The Gap 179

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Lou Asril

Österreichs nächster Pop-Superstar

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N° 179

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AUSGABE FEBRUAR / MÄRZ 2020 — THE GAP IST KOSTENLOS UND ERSCHEINT ZWEIMONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1052 WIEN, P.B.B. | GZ 18Z041505 M


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Editorial Neues aus eurer Lieblingsspalte

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www.thegap.at www.facebook.com / thegapmagazin @the_gap thegapmag the_gap

Herausgeber Manuel Fronhofer, Thomas Heher Chefredaktion Theresa Ziegler Leitender Redakteur Manfred Gram Gestaltung Markus Raffetseder

Alexia Fin

Wir bei The Gap sind in einem konstanten Mindset der Veränderung – erst letzte Woche haben wir an allen Drehstühlen des Büros neue Bodenrollen installiert. Tatsächlich ist in der aktuellen Ausgabe dieses wunderschönen Magazins auch einiges neu. Kolumnen-wise haben wir mit zwei neuen Formaten aufgestockt. Herausgeber und The-Gap-Gründer Manuel Fronhofer und meine Wenigkeit präsentieren künftig jeweils in musikalischen Servicebeiträgen das Beste aus unseren vermeintlich binären Oppositionen: »Neigungsruppe Indie« und »Pop Right Now«. Apropos Kolumnen: Nach jahrelanger Kuration der The-Gap-Ikone Illbilly – und an dieser Stelle ein herzliches »Vergelts Gott!« hierfür – übernimmt die Lustigkeitsleitung der letzten redaktionellen Seite im Heft nun Josef Jöchl mit »Sex and the Lugner City«. Bereits zu seinem Einstand werden hier Tipps für gute Nudes gegeben. Vielversprechend. Treffen könnt ihr alle diese Legenden bei den The Gap Release Partys, die von nun an alle zwei Monate im Elektro Gönner stattfinden werden. Mit wechselnder DJ-Line und guder Laune präsentieren wir euch die neuesten Hefte. Gut drauf war auch Lou Asril bei unserem Interview. Aber selbst wenn nicht, wäre uns sofort klar gewesen, dass hier der nächste österreichische Superstar vor uns steht. Und so war es auch nur einleuchtend, dass ein Porträt von Lou unsere Coverstory werden muss. Wer an seinem 20. Geburtstag eine Mini-LP veröffentlicht, die sich mühelos für einen internationalen State of the Art qualifiziert, wird auch in Zukunft seinem Hype alle Ehre und gute Musik machen – you heard it here second. Ein bisschen schade ist es, das Lou Asril wohl nie seinen Song »Summer Sunshine« releasen wird, den er im Kindesalter geschrieben und uns beim Interview vorgesungen hat. Es wäre sicher ein Bop, den ich bei einer The Gap Release Party auflegen würde.

Theresa Ziegler

Chefredakteurin • ziegler@thegap.at @raverresi

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AutorInnen dieser Ausgabe Sara M. Ablinger, Kim Chakraborty, Astrid Exner, Barbara Fohringer, Bernhard Frena, Pia Gärtner, Susanne Gottlieb, Elif Gül, Annemarie Harant, Oliver Maus, Caro Neuwirth, Sandro Nicolussi, Dominik Oswald, Michaela Pichler, Gabriel Roland, Emily Staats, Bettina Steinbrugger, Yasmin Vihaus, Maximilian Weissensteiner, Sarah Wetzlmayr KolumnistInnen Astrid Exner, Manuel Fronhofer, Josef Jöchl, Gabriel Roland, Theresa Ziegler FotografInnen dieser Ausgabe Anna Breit (Cover), Fabian Gasperl, Kerstin Musl Lektorat Jana Wachtmann Anzeigenverkauf Herwig Bauer, Manuel Fronhofer, Sarah Gerstmayer (Leitung), Thomas Heher, Martin Mühl Distribution Wolfgang Grob Druck Grafički Zavod Hrvatske d. o. o. Mičevečka ulica 7, 10000 Zagreb, Kroatien Geschäftsführung Thomas Heher Produktion & Medieninhaberin Comrades GmbH, Stauraczgasse 10/4, 1050 Wien Kontakt The Gap c/o Comrades GmbH Stauraczgasse 10/4, 1050 Wien office@thegap.at — www.thegap.at Bankverbindung Comrades GmbH, Raiffeisen Bank, IBAN: AT67 3200 0000 1160 0756, BIC: RLNWATWW Abonnement 6 Ausgaben; Euro 21,— www.thegap.at/abo Heftpreis Euro 0,— Erscheinungsweise 6 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1052 Wien Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz www.thegap.at/impressum Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der HerausgeberInnen wieder. Für den Inhalt von Inseraten haftet ausschließlich der Inserent / die Inserentin. Für unaufgefordert zugesandtes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung.

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Magazin 012

»From Seidasten to Hollywood« Lou Asril, The Next Big Thing 031 Nix und fertig Die nicht-abgeschlossenen Studien der Redaktion 035 Bienen, Blumen, Blasenentzündung Was du in der Sexualkunde hättest lernen sollen 040 Zieh dir was Gscheites an! Der Look von Bildung

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020 »Wow, das war echt Villa Lala« Einblicke in Wiens ersten Songwriting-Hub 024 Filmkalender Österreichische Produktionen, die 2020 im Kino anlaufen 026 Bier auf Stelze 100 Jahre Schweizerhaus

Emanuel Mayr / Esthaem, Flo Moshammer, Kunz / Schweizerhaus, Athanasius Schedlbauer, Daniel Hill

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Emanuel Mayr / Esthaem, Flo Moshammer, Kunz / Schweizerhaus, Athanasius Schedlbauer, Daniel Hill

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Kerstin Musl Wie jede gute Liebesgeschichte beginnt das Duett zwischen Kerstin Musl und The Gap via Instagram-DMs. Kerstin fotografiert Konzerte und schreibt auch gerne darüber. Außerdem beschäftigt sie gerade ein Zucker-Detox. Für unsere »Workstation« setzt sie KünstlerInnen mal nicht auf der Bühne, sondern an ihrem Arbeitsplatz in Szene. 2020 dürfen wir uns auf Kerstins großen Umzug nach Wien freuen. Frei nach ihrem Motto: Weniger reden, mehr machen, auf’s Bauchgefühl hören, mutig sein.

Josef Jöchl

005

026

Josef Jöchl kennt The Gap noch aus Zeiten, in denen es handgetackert wurde, doch erst 19 Jahre später wird der gebürtige Kitzbühler unser deklarierter Sexkolumnist. Sein ParshipPersönlichkeitstest ergab »10 % intellektuell, 10 % emotional, 80 % affektiv« und so erschien er uns perfekt für diese Rolle. Wenn er nicht in der Lugner City abhängt, ist er als Co-Gründer beim PCCC* zu sehen oder kürzlich bei einem Soloauftritt in der ORFSendung »Pratersterne«.

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Rubriken 003 Editorial / Impressum 006 Leitartikel 008 Charts 042 Wortwechsel 046 Workstation: Klaus Karlbauer Beatrice Frasl 048 Prosa: Cornelia Travnicek 051 Rezensionen 054 Gewinnen 056 Termine

Kolumnen

»The Cut« ist The Gaps Antwort auf den »Bravo Starschnitt« unserer Jugend. In insgesamt vier Ausgaben liefern wir euch einen Print des Künstlers Peter Phobia in ebenso vielen Teilen. Ihr müsst diese nur gewissenhaft an der gekennzeichneten Linie ausschneiden und mit einem Klebemittel eurer Wahl zusammenfügen.

Teil 4: The Gap #180

Peter Phobia ist in Deutschland aufgewachsen, studierte an der Angewandten in Wien und lebt mittlerweile in New York. Das Sujet »To Do #2« ist zentral in Peters Buch »Facts And Fiction«, das Fotos zu seinen aktuellsten Ausstellungen sammelt und bei Pool Publishing erschienen ist.

009 Einteiler: Gabriel Roland 010 Gender Gap: Astrid Exner 066 Sex and the Lugner City: Josef Jöchl

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Manuel Fronhofer

ist Mitbegründer und Mitherausgeber von The Gap

Es ist nun knapp ein Jahr her, dass im Wiener Rhiz die erste einer Reihe von Podiumsdiskussionen der Initiative N8BM stattgefunden hat. Zum Thema »Service- und Anlaufstelle« für ClubbetreiberInnen und VeranstalterInnen saß u. a. Lutz Leichsenring von der Clubcommission Berlin auf der Bühne des Gürtellokals. Der Verein vertritt die Interessen seiner ca. 250 Mitglieder – Clubs und VeranstalterInnen – in (außer-)parlamentarischen Ausschüssen, verhandelt Rahmenverträge, bietet Weiterbildungen sowie Beratungen an und leistet Hilfestellung bei konkreten Problemen. Bei den Schilderungen Leichsenrings, was das Leistungsspektrum, aber auch die finanzielle Ausstattung seiner Organisation betrifft, war vielen im Publikum der Neid regelrecht ins Gesicht geschrieben: Eine unabhängige Stelle, die die Interessen der Clubkultur und Nachtwirtschaft auf Augenhöhe mit Politik, Behörden, aber auch AnrainerInnen diskutiert und deren Arbeit tatsächliche Verbesserungen für alle Stakeholder bringt – das würde man sich auch für Wien wünschen.

Internationale Vorbilder

adji dieye, maggic cube, 2019 © adji dieye

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Schon vor den Veranstaltungen der Initiative N8BM, die letztlich in eine Petition an die Stadt mündeten, parallel dazu und auch danach hat sich in der Sache einiges bewegt. So haben etwa die in Wien mitregierenden Grünen (neben den Neos deutlichste BefürworterInnen dieser Bestrebungen) in mehreren Gesprächsrunden mit SzenevertreterInnen Handlungsfelder ausgearbeitet, eines davon eben die angestrebte Einrichtung einer Servicestelle für Events und Venues. Eine weitere Initiative mit dem klingenden Namen »IG fort« hat sich darum bemüht, die Anliegen der Szene zu formulieren, und – gefördert von der Stadt – haben die beiden ehemaligen The-GapChefredakteurInnen Stefan Niederwieser und Yasmin Vihaus im »Forschungsbericht Clubkultur Wien« den Status quo ausgelotet – die Probleme, mit denen VeranstalterInnen konfrontiert sind, die Rolle der mehr als 50 Stakeholder, aber auch erfolgreiche internationale Vorbilder für Club Commissions und Night Mayors.

Der Dezember brachte schließlich Bewegung in die Sache: Mit 290.000 Euro aus den Mitteln der Kulturabteilung der Stadt soll unter dem neutralen und mit breiter Wertschätzung ausgestatteten Dach des Mica – Music Austria in den nächsten zwölf Monaten die Entwicklung einer Anlauf- und Vermittlungsstelle erfolgen. Am schönen, aber nicht für alle verträglichen Namen Nachtbürgermeister sollte es nicht scheitern, weshalb nun eben stattdessen die Vienna Club Commission ins Leben gerufen wurde. Mit dabei sind in der Anfangsphase neben Mica-Chefin Sabine Reiter noch Martina Brunner, die Gründerin der Initiative N8BM, der Veranstalter Laurent Koepp (Tanz durch den Tag, Aufwind Festival) und Stefan Niederwieser. Deren Aufgabe in erster Linie: die Erhebung des Ist-Zustands und der konkreten Nutzung sowie des darüber hinausgehenden Bedarfs bezüglich städtischer Services für ClubbetreiberInnen und VeranstalterInnen. Und, daraus abgeleitet, die Organisationsentwicklung für die neue Schnittstelle zwischen Clubs, AnrainerInnen, Behörden und Politik. Wie viel es den Beteiligten bringen kann, wenn Problemlösungen gemeinsam erarbeitet werden, zeigen die internationalen Beispiele: größeres gegenseitiges Verständnis, weniger Lärmbeschwerden, einfacher nutzbare Freiräume, gesicherte Standorte. Und sie zeigen überdies, dass Clubkultur und Nachtwirtschaft das Potenzial haben zu wachsen – auch als wirtschaftlicher Faktor, den die Wirtschaftskammer Wien aktuell mit 440 Millionen Euro Bruttowertschöpfung beziffert. Von ihrer Relevanz für Lebensqualität, das kulturelle Angebot und Wien als Musikstadt ganz zu schweigen. Es bleibt zu hoffen, dass die EntscheidungsträgerInnen dem trotz des bevorstehenden Wahljahres Rechnung tragen und bereit sind, die Vienna Club Commission breit aufzustellen. Was auch hieße, Mittel dafür nicht nur aus dem Kulturtopf zuzuweisen, denn auch Bereiche wie Wirtschaft, Tourismus, Stadtentwicklung oder Diversität böten hier deutliche Anknüpfungspunkte. fronhofer@thegap.at @posernerd

Florian Auer

Leitartikel Kein Nachtbürgermeister, eine Club Commission

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Promotion

Dein Klima ist mein Klima

Keine Person bei Verstand würde heute noch den Klimawandel leugnen. Wetter und Jahreszeiten verändern sich, Naturkatastrophen werden zu alltäglichen Headlines – die Notwendigkeit, sich mit der Beschaffenheit unseres Heimatplaneten auseinanderzusetzen, ist uns allen bewusst. Die Sonderausstellung »Klima & Ich« im Haus für Natur im Museum Niederösterreich thematisiert genau diese Notwendigkeit – aber praktisch umsetzbar.

Klimaschutz im Alltag Die interaktive Ausstellung integriert Handson-Stationen, die den ForscherInnengeist und die Neugierde der AusstellungsbesucherInnen wecken. Wie wir Klima-Aktivismus in den Alltag integrieren können, passt thematisch auch gut zum Rest der Dauerausstellung im Haus für Natur, wo BesucherInnen durch die Lebensräume Niederösterreichs – vom Donaubecken bis zum Gletscher – wandern. »Klima & Ich« wird in Kooperation des Hauses für Natur im Museum Niederösterreich mit der Abteilung Umwelt- und Energiewirtschaft sowie der Energie- und Umweltagentur des Landes Niederösterreich von 22. März 2020 bis 7. Februar 2021 gezeigt.

Fotos: Thaut Images - Fotolia, Daniel Strauch - Fotolia, Jürgen Fülchle - stock.adobe.com,

Die Sonderausstellung »Klima & Ich« im Haus für Natur im Museum Niederösterreich zeigt auf, was jede/r von uns tun kann.

Sonderausstellung „Klima & Ich“ im Haus für Natur im Museum Niederösterreich Kulturbezirk 5, 3100 St. Pölten Alle Infos unter www.museumnoe.at

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Charts Zanshin TOP 10

Lady Bluetooth Hedy Lamarr

Frequenzen 01 1 Hz 02 50 Hz 03 440 Hz 04 445 Hz 05 442 Hz 06 443 Hz 07 432 Hz 08 32.7 Hz 09 20 kHz 10 44,1 kHz

TOP 03

Schallgeschwindigkeit in Festkörpern 01 20.000 m/s (Graphen) 02 18.000 m/s (Diamant) 03 16.200 m/s (Bor) Auch nicht schlecht: Der singende Busch (in »Die drei Amigos«)

Bis 10. Mai 2020 Judenplatz 8, Wien 1 · So–Do 10 – 18 Uhr, Fr 10 – 14 Uhr · www.jmw.at

Zanshin (Gregor Ladenhauf) ist Teil des Duos Ogris Debris und als Producer sowie DJ tätig. Beim Elevate Festival in Graz wird er Anfang März gemeinsam mit Dorian Concept den Max-Brand-Synthesizer zu neuem Leben erwecken.

Kultur

Hedy Lamarr, Starportrait zu „The Heavenly Body“ (1944), Metro-Goldwyn-Mayer, Foto: Laszlo Willinger (Anthony Loder Archive)

Wer schreibt Geschichte? Und wer entscheidet, was davon vererbt wird? Das Reflektieren der gesellschaftlichen Strukturen, die uns seit jeher formen, hat mit dem Aufkommen der aktuellen Welle an Social Consciousness stark an Momentum gewonnen. Das Symposion Dürnstein, das sich seit 2012 solchen gesellschaftspolitischen Fragen widmet, fokussiert von 5. bis 7. März auf das »Menschheitserbe« zwischen Kultur, Natur und Identität. Wer die kulturelle Deutungshoheit über historisch Gewachsenes hat und wem die Zukunft gehört, wird bereits am Eröffnungspodium diskutiert. Unter anderem Franziska Marhold, Vertreterin der »Fridays For Future«-Bewegung, macht dabei den Anfang für das dreitätige Symposion im Stift Dürnstein in der Wachau. Nähere Informationen unter: www.symposionduernstein.at

TOP 10

Gescheiterte Beziehungen 01 Kate Moss + Jamie Hince 02 Carmen Electra + Dave Navarro 03 Dita von Teese + Marilyn Manson 04 Lisa-Marie Presley + Nicholas Cage 05 Holly Madison + Bridget Marquardt + Kendra Wilkinson + Hugh Hefner 06 Britney Spears + Justin Timberlake 07 Sandra Bullock + Ryan Gosling 08 Mausi + Richard Lugner 09 Sarah Jessica Parker + Robert Downey Jr. 10 #megxit

TOP 03

Bromances 01 Bill + Ted 02 Wayne + Garth 03 Gollum + Ring Auch nicht schlecht: Das Foto von Alexander Skarsgård am Klo am Südpol. Nackt. Ein Buch lesend. That’s what WWW is for!

5.– 7. März 2020

ERBSCHAFTEN: KULTUR NATUR IDENTITÄT

Charts Sarah Gerstmayer

SYMPOSION DÜRNSTEIN

Die gebürtige Linzerin Sarah Gerstmayer ist seit Jahresbeginn zuständig für Sales & Marketing bei The Gap und beim Festival Waves Vienna.

Andreas Waldschütz, Sarah Gerstmayer

Foto: Klaus Ranger

Wessen Geschichte eigentlich? Symposion Dürnstein zu »Erbschaften: Kultur Natur Identität«

POLITIK l RELIGION & PHILOSOPHIE

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betrachtet die hiesige Modeszene Stück für Stück

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Einteiler A Coat For All Occasions

Fabian Gasperl

Andreas Waldschütz, Sarah Gerstmayer

Gabriel Roland

»Bro do you wanna be seen or not« – diese Frage stellt das Internet in einem inzwischen ikonischen Bild dem darauf abgebildeten Mann. Er trägt eine neongelbe Jacke mit Reflektorstreifen – an sich kein außergewöhnlicher Anblick in einem Zeitalter, das ständische Kleidervorschriften gegen Health-and-Safety-Regeln eingetauscht hat. Dazu hat der Mann eine Cargohose in Camouflagemuster angezogen. Auch das ist keine allzu aufsehenerregende Wahl, die uns von der postmodernen Freiheit und Beliebigkeit gleichermaßen bereitwillig wie gleichgültig zugestanden wird. Es ist natürlich die Kombination der beiden Kleidungsstücke, die zu der belustigten Frage führt, ob der Mann denn nun gesehen werden wolle oder nicht. Schnippisch gibt man vor, nicht erkennen zu können, auf welche Funktionalitäten seines Gewandes und damit einhergehende Identitätskonstrukte er denn nun abziele. In weiterer Folge wendet sich die Frage sokratisch gegen die Betrachtenden und weist sie auf unser bisweilen erratisches Bekleidungsverhalten hin. Mit diesem Bild aus dem Internet hat der hier abgebildete Mantel zuvorderst einmal nichts als die Neonfarbe gemeinsam, eine der jüngeren Entwicklungen in der Welt der Farben, die wir in erster Linie mit Workwear und

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in Autositztaschen gestopften Warnwesten verbinden. Der Schnitt hingegen ist Anleihe aus einer Zeit, in der weder lustige Bilder aus dem Internet noch Neonfarben oder Autos ein Thema gewesen wären: Er entstammt der Welt des Hanbok, der historischen Tracht der koreanischen Halbinsel. Genauer gesagt handelt es sich um eine Version der Jeogori genannten Jacke, die in verschiedenen Ausführungen über mehrere Jahrhunderte wichtiger Teil der Oberbekleidung von sowohl Frauen als auch Männern war. Im Unterschied zu Internet, Autos und Neon waren Arbeit und Arbeitskleidung sicher auch schon im alten Korea Themen. Wie es die Entwicklung einer Tracht von einer durch die Umstände vorgegebenen Alltagskleidung zu einem ethnischen Symbol und schließlich zu einem historischen Versatzstück aber nun einmal will, sind an einem gewissen Punkt anstatt der einst überwiegenden Kleidung für körperliche Arbeit nur mehr Festtagstrachten und Varianten der Oberschicht übrig. An dieser Stelle schreitet Hansol Kim, der Designer des Mantels, ein: nicht rekonstruktiv, indem er versucht, historische Formen koreanischer Arbeitskleidung auszuforschen und als Gegenprogramm zum bestehenden nationalen Kostüm wiederzubeleben, sondern innovativ.

Er verknüpft die Charakteristika des Jeogori – die einfache geometrische Konstruktion und den asymmetrischen Verschluss – mit Material, das zeitgenössischer kaum sein könnte, zu einer über die einzelnen Teile hinausdeutenden Synthese. Die identitätspolitische Aufladung von Trachten und Uniformen (womit wir wieder bei der Camouflage wären) ist evident. Bei Arbeitsgewand neigen wir hingegen dazu, funktionalistisch zu denken und symbolische Ebenen oder Identifikationsmuster auszublenden. Hansol Kims Kittel erinnert uns daran, dass das kurzsichtig ist. Und er beweist, dass der spannendere Weg oft derjenige ist, der das Entweder-Oder ignoriert und umgeht. Gesehen werden oder versteckt bleiben, grell oder einfach, zurück oder nach vorne, Funktion oder Identität – wer den Kittel trägt, muss sich nicht entscheiden.. roland@thegap.at • @wasichgsehnhab Wer Hansol Kims Arbeit, aktuell etwa eine Kollaboration mit der Weberin Marie Kopiske, verfolgen will, kann das auf Instagram unter @hansoriktm tun. Für das Kieler Label No Talent hat er einen auf Hanbok aufbauenden Mantel entworfen, der über www.no-talentshop.org erhältlich ist.

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Astrid Exner

beschäftigt sich hier mit den großen und kleinen Fragen zu Feminismus.

Ich nehme die Pille, weil ich Endometriose habe. Die chronische Erkrankung, bei der sich Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutterhöhle ansiedelt – in The Gap #177 habe ich darüber geschrieben – kann während der Periode extreme Schmerzen verursachen und betrifft Schätzungen zufolge jede zehnte Frau. Trotzdem vergehen im Schnitt sieben Jahre bis zur Diagnose. Auch meine Regelschmerzen wurden lange nicht ernst genommen, weil es anscheinend als junge Frau nicht reicht, von Kreislaufproblemen, Krankenstandstagen und explosive diarrhea zu berichten. Dabei bauen die Gebärmutterkontraktionen von Frauen mit Regelschmerzen Druck in einer Größenordnung auf, die mit Presswehen vergleichbar ist – nur dass dieser bei Regelschmerzen in noch kürzeren Abständen auftritt. Darum habe ich mich für die Minipille entschieden, um meine Periode zu unterdrücken. Das ist zwar nur eine symptomatische Behandlung, aber dennoch ein Segen – zumindest für Frauen ohne aktuellen Kinderwunsch.

Verhütungstrends Dankbar löse ich also jeden Tag eine Tablette aus dem Blister und spüle sie mit einem Schluck Wasser runter. Damit liege ich nicht im Trend: Der vom Wiener Gynmed Ambulatorium herausgegebene Österreichische Verhütungsreport 2019 stellt seit mehreren Jahren einen Rückgang in der Anwendung hormoneller Methoden zur Empfängnisverhütung fest. Sie ist innerhalb von sieben Jahren von 60 % auf 48 % gesunken. Fast zwei Drittel der befragten Frauen empfinden hormonfreie Verhütung als wichtig. Ihnen geht es dabei vor allem um die Sorge vor Nebenwirkungen (37 %). Seit sie 1960 auf den US-Markt kam, haben Frauen die Möglichkeit, mithilfe der Pille selbst zu entscheiden, ob und wann sie Mütter werden wollen. Die Pille zu nehmen war ein bahnbrechender Akt der Selbstbestimmung. Wer aber bereits mit diesem Selbstverständnis aufgewachsen ist, kann freilich hinterfragen, ob das,

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was früher bahnbrechend war, noch immer eine uneingeschränkte Daseinsberechtigung hat. Dabei geht es genauso sehr um die lange geduldeten Nebenwirkungen der Hormone wie um die Frage, warum eigentlich die lästige Verantwortung bei den Frauen liegt. Wo bleibt die Pille für den Mann, die schon seit Jahrzehnten just around the corner ist? Erschreckende 45 % der für den Verhütungsreport befragten Männer sagen: »Das lässt sich nicht ändern und deshalb nützt es auch nichts, darüber nachzudenken.« Eine dermaßen stark verbreitete Ignoranz unter den Penisträgern der Bevölkerung wird zurecht kritisiert und die Pilleneinnahme verstärkt medial abgelehnt.

Selbstbestimmung! Die ehemalige The-Gap-Autorin Nicole Schöndorfer zum Beispiel streitet auf Twitter und mit einem Podcast reichweitenstark gegen das Patriarchat. In einem Blogpost bezeichnet sie das Absetzen der Pille als »die beste Entscheidung meines Lebens«. Charlotte Roche empfiehlt im Süddeutsche Zeitung Magazin allen Frauen: »Hört auf, euch damit kaputt zu machen.« Die Zeit beschreibt die Entscheidung gegen hormonelle Verhütung als »Befreiungsschlag«, ihre Verlagsschwester Ze.tt formuliert es zielgruppengemäß knackiger: »Schmeiß die Pille in den Müll und wein ihr keine Träne nach.« Im transkulturellen Wiener Magazin Biber schließlich heißt es: »Das Absetzen der Pille erscheint vielen als logische Begleiterscheinung zum selbstbestimmten, gleichberechtigten Leben als Frau.« Was für eine Umkehrung des Verhältnisses zwischen der Pille und dem Stichwort Selbstbestimmung! Das gibt mir natürlich zu denken. Wäre die Minipille für mich reine Empfängnisverhütung, würde ich vielleicht auch auf andere Mittel umsteigen. Weil es mir aber um den Nebeneffekt geht, schlucke ich die bittere Pille mangels Alternativen weiter. Auch wenn es die Autorin und Pillengegnerin Sabine Kray im Interview mit Spiegel Online treffend formuliert: »Eine

flächendeckende Behandlung von Menstruationsbeschwerden mit Hormonen ist, als würde man mit Kanonen auf Spatzen schießen.« Bevor sich hier jemand spontan von Charlotte Roche die Pille schlechtreden lässt, zahlt es sich aus, sich umfassend von ExpertInnen über hormonelle Verhütung informieren zu lassen. Wer »Darm mit Charme« verschlungen hat, wird auch mit den Ärztinnen Nina Brochmann und Ellen Støkken Dahl eine Freude haben. In »Viva la Vagina!« erklären sie in leicht verständlicher Sprache das weibliche Geschlecht und verteidigen im Laufe des Buchs auch die hormonelle Verhütung. Wer nicht so gerne liest, kann in der Netflix-Miniserie »Sex, Explained« einiges über die Geschichte, Kontroversen und Wirkungsweisen verschiedener Verhütungsmittel lernen, und zwar – absoluter Bonus – von Janelle Monaé eingesprochen. Wer nun auf den Geschmack gekommen ist und noch mehr Zahlen und Fakten zur Lage der Frauengesundheit möchte, ist mit dem Sachbuch »Invisible Women« von Caroline Criado Perez bestens bedient. Darin zeigt sie die alarmierend strukturelle Benachteiligung von Frauen in einer zunehmend datenbasierten Welt auf. Von Schneeräumung, Toiletten und Arbeitsplätzen bis hin zu Crashtest-Dummys, Katastrophenhilfe und natürlich Medikamententests gibt es nahezu keinen Bereich, in dem nicht auf die Hälfte der Bevölkerung vergessen wird, weil überall ein 70-KiloMann als Durchschnittsmensch herhalten muss. Feminismus hat das Ziel, allen Frauen* größtmögliche Entscheidungsfreiheit zu sichern. Das bedeutet in diesem Fall nicht, allen die Pille zu verkaufen oder sie umgekehrt als unfeministisch darzustellen. Echte Selbstbestimmung lässt es Paaren und Singles offen, welche Verhütungsmethode sie anwenden. Dazu braucht es niederschwellige Information und vor allem ausreichend (sichere!) Alternativen. Und zwar unbedingt auch welche, die es Männern ermöglichen, die Verantwortung zu übernehmen. exner@thegap.at @astridexner

Michael Exner

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Gender Gap Eine bittere Pille

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L A V I T S E F T E G I SZ ! 0 2 0 2 R E N W O SUND 5. bis 11. August aberand Of Freedom«, wenn von mmen, um friedlich zu »Isl zur der wie 0 202 h st wird auc ammenko Die Donauinsel in Budape dern am Sziget Festival zus The Gap freuen uns, aberhundert verschiedenen Län von aus Wir . hen sik nsc Mu Me die de ch sen ürli tau und nat dt entsenden die Vielfalt, den Sommer in die ungarische Hauptsta feiern – das Miteinander, sam mit euch eine Band ein l sehen? gem tiva Fes und 4 get FM Szi io am Rad auf der Europe Stage ihr mals in Kooperation mit et cht mö s Act n rte fünf nominie zu können. Welchen der

Rockstar Photographers, Olesya Parfenyuk, Stefan Plank, Rupert Höller, Alexander Gotter, Ina Aydogan

Michael Exner

EN DEN H C U S 4 M F D N U P A THE G

ALICIA EDELWEISS Performative Kunst und Zirkusmotive sind fester Bestandteil der Live-Auftritte von Alicia Edelweiss, die man unter anderem als Akkordeonistin von Voodoo Jürgens’ Band Ansa Panier kennt.

Von 6. April

ANGER Mit »Baby« ist dem Südtiroler Duo ein FM4-Hit gelungen. Auch der Rest ihrer teils gerappten, deutsch-englischen Popsongs überzeugt. Anger sind die GewinnerInnen des XA-Export-Awards.

GOOD WILSON Vier Gesichter, die man als FreundIn österreichischer Musik schon aus anderen Bands kennt. Mit ihrem eigenen Genre Skygaze spielen sich Good Wilson in die Herzen des zeitgenössischen Indie.

SOIA LOU ASRIL Beim Amadeus Award, am Popfest, auf unserem Cover – den 19-jährigen Lou Asril sieht man seit seiner Debütsingle »Divine Goldmine« überall. Softer R&B mit starken Lyrics.

thegap.at/sziget2020 bis 13. April könnt ihr unter

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2018 spielt Soia am SXSW, 2019 schenkt sie uns ihre LP »Where Magnolia Grows«. Selbstbestimmte Lyrics und souliges Songwriting machen sie zu einer wichtigen female voice in Österreich.

mmen.

für eure FavoritInnen absti

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So eine soulige Stimme hat es in der österreichischen Musiklandschaft lange nicht gegeben und auch das distinkte, zurückgenommen-moderne visuelle Konzept ist herzlich willkommen. Lou Asril bringt im März seine erste Mini-LP heraus. Ein guter Anlass, um sich mit dem knapp 20-Jährigen zu treffen und ihn ein wenig auszufragen: zu seiner Musik, zu seinen Texten und zu seinen Zukunftsplänen. ———— »Ist er das?« Das Gesicht des jungen Mannes lässt sich unter einer Wollmütze kaum ausmachen, als er das Café Goldegg betritt. Es ist ausschließlich sein suchender, durch das Kaffeehaus schweifender Blick, der sicherstellt, dass es Lou Asril ist, der da hereingekommen ist. Er kommt gerade aus Berlin. In seinem Fall bedeutet das, er hat eine etwa zehnstündige Fahrt mit einem Fernbus hinter sich. Seiner Laune scheint das keinen Abbruch getan zu haben. Er lacht viel und scheint ehrlich interessiert an Fragen zu sich und vor allem zu seiner Musik. Im Verlauf des Gesprächs bekommt man dadurch auch ein Gefühl dafür, wann man eine Frage gestellt hat, die ihn in seinem grauen Hoodie zum Grübeln bringt. Wie ein typischer Tag in seinem Leben aussehe, oder eine Arbeitswoche? Beides gebe es nicht, antwortet Lou Asril. Jeder Tag sei anders. Dass er einen geregelten Tagesablauf, oder einen prototypischen Alltag schon län-

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Anna Breit

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Lou Asril, The Next Big Thing

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»From Seidasten to Hollywood«

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Für unser Fotoshooting wurde Lou Asril vom Wiener Concept Store Park ausgestattet (Hose von Ann Demeulemeester, Jacke von Ader Error).

ger nicht mehr habe, scheint ihn aber nicht zu stören. Im Gegenteil: »Ich brauche immer relativ viel Veränderung. Es ist ziemlich gut, wenn jeden Tag etwas anderes zu machen ist«, sagt er mit einem Lächeln im Gesicht.

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Ein Hype ward geboren Man kann sehr schnell mal vergessen, dass Lou Asril eigentlich noch recht jung ist. Das ging einem schon beim Erscheinen seiner Debütsingle »Divine Goldmine« so, mit der er ziemlich umgehend zu überraschen wusste. »I love it when your body shakes to the beat«, raunt er darin in tiefer Stimmlage ins Mikrofon. Diese soulige Stimme, dieser erwachsene Sound – das sollte die Musik eines gerade mal 19 Jahre alten jungen Mannes sein? Jedweder aufkommende Hype erschien berechtigt und manifestierte sich in über 200.000 YouTubeKlicks (Stand Februar 2020) für das simple wie effektive Video, das sein Gesicht in Sinéad-O’Connor-Manier fast ausschließlich als Großaufnahme in verschiedenfarbigem Licht zeigt, sowie in einer FM4-Chartsplatzierung, schlussendlich gar ein dritter Platz in deren Jahrescharts 2019. Warum, glaubt er selbst, ist er derart in die österreichische Musikszene eingeschlagen? Wie erklärt sich Lou Asril seinen Erfolg? Er tut es nicht. »Es gibt keinen Grund, warum ich mir jetzt die Vergangenheit erklären muss, wenn ich auch einfach weitermachen kann«, sagt er. Und so scheint sein Blick eigentlich immer weiter nach vorne gerichtet auf das, was er als nächstes plant. Die Liste, was er so alles macht, ist dabei schon jetzt ziemlich lang. Auf einen Auftritt bei den letztjährigen Amadeus Austrian Music Awards folgt ein Set auf der Seebühne des Popfests. Den gut besuchten Gig hält er in besonderer Erinnerung: »Dadurch, dass wir die Energy vom Publikum und die Neugier gespürt haben, war es für uns umso mehr besonders. Wir sind einfach fokussiert auf die Bühne gegangen und haben gesagt: Wir machen jetzt das Geilste daraus. Und dann war’s voll geil.« Er fängt an zu lachen. Mit Musik ist Lou Asril schon früh in Berührung gekommen. Als Kind schreibt er Popsongs mit illustren Namen wie »Summer Sunshine«. Seine Eltern sind beide klassische MusikerInnen und sie waren es auch, die ihn von Anfang an in seinen musikalischen Bestrebungen unterstützt haben, aber auch darauf hinwiesen, dass es gut sein könnte, einen Plan B zu haben, falls es mit der Musik nichts wird. Den hat Lou Asril aber nicht: »Sonst fange ich halt an zu kellnern. Aber: It’s the only plan«.

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Anna Breit

Musik! Kein Plan B

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Lou Asril besuchte am Bundesoberstufenrealgymnasium Linz den Zweig für Popular- und Computermusik und war dort Mitbegründer einer Band. Angefangen hat das – ziemlich klassisch – mit einem Coverprogramm, das zum Beispiel auf Hochzeiten gespielt wurde, um damit erstes Geld zu verdienen. Mit der Zeit wurde dann aber auch eigene Musik geschrieben. Auch in Lous persönlicher musikalischer Weiterbildung geht es voran. Mit 17 gewinnt er den Joe-ZawinulAward, einen Nachwuchspreis, der es ihm ermöglicht, in Musikstudios in Los Angeles seinen Horizont zu erweitern. Wie betrachtet Lou selbst seine musikalische Ausbildung? »Natürlich hat mir das BORG und Unterricht generell viel weitergeholfen, auch zum besse-

»Sexy bedeutet für mich, sich frei und confident zu fühlen«. Die Männlichkeit bringt er ins Spiel, um damit eine Verbindung herzustellen. An klassischen Narrativen vom Mann, der begehrt, und der Frau, die begehrt wird, hat sich schließlich wenig verändert – weder in der Populärmusik noch in anderen massentauglichen Kunstformen. »Es ist eine Kombination, die nicht so oft gebracht wird. Ich wollte das mal so in den Raum stellen«, erklärt er. Es ist auch genannter Song, in dem Lou die Zeilen »I like to smile when I see your face« und »I like to cry at a private place« gegenüberstellt. Eine Aussage, die ebenfalls kaum in einen solchen Zusammenhang gestellt wird – mit »Männlichkeit« im Allgemei-

ren Verstehen. Wirklich gelernt habe ich aber durchs Musikmachen, würde ich sagen. Das andere war eine Hilfestellung, um den Sachen besser auf den Grund zu gehen«. Spätestens als es in der Musik als Karriereweg durch Gespräche mit dem Label Ink Music ernster wurde, verlagerte sich der Fokus auf Lou Asril als Solokünstler. Und auch wenn er den ehemaligen Bandnamen lieber unter Verschluss halten will (»Das lass ma mal«), mit von der Partie sind mehrere der Bandmitglieder trotz alledem noch immer – als Teil der ihn begleitenden Liveband.

Weinen macht glücklich Den Namen des Musikprojekts Lou Asril werden bald noch mehr Menschen kennenlernen. Im März soll seine erste Mini-LP erscheinen. Die drei bereits veröffentlichten Songs »Divine Goldmine«, »Soothing Moving« und »Friek« sind darauf zu hören, ebenso wie drei neue Songs. »I like to be sexy and a man« – so beginnt einer der neuen Tracks, »Safe And Complete«. Sexyness spielt damit in Lou Asrils Männlichkeitsbild zwar eine tragende Rolle, doch er definiert sie trotzdem in Teilen transgressiv.

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»Leben ist für mich, verschiedene Emotionen zu erleben und zu fühlen.« — Lou Asril

nen eher selten und mit »männlicher Sexyness« im Speziellen erst recht nicht. Dabei sei es ihm mit der Textzeile vor allem darum gegangen, ehrlich darüber zu reden, dass er gerne weint. »Das sagt man halt auch nicht so oft«, erklärt er. »Danach fühl ich mich leichter. Es macht mich glücklich. Leben ist für mich, verschiedene Emotionen zu erleben und zu fühlen.« Warum ihn das Weinen glücklich macht, erklärt er außerdem mit dem damit einhergehenden Lerneffekt und dem daraus folgenden Gefühl von Empowerment. »Ich kann sehr viel daraus lernen, weil ich ein sehr selbstreflektierter Mensch bin und mich damit auch weiterentwickle. Am Arsch sein für zwei Wochen, aber dann zehn Mal stärker zurückkommen und einen Song darüber schreiben«, sagt er und beginnt zu lachen. Beim Songwriting geht es ihm allerdings vordergründig auch nicht unbedingt darum, konkrete Messages zu verbreiten. »Es ist eher ein Gefühl, das ich transportieren möchte«, beschreibt er seine Herangehensweise. Bei seiner Single »Friek« ist die leitende Emotion vor allem ein Mantra der Selbstermächtigung: »I can do what I ever wanna do / I can love who I ever wanna love / I can speak how I ever

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Die österreichische Fotografin Anna Breit hat Lou Asril im Wiener Währinger Park und auf einer hübschen leerstehenden Abrissfläche abgelichtet. Am 13. März wird Lou Asril 20 Jahre alt – und sein Debütalbum veröffentlicht.

wanna speak / Hit the flow ready steady go / Be your own friek«, singt er darin. Im dazu erschienenen Musikvideo ist er mit verbundenen Augen zu sehen. Die langen Tücher, die sich um seinen Kopf schlingen, erscheinen wie Fesseln. Dazwischengeschnitten sind Aufnahmen, wie er schlussendlich in die Luft emporgehoben wird. Seinen eigenen Stil beschreibt Lou als »minimalistisch, detailliert, aber trotzdem groß«. Die Bebilderung seines künstlerischen Schaffens ist für ihn ein wichtiger Teil seiner Gesamtinszenierung, die er in kollaborativen Arbeitsprozessen konzipiert: »Ich mag es gerne, mit verschiedenen Leuten zusammenzuarbeiten, sowohl musikalisch, als auch anderweitig. Und egal ob es Coverart oder Video ist, ist das immer irgendwie anders. Es ist aber eine Art für mich, wie ich Sachen lerne. Zwischenmenschlichkeit inspiriert mich.« Oder direkter ausgedrückt: »Wie denkst du? Vielleicht machen wir was daraus.«

Über Sex schreiben

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sich diese Themen so verhandeln lassen, dass sie für Interpretationsspielraum und die Möglichkeit zur Vereinnahmung durch die HörerInnenschaft geöffnet werden. So auch seine einfache Antwort: »Also ich schreibe sehr viel über Sex und das ist etwas sehr Universelles.«

Sujets neu erfahren Auch für ihn selbst gibt es immer wieder einen Transformationsprozess mit den eigenen Songs. So beschreibt Lou auch, wie er selbst nach dem Schreiben eines Songs wieder in eine Rolle zurückfindet und darin verhandelte Sujets neu erfährt. Das ist vor allem auch vor dem Hintergrund interessant, dass der Entstehungsprozess der jetzt erscheinenden Mini-LP teilweise bereits vor vier Jahren begann. Stellt sich also die Frage, ob mit einer Veröffentlichung auch die Thematik, auf die in einem Song Bezug genommen wird, in irgendeiner Weise fertig zerdacht erscheint. »Immer, wenn ich zu einem nächsten Song gegangen bin um den fertigzuproduzieren, hat sich das Thema, das ich mit dem Song verbunden habe, wieder präsenter in mein Leben

gestellt. Das war interessant zu beobachten«, erklärt Lou. »Ich würde jetzt nie sagen, dass etwas abgeschlossen ist, weil es trotzdem ein Gefühl ist, dass ich in mir drin habe, und ich kann kein Gefühl loswerden. Ich kann es neu interpretieren und von einer anderen Seite betrachten, aber im Prinzip schließe ich nie damit ab.« Und so steht Lou Asril permanent im Studio, um Musik zu produzieren. Kein Plan B, als sei er getrieben davon, sich musikalisch auszudrücken: »Musik mache ich nur für mich. Ich kann gar nicht sagen, dass es mir guttut. Es ist einfach das Einzige, was ich tue – wirklich. Ich mach nichts anderes.« Das erklärt auch, warum er sich nur peripher mit dem eigenen Erfolg auseinandersetzt oder in Tagträumen für die Zukunft verfängt. Er mache einfach weiter, »dann sehe ich eh, was passiert«. Oliver Maus

Lou Asrils erste Mini-LP erscheint am 13. März bei Ink Music. Auf sein nächstes Livekonzert am 12. März im WUK folgen diverse Österreichtermine.

Anna Breit

Dass die Texte dabei trotzdem Vielschichtigkeit anstreben, ist kein Zufall, sondern Teil des Prozesses. Dabei entsteht ein Gegensatz aus der Impulsivität, mit der er schreibt, gegenüber dem interpretierbaren Output. »Ich überlege zwar sehr viel, aber ich schreibe auch sofort auf, was rauskommt und versuche danach, verschiedene Bedeutungen zu finden, damit das nicht auf eine Sache beschränkt ist.« Das kommt womöglich auch daher, dass Lou selbst von Zeit zu Zeit Songs und deren Texte auf sein eigenes Leben bezieht. »Manchmal geht’s mir scheiße und ich höre einen Satz in einem Song und denke mir: Ha, Karma! Oder: Schicksal! Oder so was«, erklärt er lachend. Dass er in seiner Musik Männlichkeitsbilder und Gefühlschaos streift, sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in seinen Songs vor allem viel um Sex geht. In »Safe And Complete« zum Beispiel mit der Aufforderung » If you want it / When you got it / Show it, do me tonight / If you want it / Come and get it«. Auch der Song »Heaven« ist im Kern ein tagträumerisches Begehren. Und im Closing Track »Som Som« besingt Lou einen Daddy, den er King Kong nennt. Lou Asril sieht diese thematische Schwerpunktsetzung dabei vor allem in einem direkten Zusammenhang mit der »Relatability«. Dadurch, dass sein Songwriting in erster Linie Selbstreferenz eigener Erlebnisse, Erfahrungen und Gefühle ist, stellt sich ja die direkte Frage, wie

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Ausbruch aus der Filterblase

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Leonardo Scotti / Fresh Max: »(Ohne Titel)«, 2019. Foto: Leonardo Scotti The_Gap_179_012-049_Story_FIN_KORR.indd 19

»Approximation« ist ein mathematischer Begriff für den physikalischen Prozess der Annäherung einer Kurve an eine Gerade. So nähern sich auch Musik und visuelle Kunst sowie deren SchöpferInnen in einer gleichnamigen Sammelausstellung im Museumsquartier Wien an einander an. ———— »Diese kalte Welt braucht mehr Approximation, weil es gibt nur eine Culture, und die kennt keine Nation«, lautet eine Zeile in »LED Go« von Bilderbuch. Der Song findet sich auf dem zuletzt erschienen Album der Band, »Vernissage My Heart« (2019). Jetzt folgt als logische Konsequenz auf die Vernissage die Ausstellung, deren »Heart« das Aufbrechen altbekannter Konzepte und die Freude am gemeinsamen Schaffen, an gegenseitiger Inspiration ist. Das kennt man von Bilderbuch: musikalische und optische Querverweise, (Stil-) Zitate unterschiedlicher Zeiten und Genres, die sie sich in der Gegenwart zu eigen machen, die Wandelbarkeit als scheinbar einzige Konstante. In diesem Kontext sind auch die Frisuren der Bandmitglieder zu verstehen, bei denen es niemals einfach nur um Haare geht: Als sie ihren Durchbruch hatten, fungierte der wasserstoffblonde Schopf von Maurice Ernst als wichtiges identitätsstiftendes Element. Der Wechsel zu Dunkelbraun markierte dann den Beginn einer neue Ära, die Cornrows seiner Kollegen waren Gegenstand von Diskussionen und fanden ihre NachahmerInnen. In der Aufnahme von Leonardo Scotti vom Hinterkopf des Gitarristen Michael Krammer kommt nun wiederum einiges zusammen: Die Liebe des Fotografen für die Perspektive von hinten mit gewohnt greller Optik und dem Rave-Smiley, stellvertretend für eine ganze Epoche. Man begegnet sich über die zeitgenössische Fotografie irgendwie, irgendwo und irgendwann in der Gegenwart. Den Rasierer schwang in diesem Fall der Wiener Künstler Fresh Max, der auch, dem Prinzip der Vielstimmigkeit folgend, zusammen mit der Band und dem Berliner Kulturpublizisten Jannik Schäfer für die Entwicklung des Ausstellungskonzeptes verantwortlich ist. Im Sinne des Bilderbuch-Popbegriffes, der weit über ein rein musikalisches Verständnis hinausgeht, wird nun diesem kreativen Austausch auf visueller Ebene gehuldigt: Gezeigt werden Arbeiten verschiedener KünstlerInnen, die sich mit der Band für Albencovers oder Videos auf Annäherungen eingelassen haben, darunter etwa Werke von Mafia Tabak. Der Künstler gestaltete das Artwork für »Vernissage My Heart«, sowie Teile der Requisite für die Videoauskoppelung zum Song »Frisbeee«, bei der Handgemaltes abgefilmt wurde – digital und analog sind sowieso längst keine eindeutig trennbaren Kategorien mehr. Viele der Exponate sind Ergebnisse des Zusammenspiels unterschiedlicher künstlerische Positionen, die oftmals ganz spezifische Sichtweisen auf die Welt sind. Die resultierende Bilderwelt von Bilderbuch wird als kollaboratives Gesamtkunstwerk präsentiert, das sich einer eindeutigen Stilverortung entzieht und sich aus der Zusammenarbeit vieler Menschen speist. Fans wiederum können sich dem Ausstellungsraum als Erfahrungsort der Band nähern und ihre gewohnten Wahrnehmungen vom Kosmos Bilderbuch erweitern – auf das große Ganze, wo alles mit allem irgendwie zusammenhängt. Pia Gärtner

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Approximation Annäherungsversuche an Bilderbuch

Die Ausstellung »Approximation by Bilderbuch« ist von 28. Februar bis 20. August im Frei_raum Q21 Exhibition Space im Wiener Museumsquartier zu sehen und zeigt Werke von Elizaveta Porodina, Stefan Marx, Leonardo Scotti, Neven Allgeier, Mafia Tabak, Sucuk & Bratwurst, Boris Camaca, Daliah Spiegel, Selam X, Simone Cihlar, Fresh Max, Clemens Loeffelholz und OBJ.Studio.

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Flo Moshammer The_Gap_179_012-049_Story_FIN_KORR.indd 21

In eine ehemalige Botschaftsvilla in Wien-Hietzing, gleich neben dem Tiergarten Schönbrunn, ist nach zwei Jahren Leerstand neues Leben eingekehrt: Das schmucke, von Efeu überwucherte Hofgebäude firmiert neuerdings unter dem Namen Villa Lala und soll – ganz nach internationalem Vorbild – mit seinen SongwritingSuiten und Studio-Räumlichkeiten ein Ort sein, an dem Musik geschrieben und produziert wird, der vor allem aber auch offen ist für Austausch und Zusammenarbeit. ———— Die Villa Lala sei ein wenig wie das ganze Jahr lang Ferienlager, meint Julian Heidrich, der seit seiner Teilnahme an der ORF-Castingshow »Helden von morgen« (2010) als Julian Le Play eine veritable Musikkarriere hingelegt hat: Man fährt ein Stück raus und verbringt die Zeit mit Freundinnen und Freunden, mit Kreativen, macht Musik, hat Spaß. Gemeinsam mit dem Brüderpaar Matthias und Elias Oldofredi – der eine unter dem Namen Filous international erfolgreich als Songwriter, Remixer und Producer, der andere als Musikmanager – hat er im Oktober zum Opening der Villa Lala geladen. Dass 500 Gäste der Einladung gefolgt sind und mitgefeiert haben, zeigt, wie gut die drei in der Musikszene vernetzt sind. Und es zeigt, dass sie wissen, wie man einen Buzz erzeugt. Die Begeisterung für ihr gemeinsames Projekt ist jedenfalls ansteckend, was schon auch mit der Magie des Ortes zu tun hat: Durch zwei Türen muss man gehen, um in den Hof des Gebäudes an der Adresse Maxingstraße 8 zu gelangen, und somit dorthin, wo sich die »Villa« versteckt – von Efeu überwachsen, in üppiger Grün- und Ruhelage. Der Blick ins Gebäudeinnere verdeut-

licht, dass viel Zeit und Energie, Hirnschmalz und Liebe nötig gewesen sein müssen, um zu diesem Ergebnis zu gelangen. Aber auch der eine oder andere Euro. Ob schallentkoppelte Raum-in-Raum-Konstruktionen für die Studioräumlichkeiten im Erdgeschoß oder die geschmackssicheren Vintage-Möblierung in den Arbeitszimmern und Songwriting-Suiten weiter oben – für eine außergewöhnliche Atmosphäre ist hier viel getan worden. Inspiriert von Projekten wie dem Haus 2000 in Berlin, haben die drei Betreiber einen Ort geschaffen, den es in dieser Form in Österreich bislang nicht gegeben hat. Einen Ort, an dem Artists arbeiten und sich austauschen können sollen. Mit teils fix vergebenen Räumlichkeiten und solchen, die tageweise vermietet werden, wie etwa der umfunktionierten Botschaftsbibliothek. »Mit so viel Herz und so viel Seele hab ich das noch nie erlebt, das Familiäre ist einzigartig«, meint dazu die Wiener Musikerin Klei, die bereits in anderen Hauptstädten Erfahrungen mit Writing- und Studio-Spaces gemacht hat. Womit wir wieder bei der ansteckenden Begeisterung wären – und beim Interview mit Julian, Matthias und Elias, in dem sie uns verraten, wie es zur Villa Lala gekommen ist und welche Erwartungen sie an das Projekt haben.

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»Wow, das war echt Villa Lala« Einblicke in Wiens ersten Songwriting-Hub

Eure Eröffnungsfeier im Oktober war ein ziemlicher Erfolg, geradezu überlaufen. Habt ihr es bewusst darauf angelegt? elias: Ja. (lacht) Aber es war ein Prozess, der uns dort hingeführt hat. Wie viele Leute kommen, hängt natürlich damit zusammen, wie viele Einladungen man verschickt. Und

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da macht es einen Unterschied, ob es 100 sind oder 800. Es ist dann halt eher Richtung 800 gegangen. matthias: Das war richtig verrückt. Es waren auch Leute aus England hier, mit denen ich zusammenarbeite, und jemand aus Deutschland – die sind extra hergeflogen. elias: Speziell für uns war das echt ein arger Moment, weil wir während der Bauarbeiten monatelang nur zu dritt in diesem Riesengebäude herumgegeistert sind. Wie seid ihr denn zur diesem Haus gekommen? matthias: Eigentlich haben wir einen viel kleineren Space gesucht – Studios für Julian und mich, dazu noch ein geteiltes Studio und ein Büro. julian: Dezember 2018 sind wir dann zum ersten Mal hier reinmarschiert. Und mit jedem Raum, den wir gesehen haben, mit jedem Stockwerk ist mehr und mehr die Fantasie mit uns durchgegangen … Wir waren relativ schnell committet und haben dann mal für uns überlegt: Wie können wir das Haus für uns adaptieren? Wir haben jetzt plötzlich 14 Räume – was machen wir eigentlich damit? matthias: Was cool war, weil es dann auch so eine Entwicklung im Denken gegeben hat: Okay, es könnte noch größer, noch mehr zu einem Kollektiv werden. julian: Und, was einer der Unterschiede ist, etwa zu Berliner Einrichtungen, die ähnlich sind: Da es so groß ist, konnten wir nicht nur Songwriting-Rooms und kleine Production-Suiten einrichten, sondern auch – als Herzstück – ein richtiges Studio. Du kannst hier vom Kennenlernen übers Songschreiben und Produzieren bis hin zum Mixen und Mastern alles machen. Außerdem haben wir noch Fotografen und Grafiker hier, Menschen mit Musikbusiness-Know-how. Nicht dass du alles hier machen musst, aber es ist möglich.

»Ich hab gemerkt, dass der Boom in Österreich einen Plafond erreicht hat, auch weil das Kollaborative noch ein bisschen zurückhaltend ist.« — Matthias Oldofredi

elias: Du brauchst nur von Tür zu Tür zu wandern. Kriegst sofort Feedback. Oder wenn man sich in der Küche trifft … Letztens hat mir etwa ein Musiker, der für eine Session in einem der Räume war, erzählt, dass er rausmarschiert ist, um sich einen Kaffee zu holen, und dann ist da plötzlich Clueso an der Kaffeemaschine gestanden und sie sind voll ins Gespräch gekommen. matthias: Das war auch einer der Beweggründe für mich: dass es keinen Space gibt für Newcomer, um sich auszutauschen – etwa mit Leuten, die schon Erfahrung haben in der Musikindustrie. Das bringt so viel, einfach nur ein Gespräch, das kann so anstacheln. Wie würdet ihr die Idee hinter der Villa Lala beschreiben? julian: Als Musik-Hub für Songwriterinnen und Songwriter. Ich hab die Erfahrung gemacht, dass es in Wien wahnsinnig viele Studios gibt, sehr viele Produktions- und Werbestudios, die einfach sehr bonzig studiolastig sind. matthias: Und auch sehr komplex im Umgang. julian: Fürs Songwriting jedenfalls gar nicht so passend. Weil wenn du was schreibst, willst du nicht unbedingt in einem fetten Control-Room sitzen, fast ohne Tageslicht. Da brauchst du das ganze Zeug noch gar nicht, sondern du brauchst eigentlich einen schönen Raum, eine gute Atmosphäre, cooles

Equipment, das schnell zu bedienen ist. Wir haben das Gefühl gehabt, dass es das in Wien nicht gibt. matthias: Ich glaub, dass in den letzten zehn Jahren die Musikszene so explodiert ist, dass die Infrastruktur einfach nicht hinterhergekommen ist. Es gab noch nicht diesen Ort, der mitgegangen ist, mit diesem Riesenboom. Und ich glaub, es braucht einfach auch die Infrastruktur, damit es sich noch einen Schritt weiterentwickeln kann. julian: Matthias und Elias haben international einiges an Erfahrung mit Zusammenarbeit beim Songwriting. In Österreich ist es noch viel mehr so, dass man das alleine macht. Es ist fast ein bissl eine Schande, wenn man dafür Hilfe braucht von jemandem. Dabei ist es das Allergeilste, wenn du mit anderen im Raum sitzt und einen Song schreibst, dir frische Ideen reinholst. matthias: Ich hab gemerkt, dass der Boom in Österreich einen Plafond erreicht hat, auch weil das Kollaborative noch ein bisschen zurückhaltend ist. Es gibt keinen Space, wo du dich treffen kannst. In L.A., Berlin oder Nashville hast du überall Orte dafür. Dort trifft man sich – und es entstehen Sachen. julian: Anfangs haben wir gedacht, vielleicht wollen die anderen Artists, vor allem die bekannten, eher unter sich bleiben. Aber dann haben wir davon erzählt, etwa mit Leuten von Bilderbuch, Wanda und Leyya geredet und es war so, dass alle uns gesagt haben, sie hätten auch schon das eine oder andere Mal gedacht, dass das eigentlich eine coole Sache wäre. Wie kann man sich das in der Praxis vorstellen? elias: Einerseits finden hier Writing-Camps statt, wo dann wirklich in jedem Raum im ganzen Haus – das ist zumeist von einem Veranstalter organisiert – Writer, Producer und Artists verstreut sind. Andererseits haben wir drei Räume, in die man sich tageweise einmieten kann. Und dann gibt es noch die Residents, die auch immer wieder Sessions mit anderen Künstlerinnen und Künstlern hier machen. julian: Vor Kurzem hab ich mir zwei, drei Demosongs von einer Künstlerin angehört. Früher hätte ich ihr einfach geschrieben, dass ich es cool finde. Aber dieses Mal hab ich mir gedacht, das könnte produktionstechnisch

Team Lala: Matthias und Elias Oldofredi sowie Julian Heidrich (v. l. n. r.)

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Flo Moshammer

etwas für einen der Residents sein. Ich hab’s dem Matthias vorgespielt, dann dem Hille (Lukas Hillebrand, Lala-Resident und Musikproduzent; Anm.). Und die zwei haben dann gesagt, mit der würden sie gerne arbeiten. Das find ich urcool, allein schon, dass man sich hier austauschen kann. matthias: Ich hatte auch schon so einen richtigen Lala-Moment: Es war eine Sängerin aus London hier, in der Bibliothek. Wir haben geschrieben. Und dann ist der Johannes (Johannes Römer, ebenfalls Lala-Resident und Musikproduzent; Anm.) vorbeigekommen, um kurz Hallo zu sagen. Genau als wir irgendwie grad nicht weitergekommen sind. Ich hab ihm vorgespielt, was wir hatten, und er hat begonnen, ein bissl am Klavier dazuzuklimpern. Nur so zum Spaß. Und es war einfach genial, was er gemacht hat. Das war es dann, plötzlich war eine Struktur da, ein Kern. Und ab da ist es ureasy gegangen. So etwas kann dann eben passieren, solche spontanen Austauschmöglichkeiten, dass man gegenseitig von seinen Skills profitiert. Wie habt ihr drei euch eigentlich kennengelernt? julian: Das war bei meinem zweiten Album, 2014 oder so. matthias: Stimmt, da war ich 17. julian: Da hab ich mitbekommen, dass Matthias gerade seinen ersten Remix rausgebracht hat. Ich hab über Facebook einen Kontakt rausgesucht und bin bei Elias gelandet. Ich wollte, dass Matthias einen Remix für mich macht. Was dann auch passiert ist. Funfact: Es hat sich rausgestellt, dass wir beide drei Jahre davor schon Zeltnachbarn am Frequency gewesen sind und miteinander gejammt haben.

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matthias: Boah, ich war einer von den Nervigen … Ich hasse diese Leute, die am Festival rumgehen und Ukulele spielen. Aber ich war so einer! (lacht) Wie habt ihr entschieden, welche weiteren Residents in die Villa einziehen sollen? julian: Ich hab’s mir immer so vorgestellt: Wenn du mit einer Fußballmannschaft antrittst, willst du auch keine zehn Stürmer am Feld haben oder zehn Verteidiger. Also nicht zehn Leute, die das Gleiche machen, genau auf eine Art produzieren, sondern so divers wie möglich. Mit den verschiedensten Zugängen. Jeder von uns hat da jemanden mitgezogen. elias: Also, die Residents sind schon eher aus unserem Umfeld. julian: Umso wichtiger war es uns, dass wir offene Räume haben, wo ein Austausch stattfinden kann. matthias: Es ist cool, dass es so einen Grundbuzz gibt. Und zusätzlich kommen neue Leute rein. Ihr habt auch einen Raum fix an Universal Music vergeben, richtig? julian: Genau, da war die Überlegung, dass wir es auch cool fänden, neben diesen offenen Räumen, jemanden zu haben, der immer wieder neue Artists schickt. elias: Und mit Cornelius (Ballin; Anm.), also dem Universal-Chef von Österreich, haben wir auch einen Top-Ansprechpartner. Das Konzept mit dem Songwriting und diese Session-Mentalität – er und sein Team checken das einfach total. Die sind da extrem proaktiv. julian: Wenzel Beck hat schon hier gearbeitet, Cesár (Sampson; Anm.), Keke war auch

schon hier. Letztens sogar Gabry Ponte – du weiß schon: »Da ba dee, da ba daa«. matthias: So sind auch immer wieder Artists bei uns, die gar nichts mit unserem Umfeld zu tun haben und man lernt Leute aus einer anderen Welt kennen. Es gibt hier jedenfalls keine Berührungsängste zwischen Indie und Kommerz. Jeder macht einfach Musik. Und man respektiert, was jeder macht. Das finde ich einfach den viel moderneren Zugang.

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Die Bibliothek als Songwriting-Suite – Stil und Atmosphäre spielen in der Villa Lala eine große Rolle.

Habt ihr für euch Ziele definiert, was ihr mit der Villa Lala erreichen wollt? elias: Ich weiß noch genau, wir haben einmal gesagt, wenn wir am Ende – es ist ja eine befristete Miete – zusammensitzen und auf diese 17 Jahre zurückschauen, wollen wir uns denken können: »Wow, da ist echt was passiert!« matthias: Es war Konsens, hier einfach etwas Schönes schaffen zu wollen. Es geht jedenfalls nicht drum, Geld zu scheffeln. julian: Wir haben eigentlich sogar gesagt, dass es für jeden okay ist, wenn wir hier Geld verlieren oder nix verdienen. matthias: Sonst würde auch erst gar nicht die richtige Atmosphäre entstehen, wenn immer nur die Kohle das oberste Ziel wäre. julian: Wenn man groß denkt: dass wir zurückblicken und sagen können, »wow, das war echt Villa Lala« – welche Songs hier entstanden sind, welche Artists hier groß geworden sind, die wir jetzt noch gar nicht kennen … Manuel Fronhofer

Die Villa Lala ist im Innenhof des Gebäudes Maxingstraße 8 in 1130 Wien zu finden. Unter www.villa-lala.at gibt’s in Kürze nähere Infos zu Konzept und Vermietung.

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Zwei Paare in ihren 30ern wollen einem Studienfreund aus Russland helfen; ein Umstand, der ihre Beziehungen aus der Bahn wirft. Johanna Moder (»High Performance – Mandarinen lügen nicht«) realisierte das Drehbuch in Zusammenarbeit mit Marcel Mohab und Manuel Rubey, die beide im Film mitspielen.

Semotan ist eine der bedeutendsten österreichischen FotografInnen, die zwischen Kunst-, Mode- und Werbefotografie arbeitet. Joerg Burger widmet sich ihrem Leben und ihrer Kunst, die sich gegen den Mainstream stellt. Dabei wird nicht nur Semotan sichtbar, sondern auch die Branche Fotografie.

Herr H. besitzt eine millionenschwere Immobilie in Wien. Casper Pfaundler porträtiert ihn und einige Bewohner des Hauses in »Die Melancholie der Millionäre«, einem wenig auf Konventionen achtenden Film, eine Doku über exzentrische Menschen und ihre Sorgen und Nöte.

Luna Filmverleih, Einhorn Film, Navigator Film (2), Stadtkino Filmverleih, Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion, Caspar Pfaundler, Polyfilm, Filmladen Filmverleih, Golden Girls Film

Waren einmal Revoluzzer

Elfie Semotan, Photographer

Die Melancholie der Millionäre

20. März

Der Filmemacher, Musiker und Schrifsteller Harald Friedl rückt in seiner Doku das Lebensmittel Brot in den Fokus. Im Durchschnitt wird jede/r ÖsterreicherIn heuer 66,9 Kilogramm Brot konsumieren. Dabei ist Brot mittlerweile ein industriell hergestelltes Produkt. Friedl geht der Frage nach, ob das Backhandwerk überleben kann.

Die Monarchie rückt in Johannes Holzhausens (u. a. »The Remains«, »Frauentag«) aktueller Dokumentation in den Fokus; dabei wird die Prinzessin Margareta von Rumänien begleitet. Im Zug. Durch Rumänien. Der Versuch einer Prinzessin, die Monarchie am Leben zu erhalten. Zugleich zeigt die Doku die Bruchlinien der europäischen Geschichte auf.

6. März

Brot

21. Februar

The Royal Train

31. Jänner

Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion, Pooldoks, Wega Film, Langbein & Partner (2), Aichholzer Film, Bernhard Pötscher Film,

Barbara Fohringer

Das Dorfleben wird oft romantisiert, jedoch hat sich auch am Land einiges verändert – vergangen sind die Tage, in denen jeder Ort einen Bäcker, ein Wirtshaus, einen Dorfplatz für alle hatte. Der Frage, ob die Dörfer nun dem Untergang geweiht sind, geht Teresa Diestelberger in ihrer neuen Doku nach. Sie schaut sich an, wie ländliche Realität im 21. Jahrhundert aussehen kann.

Rettet das Dorf

2. März

Giorgio Pasotti rollt den Film »Adams Äpfel« aus 2005 neu auf. In der schwarzen Komödie trifft der kriminelle Adamo (Claudio Amendola) auf den hingebungsvollen Pater Ivano Struchio (Giorgio Pasotti). Ein Film, der die Balance hält zwischen Humor, Zuversicht und Ironie. In weiteren Rollen: Robert Palfrader und Gerti Drassl.

Ein paar Männer, ein Cockpit, ein Thriller. Tobias Ellis (Joseph GordonLevitt) steuert als Co-Pilot das Flugzeug, ein gewöhnlicher Arbeitstag. Doch dann versucht eine Gruppe Männer das Cockpit zu stürmen. Patrick Vollrath, für seinen Kurzfilm »Alles wird gut« Oscar-nominiert, erzählt von einer Gewaltspirale, die durchbrochen werden muss.

28. Februar

Alles wird gut

23. Jänner

Filmschaffende in Österreich sind umtriebig wie eh und je. Eine Auswahl österreichischer Produktionen, die dieses Jahr im Kino zu sehen sein werden.

7500

10. Jänner

Doku Spielfilm

Filmkalender 2020

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Im Eröffnungsfilm der Diagonale richtet Elke Groen einen Blick auf den burgenländischen Ort Pinkafeld, Heimatgemeinde des FPÖ-Politikers Norbert Hofer. Zwischen 2016 und 2019 sprach Groen mit Menschen im sozialdemokratischen Ort, der 2016 bei der Bundespräsidentenwahl zu 70 % hinter Hofer stand.

Der schönste Platz auf Erden

27. März

Das Evin-Gefängnis ist das bekannteste Gefängnis des Iran. Dort wurde die Schauspielerin Maryam Zaree (»Tatort«, »4 Blocks«) geboren. In »Born In Evin«, ihrem Debüt als Regisseurin, macht sie sich auf die Spuren ihrer Kindheit. Sie trifft auf andere dort Geborene und beleuchtet die noch immer vorherrschenden Menschenrechtsverletzungen.

Born In Evin

21. Februar


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Noch etwas dauern wird es, bis diese Doku über das Leben und eine Familie zwischen zwei Ländern in den Kinos zu sehen ist. Weina Zhao, eine Wienerin mit chinesischen Wurzeln, beleuchtet – gemeinsam mit Judith Benedikt – die Geschichte ihrer Familie. Ein Film über Migration, Identität und Vergangenheitsbewältigung.

Weiyena – Ein Weihnachtsfilm

Starttermin noch offen

Die Flüchtlingskinder Oskar und Lili werden von der Polizei gefasst, die Mutter der beiden will sich das Leben nehmen. Die Kinder werden zu verschiedenen Pflegefamilien geschickt, halten aber heimlich Kontakt; die gemeinsame Flucht wird geplant. Arash T. Riahi thematisiert Flucht und ihre vielschichtigen Auswirkungen.

Ein bisschen bleiben wir noch

17. April

Bernhard Pötschers Film über die Bora, einen der stärksten Winde der Welt, war bereits 2019 bei der Viennale zu sehen. Pötscher, der schon mit österreichischen Filmgranden wie Michael Haneke, Barbara Albert oder Sabine Derflinger zusammengearbeitet hat, zeichnet bei diesem Projekt sowohl für Regie als auch Kamera verantwortlich.

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aus Kitzbühl stammende und in Paris lebende Regisseur Hubert Sauper, dessen Film »Darwin’s Nightmare« 2006 für einen Oscar nominiert war, vom (beinahen) Untergang der Welt und der Kinematografie, von Sex und Zucker. »Epicentro« feierte seine Premiere am Sundance Film Festival, wo er in der Kategorie World Cinema Documentary ausgezeichnet wurde.

Bora – Geschichten Epicentro eines Windes In seinem neuen Film erzählt der

Starttermin noch offen

Katharina Weingartner rückt in ihrem Film die Krankheit Malaria in den Fokus, die bisher mehr Menschen getötet hat als andere Krankheiten und Kriege zusammen. Niemand scheint eine Lösung zu finden, täglich stirbt südlich der Sahara alle 60 Sekunden ein Kind an der Infektionskrankheit. Die Regisseurin (u. a. »Sneaker Stories«) spricht mit PharmakologInnen, AktivistInnen und ForscherInnen.

Roboter und Künstliche Intelligenz (KI) sind immer mehr in unserem (Berufs-)Alltag vertreten. Maria Arlamovsky (u. a. »Future Baby«), deren Interesse mitunter dem gesellschaftlichen Umgang mit weiblichen Körpern gilt, spricht mit ExpertInnen (u. a. mit dem Robotik-Guru Hiroshi Ishiguro) und geht den Spuren der KI nach. Dabei fokussiert sie auf die Frage nach dem Wert eines Menschen.

Herbst

Das Fieber

April

Robolove

27. März

Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion, Pooldoks, Wega Film, Langbein & Partner (2), Aichholzer Film, Bernhard Pötscher Film, Groupe Deux / KGP Filmproduktion / Little Magnet Films, Vento Film, Takacs Filmproduktion / Ulrich Seidl Filmproduktion

Tizza Covi und Rainer Frimmel haben sich abermals zusammengetan, um in ihrer neuen Doku die Wiener Unterwelt der 1960er zu beleuchten: Der Sänger Kurt Girk und sein Freund Alois Schmutzer müssen eine lange Haftstrafe absitzen. Der Film ist eine Liebeserklärung an eine vergangenes Wien sowie ein Abbild der damaligen Zeit.

Aufzeichnungen aus der Unterwelt

Starttermin noch offen

Die Geschichte einer tragischen wie verbotenen Liebe erzählt die israelische Regisseurin Maya Sarfaty in ihrer neuen Dokumentation. Die Jüdin Helena Citron verliebt sich in den SS-Offizier Franz Wunsch – eine Beziehung, die beide täglich in Gefahr brachte. 30 Jahre später sehen die beiden einander vor Gericht wieder: Helena als Zeugin, Franz als Angeklagter.

Liebe war es nie

29. Mai

Luna Filmverleih, Einhorn Film, Navigator Film (2), Stadtkino Filmverleih, Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion, Caspar Pfaundler, Polyfilm, Filmladen Filmverleih, Golden Girls Film

Die 1990 in Wien geborene Regisseurin begleitet in ihrem Dokumentarfilm »Jetzt oder morgen« eine Frau auf der Flucht vor Verantwortung. Claudia ist mit 14 Jahren Mutter geworden, ihr Sohn Daniel ist der Grund, warum sie ihre Ausbildung nie abgeschlossen hat. Ein Film über die Überwindung der eigenen Ängste und das langsame Erwachsenwerden. Premiere bei der Berlinale.

Jetzt oder morgen

Starttermin noch offen

Ella (Miriam Fussenegger) ist reich, ihr Vater korrupt, die anstehende für sie arrangierte Hochzeit nimmt sie als Anlass, um vor ihrem Elternhaus zu fliehen. Dabei involviert: Autodieb Richie (Otto Jaus). Ella hat nun einen Plan. Andreas Schmied (u. a. »Die Werkstürmer«, »Love Machine«) ist abermals komödiantisch unterwegs, »Hals über Kopf« ist sein bereits dritter Kinospielfilm.

Hals über Kopf

18. September


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Seit genau 100 Jahren führt die Familie Kolarik im Wiener Prater das Schweizerhaus. Zwischen Stelzen und Budweiser, Tradition und Hightech, wird hier Erlebnisgastronomie der ganz alten Schule gepflegt. ———— Der Wiener Prater ist im Winter ein trister Ort. Wenn es einen froh macht, kann man die schnurgerade Hauptallee rauf- und runterjoggen, oder im Grünen Prater durch die Botanik spazieren. Immerhin eilt dem Areal mit seinen sechs Quadratkilometern ein guter Ruf als »grüne Lunge« Wiens voraus. Aber im Wurstelprater, dort wo zwischen Autodrom, Tagada und Ringelspiel die soziologische Musik spielt, ist jetzt tote Hose. Ein paar StädtetouristInnen verirren sich auf den legendär hässlichen Prater-Vorplatz, wo das Riesenrad auch im Jänner pflichtbewusst seine Runden dreht. Und die wagemutigsten unter ihnen verschlägt es sogar ins Wachsfigurenkabinett von Madame Tussauds für ein obligatorisches Falco-Selfie, oder was man dort sonst so macht. Aber das war’s dann auch. So gesehen ist es überraschend, dass im Schweizerhaus reges Treiben herrscht. Schließlich hat die Gaststätte, in unmittelbarer Nähe zum 117 Meter hohen Kettenkarussell Prater Turm, eigentlich geschlossen. Hinter den Kulissen wird allerdings bereits für die Saisoneröffnung Mitte März gearbeitet. »Nach der Saison ist vor der Saison«, merkt Karl Jan Kolarik lakonisch an und sein Sohn Karl Kolarik ergänzt: »Wir haben heute für die Belegschaft ein kleines Get-together bei Maroni und Beerenpunsch veranstaltet – zum Einschwören für die nächsten Wochen und Monate.« Die kommende Saison ist für die Kolariks eine besondere. Genau seit 100 Jahren ist das

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Schweizerhaus nämlich in Familienbesitz. 1920 hat Karl Kolarik, der Vater von Karl Jan, als 19-Jähriger die Gaststätte im Prater übernommen. Die war bereits damals eine gastronomische Institution mit einer Geschichte, die tief ins 18. Jahrhundert reicht. Im Laufe der Jahrzehnte trug sie illustre Lokalnamen wie Zur Tabakspfeife, Zum russischen Zaren oder Schweizer Meierei und bewirtete Gäste wie Ludwig van Beethoven, Franz Grillparzer, Hugo von Hoffmannsthal oder Arthur Schnitzler. Aber es war der junge Geschäftsmann und Fleischermeister Kolarik, der ab 1920 den

»Nach der Saison ist vor der Saison.« — Karl Jan Kolarik

Grundstein legt, um aus dem Praterlokal die Bier-Pilgerstätte zu formen, die man heute kennt. Und das, obwohl nach dem Zweiten Weltkrieg der gesamte Prater Schutt und Asche war und Kolarik von Neuem beginnen musste. »Mein Vater war sehr einfallsreich«, erinnert sich Karl Jan Kolarik und erzählt, wie der Senior mit den Rohscheiben die Kartoffelchips erfand, als erster in Wien eine Schauküche installierte und einige Jahrzehnte später mit dem »Radomat« eine Maschine patentierte, die Bierrettich automatisch in feine Scheiben säbelt. »Das Patent dafür ist vor einigen Jahren abgelaufen«, merkt Karl Jan an und erzählt auch, dass nicht alles immer

gelang, was sein Vater ausprobierte. So wurde Wiens erste »Englische Fischbratküche« vom Publikum ebenso wenig angenommen, wie der heute sagenumwobene »Wurstomat«, der nach Münzeinwurf und kräftigem Drehen an einer Kurbel heiße Würste ausspuckte. Aber beim Bier, da hatte Karl Kolarik senior sofort den richtigen Riecher. »In den Anfangsjahren wurde im Schweizerhaus Pilsner Urquell ausgeschenkt, aber das hopfenherbe Bier war in der Gunst des Publikums gesunken. Auf einer Reise durch Südböhmen entdeckte mein Vater Budweiser Bier.« Das war vor über 90 Jahren. Seitdem wird das Schweizerhaus mit Bier aus Budweis versorgt. Und die Bekömmlichkeit des Gerstensaftes, vor allem aber die Mengen, die an heißen Tagen hier von durstigen Kehlen vertilgt werden, machen einen guten Teil vom Mythos dieses Ortes aus. An gut besuchten, heißen Tagen können das nämlich schon einmal 6.000 bis 7.000 Krügerl sein. Über genaue Zahlen spricht man nicht so gerne. Über die Qualität des Bieres dafür umso lieber. Auch weil Karl, der junge Geschäftsführer des Traditionshauses und Enkel des Gründers, auch eine Ausbildung zum Biersommelier absolvierte: »Bevor das Budweiser Bier die Brauerei verlässt, darf es noch ein Vierteljahr im kühlen Keller reifen. Wenn es bei uns im Schweizerhaus ankommt, ruht es im 50-LiterFass noch einmal eine Woche, weil es ja am Transportweg ordentlich durchgeschüttelt und gerüttelt wurde.« Bis zu 600 Fässer lagern übrigens im vier Grad Celsius kühlen Keller, der mit einer hochmodernen Schank- und Kühlanlage ausgerüstet ist. Herzstück ist eine computergesteuerter Hightech-Anlage, die trotzdem

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Bier auf Stelze 100 Jahre Schweizerhaus

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028 ein wenig an ein in die Jahre gekommenes Rechenzentrum erinnert. Statt Elektrokabeln sieht man allerdings überall Schläuche, in denen dann das Bier nach oben, an die berühmte, meterlange Schank gefördert wird.

»Bei uns trifft der Konzernmanager auf die Tiroler Radfahrgruppe.« — Karl Jan Kolarik

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kellnerInnen an einem Arbeitstag zurück und balancieren dabei Tabletts mit 20 Bierkrügerl durch die Menge. Das verlangt ordentlich Kondition und gute Nerven. Zurecht sind Vater und Sohn Kolarik daher stolz darauf, dass die Fluktuation im Betrieb sehr niedrig ist. Bei den KellnerInnen, aber auch in der Küche, wo ebenfalls hart geschuftet wird. Lebt doch der/ die typische SchweizerhausbesucherIn nicht vom Bier allein.

StelzengeherIn Hier, in einer modernen Großküche, werden auf Induktionsplatten berühmte Gerichte aus der traditionellen Wiener und böhmischen Küche zubereitet. Die allerorts gefeierte Prager Kuttelflecksuppe etwa. Zudem werden Kraut- und Erdäpfelsalat mehrmals täglich frisch angemacht und auch die Erdäpfelpuffer, die ins Öl wandern, sind hausgemacht. »Wir haben Convenience-Produkte weitgehend aus unserer Küche verbannt und verwenden schon seit über zehn Jahren keine künstlichen Geschmacksverstärker«, erklärt Karl Jan

Kolarik und sein Sohn ergänzt: »Hohe Qualität beim Essen ist uns wichtig. Wir arbeiten eng mit lokalen Lieferanten und Herstellern zusammen.« Das gilt auch für den unumstrittenen Star in der Küche: Die hintere Stelze vom Schwein. Das fettige Biest mit seiner verlockend, knusprigen Schwarte bildet gemeinsam mit dem süffigen Budweiser, das kulinarische Rückgrat im Schweizerhaus. Gut ein Kilo bringt so ein Teil auf die Waage und es macht im Normalfall drei Menschen satt. An guten Tagen – so die Fama – wandern 500 Stück davon in die BesucherInnenbäuche. Eine enorme Menge, die trotz aller Regionalität aus konventioneller Tierhaltung stammt. Dennoch: Nachhaltigkeit ist Vater und Sohn Kolarik wichtig. Man schaut penibel auf Energieeffizienz, vor allem, wenn am Areal etwas neu oder umgebaut wird. Zudem setzt man seit Jahren auf Ökostrom. Und auch den unzähligen Nuss- und Kastanienbäumen im Gastgarten wird in der Saisonpause viel Aufmerksamkeit gewid-

Tesarek / Schweizerhaus, Schweizerhaus

Der Zeitfaktor Und dort wird dann gezapft. Und zwar alles andere als überstürzt. Denn das Bier kriegt im Schweizerhaus auch bei seinem Weg ins Glas viel Zeit. Das ist – wenn man so will – Geheimnis Nummer eins. »Gezapft wird in drei Stufen. Zuerst, bei der ›Vorschank‹ nur Schaum, der sich nach und nach bei ›Hauptschank‹ und ›Nachschank‹ zum Krügerl formt«, erzählt Karl Kolarik. Eine aufwändige Prozedur, die sich aber auszählt, wie der Biersommelier aufklärt: »Dadurch entweicht Kohlensäure und das Bier wird bekömmlicher.« Trotz der langen Schankdauer wartet man im Schweizerhaus nur kurz auf seine Bestellung. Und das führt direkt zu Geheimnis Nummer zwei. Gezapft wird nämlich wie am Fließband – vor allem da Nachschub und Bestellungen ohnehin nie enden wollen. Danach schwirrt ein ganzes Bataillon an KellnerInnen aus, die in Windeseile den Gastgarten mit seinen 1.400 Sitzplätzen und das Lokal, das etwa halb so viele Gäste fasst, versorgen. Bis zu 25 Kilometer Wegstrecke legen Schweizerhaus-

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Ein Kilogramm Stelze macht normalerweise drei Personen satt. Dabei möchten wir klarstellen: Wie viele Personen man ist, hängt vom Hunger ab.

met. »Mein Großvater hat die Nussbäume vor 65 Jahren gesetzt. Ihr Geruch vertreibt Gelsen und Insekten. Die Bäume im Gastgarten müssen aber intensiv gepflegt werden«, erzählt Karl Kolarik: »Wir haben dafür professionelle Berater, die von jedem Baum eine Erdprobe nehmen und so genau bestimmen, welche Pflege er braucht.«

Vererbungslehre

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Im Schweizerhaus wird also langfristig geplant, und langfristig ist auch die Treue, die Gäste der Gastroinstitution im Prater zuteilwerden lassen. Wer dem liebevoll herben Charme von Schweinestelzen und Bierkrügerln verfallen ist, kommt immer wieder, wie Karl Jan Kolarik mit leisem Lächeln erzählt. Egal ob es sich dabei um einen ehemaligen Finanzminister der Ära Kreisky handelt, der seinen Stammplatz im Gastgarten hat, oder Familien, die über Generationen immer und immer wieder kommen. »Ich habe viele Kin-

der von Gästen aufwachsen sehen«, erinnert sich der 74-jährige Grandseigneur des Hauses und erzählt die Anekdote von einem niederösterreichischen Politiker, der einen Ausflug mit seinen zehn Enkelkindern ins Schweizerhaus machte, weil für den 14-Jährigen aus der Enkelschar die Zeit reif fürs erste Bier war. Es sind Initiationsriten wie dieser, die im Schweizerhaus geschaffen werden und dann überdauern. Mehr noch: Hier, mitten im Herz vom Wurstelprater, werden sie gepflegt und treffen sich unter den Nussbäumen im Gastgarten. Das verbindet und hebt für die Dauer eines Besuches auch gesellschaftliche Hierarchien auf. »Bei uns am Tisch trifft der Konzernmanager mit seiner Familie auf die Tiroler Radfahrgruppe und gemeinsam haben sie eine schöne Zeit«, schwelgt Kolarik kurz vor sich hin. Aber wahrscheinlich ist genau diese Art von Erlebnisgastronomie der ganz alten Schule wieder so ein Geheimnis vom Schweizerhaus. Manfred Gram

Auf einer Reise durch Südböhmen entdeckt Großvater Kolarik vor über 90 Jahren Budweiser Bier. Seither steht das tschechische Brauhaus mit seinen Erzeugnissen auf der Schweizerhaus-Karte.

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Ein Studium beginnen ist nicht schwer, es abzuschließen dagegen sehr. Weil Bildung aber nicht nur bedeutet, ein Mag. oder Mag.a dem eigenen Namen voranstellen zu können, haben hier sechs The-Gap-AutorInnen über ihr Studium geschrieben, das sie nie zu Ende gebracht haben.

Special Bildung

Die nicht-abgeschlossenen Studien der Redaktion Nix und fertig Sandro Nicolussi – Jus

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selbstbetrügerische Semester, bis ich mir das eingestehen konnte. Es war aber nicht alles schlecht: Immerhin war ich lang genug inskribiert, um meine Eltern um die Familienbeihilfe zu bringen, nachdem ich das Studium wechselte. Und hey, ich kann mich jetzt mit ein paar gescheiten Lateinsprüchen im Stammbeisl profilieren. Alea iacta est.

Sandro Nicolussi hat nach dem Jus-Studium ein hoffentlich bald erfolgreich abgeschlossenes Journalismus-Studium angehängt, schreibt sich durch die Medien des Landes und veranstaltet bzw. legt auf, um auch nachts nicht schlafen zu müssen.

Bernhard Frena – Physik Adobe Stock (Icon)

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JUSt don’t do it! Ich war aufgeregt und habe mir sogar ein Hemd angezogen, als ich mich kurz nach meinem Umzug von der Provinz nach Wien auf den Weg ins Audimax zu meiner ersten Jus-Vorlesung machte. Die Motivation war groß. Zumindest dachte ich das. Der Berg an Büchern, die mein Vordermann zur ersten Vorlesung mitschleppte, ließ mich zwischen den den ganzen Lederflicken-Jackets ziemlich blass aussehen. Mein semi-gebügeltes Hemd auch. Spätestens als der Dekan vorne verlas, wie viele Menschen sich im Audimax befanden und wie viele davon ihr Studium abschließen werden (iudex non calculat, aber die Dropout-Rate war oag), wusste ich, dass das wohl nix wird. Es folgten dreieinhalb

Für fast fünf Jahre redete ich mir ein, dass aus mir mal ein Physiker werden könnte. Im Nachhinein sehe ich klar, wie früh meine Motivation für dieses Studium verloren ging. Schleppend quälte ich mich aber weiter durch Prüfungen, Rechenübungen und Praktika. Zunächst, weil ich nicht wahrhaben wollte, dass dieses Studium nichts für mich war. Später, weil ich

mir einbildete, bereits zu viel Zeit und Energie hinein gesteckt zu haben. Anstatt einen glatten Schlussstrich zu ziehen, lies ich alles zunehmend schleifen. Jedes Semester ein paar weniger Kurse und ein bisschen mehr andere Dinge. Bis schließlich irgendwann mal keine Kurse und nur noch andere Dinge übrig blieben. Selbst dann dauerte es noch, bis ich es mir endgültig eingestand. Ein paar Jahre später startete ich einen zweiten Studienanlauf. Jetzt bin ich Medienwissenschaftler und froh, dass aus mir damals kein Physiker geworden ist.

Nach seinem Physik-Studium hat Bernhard Frena die Fakultät gewechselt und forscht nun als Medienwissenschaftler zu queeren Comics und Netzkulturen. Nebenbei ist er als freier Journalist und Autor tätig.

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Es ist einigermaßen uncool, aber, ja, mein akademischer Bildungsweg begann (und endete) an der alten WU. Während heute am modernen Campus in der Nähe des Wiener Praters nicht nur architektonisch, sondern – dank neuer kapitalismuskritischer Positionen – auch in der Lehre einiges an Spannendem Platz hat, stand ich als BWL-Student damals, in den 90er-Jahren, zumindest unter Karrierismus-, gerne aber auch unter Streberverdacht. Und zwar besonders beim obligaten Nachtprogramm in Flex & Co. Kein Wunder also, dass ich mir und diversen GesprächspartnerInnen die Zeit im Glasbunker in der Augasse (wenig Tageslicht, viel Asbest) mit meinem »Fokus auf Marketing sowie Werbung und Marktforschung« schönzureden versuchte. Aber auch über diese Spezialisierung hinaus habe ich vom WU-Studium einiges fürs Leben mitgenommen; so etwas wie ein erweitertes Allgemeinwissen – von Wirtschaftspolitik über Handelsrecht bis Wirtschaftsethik – für eine stark von Ökonomie geprägte Gesellschaft wie die unsere. Und die schöne Er-

Special Bildung

Manuel Fronhofer – Betriebswirtschaftslehre innerung an ein Auslandssemester in Wolverhampton bei Birmingham zur Zeit des gerade ausklingenden Britpop. Dass die Gründung von The Gap letztlich mein Wirtschaftsstudium unvollendet hat bleiben lassen, gleicht sich insofern aus, als ich wegen des Magazins zumindest vorübergehend selbst zum Unternehmer geworden bin. Ein später Versuch, den Abschluss doch noch nachzuholen – ja, das Thema hat immer wieder an mir genagt – scheiterte übrigens an der frustrierenden Erkenntnis, dass mein zu drei Vierteln fertiger Magister im Zuge zweier Studienplanänderungen zum gerade mal angerissenen Bachelor geschrumpft war. Ach ja: Der Standort der alten WU dient aktuell als Ausweichquartier der deutlich cooleren Akademie der bildenden Künste. So kann’s gehen.

Manuel Fronhofer ist einer der beiden Gründer und Herausgeber von The Gap und arbeitet heute bei der Comrades GmbH, wo er noch weitere Print- und Onlineprojekte betreut. Sein einsemestriges Publizistikstudium ist im obigen Beitrag unerwähnt geblieben.

Susanne Gottlieb – Theaterwissenschaft Eigentlich habe ich im Leben immer alles durchgezogen. Die Schule, die Matura, meine ehrenamtlichen Aktivitäten, meine Freundschaften. Doch als ich an die Uni kam, änderte sich vieles. Vielleicht liegt es an den ersten paar Vierern und Dreiern, die ich bekam, und die so gar nicht meinem Weltbild entsprachen. Vielleicht war die Fachbereichsarbeit für die Matura, die ich in schmerzhaften Minietappen auf dem alten Windows-95-Rechner meines Bruders eintippte, auch schon der erste Hinweis darauf, was noch kommen sollte. Denn plötzlich ging das Schreiben nicht mehr so leicht von der Hand, und die Logik des wissenschaftlichen Forschens brannte sich wie ein ungelöster Aktenfall in mein Gedächtnis ein. Nach einer Reihe mittelmäßig hingerotzter Bakk- und Seminararbeiten, in der nur mehr Durchkommen die Devise war, stand ich plötzlich vor der größten Herausforderung meines

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studentischen Daseins: der Diplomarbeit in der Theaterwissenschaft. Ein Horror, der mich ab dem vierten Semester mit seinem teuflischen Grinsen aus einer dunklen Ecke anblitzte, und dessen Klauen mich jahrelang umklammerten, als ich eigentlich schon Thema und Betreuer beantragt hatte. Es ging einfach nicht. All die Gedanken und Argumente, die sich in meinem Kopf tummelten und die ich journalistisch auch immer wieder aufs Papier knallte, ich konnte sie nicht in einen wissenschaftlichen Rahmen fassen. Nun, ein gutes Jahrzehnt später, ist der Abschluss des Masters noch immer ein Work-in-Progress. Drückt mir die Daumen.

Heute arbeitet Susanne Gottlieb als freie Journalistin in Wien und ist sowohl für lokale als auch internationale Medien tätig. Für The Gap schreibt sie Filmkritiken und -artikel und reist dafür auch schon mal quer durch die Welt.

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Yasmin Vihaus – Germanistik Germanistik ist eine der schönsten Studienrichtungen. Wer nicht auf Lehramt, sondern im Bachelor studiert, hat nahezu freie Auswahl aus thematisch sehr unterschiedlichen Lehrveranstaltungen. Die ProfessorInnen sind bei der Auswahl der Themen durchaus kreativ, zudem variieren sie von Jahr zu Jahr. Man muss zwar in jedem der vier Bereiche (Ältere deutsche Literatur, Neuere deutsche Literatur, Sprachwissenschaft und Deutsch als Fremdund Zweitsprache) eine bestimmte Anzahl an Seminaren oder Vorlesungen absolvieren, muss sich im Bereich Neuere Deutsche Literatur aber nicht zwingend intensiv mit Goethe und Schiller beschäftigten. Während meiner vier Jahre an der Germanistik durfte ich LVs mit Titeln wie »Traum und Vision im Mittelalter«, »Dämonen, Monstren, Fabelwesen«, »Freud, Sexologie und Menschenrechte« oder »Männlichkeiten in der Literatur« besuchen. Ich habe nicht nur

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Mittelhochdeutsch, sondern vor allem Ältere Deutsche Literatur lieben gelernt und spreche heute noch gerne spontan und ungefragt über die Auswirkungen der ersten und zweiten Lautverschiebung oder großartig skurrile mittelalterliche Texte wie »Das Nonnenturnier«. Alles lief perfekt, bis … die Frage nach dem Nachweis meiner Lateinkenntnisse immer lauter wurde. Meine erste Bachelorarbeit habe ich vor mittlerweile fünf Jahren abgegeben, die zweite Bachelorarbeit darf ich erst abgeben, wenn ich eine Lateinprüfung ablege. Ich fürchte, das wird nicht mehr passieren. Dennoch: Germanistik, es war sehr schön mit dir!

Yasmin Vihaus ist freie Journalistin und hat vor Kurzem den »Forschungsbericht Clubkultur Wien« mitherausgegeben. Nach ihrer Zeit als Chefredakteurin von The Gap hat sie wieder ein Studium angefangen – ob sie es abschließt, steht in den Sternen.

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Astrid Exner – Niederländisch

und vieles mehr

OPEN HOUSE

W I R B E RAT E N DI C H G ERNE Ü B E R VO R AU S S E T Z UNG EN U ND F I N AN Z I E RU N G S M Ö G LIC HK EIT EN.

W W W. N D U. A C. AT

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2 7.+ 2 8. MÄRZ

Ich habe Niederländisch zu studieren begonnen, weil meine KifferfreundInnen das aus naheliegenden Gründen für eine super witzige Idee gehalten haben. Der Plan war, dass wir alle gemeinsam im Wintersemester einen Sprachkurs am Nederlandistik-Institut der Uni Wien machen und dann im Februar mit dem Nachtzug nach Amsterdam fahren. Meine KifferfreundInnen waren dann aber bedauerlicherweise zu träge, um sich für die Lehrveranstaltung anzumelden. So kam es, dass ich allein im Hörsaal saß. Auf die Frage, warum ich mich für diese lustig klingende Sprache interessiere, habe ich immer gesagt, dass ich einfach Spaß an Sprachen habe – was auch tatsächlich der Wahrheit entsprach. Nach dem »Taalcursus 1« folg-

te »Taalcursus 2«, und schon war ich für das gesamte Studium inskribiert, obwohl ich mit Philosophie und Kunstgeschichte eh schon alle Hände voll zu tun hatte. Der Spaß hat abrupt aufgehört, als ich in einem Sprachwissenschaftsseminar mit Mühe gerade noch einen Vierer bekam und mir die Frage stellte: »Was mach ich hier eigentlich?« Auch heute noch lese ich ab und zu ein niederländischsprachiges Buch und freue mich, wenn ich in der Straßenbahn holländische TouristInnen höre.

Ihre beiden anderen Studien hat Astrid Exner abgeschlossen. Heute leitet sie die Kommunikationsabteilung eines Kulturzentrums und schreibt für The Gap unter anderem die Kolumne zu Genderthemen.

Die New Design University ist die Privatuniversität der Wirtschaftskammer NÖ und ihres WIFI

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Bienen, Blumen, Blasenentzündung Was du in der Sexualkunde hättest lernen sollen Masturbation Solosex als Selbstermächtigung ———— Selbstbefriedigung kann vieles, aber muss nichts erfüllen. Selbstbefriedigung ist nur für dich selbst da – zu deinem puren Vergnügen, zum Kennenlernen deiner ganz individuellen Pleasure Map, zum Druckabbau, zur Entspannung, zum Einschlafen, zur Stimmungsaufhellung, zum Trost und so vieles mehr. Solosex ist nur zwischen dir und dir. Wenn er dir nichts gibt und du lieber ganz drauf verzichtest, ist das auch voll okay. Selbstbefriedigung hat neben all den vorher genannten Aspekten immer auch etwas mit Selbstverantwortung zu tun. Du bist dein*e erste*r Sexpartner*in und für die Erfüllung deiner Bedürfnisse selbst verantwortlich. Du brauchst kein Gegenüber, das dich vervollständigt. Mit Selbstbefriedigung lernst du deinen Körper und deine ganz persönliche Landkarte der Lust kennen: Du

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findest heraus, was sich gut anfühlt und was nicht, welche Stellen empfindsamer sind als andere, ob Sex überhaupt dein Ding ist. Du musst keinen Sex haben, um sexuell empowered zu sein. Ermächtigt zu sein heißt, dass du deine Sexualität so gestaltest, wie es sich für dich stimmig und richtig anfühlt. Solosex ist ein für sich stehender Teil der eigenen Sexualität, nicht nur die billige Quickie-Variante, wenn grad kein*e Sexpartner*in in der Nähe ist. »Masturbation is a meditation on self-love. So many of us are afflicted with self-loathing, bad body images, shame about our body functions, and confusion about sex and pleasure, I recommend an intense love affair with yourself.« Für mich ist Selbstberührung und Selbstbefriedigung, so wie Betty Dodson es oben formuliert hat, eine Selbstliebe-Praxis. Solo-

sex verstehe ich auch nicht nur als Prozess, schnell zum Orgasmus zu kommen, sondern als Möglichkeit grundlegender Aufmerksamkeit und Selbstwertschätzung – ohne die Wertung und Erwartung, es müsse jedes Mal ein höchst ekstatisches, orgastisches Erlebnis sein. Alles kann, nichts muss. Solosex ist ein Tool, meinen Körper als dicke, queere Femme (und auch mein Begehren) wertzuschätzen, genau so wie er ist. Wenn ich in Verbindung mit mir selbst und meiner Lust bin, denke ich nicht an mein Gewicht oder meine Körperbehaarung oder andere Projektionsflächen meines Selbsthasses, die aus meiner Sozialisation und schmerzhaften Erfahrungen entstanden sind. Ich erkenne in der Begegnung mit mir selbst, dass ich Macht über meinen Körper, meine Lust und meinen Schmerz habe. Und das ist besonders für queere Menschen und Menschen, die gängigen Schön-

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heitsbildern nicht entsprechen, wichtig und macht Solosex so ermächtigend. Egal, wie sehr dir das Außen vermittelt, dass du und dein Begehren nicht den Normen entsprechen, dass du vielleicht sogar nicht begehrenswert seist, dass du es nicht wert seist, ja, selbst wenn du dir all das selbst sagst: Dein Körper sagt dir etwas anderes. Dein Körper freut sich über für dich wohlige Berührungen, egal ob sinnlich, sexuell oder vielleicht sogar kinky. Dein Körper schüttet dabei (egal, ob du oder andere dich berühren) die Happy- und Bindungshormone Oxytocin und Dopamin aus, die dich unterstützen, Stresshormone, Angst und Anspannung im Körper abzubauen. In dieser Begegnung mit dir selbst ist es nicht wichtig, wie dein Körper oder deine Genitalien aussehen. Wenn wir uns (wenn möglich wert- und erwartungsfrei) selbst berühren, ist

die Sprache des Körpers die einzige relevante Wahrheit. Für viele Menschen, die von Gewalt betroffen / gefährdet und mit dem Gefühl vertraut sind, mit dem eigenen Körper nicht sicher zu sein, kann der Körper so wieder als sicheres Zuhause erlebbar werden. Welcome home, you! Nichts ist mächtiger als das.

Sara Ablinger bietet in Wien, Deutschland und Großbritannien Workshops und sinnliche Körperarbeit zu den Themen Body-Positivity, Self-Care, Konsens und Kommunikation, Intimität und Sexualität an. Sie* schafft Räume für Empowerment und Authentizität, Sinnlichkeit und Lust, oft mit einem Schwerpunkt auf marginalisierte wie queere, dicke und behinderte Körper. Check out »Pussy Power« and »Pussy Magic« – workshops on empowering your vulva for people with pussies. www.big-body-love.com

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Konsens Kommunikation ist sexy ————In der sexuellen Bildung ist Konsens ein zentrales Thema, mit dem in jedem Aufklärungsunterricht gearbeitet werden sollte. Konsens bedeutet in der Sexualität nicht nur, dass eine Person zustimmt, sondern, dass alle Involvierten gemeinsam entscheiden, was sie miteinander tun wollen. Konsens muss gelernt sein und zwar am besten bereits im Kleinkindalter. Wenn eine Person als Kind immer wieder dazu genötigt wurde, alle Verwandten zu umarmen oder Küsse zu verteilen, dann wird es im Erwachsenenalter wahrscheinlich seine Grenzen neu lernen müssen, da diese sonst immer überschritten wurden. Üben kann man Konsens im Erwachsenenalter, indem man neue Bekanntschaften fragt, wie sie sich verabschieden oder begrüßen wollen: küssen, umarmen, Hand geben, usw. Die Unwissenheit darüber plagt so ziemlich alle Menschen. Oft ist die Befürchtung da, dass es während dem Sex merkwürdig sei, zu fragen, ob PartnerInnen etwas Bestimmtes wollen. Jedoch ist dieses Gefühl stark von Filmen und Pornos geprägt, in denen niemand fragt und alles für alle Beteiligten in Ordnung ist. Viel unangenehmer wird die Situation, wenn man Ungefragtes tut und Grenzen überschreitet. Ein »WTF tust du da?« ist viel unangenehmer als vorher zu fragen. Mensch weiß nach kurzer Zeit, worauf die PartnerInnen Lust haben und es muss nicht immer neu erfragt werden. Es darf aber immer, und auch währenddessen, Konsens entzogen werden. Kein Konsens ist jedenfalls, wenn eine Person die andere immer wieder fragt, obwohl bereits kommuniziert wurde, dass sie / er darauf keine Lust hat. Eine Person zur Einwilligung zu drängen, ist keine Einwilligung!

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Wenn du gar keine Möglichkeit siehst, während dem Sex nachzufragen, stellt das Vorab-Abklären von roten Linien jeder / jedes einzelnen Beteiligten eine Alternative dar. Wenn zum Beispiel Anal-Play ein No-Go ist, dürfen die PartnerInnen das nicht einmal versuchen. Man kann sich außerdem darauf einigen, dass alles probiert werden darf mit der Folge, dass mensch ab und zu ein »Nein« oder »Stopp« hören wird. Oft hilft es auch, anstatt direkte Fragen zu stellen, das Thema etwa so anzusprechen: »Ich würde gerne (…) mit dir probieren.« Auch die Körpersprache ist ein wichtiges Mittel, um herauszufinden, ob das, was du tust, der anderen Person gefällt. Körpersprache ist bei neuen SexualpartnerInnen nicht leicht zu lesen – bei Unsicherheit immer fragen! Eine gute Kommunikationsbasis versichert auch, dass mensch zum Beispiel nicht Unmengen an Zeit in Vaginalsex investiert, wenn das für den Partner / die Partnerin gar nicht die schönsten Gefühle bringt. Wenn du nicht weißt, ob du auf eine Sexualpraktik Lust hast, sie aber ausprobieren willst, solltest du kommunizieren, dass das neu für dich ist und dir vielleicht nicht gefällt. Insgesamt gilt, dass wir Praktiken für uns selber unterteilen können in »Will ich«, »Will ich nicht« und »Weiß ich nicht«. Probieren ist immer erlaubt! Ohne zu probieren wüssten wir ja niemals, was wir geil finden und was nicht. Sexualität ist ein riesengroßer Spielplatz, auf dem jede Regel zwischen den Involvierten neu verhandelt werden muss.

Elif Gül (@alphagina) ist Sexualpädagogin und Sozialwissenschaftlerin mit Fokus auf Geschlechter- und Sexualforschung und arbeitet selbstständig sowie in verschiedenen Vereinen.

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———— Safer Sex: Dieses Thema begegnet uns spätestens im frühen Teenageralter. Die Banane und das Kondom sind uns allen lebhaft in Erinnerung geblieben. Aber warum lernen wir nirgendwo etwas über Safe Sexting? Sex – oder jedenfalls eine Idee davon – hat schon lange begonnen sich zu digitalisieren. Man kann potenzielle Sexpartner*innen über Datingwebsites kennenlernen und auch die Pornografie in Zeitschriften hat längst ausgedient. Das Internet ist einfach kein Neuland mehr – sorry, Frau Merkel. Für alle erdenklichen Bereiche unseres Lebens gibt es Regeln und Vorschriften. Was darf ein Hund essen? Wie verhält man sich im Wartezimmer seiner Hausärztin? Was gehört in eine traditionelle Teewurst? (Spoilerwarnung: kein Tee) Warum also ist das Internet noch immer ein so gesetzloser Ort? Ist ja auch irgendwie schön, fast utopisch für manche vielleicht. Ein virtueller Raum, in dem man sich frei bewegen kann. Doch dieses romantische Konzept wird von sehr vielen Menschen ausgenutzt. Selten passiert es, dass sich jemand einer anderen Person vorstellt, indem er*sie sein*ihr Geschlechtsteil auspackt. Aber im Internet ist das Alltag. Auf Instagram häufen sich in vielen DMs die ungefragten Dickpics, auf Grindr ist ein Postfach ohne diese undenkbar. Dabei können Penisporträts auch total super sein! Nämlich, wenn die andere Person zustimmt. Stichwort: Konsens. Du kannst fast alles sagen, schreiben, machen, sofern der*die andere seine*ihre Zustimmung ausgedrückt hat. Ohne Zustimmung ist eine Nachricht mit sexualisierenden Inhalten kein Sexting, sondern übergriffig.

Genauso wie sexualisiertes Verhalten ohne Konsens kein Sex ist. Übergriffige Nachrichten können Menschen nachhaltig verstören oder Traumata triggern. Jede Person nimmt etwas anderes als übergriffig wahr. Sobald man nach Zustimmung fragt, umgeht man die Möglichkeit, dass sich das Gegenüber unwohl bei dem fühlt, was man versendet. Anfängliche Zustimmung bedeutet allerdings auch nicht, dass das Gegenüber sich nicht umentscheiden kann. »Nein« bedeutet nicht: »Überrede mich«. Und wie hole ich mir das Einverständnis ein? Es ist ratsam, sich – vor allem bei Erstkontakten – langsam an das angedachte Thema heranzutasten. »Ich bin auf Tinder, weil ich Sex suche. Möchtest du dich über deine sexuellen Vorlieben unterhalten?« Selbst, wenn man sich schon besser kennt, ist Zustimmung ein Muss: »Magst du ein Bild von meinen Boobs haben?« Und wenn der Konsens besteht, kann es so erotisch sein, gegenseitig sexuelle Fantasien auszutauschen. Wenn alle Involvierten Lust haben, kann man sich gegenseitig hochschaukeln, bis niemand mehr die virtuelle Trennung aushält. Das ist Sexting.

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Safe Sexting

Caro Neuwirth und Kim Chakraborty, die Betreiberinnen von Antiflirting, schaffen mit ihrer Instagram-Seite ein Bewusstsein für sexuelle Belästigung im Internet. Auf dem Account @antiflirting2 werden eingesendete Screenshots von übergriffigen Nachricht anonymisiert und zensiert gepostet. Dadurch wird veranschaulicht, wie viel sexuelle Belästigung tagtäglich im Internet stattfindet.

Die Fotos zu diesem Beitrag stammen aus dem Werk des Linz-basierten Fotografen Emanuel Mayr aka Esthaem. In seiner fotografischen Arbeit steht der Mensch und sein Körper im Fokus. Unter dem Pseudonym Esthaem verstehe er diesen als skulpturales Objekt, das es ihm erlaubt, schwer greifbare Themen in ästhetisch ansprechende Bilder zu verpacken. Als Emanuel Mayr fotografiert er Menschen, die die beste Version von sich selbst in authentischen Fotografien festhalten möchten, um den Blick auf sich selbst ein klein bisschen liebevoller werden zu lassen. esthaem.com / emanuelmayr.com

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Special Bildung

Intimhygiene Menstruation & Mythen ———— Die Bandbreite von sexueller Bildung umfasst auch das Wissen über den eigenen Körper, die Menstruation und Intimhygiene. 17 % der Mädchen und jeder dritte Junge wissen nicht, was Menstruation bedeutet – viele verwechseln Menstruation mit Masturbation. 53 % der Jungen glauben, Menstruation diene der Verhütung. Das mussten wir von der Erdbeerwoche in einer Umfrage unter 1.100 österreichischen Jugendlichen feststellen.

Die Story von der Vulva Leider gibt nicht nur der Wissensstand, sondern auch die Einstellung Jugendlicher zu ihrem Körper Grund zur Sorge: 60 % gaben bei unserer Umfrage an, eine negative Einstellung zu ihrem Körper und zur Periode zu haben. Mangelndes Wissen über die Ursache und Behandlungsmöglichkeiten von Regelschmerzen und nicht zuletzt die Isolierung

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von Menstruierenden während ihrer Periode sind die Folge dieser Tabuisierung. Aber auch Scham bis hin zu Ekelgefühlen vor der eigenen Vulva (der Begriff ist übrigens fast allen Jugendlichen gänzlich unbekannt) bzw. dem eigenen Menstruationsblut sind häufig anzutreffen. Das Ergebnis ist bei vielen oftmals eine übertriebene Intimhygiene: Sie ekeln sich vor dem eigenen (gesunden!) Scheidenausfluss und versuchen, diesen sowie den natürlichen Geruch der Vagina mit stark parfümierten Duschgels zu übertünchen. Dass sie damit das natürliche Gleichgewicht ihrer Scheide zerstören, ist den meisten nicht bewusst.

So geht Intimgesundheit Wer eine Scheide besitzt, kann der eigenen Scheidenflora viel Gutes tun. Neben dem Verzicht auf übertriebene Intimhygiene, sind es wie oft im Leben die einfachen Dinge, die

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Handtuch zum Unterlegen – die offene Kommunikation der Beteiligten, die im Falle von Ekel und Scham entscheidend wirken kann. Fakt ist: Vulva, Klitoris, Scheidenpilz oder Menstruation als Transgender-Person – über Sexualität und alles, was dazu gehört, wird leider noch immer nicht überall offen gesprochen. Und definitiv zu wenig an unseren Schulen. Also: Red’ ma drüber!

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der vaginalen Flora guttun: Wir raten beispielsweise an erster Stelle, vor dem Wechseln von Tampon oder Menstruationstasse die Hände zu waschen, nach dem Sex auf die Toilette zu gehen und auch beim Thema Slipeinlagen und Unterwäsche eine kurze Nachdenkpause einzulegen. Denn Slipeinlagen sind nicht nur ein Müllthema, mit Plastikbestandteilen erzeugen sie zudem ein feuchtes, warmes Klima und dadurch ein Paradies für Frau und Herrn Scheidenpilz und andere Intiminfektionen. Insgesamt empfehlen auch GynäkologInnen die Plastiktangas im Schrank zu lassen und auf atmungsaktive Unterwäsche – am besten aus Bio-Baumwolle – zurückzugreifen, oder in der Nacht mal auf »unten ohne« umzusteigen. Übrigens: Gerade auch beim Thema »Sex und Menstruation« kursieren viele Mythen und auch hier ist es – abgesehen vom guten alten

Annemarie Harant und Bettina Steinbrugger sind die Gründerinnen der Erdbeerwoche, Österreichs erstem auf Menstruation spezialisierten Social Business. Mit der digitalen Lernplattform »Ready For Red« setzt die Erdbeerwoche beim Einmaleins der Intimhygiene an und lässt Jugendliche in einem Wahroder-falsch-Quiz einige Mythen rund um die Intimhygiene entlarven. Infos und Anmeldung unter www.readyforred.at.

Promotion

»In der Regel« Frauenkräuter machen’s wieder gut

Kaum ein Zyklus dreht sich ohne Regelbeschwerden. Und kaum ein Hausmittel wird dabei unversucht gelassen. Mit der Mischung aus Holunderblüten, Brennnessel und Schafgarbe serviert Sonnentor im neuen Frauentee »In der Regel« aus der Reihe »Wieder gut!« die feinsten Regel-Helferinnen der Natur. Wenn die Wehwehchen nachlassen, schmeckt die Bio-Kräuterteemischung außerdem wunderbar zu Kuchen, Sorbets und Obst und deinem liebsten Topfengericht. Mehr unter: www.sonnentor.com/wiederguttee The_Gap_179_012-049_Story_FIN_KORR.indd 39

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Der Look von Bildung Zieh dir was Gscheites an! Wir sind davon überzeugt, gebildete Leute anhand ihres Aussehens erkennen zu können. Warum das zwar nicht stimmt, aber trotzdem funktioniert. ———— Es gibt keinen Look von Bildung. Einen gewissen Kanon an Wissen erworben zu haben, bedeutet nicht, dass man auf einmal anders aussieht. Das Wissen quillt nicht als das Sekret der Stildrüse Gehirn aus dem Kopf, um sich für den Rest der Menschheit sichtbar auf der Oberfläche des Körpers abzusetzen. Die Intelligenz ist keine Modeberaterin, der Geist kein Hair- and Make-up-Artist. Outfits stellen wir in der Regel nicht mit dem Brockhaus in der Hand zusammen und nur die wenigsten haben beim Shoppen die Mappe mit Maturazeugnis und Studienbestätigung dabei. Warum also glauben wir – und zwar oft zutreffend –, den Bildungsgrad einer Person an ihrem Äußeren und im Speziellen an ihrer Kleidung ablesen zu können?

Entweder Mode oder Bildung Versucht man, sich Kleidung für gebildete Personen vorzustellen, tauchen verlässlich Klischees auf wie der über eine Schreibmaschine gebeugt an einer Pfeife ziehende französische Philosoph in schwarzem Rollkragenpullover und Hornbrille, die Kuratorin, deren ebenfalls schwarzes Kleid es in Geradlinigkeit mit einem Malewitsch aufnehmen könnte, oder der englische Professor, der ein bisschen zerzaust in Tweedjackett, Pullunder und verrutschter Krawatte über einen Campushof voller Herbstlaub eilt. Hier geht es in erster Linie um den verlockenden Gedanken, dass solche Leute doch Besseres zu tun hätten, als über Gewand nachzudenken, dass ein höherer Bildungsstand einen von den Oberflächlichkeiten befreien könne, die den Rest der Menschheit blenden. Die Vorstellung besagt, gebildete Menschen würden durch ihre tiefgehende, hochgeistige Auseinandersetzung mit den Urgründen der Welt ganz automatisch gegen abzulehnendes, oberflächliches Blendwerk immunisiert. So kämen sie gar nicht in die

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Verlegenheit, sich Gedanken über Mode zu machen oder würden derartige Nichtigkeiten sogar aktiv ablehnen. Vom Sackgewand des Diogenes, über monastische Kutten bis hin zu Slavoj Žižeks zerlumptem T-Shirt und Angela Merkels bleiernem Blazerreigen hat sich die Überzeugung gehalten, dass äußere Beschränkung innere Entfaltung bedeutet, ja dass das eine ohne das andere unmöglich sei. Gelehrigkeit, die sich aufputzt, ist nicht zu trauen. Ein solides Fundament könne nur ein Gebäude mit einer schlichten Fassade haben. Bestes Beispiel dafür ist, dass sich Frauen mitunter durch figurferne Kleidung in gedeckten Farben dem sexualisierten Blick entziehen, um ihre Meinung so erst für den professionellen, männlich dominierten Diskurs zu qualifizieren. Dass das Vorhaltungen eines Patriarchats sind, das die Lust am Anziehen für weiblich und die Intelligenz für männlich hält, liegt auf der Hand. Und so ist die Geschichte des Looks der Bildung auch die der modernen Menswear: Wer seine Karriere auf Bildung baut, dem ist es nicht gegeben, sich wie der Krieger bunt und aufwändig mit Insignien und Trophäen zu schmücken. Daher entwickelt das aufstrebende Bildungsbürgertum aus dem aristokratischem Militärpomp ein ungleich schlichteres Gewand, dessen jüngste Ausprägung die heute ubiquitäre Kombination aus Hemd, Krawatte, langer Hose und Sakko aus dunklem Stoff ist – die Rüstung derer, die mit dem Kopf kämpfen und arbeiten. Nur ist ihr Entstehungsgrund nicht die Bildung, sondern die Klasse ihrer Träger.

Preppy cum laude Zurück zu unseren Archetypen: Noch viel expliziter als der Rollkragenexistenzialist und der zerstrubbelte Professor ist eine Stilrichtung mit dem Bildungssystem verbunden, die unübersehbare Spuren im zeitgenössischen Komplex aus Bildung, gesellschaftlichen Aspirationen und Kleidungsnormen hinterlassen hat. Im Laufe des 20. Jahrhunderts

machten Studierende an den Preparatory Schools und Eliteuniversitäten im Nordosten der USA Elemente des Sport- und Freizeitgewands ihrer Väter zu ihrer Alltagskleidung. Aus Crewneck-Sweaters, Oxford-Shirts, Pololeiberln, bunten Chinos, Boat-Shoes, Mokkasins und dergleichen schufen sie einen Kleidungsstil, der zum Emblem von Erfolg durch Bildung werden sollte.

Entspannte Autorität Gewürzt mit nautischer, sportlicher und universitärer Heraldik ist dieser lockere Stil ein Dauerbrenner in bürgerlichen Kreisen. Auch für Epigonen der Ivy-League-Studierenden, etwa an der WU Wien, ist eine breite Auswahl an Kleidungsstücken aus dem preppy Spektrum in einschlägigen Geschäften erhältlich. Der Stil stellt eine praktische Mischung aus Entspanntheit und Autoritätsbehauptung dar. Er bedeutet ganz klar eines: Ich fühle mich wohl im Status quo – sei das der Golfclub oder der Arkadenhof. Gleichzeitig kriegt man eine mühelose Einbindung traditionsgebundener Narrative – ein bürgerliches Kerninteresse – hin, wenn man einen Kapuzenpulli mit Unilogo, heraushängendes Hemd oder Bluse, eine beige Chino und Segelschuhe anhat. Mit Bildung hat all das ursächlich erst mal gar nichts zu tun, symptomatisch dann aber wieder alles Mögliche. Wenn die Kleidung Studierender in unserer Vorstellung voller bürgerlicher Codes steckt, wenn sie so exklusive Institutionen wie die neuenglischen Prep Schools zum Vorbild hat und sich Luxus wie Polo und Segeln als Metaphern hernimmt, dämmert einem, dass es hier nicht um die Kleidung der Gebildeten geht, sondern um die Kleidung derer, die privilegierten Zugang zum Bildungssystem haben. Was wir hier sehen, ist nicht, wie Wissen Aussehen verändert, sondern wie wir gesellschaftlichen Status anhand von Kleidung decodieren. Es gibt keinen Look der Bildung, es gibt einen Look von gesellschaftGabriel Roland licher Klasse.

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Anna Shvets / Pexels, Ziad Nr_ / Pexels

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Special Bildung

»Hier geht es in erster Linie um den verlockenden Gedanken, dass solche Leute doch Besseres zu tun hätten, als über Gewand nachzudenken, dass ein höherer Bildungsstand einen von den Oberflächlichkeiten befreien könne, die den Rest der Menschheit blenden.«

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Special Bildung

Wortwechsel Was ist wichtiger im Lebenslauf – Bildung oder Praxis-Erfahrung?

WIFI Wien

Motivationsschreiben richtig nutzen ———— Es gibt viele Berufe, die man ohne Ausbildung und Zertifizierung nicht ergreifen kann. Ich könnte noch so viel Praxis nachweisen, ohne entsprechende Ausbildung kann ich nicht als Radiologin tätig werden, ohne mich strafbar zu machen. Umgekehrt ist eine Tätigkeit als Journalistin, Redakteurin oder Kleidermacherin ganz ohne Praxis nicht vorstellbar. Bei der Beurteilung von Praktika kommt es darauf an, welcher Art die praktischen Erfahrungen sind. Welche Tätigkeiten konnte ich selbstständig übernehmen? Wofür wurde mir die Verantwortung übertragen und was habe ich dabei lernen können? Ebenso schwierig ist die Beurteilung von akademischen Titeln, Zertifikaten und Masterthesen. Deshalb ist es unumgänglich, neben dem CV ein Motivationsschreiben zu verfassen. Alle Information, die im Lebenslauf, aufgrund der besonderen Struktur und der Knappheit, nicht erwähnt werden können, aber für die Beurteilung

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meiner Erfahrungen und Motive wichtig sind, können hier ihren Platz finden. Im Motivationsschreiben kann ich die Gründe für meine Ausbildungs- und Berufswahl darlegen. Ich kann Erfahrungen beschreiben und bewerten und zukünftigen Arbeits- oder AuftraggeberInnen mehr zu meinen Stärken, Interessen und Neigungen präsentieren. Im Prinzip zahlen sich Praktika immer aus. Jede Erfahrung hilft, die eigenen Vorstellungen und Präferenzen zu schärfen. Für den CV sind sie dann gut verwertbar, wenn sie die Ausbildung ergänzen, erweitern oder abrunden. Diplome und Zertifikate zeigen Bildungsinteresse und akademischen Ehrgeiz und sind in vielen Berufen unumgänglich. Einen guten Job zu finden hängt allerdings nicht immer von einem gut strukturierten Lebenslauf ab. Wichtig sind auch persönliche Kontakte und Netzwerke, Flexibilität und Offenheit, um Chancen ergreifen zu können, auch wenn sie unkonventionell sind. Und nicht zuletzt eine gute Selbsteinschätzung und –präsentation, um künftige ArbeitgeberInnen von sich überzeugen zu können.

Mag.a Gabriele Srp ist Psychologin und Bildungsberaterin und seit zwölf Jahren am WIFI Wien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Potenzialanalyse und Bewerbungscoaching.

Theresa Ziegler

Mag.a Gabriele Srp

Gerhard Weinkirn, Heribert Corn, Peek & Cloppenburg, karriere.at / Robert Maybach

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In Zeiten, in denen jede/r von der unsichtbaren Hand des Marktes angehalten wird, unternehmerisch zu denken, ist der eigene Lebenslauf zu einer der meist diskutierten Kapitalanlagen geworden. Wie viel ein Bachelor, ein Diplom oder eine Ausbildung auf dem Markt wert sind, bestimmen dabei leider nicht nur wir selbst. Zahlen sich zehn unbezahlte Praktika gegenüber einem höheren Bildungstitel aus? Ist die Cum-laude-Masterarbeit oder die langjährige Berufserfahrung für den weiteren Verlauf einer Erwerbsbiografie ausschlaggebend? Und wie finden wir einen guten Job, ohne unseren CV systemkonform zu designen?

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Corinna Gerl

Thomas Olbrich

Komplex, kreativ und kritisch denken ———— Wir leben in einer Welt, die gekennzeichnet ist von Veränderung, Ungewissheit und Mehrdeutigkeit. Liquid Society nennt sie der Philosoph Zygmunt Baumann. Die bereits angelaufene technologische Revolution wird unsere Art zu arbeiten und zu leben massiv beeinflussen. Innerhalb einer Generation werden bis zu 50 % der jetzt bekannten Arbeitsplätze wegbrechen. Menschliche Arbeit muss völlig neu definiert werden. Bildung wird wichtiger denn je. Doch sie wird sich dramatisch verändern müssen. Der Umgang mit komplexen Problemen, kritisches Denken und Kreativität stellen künftig die wichtigsten Kompetenzen in einer sich verändernden Berufswelt dar, wenn künstliche Intelligenz und Automatisierung in weite Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft eindringen. Fachwissen wird bis zu einem gewissen Grad – auch abhängig von der Art des Berufs – weiterhin wichtig bleiben; die Fähigkeit, Wissen fächerübergreifend und kreativ zu verknüpfen, Verbindungen herzustellen und Folgewirkungen abschätzen zu können, wird aber in allen künftigen Berufsfeldern von steigender Bedeutung sein. Ob diese Kompetenzen durch berufliche Vorerfahrung oder durch Bildung erworben werden, hängt von der Art der ausgeübten Berufstätigkeit, bzw. von der Art der Vorbildung ab. Die Zahl der erworbenen Bildungsabschlüsse ist hierbei jedoch ebenso irrelevant wie die Anzahl und Dauer der beruflichen Erfahrungen. Die aktuellen Berufs- und Bildungsrealitäten stellen den ausreichenden Erwerb der oben beschriebenen Kompetenzen für die Berufsrealität der Zukunft ebenso wenig sicher, wie berufliche Erfahrungen im Mainstream der existierenden Berufsfelder. Viele Menschen erwerben diese Kompetenzen in untypischen Berufsoder Bildungslaufbahnen oder durch zivilgesellschaftliches Engagement außerhalb von Studium oder Beruf.

Mensch als Gesamtpaket ———— Ein Trend geht zu berufsbegleitenden oder dualen Studien. Damit kombinieren BewerberInnen nicht nur Berufserfahrung mit theoretischem Wissen, sondern beweisen auch noch eine gute Zeiteinteilung sowie Belastbarkeit – sehr beliebt bei PersonalerInnen. Auch die Akzeptanz von Bachelorabschlüssen steigt, langwierige Ausbildungen verlieren in der schnelllebigen Zeit an Bedeutung, Wissen veraltet etwa im IT-Bereich sehr rasch. Abschlüsse bleiben also eine gute Grundlage, um in einem Bereich Fuß zu fassen, vor allem für MaturantInnen, Studierende und AbsolventInnen, die noch am Anfang ihrer Laufbahn stehen. Gute Noten implizieren Lernwillen und Durchhaltevermögen, wenn die einschlägige Erfahrung vielleicht noch fehlt. Damit BerufseinsteigerInnen selbst herausfinden, in welchen Bereich sie überhaupt wollen – dafür sind Praktika ideal, die übrigens nicht unbezahlt sein müssen. Sie geben Einblicke in unterschiedliche Unternehmen und Branchen; man merkt, welche Art von Team oder Vorgesetztem man braucht bzw. welche Bedingungen, um sich wohlzufühlen und entfalten zu können. Wichtige Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Prioritätensetzung, Umgang mit Kritik, Arbeiten unter Zeitdruck etc. – das wird alles am besten on the Job gelernt. Neben Ausbildung und relevanter Berufserfahrung zählt aber vor allem der Mensch als Gesamtpaket: Die Arbeitseinstellung, Zielorientierung und der Leistungswille entscheiden über den Erfolg; sie kompensieren manchmal gar einen fehlenden Abschluss. Wenn ein Kandidat / eine Kandidatin von seiner / ihrer Persönlichkeit her besonders gut ins Team, ins Unternehmen, zur Stelle passt und Potenzial mitbringt, können fehlendes Know-how und Erfahrung zum Beispiel durch Schulungen aufgeholt werden. Die Motivation – die kann man wiederum nur schwer ändern oder »lernen«, die muss gleich passen.

Individualität und gelebte Praxis ————Bildung? Praxiserfahrung? Weder das eine, noch das andere zählt – es braucht beides. Und vor allem etwas Drittes: Leidenschaft. »Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig«, sagte einst Albert Einstein. Mit ihm muss sich freilich niemand vergleichen, es schadet aber nicht, diesen Satz zu beherzigen. Als Mutmacher, das typisch Einsteinsche Augenzwinkern inklusive. Bei aller Spezialisierung ist auch heute und gerade jetzt gültig: Die Mischung macht’s. Wie meine (Groß-)Eltern immer so schön auf typisch Österreichisch gesagt haben: »Von allem a bisserl was.« In diesem Mix lassen sich Generation Y, Z und mittlerweile Alpha nur schwer ein X für ein U vormachen, sie wissen meist ganz genau, was sie wollen, und das mit klaren Ansprüchen – an den Job, an sich selbst und an ihr (Bildungs-)Umfeld. Neben Berufspraktika gehören vor allem persönliche Erfahrungen dazu: Auslandsaufenthalte, Dinge ausprobieren, an seine Grenzen gehen, samt einer gesunden Fehlerkultur (Stichwort: Trial and Error). Wenn’s dann ums Bewerben geht, steht eines im Fokus – eine Firmenkultur mit Sinnstiftung. Und umgekehrt die KandidatInnenkultur. Dass junge Menschen jobfit sind, egal ob sie sich nun Bachelor, Master, PhD oder ganz anders nennen dürfen, gilt als Grundvoraussetzung. Was viel mehr gefragt ist? Die menschliche Qualifikation. Sie sticht, wenn ein Unternehmen zwischen mehreren BewerberInnen entscheiden muss, mit 80 % eindeutig das Fachliche, wie eine Studie von karriere.at ergeben hat. Fix ist: Ein Lebenslauf will gut gefüllt sein, sowohl mit einschlägiger Ausbildung als auch gelebter Praxis, also aussagekräftigen Alleinstellungsmerkmalen. Was das CV aber gar nicht mag (weil PersonalerInnen keine Freude damit haben), ist überbordende Länge und Austauschbarkeit. Ein Hoch der Unverwechselbarkeit, der Individualität – und der Leidenschaft!

Gerald Bast ist Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien, wo neue, bisher unbekannte Studien, die Fähigkeit, Wissen fächerübergreifend und kreativ zu verknüpfen, im Zentrum stehen.

Peek & Cloppenburg

Corinna Gerl ist seit 2015 bei Peek & Cloppenburg, seit 2017 in der Unternehmenszentrale in Wien. Sie leitet dort aktuell das Recruiting & Talentmanagement der Führungskräfte und MitarbeiterInnen im Bereich Retail & Headquarters für Österreich und CEE.

karriere.at

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Universität für angewandte Kunst Wien

Thomas Olbrich hat langjährige HumanResources-Erfahrung und ist Chief Culture Officer bei karriere.at.

Theresa Ziegler

Gerhard Weinkirn, Heribert Corn, Peek & Cloppenburg, karriere.at / Robert Maybach

Gerald Bast

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Workstation Menschen am Arbeitsplatz Kerstin Musl

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Emily Staats

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Special Bildung

Klaus Karlbauer

Komponist, Regisseur, Performing Artist, Lehrender Ein Arbeitsplatz im Sinne von Büro? Nicht bei Klaus Karlbauer. Derzeit zwischen zwei Hauptstädten – Berlin und Athen – pendelnd, findet Karlbauers Schaffen in einem Nord-Süd-Gefälle, unabhängig von der Unterscheidung »Home« und »Office« statt. Diese ungebundene Arbeitsweise ermöglicht ihm, befreit von den Lasten allzu bekannter Orte zu arbeiten. Karlbauer praktiziert Freiheit und das manifestiert sich in der Art und Weise, wie der Komponist, Regisseur und Performing Artist unterrichtet. »Ich beschäftige mich niemals und nirgendwo mit Grenzziehungen«, unterstreicht Karlbauer, der das Lehren als performativen Akt und integralen Bestandteil seiner eigenen künstlerischen Praxis ansieht. Karlbauers Ziel bei dieser besonderen Art zu unterrichten ist zum einen, bei den Studierenden kreative und reflexive Prozesse hervorzurufen. Zum anderen hat es eine provokative Natur: »Meine erklärte Absicht ist es, durch die Initiierung kritischwiderständischer Prozesse in Zusammenarbeit mit den Studierenden das selbstgefällige und sich selbst genügende, geschützte akademische Biotop infrage zu stellen.«

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Beatrice Frasl

Kulturwissenschafterin und Podcasterin Beatrice Frasl arbeitet vom eigenen WG-Zimmer aus. Eine Realität, die sie selbst suboptimal findet und die bloß mangels besserer Optionen (»Kaffeehäuser und Bibliotheken funktionieren noch viel weniger«) besteht. Das Konzept Homeoffice ist für Beatrice Frasl also nicht erste Wahl. »Ich hätte lieber ein Büro, da ich es auch aus Psychohygienegründen notwendig finde, einen richtigen Arbeitsplatz zu haben, den man hinter sich lassen kann, wenn man nach Hause geht«, erklärt sie. Während also fehlende räumliche Grenzen manchmal stören, hat Beatrice thematisch einen fixen roten Faden. »Feministin, Gerechtigkeitsfanatikerin und politischer Mensch bin ich überall, egal was ich mach«, sagt Frasl, die sich sowohl in ihrem Podcast »Große Töchter« als auch in der Lehre an der Uni Wien mit den Themen Geschlecht und Sexualität, Feminismus, (Geschlechter-)Gerechtigkeit und Gleichstellung beschäftigt. »Allerdings ist meine Lehrveranstaltung an der Uni sehr fokussiert auf Popkulturelles wie Animationsfilme und Queer Theory und mein Podcast ist konkreter politisch«, fügt sie hinzu.

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PROSA — CORNELIA TRAVNICEK

RISING HIGH

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Cornelia Travnicek folgt in ihrem neuen Roman »Feenstaub« drei Burschen am Rande einer Großstadt, die nicht erwachsen werden können. Das Trio verdingt sich als Taschendiebe für den den ominösen Krakadzil. Wie man so ein Leben erträgt? Mit Feenstaub natürlich. Zumindest bis die Liebe auf den Plan tritt. Ein Auszug.

Die Stadt hat zwei Ufer an einem großen Fluss. Was dazwischen liegt, interessiert niemanden. Unsere Insel ist das Niemandsland. Hier vergeht die Zeit langsamer, oder an den Stadtufern schneller, je nachdem, wie man es sieht. Es heißt, alle Kinder würden eines Tages das Niemandsland verlassen. Dann, wenn sie erwachsen sind. Aber ein Kind nicht. Ich. Ich weigere mich, erwachsen zu werden.

* Keiner von uns weiß genau, was passiert, wenn einer kein Junge mehr ist, sondern ein Mann. Wenn er zu groß, zu breit, zu schwer, zu behaart wird. Wenn er sich nicht mehr klein genug machen kann. Wenn der Nebel ihn nicht mehr verbirgt.

* Wenn der Krakadzil uns besucht, schleppen wir die Truhe heran und heben den Deckel an. Wir stehen im Halbkreis darum herum, aufrecht, ich genau hinter der Kiste. Hmhm, sagt der Krakadzil immer, wenn er sich über die offene Truhe beugt. Einmal ist mir aufgefallen, dass ich die Luft anhalte, wenn er das tut, und seitdem fällt es mir jedes Mal auf. Hmhm, macht der Krakadzil und hhhhhhhm atme ich ein, und dann nichts mehr. Bis er sagt, gut, gutgut, gutgutgut, während er dieses oder jenes Stück zwischen den Fingern dreht. Da atme ich wieder aus, mhhhhhhh, und meine Schultern fallen ein bisschen nach vorne, also muss ich sie davor zurückgenommen haben. Sagt der Krakadzil nicht gutgut, ducke ich mich, als würde er die Hand gegen mich erheben. Er aber stellt sich nur vor mich hin und sieht mir fest in die Augen, während er die seinen dabei in den Winkeln ein wenig zusammenkneift. Man weiß, dass er die Zähne hinter den verschlossenen Lippen aufeinanderbeißt. So sieht er mich an, und dann hält er mir mit einem Ruck seine geschlossene Faust vors Gesicht und ich zucke zusammen. Er öffnet die Hand und lässt, was auch immer sich darin befindet, vor mir in den Staub fallen. Mein Blick folgt nicht dem fallenden Gegenstand. Meinen Blick hält der Krakadzil mit dem seinen

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gefangen. Am Ende wendet er sich ab und verschwindet wortlos, aber ich weiß ganz genau, dass wir etwas besser zu machen haben, sonst.

* Am Abend fällt niemandem auf, dass ich still bin. Ich würde gerne das Etui aus der Tasche holen, aber dann würde es vielleicht einer der anderen sehen. Es mir wegnehmen. Sich darüber lustig machen. Mich fragen, ob es ein Geschenk sei, ein Geschenk von unserer guten Fee vielleicht. Und dabei auf diese bestimmte Art grinsen. Und ich würde wütend werden müssen, obwohl es nichts zum Wütendsein gibt, weil wir alle wissen, dass Clopot nicht auf kleine Jungs steht, und trotzdem jemandem eine scheuern, um einen Standpunkt klarzumachen, was nichts bringen würde, weil wenn man wütend wird, stimmt alles noch mehr als wenn nicht, nicht wahr, das ist die Logik. Und jemand würde ein schwarz geschlagenes Auge haben und ich schmerzende Fingerknöchel. In Gedanken halte ich dem Mädchen sein Etui hin und erkläre, jemand anders hätte es ihr geklaut und ich hätte das gesehen und dann hätte ich dem anderen ordentlich aufs Maul gehauen, damit er es mir gibt und ich es ihr zurückbringen kann. Held. Aber wer ist der andere, wo hat er es ihr gestohlen, dass ich es hätte sehen können? Und schon würde ich der andere sein und es würde sich sicherlich jemand finden, der mir die Fresse polieren wollte, und wenn auch nur bloß, weil sich ihm die Gelegenheit dazu böte. Nein, da würde ich mir etwas Besseres einfallen lassen müssen.

* Wir liegen Kopf an Fuß um das erlöschende Feuer. Die Wolken bilden den Kreis der Lichtung nach. In ihrer Mitte haben sie die Sterne zusammengetrieben. Die Sterne werden langsam heller und heller. Die Wolken beginnen sich wie in einem Strudel zu drehen, immer schneller, ziehen den Kreis um die Sterne enger, die Sterne rücken näher zusammen, näher, bis sie alle

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* Nachts, als ich denke, die anderen beiden wären schon eingeschlafen, sagt Cheta auf einmal in die Dunkelheit hinein: »Das mit der schönen Erinnerung, weißt du?« »Hm?« Ich höre den Feuerstein ratschen, sehe die Flamme und Cheta, wie er vorsichtig den Docht der Öllampe anzündet. Er dreht das Rädchen, das die Flamme kleiner oder größer macht. Dann stellt er die Lampe zwischen uns ab und setzt sich in den Schneidersitz, als wäre das alles eine rituelle Vorbereitung für unser Gespräch. »Das ist Mist«, sagt er dann bestimmt. »Was?« »Das mit dem Fliegen.« Seine Augen sind gerötet. Aber wer hätte nicht rote Augen, wenn er Staub hineinbekommen hat. »Wieso?« »Weil … weil ich dann schon längst davongeflogen wäre.« Er reibt am Stoff seiner Hose herum, als wäre da ein Fleck. Ich schweige. Jeder weiß, dass Cheta eine Mutter hat, die ihn liebt, die auf ihn wartet, die ihn zurückholen will, irgendwann. Wenn der Stiefvater es nur erlauben würde. »Einfach aus dem Fenster hinaus und davon«, sagt er dann, »immer geradeaus bis zur Abenddämmerung.« Er lacht ein Lachen, das keines ist. »Auf Nimmerwiedersehen«, fügt er an.

Cornelia Travnicek geboren 1987, lebt in Niederösterreich und studierte an der Universität Wien Sinologie und Informatik. Für ihre literarischen Arbeiten wurde sie vielfach ausgezeichnet, u. a. für ihr Romandebüt »Chucks« (DVA 2012), das auch erfolgreich verfilmt wurde. Ihr neuer Roman »Feenstaub« (Picus Verlag) erzählt als feinsinnige Chiffre im distopischen Fantasygewand von vergessenen Kindheiten, schwierigem Heranwachsen und gnadenloser Ausbeutung. www.corneliatravnicek.com

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in einem einzigen sehr hellen Punkt vereint sind, der plötzlich explodiert. Dann steht die Zeit still. Tausende Glühwürmchen schweben in der Luft. Sinken auf die Lichtung nieder. Ich strecke die Hand nach einem der Leuchtkäfer aus. Will fühlen, ob das leuchtende Ende warm ist, warm vom inneren Licht.

Paul Feuersänger

* »Weißt du, vielleicht funktioniert das auch so«, flüstert Cheta mir noch zu, als die Öllampe schon wieder erlischt. »Was?« Ich blinzle. Mondlicht macht das Zimmer bläulich weiß. »Das mit der schönen Erinnerung, vielleicht funktioniert das so: Vielleicht darf man keine schlechte haben, die die gute kaputtmacht, also sie nachträglich irgendwie zerstört.« Ich sehe im Nachtlicht, wie Cheta sich auf den Bauch dreht und sein Kissen unter sich zusammendrückt. Er liegt darauf, als wollte er es ersticken.

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Mehr als 57.000 Mitglieder nutzen das kostenlose Online-Portal für eine gute Nachbarschaft Das Netzwerk für deine Nachbarschaft The_Gap_179_050-055_Rezis_FIN_KORR.indd 50

Das Netzwerk für deine Nachbarschaft

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My Ugly Clementine 08

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Immer reden alle von diesen Ecken und Kanten, die Dinge haben müssen, damit sie es auf der Skala der Interessantheit möglichst weit nach oben schaffen. Läuft einmal etwas wirklich rund, findet es höchstens beim Frühstückskaffee Erwähnung. Tut sich jedoch eine sperrige Wendung auf, ergibt sich daraus meist schon genug Gesprächsstoff für zwei, drei abendliche Dosenbiere. Durchbrochen wird diese höchst ungerechte Verteilung von Anerkennung gerade von der Band My Ugly Clementine, die aus den ganz und gar nicht unbekannten Mitgliedern Sophie Lindinger, Mira Lu Kovacs, Kathrin Kolleritsch und Nastasja Ronck besteht. Ihr im März erscheinendes Debütalbum »Vitamin C« als absolut runde Sache zu bezeichnen, ist nämlich nicht nur aufgrund des Bandnamens naheliegend. Musikalisch ist das Debüt der Klementinen irgendwo zwischen Folk, Grunge, Pop, Post-Punk und den Vibes der 60er-Jahre angesiedelt. Eine Mischung, die auf den ersten Blick zwar genug Potenzial für allerlei kantige Widerständigkeiten und sperrige Wendungen hätte, die aber schon beim ersten Hören das angenehm wohlige Gefühl vermittelt, dass hier alles wie aus einem Guss klingt. Deutlich mehr Widerstand verlangen dafür die Themen, denen sich die vier annehmen. So singen My Ugly Clementine im Song »Playground« gegen starre Geschlechterstereotype an und tun das dabei so überzeugend, dass der Satz »Just because I have smaller hands, doesn’t mean I can’t do what my male friends can« sehr schnell zur feministischen Kampfansage gegen engstirnige patriarchale Strukturen werden könnte. Nur weil man ein Album produziert, dass das Etikett »runde Sache« (mit all der damit verbundenen Anerkennung) mehr als verdient hat, bedeutet das schließlich nicht, dass in unserer Gesellschaft alles rund läuft. Ganz und gar nicht. Und genau deshalb wollen wir Sätze wie »If you want me to stay, accept the good, the bad, the ugly, the brain« noch sehr viel öfter hören. (VÖ: 20. März) Sarah Wetzlmayr

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Vitamin C — Ink Music

Hanna Fasching

t

Rezensionen Musik

Live: 9. April, Krems, Kesselhaus — 10. April, Weyr, Bertholdsaal — 16. April, Salzburg, ARGE Kultur — 22. April, Wien, Arena — 25. April, Graz, Orpheum

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Manuel Fronhofer

bewegt sich gerne im Pop-Underground

»Rock’s not dead, it’s ruled by women«, verlautbarte vor zwei Jahren die New York Times. Es war eine Anspielung auf die andauernde Irrelevanz von Gitarrenmusik für den Mainstream und das gleichzeitige Brodeln unter dessen Oberfläche, für das eine Reihe von spannenden, oft auch politischen Bands verantwortlich war, die (zumindest zu erheblichen Teilen) aus Frauen bestanden bzw. bestehen. Die Dringlichkeit ihrer Musik, radikale Intimität und forscher Nachdruck ließen so manch dürre IndieBoyband gleich noch ein Stück magerer ausschauen. Erfreulicherweise hat sich die Lage insofern normalisiert, als dass das stete Nachrücken aufregender weiblicher Acts – von Courtney Barnett über Diet Cig und Snail Mail bis Nilüfer Yanya – nicht mehr enden zu wollen scheint. Und mit Porridge Radio rund um Dana Margolin setzt das junge Jahr 2020 die Reihe gleich mal mit neuer Lieblingsmusik fort.

Anziehend aufwühlend »Every Bad« (Secretly Canadian, VÖ: 13. März) ist zwar nicht ihr Debütalbum, aber das erste, für das die aus Brighton stammende Band in ein Studio gegangen ist. Dessen getrieben wirkender, existenzialistischer Indie-Pop macht auf anziehende Weise leicht unrund. Zum Feiern ist einem nach diesen aufwühlenden, mit Widersprüchen spielenden Ausführungen eher weniger zumute. Auch wenn sich einzelne Songs ruhiger, harmonischer anlassen, schonungslos im Ausdruck sind sie alle. Ein emotionales Crescendo führt ins nächste, bis es im letzten Stück schließlich heißt: »There’s nothing inside.« Alles rausgekotzt, wie es der Pressetext umschreibt. Gutes Neues steht uns demnächst außerdem von Hinds ins Haus. Die Spanierinnen haben ihr Angebot auf »The Prettiest Curse« (Lucky Number, VÖ: 3. April) um lupenreinen Pop erweitert, Lo-Fi-Geschrammel können sie aber auch immer noch. Mit dem aus der Zeit gefallenen »Yesterday Is Gone« (Full Time Hobby, VÖ: 27. März) stellt sich wiederum Dana Gavanski, Kanadierin mit serbischen Wurzeln, als etwas konkreter agierende Seelenverwandte von Folk-Freigeist Julia Holter vor. Und ja, Männer machen auch noch gute Musik. Dazu dann vielleicht beim nächsten Mal mehr. fronhofer@thegap.at @posernerd

Porridge Radio

Hinds

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Dana Gavanski

Good Wilson

Good Wilson — Assim Records

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Manch eine/r würde Good Wilson als klassischen Shoegaze bezeichnen. Die Band selbst spricht von einer eigenen Musikrichtung namens Skygaze. Worin genau der Unterschied zum etablierten Genre liegt, ist dabei zunächst nicht ganz klar – bis man die bisherigen Singles der vier Wilsons hört. Shoegaze ist getrieben von einer gewissen »Hach«-Mentalität – bis hin zur Betrübtheit –, während Good Wilson in ihren bisherigen Releases eher positiv in den Himmel schauen. »Der tägliche Struggle ist für uns alle real. Trotzdem ist es wichtig, sich hin und wieder bewusst auf der eigenen Reise zu verlaufen, um neue Facetten an sich selbst zu entdecken. Man stößt womöglich auf inspirierende Dinge, die einem Zuversicht schenken«, wird die Band zitiert. Good Wilson sind Günther Paulitsch, Alex Connaughton, Mario Fartacek und Julian Pieber, die man unter anderen Namen und in anderen Kombinationen schon lange gute Musik machen gehört und gesehen hat. Und so skygazen sich Good Wilson dann doch durch verschiedene musikalische Stimmungslagen. Während die letzte Single »Fall In Fall« eine Nummer von den Flaming Lips sein könnte, und »It’s Been A While« dem klassischen Beatles-Sound ein Jazz-Saxophon schenkt, verortet sich der wohl stärkste Song des Albums, »Till We Meet Again«, eher bei Foster The People. So weit liegen all diese Gaze-Genres dann aber doch nicht auseinander, vereinen sie sich vor allem im Male Gaze – wobei das Narrativ des sich selbst suchenden lost boys mitunter auch ungeachtet des Geschlechts der Interpreten funktionieren könnte. Apropos funktionieren: Good Wilson präsentieren sich musikalisch eher nicht in einzelnen Singles, sondern in einer Vibe-Wolke, die erst über eine längere Strecke so richtig bei einem ankommt – in Form eines Albums oder noch besser: eines Konzerts. Wer also eine Indie-freundliche Verlorenheit in sich spürt und musikalische Versiertheit schätzt, wird bei den Live-Interpretationen dieser Langspielplatte noch mehr auf seine Kosten kommen. (VÖ: 30. März) Theresa Ziegler Live: 19. März, Salzburg, Rockhouse — 20. März, Wien, Haus der Musik — 28. März, Ehrwald, Mellow Mountain Hostel — 15. April, Innsbruck, Rififi

Florian Auer, Rupert Höller & Matthias Helldoppler, El Hardwick, Andrea Savall, Tess Roby

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Neigungsgruppe Indie Alles rauskotzen

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Pop Right Now Waiting for R9

Auf olle 4re — Honigdachs

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Dass der Schweinehund im Spießertum negativ behaftet ist, war für Kreiml & Samurai wohl Grund genug, diesen als Spirit Animal zweckzuentfremden. Der Erfolg der letzten Jahre gibt dem Duo in jedem Fall recht. Auf Abscheu vor gesellschaftlichen Wertvorstellungen folgt der tiefe Blick ins Krügerl. Der Schmäh’ hat noch immer keinen Bart und wenn er ihn vielleicht doch hat, so ist er zumindest in Würde gealtert. Warum also was an der Zauberformel ändern? Eben! Die Hauptdarsteller bestreiten nach wie vor unbehelligt ihren musikalischen Weg, der von Leergut aller Art gesäumt ist. Brenk Sinatra verleiht diesmal dem unverkennbar rohen Jargon sein betörendes Soundgewand. Schon der Titeltrack inklusive Video zeigt unmissverständlich, wessen Territorium man betreten hat: »Bitte alle anschnallen!« »Würstlstand« treibt diese Fusion weiter an die Spitze und wird noch oft genug bei Eitriger und Bugl mitgegrölt werden. Der Plot ist jedenfalls reich an b’soffenen G’schichten, die allesamt am Gürtel oder am Praterstern angesiedelt sein könnten. Wien ist um ein paar Alltagsgeschichten reicher. Obendrein dürfen die Labelkollegen Monobrother, 5 Finga, DRK und MDK ihren Senf dazu geben. Dennoch bleibt neben den bildhaften Schilderungen des Lotterlebens auch Platz für politische Bekenntnisse und Momente des Zurückblickens. In »Ganz Wien« wird so die Ibiza-Affäre zum Anlass genommen, eine klare Grenze gegenüber autoritären Tendenzen zu ziehen. Genau so pointiert und zynisch darf man schon mal den Finger in die hässlichen Wunden der jüngsten Vergangenheit legen. »Boulevard« zeigt die beiden von ihrer melancholischen Seite und lässt Persönliches hinter der Fassade erahnen. All das macht »Auf olle 4re« insgesamt zu einer wohlbekömmlichen Sache. Der innere Schweinehund wird sich darauf freuen. In diesem Sinne: Wuff oink! (VÖ: 20. Februar) Maximilian Weissensteiner

Live: 5. März, Linz, Posthof — 6. März, St. Pölten, Warehouse — 7. März, Salzburg, Rockhouse — 12. März, Innsbruck, Music Hall — 13. März, Lustenau, Carinisaal — 21. März, Wien, Gasometer

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Es wäre viel zu übertrieben, von einer Krise zu sprechen, und doch besorgt es mich, dass Indie-Ästhetik derzeit auch vermeintlich klassische Pop-besetzte Domänen einnimmt. Das neue Mura Masa Album ist ein Abfeiern des späten Britpop, The 1975 verabschieden sich von ihrer Cloudigkeit ins Schrammel-Nirvana und Nasty Cherry – die Konzeptband meiner heiligen Schutzpatronin Charli XCX – würde, gäbe es noch CDs, wohl auch nicht im Pop-Regal stehen. PC Music, das iconic Hyperpop-Label, signte sogar vor kurzem mit Planet 1999 eine Shoegaze-Band. Was die Alt-Pop-Hoffnung Allie X seit letztem Jahr für den noch im Februar kommenden Groß-Release »Cape God« (VÖ: 21. Februar) ankündigt, lässt sich auch mehr beim so genannten Alternative verorten also noch beim Zucker ihrer 2018er Single »Girl of the Year«. Was geht hier vor sich?

We stan Dua Lipa 2019 haben diverse Women of Pop ihre Albumschuld bereits mit Meisterwerken abgegolten: u.a. Tove Lo (»Sunshine Kitty«), Carly Rae Jepsen (»Dedicated«) und Lizzo (»Cuz I Love You«). Eine aus dieser Riege an Popstars hingegen erzeugt mit den VorabSingles massive Suspense für ihr Anschluss-Album: Dua Lipa. »Don’t Start Now« und »Physical« erheben für die LP »Future Nostalgia« (VÖ: 3. April) den Eindruck eines Disco-Konzeptalbums mit Workout-Ikonografie und somit Parallelen zu einst Madonnas »Confessions on a Dance Floor« – we can’t help but stan. Neben der sicheren Bank des Dua Lipa Albums, erhält uns auch eine weitere, leisere Hoffnung am Leben: R9. Rihanna kündigt seit Monaten immer wieder an, wie bald wir mit neuer Musik von ihr rechnen können. Neuester Teaser ist ein tanzender Hund auf @badgalriris Instagram – ein Meme, das ich bereits einige Tage zuvor postete, diesen Fakt möchte ich euch nicht vorenthalten. Eines der wenigen Dinge, die wir über Rihannas neuntes Studioalbum wissen, ist, dass Reggae das tonangebende Genre sein wird. Sei es drum, Rihanna wird nichtsdestotrotz ein Pop-Album daraus machen, das den State of the Art bestimmen wird. War es doch »Anti«, sozusagen R8, das Indie- und Mainstream-Grenzen, Charts und Kunst, näher zusammen brachte. ziegler@thegap.at @raverresi

Allie X

Dua Lipa

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Kreiml & Samurai

Alex Dietrich, Melt Booking, Hugo Comte, Universal Music

Florian Auer, Rupert Höller & Matthias Helldoppler, El Hardwick, Andrea Savall, Tess Roby

Theresa Ziegler

fischt am liebsten im Mainstream der internationalen Popmusik

Rihanna

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Gewinnen thegap.at/gewinnen 1 2

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Strandhase 04

»Der Tod des Indie-Rock«, der »Mainstream der Minderheit«: Gar fatalistische Abgesänge auf das, was wir so ganz im Allgemeinen als Independent Rock zu verstehen glauben, gibt es quasi schon seit immer. Aber – und das muss man auch sagen – irgendwie hat er doch noch ein kleines bisschen überlebt, auch wenn man ihn nicht so häufig mehr fühlt. Natürlich ist heute alles verdigitalisiert und diesen wirklichen Underground – wie man ihn etwa als preissteigernden Vermerk auf südamerikanischen Beat-Platten der 60er-Jahre findet – gibt es heute gar nicht mehr. Mit dem vermeintlichen bestimmten Etwas, einer gut geschmierten und im doppelten Sinne vernetzten Maschinerie wabert heute nichts mehr im Untergrund dahin, bricht plötzlich aus und versorgt Massen mit gutem Geschmack. Alles findet schnellstmöglich den Weg in die digitalen Abspielgeräte. Und nun: Strandhase. Die vier Wiener sind eine dieser Indie-Bands, wie von Don Kirshner am Reißbrett gemalt: Ein charismatischer Sänger und Instrumentalisten, die ganz im Unsinne des Cock ’n’ Rolls gar überdramatisieren – die Frisuren! – und mehr zum Overacting neigen als Ray Weber; dazu spitz auf die tendenziell jüngere Zielgruppe zugeschnitten, die noch an die große Liebe Rock ’n’ Roll glaubt – kurz: im Gestus leicht zu dechiffrieren. Nach bereits geschickt in den Rotationen der für Image relevantesten Radiosender platzierten Singles (»Einsame Gewalt« und »Tanzen mit Jacke«) erscheint nun das Debüt der erst seit 2018 in dieser Form zusammenspielenden Gruppe. Es bietet 13 und zwei halbe Stücke Erwartbares: Gitarrenmusik, noch dazu mit Hang zu Latin, Jazz und Funk. Eines muss man Strandhase aber lassen: Sie neigen zumindest musikalisch nicht zur Festlegung, großbuchstabierten Rock findet man ebenso wie schwebende Elegien und mit dem hibbeligen sowie dynamischen »Paloma« ist tatsächlich so etwas wie ein echter Hit auf »Primetime«. Die Rettung eines Genres dagegen: Sie muss auf einen anderen Release verschoben werden. (VÖ: 21. Februar) Dominik Oswald Live: 27. März, Steyr, Röda — 9. April, Klagenfurt, Stereo — 18. April, Wien, WUK — 23. April, Salzburg, Rockhouse — 24. April, Graz, P.P.C.

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1 Masters Of Dirt – Freestyle Evolution Tour Für FreundInnen des Motorsports, die einer fulminanten Show nicht abgeneigt sind: Die Masters Of Dirt kommen auf ihrer Freestyle Evolution Tour wieder nach Wien. Dabei zeigen AthletInnen aus 18 Ländern auf Freestyle-Motocross-Bikes, BMX, Mountainbikes, Schneemobilen und Quads, was man mit Motoren gegen physikalische Kräfte anrichten kann. Das Spektakel steigt von 13. bis 15. März in der Wiener Stadthalle. Wir verlosen zwei Tickets.

2 »The Gentlemen« Guy Ritchie lässt es in seinem neuen starbesetzten Film abermals krachen. Mickey Pearson (Matthew McConaughey) möchte sich aus seinem Marihuana-Imperium zurückziehen, doch die Konkurrenz schläft nicht. Ritchie, der zuletzt die Neu-Verfilmung des Disney-Klassikers »Aladdin« in die Kinos brachte, kehrt mit »The Gentlemen« zu seinen filmischen Wurzeln zurück. Ab 27. Februar nur im Kino. Wir verlosen 3 × 2 Kinogutscheine.

3 »In der Regel«-Kräutertee Regelbeschwerden kennt fast jede Frau, die einen Uterus besitzt. Davon sind alle auf der Suche nach möglichst schonenden Lösungen, die die verhassten Tage einfacher machen. »In der Regel«, der neue Bio-Tee von Sonnentor, hält mit Holunderblüten, Brennnessel und Schafgarbe dagegen. Auch wenn die Periode vorbei ist, schmeckt die Kräutermischung lecker. Wir verlosen fünf Packungen des Wundermittels.

4 »Bad Banks – Staffel 2« Die preisgekrönte deutsche TV-Serie über die Machenschaften der Banken und Fintechs hat die Finanzbranche für die zweite Staffel neu aufgerollt. Nach den zwielichtigen Deals der Frankfurter AkteurInnen spielt der zweite Teil der ZDF-Koproduktion im Start-up-Paradies Berlin. Welche geheime Agenda die Protagonistin Jana Liekam (Paula Beer) hier eigentlich hat, zeigt Regisseur Christian Schwochow in weiteren sechs Folgen. Wir verlosen zwei DVDs.

Julia Dragosits

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Primetime — Problembär Records

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DAS HAUS DES MEERES

PRÄSENTIERT KULTUR

FOLKSMILCH — Palermo

5. Aprileres

Haus de

s Me

Die drei Musiker meistern den Spagat zwischen höchster Unterhaltung und musikalischem Anspruch mit Bravour. Die Musik des Dreiergespanns ist Ausdruck einer immensen Spielfreude. Beginn: 19 Uhr 30 | € 22,-

Hautnah an den KünstlerInnen, in lauschiger Atmosphäre, mit dem besten Blick über die Dächer Wiens –

Julia Dragosits

Kulturgenuss pur!

Tickets & das gesamte Programm: www.haus-des-meeres.at The_Gap_179_050-055_Rezis_FIN_KORR.indd 55

In Kooperation mit 14.02.20 00:12


c

ÖSTERREICHS CLUBSZENE IM RADIOKULTURHAUS

Termine Musik

FELIX KRAMER

17.03.2020

© Simone Körner

KARTEN UND INFOS: radiokulturhaus.ORF.at

Metronomy Ihr Song »I’m Aquarius« ist zwar schon etwas älter, die spirituelle Energy eines typischen Wassermanns ist dem Werk der britischen Band aber nach wie vor inhärent. Trotzdem braucht es den im selben Song besungenen Taurus für die realitätsnahen Lyrics. Das beste aus Luft- und Erdzeichen findet sich auch im aktuellen Album wieder. »Metronomy Forever« war im letzten Herbst der erste neue Release seit drei Jahren und ließ alle FreundInnen des clubfreundlichen Indie-Pops aufatmen. 28. März Wien, Gasometer

t-on.at

tonstudio. proberäume. kurse.

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15 Jahre Siluh Records Siluh ist nicht nur ein Indielabel, Siluh ist ein Genre. Seit 2005 versammeln sich unter seinem Dach Bands, die sonst genrebedingt hauptsächlich in Garagen zu finden sind und außerdem einer guten Portion Ironie nicht abgeneigt. Mit einem Best-of aktueller Siluh-Acts wird nun dieses 15-jährige Jubiläum standesgemäß gefeiert. Wo sich die Exportschlager Dives (Bild), die bissl härteren Culk, die bissl softeren Jolly Goods, und die sowieso superen Half Girl die Klinke in die Hand geben. 16. April Wien, WUK

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Termine Musik Georgia

highlights Do. 05.03. HipHop

Wir sind Nord-London eh sehr dankbar. Seit Neuestem hauptsächlich wegen Georgia. Die heute 30-Jährige hat 2018 mit »Started Out« alle happy gemacht, die sich auch nur im Entferntesten mit U-Musik umgeben. Als kleinster gemeinsamer Nenner aller musikalischer Vorlieben spielt sie sich irgendwo zwischen Robyn und einem upgedateten »Trainspotting«-Soundtrack in unsere Herzen. 25. Februar Wien, Fluc

Kreiml & Samurai / Monobrother / MDK ..................................................

Di. 10.03. Blues / Soul

Jools Holland with special guest KT Tunstall ..................................................

Da kommt zusammen, was zusammen gehört: Soia und Hunney Pimp führen uns durch Parallelwelten in Chicago und dorthin, wo Magnolien blühen. Beide haben im letzten Jahr anständige Alben geliefert und mögen ihre Musik smooth und retroesk. Das beste aus »Chicago Baby« und »Where Magnolia Grows«. 13. März Wien, Das Werk — 27. März Salzburg, Rockhouse – 28. März Lustenau, Carinisaal — 18. April Graz, Orpheum

Sinnesrauschen

Theresa Ziegler

Eva Maria Marold

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Mi. 18.03. TanzTage 2020

Kibbutz Contemporary Dance Company ..................................................

Do. 19.03. Brass / Pop / Electro

Meute ..................................................

Sa. 21.03. Literatur

Flake liest

Unser neuester Band-Crush aus dem Hause Numavi heißt tatsächlich so: Crush. Während ihr euch noch überlegt, welcher Song oder welches Mitglied besonders euer Herz erobern wird, tragt euch doch schon mal diese beiden Fixtermine für die MiniAlbum-Präsentation der Grazer Kombo ein. Es wird dreamy, es wird cute. Versprochen. 14. März Graz, Forum Stadtpark — 21. März Wien, Chelsea

Bild: Olaf Heine

Crush ..................................................

Mi. 25.03. TanzTage 2020

Gravity & Other Myths ..................................................

Fr. 27.03. Musikkabarett

Familie Lässig

Viagra Boys

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Sa. 28. – So. 29.03. Kabarett

In der vorletzten Zeile, aber doch: Viagra Boys sind am viel gememeten Coachella-Plakat zu lesen. Auch wenn wir nicht vergessen dürfen, dass der Festivalleiter aktiv homophob ist, gilt das Line-up doch als Benchmark dafür, was gerade cool ist. »Guess everything worked out even though my father never made me do sports«, kommentieren die Postpunk-Schweden ihr Announcement. 26. März Wien, Fluc

Wir Staatskünstler ..................................................

Mo. 30.03. LiteraturSalon

Deniz Yücel: Agentterrorist

Bild: Urban Zintel

Sonic PR, Neven Allgeier, Joseph Connor, Arcadia Live, Andreas Jakwerth, Johanna Dorner, Andre Jofre

Das Haus der Musik feiert im Beethoven-Jahr sein 20-jähriges Jubiläum und zeigt beim Sinnesrauschen, dass es auch bei UMusik mitspielt. Das diesjährige Programm präsentiert sich außerdem auch international, unter anderem mit den DänInnen Rebecca Lou und der Israelin Hila Ruach. Es gibt aber auch Bestes aus heimischer Bodenhaltung: Garish (Bild), Viech, Good Wilson. 20. bis 21. März Wien, Haus der Musik

Fr. 13.03. Kabarett

Bild: Moritz Schell

Soia × Hunney Pimp

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Mi. 15.04. Lesung

Caribou

Hauschka

Messer

Thees Uhlmann liest

Geh auf die Facebook-Seite von Caribou und schau nach, wie viele deiner FreundInnen diesen Act geliket haben. Sind es mehr als 50, gehörst du wohl zu den durchschnittlichen TheGap-LeserInnen. So oder so empfehlen wir ein Konzert von Daniel Snaith, der live von einer Band unterstützt wird. 24. April Wien, Gasometer

Musik von Volker Bertelmann hast du vielleicht schon gehört, ohne es zu wissen. 2017 war er für seinen Soundtrack zu »Lion« Oscar-nominiert, auch die Musik zur Serie »Patrick Melrose« hat er komponiert. Als Hauschka nähert sich der klassische Pianist mit »A Different Forest« wieder mehr der Natur. 23. März Wien, Konzerthaus

Dominik Oswald, unser Experte für deutschsprachigen Pop, meinte über Messer, sie hätten »wie kaum eine andere Gruppe den Wirrungen der deutschsprachigen alternativen Popmusik ihren Stempel aufgedrückt«. Das wird sich auch mit »No Future Days«, dem neuen Album der Münsteraner nicht lindern. 25. März Wien, Rhiz

Der Nino aus Wien

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Do. 30.04. Singer-Songwriter ..................................................

POSTHOF – Zeitkultur am Hafen, Posthofstraße 43, A – 4020 Linz Info + Tickets: 0732 / 78 18 00 kassa@posthof.at | www.posthof.at Weiterer VVK: LIVA Servicecenter im Brucknerhaus, Veritas Kartenbüro, oeticket und alle oberösterreichischen Raiffeisenbanken.

13.02.20 23:50


Termine Festivals

3 Fragen an Birgitt Wagner & Waltraud Grausgruber

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Leiterinnen des Festivals Tricky Women / Tricky Realities Ihr veranstaltet Tricky Women / Tricky Realities nun schon seit 19 Jahren und forscht nebenbei ganzjährig auch zu den Arbeitsbedingungen in der Branche. Hat sich seit eurem ersten Festival für Frauen im Animationsfilmschaffen etwas getan? Filme des heurigen Programmes sind im Oscar-Rennen, sind BAFTA-, Sundance- und AnnieAward-Gewinnerinnen – ein wahres Feuerwerk von Preisen findet gerade statt. Das Beste ist: Diese Filmemacherinnen kommen alle zum Festival! Das Interesse an den kurzen künstlerischen Animationsfilmen ist enorm gestiegen, wir zeigen die Filme auch in verschiedensten Zusammenhängen während des Jahres. Immer mehr Animationsfilmemacherinnen arbeiten an Langfilmen, die meist mit verhältnismäßig kleinen Budgets realisiert werden. Die großen Gelder in der Animationsfilmindustrie gehen immer noch an die Männer. Als Fokusland habt ihr dieses Mal Frankreich gewählt – warum gerade der Schwerpunkt auf Animation en français? Frankreich hat sich in den letzten Jahren zu dem Animationsfilmland entwickelt. Zahlreiche Ausbildungsstätten und Festivals und auch eine gute Fördersituation für den Animationsfilm ermöglichen einen großartigen, vielfältigen Output. Wir zeigen Episoden einer gerade startenden TVSerie, die Klassikerinnen und neue französische Talente. Bonjour la France! Welche österreichischen Animationsfilmkünstlerinnen habt ihr gerade besonders am Schirm? Das sind einige, die Szene ist sehr lebendig. Das Österreich-Panorama liefert einen guten Querschnitt der aktuellen Produktion. Wir haben natürlich auch die BAFTA-Nominierung von Kathrin Steinbachers »In Her Boots«, die Geschichte der unangepassten Oma Hedy, mitverfolgt. 11. bis 15. März Wien, Metro Kinokulturhaus

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Diagonale Das alljährliche Filmfestival Diagonale zeigt dieses Frühjahr erneut, welche Vielfalt und Qualität die österreichische Filmlandschaft beherbergt. Mit ihrem Programm zeichnet die Diagonale ein repräsentatives Bild des aktuellen Filmschaffens hierzulande und bringt damit unterschiedliche Auseinandersetzungen mit dem Kino, mit Erzählweisen und nicht zuletzt mit der Welt auf die Leinwand. Das Herzstück des Festivals bildet ein Filmwettbewerb, der aus ca. 500 aktuellen Einreichungen herausragende Spiel- und Dokumentarfilme sowie die besten Kurz-, Animations- und Experimentalfilme und -videos zeigt – darunter mehrere Weltpremieren und österreichische Erstaufführung. Daneben geben Ausstellungen, Workshops und Diskussionen Raum für kultur- und filmpolitische Fragen. 24. bis 29. März Graz, verschiedene Locations

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Emily Staats

Evelyn Rois, Diagonale / Miriam Raneburger, Klaus Ranger / Symposion Dürnstein, Richard Ross

Symposion Dürnstein

An vier Orten hat sich das Forward Festival niedergelassen: in Berlin, München, Hamburg und Wien. Im Zentrum der Veranstaltung steht eine Konferenz, bei der ausgewählte kreative SpeakerInnen Einblicke in ihre Erfolgsgeschichten gewähren. Darunter sind zum Beispiel die Designerin Irma Boom und Gerfried Stocker von der Ars Electronica. Abgerundet wird das Programm mit NetworkingEvents, Kunstperformances und Workshops. 16. bis 17. April Wien, Gartenbaukino

Gemeinsam mit internationalen ExpertInnen aus Wissenschaft, Religion, Kunst und Medien sucht das Symposion Dürnstein 2020 interdisziplinär nach Antworten auf Fragen rund um das Thema »Erbschaften: Kultur Natur Identität«. Wer hat die Deutungsmacht darüber, was vom Menschheitserbe bewahrt, was vergessen werden soll? Es diskutieren unter anderem die britische Autorin Shahidha Bari, Nestroyhof/Hamakom-Leiter Frederic Lion und der deutsche Kulturwissenschaftler Kaspar Maase. Ein Gratis-Shuttleservice von Wien-Schwedenplatz holt BesucherInnen ab. 5. bis 7. März Dürnstein, Stift Dürnstein

Vinyl & Music Festival Das Vinyl & Music Festival steht für eine bunte Mischung aus Musikalien-Verkaufsausstellung, Plattenbörse, Indie-Label-Market, Live-Auftritten und Get-together. Konzerte gibt’s von Acts wie Son Of The Velvet Rat, Cil City, Kristoff und The Base. Bei rund 150 AusstellerInnen können BesucherInnen Plattenkisten durchstöbern, Instrumente ausprobieren und sich mit Gleichgesinnten austauschen. 6. bis 8. März Wien, Ottakringer Brauerei

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Termine Festivals

Circle Industry Beim zweitätigen Breakdance-Battle entscheidet eine internationale Jury, wer 2020 in den Disziplinen »5 gegen 5«, »Checkmate« und »2 gegen 2«, sowie die Qualifikation im Solo gewinnt. Die GewinnerInnen der Pre-Selection treten gegen die geladenen nationalen und internationalen Gäste an. Außerdem gibt es an beiden Tagen einen Hip-Hop-Market für Fashion und Accessoires und ein Kids-Battle für den Nachwuchs. 13. bis 14. März Salzburg, Szene

Austria Comic Con Wels

Elevate Zum Thema »Human Nature« hat das Elevate Festival in Graz sein Programm mit junger, zeitgenössischer Musik und Kunst gespickt und internationale DenkerInnen und MusikerInnen eingeladen, ihre Ideen, ihre Kunst und ihre Sounds vorzustellen. Das Diskursprogramm umfasst über 30 Events. Bei freiem Eintritt wird hier das Bewusstsein über wichtige gesellschaftspolitische Fragen geschärft. Musikalische Highlights sind die britischen Shootingstars Giant Swan, die Techno-Grenzgänger Evol und Via App (im Bild), zwei zentrale Namen des Brooklyner Undergrounds. 4. bis 8. März Graz, verschiedene Locations

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Während der Austria Comic Con kommen Fans der Game-, Cosplay- und Comic-Welt voll auf ihre Kosten. Unter anderem wird hier das Masters of E-Sports – Europas größtes Comic-Con-SportsTurnier, veranstaltet. Highlights sind auch das Championship Of Cosplay, die Pinball-Expo und die Artist-Alley, bei der KünstlerInnen live zeichnen. Weiteren Austausch gibt’s bei verschiedenen Fangruppen-Meetings für Comic-Fans. 28. bis 29. März Wels, Messe Wels

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Es gibt wenige Arbeitsfelder, in denen sich die in London lebende Künstlerin Tai Shani nicht bewegt: Egal ob Skulptur, Installation, Performance, Bewegtbild, Text, Spoken Word oder Virtual Reality, das Adjektiv »multidisziplinär« nimmt Shani in ihrer künstlerischen Praxis mehr als wörtlich. In der Solo-Ausstellung »Tragodía« nähert sich Tai Shani anhand queer-feministischer Theorien dem Konzept der Intimität und stellt sich die Frage, inwiefern diese ein Ort für radikale Transformation sein können. Mithilfe eines epischen Virtual-Reality-Stücks erschafft Shani für diesen Zweck eine postpatriarchale Realität, in der Skulpturen wie Requisiten wirken und Fragen nach familiären zwischenmenschlichen Beziehungen, Liebe und Tod gestellt werden. 13. März bis 15. Mai Graz, Kunstverein

Tai Shani. Tragodía

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Termine Kunst

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Termine Kunst Renate Bertlmann. Carlone Contemporary 2019 noch im Österreich-Pavillon der Biennale di Venezia, 2020 im Museum in Wien: Die interdisziplinäre Künstlerin Renate Bertlmann ist als erste Repräsentantin, die dort mit einer Einzelausstellung vertreten war, in die österreichische Kunstgeschichte eingegangen. Ihre gläsernen Rosen, die in den blutroten Blüten Messer verstecken, haben die institutionelle gläserne Decke aufgebrochen. Wie das außerhalb der Biennale und innerhalb der eigenen Ländergrenzen wirkt, kann man sich im Belvedere ansehen. 20. Februar bis 30. August Wien, Belvedere

Bunny Rogers. Kind Kingdom Mit der US-amerikanischen Künstlerin beginnt das Jahr für das Kunsthaus Bregenz: In einem Raum des Betonwürfels regnet es, denn Rogers hat Duschköpfe an den Wänden montiert; im nächsten Raum ist giftgrüner Rasen verlegt, der völlig zugemüllt ist. Das »Kind Kingdom«, das sich Rogers mit Installationen, Licht, Musik und Poesie erbaut hat, ist durchtränkt von Trauer, Schmerz, Vergänglichkeit. So thematisiert sie darin beispielsweise den Amoklauf an der Columbine High School in den USA. bis 13. April Bregenz, Kunsthaus

In seinen Fotografien hat es sich Alec Soth mit einem dokumentarischen Auge zum Ziel gesetzt, philantropologische Szenen mit seiner Kamera einzufangen. Der US-amerikanische mittlere Westen mit seiner melancholischen Pampa-Tristesse, abseits vom amerikanischen Traum ist bisher Soths größte Inspiration. Die Porträts, die beispielsweise entlang des Mississippi entstanden sind, erzählen ganze Bände. Mit der Ausstellung »Photography Is A Language« feiert das Kunst Haus Wien Alec Soths Österreich-Premiere. 27. Februar bis 16. August Wien, Kunst Haus

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Alec Soth. Photography Is A Language

Robin Rhode. Memory Is The Weapon

Michaela Pichler Tai Shani, Belvedere, Bunny Rogers / Kunsthaus Bregenz, Alec Soth / Magnum Photos, Robin Rhode, Maria Anwander, Anna Breit

Der südafrikanische Künstler Robin Rhode verbindet Street-Art, Performance und Video-Art mit gesellschaftlichen Brennpunkten. Er malt großflächige, bunte Körper im urbanen Raum oder minimalistische, geometrische Objekte auf Mauern und fängt seinen Prozess in Videos ein. Die aktuellsten Arbeiten sind zuletzt in Jericho entstanden, wo Rhode rankende Blüten auf Hauswände klettern lässt. Die Ausstellung »Memory Is The Weapon« zeigt eine Auswahl seines bisherigen, fast zwanzigjährigen Schaffens. 14. März bis 21. Juni Krems, Kunsthalle

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Maria Anwander & Ruben Aubrecht Die ÖsterreicherInnen Maria Anwander und Ruben Aubrecht arbeiten in ihrer künstlerischen Praxis als Einzelpersonen, aber auch als Paar gemeinsam. Wenn dies der Fall ist, wie in der Ausstellung im Kunstraum Lakeside, wird die Zusammenarbeit auch als thematischer Schwerpunkt aufgegriffen: Wo beginnt eine einzelne Idee und endet ein gemeinsamer Prozess? Maria Anwander und Ruben Aubrecht verarbeiten diese Fragen mithilfe von Subversion, Humor und Ironie. 25. März bis 30. April Klagenfurt, Kunstraum Lakeside

Anna Breit. Teens (In Their Rooms) Sie wird in Popsongs besungen, mit Tränen bereut, sie wird mit einem nostalgischen Nebel überzogen, der alle vergangenen Ängste und Unsicherheiten verschleiert, und sie wird des Öfteren sehnlichst wieder zurückgewunschen: Die Adoleszenz als Lebensabschnitt ist ein beliebtes Sujet in der Popkultur. Anna Breit, die Wiener Fotografin und Cover-Künstlerin dieser Ausgabe von The Gap, fängt diese nun in ihrer Solo-Ausstellung in der Galerie Improper Walls ein – mit Porträts von Betroffenen aka »Teens« in ihren eigenen vier Wänden. 19. Februar bis 18. März Wien, Improper Walls

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Termine Filme & Serien

3 Fragen an Maria Arlamovsky

Die Dohnal Regie: Sabine Derflinger ———— Dem Untertitel »Frauenministerin / Feministin / Visionärin« folgend, geht die Regisseurin Sabine Derflinger (u. a. »Vorstadtweiber«, »Vier Frauen und ein Todesfall« und »Anna Fucking Molnar«) in »Die Dohnal« den Spuren der ersten Frauenministerin Österreichs nach. Sie spricht mit ehemaligen WeggefährtInnen der bedeutenden Politikerin, lässt aber auch (junge) Frauen, PolitikerInnen sowie Verwandte zu Wort kommen. Dabei wird ersichtlich, wie sehr Johanna Dohnal die (österreichische) Politik geprägt hat, bzw. noch immer prägt. Und vor allem, inwiefern Feminismus nicht nur innerhalb politischer Diskurse noch immer bedeutend ist, welche Kämpfe auch weiterhin ausgetragen werden müssen. Der Film feierte seine Premiere bei der Viennale 2019 und wurde dort mit Standing Ovations belohnt. Man wünscht ihm auf jeden Fall ein großes Publikum. Start: 14. Februar

Inwiefern zeigt sich der gesellschaftliche Umgang mit (vor allem weiblichen) Körpern im Bereich der KI? Am Anfang der Recherche zu »Robolove« war schnell klar, dass die Forschung an zivilen Robotern weltweit hauptsächlich mit weiblichen oder kindlichen Körpern vorangetrieben wird. Einerseits bieten weibliche Körper ästhetische Anreize, die sich – auch medial – fein verkaufen lassen, andererseits haben mir alle ForscherInnen, die ich getroffen habe, simpel bestätigt, dass die Schwelle der Akzeptanz bei hübschen, jungen, devoten Roboterfrauen am niedrigsten ist, da sich kein Mensch vor ihnen fürchtet. Welche neuen Perspektiven haben sich für dich durch den Film eröffnet? Wenn ich etwas bei diesem Dreh und der Arbeit am Stoff gelernt habe, dann dass wir Menschen so wunderbar komplexe fühlende Wesen sind mit so einem großartig ausgestatteten Körper. Jede kleine Bewegung, die wir unbewusst machen, ist eine riesige Herausforderung für humanoide Maschinen. Jeder Satz, den wir so dahinsagen, ist mühsamste Programmierarbeit. Unsere Augen und Ohren erfüllen mit Leichtigkeit Aufgaben, die schwer nachzubauen sind. Ich habe begonnen, mich viel genauer zu beobachten – das ist unheimlich spannend. Start: 27. März

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Narziss und Goldmund Regie: Stefan Ruzowitzky ———— Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky (»Die Fälscher«) bringt Hermann Hesses Klassiker »Narziss und Goldmund« auf die große Leinwand. Goldmund (Jannis Niewöhner) und Narziss (Sabin Tambrea) lernen einander im Kloster kennen – eine lebenslange Freundschaft dieser beiden sehr unterschiedlichen Charaktere beginnt. Der Freigeist Goldmund verlässt das Kloster, Narziss wiederum bleibt im Kloster zurück, dann gibt es ein Wiedersehen. Die zeitlose Erzählung über eine ungewöhnliche Freundschaft und unterschiedliche Lebensanschauungen erschien 1930 im Fischer-Verlag, Hermann Hesse wurde sowohl von Friedrich Nietzsche als auch von Carl Gustav Jung beeinflusst. Im Interview mit dem Filmmagazin Ray verriet der Ruzowitzky über sein neues Werk: »Da weinst du mindestens fünfmal, weil das alles so berührend ist und so schön und so traurig.« Start: 13. März

Sebastian Arlamovsky, Elfie Semotan, Lotus-Film, Sky, ORF / Netflix

Was hat dich am Thema Künstliche Intelligenz interessiert? Als ich Hiroshi Ishiguro, einen der ernstzunehmenden Androidenbauer- und Forscher kennenlernte, erstaunte er mich mit der Aussage, dass, falls man den Menschen die Technik entziehe, wir ja nur Affen seien. Ishiguros Meinung nach müssen wir uns einerseits als Menschen immer mehr erforschen, um zu wissen, wie wir funktionieren, um menschenähnliche Roboter zu programmieren, und andererseits werden wir durch diese Erkenntnisse und unser voranschreitendes Verschmelzen mit vorhandener Technik selber immer mehr zu Robotern. Diese spannende Frage, ob wir wirklich nur Affen sind, wenn man uns die Technik entzieht, beziehungsweise was uns als Menschen eigentlich ausmacht, war ein guter Ansatzpunkt, um in die Welt der Androiden einzutauchen.

Barbara Fohringer

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Regisseurin von »Robolove«

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Sebastian Arlamovsky, Elfie Semotan, Lotus-Film, Sky, ORF / Netflix

Barbara Fohringer

Der Fall Richard Jewell Regie: Clint Eastwood ———— Regie-Altmeister Clint Eastwood (u. a. »Mystic River«, »Million Dollar Baby« und »Gran Torino«) erzählt die auf wahren Ereignissen beruhende Geschichte des Wachmanns Richard Jewell (Paul Walter Hauser), der 1996 vor einer Bombe im Centennial Park warnte. Bald wird der Einzelgänger jedoch – zu Unrecht – als Terrorist abgestempelt. Kathy Bates erhielt für ihre Rolle eine Oscar-Nominierung in der Kategorie Beste Schauspielerin in einer Nebenrolle. Start: 28. Februar

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Jean Seberg – Against All Enemies Regie: Benedict Andrews ———— Ein Film über die politisch engagierte und als Ikone der Nouvelle Vague geltende Schauspielerin Jean Seberg, die mit Jean-Luc Godards Film »Außer Atem« in den 1960ern berühmt wurde. Ihr Engagement für die Black-Panther-Bewegung brachte sie ins Visier des FBI. 1979 wurde sie tot aufgefunden, die Umstände ihres Ablebens gelten bis heute als ungeklärt. Andrews castete Kristen Stewart, Amazon sicherte sich die Rechte am Film. Start: 27. März

Die Besessenen Regie: Floria Sigismondi ———— Basierend auf dem Roman »The Turn Of The Screw« von Henry James erzählt die Regisseurin Gloria Sigismondi die Geschichte der Nanny Kate (Mackenzie Davis), die auf zwei verhaltensauffällige Kinder (Finn Wolfhard und Brooklyn Prince) aufpassen soll. Bald merkt sie, dass auch im Haus so einiges nicht mit rechten Dingen zugeht. Neben der Netflix-Serie »The Haunting Of Bly Manor« ist dies die zweite Produktion aus dem noch jungen Jahr 2020, die auf diesem Buch basiert. Start: 16. April

Vergiftete Wahrheit Regie: Todd Haynes ———— Meist sind es Romane, auf denen Filme basieren. In diesem Fall verfilmte Regisseur Todd Haynes jedoch den New-York-Times-Artikel »The Lawyer Who Became DuPont’s Worst Nightmare« von Nathaniel Rich. Mark Ruffalo mimt einen Anwalt, der sich mit dem Chemiekonzern DuPont anlegt. Dieser entsorgte umweltschädliche Abfallstoffe, die ins Trinkwasser gelangten und Menschen sowie Tiere nachweislich krank machten. Anne Hathaway und Tim Robbins sind ebenso zu sehen. Start: 17. April

The New Pope

Freud

Regie: Paolo Sorrentino ———— »The New Pope«, die Fortsetzung von »The Young Pope«, bietet Einblicke in das Ringen um Macht im Vatikan. Jude Law ist wieder als Papst Pius XIII zu sehen. Stand in »The Young Pope« sein Weg zur Macht innerhalb der katholischen Kirche im Fokus, liegt er nun im Koma und ein zweiter Papst nimmt seinen Platz ein – Johannes Paul III (John Malkovich). Dieser hat das eine oder andere Geheimnis. Als Gaststars fungieren Sharon Stone und Marilyn Manson. Ab 20. Februar auf Sky

Regie: Marvin Kren ———— Bereits 2019 hatte The Gap die Möglichkeit, beim Dreh zu »Freud«, der neuen Serie von Marvin Kren (u. a. »4 Blocks«), hinter die Kulissen zu blicken. Der Mysterythriller, der von ORF und Netflix realisiert wurde, feiert seine Premiere bei der Berlinale und kann mit einem Top-Cast aufwarten (u. a. Anja Kling, Georg Friedrich, Philipp Hochmair). Die Serie zeigt den jungen Mediziner Freud, dessen Thesen anfangs noch auf Ablehnung stoßen und der in eine Verschwörung verwickelt wird. Ab 15. März auf ORF 1

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Termine Bühne

Die Vagina-Monologe

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Sex Smells Im Zentrum steht ein feministisches Pornokino, die Hot Flamingo Bar, und das Bestreben der BetreiberInnen, Widerstand gegen einen patriarchalen Kapitalismus, denen diese sexpositive Subkultur ein Dorn im Auge ist, zu leisten. Frei nach dem Motto »Die Antwort auf schlechte Pornos ist nicht gar kein Porno, sondern guter Porno«, einem Zitat der US-amerikanischen Performancekünstlerin und Pornodarstellerin Annie Sprinkle, beschreibt das hier aufführende Kollektiv Eins die Stückentwicklung als »post-patriarchales Erotik-Märchen«. Gespielt wird im Kosmos Theater, in der Jubiläumssaison des Hauses. Knapp 20 Jahre ist es her, dass der damalige Kosmos Frauenraum als feministische Spielstätte eröffnet wurde. ab 11. März Wien, Kosmos Theater

Die berühmte Episodensammlung, zusammengestellt aus rund 200 Interviews mit Frauen aus aller Welt, wird am 7. März im Offenen Haus Oberwart als Leseperformance zum V-Day stattfinden. Der Theatertext von Eve Ensler gilt als feministischer Meilenstein und versammelt Monologe mit der Vagina, die in ihrem Tonfall variieren, von humorvoll, poetisch, bis sehr ernsthaft. Der Reinerlös des V-Day Oberwart 2020 wird an den Verein Die Treppe gespendet, der das Frauenhaus und das Sozialhaus Burgenland betreibt. 7. März Oberwart, OHO

Blutiger Sommer Im Stück »Blutiger Sommer« vom iranischen Schauspieler und Regisseur Alireza Daryanavard thematisiert das Theaterkollektiv Hybrid die Massenhinrichtungen politischer Gefangener im Iran Ende der 1980er-Jahre (erst 2008 wurde die tatsächliche Zahl von 3.700 hingerichteten Gefangenen offengelegt). Erarbeitet wurde in dokumentarischer Art und Weise, unter anderem mithilfe von Interviews mit Zeitzeugen, Sammlungen von Tagebucheinträgen, Abschiedsbriefen der Ermordeten, sowie Fotografien von Gegenständen der Gestorbenen. ab 27. Februar Wien, Werk X-Petersplatz

Eine präzise gearbeitete Choreografie aus Elementen des Sufismus und Breakdance gibt es am Tanzquartier Wien unter der Leitung der Algerierin Nacera Belaza zu sehen. Dabei war die zentrale Idee und Inspiration das Bild von Körpern, die langsam verschwinden, indem sie destrukturiert werden. Die Choreografin sieht dabei keine Unterschiede in männlichen und weiblichen Körpern auf der Bühne – verschwimmen diese in ihren Arbeiten doch sowieso zu Silhouetten zwischen Licht und Dunkel – und bemüht sich, aus den Einzelteilen eine Einheit entstehen zu lassen. Im Anschluss an die Aufführung vom 21. März findet ein Artist-Talk mit Nacera Belaza statt, moderiert von Iris Raffetseder, Dramaturgin bei den Wiener Festwochen. 20. und 21. März Wien, Tanzquartier

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Tragödienbastard Autorin Ewelina Benbenek und Regisseur Florian Fischer stellen am Schauspielhaus verschiedene Fragen, die Institution Theater betreffend. Wer steht auf der Bühne, wessen Geschichten haben Platz und was sind dabei blinde Flecken? Gibt es die Repräsentation einer transkulturellen Gesellschaft auf der Bühne? Eine Uraufführung über das (Un-)Sichtbare. ab 4. April Wien, Schauspielhaus

Oliver Maus

Le Cercle

Die in Jerusalem geborene Liat Fassberg beschäftigt sich in ihrem ersten Stück »Etwas kommt mir bekannt vor« mit Fragen der Zugehörigkeit. Eine nächtliche Busreise durch Europa, bei der zwei Menschen aus dem Bus gezerrt werden und die trotzdem ohne Weiteres fortgesetzt wird, als wäre nichts geschehen, wirft dabei eine Menge Fragen von Identitätskonstruktionen und Ausschlusskriterien auf. Ein »vielsprachiges, vielstimmiges Kondensat aus Geschichten, Ängsten, Gefühlen, Fragen, Träumen und Erinnerungen«. ab 20. März Innsbruck, Theater Praesent

Bettina Frenzel, Antonin Pons Braley

Etwas kommt mir bekannt vor

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Josef Jöchl

artikuliert hier ziemlich viele Feels

Trotz Hochbetrieb fertige ich mitten in der Lugner City, zwischen Nanu-Nana und Miami Saftbar, eine Serie von Selfies an, einfach weil meine Haare gerade so fallen, wie sie sollen. Wenn man mich vor zehn Jahren dabei beobachtet hätte, wäre mir das mächtig peinlich gewesen. Tausend besorgte Feuilletonartikel über Influencer-Kultur später ist es mir relativ egal, weil sich doch alle schon mal selbst fotografiert haben. Niemand will ohne schmeichelnde Fotos leben und circa zwei Drittel aller Leute, nach meiner groben Schätzung, auch nicht ohne gute Nudes. Im Gegensatz zu schlechten Nudes gehen einem gute nicht so leicht von der Hand, weshalb ziemlich viel Ausschuss in so einem durchschnittlichen »Gelöscht«-Ordner landet. Deshalb vermute ich auch stark, dass Sterbende in Zukunft nicht etwa ihre Überstunden am meisten bereuen, sondern die Ansammlungen schlechter Nudes in ihren Clouds, die dann vor der versammelten Verwandtschaft unter notarieller Aufsicht geöffnet werden, bevor um die Bitcoin-Depots gestritten wird. Misslungene Nudes von Toten, das wäre mal ein guter Insta.

Narziss Warum erzähle ich das alles? Jahrelang dachte ich, Narzissmus wäre ein Phänomen wie Internetsucht oder Zukunftsangst, praktisch ausgestorben weil allgegenwärtig. Dass es aber tatsächlich Leute gibt, die noch intensiver nur an sich denken als die anderen, musste ich vor kurzem am eigenen Leib erfahren. Ich habe einen Typen kennengelernt und es schien zunächst vielversprechend. Verstohlene Blicke auf erstem Date, Fahrrad geschoben, weil er keins hatte, Gespräche wie ein Kinderschwimmbecken. YouTubePingpong, kurz später die ersten Nudes mit zu viel Licht von oben. Bald entwickelte sich eine permanente Telegram-Convo. Schon längst hatte ich meinen inneren Projektor auf höchster Stufe angeworfen.

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Die Ernüchterung folgte auf dem Fuß. Nach wenigen Wochen wurde klar, wer öfter Zeit hat, lieber einen Gefallen tut, sorgfältiger ausgewählte Emojis schickt. Er, der Schauspieler, war es schon mal nicht. Sein Beruf hätte als Warnsignal ausreichen müssen, doch meine Fantasie machte ganz gute PR für ihn. Als Narzissten enttarnt hat ihn schließlich das Leuchten in seinen Augen, als ich ihn einmal postromantisch nannte, weil er zu einem Treffen mehrere Stunden zu spät kam, ohne vorher Bescheid zu geben. Für NarzisstInnen ist eben das ganze Leben eine Bühne. Aus Angst vor Intimität stellen sie ihr Selbst nur nach. Labels wie »postromantisch« gefallen ihnen mindestens so gut wie ihre eigenen Tweets. War das noch gesundes Selbstbewusstsein oder schon eine Persönlichkeitsstörung? Weil psychologische Diagnosen bei mir eher locker sitzen, entschied ich mich für Letzteres. Damit blieb mir nur eine Option: weglaufen.

Duckface Auch Ghosting hat seine Tücken. Man kann es nicht ankündigen und weiß auch nie, wie lange es dauert. Außerdem spukt einem der Narzisst noch im Kopf herum, mindestens halb so lange, wie man mit ihm zu tun hatte, so die Faustregel. Aber wozu gibt es Instagram? Ich abonnierte sofort fünf empowernde Meme-Accounts. Wochenlang spülte es mir jeden Morgen Sinnsprüche in meine Timeline wie »If things don’t add up, subtract yourself« oder »She remembered who she was – and the game changed«. Prinzipiell habe ich kein Problem damit, mir wichtige Lebensentscheidungen von Apps abnehmen zu lassen. In Wahrheit fahre ich sogar ganz gut damit. Irgendwann fühlte ich mich dann besser. Ein gebrochenes Herz tut weh, aber es lässt dich auch so jung erscheinen wie sonst nur ein zerbrochenes Handydisplay. Außerdem sah ich niemals besser aus. Ich konnte kaum aufhören, Selfies zu schießen, nicht mal in der Lugner City, und ich fühlte mich großartig dabei.

Hin und wieder taucht der Schauspieler noch in meiner Timeline auf. Aus der Distanz wirkt er plötzlich wie ein ganz netter Kerl. Hatte ich ihn meiner Fantasie zu sehr angepasst und somit ausgeblendet, woran er leidet? Hatte ich ihn zu früh verurteilt? War mein vermeintlicher Altruismus nur die Kehrseite seines Desinteresses? Wollen nicht auch Menschen, die einen Infuencer/Influenza-Witz machen, nichts weiter als ein bisschen Applaus für ihre pseudokritischen Gedanken? Ich konnte nicht anders, als mich zu fragen: War ich der wahre Narzisst von uns beiden? Ich bin mir bis heute nicht ganz sicher. Allerdings habe ich ein paar Tipps für gute Nudes auf Lager: 1. Hör’ dein Kraftlied im Loop. 2. Dramatisiere deinen Look. 3. Wähle deshalb einen neutralen Hintergrund. Wer deine Nudes sieht, muss nicht wissen, was du gerade am Büchertisch hast. 4. Möchtest du einen Spiegel verwenden, putz ihn vorher. 5. Mach deine Nudes bei Tageslicht. Falls nicht möglich: Vermeide Lichtquellen von oben. Entscheide dich für einzelne Lampen und somit für einen sanfteren Glow. 6. Mach dich mit der Timerfunktion deiner Kamera vertraut. 7. Experimentiere mit Blickwinkel und Pose, bis du die richtigen für dich gefunden hast. 8. Lass dich nicht entmutigen: Jede/r trägt ein gutes N00d in sich. 9. In dringenden Fällen: Geh in eine Cos-Umkleide deiner Wahl. Die wissen dort ein, zwei Dinge über schmeichelhafte Oberbeleuchtung. Leider gibt es in der Lugner City keinen Cos. joechl@thegap.at • @knosef4lyfe Josef Jöchl ist Comedian. Er spielt sein aktuelles Programm »Nobody« am 28. März und 24. April in Wien. Tickets: www.niedermair.at. Ari Y. Richter

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Sex and the Lugner City Narziss und Duckface

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w w w. b e s t i n fo. at

5. bis 8. März

2020

Wiener Stadthalle 9 bis 18 Uhr, 8. März bis 17 Uhr Eintritt frei

Die neue

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