer mehr stieg, schaltete er – so macht man es heutzutage – eine Kontaktanzeige auf Facebook. Er sei auf der Suche nach einer Dame, die nach Rotlicht ausschaut, wörtliches Zitat: »kennt wer eine argentur, wo auch ältere leute und karaktergesichter zu finden sind? suche eine ältere frau für ein fotoshooting und ich find keine gscheite argentur.« Die gecastete Dame steht nun auf dem Cover, direkt neben einem Herren – die Leute sagen: »Das ist ihr Zuhälter.« Das stimmt aber gar nicht: Der Herr am Cover ist Christian, der Vater von Voodoo Jürgens, Platzwart vom NAC, dem Nußdorfer Athletik Club. Als der Voodoo mit 30 Jahren seine Wohnung verlor, zog er zum Vater, den er erst dann so richtig kennenlernte und der ihn durch sein Wienerisch erst zur Figur Voodoo Jürgens inspirierte. Grund genug, um ihn auf einer Platte, die gleich auf die Eins gehen sollte, zu verewigen. Außerdem bemerkenswert: Der Künstler selbst ist gar nicht im Rahmen des nachträglichen Schriftzugs vermerkt, sondern nur im Plakat neben dem Eingang des Café Voodoo. Eine Hommage an »Strange Days« von The Doors, wie er einmal sagte. Die Fotografie stammt übrigens von Michael Winkelmann, der zuvor auch »Der Riese im Glashaus« von Skero in Szene setzte.

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 54

18.09.19 08:51


WA H L 2019

So sieht eine starke Meinung aus. Ein innenpolitisches Medium ist immer nur so gut wie die Menschen dahinter. Rainer Nowak analysiert und kommentiert für Sie das Politgeschehen von einem klaren Standpunkt aus: Unabhängigkeit. Damit Sie in ein Medium vertrauen können, das sich in der Wahlberichterstattung nicht verbiegen lässt.

Wir schreiben seit 1848. DiePresse.com

Das erste Wahlzuckerl ohne Beigeschmack. 100 % reiner Journalismus. Jetzt um nur 1 €/Woche – 8 Wochen lang.

DiePresse.com/wahlabo

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 55

18.09.19 08:51


Wortwechsel Wie echt muss Fotografie sein?

Journalismus oder Kunst? ———— Kunst darf (fast) alles! … Und soll vieles. Vor allem soll sie frei und vielseitig sein. Das gilt natürlich auch für die Fotografie im Allgemeinen und für die Street Photography im Speziellen. Jede Fotokünstlerin und jeder Fotokünstler muss für sich selbst entscheiden, ob er oder sie Motive für die Bildgestaltung inszenieren oder Authentizität zeigen will, ob auf Bildbearbeitung verzichtet wird oder sie ein elementarer Bestandteil der Arbeit ist. In Bildern gibt es keine absolute Wahrheit. Das war immer schon so, auch bevor Bildmanipulationen am Computer möglich wurden. Ein Perspektivenwechsel oder ein anders gewählter Bildausschnitt kann von demselben Augenblick eine vollkommen andere Geschichte erzählen. FotokünstlerInnen haben Freiheiten, die FotojournalistInnen nicht haben. Bis heute ist nicht geklärt, ob das berühmte Foto »Loyalistischer Soldat im Moment seines Todes« von Robert Capa, das er im spanischen Bürgerkrieg aufgenommen hat, den Moment einfängt, in dem der Mann tödlich getroffen zu Boden stürzte, oder ob das Bild eine Inszenierung des Fotografen ist. Für mich ist die entscheidende Frage: Ist Capa Künstler oder Journalist? Für den Fall, dass er Künstler ist und er der Welt die Grausam-

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 56

keiten des Krieges vor Augen führen will, ist ihm ein Meisterwerk gelungen, unabhängig davon, ob das Foto gestellt ist oder nicht. Ist er Journalist, steht seine Glaubwürdigkeit in Frage, wenn er die Aufnahme inszeniert hat. Denn die künstlerischen Freiheiten, die auch ich für mich in Anspruch nehme, gibt es im Journalismus nicht. Der Fotojournalismus berichtet objektiv über Tatsachen. Der Foto­ kunst steht es frei zu wählen, was sie mit ihrer Arbeit aussagen oder bewirken will und welche formal-ästhetischen oder technischen Mittel sie dazu verwendet. Die Bildbearbeitung oder auch die Inszenierung sind Handwerke. Diese zu konzeptualisieren ist Kunst. Bei meinen »Photo Skulpturen« benütze ich Techniken, die das Auge des Betrachters »austricksen«. Zweidimensionale Fotografien wirken wie dreidimensionale Objekte. Diese Form der Irreführung ist wesentlicher Bestandteil dieser Arbeiten. In meiner Street Photography möchte ich das Leben, die Menschen, die kulturelle und individuelle Vielfalt zelebrieren. Ich möchte ästhetische Bilder schaffen, die die BetrachterInnen berühren und an gewohnten Denkmustern rütteln. Damit mir das gelingt, optimiere ich meine Bilder. Ich verändere den Ausschnitt und die Farben. Ich begradige verzerrte Linien. Manchmal entferne ich störende Stromkabel. Ich bin Künstlerin und setzte mir bei der Bildgestaltung eigene Regeln. Das ist künstlerische Freiheit!

Lies Maculan, geboren 1977 in Wien, ist Fotografin und kann außerdem ein PostgraduateStudium an der London School of Journalism vorweisen. Momentan stellt sie einige ihrer Werke im Rahmen von »Street. Life. Photo­ graphy« im Kunst Haus Wien aus.

Theresa Ziegler

056

Lies Maculan

beigestellt, Roman Keller, Erli Grünzweil, Lisa Edi

Wie auch in anderen Kunstformen gibt es in der Fotografie Genres mit je eigenen Handwerkskriterien – diese bedeuten in der Street Photography mitunter etwas ganz anderes als bei Porträts oder Glitch Art. Mit digital gewachsenen Bearbeitungs- und Stilisierung-Skills ändert sich auch ein allgemeineres Verständnis, was Fotografie darf und kann. Jede/r FotografIn ordnet sich ein zwischen Inszenierung und Authentizität, Stilisierung und »Natürlichkeit«. Wo zwischen diesen Polen liegt heute die Kunst der Fotografie? Und gibt es dabei gemeinsame Nenner zwischen allen Genres?

18.09.19 08:51


beigestellt, Roman Keller, Erli Grünzweil, Lisa Edi

Theresa Ziegler

Erli Grünzweil

Lisa Edi

Zeichnen mit Licht ———— »Echte« Fotografie bedeutet für mich, an Ort und Stelle und im Moment mit Licht zu gestalten und leidenschaftlich für das abzubildende Motiv zu brennen. Durch geschärfte Wahrnehmung und einen präzisen Blick ausgelöste Emotionen bildlich zu vermitteln, ist mein Ziel. Für die Aufnahmen arrangiere oder behübsche ich nichts, sondern suche den idealen Standort und wähle die Perspektive, die mir am besten geeignet erscheint. Vorab treffe ich eine Reihe von Entscheidungen: Welche Jahreszeit? Welche Tageszeit, welcher Sonnenstand? Und vor allem: Welche Witterung? Welche Wolkenstimmung? Bei Außenaufnahmen ist der Himmel oft die bildbestimmende und flächenmäßig größte Komponente der gesamten Komposition, also gebührt ihm höchste Aufmerksamkeit. Das setzt im Vorfeld oftmals lange Beobachtungsphasen voraus, die mit Aufzeichnungen und genauer Planung einhergehen, denn ich fotografiere nur mit »available light«, d. h. mit natürlichem bzw. mit vor Ort vorhandenem Licht. Diese Arbeitsweise bringt meist lange Belichtungszeiten mit sich und erfordert den Einsatz eines Stativs. Konzentration und Genauigkeit sind bei der Arbeit auf kostspieligem analogem Großbildmaterial ohnehin unerlässlich, denn ich mache keine nachträglichen Korrekturen oder gar digitalen Retuschen. Meine sachliche, zugleich aber auch sehr sinnliche Sicht auf die Dinge erlaubt mir so eine Neubewertung des Vorhandenen. Intensive Recherchen zur Geschichte jedes einzelnen Baus bilden die Basis meiner Arbeit und der folgenden fotografischen Auseinandersetzung. Bei dieser Form von Architekturanalyse mit visuellen Mitteln ziehen mich immer wieder Gebäude an, deren Umbau oder Abriss unmittelbar bevorsteht. Ein letztes Mal versuche ich sie zu erkunden und umfassend zu dokumentieren, wie etwa das 20er Haus, den Südbahnhof, den Plenarsaal des Parlaments oder jüngst das Rinterzelt und das Rechenzentrum in Wien. Ich nehme es also sehr wörtlich, mit dem aus dem altgriechischen hergeleiteten »Zeichnen mit Licht« – und so sehe ich »echte« Fotografie. Deshalb finde ich aber die Arbeit von KollegInnen, die digital transformieren, modellieren oder bewusst Inszenieren nicht weniger spannend.

Unsichtbare Qualität ———— So wie über die Oberfläche der Smartphones gestrichen wird, streicht auch der Blick über Bilder in sozialen Netzwerken. Bleiben die Augen kurz hängen, reagiert der Körper reflexartig mit einem doppelten Zucken in den Fingern. Die Bilderflut ist nichts Neues, wird aber immer intensiver und der Konsum davon gezwungenermaßen immer unbewusster. Teilt man Bilder im Feed oder in Storys, fühlt es sich an, als würden die Fotos und Videos direkt als Müll im Papierkorb landen. Bilder funktionieren für gewöhnlich über die visuelle Oberfläche und haben damit eine gemeinsame Konstante. Das Zustandekommen, das Gezeigte und die Absicht sind die Variablen eines Bildes, die bei der Bildproduktion bewusst eingesetzt werden können, um die Echtheit zu beeinflussen. Auf diesen Ebenen, die meist nicht vordergründig oder für das Auge nicht sichtbar sind, zeigt sich die Qualität eines Bildes. Das manipulierteste und das inszenierteste Bild kann echt und ehrlich sein in seiner Aussage. Jedes hybride Bild aus computergenerierten und linsenbasierten Aufnahmen kann echter sein als ein scheinbar uninszeniertes Bild einer Person bei einer Sightseeing-Tour vor dem Riesenrad. Eine Echtheit ohne Realitätsanspruch, die sich über eine authentische Idee und Intention der fotografierenden Person definiert. Dabei wird die Haltung der Person hinter der Kamera gegenüber Themen und dem Medium im Bild spürbar. Anders als bei Bildern, deren Ziel die maximale Anzahl an Likes ist und welche dabei oft einfache Reproduktionen von Trends sind. Echt kann jede Art von Bild sein, vorausgesetzt ein Mensch hat seine Finger im Spiel. Es ist unbedeutsam, welchem Genre es angehört und ob es Amateurfotografie mit dem Smartphone ist oder professionelle Ansprüche hat. Diese Denkmuster der Abgrenzung und Kategorisierung lösen sich stetig und sinnvollerweise auf. Genau so wie sich die Grenzen zwischen künstlerischer und kommerzieller Fotografie auflösen können oder zwischen statischem und bewegtem Bild. Diese Auflösung der Grenzen ist nicht immer einfach, aber es sind Entwicklungen, die neue Möglichkeiten schaffen, um relevante und echte Bilder zu produzieren.

Echtheit wahrnehmen ———— Die Frage nach dem Wirklichkeitsgehalt von Fotos gibt es ja schon seit der Erfindung fotografischer Aufnahmetechniken. Auch das Thema Bildbearbeitung ist nicht erst seit Photoshop diesbezüglich relevant (ein paar Tools lassen sich ja sogar von der Dunkelkammer ableiten) und spätestens seit der benutzerfreundlichen Anwendungsmöglichkeit von Filtern am Smartphone ist die Nach- bzw. Weiterverarbeitung von Bildern allgemein gebräuchlich. Welchen Einfluss diese technischen Möglichkeiten auf die Fotografie haben, wurde und wird in der bildenden Kunst zur Genüge verhandelt. Fragt man nach der Authentizität, Echtheit oder »Natürlichkeit« des Mediums, müsste man auf jeden Fall zuerst diese Begriffe klären. Wissenschaftliche Antworten darauf würden hier den Rahmen sprengen. Versteht man Fotografie daher nicht als eine ausschnitthafte Darstellung eines (vergangenen) realen Moments, sondern wie die Sprache als eine Erzeugung von Wirklichkeit – etwas, das Realität formt und gestaltet –, ist die Suche nach dem Authentischen auch genre­übergreifend nicht wichtig. Das bedeutet nicht, dass es ganz egal ist, wie sehr ein Bild bearbeitet wird oder nicht – oder noch fundamentaler, was und in welchem Kontext etwas abgebildet wird. Um es vereinfacht auszudrücken: Werden bei einer Baumarktwerbung der Mann mit der Motorsäge und die Frau mit der Farbrolle abgebildet, dann ist das gesellschaftlich genauso prägend wie der Verzicht auf eine gendergerechte Ausdrucksweise. Daher ist der Ausdruck einer politischen Haltung, derer man sich als Fotograf oder Fotografin sowieso nicht verwehren kann, für mich schon immer wichtig und spannend zugleich. Und um auf die Frage zurückzukommen, wie »echt« Fotografie sein muss: Ich sehe es als Gegebenheit, dass sie das von sich aus nicht sein kann. Darum ist meine Gegenfrage wohl vielmehr: Welchen Einfluss hat die Fotografie auf die Wahrnehmung von Echtheit, Authentizität oder »Natürlichkeit« und wie kann ich mit meiner Arbeit normative Vorstellungen und konventionelle Sehgewohnheiten bewusst aufbrechen – im jeweiligen Kontext, in dem ich gerade agiere?

Erli Grünzweil ist 1992 in Oberösterreich geboren, hat zwei Jahre als Grafik-Designer für The Gap und Biorama gearbeitet und studiert seit 2016 Angewandte Fotografie und zeitbasierte Medien an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Seine Arbeit liegt im Schnittpunkt von beobachtender und inszenierter Fotografie.

Lisa Edi hat zu Beginn des Jahres ihr Studium an der Universität für angewandte Kunst abgeschlossen und arbeitet als selbstständige Fotografin in Wien. Ihr Tätigkeitsfeld erstreckt sich über unterschiedlichste freie sowie kommerzielle Bereiche, bei denen eine konzeptionelle Herangehensweise immer eine essenzielle Rolle spielt.

Stefan Oláh, geboren 1971 in Wien, studierte Fotografie in München. Er lebt und arbeitet in Wien und am Attersee. Von 1995 bis 2017 lehrte er an der Universität für angewandte Kunst Wien. Seit 2012 ist er Sprecher der IG Architekturfotografie.

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 57

057

Stefan Oláh

18.09.19 08:51


Workstation Menschen am Arbeitsplatz Elsa Okazaki

Theresa Ziegler

Cornelia Ettinger

Tontechnikerin und SAE-Fachbereichs-Assistentin Audio Engineering »Das beste aus beiden Welten« nennt Cornelia Ettinger ihre zwei Jobs. Als Tontechnikerin von Russkaja und My Ugly Clementine kennt sie das Feld der Livetechnik gut – inklusive mitunter stressigem Druck, in einem bestimmten Moment punktgenau abliefern zu müssen. Im Kontakt mit den Studierenden der SAE geht es hingegen um anderes. »Man nimmt sich sehr viel Zeit, um den StudentInnen alles zu erklären und bleibt dabei oft stundenlang in einem Studio hängen, weil man über spannende Details philosophiert, alles Mögliche ausprobiert und nach neuen Lösungen sucht«, sagt sie über die Arbeit in der Audio-Engineering-Abteilung. Die liebsten Stunden verbringt Cornelia dabei im Neve Studio, das ihr »klarer Favorit« und das größte Tonstudio der SAE sei. Hierher wird sie wohl auch die TeilnehmerInnen der Waves Vienna Delegates Tour führen, die an der SAE Halt macht. Ihr Rat an Studierende der Tontechnik: »Versuchen, sich in der Branche gut zu vernetzen! Auf Veranstaltungen und Konzerten, aber auch auf sozialen Medien kann man viele Kontakte zu KollegInnen aus dem Medienbereich knüpfen. Connections sind einfach das A und O.«

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 58

18.09.19 08:51


The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 59

18.09.19 08:51


Christoph Liebentritt Fotograf

»Mein Lieblingsplatz in unserem Büro ist unser verlängertes Wohnzimmer, der Rüdigerhof«, sagt Christoph. Erst vor Kurzem wurde das Designstudio Buero Butter gegründet. Trotzdem hat es sich in seinem Büro in der Grüngasse schon recht gemütlich gemacht – inklusive Couch. Das nächste Projekt, das für Christoph und seine Kollegen ansteht, ist eine Auftragsarbeit für das Waves Vienna: Plakate für ausgewählte Gigs der diesjährigen Festival-Acts. Dafür würden »in einer freieren, künstlerischen Herangehensweise« verschiedene Stile und Gestaltungstechniken für die jeweiligen InterpretInnen angepasst werden. Mit dem Waves Vienna verbindet Christoph allerdings mehr als nur ein Auftrag: »Mit der Band Garish bin ich musikalisch aufgewachsen. Sie ist meine absolute Lieblingsband aus Österreich, schon als sie noch vor unzähligen Jahren in burgenländischen Gasthofhinterzimmern spielte. Aus diesem Grund ist mir auch das letztjährige Überraschungskonzert am Waves Vienna als besonderer, intimer Moment in Erinnerung geblieben.«

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 60

18.09.19 08:51


The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 61

18.09.19 08:51


PROSA — TONIO SCHACHINGER

IM MÖWENKÄFIG

062

Mit seinem Debütroman »Nich wie ihr« landete der Wiener Autor Tonio Schachinger auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. Der vielschichtige Roman, angesiedelt in der Welt des Spitzenfußballs, zeigt die Gedanken und Gefühle des Fußballers Ivo Trifunović. Ein kantiger Charakter, der rund die schwierigen Themen unserer Gegenwart ins Eckige bringt. Ein Vorabdruck.

Am nächsten Tag liegt die ganze Familie am Strand, so wie Jessy es wollte, und abgesehen davon, dass sie nicht alle bepackt sind mit Sonnenschirmen und Kühltaschen, weil das Hotel eh alles hat, und davon, dass es Sand gibt, der vom Körper abrieselt statt kleiner, harter Steine, ist alles gar nicht so anders wie Ivos Urlaube als Kind in Kroatien: Die Mutter blättert in einer Zeitschrift, von den Kindern wird erwartet, dass das Meer ihnen Unterhaltung genug ist und der Vater macht gar nichts, starrt nur hinaus auf die Wellen. Möwen haben keine Angst vor Menschen, aber auch keinen Respekt. Möwen denken nur an ihr eigenes Überleben und das ihrer Frau und ihrer Kinder, sie sind die Overachiever der Meere. Aber man muss bei ihnen gar nicht von Potenzial reden, dem geflügelten Wort schlechthin, dem Wort, das Ivo schon sein ganzes Leben lang begleitet, obwohl es nichts bedeutet. Möwen sind nicht wie Stefan Maierhofer, von dem damals gesagt wurde, er hätte das absolute Maximum aus sich herausgeholt, indem er als absolut untalentierter Schweinskicker 19 Spiele fürs Nationalteam gemacht hat. Stefan Maierhofer wäre eher ein verwirrter Storch, der aus unerklärlichen Gründen am Meer oder in einem Freibad landet und dort gegen jede Natur eine Nische findet. Möwen sind noch schlimmer als der Maierhofer, Möwen sind wie die seelenlosen Maschinen, die jedes Jahr aus den deutschen Akademien strömen, ohne eine Ahnung von der Welt oder von sich selbst, die 500 Pässe spielen können mit einer Quote von 94 %, aber keinen einzigen, der ihnen selbst einfällt. Max Mayer ist eine Möwe oder Leon Goretzka oder Timo Werner. Möwen

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 62

sind witzlos, wie die Menschen im 21. Jahrhundert sein sollen, rotäugig und rücksichtslos aus purer Ignoranz, Einzelgänger, die keine Rudel bilden, keine richtigen Familien, keine Gemeinschaft. Sie nisten nur am selben Ort und nicht gemeinsam, sie jagen oder betteln in Gruppen, aber sobald es etwas zu fressen gibt, geht es jeder gegen jeden. Möwen sind purer Zweck, wie die Passquotenroboter, die das deutsche U21-Team füllen, für die Fußball nur ein Vehikel ist, die genauso gut Unternehmensberater oder Marktforscher sein könnten, während Ivo nichts anderes auf der Welt machen könnte, als Fußball zu spielen. Manuel Neuer ist die Protomöwe, momentan sicher der beste Torwart der Welt, aber wenn man ihm was anderes aufgetragen hätte, würde er es genauso gut machen; er wäre dann die beste Möwe, der beste Ellenbogen, der beste, schlimmste Deutsche. Ivo dreht sich auf seinem Liegestuhl, um die fünf Möwen zu beobachten, die hinter seiner Familie herumschleichen. Sie nähern sich, den Blick ganz ungeniert auf den leeren Sandwichteller gerichtet, hacken schon, bevor sie die Krümel überhaupt erreichen, mit den Schnäbeln aufeinander ein, flattern mit den Flügeln. Da läuft ein kleines Mädchen, nicht älter als Jelena, von einer der anderen Liegen los. Man hört die Mutter noch auf Holländisch etwas hinterherrufen, so, dass man versteht, das Kind solle etwas nicht machen, aber so, dass man auch merkt, dass es ihr eigentlich egal ist, und das kleine Mädchen nimmt direkten Kurs auf die Möwen, die zuerst nur am Boden ein paar Hüpfer weg von ihr machen, aber dann, als sie noch näher kommt, keine andere Möglichkeit haben, als aufzugeben und wegzufliegen. Alle internen Streitigkei-

18.09.19 08:51


Kremayr & Scheriau

ten, alles, was die Möwen gerade noch beschäftigt hat, spielt auf einmal keine Rolle mehr, wegen einem einzigen Kind, das spielen will. Ivo versucht, sich Tiere vorzustellen, die so groß sind, dass ein einziges Jungtier fünf erwachsene Männer bei der Jagd aus purem Spaß daran vertreiben kann, Bisons, so groß wie Mammuts, Elefanten, so groß wie Wale und dann verfällt er wieder in Gedanken an Möwen und wie lächerlich und dumm sie sind, bevor sein Blick dem Kind zurück zur Liege folgt, dessen Mutter streift und auf dem dicken, schwarzen Buch hängenbleibt, das auf dem Tisch neben der Liege liegt und einen alten weißen Mann zeigt und unter anderem ein Wort, das Ivo lange nicht mehr gesehen hat: Kapitalismus. So denkt er wieder an Mirna, ohne genau zu wissen, warum, vielleicht, weil Kapitalismus ein Wort ist, das jemand wie sie verwenden würde, und er beschließt, ihr am Abend zu schreiben.

ist in Neu-Delhi geboren und in Nicaragua sowie Wien aufgewachsen. Zurzeit studiert der 27-Jährige Germanistik an der Universität Wien und Sprachkunst an der Universität für Angewandte Kunst Wien. Mit seinem literarischen Debütroman »Nicht wie ihr« (Kremayr & Scheriau) ist ihm gleich ein – sorry – Volltreffer gelungen. Denn geschickt, vor allem aber mit trockenem Witz und scharfer Beobachtungsgabe, lässt er darin den jungen Profifußballer Ivo Trifunović gegen das Leben anstürmen. Identitätsfragen, private Standortbestimmungen, Kapitalismus und Systemkritik inklusive. Der Mikrokosmos Fußball verweist bei Schachinger dabei immer auf etwas Größeres. Ein starkes Debüt.

063

Tonio Schachinger

The_Gap_177_012-063_Story_FINAL.indd 63

18.09.19 08:51


Filmpremiere Gemini Man (OV)

Gewinnen thegap.at/gewinnen

01

02

03

04

NE

GEWIN

10TI0CK �ET S2

»Wer schützt dich vor dir selbst?« – Will Smith als in die Jahre gekommener Auftragskiller Henry Brogan, dessen skrupelloser Ex-Boss (immer sehenwert: Clive Owen) einen 25 Jahre jüngeren Klon auf Brogan ansetzt. Ein spannendes Sci-FiAction-Hybrid von Oscar-Preisträger Ang Lee (»Brokeback Mountain«, »Life Of Pi«).

Mi., 2. Oktober, 20.15 Uhr Village Cinema Wien Mitte Landstraßer Hauptstraße 2a 1030 Wien Wir verlosen 100 � 2 Tickets für die Premiere von »Gemini Man«. Der Film wird in englischsprachiger Original­version und in 3D+ HFR gezeigt. Die Gewinnspielteilnahme ist bis 30. September unter www.thegap.at/gewinnen möglich.

In Kooperation mit

01 »Hellboy – Call Of Darkness« Nach den beiden Filmen von Guillermo del Toro gab es mit »Call Of Darkness« einen Reboot der Hellboy-Reihe – mit neuen Schauspielern und neuem Team. Am Drehbuch wirkte Mike Mignola, der Schöpfer der Comicvorlagen, mit. Die Regie übernahm Neil Marshall, unter anderem Regisseur diverser Episoden von »Game Of Thrones« und »Westworld«. Vor der Kamera sind David Harbour, Milla Jovovich sowie auch Ian McShane zu sehen. Halbdämon Hellboy muss es diesmal mit Merlins Gemahlin Nimue aufnehmen und darauf achten, dass bei seinem Duell mit der Hexe nicht gleich das Ende der Welt herbeigeführt wird. Wir verlosen ein Paket bestehend aus der Blu-Ray-Version von »Hellboy – Call Of Darkness«, Band eins der neuen Hellboy-Comic-Anthologie »B.U.A.P. – Die Froschplage« und dem Comicheft »Hellboy: Krampusnacht«, dessen Story in Österreich spielt.

02 »David Lynch Complete Film Collection« Alle zehn Langfilme des Meisterregisseurs David Lynch in einer Box – von »Eraserhead« (1977) bis »Inland Empire« (2006), mit Zwischenstopps bei unbestrittenen Großartigkeiten wie »Blue Velvet« (1986) und »Lost Highway« (1997). Inklusive fünf Stunden Bonusmaterial. Man sollte die nötige Zeit mitbringen, denn in Lynchs filmischen Welten kann man sich leicht verlieren. Wir verlosen eine Blu-Ray- und eine DVD-Box.

03 »Ready Or Not – Auf die Plätze, fertig, tot« Auf die frisch getraute Grace (Samara Weaving) wartet eine eher ungewöhnliche Familientradition: Sie muss bis zum Sonnenaufgang in einem blutigen Versteckspiel mit der neuen Verwandtschaft ums Überleben kämpfen. Viel schwarzer Humor und ein toller Cast – etwa noch Adam Brody und Andie MacDowell. Zum Kinostart von »Ready Or Not« verlosen wir einen Gutschein (für bis zu sechs Personen) für den First Escape Room in Wien. Erlebe den Nervenkitzel hautnah!

04 »The Dead Don’t Die« Teilnahmebedingungen: Die Gewinnspielteilnahme kann ausschließlich unter der an­gegebenen Adresse erfolgen. Die GewinnerInnen werden bis 1. Oktober per E-Mail verständigt. Eine Ablöse des Gewinns in bar ist nicht möglich. Der Rechtsweg ist aus­ geschlossen. MitarbeiterInnen des Verlags sind nicht teilnahmeberechtigt.

The_Gap_177_064-069_Rezis_FINAL.indd 64

Der Film mit dem »greatest zombie cast ever disassembled« lässt Bill Murray, Adam Driver, Chloë Sevigny und Tilda Swinton gegen die Untoten antreten. Auf der anderen Seite von Pumpgun, Machete und Katana: Iggy Pop, Tom Waits, Carol Kane und viele mehr. Regie führte Jim Jarmusch. Wir verlosen eine DVD und zwei Blu-Rays.

18.09.19 03:54


Rezensionen Musik

Voodoo Jürgens

Ingo Pertramer

08

The_Gap_177_064-069_Rezis_FINAL.indd 65

Wo soll das nur hinführen? Die erste Scheib’n vom Voodoo, gleich a Wöd-Scheib’n, die »Ansa Woar« – eine Platt’n für die Ewigkeit. Wer ab 2016 die größten heimischen Songwriter aufzählen will, muss den Voodoo dazuzählen, zu den Danzers, Ambrossen und Hirschs. So schnö hast damals gar ned schaun können, war der Meister auf Platz eins, direkt eingestiegen. Ka Schas mit Quasteln. Mit den alten Hadern vom Hirsch war er auch auf Tour, aber weißt eh, eine neue Nummer wär schon nicht schlecht. Nach drei Jahren ist es nun soweit. Und natürlich geht’s auch wieder um die Tschecheranten dieser Stadt, mit denen nur er so richtig auf Du und Du steht, quasi der USP, wie die Leut’ in der Reklam’ sagen würden. Hauptthema, aber nicht nur natürlich, auf »’S klane Glücksspiel« sind die Dippler und Auffedrahrer. Natürlich geht’s da nicht so richtig kritisch zu – im Vergleich etwa zum Maron Sigi und »Des Glick is a Fogerl«; der Voodoo mit seiner fixen Partie, der namhaften und eingespielten Ansa Panier, geht’s natürlich von einer romantischeren Sicht an, holt nicht nur quasi-prototypische Stars mit ins Boot – der Austen Louie und die leibhaftige Jazz Gitti sind mit dabei –, sondern verewigt auch wieder einige Wiener Idiome in der Popgeschichte: das Träumen von warmen Biskotten etwa. Und auch eine Verneigung vor der wohl legendärsten Schnapsen-Unterhaltung überhaupt, jener aus »Indien«, ist dabei: »Danke für die Mitarbeit!« Aber logisch gibt’s auch anderes, worüber es sich zu singen lohnt, über die G’schichten, die’s Leben schreibt, auch wenn’s dann manchmal ein bisschen zu sehr Hörspiel ist. Über »Scheidungsleichen«, die nach dem Aufriss bei der Beachparty in Schützen oder Rust schwanger und verheiratet werden, über »2l Eistee«, eine picobello Nummer über einen Schüler, über die Viecher am »Fenstabrettl« und auch über Freundschaft, Verrat am »Eislaufplotz«. Du merkst es: Die neue Scheib’n ist genauso wie man es vom Voodoo erwarten würde: tiefkomisch, abgründig, nostalgisch, aber genauso wahrhaftig. Was der Voodoo hat, ist quasi Ass, Zehner und Vierz’ger auf der Hand. Drah’ ma zua. Danke für die Mitarbeit! (VÖ: 8. November) Dominik Oswald

065

’S klane Glücksspiel — Lotterlabel

18.09.19 03:55


Rezensionen Musik

Anger

Dives

07

08

Es ist so eine Sache mit der Zukunft. Manchmal fühlt sie sich unglaublich nahe an, dann wieder wirkt es so, als wäre es noch längst nicht notwendig, sich mit Zukünftigem auseinanderzusetzen. Letztlich hilft es auch nichts, für sich selbst zu entscheiden, dass man noch nicht bereit ist für ein wie auch immer geartetes Morgen, weil es einen in der Regel schneller einholt, als man »Ich bin noch nicht bereit« sagen kann. Auf ihrem Debütalbum »Heart/Break« tun es Anger, also Julian Angerer und Nora Pider, trotzdem. Im Song »Sie schreit« soll der Zukunft genau mit diesem Satz Einhalt geboten werden. Allerdings nicht schreiend, sondern mit ruhiger, beinahe andächtiger Stimme, die sich, zu groovigjazziger Melodie, gegen einen gemeinsamen Weg in Richtung Zukunft ausspricht: »Ciao, ragazzo.« Obwohl im Song »Future«, der vor allem zu Beginn stark an die neueren Releases von Bilderbuch erinnert, genau danach gefragt wird, dürften Anger nicht von Zukunftsängsten geplagt sein. Auf jeden Fall nicht, was ihre Musik betrifft. Dafür kommen die Songs auf »Heart/Break« viel zu selbstbewusst daher, dafür ist man sich der eigenen musikalischen Bandbreite viel zu sehr bewusst und dafür ist das Wechselspiel zwischen Nähe und Distanz viel zu ausgeklügelt. Auf »Heart/Break« geht es nämlich nicht nur darum auszuloten, wie sehr man schon in der Zukunft steckt oder wie viel Spielraum sie einem noch lässt, sondern auch um Nähe und Distanz in einem ganz klar zwischenmenschlichen Kontext. Es geht zum Beispiel darum, nicht alleine aufwachen zu müssen, und um die Angst davor, dass es doch passiert (»Baby«). Damit bedienen sich Anger sehr weit verbreiteter Sorgen und Ängste, stellen dabei mit ihrem eingängigen, einnehmenden Sound und ihren klar formulierten Gedanken aber ein besonderes Naheverhältnis zu ihren HörerInnen her. (VÖ: 20. September) Sarah Wetzlmayr Live: 27. September, Wien, WUK — 17. Oktober, Innsbruck, P.M.K. — 28. Jänner, Wien, B72 — 29. Jänner, Salzburg, Rockhouse

The_Gap_177_064-069_Rezis_FINAL.indd 66

Teenage Years Are Over — Siluh Es gibt nur eines, was schlimmer ist, als die Jugend an sich: die eigene! Ständig dieser Fatalismus! Und diese Ungeduld! Zum Glück sind die Teenager-Jahre der sympathischen Gruppe Dives vorbei, denn: Es hat ganz schön lange gedauert, bis nun das Debütalbum in den Regalen steht. Bereits im November 2017 erschien die namenlose EP des Dreiers und rüttelte die Indie-Szene gehörig durcheinander. Sympathiebekundungen allerorts, Headliner-Shows im deutschsprachigen Raum, Support für Bilderbuch, Courtney Barnett und, naja, Annenmaykantereit. Lass es uns so sagen: Dives, die bekanntermaßen beim Pink Noise Girls Rock Camp – mittlerweile eine Institution für die Überwindung männlich-dominierter Rockmusik – zusammenfanden, haben es binnen zwei Jahren geschafft und mit schrammeligem, aber entstaubtem Indie-Surf-Rock eine kleine Welt erobert. Mit »Teenage Years Are Over« sollte diese aber ungleich größer werden. Die Voraussetzungen sind geschaffen: Wieder beim Label Siluh Records erscheinend, das heuer ja bereits mit Culk Richtung Großmarkt geschielt hat, wieder von Zampano Wolfgang Möstl produziert, gibt’s wieder Hits, Hits, Hits. Zwei Stücke sind allseits bekannt – auf einem Debüt ist das okay: »Tomorrow«, eh die beste Nummer, war schon auf der EP, »Waiting«, auch sehr super, im Vorjahr in den Jahrescharts des Senders mit der Ente. Die neueren Stücke – man ist ja durchaus rumgekommen – sind oft selbstreferenziell: »Chico« etwa führt das sexualisierte Catcalling, mit dem ja immer noch Frauen in Bands besonders konfrontiert werden, ad absurdum und gibt den Manspreadern, Mansplainern und eben Catcallern eine Dosis ihres eigenen Gifts. Dass sich dann live vor allem Männer positiv angesprochen fühlen, bestätigt die Notwendigkeit. Darüberhinaus ist eine der großen Stärken von »Teenage Years Are Over« das unverwechselbare und durchgän­ gige Sounddesign. Die Gruppe Dives definiert ihre eigene musikalische Nische, in der aber für alle Platz ist. In einem Anflug von Größenwahn ließe sich gar sagen: Dives werden 2020 die Band sein, auf die sich schließlich alle einigen werden können. (VÖ: 15. November) Dominik Oswald

Stefan Plank, Tina Bauer

066

Heart/Break — Phat Penguin

18.09.19 03:55

LN1


Stefan Plank, Tina Bauer

WARNERMUSIC NIGHTVIENNA P R Ä S E N T I E R T L I V E

A M

N E O K L A S S I K

W A V E S

V I E N N A

26·09·2019 @ W U K

H A L L E

2 0 U H R

HLSTEDT O K N I T R A CARLOS CIPA � M

[DE]

[DE]

S I C . A T E R M U W A R N

I E N N A . C O M W A V E S V

SA | 5. OKT | 2

19

IN GANZ ÖSTERREICH AB 18:00 | LANGENACHT.ORF.AT

The_Gap_177_064-069_Rezis_FINAL.indd 67 LN19_210x140.indd 1

18.09.19 15.07.19 03:55 16:30


Rezensionen Musik

Hunney Pimp

Niemand wird sich erinnern, dass wir hier waren — Abgesang

08

Konzeptalben sind eigentlich etwas altes. Etwas, das nach Progressive Rock und einer Ernsthaftigkeit klingt, die im hyperironisierten 2019 keinen Platz hat. Hunney Pimp ist allerdings eh ein bisschen genervt vom zeitgenössischen Rap – von der Männerdominanz und von der Eintönigkeit. Deswegen hört sich die Rapperin, die ursprünglich aus Salzburg kommt, auch nicht nach der Cloud-Rap-Playlist deines Vertrauens an. Hunney Pimp und ihr Produzent Melonoid schaffen es, sich ein bisschen von generischen Abziehbildern, Posterboys und -girls der Szene zu lösen und sich sowas wie einen eigenen Sound zu designen. Mal ein bisschen Jazz, mal ein bisschen Oldschool-Rap, mal ein bisschen cloudiger. Hunneys Gesang mit Lykke-Li-Timbre und oft weggeseufzter Mundart macht das ganze hie und da auch mal zu Zuckerpop. Das alles findet sich auch auf dem neuen Album »Chicago Baby« wieder. Ein Konzeptalbum ist es deswegen, weil sich Hunney Pimp hier als Lebefrau und Gaunerin inszeniert – sprich: als eine, mit der man es sich nicht verscherzen will, und gleichzeitig will man sie unbedingt sein. Ganz bewusst erinnert diese Ganovin-Ästhetik an die Selbstdarstellung zahlreicher männlicher Kollegen in der Gangster-Rap-Erntezeit der 90er und frühen 2000er. Man stellt sich vor, wie Hunney Pimp an einer Zigarre zieht und den Rauch, den sie mit dem Mund ausbläst mit der Nase wieder einatmet, so wie einst Snoop Dogg und Freunde. Mit der Diva namens Chicago Baby schafft sich Hunney Pimp die ideale Persona in Zeiten, in denen dubioser, goldkettiger Vintage-Untergrund als Refugium für Artschool-Artists jeden Genres funktioniert. Bei Hunney Pimp geht die Liebe zum romantisch-ranzigen Luxus-Lifestyle allerdings weiter als auf der Angewandten. Mit »1000 Blumen« zaubert sie für Chicago Baby zum Beispiel eine im besten Sinne kitschige Hymne, in der sie ein ungewisses Ende mit ihrem Love Interest findet. Wichtig: In ihrer Grundeinstellung bleibt Chicago Baby immer selbstbestimmt, egal welche Gefühle daherkommen. Und da wird Hunney Pimp in ihrer strafrechtlich zu verfolgenden Kunstfigur dann doch noch auf eine Weise zum Vorbild. (VÖ: 25. Oktober) Theresa Ziegler

The_Gap_177_064-069_Rezis_FINAL.indd 68

09

Vater sein dagegen sehr: Die hochproduktive Gruppe Viech hat ein neues Album gemacht und es ist schon ein bisschen eine Ode an das Vatersein geworden, an das Leben als 30-Jähriger – mit neuen Herausforderungen und alten Geschichten. Aber zurück zum Anfang: Nachdem die Band im Vorjahr mit dem sehr guten Album »Heute Nacht in Budapest« nach einigen personellen Wechseln gänzlich neu zusammenfand, geht’s jetzt Schlag auf Schlag: Kaum waren die »Budapest«-Stücke ins Vinyl gepresst, konnte man live schon neue hören. Dass die Vaterschaft von Paul Plut – Sänger, Texter und frischgebackener Label-Boss – dem Output nichts anhaben kann, ist durchaus beeindruckend. Die Familie als Thema ist im Œuvre Pluts keine Unbekannte – wer könnte bitte jemals »Vota« vergessen? –, dieses Mal eben aus anderer Perspektive. Wenngleich es vorerst auch nur nebenbei mitschwingt: Denn zuerst gilt es sein eigenes Leben aufzuarbeiten, als Grundlage für ein neues, kleines Leben quasi. Umso kathartischer wirken die Stücke, die Nostalgie, die Coming-of-Age-Storys, das »Once upon a time … in Austria«, gemalt in mildem Trost-Pop, fernab jeglicher gekünstelter Aufregung. Handwirklich tolle Musik mit eingängigen Melodien, die aber vor allem dabei hilft, den Geschichten Raum zum Atmen zu geben und bedächtig zuzuhören, wenn Plut erzählt. Wie etwa im wunderbaren Kernstück »Das ging schnell«, das den Weg von den Herkunftsorten in die Großstädte malt: »Ich schwänz Turnen mit einem Brief / Von Kerstin in der Hand / Sie sagt, dass sie mich nicht liebt / Und ich rauch so viel ich kann.« Aber auch vielen anderen der 15 Nummern wohnt diese unendliche Sehnsucht nach der eigenen Erfahrung inne, die Erkenntnis, das alles schon so Sinn gemacht hat, weil man sonst nicht hier wäre. Dennoch: Verklärt wird hier nichts, auch wenn’s früher einfacher war, besser war es bestimmt nie, aber, weißt eh: »Wo früher lange Haare waren / Legen sich die Falten / Wie die Spuren auf der Autobahn.« Und auch, wenn es Viech nicht glauben: Dieses Album wird in Erinnerung bleiben. (VÖ: 25. Oktober) Dominik Oswald

Lisa Kremling, Gerfried Guggi

068

Chicago Baby — Phat Penguin

Viech

18.09.19 03:55


Die knallharten & raffiniert geschniienen Teile von der spanischen Designer-Marke ADDICTED machen Dir Feuer unterm Arsch.

Lisa Kremling, Gerfried Guggi

Heiße Underwear, Shirts & sexy Beachwear in großer Auswahl findest du auf dildoking.de

WWW.DILDOKING.DE Toys - Dessous - Man Fashion - Lube - Feesch & more. The_Gap_177_064-069_Rezis_FINAL.indd 69

18.09.19 03:55


Termine Musik

c

ÖSTERREICHS CLUBSZENE IM RADIOKULTURHAUS

SKOLKA

19.11.2019

KARTEN UND INFOS: radiokulturhaus.ORF.at

© Michael Reidinger

Ahoi! Pop

AB 8. NOVEMBER IM KINO

Blue Bird Festival FreundInnen der Gitarrenmusik versammeln sich alljährlich, um dem zu frönen, was das Blue Bird Festival von Folk bis Rock anzubieten hat. Freuen können sie sich auf den Kanadier Owen Pallett (im Bild), der nach längerer EINE PARIAH PRODUKTION “PRODUKTION ZPICTURES OMBIELAND: DOUBLE TAP”PARIAH ROSARIO ZOEYDAWSON DEUTCHZOEY WILSON COLUMBIA PICTURES PRÄSENTIERT PRÄSENTIERT EINE EINE PARIAH PRODUKTION PRODUKTION “ZOMBIELAND: “ZOMBIELAND: DOUBLE DOUBLE TAP” ROSARIO TAP”DOUBLE ROSARIO DAWSON ZOEY DEUTCH ZOEY DEUTCH LUKEZOEYWILSON LUKEDEUTCH WILSONLUKE WILSON COLUMBIA PICTURES PRÄSENTIERT EINECOLUMBIA PARIAH “ZOMBIELAND: DOUBLE TAP”DAWSON ROSARIO DEUTCH LUKE WILSON COLUMBIAPRÄSENTIERT PICTURES PRÄSENTIERT EINE PARIAH PRODUKTION “ZLUKE OMBIELAND: TAP” DAWSON ROSARIO DAWSON COLUMBIA PICTURES VISUAL EFFECTS VISUAL EFFECTS KOSTÜM- KOSTÜMPRODUKTIONSKOSTÜMEFFECTS VISUAL EFFECTS PRODUKTIONS- PRODUKTIONSKOSTÜMVISUAL EFFECTS KOSTÜM- VISUAL MUSIK SUPERVISION GABE SUPERVISOR DESIGNSUPERVISOR KAMERA HILFERGABEMUSIK DAVID SARDY CHRISTINE PAUL LINDENSARDY DIRKDESIGNSARDY WESTERVELT MARTIN WHIST CHUNG-HOON CHUNG DESIGN SCHNITT SCHNITT MUSIK SUPERVISION MUSIK SUPERVISION MUSIK MUSIKHILFER SUPERVISOR DESIGN MARTIN DESIGN MARTIN KAMERA CHUNG-HOON KAMERA GABEWADA HILFER GABESUPERVISION HILFER DAVID DAVID SARDY CHRISTINE CHRISTINE WADA PAUL LINDEN PAULDESIGN LINDEN DIRKWHIST WESTERVELT DIRKKAMERAWESTERVELT WHISTDESIGNWHIST CHUNG-HOON CHUNG CHUNG CHUNG DESIGN SCHNITTWADA MUSIK SUPERVISION MUSIK DAVID SUPERVISOR HILFEREXECUTIVE SARDY CHRISTINE WADA PAUL LINDEN DIRK WESTERVELT MARTIN CHUNG-HOON CHUNG DESIGN SCHNITT MUSIK MUSIKSCHNITT SUPERVISOR KAMERA GABE DAVID WADAPRODUKTIONSPAUL LINDEN DIRKPRODUKTIONSWESTERVELT MARTIN WHIST CHUNG-HOON DESIGN CHRISTINE EXECUTIVE EXECUTIVE EXECUTIVE EXECUTIVE Bühnenpause sein kommendes Album präsentiert. Aus Österreich: Downers & Milk, die als Duo starteten und WERNICK REESERHETT REBECCA RIVOREBECCA RUBENWERNICK REESERUBEN & PAUL WERNICK UND DAVEBERNAD CALLAHAM GAVIN RUBEN FLEISCHER PRODUZENT REGIE&UND PRODUCERS PAUL PRODUCERS PAUL PAUL WERNICK RHETT REESEBERNAD REESE REBECCA REBECCA RIVORHETTRIVO RUBEN FLEISCHER DAVID DAVID BERNAD RHETT REESEDREHBUCH REESE & PAUL &POLONE WERNICK PAULREESE WERNICK CALLAHAM DAVERUBEN CALLAHAM GAVIN POLONE POLONE RUBEN RUBEN FLEISCHER FLEISCHER PRODUZENTCALLAHAM PRODUZENT GAVIN DREHBUCH DREHBUCH REGIE REGIEPOLONE PRODUCERS PAULRHETT WERNICK REESEPRODUCERS RIVOFLEISCHER RUBENRHETT FLEISCHER DAVID BERNAD RHETT REESE & PAUL WERNICK UNDRHETT DAVE CALLAHAM GAVIN POLONE PRODUZENT DREHBUCH REGIE PAULDAVID WERNICK RHETTDREHBUCH REESE REBECCA RIVOFLEISCHER RUBEN FLEISCHER DAVID BERNAD RHETT PAULDAVEUNDWERNICK UND FLEISCHER DAVE GAVIN PRODUZENT REGIE RUBEN FLEISCHER PRODUCERS NUR NUR IM KINO NUR IMNUR IM KINO KINO IM KINONUR IM KINO

TheGap_Zombieland.indd 1 The_Gap_177_070-082_Termine_FINAL.indd 70

dann zu einer siebenköpfigen Band heranwuchsen. Außerdem ein Must-See: Eivør von den Faröer Inseln und ihr mystischer Muttersprachen-Folk. 28. bis 30. November Wien, Porgy & Bess

04.09.19 10:05

17.09.19 23:58

Theresa Ziegler

Elliott McKee, Peter Juhl, Clemens Fantur,

Das neunte Ahoi! Pop verabschiedet sich vom Wochenende und dehnt sich auf über einen Monat aus. Und weil die Acts mitunter größer werden, sucht das Festival neue Ufer – gefunden in der Tips Arena. In den geliebten Posthof kommen aber auch so einige Live-Schmankerl. Wir hosten den 1. November mit Schmuse­ musik von Alice Phoebe Lou (im Bild), mit 5K HD, Bobby Oroza, My Ugly Clementine und the one and only DJ Man on the Moog aka unser Herausgeber Manuel Fronhofer. 11. Oktober bis 17. November Linz, Posthof


Termine Musik Get Well Soon & Big Band Konstantin Gropper liebt die großen Gefühle, die das Leben so bietet. Für sein fünftes Studioalbum unter seiner Künstlerpersona Get Well Soon hat er sich die Angst ausgesucht. In »The Horror« verarbeitet er Alpträume, drei an der Zahl, in orchestraler, filmisch-epischer Popmusik, die trotz allen Horrors nicht an Romantik verliert. 29. Oktober Wien, Globe — 30. Oktober Linz, Posthof — 14. November Salzburg, ARGE Kultur

highlights Di. 01.10 Performance

Grissemann & Engel­ mayr: Die Samuel Pepys Show

Fr. 04.10. Visual Comedy

Ennio Marchetto (I): The Living Paper Cartoon

So kann es gehen in diesem Internet: Du lädst 2016 ein paar Demos hoch, schnell brauchst du eine Band für nachgefragte Liveshows, du nimmst deinen Bruder und zwei FreundInnen und 2019 spielst du drei Gigs am Glastonbury Festival. Dabei scheint die Niederländerin Pip Blom ja eigentlich schon gesegnet genug mit einem unglaublich freshen Geburtsnamen. Some can have it all! 1. November Wien, Werk

Wurst

Bild: Sosthen Hennekam

Pip Blom

Mi. 09.10. HipHop / Urban

The Cool Quest

Fr. 11.10. Kabarett

Für immer eine Ikone, egal unter welchem Namen. Tom Neu­ wirth löst sich unter dem Projektnamen Wurst von seiner Eurovision-winning-Persona und macht nun nach eigenen Aussagen endlich die Musik, die er auch selbst hört. Das heißt: elektronischer, beatiger, heutiger, aber immer noch mit Hymnen-Potenzial. Auch für die Liveshow wird wohl einiges an Glam getrasht. 2. November Wien, WUK

Werner Brix: Friss & Stirb

Do. 17.10. Kabarett

Andreas Rebers (D): Ich helfe gern

Sa. 19.10. Ahoi! Pop 2019

Avec

Europavox

Mi. 23.10. Linzer Kleinkunstfestival

Einige von Europas Millionen Stimmen gibt es bei den länder­ übergreifenden Ausgaben des Festivals Europavox zu hören, das seinen Ursprung in der französischen Region Auvergne hat. Beim Wien-Ableger treffen die griechische Art-Pop-Band Σtella, die trois garçons von Lysistrata (im Bild) und der »first wave gurrrlcore« vom fast schon ikonischen Duo Gurr aufeinander. 7. und 8. November Wien, WUK

Ursus & Nadeschkin (CH)

Mi. 23.10. Ahoi! Pop 2019

Fiva / Mickey

Do. 24.10. Ahoi! Pop 2019

OK Kid

Lettland und die Liebe – das reicht für Frontmann Greg Gonzalez. In einer neuen Beziehung und mit einem langen Sonnenuntergang an einem lettischen Strand schreibt sich ein Song fast von alleine. Mit dem Postkartenmotiv für »Heavenly« ist aber sogar ein ganzes Album entstanden. Auch ohne Sonnenuntergang ist »Cry«, das zweite Album der Band definitiv ein Mood. 18. November Wien, Arena

Alex Cameron

When Saints Go Machine

Kevin Morby

Bei jungen Artists dieser Tage weiß man nie, wie viele Schichten Ironie sie bauen. Auch bei Alex Cameron. In Toxic-Masculinity-Hymnen wie »Marlon Brando« haben wir ihn immer als Feminist in Maske verstanden. Mit »Miami Memory« erzählt er aber ehrlich von seiner (meistens) glücklichen Beziehung. 13. Oktober Wien, Flex

Du kannst When Saints Go Machine aus dem Club holen, aber niemals den Club aus When Saints Go Machine. Nach sechs Jahren gibt es nun endlich wieder ein neues Album von den dänischen Pop-Digimons. Die Vorabsingles treffen schon direkt in unser einsames Fortgehherzerl um 5 Uhr früh. 22. Oktober Wien, Fluc

Ein Film zum Album halb dokumentarisch, halb geträumt? Das Konzept klingt nach Beyoncés Limonade und doch ist Kevin Morbys Film zum fünften Studioalbum »Oh My God« natürlich ganz anders. Um die Kindheit in Kansas geht es, und um das Geschehen in Melbys hauseigenem Schädel. 6. November Wien, WUK

The_Gap_177_070-082_Termine_FINAL.indd 71

Fr. 25.10. Linzer Kleinkunstfestival

Katharina Straßer: Alles für’n Hugo

Mi. 30.10. Ahoi! Pop 2019

Get Well Soon Big Band / Wallis Bird / Black Sea Dahu

Bild: Jens Oellermann

Theresa Ziegler Elliott McKee, Peter Juhl, Clemens Fantur, Melt Booking, Sony Music Austria, Jessica Calvo, Arcadia Live

Cigarettes After Sex

Do. 31.10. Ahoi! Pop 2019

Leoniden / Pauls Jets / Some Sprouts

POSTHOF – Zeitkultur am Hafen, Posthofstraße 43, A – 4020 Linz Info + Tickets: 0732 / 78 18 00 kassa@posthof.at | www.posthof.at Weiterer VVK: LIVA Servicecenter im Brucknerhaus, Veritas Kartenbüro, oeticket und alle oberösterreichischen Raiffeisenbanken.

17.09.19 23:58


Termine Festivals

3 Fragen an Theresa Seraphin und Sebastian Linz

072

KuratorInnen des Open Mind Festivals Das diesjährige Motto des Open Mind Festivals lautet »Bye Bye Everything?«. Wie thematisiert man Abschied konkret in einem interdisziplinären Festival? Bei den Krisen- und Abschiedsnarrativen der Gegenwart, den konkreten wie den diffusen, ist man automatisch in ganz vielen Disziplinen unterwegs, zuvorderst Ökologie natürlich, Ökonomie, Politik, Recht, Gesellschaft, Kultur und Technik. Dabei gehen wir ganz bewusst von der Angst – vor allem des Bürgertums – vor einer Veränderung der Verhältnisse aus. Immer politisch und oft provokativ, ist das Open Mind Festival schon lange in Salzburg aktiv. Wie ist das Verhältnis mit der Stadt? Provokation ist bislang nicht unsere Methode, wie das vielleicht in der Vergangenheit eher der Fall war. Wir kuratieren seit letztem Jahr, unserer ersten Ausgabe des Open Mind Festivals, eines sehr politischen Festivals, klar. Aber wir verfolgen einen eher analytischen oder fragenden Ansatz. Wir wollen wirklich was rausfinden und hoffen zum Beispiel mit partizipativen Formaten, Themen und Haltungen miteinander in Dialog zu bringen. Das Verhältnis zur Stadt ist damit vor allem ein offenes. Wir laden alle ein, an diesem Dialog aktiv teilzunehmen und sich in verschiedener Weise einzubringen. Wozu habt ihr als KuratorInnen des Open Mind Festivals zuletzt »Bye Bye« gesagt? Wir hatten ganz viele Ideen, die wir gerne realisiert hätten. Aber wir sind mit dem Programm sehr glücklich, inhaltlich und ästhetisch ist das Ganze eine ziemlich komplexe und doch konzise Sache geworden. Die Performances, die wir zeigen – »Mothers Of Steel« von Agata Siniarska und Mădălina Dan (21. / 22. November) sowie »Ibsen: Gespenster« des großartigen und sehr radikalen Dokumentartheaterkollektivs Markus & Markus (22. / 23. November) –, waren von vornherein unsere Wunscheinladungen für dieses Festival. Da konnten wir glücklicherweise sofort »Hello« statt »Bye Bye« sagen. 14. bis 23. November Salzburg, ARGE Kultur

The_Gap_177_070-082_Termine_FINAL.indd 72

Viennale Bis 15. Oktober wird die Programmvorschau der 57. Viennale noch laufend ergänzt. Während Film-LiebhaberInnen also die nächste Zeit mit »Website neu laden« verbringen, haben wir uns schon ein paar fixe Highlights angestrichen. Der Dokumentarfilm »Space Dogs« (im Bild) von Elsa Kremser und Levin Peter handelt vom Straßenhund Leika, dem ersten Lebewesen im Weltall. In der Rubrik Kinematografie werden die Filme der Wiener Pionierin Louise Kolm-Fleck wiederentdeckt, die sich in den 1920ern mit einem Female Gaze an Themen wie Abtreibung wagte. Und etwas fürs Herz: »Amazing Grace«, der Dokumentarfilm aus 1972 zum damals aufgezeichneten gleichnamigen Album der Queen of Soul Aretha Franklin. 24. Oktober bis 6. November Wien, diverse Locations

17.09.19 23:58


Termine Festivals

Feldkirch hat Potenzial und zwar nicht zum ersten Mal. Die Potentiale zeigt als Messe und Festival her, was DesignerInnen und die Creative Craft Industries auszustellen haben – und das mit starkem Bezug zur Region und doch in der Ausrichtung größer denkend. Neu ist das Format »Design Labor«, in dem JungdesignerInnen und Studierenden im Stadtteil Neustadt (neuerdings autofrei) zusätzliche Ausstellungsräume für Kleinserien und nachhaltige Projektideen zur Verfügung gestellt werden. Wir sehen auch in Zukunft Potenzial. 8. bis 10. November Feldkirch, diverse Locations

Wien Modern Auch wenn es Wien Modern schon seit den 80ern gibt, hat es erst in den letzten Jahren massiv an Publikum gewonnen – dieses in drei Jahren verdreifacht, um genau zu sein. Mit den rekordverdächtigen Zahlen hört es hier aber nicht auf: 110 Ur- und Erstaufführungen präsentiert das Fes­ tival für Neue Musik heuer. National vertreten sind unter anderem Premieren von Clara Iannotta und Peter Ablinger. 28. Oktober bis 30. November Wien, diverse Locations

Felicitas Freygöbl

Viennale, Song Youyang, Michael Fasching

Cinema Next Tour Cinema Next hat sich bekanntlich die Förderung des österreichischen Filmnachwuchses auf die Fahnen geschrieben. Und weil das Publikum nicht immer weiß, was es gut finden wird, muss man den Film auch mal den potenziellen Fans vor die Haustüre tragen. Bei der mittlerweile 17. Cinema Next Tour wird in ganz Österreich an fünf Stationen Halt gemacht, um etwa Filme von Ani Antonova oder Helen Hideko zu zeigen. Kennt ihr nicht? Solltet ihr aber. 15. bis 23. Oktober Österreich, diverse Locations

Offf Festival

Vienna Comix Market

Seit 2011 sucht sich das Designfestival Offf international neue Austragungsorte. Zum zweiten Mal findet es ein temporäres Heim im Wiener Museumsquartier. Zum diesjährigen Motto »Inflatable« kommen Vorbilder unter anderem aus Grafik­design, Typografie und Motion Art aus Amsterdam, Montreal und London angereist. Unter ihnen auch die heimischen Designer Polarfux, die das Visual zum Motto entworfen haben. Ihr wisst gar nicht, welches Panel das beste ist? Buchbinden wolltet ihr immer schon lernen? Mit dem Code »GAP10« bekommt ihr 10 % Rabatt. 4. und 5. Oktober Wien, Museumsquartier, Halle E

Als massentaugliche Subkultur hat sich die Wiener Comic­szene eine anständige, halbjährliche Messe mit über 140 HändlerInnen und AusstellerInnen mehr als verdient. Um das auch in Zukunft sichern zu können, präsentieren außerdem 40 NachwuchszeichnerInnen ihre Konzepte und können sich mit Stars der Szene austauschen. 6. Oktober Wien, MGC Messe

073

Potentiale

… Stände gibt es beim kommenden Feschmarkt zu durchstöbern. Kreative KleinproduzentInnen, DesignerInnen und Start-ups aus ganz Österreich stellen ihre Stücke aus. Von Möbel, über Schmuck und Papeterie hin zu Delikatessen ist für jede/n fesche/n BesucherIn etwas dabei. Und wer nur second­ hand shoppen will, wird zwei Wochen vorher bei der Fesch Tauschbörse fündig. 15. bis 17. November Wien, Ottakringer Brauerei


Termine Bühne

Ein Zimmer für sich allein

074

Thyestes Brüder! Kapital Im Machtkampf um Mykene lässt Atreus seinen Bruder Thyestes die eigenen Kinder verspeisen. Auf Basis von Senecas Tragödie inszeniert die in wien lebende Künstlerin Claudia Bosse »Thyestes Brüder! Kapital – Anatomie einer Rache«, eine begehbare Text-Raum-Choreografie. In den Räumlichkeiten der ehemaligen Kantine eines Siemens-Werks, bewegen sich AkteurInnen und ZuschauerInnen frei im Raum und bilden eine temporäre Gemeinschaft. Im Zentrum der Inszenierung steht die Sprache in all ihrer Explizität, wie auch der Akt des Sprechens an sich. »Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie« von Karl Marx dient als Kommentartext, der sich mit Zirkulation auseinandersetzt: von Rohstoffen, Menschen, Waren und Kapital. 2. bis 17. Oktober Wien, Kasino am Kempelenpark

Die neue Spielzeit des Kosmostheater eröffnet das Kollektiv Eins mit einer performativen Besetzung. In Anlehnung an Virginia Woolfs Essay steht im Innenhof des Museumsquartiers fünf Tage lang ein begeh- und bespielbares Glashaus als lebendiger Diskursraum, um bereits verhallte Stimmen hörbar zu machen und den Fragen nachzugehen: Welche Strukturen brauchen wir, um in Freiheit gut leben zu können? Unter welchen Voraussetzungen öffnen sich Herzen für einander? 25. bis 29. September Wien, Museumsquartier

Las Venus Resort Palace Hotel’s Cabaret Lounge Splice Download Über die gesamte Dauer des Steirischen Herbsts wird Cibelle Cavalli Bastos’ Kunstinstallation gezeigt; eine mehrdimensionale Science-Fiction-Szenerie, die von einer apokalyptischen Zukunft erzählt, in der sich die Reichen aufgemacht haben, andere Welten zu kolonialisieren, und lediglich die Armen auf der Erde zurückbleiben. In den Kulissen einer alten Hotelruine performt der*die Künstler*in aus São Paulo und wirft dabei Fragen zu Gentrifizierung, Klimawandel und den Folgen von Frauenhass auf. bis 13. Oktober Graz, Congress

Untitled-7 1

Extraordinarily Intolerable Basis für Tomaž Simatović’ Performance ist die Inhaftierung von BürgerInnen und AktivistInnen weltweit, die um die Verteidigung grundlegender Menschenrechte bemüht sind. Im Rahmen eines interdisziplinären Projekts entstanden, soll eine künstlerische Reaktion auf zivilgesellschaftliche Vorgänge gefunden werden. Die Performance wird im Rahmen des Tanz House Festivals mit anschließendem Publikums­gespräch gezeigt. 30. und 31. Oktober Salzburg, Toihaus Theater

Oliver Maus

Diorama »Diorama« von der norwegischen Künstlerin Ingri Fiksdal ist als PerformanceSerie angelegt, die bereits seit 2017 weltweit verschiedene Stationen absolviert hat. Zur Saisoneröffnung bringt das Brut die Arbeit nach Wien, genauer gesagt in die Seestadt Aspern. Zwischen den Begriffsbedeutungen von Diorama als dreidimensionale Modelldarstellungen und dem Diorama-Theater nach Louis Daguerre, soll vor der Seekulisse im großen Stadtentwicklungsprojekt ein sich stetig wandelndes Landschaftsgemälde aus Körpern und Objekten entstehen; eine Verschmelzung von Tanz, Sound, Licht und Kostümen. Musik steuern Gothic-Metal-Musikerin Jenny Hval und der Noise-Artist Lasse Marhaug in Form von drohnenähnlichen Echos, abgehackten Industrial-Klängen und leisem Flüstern bei. 5. und 6. Oktober Wien, Brut in der Seestadt

In Kooperation mit dem Werk X gestalten Play Vienna mit AnrainerInnen verschiedener Locations ein theatrales Stadtspiel. Der Frage nachgehend, wem eine Stadt gehört, soll das Projekt eine Selbstermächtigung dazu sein, sich Orte anzueignen. Schauplätze sind das Kabelwerk, Am Schöpfwerk und Alterlaa. Ziel ist es, neue Gemeinschaften zu bilden – inner- und außerhalb der eigenen Siedlung. bis 23. Oktober Wien, Werk X, diverse Locations

Eva Würdinger, Briony Campbell

Die Siedler von Süd-Wien

o The_Gap_177_070-082_Termine_FINAL.indd 74

17.09.19 23:58


Das neue Mehrwegsystem für Coffee to go in Wien. Probiere es jetzt aus – mehr Infos unter www.mycoffeecup.at

Untitled-7 1

04.09.19 19:58

OFFF Vienna 4. & 5. Oct. 2019 MQ – Halle E

offfvienna.com The_Gap_177_070-082_Termine_FINAL.indd 75

17.09.19 23:58


Wien und der Tod – zwei untrennbare Kumpanen, die mittlerweile schon mehr Mythos als Wahrheit in sich tragen. Ähnliches hat sich vielleicht auch der finnische Künstler Toni R. Toivonen gedacht, als er seine erste Ausstellung auf österreichischem Boden geplant hat. Im Zuge der diesjährigen Vienna Design Week stellt Toivonen mit »Madness Invited« in den Räumlichkeiten von Collectors Agenda eine Auswahl seiner Messingarbeiten aus: Auf ihnen fängt er das Leben wie den Tod ein – mit Tieren, die bereits gestorben sind, auf Messingplatten verwesen und filigranste Texturen und Muster in die Oberschicht verewigen. Mit makaberer Pietätlosigkeit hat das allerdings nichts zu tun. bis 12. Oktober Wien, Collectors Agenda

Toni R. Toivonen. Madness Invited

076

Termine Kunst

The_Gap_177_070-082_Termine_FINAL.indd 76

17.09.19 23:58


Termine Kunst Teresa Margolles Auch in Teresa Margolles künstlerischem Schaffen nimmt der Tod einen großen Stellenwert ein – allerdings aus einer soziopolitischen Sichtweise. Die mexikanische Künstlerin malt mit dem Wasser von Leichenwaschungen oder tauscht Farbe gegen Blut, verewigt den Drogenkrieg und den Femizid. Im Fokus ihrer Solo-Ausstellung in der Kunsthalle Krems stehen Transgenderpersonen, die in Ciudad Juárez, der kriminellsten Stadt Mexikos, vor Margolles Linse posierten. 24. November bis 23. März Krems, Kunsthalle

For Forest Gedanken können Berge versetzen, oder eben Bäume. Und dann bitte in ein Fußballstadion, wenn es nach dem Basler Kunstschaffenden Klaus Littmann geht. 7.200 m² Rasen verwandeln sich im Wörthersee Stadion in einen Mischwald mit bis zu 14 Meter hohen Bäumen. »For Forest – Die ungebrochene Anziehungskraft der Natur« ist damit das größte in Österreich realisierte Kunstprojekt – und ein Mahnmal für den undurchdachten Umgang mit der »grünen Lunge« im Anthro­ pozän. bis 27. Oktober Klagenfurt, Wörthersee Stadion

Raphaela Vogel ist einer dieser Shootingstars in der Kunstszene, auf den man mindestens ein Auge haben sollte. Umso besser also, dass das Kunsthaus Bregenz der Nürnbergerin eine Solo-Ausstellung widmet. Vogel kreiert Räume – zum Beispiel mit Videoinstalla­tionen, überdimensionalen Plastiken, projizierenden Beamern, Drohnenaufnahmen und gehäuteten Ledergemälden. Mitten in solchen Räumen steht in Vogels Œuvre oft die Frage nach der weiblichen Subjektivität. 19. Oktober bis 6. Jänner Bregenz, Kunsthaus

077

Raphaela Vogel. Bellend bin ich aufgewacht

Michaela Pichler Toni R. Toivonen / Vienna Design Week, Teresa Margolles, Gerhard Maurer, Roman März, Lisa Holzer / Secession, Riccardo Giacconi, John Moore / Getty Images

Lisa Holzer

The_Gap_177_070-082_Termine_FINAL.indd 77

Die in Wien geborene und in Berlin lebende Künstlerin Lisa Holzer stellt das menschliche Begehren in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Mittel zum Zweck werden in ihren Fotografien oft Lebensmittel, die nach Konsistenz und Farbgebung von der Künstlerin ausgewählt werden. So entstehen Werke, die auf die Betrachtenden appetitlich wie ekelerregend wirken können. Auch in der Wiener Secession spielt Holzer nicht nur mit dem Essen, sie beschäftigt sich mit der Frage nach der Konstituierung eines Bildes. 23. November bis 19. Jänner Wien, Secession

Riccardo Giacconi. Options Wer Herbst sagt, muss auch an den Steirischen Herbst denken. Zum Beispiel an Riccardo Giacconis Installation »Options« (2019), die im Grazer Kunstverein politisiert. Diese erinnert nämlich an die Wahl, vor der SüdtirolerInnen während dem Zweiten Weltkrieg standen: In welchem Faschismus will man leben? Im Nationalsozialismus oder im Mussolini-Staat? Giacconi bedient sich bei Fiktion und historischem Präsens. Was hat das mit der heutigen Situation in Europa zu tun? Vieles. bis 20. November Graz, Kunstverein

World Press Photo 19 Die jährlich stattfindende World-Press-Photo-Ausstellung ist aus der Galerie Westlicht in der Wiener Westbahnstraße nicht mehr wegzudenken. Dieses Jahr findet sie zum 18. Mal statt und prämiert heuer den Fotografen und PulitzerPreisträger John Moore. Während Trump gerade eine »Zero Tolerance«-Schiene in Washington verlangte, hielt Moore an der mexikanischen Grenze im Süden von Texas die Angst und die Tränen der zweijährigen Yanela fest, die mit ihrer Mutter aus Honduras flüchten musste. bis 20. Oktober Wien, Westlicht

17.09.19 23:58


Du fragst dich, was es mit dieser Seite auf sich hat? Mehr Infos zu unserer Rubrik »The Cut« findest du im Inhaltsverzeichnis auf Seite 5.

Termine Kino

Systemsprenger Regie: Nora Fingscheidt ———— Die neunjährige Benni (Helena Zengel) ist ein Systemsprenger – so werden kaum zu bändigende Kinder genannt, an denen selbst die Kinder- und Jugendhilfe scheitert. Dabei sehnt sie sich doch nur nach ihrer Mutter. Der Film geht als deutscher Kandidat ins Rennen um den Auslands-Oscar. Start: 27. September

Gemini Man

078

Joker Regie: Todd Phillips ———— 8 Minuten. So lange dauerten Berichten zufolge die Standing Ovations für den Film »Joker« und dessen Hauptdarsteller Joaquin Phoenix bei den Filmfestspielen in Venedig. Nach Jack Nicholson, Heath Ledger (der für seine Darstellung des Joker posthum einen Oscar erhielt) und Jared Leto mimt nun als Phoenix den Joker bzw. Arthur Fleck, der zum Joker wird. In Venedig gab es für den Film bereits die Auszeichnung mit dem Goldenen Löwen. »Joker« erzählt die Geschichte Flecks, der davon träumt, Stand-up-Comedian zu werden. Sein großes Vorbild ist Murray Franklin (Robert De Niro). Fleck trifft sich mit seiner Sozialarbeiterin für eine Art Psychotherapie; als die Mittel dafür gestrichen werden und er auch keine Medikamente mehr erhält, verliert er nach und nach seinen Verstand. Phoenix’ Darstellung in dieser DC-Comics-OriginStory gilt schon jetzt als Oscar-Favorit. Start: 10. Oktober

Regie: Ang Lee ———— In einer Doppelrolle ist Will Smith in Ang Lees neuestem Streifen zu sehen, spielt er doch sowohl den Auftragskiller Henry Brogan als auch dessen 25 Jahre jüngeren Klon, der auf ihn angesetzt wird. Der Film hätte bereits in den 1990ern gedreht werden sollen, die Technik ließ damals aber noch keine ausreichend realistische Umsetzung zu, heißt es. Start: 4. Oktober

Parasite Regie: Joon Ho Bong ———— Als erster südkoreanischer Film überhaupt gewann »Parasite« bei den 72. Internationalen Filmfestspielen von Cannes die Goldene Palme. Der Thriller handelt von der arbeits­ losen Familie Kim, die für die wohlhabende Familie Park zu arbeiten beginnt. In Südkorea von mehr als zehn Millionen Menschen gesehen. Start: 18. Oktober

Regie: Ruben Fleischer ———— Bei einem Roadtrip wird in dieser erneut starbesetzten Fortsetzung (Jesse Eisenberg! Woody Harrelson! Emma Stone! Bill Murray!) eine neue Zombieart entdeckt. Abermals führte Ruben Fleischer Regie, abermals zeichneten Rhett Reese und Paul Wernick für das Drehbuch verantwortlich. Wird spaßig! Start: 8. November

Booksmart

Little Joe Regie: Jessica Hausner ———— In Jessica Hausners (u. a. »Lovely Rita« und »Amour Fou«) erstem englischsprachigem Film züchtet Alice Woodard (Emily Beecham) eine ganz besondere purpurrote Pflanze: Deren Duft setzt Oxytocin frei und soll so die Menschen glücklich machen. Alice tauft ihre Züchtung »Little Joe« und schenkt sie ihrem Sohn. Als die Pflanze größer wird, zeigt sich aber, dass sie nicht so harmlos ist, wie gedacht. »Litte Joe« verbindet die Genres Science-Fiction, Drama und Psychothriller und feierte seine Premiere bei den Filmfestspielen von Cannes. Fragen nach Realität, Familie und Distanzierung prägen Jessica Hausners fünften Spielfilm, an dem sie vier Jahre gearbeitet hat. »Little Joe« besticht aber auch durch seine besondere Ästhetik. Es sei ihr wichtig, deutlich gestaltete Filme zu machen, erklärte Hausner im Interview mit dem Profil. Start: 1. November

The_Gap_177_070-082_Termine_FINAL.indd 78

Regie: Olivia Wilde ———— Molly (Beanie Feldstein) und Amy (Kaitlyn Dever) haben die Highschool hinter und das Leben nun hoffentlich endlich vor sich. Am Tag vor der Abschlussfeier stellen sie jedenfalls fest, dass sie mehr mit Lernen als mit Feiern beschäftigt waren – was sich nun ändern soll. Das gefeierte Regiedebüt von Olivia Wilde. Start: 14. November

But Beautiful Regie: Erwin Wagenhofer ———— Dokumentarfilme­ macher Erwin Wagenhofer (u. a. »We Feed The World«, »Let’s Make Money«) begibt sich auf die Suche nach dem Schönen und Guten. Er zeigt Menschen, die neue Wege für sich beschreiten, und er stellt zugleich die Frage, wie denn ein gelungenes und gutes Leben aussehen könnte. Start: 15. November

Barbara Fohringer Niko Tavernise / Warner Bros. Entertainment & DC Comics, Coop 99 Filmproduktion / The Bureau / Essential Films

Zombieland: Doppelt hält besser

17.09.19 23:58


The_Gap_177_070-082_Termine_FINAL.indd 79

17.09.19 23:58

Du fragst dich, was es mit dieser Seite auf sich hat? Mehr Infos zu unserer Rubrik ÂťThe CutÂŤ findest du im Inhaltsverzeichnis auf Seite 5.


dankt seinen Partnerinnen und Partnern

D R U C K

|

M E D I E N

|

D E S I G N

The_Gap_177_070-082_Termine_FINAL.indd 80

17.09.19 23:59

Obs


Seit 123 jahren fĂźhrend in media intelligence. www.observer.at The_Gap_177_070-082_Termine_FINAL.indd 81 Observer_gap.indd 1

17.09.19 09.09.19 23:59 12:04


Illbilly

frönt der hohen Kunst der tiefen Pointe. Umgekehrt wird aber auch kein Schuh draus

Ich bin, leider muss ich es sagen, ein bisschen ein sehr zerstreuter Mensch und tu mir ein wenig schwer, mich zu konzentrieren. Auf diese Weise manövrier ich mich sehr oft in unangenehme Situationen. Vor allem weil ich ständig Dinge verwechsle. Daumen und Mittelfinger zum Beispiel. Will ich jemandem ein »Daumen hoch« geben, quasi mit einem Natur-Like nonverbal Respekt für eine gelungene Aktion zollen, passiert mir nicht selten, dass ich den Mittelfinger erwische. Das kann zu fortgeschrittener Stunde an der Bar zu heller Aufregung führen und bedarf nicht selten eines geschulten Mediators, der kalmierend eingreift. Weiters habe ich seit jeher Probleme, Michael Caine und Geoffrey Rush auseinander zu halten. Und auch bei der Unterscheidung zwischen Nicki Minaj und Cardi B unterlaufen mir immerzu Fehler. Was blöd ist, wenn man als Kolumnist in einem Magazin für Popkultur schreibt. Mal sehen, wie lange das noch gut geht.

Packerl-Jongleur Wobei manchmal entsteht auch Gutes aus Verwechslungen. Unlängst etwa, als ich in einer lebhaften Diskussion über Paketzusteller referierte. Ich meinte DHL, dachte an ADHS und sagte ADHL. Wir lachten alle sehr über diesen sprachlichen Lapsus und stellten uns einen hyperaktiven, drahtigen Lieferanten vor, der durch Stiegenhäuser flitzt, als gäbe es kein Morgen. Kleine Packerl jongliert er dabei und mit Großen macht er auch allerhand lustige Dinge. Er schüttelt sie, er rüttelt sie, setzt sich vielleicht drauf, tritt sie Treppen hoch oder zieht sie sich durch den Schritt wie einen Seidenschal währen er dabei Kopulationsgesten macht. Hach, das war lustig. Wir

The_Gap_177_070-082_Termine_FINAL.indd 82

rätselten auch, wofür denn das Akronym DHL stehen mag. Dein Heim-Lieferant. Der Hund läuft. Daddy hat Lues. Und schauten dann doch nach. Aber nicht im Brockhaus oder im Lexikon 2000. Das Handy lieferte. DHL steht für die Nachnamen der Firmengründer Dalsey, Hillblom und Lynn. Fad. Wobei, ich muss schon auch sagen, dass es nicht gerade lässig ist, ja eigentlich von großer Einfalt mit Hang zum Spießbürgertum zeugt, wenn man sich über die Post, UPS, DPD, GLS, Hermes oder ADHL alteriert.

Billa e impossibile Wer sich wirklich bis tief ins eigene Gedärm hinein grämt, dass Pakete manchmal nicht geliefert werden, verloren gehen oder kaputt ankommen können, sollte sein Leben ein bisschen überdenken. Ich stelle mir vor, dass Menschen, die bei Fehlleistungen von Lieferdiensten in den Saft gehen, gerne auch mal vom »Hausverstand« reden, wenn es argumentativ eng wird. Und da muss man bitte dann die Lauscher spitzen. Denn »Hausverstand« ist nichts anderes, als der billige, selbstgerechte Pragmatismus des Kleinkarierten. Einer, der den Hausverstand herbeiruft, hat im besten Falle einen Horizont zum eigenen Gartenzaun und denkt nicht über Thujenhecken hinaus. Im Moment weiß ich jetzt gar nicht mehr, ob Billa noch mit dem Hausverstand wirbt, der ja zuerst ein Mann und dann ein paar Jahre später eine Frau war. Ich weiß aber, dass ich auch Billa und Merkur auf die Schnelle immer verwechsle. Wobei ich beim Akronym Billa übrigens aus dem Stand weiß, dass es für »Billiger Laden« stehen soll. Da muss ich nicht googeln. Das hab ich mir aus einem linguistischen Skrip-

tum, das ich einmal am Flohmarkt kaufte, oder der Millionenshow gemerkt. Beim Billa kaufe ich übrigens nur ein, wenn ich unbedingt muss. Ich hab nämlich einen außerordentlich ausgeprägten Geruchssinn, den ich selbst durch regelmäßigen Nikotinkonsum nicht wegbekomme. Und ich finde, dass es in jeder Billa-Filiale stinkt. Es ist so. Ausnahmslos. Ich habe deswegen auch schon fürchterliche Streits mit Menschen, die ich liebe, die aber nicht wie ich empfinden, angezettelt. Aber ich schwöre – in jedem Billa stinkt es ein bisschen nach Pfuigack. Merkwürdig finde ich hingegen, dass es beim Merkur, der ja auch zu diesem Konzern gehört, nicht stinkt. Ich meine, es riecht jetzt nicht so wie im Hotel La Mamounia in Marrakesch und auch nicht nach dieser überraschend geilen, süßen Schwere eines gut gelungenen Analverkehrs – aber man kommt beim Merkur ohne großes Nasenrümpfen durch die Gänge. Eines der schönsten Dinge, die ich jemals gesehen habe, war übrigens wie sich ein Paketzusteller von Hermes beim Merkur an der Fleischtheke eine Leberkässemmel gekauft hat. Es hatte etwas Erhabenes, als der griechische Gott auf sein römisches Pendant traf und sie sich beide über eine profane Jause handelseins wurden. Ich hab die Szene übrigens auch gefilmt. Ich schau sie mir an, wenn ich traurig bin, oder verkürze mir die Wartezeit auf eine Paketlieferung damit. Ich schicke sie gerne weiter. Einfach DM. www.facebook.com / illbilly

Jakob Kirchmayr

082

Know-Nothing-Gesellschaft Götterboten unter sich

17.09.19 23:59


Die Goldkinder

ottakringerbrauerei

The_Gap_177_001-084_Cover.indd 3

17.09.19 10:53


Jazz! 06/10/19

Wolfgang Muthspiel Large Ensemble feat. Ambrose Akinmusire

29/10/19

Jan Garbarek Group feat. Trilok Gurtu

30/10/19

Hiromi

13/11/19

Christian Sands High Wire Trio

26/11/19

Tigran Hamasyan & Ambrose Akinmusire

18/02/20 Monty Alexander 24 & 25 & Jazz at Lincoln Center Orchestra & 26/02/20 Wynton Marsalis 10/03/20 Émile Parisien Quartet 21/03/20 Chick Corea Trilogy mit

Christian McBride & Brian Blade

30/04/20 Cécile McLorin Salvant 13/05/20 Jazzmeia Horn 20/05/20 Thomas Gansch & Wolfgang Muthspiel 25/05/20 Spanish Harlem Orchestra

© Emmanuel Afolabi

The_Gap_177_001-084_Cover.indd 4

Weitere Konzerte: konzerthaus.at/jazz

17.09.19 10:53


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.