The Gap 179a – Sonderausgabe: Diagonale 2020

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Jessica Hausner

Filmemacherin zwischen Ästhetik und Subversion

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N° 179 a — Diagonale 2020

SONDERAUSGABE — THE GAP IST KOSTENLOS UND ERSCHEINT ZWEIMONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1052 WIEN, P.B.B. | GZ 18Z041505 M


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Editorial Gerade die Diagonale!

Alexia Fin

»Filmschaffen aus Österreich« ist ein persönliches Interesse, das sowohl für den Lebenslauf als auch das Parship-Profil konkret genug ist, um damit gut in ein Gespräch einsteigen zu können. Wer dieses Interesse allerdings auch tatsächlich für sich kultiviert, trifft sich auf der Diagonale. Im Zuge dieser Sonderausgabe haben wir uns intensiv mit dem diesjährigen Programm in seiner vollgepackten Filmigkeit beschäftigt und uns einige der diversen Schwerpunkte herausgesucht. Einer davon: Green Filming. Filme zu produzieren, ist ein massiv umweltschädliches Vorgehen, das in den Ausmaßen seiner CO2-Emissionen für LaiInnen gar nicht als solches erkennbar ist. Während wir unseren Konsum von Fleisch und Milchprodukten längst reduzieren oder ganz aufgeben, leuchtet die komplexere Belastung, die von Transporten, OnSet-Technik, Postproduktion und Streaming ausgeht, nicht so schnell ein. Die Diagonale gibt mit ihrer Initiative »Diagonale Goes Green« schon seit Jahren einen Impuls für mehr brancheninterne Awareness. Das große Umdenken ist im Filmsektor, ähnlich wie in der Politik, noch nicht passiert. Was Filmschaffende tun können, um eine nachhaltige Revolution mitzugestalten, besprechen wir ab Seite 14. In other news: Dieses Jahr widmet die Diagonale Jessica Hausner als einer der derzeit relevantesten österreichischen Regisseurinnen und Drehbuchautorinnen eine Gesamtretro­ spektive, die – angefangen bei ihrem aktuellen Hit »Little Joe« über Musikvideos bis zurück zu studentischen Arbeiten – alle Schätze ausgräbt. Dabei ist Jessica Hausner nicht nur großartige Filmemacherin. Sie ist auch eine überaus unterhaltsame Gesprächspartnerin, wie unsere Redakteurinnen, die sich mit ihr getroffen haben, feststellen durften. Ein wunderbarer Longread für die Pause zwischen zwei Filmen. Bitte mitzählen, über wie viele ihrer Antworten im Interview ihr noch länger nachdenkt. Bei mir sind es mindestens drei. Welche genau, erzähle ich euch dann auf der Diagonale.

Theresa Ziegler

Chefredakteurin • ziegler@thegap.at @raverresi

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Web www.thegap.at Facebook www.facebook.com / thegapmagazin Twitter @the_gap Instagram thegapmag Issuu the_gap

Herausgeber Manuel Fronhofer, Thomas Heher Chefredaktion Theresa Ziegler Leitender Redakteur Manfred Gram Gestaltung Markus Raffetseder AutorInnen dieser Ausgabe Barbara Fohringer, Susanne Gottlieb, Tanja Holz, Emily Staats FotografInnen dieser Ausgabe Paul Kranzler (Cover), Patrick Münnich Lektorat Jana Wachtmann Anzeigenverkauf Herwig Bauer, Manuel Fronhofer, Sarah Gerstmayer (Leitung), Thomas Heher, Martin Mühl Distribution Wolfgang Grob Druck Grafički Zavod Hrvatske d. o. o. Mičevečka ulica 7, 10000 Zagreb, Kroatien Geschäftsführung Thomas Heher Produktion & Medieninhaberin Comrades GmbH, Stauraczgasse 10/4, 1050 Wien Kontakt The Gap c/o Comrades GmbH Stauraczgasse 10/4, 1050 Wien office@thegap.at — www.thegap.at Bankverbindung Comrades GmbH, Raiffeisen Bank, IBAN: AT67 3200 0000 1160 0756, BIC: RLNWATWW Abonnement 6 Ausgaben plus Sonderausgaben; Euro 21,— www.thegap.at/abo Heftpreis Euro 0,— Erscheinungsweise Sonderausgabe zur Diagonale – Festival des österreichischen Films; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1052 Wien Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz www.thegap.at/impressum Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der HerausgeberInnen wieder. Für den Inhalt von Inseraten haftet ausschließlich der Inserent / die Inserentin. Für unaufgefordert zugesandtes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung.

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Von Archetypen, Archaismus und Ästhetik Zur Person: Jessica Hausner

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»Die Erinnerung als ein identitätsstiftendes Narrativ« Sandra Wollners Spielfilm »The Trouble With Being Born« Film aus, wohin jetzt? Graz-Tipps von bekannten GrazerInnen Diagonale ohne Film Das Rahmenprogramm The Essential Collection Die Film-Highlights der Diagonale 2020

CPH:DOX © Normann Copenhagen, www.normann-copenhagen.com

No Fun Facts Zahlen zur Ungleichberechtigung der Geschlechter im Filmschaffen Green Filming Ein Filmland stellt auf nachhaltig um Mein Graz, dein Graz »Sehnsucht 2020«

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Rubriken

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Timm Kroeger, Coop99

003 Editorial / Impressum 010 Golden Frame 022 Workstation: Lisa Zoe Geretschläger Verena Wagner 026 Prosa: Johanna Lietha

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GET TRAINED

Projektentwicklung für Dokumentar-, Animations-, Spielfilme, TV-Serien Management, Finanzierung, Koproduktion, Marketing Post-Produktion Audience Development, Verleih und Vertrieb Digital & Multimedia

Das Programm der EU für den Kultursektor und die Kreativund Filmbranche www.creativeeurope.at Nähere Informationen über das Trainingsangebot und Förderungsmöglichkeiten beim Creative Europe - MEDIA Desk. www.facebook.com/cedmedia.at

Timm Kroeger, Coop99

CPH:DOX © Normann Copenhagen, www.normann-copenhagen.com

WEITERBILDUNG UND VERNETZUNG FÜR DIE FILMBRANCHE IN EUROPA

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Paul Kranzler

006 Jessica Hausner erschafft mit ihren Filmen eine Ästhetik, die nicht nur für AuskennerInnen eindeutig als »ein echter Hausner« zuzuordnen sind.

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Paul Kranzler

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Zur Person: Jessica Hausner Von Archetypen, Archaismus und Ästhetik Jessica Hausner ist eine der bedeutendsten Filmemacherinnen der österreichischen Gegenwart – ihr aktueller Film »Little Joe« wurde in Cannes für die Goldene Palme nominiert. Die diesjährige Diagonale widmet der Regisseurin und Drehbuchautorin eine Retrospektive. Was ihr neues Filmprojekt mit Selbstkasteiung zu tun hat und wieso sie sich selbst nicht so ernst nimmt, erzählt sie im Interview mit The Gap. ———— Der Eingang zu Jessica Hausners Büro ist unscheinbar. Nur ein Zettel an der Fensterscheibe mit dem handschriftlichen Wort »Hausner« deutet darauf hin, dass hinter diesen Wänden prägende Werke der aktuellen österreichischen Filmlandschaft entstanden sind. Ein riesiger Schreibtisch dominiert den Raum, darauf – schön säuberlich drapiert – die ersten Dialoge für ihr neues Drehbuch. Jessica Hausner hat an diesem Tag bereits mit einem Journalisten aus Großbritannien gesprochen. »Little Joe«, ihr bereits fünfter Langfilm, startet dort bald in den Kinos. Auch davor war die aus einer KünstlerInnen-Familie stammende Hausner nicht untätig: Schon ihre Filmakademie-Abschlussarbeit »Inter-View« wurde in Cannes gezeigt, es folgten zahlreiche Nominierungen und Auszeichnungen für Werke wie »Lovely Rita«, »Hotel« und »Amour Fou«. In ihrem filmischen Schaffen

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stellt Hausner meist Frauen in den Vordergrund. Themen wie die Unkontrollierbarkeit des Lebens sowie das Gefangensein der/des Einzelnen in ihrer/seiner sozialen Rolle ziehen sich durch ihre Werke. In ihrer Inszenierung wurde Hausner von Film zu Film immer präziser und zugleich künstlicher. Spätestens in »Little Joe« gleicht jede Szene einem Gemälde – und erst diese Farben! Anlässlich der Gesamtretrospektive von Hausners Œuvre im Rahmen der Diagonale spricht sie mit The Gap über die Einsamkeit ihrer Protagonistinnen und den allgegenwärtigen Selbstoptimierungswahn, über die markante Ästhetik und den subversiven Humor in ihren Filmen. Blumen sind ein wiederkehrendes Motiv in deinen Filmen. Was hat es damit auf sich? jessica hausner: Blumen haben eine archaische Bedeutung. Sie sind ein Geschenk, sie sind ein Liebesausdruck. Sie stehen für Schönheit und das blühende Leben, zugleich aber auch für Vergänglichkeit. In »Amour Fou« spricht Henriette beispielsweise davon, dass sie Angst vor dem Verfall ihrer Blumen hat. In Filmen gibt es eine Tradition von Pflanzen- und Blumenhorror – die Schönheit, die zugleich bedrohlich ist. Blumen faszinieren mich zudem, weil sie

ein bürgerliches Element darstellen, das unser Leben verschönern soll; gleichzeitig sind sie ein Sinnbild für den Versuch, die Natur zu domestizieren. Die Diagonale 2020 widmet dir eine Retrospektive. Wie stehst du heute zu deinen früheren Arbeiten? Welche Themen haben dich damals interessiert und wie haben sich die Motive deiner Filme im Laufe der Zeit verändert? hausner: »Ich möchte sein manchmal ein Schmetterling« habe ich erst vor Kurzem mit meinem Mann und meinem neunjährigen Sohn gesehen. Beide fanden, dass der Titelsong ein Burner ist. Meine älteren Filme machen eine Schere auf zwischen dem, was ein Mensch zu sein denkt, und dem, was er wirklich ist. Die Handlungen verändern sich meinem jeweiligen Lebensabschnitt entsprechend, im Kern erzähle ich aber immer dieselben Themen aus unterschiedlichen Perspektiven. Meine früheren Filme haben auf eine andere Art als heute von Einsamkeit gehandelt. Meine Heldinnen waren darin Außenseiterinnen und daher alleine, während die Einsamkeit nun universeller ist. Selbst, wenn man eine Familie, FreundInnen hat und erfolgreich ist, gibt es ein prinzipielles Alleinsein, das jeden Menschen begleitet.

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Gemeinsam mit Monika Willi bist du seit 2017 Mitglied in der Oscar-Akademie. Wie stehst du dazu, dass in diesem Jahr abermals keine Regisseurinnen in der Kategorie »Beste Regie« nominiert waren? hausner: Mich macht dieses Thema eh schon ganz nervös. Seit ich denken kann, habe ich mich gefragt, warum in erster Linie Männer Erfolg haben, forschen und die Welt entdecken, während die Frauen zu Hause sitzen und die Kinder hüten. Lange Zeit dachte ich, dass sich nichts an dieser Situation ändern wird. Durch #metoo hat sich dann doch etwas getan und patriarchale Strukturen, die vorher nicht hinterfragt wurden, werden plötzlich wahrgenommen. Wir sprechen seitdem nicht nur von tatsächlichen, physischen Übergriffen, sondern auch von den kleinen, alltäglichen, verbalen Verkleinerungen und Herabwürdigungen, die Frauen in die Defensive bringen – das sogenannte »Arbeitsklima«, das so lange männliche Helden und weibliche Zuträgerinnen hervorbrachte. Wenn #metoo diese Vorurteile ändert, ist es wirklich eine gute Sache. Wie war es während des Studiums für dich? Da gab es bestimmt auch mehr Männer als Frauen. hausner: Die Filmbranche war damals und ist noch immer ein von Männern dominiertes Terrain. Natürlich habe ich mich früher gefragt, was ich hier tue. Dabei hatte ich es mir ja so ausgesucht, ich wollte ja

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Filme machen. Aber nicht unbedingt die Art von Filmen, die auf der Filmakademie gelehrt wurden. Ich erinnere mich, dass ich Schwierigkeiten hatte, diese männliche Filmsprache zu beherrschen, weil es nicht meine Sprache ist.

ationen. Sie kritisierte zum Beispiel den Sprachgebrauch unseres Produktionsleiters, der zu ihr sagte: »Ich danke Ihnen, dass Sie uns zur Verfügung stehen«, worauf sie antwortete: »Ich stehe überhaupt niemandem zur Verfügung!«

In »Lovely Rita« wird teilweise Englisch – oder eher Denglisch – gesprochen, dein neuester Spielfilm »Little Joe« ist nun deine erste englischsprachige Produktion. Inwiefern hatte die Sprachwahl Auswirkungen auf deine Arbeitsweise? hausner: Ich habe bald bemerkt, dass meine Filme nicht zwangsläufig in Österreich spielen müssen. Im Gegenteil: Ich wollte immer universelle Geschichten erzählen. »Hotel« beispielsweise spielt in Österreich, und man hört eine gewisse sprachliche Färbung heraus, es ist aber eigentlich ein internationaler Film. In »Lourdes« habe ich dann den Versuch unternommen, in eine andere Sprache und Kultur zu gehen. Ich hatte das Gefühl, es hilft mir, meine Geschichten universeller zu erzählen.

In deinen Filmen stehen größtenteils Frauen im Mittelpunkt, die schwer einen Platz in der sozialen Ordnung finden. Ihre immanenten Sehnsüchte grenzen sie von der sozialen Umwelt ab, mitunter gipfelt der Ausbruch in Gewalttaten. Woher beziehst du die Inspiration für deine Charaktere und wie gehst du bei der Entwicklung der Rollen vor? hausner: Jede Figur die ich entwickle, trägt einen anderen Aspekt meiner selbst in sich, deshalb sind meine Hauptfiguren meist Frauen. Leute, die ich kenne, dienen mir auch immer wieder als Vorbilder für meine Figuren. Biografien sind mir dabei völlig wurscht, ich suche eigentlich eher Typen. Das hängt dann tatsächlich oft mit einer bestimmten Physiognomie beziehungsweise mit der Ausstrahlung, dem Archetyp zusammen. Wenn ich das erfasst habe, geht alles ganz einfach. Ich suche entsprechende Schauspielerinnen, die den speziellen Typ verkörpern und die Figur durch ihre Details und ihre Persönlichkeit zum Leben erwecken.

In »Hotel« spielen Franziska Weisz und Birgit Minichmayr neben Schriftstellerin Marlene Streeruwitz. Wie konntest du Letztere für ihre Rolle gewinnen? hausner: Marlene Streeruwitz hat ja einen Bezug zum Theater und zum Film. Abgesehen davon gab es, glaube ich, ein gegenseitiges Interesse. Ich bot ihr die Rolle an und ich denke, sie fand mein Drehbuch interessant und hatte vielleicht einfach Lust, in dem Film mitzuspielen. Während des Drehs gab es einige interessante Situ-

In deinen Werken kommt oft ein subversiver Humor zum Vorschein. Welche Funktion hat dieser? hausner: Darüber habe ich schon viel nachgedacht. Dieser Humor ist nicht offensichtlich, also woher kommt er und was

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Gemeinsam mit Martin Gschlacht, Barbara Albert und Antonin Svoboda hast du gleich nach Abschluss der Filmakademie die Produktionsfirma Coop99 gegründet. Was war der ausschlaggebende Grund dafür? hausner: Es war damals relativ schwierig für junge FilmemacherInnen, ProduzentInnen zu finden, die einen ähnlichen Spirit hatten. Für mich war es noch beschwerlicher, weil ich nicht nur jung war, sondern auch eine Frau. Es gab nur männliche Produzenten, mit denen ich arbeiten hätte können, und ich wollte keine Kompromisse eingehen, ich wollte Selbstbestimmung. Eine eigene Firma zu gründen, bedeutet immer Verantwortung, aber ebenso Freiheit.

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Das Drama »Lourdes«, das 2009 bei den Filmfestspielen von Venedig mit dem FIPRESCI-Preis ausgezeichnet wurde, ist eines von vielen Beispielen für Jessica Hausners Take on Frauen in der Hauptrolle – Prädikat: mehrdimensional.

bewirkt er? Ich persönlich empfinde es als Erleichterung, mich selbst nicht so wichtig zu nehmen, und ich habe das Gefühl, dass genau aus dieser Perspektive diese Art von Humor entsteht. Wenn wir sozusagen mit dem »God’s Eye« auf die Menschheit herunterschauen, können wir in Anbetracht der Tatsache, dass alles vergeblich ist und wir irgendwann einfach verschwinden, darüber lachen, was wir alles wichtig nehmen, worüber wir uns aufregen und was wir alles

»Ich habe eine Haltung, in der ich Sentimentalität eher nicht so schätze.« — Jessica Hausner ersehnen und erhoffen. Diese Sichtweise erlaubt in manchen Situationen einen Humor, in denen wir sonst eigentlich keinen zulassen würden. Es hat also mit einer Haltung dem Leben gegenüber zu tun – und ich habe eine Haltung, in der ich Sentimentalität eher nicht so schätze. Genau diese Sentimentalität und Melancholie scheinst du aber in die Figur des Kleist in »Amour Fou« gepackt zu haben. hausner: In »Amour Fou« ergibt sich der Humor genau aus dieser Diskrepanz. Kleist wird in meinem Film als Mensch dargestellt, der seine eigene Befindlichkeit wahnsinnig wichtig nimmt. Sein Leiden

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Dein nächstes Filmprojekt dreht sich um eine Sekte, die sich mit Essverhalten beschäftigt. Kannst du dazu schon mehr sagen? hausner: Ich will noch nicht zu viel verraten, denn das Projekt ist gerade im Entstehungsprozess. Essstörungen haben mich aber immer schon interessiert und anscheinend nehmen sie gerade auch unter jungen Männern zu. Einerseits hat das bestimmt mit unserer Sehnsucht nach einem bestimmten Schönheitsideal zu tun, andererseits ist es aber auch eine Art Selbstkasteiung; also ein Versuch, sich anzupassen, einzupassen und sich zu kontrollieren. Ich beschäftige mich außerdem gerade mit der Frage, warum Essverhalten allgemein so wichtig für unsere Zeit ist. Es gibt im Moment sehr viele Ernährungskulte und Regeln, die ich interessant finde. Du legst viel Wert auf Ästhetik, die von Film zu Film immer prägnanter und feinsinniger wird. Wie setzt du diese in der Arbeit mit deinem Team um? hausner: Meine Schwester und Kostümbildnerin Tanja Hausner ist meist diejenige, die als Erstes Visuals bringt, die wir dann zusammen mit dem Kameramann Martin Gschlacht und der Ausstatterin Katharina Wöppermann durchforsten. Durch diesen Vorgang entsteht in uns allen ein bestimmtes Farbkonzept und ein Gefühl für die Visualität der Welt, die wir kreieren wollen. Es ist wie ein Puzzle, ein Konzept, das sich Schritt für Schritt ergibt. Wir arbeiten immer wieder mit Hilfsmitteln wie Storyboards und Konzeptbildern, aber auch die Kommunikation ist wichtig.

Tanja erzählt Katharina beispielsweise, dass die Protagonistin in einer Szene eine rosa Bluse tragen wird und Katharina stellt passend dazu gelbe Fanta-Flaschen auf den Tisch. Bei Martin bemerke ich ebenso eine immer größer werdende Lust auf die Gestaltung einer künstlichen Welt. Letztlich sind wir beide ein bisschen gelangweilt von diesen pseudo-naturalistischen Filmen, die dauernd gemacht werden. Je mehr wir davon sehen, desto mehr haben wir Lust, das Gegenteil zu machen. Auch sakrale Themen finden sich in deinen Werken – siehe »Lourdes« und »Hotel«. Woran glaubst du selbst? hausner: Bis zu einem gewissen Punkt glaube ich eben tatsächlich an so etwas wie Humor. Ich denke, dass sich ganz vieles im Leben der eigenen Entscheidungsmacht entzieht. In meinen Filmen geht es oft darum, was wir alles nicht steuern können, wodurch wir beeinflusst sind und in welchen Zwängen wir als Menschen stecken. Wir sehen die Welt durch unsere eigenen Ängste und Vorlieben – nichts anderes können wir wahrnehmen. Zugleich bemühen wir uns dauernd um Wahrheit und Logik. Das bringt mich oft zum Lachen. Es ist schon irre, wie sehr man in seiner eigenen Haut steckt. In Zeiten des Booms an Routinen und Anleitungen zur Selbstoptimierung eine sehr konträre Sichtweise. Alleine die Tatsache, dass wir dauernd versuchen, uns Regeln und Anleitungen auszudenken, zeigt unser verzweifeltes Bemühen um objektive Gültigkeit. Wir wählen den Zwang, um uns sicher zu fühlen im Umgang miteinander. Wir bauen uns ein Regelsystem auf, in dem wir dann reüssieren oder versagen können. Diese Spielregeln helfen uns, bei Laune zu bleiben und jeden Tag wieder aufzustehen. Ohne sie würden wir vielleicht die Lust am Leben verlieren. Ich finde, das ist eines der typischen Merkmale des Menschseins: das ständige Bemühen, besser werden zu wollen, auch wenn es sinnlos ist – und je sinnloser, desto lustiger eigentlich. Barbara Fohringer & Tanja Holz

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ist das Zentrum seiner Welt. Zum Casting für die Rolle kamen viele gute und bekannte deutsche Schauspieler, die zu meinem Erstaunen meine Dialoge eher mit großer Ernsthaftigkeit – fast Pathos – gespielt haben, sodass ich mein eigenes Drehbuch nicht wiedererkennen konnte. Die Ehrfurcht vor Kleist war so groß, dass sie die Texte respektvoll gespielt haben, ohne herauszulesen, dass der Typ eigentlich übertreibt und auch etwas lächerlich ist. Christian Friedl, der die Rolle letztendlich übernahm, hat sofort verstanden, dass es witzig sein sollte.

Jessica Hausner wird auf der Diagonale eine ausgiebige Personale gewidmet – inklusive ihres Diagonale-Trailers von 2006, der vor allen Vorstellungen ihrer Filme im Rahmen des Festivals gezeigt wird.

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Golden Frame Zeitgenรถssische Kunst im angemessenen Rahmen

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Suzana Murati: »Wien«, 2017 The_Gap_179a_Kern_FIN_mf2.indd 11

»Ich kann nur beim Gehen nachdenken. Bleibe ich stehen, tun dies auch meine Gedanken«, sagte bereits Jean-Jacques Rousseau. Und auch der griechische Philosoph Epikur versammelte sich mit seinen Anhängern im Garten, wo sie alle spazierend den wichtigen Fragen des (damaligen) Lebens nachgingen. Spazieren gehen ist also nicht nur Bewegung für den Körper und die Möglichkeit, ein paar Fotos für Instagram zu machen, sondern auch: innehalten, den eigenen Gedanken freien Lauf lassen, die (vermeintliche) Unproduktivität genießen, die Stadt (neu) entdecken. ———— In der Schau »Aimless Stroll – Analoge Fotografien der Stadt« wird genau das fotografisch festgehalten. Frei nach dem Filmavantgardisten Alexander Hammid und in Anlehnung an das historische Special »Sehnsucht 2020 – Eine kleine Stadterzählung«, das in Kooperation mit dem Filmarchiv Austria, dem Österreichischen Filmmuseum und dem ORF-Archiv während der Diagonale stattfindet, widmet sich die Ausstellung den auf Spaziergängen entstandenen Fotos der teilnehmenden KünstlerInnen Anna Breit, Elodie Grethen, Niko Havranek, Nikola Hergovich, Susanna Hofer, Peter Jaunig, Laurie, Lukas Lerperger, Suzana Murati, Zara Pfeifer und Paul Pibernig. Sie alle sind Mitglieder von One Thousand And More Pictures (OTAMP), KünstlerInnen-Plattform und zugleich Crowdfunding-Projekt, bei dem eine Gruppe von FotografInnen das Ziel verfolgt, einem kunstinteressierten Publikum leistbare Prints ihrer analogen Fotografien anzubieten. Diagonale-Aficionados wird der Name Paul Pibernig dabei vermutlich ein Begriff sein, ist er doch einer der Menschen, die die Diagonale fotografisch für die Nachwelt festhalten. Neben ihm ist auch Suzana Murati in der Schau vertreten, von der das Foto auf dieser Doppelseite stammt. Die Fotografin und Filmemacherin – ihr Kurzfilm »Omega« ist auf ihrer Website zu sehen; aktuell arbeitet sie auch an zwei weiteren Filmprojekten – lebt und arbeitet derzeit in Wien. In der Fotografie befasst sie sich mit unterschiedlichen Themen wie etwa Mode und Architektur, jedoch sind es meist ihr Umfeld und der gewöhnliche Alltag, die ihr Inspiration bieten. Sie fotografiert dabei analog und mit Kameras, die sie auf Flohmärkten findet. Das Foto nebenan besticht durch seine Klarheit. Wir sehen eine Frau, sie trägt ein grün-weißes Kleid mit Blumen-Print und keine Schuhe. Wir wissen nicht, wohin sie geht, woher sie kommt, wir sehen nicht einmal ihr Gesicht. Sie entzieht sich unserem Blick. Wir kennen weder sie noch ihr Umfeld, wir wissen nicht viel über den Kontext des Fotos. Wir sehen zudem: ein orange-braunes Gebäude, das das Flair eines Industriegebiets versprüht; auf dem Rasen neben der Frau wachsen keine Blumen. Auch sonst: Leere, das Gefühl von Flüchtigkeit. Unsere Gedanken schweifen – ganz passend beim Thema Spaziergang – ab und weiter, weiter zu dieser mysteriösen Frau. Sie geht nach links, hinein in den Schatten, hinaus aus dem Licht – hinaus aus dem Fokus. Das Foto wirkt durch die beiden Schatten links und rechts zerschnitten, spielt dadurch auch mit den Erwartungen des Publikums. Egal, wie oft wir hinsehen: Die Frau wird sich nicht umdrehen. Barbara Fohringer

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»Aimless Stroll« Die Kunst des Spazierens

Die Schau »Aimless Stroll – Analoge Fotografien der Stadt« ist im Feinkost Mild (Stubenberggasse 7, 8010 Graz) zu sehen.

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Trivia sind nicht immer trivial – deutlich wird das im ersten »Film Gender Report«, der die Geschlechterverhältnisse im Filmschaffen für den Zeitraum 2012 bis 2016 erstmals österreichweit und umfassend evaluiert. Wir haben einige der leider wenig überraschenden Zahlen zusammengefasst, die klar machen, warum Quotenregelungen und Anti-Diskriminierungsmaßnahmen auch und vor allem im Filmschaffen immer noch sehr notwendig sind.

• 80 % der Herstellungsförderungen des Österreichischen Filminstituts wurden Projekten mit Männern in Regie, Produktion oder Drehbuch zugesprochen. Nur 20 % der Fördermittel gingen an Projekte mit Frauen in diesen Funktionen. • Berechnet man den Geschlechteranteil aller Förderungsanträge für die Herstellung von Kinofilmen und Fernsehproduktionen, zeigt sich ein Männeranteil von 67 % und ein Frauenanteil von 33 %. • 75 % der 100 Spielfilme, die von 2012 bis 2016 in die Kinos kamen, wurden von Regisseuren gedreht. 21 % wurden mit weiblicher Regie umgesetzt, 4 % von Regieteams, die aus Frauen und Männern bestanden. • Vier der 16 Stabstellen nach Film-Berufsgruppen verzeichneten einen Männeranteil von über 90 %: Ton (99 %), Licht (96 %), Kamera (95 %) und Sound (92 %). Im Untersuchungszeitraum gab es keine Stabstelle, die einen Frauenanteil über 90 % aufweist. • Filme mit weiblicher Regie weisen im Durchschnitt einen höheren Frauenanteil in der Besetzung der weiteren Stabstellen auf (48 %) als Filme mit männlichen Regie (34 %) • Nur 14 % aller 100 Spielfilme wurden von mehrheitlich weiblichen Filmteams umgesetzt, nur ein Film (»Maikäfer flieg« von Mirjam Unger) wurde mit mindestens 75 % Frauen in den Stabstellen realisiert. Hingegen wurden 22 % der Filme von überwiegend männlich besetzten Filmteams mit mindestens 75 % Männeranteil gemacht.

Bechdel-Test: Gibt es zwei Frauen? Haben diese erkennbare Namen? Sprechen diese miteinander? Über etwas anderes als Männer bzw. Beziehungen? Ausgewertet für österreichische Kinospielfilme aus den Jahren 2012 bis 2016:

Bechdel-Test: 53 % bestanden, 47 % nicht bestanden

Umgekehrter Bechdel-Test für Männer: 85 % bestanden, 15 % nicht bestanden

Quelle: »Österreichischer Film Gender Report 2012–2016« (Eva Flicker und Lena Lisa Vogelmann, 2018, Forschungsbericht. Im Auftrag des Österreichischen Filminstituts und des Bundeskanzleramts, Sektion II – Kunst und Kultur. Wien: Institut für Soziologie, Universität Wien)

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No Fun Facts Zahlen zur Ungleichberechtigung der Geschlechter im Filmschaffen

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• Knapp ein Viertel (23 %) aller 2650 Langfilme, die im Zeitraum von 2012 bis 2016 auf 13 österreichischen Filmfestivals gezeigt wurden, wurde von Regisseurinnen inszeniert. • Zwei Drittel (67 %) der Programmverantwortlichen der Festivals waren Frauen. Bei den FestivaldirektorInnen dreht sich dieses Verhältnis um: Die oberste Führungsebene war nur zu 39 % weiblich besetzt. • Die Prüfungskommission für Regie an der Filmakademie Wien hatte im Jahr 2016 einen Frauenanteil von 0 % für die Prüfungsteile 1 bis 3 und einen Frauenanteil von 10 % für den finalen Prüfungsteil 4.

d.signwerk.com / foto gerhard wasserbauer

Collecting Society of Audiovisual Authors

vdfs.at

FC Gloria feiert heuer als Verein, der weibliche Filmschaffende in Österreich unterstützt, vernetzt und stärkt, zehnjähriges Bestehen. Dabei fordern die mittlerweile 148 Mitglieder einfach nur, dass in Zukunft etwa gleich viele Männer und Frauen Filme machen und dafür gleich hohe Budgets zur Verfügung haben. Denn Film soll als machtvolles, meinungs- und kulturbildendes Medium die Diversität der Gesellschaft abbilden – vor und hinter der Kamera. Jedes Jahr gestaltet FC Gloria in Kooperation mit der Diagonale eine Bierdeckel-Kampagne für mehr Awareness bezüglich Gleichberechtigung in der Filmbranche. Aus der Aktion »See It – Be It: Irgendwas mit Film«, die sich an filminteressierte SchülerInnen richtet, ist die Idee zur diesjährigen Kampagne entstanden: die Vielfalt der Filmberufe, in denen Frauen mitunter stark unterrepräsentiert sind, sichtbar machen. Gestaltet wurden die Bierdeckel von Bureau F.

Wir vertreten die Rechte von Regie, Kamera, Filmschnitt, Szenenbild, Kostümbild & Schauspiel.

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Green Filming Ein Filmland stellt auf nachhaltig um Film ist ein umweltbelastendes Unterfangen. Um die Zukunft der Branche in Zeiten von Klimaschutz zu garantieren, ist ein Umdenken notwendig. Green Filming setzt hier die ersten Schritte. ———— Man hat die eine oder andere Geschichte über die dunklen Seiten der Filmproduktion sicher schon einmal gehört. »Die Brücke am Kwai« von 1957, in dem die Produzenten 1.200 riesige Bäume im unberührten thailändischen Urwald fällen ließen, nur um die namensgebende Brücke über den Fluss zu bauen. Nachträgliche Zerstörung inklusive. Stanley Kubricks »Wege zum Ruhm« aus demselben Jahr, in dem riesige Flächen an Ackerland umgewälzt wurden, um ein Weltkriegs-Setting zu kreieren. »Ben Hur« (1959) und seine gigantische Wagenrennszene, für die eine Arena im römischen Studiokomplex Cinecittà aufgebaut wurde. Francis Ford Coppola errichtete für sein 1978 Epos »Apocalypse Now« entgegen Empfehlungen Sets mitten in der Taifun-Saison und musste hilflos zusehen, wie sie wie erwartet weggespült wurden. Jüngere Beispiele inkludieren Kevin Costners 1995erFlop »Waterworld«, durch den ein 1.000 Tonnen schweres Stahlgerüst auf den Meeresgrund sank und »The Beach« mit Leonardo DiCaprio aus dem Jahr 2000, der für die thailändische Maya Bay ein ökologisches Desaster durch Umgestaltung und späteren Massentourismus nach sich zog. Umweltsünden im Namen der cineastischen Unterhaltung sind uns ZuschauerInnen nicht neu. Doch sie sind nur der problematische Gipfel des Eisbergs. Film begünstigt nicht nur externe Umweltbelastung, er selbst ist Umweltbelastung. Die Filmindustrie stellt sich, in einer Zeit, in der die Menschen beginnen, mehr auf ihren ökologischen Fußabdruck zu achten, als eine der energieintensivsten Bran-

chen weltweit heraus. Laut der European Broadcast Union sind es sogar zwei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen, die die Informations- und Kommunikationstechnologien aktuell für sich verbuchen. Tendenz steigend. In Hollywood trägt die ansässige Filmindustrie mehr zur Luftverschmutzung bei als die meisten großen nationalen Industrien. Die Film- und Fernsehproduktion in London erzeugt pro Jahr so viel CO2 wie 16.000 Flüge zwischen Europa und Neuseeland. Das alles wäre an sich schon belastend genug. Doch mit dem Aufkommen von Streaming und den damit verbundenen

»Wenn eine grobe Einordnung und Sortierung des Status quo gelingt, ist schon viel gewonnen.« — Brigitte Bidovec

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nicht linearen Sehgewohnheiten kreieren Produktionsfirmen und Sender immer mehr Programme und Inhalte. Dank dieser zukünftig noch weiter ansteigenden Belastung ist klar, dass die Filmlandschaft in einer Zeit, in der die Rettung des Planeten und das Aufhalten der Erderwärmung zum Nonplusultra werden, ihren Beitrag zu leisten hat. Produktionen müssen nachhaltiger und ressourcenschonender werden. Eine solche moralische Verpflichtung hat sich in den letzten Jahren weltweit unter dem Schlagwort »Green Filming« entwickelt. Im Kern geht es darum, Filme umweltverträglicher zu produzieren und Filmschaffende in ihren Nachhaltigkeitsbe-

strebungen zu unterstützen. Dies geschieht durch Bewusstseinsbildung über nachhaltigere Methoden, die man während des Drehs umsetzen kann. Etabliert hat sich Green Filming in Österreich erstmals dank der Lower Austrian Film Commission (lafc), die auf ihrer Website lafc.at einen Online-Leitfaden, den Green Guide »Evergreen Prisma« für Filmschaffende herausgibt. Er listet umweltverträgliche und nachhaltige Alternativen für die Umsetzung eines Drehs auf. Darunter fallen nicht nur größere Kaliber wie Mobilität, sondern auch kleine Tipps, wie man zum Beispiel Abfall vermeidet oder lokale Ressourcen nutzt. Zudem bietet die lafc auch einen filmspezifischen CO2-Rechner auf ihrer Website an, mithilfe dessen Filmcrews überprüfen können, wie emissionsgeladen ihre Produktion ist. Auch die diesjährige Diagonale wird sich diesem Thema in ihrem Branchentreffen »Reality Check: Small Tools And Green Lies« widmen. Filmschaffende und Mitglieder des heimischen und internationalen Filmbetriebs werden die Tragfähigkeit der Strukturen und Rahmenbedingungen im österreichischen Film diskutieren, wenn sich gleichzeitig die Linien in Richtung Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit verschieben. Die Frage, die im Raum steht, ist somit nicht nur, wohin sich die Filmlandschaft entwickeln muss, sondern auch, welche Innovationen notwendig sind, um diese Ziele zu erreichen. Doch es geht den VeranstalterInnen nicht nur rein um nachhaltiges Produzieren. Diskutiert werden auch Fragen zum Thema gegenwärtiger und zukünftiger Arbeitsrealitäten und der einhergehenden sozialen Lage der Filmschaffenden, sowie das Förderwesen und die öffentlich-rechtlichen Sender.

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Die Umweltbilanz ist bei jedem Filmprojekt anders – meistens aber heißt der größte Klimakostenpunkt Mobilität. Transporte und Transfers für die Filmcrew und ihre Technik belasten die Umwelt stark.

Dieser Zugang zum Thema der Nachhaltigkeit ist nicht neu für das Festival, wie Brigitte Bidovec von der Diagonale betont. Er wird bereits seit 2011 im Rahmen der Initiative »Diagonale Goes Green« aufgegriffen. Das Branchentreffen ist nun der nächste Schritt. »Das Thema ist heuer tatsächlich erstmals größer, prominenter und schlichtweg offensichtlicher vertreten. Das liegt auch daran, dass es mittlerweile ausreichend AkteurInnen in der Filmbranche gibt, die sich mit dem Thema auseinandersetzen und engagieren, und die auch bereits Erfahrungen gemacht haben, die nunmehr öffentlich reflektiert werden können.« Diese Bewusstseinsbildung ist der erste Schritt, um nachhaltig etwas zu ändern, wie Branchentreffen-Teilnehmer Lars Henrik Gass, Leiter der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen, betont. Zwar müsse und könne man selbst etwas tun, doch das sei noch nicht ausreichend. Gleichwohl seien politische Veränderungen nötig, damit diese Ambitionen auch Wirkung zeigen könnten. »Greenwashing, Schuldgefühle, Scham, Ohnmacht sind subjektiv zwar nachvollziehbar, gehören aber zu den Auswirkungen eines politischen Systems, das verändert werden muss.«

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Im Gespräch soll erarbeitet werden, in welchem machbaren Rahmen sich Filmschaffende bewegen und wie man die gegenwärtige Situation verändern kann. Der »Evergreen Prisma«-Guide bietet hier beispielsweise schon konkrete Vorschläge, wie CO2-Emmissionen vermieden, beziehungsweise ausgeglichen werden können. Die Green-Filming-Guidelines, die die lafc auf ihrer Website zur Verfügung stellt, empfehlen Produktionen, ihre Filme von der Vorbereitung an über die gesamte Drehzeit bis hin zu Postproduktion und Verwertung auf grüne Handlungsalternativen zu untersuchen.

Hotspots umschiffen Dabei werden sogenannte »Hotspots« identifiziert, also die am meisten emittierenden Bereiche in der Filmherstellung. Um diese umschiffen zu können, müssen machbare Maßnahmen festgelegt und umgesetzt werden. Das ist nicht immer einfach oder standardisierbar. Filmproduktionen sind sehr individuell und jede hat sich anderen Herausforderungen und Bedürfnissen zu stellen. Zudem rangieren sie auf einem breiten Spektrum, was Art und Größe betrifft.

Trotz der unterschiedlichen Bedingungen in der Produktion ist das finale Ranking der ressourcenintensivsten Departments dann aber meist ident. Am häufigsten sind es die Mobilität, die Unterbringung, Transporte und Transfers für Team und Technik, die am meisten Belastung verursachen. An zweiter Stelle rangiert gemeinhin das Produktionsbüro, mit seinem Energiebedarf für Strom, Klima, Geräte oder allgemeinen Materialverbrauch. Weitere Energiefresser sind die Materialien des Production Designs, die Digitale Bearbeitung und die Speichermethoden der Postproduktion, das Technik- und Licht-Equipment, das Catering und die Müllentsorgung. Doch diese Hotspots zu identifizieren bedeutet nicht automatisch, dass hier auch immer Handlungspotenzial besteht. Nicht alle Bereiche lassen CO2-Einsparungen zu. Filmteams haben hier aber die Möglichkeit, die nicht vermeidbaren CO2-Emissionen durch CO2-Kompensation auszugleichen. Green Filming denkt dabei nicht nur um, es schafft auch neue Jobs. Um die Nachhaltigkeitsoptionen entsprechend zu implementieren, wurde der Beruf der Green Consultants oder Nachhaltigkeitsbeauftragten eingeführt. Diese sind in Green-

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Bei solchen Fortbildungen soll es vor allem darum gehen, in Dialog zu treten, wie Lars Henrik Gass aus eigener Erfahrung betont: »Umschulung hört sich nach Maoismus an. Ich denke, es ist schon viel erreicht, wenn wir Prozesse initiieren, um zu gemeinschaftlichen Lösungen zu kommen, die politische vorbereiten.« Seit 2017 ist es auch möglich, das Österreichische Umweltzeichen durch das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus zu erhalten, das Produktionen mittels Zertifizierung für »Green Producing« auszeichnet. Die Akademie des Österreichischen Films strebt diesen Status bereits für 2020/21 an. Dafür wurde eine eigene Nachhaltigkeitsbeauftragte eingesetzt. Die Verleihung des Österreichischen Filmpreises 2020 seitens der Akademie wurde schon als Green Event organisiert und konnte das begehrte Umweltzeichen für Green Meetings und Green Events erfolgreich für sich verbuchen. Die Gala bewies

auch abseits der Organisation, dass sich die österreichische Filmcommunity das Thema zu Herzen genommen hat. Die Gäste und PreisträgerInnen trugen es durch Moderation, Dankesreden oder auch den neuesten Trend »Vintage Glamour« – das erneute Tragen älterer Abendgarderoben – immer wieder in den Vordergrund. Die Diagonale will mit ihrem Branchentreffen den Bogen noch weiter spannen, so Brigitte Bidovec: »Die Besonderheit in Graz wird sein, dass es eben nicht nur um Filmproduktion und Filmschaffende geht, sondern um das, was man gemeinhin als Filmkultur bezeichnen kann. Also auch um Kinos, Festivals, Verleihe und so weiter.« Die Eckpunkte wären dadurch sehr unterschiedlich und würden von banalen Maßnahmen wie korrekter Müllvermeidung im Kino, am Festival oder am Filmset bis hin zu einer genaueren Analyse reichen, wo sich aktuell noch blinde Flecken befinden. Fragen und Überlegungen, die dadurch angestoßen werden sollen, sind die Evaluierung, wie ressourcenstrapazierend das Streamen von Filmen auf Video-onDemand-Plattformen im Vergleich zum gemeinschaftlichen Kinobesuch ist. Wo es strukturelle Hindernisse für nachhaltige Filmproduktion gibt. Wenn etwa Förderrichtlinien regionenbezogene Wertschöpfung vorschreiben, eine gesamte Filmproduktion dadurch aber in ein anderes Bundesland reisen muss. Bidovec: »Wenn eine grobe Einordnung und Sortierung des Status quo gelingt, ist schon viel gewonnen.«

Klimafaktor Festival Dabei werden auch die individuellen Schwierigkeiten als FilmemacherInnen nicht außen vor gelassen. »Die Herausforderungen variieren je nachdem, wo man in der Verwertungs- und Produktionskette von Filmen steht«, erläutert Bidovec, »als Festival liegt etwa eine zentrale Schwierigkeit darin, nur temporär und in vielen unterschiedlichen Locations stattzufinden, auf die es auch keinen direkten Zugriff gibt. Man ist quasi Gast und kann nicht über die nachhaltige Handhabe aller Locations bestimmen.« Zugleich können Festivals ihre Reputation aber nutzen und viel Aufmerksamkeit generieren, die inspirierend und motivierend wirken kann. »Die Diagonale fungiert ein Stück weit als Probierraum für Nachhaltigkeitsthemen, von dem aus dann bestenfalls Maßnahmen auch Eingang ins Alltagsgeschäft der FestivalpartnerInnen finden«, ist Bidovec überzeugt.

In Österreich gibt es noch keine dezidierte Förderung für Grüne Produktionen.

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Filming-Produktionen ein Stabmitglied des Produktionsdepartments. Der Job umfasst die Optimierung des Herstellungsprozesses nach ökologischen Aspekten. Dabei werden mögliche Handlungsalternativen, durch die Ressourcen und Emissionen reduziert werden können, ermittelt und Strategien festgelegt. Die Position ist nicht nur während des Drehs vonnöten, sondern umschließt alle Phasen der Produktion. Der grüne Gedanke muss aber nicht nur hinter der Kamera umgesetzt werden. Wesentlich ist auch, was vor der Linse geschieht. Die Mentalität einer nachhaltigen Filmproduktion ist nicht nur Ressourcenschonung im Hintergrund, sie soll sich auch durch den Film selbst ausdrücken. Green Storytelling nennt sich dieser Prozess, in dem ökologisches Verhalten in der Handlung eines Films und der Charakterisierung der Storyline berücksichtigt wird. Das bedeutet, dass Handlungselemente von Umweltschutz oder Nachhaltigkeit in ein Umfeld von Selbstverständlichkeit eingebettet sind. Sie dürfen nicht jedes Mal zum Thema gemacht werden. Ebenso dürfen Verschwendungssymbole wie Einwegbecher oder Plastikverpackungen nicht gezeigt oder Umweltbelastendes wie das Fliegen nicht positiv dargestellt werden. Das alles klingt zunächst vielleicht nach viel Arbeit, aber die ersten Erfolge sind in der österreichischen Filmlandschaft bereits gesät. Seit der Veröffentlichung des Green Guides durch die lafc und den ersten Evergreen-Prisma-Workshops für Filmschaffende hat sich das Interesse in Österreich intensiviert. Die lafc bietet somit nicht nur den genannten Guide als »Schnittstelle zum nachhaltigen Wissensspektrum« an, sie organisiert auch Seminare und Schulungen zum Thema nachhaltige Filmproduktion.

»Umschulung hört sich nach Maoismus an. Ich denke, es ist schon viel erreicht, wenn wir Prozesse initiieren, um zu gemeinschaftlichen Lösungen zu kommen, die politische vorbereiten.« — Lars Henrik Gass

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Die Herausforderungen stecken somit nicht unbedingt in der Motivation der Filmschaffenden, sondern oft auch mal im finanziellen Bereich. Grundsätzlich gibt es in Österreich noch keine Förderung für Grüne Produktionen. Thematisch verwandte Initiativen sind bisher beispielsweise nur eine Förderung des Ökomanagement Niederösterreich für nachhaltige Beratungsleistung. Zum anderen ist da der Massendruck der Branche. FilmemacherInnen, so Gass, seien in einem System gefangen, »das ›schneller, besser, größer, billiger‹ von uns fordert – und jetzt auch noch ein gutes Gewissen darüber.« Eine Teilnehmerin am österreichischen Markt, die es geschafft hat, nachhaltig zu produzieren, ist die Filmproduktionsfirma Gebhardt in Mödling. Für zwei von vier Drehblöcken der 19. Staffel von »Soko Kitzbühel« hat sie 2019 das Österreichische Umweltzeichen erhalten. Das erreichte die Firma unter anderem dadurch, dass sie ihren Papierverbrauch reduzierte, indem Drehpläne nicht ausgedruckt wurden, und auch sonstiger Müll wie Plastikflaschen

vermieden wurde. Die SchauspielerInnen reisten per Zug an, die Materialien und Technik vor Ort waren lokal, nachhaltig und energiesparend.

International grün Wird es für diese Bemühungen in Zukunft besondere Aufmerksamkeit und Anerkennung geben? Bidovec beruft sich auf den primären Zweck der Diagonale: »Zentral ist die strikte Trennung zwischen inhaltlichen und strukturellen Fragen. Im Kern ist die Diagonale ein Filmfestival. Und für die gezeigten Filme darf es keine inhaltlichen Vorgaben geben.« Das Festival behandelt das Thema somit primär auf der strukturellen Ebene der Festivalgestaltung. Stichwort Struktur: In der EU besteht durch den Bereich Film- und Kinokultur der Abteilung Kunst und Kultur des Landes Niederösterreich eine Mitgliedschaft bei der Cine Regio. Die Vereinigung umfasst derzeit 49 regionale Filmfonds aus zwölf EU-Mitgliedsstaaten sowie aus Norwegen und der Schweiz. Ihre Arbeitsgruppe Green Regio leistet seit Jahren einen star-

ken Beitrag für die Umstellung auf nachhaltiges Filmschaffen. Vor Kurzem wurde der neue »Green Report« veröffentlicht, der einen aktuellen Einblick in die grünen Initiativen regionaler Filmförderstellen in Europa bietet. Zurück zur Diagonale. »Da das Thema Green Filming und Nachhaltigkeit auch in der produzierenden Branche an Interesse gewinnt und sich die Diagonale als Plattform für film- und kulturpolitische Debatten versteht, wird Graz auch künftig ein Ort sein, wo über diesbezügliche Pros und Contras, die Potenziale, Chancen und Erfahrungen gesprochen werden wird«, fasst Bidovec zusammen. »Hier soll das Thema auch kritisch gegen den Strich gebürstet werden. Das ist im Übrigen ein genereller Anspruch der Diagonale und betrifft sämtliche Themen im Festival.« Susanne Gottlieb

Das Diagonale Film Meeting beschäftigt sich unter anderem mit dem Thema »Green Filming« und findet am 25. und 26. März in Graz (Hotel Wiesler, Salon Frühling) statt.

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EIN FILM VON OSCAR -PREISTRÄGER STEFAN RUZOWITZKY

N A C H D E M W E LT B E S TS E L L E R VO N H E R M A N N H E S S E

JANNIS N I EWÖH N E R

SABIN TA M B R E A

EMILIA SCHÜLE

HENRIETTE CONFURIUS

ANDRÉ M. HENNICKE

UWE OCHSENKNECHT

JESSICA S C H WA R Z

KI DA KHODR RAMADAN

AB 13. MÄRZ IM KINO

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In der historischen Schiene »Sehnsucht 2020« dreht sich die Diagonale um Städte und Sehnsüchte. Unsere Autorin sucht in den Filmen Erinnerungen an ihre eigene Jugend in Graz. ———— »Die Leute gehen vielleicht woanders hin, aber sie kommen immer wieder zurück.« – Die junge Frau, die im Jahr 1986 vor der Kamera fachsimpelt, glaubt an die magische Anziehungskraft von Graz. Graz, diese Chimäre aus südländischem Flair und nördlicher Ordentlichkeit, die sich entlang des grünen Ufers der Mur durch das niedere Hügelland und das ausladende Grazer Becken im Süden schlängelt. Eine Stadt gespickt mit Kultur, einzigartiger Architektur und der steten Wechselbeziehung zwischen junger Progressivität und traditionell konservativen Eckpfeilern. Im Film »Losgelassen – Jugend in Graz« von Regisseur Rene Brueger reflektiert die Grazer Jugend der 80er, was den besonderen Reiz am Leben in der steirischen Hauptstadt ausmacht. Gemeinsam mit dem Film »Magic Graz« von Curt M. Faudon (damals noch: Kurt Faudon) aus dem Jahr 1972 vertritt »Losgelassen« den Grazer Blickwinkel im historischen Diago-

nale-Special »Sehnsucht 2020 – Eine kleine Stadterzählung«. Dieses zeigt 22 Filme, die sich um die Themen Stadt und Sehnsucht im österreichischen Film drehen. Filme, die an Orte führen, die das Wechselspiel zwischen gebauter und gelebter Stadt nachvollziehbar machen sollen. Als gebürtige Grazerin stellen sich mir beim Schauen der Filme die Fragen: Wo entsteht diese Sehnsucht für mich, diese emotionale Verbindung zur Stadt und meine Erinnerung an sie? Welche verklärten und konkreten Erfahrungen transzendieren von der Leinwand her meine eigene Gedankenwelt? Städte, Orte, Nicht-Orte – sie erhalten erst durch Erlebnisse und Erinnerungen eine subjektive Bedeutung. Als Mensch verknüpfe ich meine Erinnerungen mit Plätzen und statte diese mit subjektiven Eigenschaften aus. Welche Rolle spielt die Stadt daher in meinem Leben? Schafft sie Sehnsüchte nach dem Gewesenen? Und wie korreliert sie mit jenen Erzählungen aus den 70ern und 80ern, die sich vor mir auf der Leinwand entfalten? Das historische Special lädt mich anhand dieser fragmentarischen Bilder zur

Spurensuche an realen Orten in meiner eigenen Erinnerung ein. Ein Wühlberg an aufgeladenen Bedeutungen, die sich meinem Griff entziehen und verflüchtigen – und die 14 Jahre, die ich nun schon weg bin, neu modellieren. Welche Wirklichkeiten überlappen sich zwischen mir und diesen Geistern der Vergangenheit auf der Leinwand? Zu welchen Orten haben wir beide Bezug? Ich kann wohl Graz und meine Rolle in der Stadt nie als Ganzes begreifen, vielmehr versuche ich einen Einblick in die verschiedenen Stationen und Kernpunkte zu bekommen. Gibt es etwas, das eine Lücke hinterlassen hat, als ich fortging? Oder sind es einfach Abschnitte wie auf einer Treppe, die Schritt um Schritt zum eigentlichen Ziel führt?

Hauptplatz-Nostalgie Diese flüchtigen und andauernden Orte, die ins Zentrum dieser Erinnerung rücken, strahlen mir immer wieder in leicht modifizierter Form aus den Bildern und Erzählungen entgegen. In beiden Filmen tauchen im Minutentakt die großen Eckpfeiler des Grazer Stadtlebens auf: der Schlossberg, der Hauptplatz, der Stadtpark, der Jakominiplatz. Situiert im Herzen der Stadt, sind sie jene Fixpunkte, mit denen jeder vor Ort in Berührung kommt. Sie sind geprägt von mannigfaltigen Erinnerungen, von Erfahrungen und von Veränderung. Nostalgisch denke ich an meine Jugend in den frühen 2000ern, als wir uns am Hauptplatz unter der Weikhard-Uhr trafen, dem beliebtesten Treffpunkt von Generationen von GrazerInnen, um anschließend ein Kaffeehaus oder eine Bar anzusteuern. Warum genau dort? Ein Ort, eingebettet in die DNA der Stadt – eine Selbstverständlichkeit und ein Hinweis, wie vertraut man als Mensch mit den Regeln des städtischen Lebens ist. Der Hauptplatz selbst, mit seinen Standln, an denen wir stets internationale Süßigkeiten gekauft haben. Die angrenzenden Geschäfte, die sich entlang der Herrengasse dicht aneinanderreihen, in die man

Rene Brueger / Diagonale (2)

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»Sehnsucht 2020« Mein Graz, dein Graz

»Sehnsucht 2020« ist ein historisches Special von der Diagonale, Filmarchiv Austria, Österreichisches Filmmuseum und ORF-Archiv.

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Rene Brueger / Diagonale (2)

teils aus Interesse, teils aus Langeweile hineinbummelte, ohne je etwas zu kaufen. Die große Fläche vor dem Rathaus, auf der ich anno 2003 mit Hunderten von Leuten begeistert dem Eröffnungsfeuerwerk für die Europäische Kulturhauptstadt zusah. Erstaunt beobachte ich in den filmischen Dokumenten die Diskrepanz zwischen meinen Erinnerungen und diesen Orten in einer mir fremden Periode. Als noch Autos um das Erzherzog-Johann-Denkmal herumfuhren. In Zeiten, als der Stadtpark noch viel wilder und aufregender aussah. Die Mitglieder des Forum Stadtpark, jenes legendären KünstlerInnenkollektivs, das sich in »Magic Graz« noch im Brunnen vor dem Forum austobte, während zu meiner Zeit einige von ihnen bereits im Sterben lagen und diskutiert wurde, das Forum in ein Kaffeehaus umzuwandeln. Der Stadtpark war eine jener Entdeckungen für mich, die ich machte, als ich der Stadt schon halb den Rücken gekehrt hatte. Das Sitzen am Brunnen, die Trommelgeräusche von der angrenzenden Rasenfläche, das selbst mitgebrachte Getränk in der Hand. Die Filme verraten mir: Hier hat sich nicht viel verändert zwischen den Generationen vor mir und meiner eigenen Erfahrung. Wie agiert die Szene dort wohl heute, nachdem die Stadt verlautbart hat, naheliegende Freiflächen in Wohnraum umzuwandeln?

Arcadium-Generation Doch es sind nicht nur die architektonischen Referenzpunkte, die den Strom der Zeit durchdringen. Bei aller Liebe zu ihrer Heimat definieren die Jugendlichen ihre Rolle in der Stadt auch durch kritische Worte. »Für die Jugend wird zu wenig getan«, beschwert sich einer. Andere beteuern, dass es »außer Altstadt« nichts für sie gäbe. »Pensionistenstadt«, resümiert ein adrett gekleideter junger Mann im Kaffeehaus. Einschätzungen, an die auch ich mich erinnern kann. Doch woher kamen sie? Trügt mich meine Erinnerung, dass ich das Angebot der Stadt durchaus befriedigend fand? Oder ging ich zu einer Zeit weg, bevor sich diese Situation zu verschärfen begann, als durch strengere Auflagen die Existenz kultureller Jugendins-

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titutionen gefährdet war? Ist dies gar eine Neuausrichtung meiner Erinnerung, weil ich in anderen Städten Vergleichsmöglichkeiten entwickeln konnte? Die filmische Reise durch die Stadt führt auch in die Ausgehszene der Jugendlichen. In Lokale wie den Club SF, der in meiner Zeit unter dem Namen Eastside betrieben wurde und eher eine mittelmäßig populäre Destination fürs Kübeltrinken war. Ich, die ich in der Arcadium-Generation – benannt nach einem Club, den es von 1997 bis 2006 gab – großgeworden bin, entwickle keine Sehnsucht nach diesen Orten. Es ist vielmehr das Lebensgefühl, das in mir nachhallt, dieses kleine, feine Jungsein in Graz: eine Stadt, die so viele Möglichkeiten bot und gleichzeitig auch so oft unspektakulär wirkte; die Snobs und Aufreißer, deren Nachschub nie versiegt; die Punkszene und die progressive StudierendenCommunity in ihrem Auflehnen gegen die eher traditionell-konservativen MachthaberInnen der Stadt; der ewige Konflikt von Alt versus Jung. Zwischen Tradition und Innovation verorten die EinwohnerInnen die Stadt schon in den 70ern. Prominente wie Jochen Rindt und Heinrich Harrer tummeln sich in den Szenespots. Die Musik pulsiert in den dunklen Untergrund-Clubs. Die Frage nach brauner Vergangenheit wird je nach Generation frontal konfrontiert oder negierend umschifft. »Ich kann mir das Leben mit 40, 50 hier sehr gut vorstellen«, schwärmt eine weitere junge Partygeherin. 2020 hat sie dieses Alter nun erreicht. Ist sie noch da? Hat sie

hier Wurzeln geschlagen? Kann ich mir vorstellen, mit 40 oder 50 wieder in Graz zu wohnen? Würde ich nach einem Ort suchen, den es so eigentlich nicht mehr gibt? Diese lang vergangenen Eindrücke des Grazer Alltags haben sich in meiner Persönlichkeit zu einer Wertschätzung des pulsierenden Stadtlebens, im Zusammenspiel zwischen Alt und Jung, urbaner und ruraler Welten, Kultur und Tradition verfestigt. Abstecher in das belebte Univiertel mit seinen kleinen Gassen und Lokalen, in den wunderschönen Renaissance-Landhaushof mit seiner alljährlichen Eiskrippe, ins Bermudadreieck mit Glockenspielcafé oder hinauf zur kilometerweiten Aussicht unter den riesigen goldenen Zeigern des Uhrturms: Die Stadt hat sich bei mir eingebrannt, mit ihren Höhen und Tiefen, den jugendlichen Entdeckungen und den sehnsüchtigen Erinnerungen an das Vergangene. Die Grazerin in mir ist tief in meiner Seele verankert, auch wenn der Geist schon vor langer Zeit weitergezogen ist. Susanne Gottlieb

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Auch wenn sich die Graz-Jugend unserer Autorin zeitlich nicht wie hier in den 80ern, sondern in den frühen 2000ern verortet, war sie ähnlich »losgelassen«.

Susanne Gottlieb hat Graz im Jahr 2006 verlassen, um in Wien Theater-, Film- und Medienwissenschaft sowie Publizistik- und Kommunikationswissenschaft zu studieren. Hier ist sie danach auch hängen geblieben und schreibt für verschiedene Medien Film- und Reiseartikel. Nach Graz kommt sie immer noch alle zwei Monate, um ihre Familie zu besuchen. »Magic Graz« ist im Rahmen der Diagonale 2020 am 25. März zu sehen, »Losgelassen – Jugend in Graz« am 27. März.

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Wie beeinflusst die Erinnerung uns als Menschen? Welche Narrative formen unsere Persönlichkeiten? Und was, wenn diese Erinnerungen gar nicht die eigenen sind? Die steirische Regisseurin Sandra Wollner wirft in ihrem durchaus kontroversen Film »The Trouble With Being Born« unter anderem diese Fragen auf – und beantwortet sie bewusst nicht auf eine Art, die für das Publikum befriedigend wäre. Im Interview mit ihr kriegen wir dafür reichlich Antworten auf unsere Fragen. ———— Irgendwo im Wiener Umland lebt die elfjährige Elli mit ihrem Papa in einem Haus mit Pool im Garten. Tagsüber wird im Wasser geplanscht, nachts holt der Mann das Mädchen zu sich ins Bett. Elli ist das egal. Sie ist ein Android. Ohne Persönlichkeit, ohne eigenen Willen. Eine Hülle, in die mittels Programmierung Erinnerungen projiziert werden, die ihr selbst aber nichts bedeuten. Als sich Elli eines Tages im Wald verirrt, wird sie von Fremden aufgegabelt, die ebenfalls von den Geistern der Vergangenheit heimgesucht werden. Eine neue Identität wartet auf sie. Ein zeitloses Bindeglied zwischen schmerzhafter Gegenwart und verklärten Erinnerungen. Es ist nach »Das unmögliche Bild« (2017) bereits die zweite filmische Arbeit, in der sich Nachwuchsregisseurin Sandra Wollner mit dem Spannungsfeld zwischen dem Gestern und dem Morgen, dem Reflektieren über das Dagewesene sowie dem Konstruieren der eigenen Identität aus Erfahrungen heraus auseinandersetzt. Die gebürtige Leobenerin, die von sich selbst sagt, eigentlich keine Cineastin zu sein und das Medium Film durch Herumexperimentieren mit einer Vi-

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litäten. Die Erinnerung als ein identitätsstiftendes Narrativ ist etwas, das mich sehr interessiert. Man stellt sie in Frage: Würde unsere Existenz funktionieren, wenn wir ihr nicht diese Narration geben würden?

Sandra Wollner nahm vor Kurzem den Spezialpreis der »Encounters«-Jury auf der Berlinale entgegen, den sie für ihren zweiten Langfilm gewann.

deokamera für sich entdeckt zu haben, hat im Vorjahr mit ihrer Abschlussarbeit »The Trouble With Being Born« die Ausbildung an der Filmakademie Baden-Württemberg abgeschlossen. Damals noch im Rohschnitt, ist der Spielfilm nun in ausgefeilter Form als deutsch-österreichische Koproduktion auf der Diagonale zu sehen. The Gap traf die Regisseurin zum Interview über Erinnerung, Identität und die Problematik, einen ordentlichen Kinostart zu bekommen. Das ist bereits der zweite Film, in dem du dich mit dem Thema der Erinnerung und Fragmenten der Vergangenheit auseinandersetzt. sandra wollner: Ja, ich denke es geht viel um Erinnerung, aber auch tatsächlich immer um eine Reibung mit diesen Rea-

Siehst du Erinnerung als eine sich linear aufbauende Erfahrung in deinen Geschichten? wollner: Nein. Erinnerung wird vom Gestern und vom Morgen bestimmt. Ich bin der Überzeugung, je nachdem wie ich im Erwachsenenalter über Dinge reflektiere, beeinflusst das meine Erinnerung. Meine Kindheitstage, selbst wenn die eigentlich schon geformt sind, werde ich immer ein bisschen anders weitererzählen. Die ZuschauerInnen sehen somit also eine subjektive Vergangenheit der ProtagonistInnen. wollner: Die Überlagerung von Erinnerung und Vorstellung war etwas, das mich bei meinem letzten Film schon sehr stark begleitet hat. Diesmal ging es mir mehr um unsere tatsächliche Realität. Inwiefern brauchen wir ständig diese Narration? Das ist auch ein Symptom des Kinos selbst, dass wir Narration haben – das stiftende Narrativ unseres Ichs sozusagen. Darum ging es mir auch in diesem Film. Diese Narration drückt sich auch durch die Voiceovers deiner Figuren aus. Wo kann man diese zeitlich verorten? wollner: Bei diesem Film verorte ich das Voiceover in einem unendlichen Moment. Einem Moment, der vielleicht schon

Alexander Janetzko / Berlinale, Timm Kröger

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»Die Erinnerung als ein identitätsstiftendes Narrativ« Sandra Wollners Spielfilm »The Trouble With Being Born«

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Alexander Janetzko / Berlinale, Timm Kröger

In diesem Film ist ein Robotermädchen die Protagonistin. Hast du dich von konkreten Vorbildern inspirieren lassen? wollner: Es ist kein Film, der eine tatsächliche Realität oder die tatsächliche technische Möglichkeit einer künstlichen Intelligenz zeigt, sondern vielmehr die Idee eines Roboters. Eines Fabelwesens, einer Metapher unserer technischen Möglichkeiten. Dass die Protagonistin als Figur keine Bedürfnisse hat, das war der interessante Zugang für mich. Wie wir unsere Sehnsüchte darauf projizieren. Dass es immer ein Spiegel ist. Dass jedes Gespräch mit diesem Androiden ein Monolog ist und uns auf unsere eigene Virtualität zurückwirft. Auf unseren Wunsch, gehört zu werden von irgendjemandem. Auf das Kind werden von Seiten der Erwachsenen Erinnerungen projiziert, was immer wieder in komplexen Situa-

tionen resultiert. Ist Erinnerung auch etwas Gefährliches? wollner: Ja, wobei es sich in dem Fall ja nicht um ein Kind handelt, sondern um ein Objekt, das aufgeladen wird mit diesen Erinnerungen. Die Erinnerung ist nichts Gefährliches für diesen Roboter, sondern für die Personen, die diese Erinnerung projizieren. Mir war es sehr wichtig, einen Film zu machen über ein Objekt, ein Wesen, das aussieht wie ein elfjähriges Mädchen, dem aber in dem Sinn völlig egal ist, wofür es verwendet wird – ob es nun im ersten Teil bei diesem 50-jährigen Mann wohnt, der es mit ins Bett nimmt, oder ob es am Ende in Gesellschaft einer älteren Frau ist. Das hat mich interessiert. Dieser Android, dieses Wesen misst dem keine Bedeutung bei, uns hingegen erschreckt es, weil all das für uns natürlich schon eine Moral, eine Bedeutung hat. Stichwort 50-jähriger Mann: Es gibt in der ersten Hälfte ein paar Szenen die ungemütlich werden könnten. Was ist deine Hoffnung, wie das Publikum damit umgehen wird? wollner: Ich glaube, in dem Film gibt es zwei Momente, die das Publikum anstößig finden könnte. Eine Nacktheit sowie eine Beziehung, die natürlich beide als Tabu gesehen werden. Und das Zweite ist ein formaler Punkt, da diese Ge-

schichte eben nicht weitererzählt wird. Das Publikum erhält keine befriedigende Antwort auf das, was in der ersten Hälfte angerissen wird. Ich glaube das sind so Momente, wo man beim Publikum anecken kann. Aber hoffentlich auch welche, wo Diskussionen entstehen. Der Film feierte im Februar auf der Berlinale seine Premiere, jetzt läuft er hier auf der Diagonale. Wo wird man ihn noch sehen können? wollner: Wir hoffen, dass Programmer ihn auch im Kino entdecken könnten. Das erweist sich gerade noch als etwas schwierig, weil das Thema sehr aneckt. Gleichzeitig hatte bisher vielleicht keiner den Mut oder die Lust oder sie können sich nicht damit identifizieren, das ins Kino zu bringen. Das ist natürlich ein bisschen schade, dass es da so eine Angst gibt. Gerade der österreichische Film ist in den letzten Dekaden immer angeeckt. Es ist absurd, dann bei Nachwuchsprojekten so ängstlich zu werden. Susanne Gottlieb

Mit »The Trouble With Being Born« hat Sandra Wollner ihr Filmstudium abgeschlossen. Der Film hat im Rahmen der Berlinale den Spezialpreis der »Encounters«-Jury gewonnen und läuft bei der Diagonale 2020 zum ersten Mal in Österreich.

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stattgefunden hat oder erst stattfinden wird. Das war so ein bisschen die Idee dieser Erzählung. Wie könnte man die Sprache so aufbauen, dass sie sich anfühlt wie eine liegende Acht. Genauso ging es mir beim letzten Film auch darum, eine Selbstwerdung zu verfolgen. Also ein aus Fragmenten kommendes Ich, das dann über die Zeit zu einem narrativeren Ich wird.

In »The Trouble With Being Born« changiert Wollner zwischen dem, was wir glauben zu sehen, und den Bedeutungen, die wir diesen Bildern zuweisen. Trotz dieser Ambivalenz ist eine Trigger-Warnung für Kindesmissbrauch nicht unangebracht.

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Workstation Menschen am Arbeitsplatz Patrick Münnich

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Emily Staats

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Lisa Zoe Geretschläger Filmeditorin

In Lisa Zoe Geretschlägers Beruf fließt eine Menge dramaturgische Arbeit und künstlerische Montage ein, die das bloße Schneiden von Filmmaterial weit überschreitet. Daher zieht sie die Berufsbezeichnung der Filmeditorin jener der Cutterin vor. »In der Montage passiert noch so viel – hier nimmt der Film erst seine finale Form an«, erklärt sie, »es wäre schon toll, wenn ein größeres Bewusstsein dafür in der Öffentlichkeit da wäre.« Lisa Zoe Geretschläger ist Vorstands­ mitglied der Austrian Editors Association. Hier arbeitet sie mit KollegInnen daran, mehr Wertschätzung für ihre Berufssparte zu schaffen. Wenn sie größere Film-Projekte editiert, tut sie das am liebsten in der jeweiligen Produktionsfirma, wie zuletzt bei »Me, We« (Regie: David Clay Diaz) in der Coop99. Das ist ihr vor allem wegen des sozialen Aspekts des Filmschaffens wichtig. Bei kleineren Projekten mit einem geringeren Budget darf es aber auch gern das Homeoffice mit Standing Desk sein, das wir hier sehen.

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Verena Wagner Szenenbildnerin

Am Anfang von Verena Wagners Arbeit steht ein Drehbuch. Die darin beschriebenen Kulissen werden bereits beim ersten Lesen zu Bildern in ihrem Kopf, die sie dann in die Realität übersetzt. Dabei ist eine blühende Fantasie von Vorteil, denn wie detailliert DrehbuchautorInnen zum Beispiel eine Wohnungseinrichtung vorzeichnen, variiert stark. Für die Serie »Freud« wurde Verena Wagner von Regisseur Marvin Kren schon früh mit ins Boot geholt. »Einige Dinge, auf die ich bei meinen Recherchen gestoßen bin, haben Einzug in die Geschichte gefunden. Das hat mir großes Vergnügen bereitet«, erzählt sie. Dass dem Szenenbild als Filmberuf in Ankündigungen oder Begleitbüchern zu Festivals oft wenig Beachtung geschenkt wird, kränkt Verena Wagner ab und zu schon. »Filme entstehen immer in Teams, da ist jede Position wichtig und hätte es verdient, genannt zu werden.« Wenn sie aber an einem Sommerabend bei geöffnetem Tor in ihrem Büro in Simmering, das gleichzeitig Werkstatt, Lagerraum und Atelier ist, von einem Hasen oder Igel besucht wird, ist jeder Frust vergessen.

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PROSA — JOHANNA LIETHA

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Kaum läuft der Film »Lovecut«, bei dem sie zusammen mit Iliana Estañol Regie geführt und das Drehbuch geschrieben hat, auf der Diagonale, ist Johanna Lietha schon mittendrin im nächsten Projekt. Dabei wird es allerdings nicht um das Liebesleben Wiener Jugendlicher, sondern um so ziemlich das Gegenteil davon gehen: Sterbebegleitung. Exklusiv in The Gap könnt ihr vorab einen Auszug aus dem in Arbeit befindlichen Drehbuch zu ihrem Film »Aki« lesen – einen inneren Monolog der gleichnamigen Protagonistin.

Ich stelle mir immer wieder vor, wie ich seine Gedenkrede vermasseln werde. Wie ich auf dieser kleinen Kanzel stehe und nicht weiß, was ich sagen soll. Wie die Leute mich anschauen und ich immer nervöser werde. Mir nur vereinzelte, unverständliche Laute über die Lippen kommen und ich irgendwann anfange zu weinen. Nicht wegen Karl, sondern weil es mir so peinlich ist. Und wahrscheinlich auch wegen Karl. Dann stelle ich mir vor, wie Karl sich plötzlich aufsetzt im Sarg und sich beschwert, dass er doch eine witzige Rede haben wollte, dass er mir das doch gesagt habe, verdammt noch mal. Dann sofort wieder tot umfällt und ich total übertrieben zu lachen beginne. Sonst lacht niemand. Die Trauergemeinde starrt mich entsetzt an und ich … ich habe einen bombastischen Lachanfall. Ich hätte so was früher nicht lustig gefunden. Ich finde so was erst lustig, seit ich Karl kenne. Schon seltsam, wie sich ein Mensch dem anderen Menschen angleicht – wenn man nur genügend Zeit zusammen verbringt … Wir kennen uns eigentlich noch gar nicht so lange … und irgendwie geht er mir schon jetzt ab. Dabei ist er ja noch am Leben. Wir sind uns halt wirklich schnell nahe gekommen in den vergangenen Wochen. Genau genommen, seit ich die Marie spiele. Marie war seine Frau, oder Freundin. Auf jeden Fall war – sie lebt schon lange nicht mehr. Ich glaube, sie war seine große Liebe und er hat es vermasselt mit ihr. Was genau passiert ist, weiß ich nicht. Jedenfalls hatte sie einen schlimmen Unfall, kurz nachdem Karl und sie sich getrennt hatten. Und sie ist nach einer fürchterlichen Zeit der Ungewissheit im Koma gestorben. Irgendwie so war das. Karl erzählt so was ja nicht, aber ich hab’ mir das zusammengereimt aus einem Zeitungsartikel und ein paar Briefen, die ich gefunden habe, in seinem Arbeitszimmer.

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Ich hab auch ein Foto gefunden von ihr. Sie sah aus wie eine Filmschauspielerin aus den 40ern. Wie eine Ikone … im Paillettenkleid. Urschön war sie. Und ihren Geist habe ich auch gesehen. Das war weniger schön. Zuerst bei meinem alten Job auf der Geisterbahn … Da schwebte plötzlich diese Frauenfigur vor mir. Fast schon ironisch: ich so als Gorilla verkleidet, sie echt. Wirklich richtig furchteinflößend war das – dann hab ich direkt gekündigt dort. War ja auch ein Scheißjob, genau genommen. Dann beginne ich diesen neuen Job bei Karl … und sie taucht wieder auf – hier bei ihm zu Hause. Das hab ich Karl aber natürlich alles nicht erzählt. Er glaubt nicht an Geister. Ich ja auch nicht, eigentlich … Wirklich! Aber es ist halt heftig, wenn du dann trotzdem einen siehst. Du denkst zuerst, du seist verrückt … und dann entscheidest du dich dafür, niemandem davon zu erzählen. Also aber auf jeden Fall checkt Karl ja nicht mehr immer alles so richtig, wegen des Tumors, glaube ich. Anfangs hat es mich genervt, wenn er mich Marie genannt hat. Er hat mich eingestellt als Pflegeperson und nicht als Rollenspielpartnerin. Und ich wollte mich nicht hineinziehen lassen, emotional. Aber dann hab’ ich den Schrank entdeckt mit den Abendkleidern – so Paillettenzeugs, von Marie – und mir ein Kleid angezogen und bin so zu Karl in sein Zimmer, als er starke Schmerzen hatte. Keine Ahnung wieso, das ist einfach irgendwie passiert. Dann haben wir zusammen getanzt. Da war Karl plötzlich wieder viel lebendiger. Und seither bin ich die Marie, wenn ich bei Karl bin. Ihr stellt euch jetzt sicher eine sexuelle Geschichte vor zwischen ihm und mir. Das ist es aber nicht. Dafür ist er ja auch zu alt. Und ich fühle mich auch nicht zu ihm hingezogen. Marie fühlt sich aber natürlich schon zu ihm hingezogen. Gestern, zum Beispiel, hatte Karl

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JENTSCH RUBEY

Johanna Lietha

Roman Lietha

Geboren 1986 in Zürich, studierte Johanna Lietha Filmregie an der University of the Arts in London. Seit 2009 hat sie diverse Kurzfilme verwirklicht und war bei Spielfilm- und Theaterproduktionen und als dramaturgische Beraterin tätig. »Lovecut« ist ihr Spielfilmdebüt als Drehbuchautorin, Regisseurin und Produzentin. Der Film wird in österreichischer Erstaufführung bei der Diagonale gezeigt. Johanna Lietha lebt und arbeitet in Wien.

ein romantisches Abendessen mit ihr. Und dann hat sie ihm ein Lied vorgesungen: »I Put A Spell On You« von Nina Simone. Wie einem kleinen Kind ein Einschlaflied. Das war schön. Ich glaube, wir ergänzen uns ganz gut … Ewig wird es aber nicht weitergehen so. Kann es gar nicht. Das Leben ist endlich. Karls Leben ist endlich. Wir nehmen langsam Abschied voneinander. Karl und ich. Und Karl und Marie. Und wahrscheinlich auch Marie und ich. Manchmal frage ich mich, warum ich das alles mache. Ich finde keine Antwort. Es fühlt sich aber trotzdem richtig an. Und der Geist ist seither auch nicht mehr aufgetaucht. Ich hoffe echt, du findest mich nicht allzu seltsam, nachdem ich dir das erzählt habe über Karls und meine doch sehr spezielle Freundschaft. Manchmal, so scheint mir, führen dich viele kleine Schritte in eine neue, andere Realität und es fällt dir selbst gar nicht auf, dass nach und nach alles anders geworden ist … Auszug aus: Drehbuch zu »Aki« von Johanna Lietha (Stand: 6. Oktober 2019)

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SCHWARZ MOHAB

TRONINA TUISK

Ab 20. März im Kino 06.03.20 15:45


Film aus, wohin jetzt? Graz-Tipps von bekannten GrazerInnen

Pia Hierzegger Schauspielerin Essen Wenn ich wenig Zeit habe und trotzdem gut essen will, geh ich zum Mangolds. Wenn ich viel Zeit habe, zu Bakaliko – levantinische Küche! Wofür ich noch keine Zeit hatte, aber was ich von allen Seiten empfohlen bekomme, ist das georgische Lokal Tamada.

Maria Motter FM4-Autorin Essen Der Steirer, selbst wenn’s als Veganerin zu hart ist – gute Weine, beste Nachspeisen, freundlichstes Personal.

Kevin Friesenbichler Sturm-Graz Offensivkraft Essen Ich liebe italienisches Essen. Die Trattoria Venezia in Liebenau hat hervorragendes Ambiente und bietet von den klassischen Nudelgerichten bis hin zum feinen Fisch alles.

Ausgehen

Ausgehen

Ausgehen

Zur Buchhandlung Moser.

Am Abend find ich Die Beate, die Café Bar Lotte oder die Färberei – unweit des Schubertkinos – angenehm. Wenn man kegeln will, geht man ins Scheff. Wenn man statt Kino einmal Fußball schauen will und Bier oder Whisky mag, gibt es beides im Marschallhof.

Zum Plaudern in den Burggarten. Im Sommer ins Straßganger Bad. Sonntagfrüh durch den Augarten.

Als Profi bleibt ja nicht viel Zeit zum Feiern. Aber wenn ich mal mit meiner Frau und Freunden ausgehe, mag ich den Landhauskeller. Ich finde die Kombination aus traditionellem Innenhof und modernem Club lässig.

Draußen Überall am Lendplatz oder ins Café Rosenhain mit Blick über Graz, wenn man das mag.

Must-see Die Solo-Impro-Show »Game Of Death« von Jacob Banigan in englischer Sprache im Theater im Bahnhof.

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Draußen

Must-see

Draußen

Den Türken am Palais Saurau in der Sporgasse. Und den kleinen Elefanten in der Neue-Welt-Gasse. Die Stadt­ ansicht von der Murinsel aus und dann kurz die Augen zumachen.

Der Golfplatz Klockerhof ist gleich bei mir in der Nähe. Dort kann ich beim Golfen in der Natur vom täglichen Stress abschalten.

Must-see Der Schlossberg ist eigentlich ein Klassiker in Graz. Einerseits lädt er zu Spaziergängen auf den zahlreichen Wegen ein und andererseits kann man in den Lokalen am Berg einen Drink bei atemberaubender Aussicht genießen.

Inge Prader, privat, SK Sturm Graz, Christoph Liebentritt, Numavi Records, Radio Soundportal

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Nicht alle Diagonale-BesucherInnen waren zuvor schon mal in Graz. Als Service für alle DebütantInnen haben wir bekannte Töchter und Söhne der Stadt nach ihren Lieblingsplätzen gefragt.

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Inge Prader, privat, SK Sturm Graz, Christoph Liebentritt, Numavi Records, Radio Soundportal

Antonia Fabian Radio-SoundportalModeratorin

Essen

Essen

Bakaliko – die beste Adresse für einen Samstagsbrunch mit griechischen Spezialitäten aus der Levante. Traditionell geht’s danach zum Bauernmarkt am Lendplatz nebenan. Tipp: den hauseigenen Greißler durchstöbern.

Sich einfach mal was gönnen: Die Brötchen bei Delikatessen Frankowitsch sind legendär – wer draußen einen Platz ergattert, ist mitten drin im Grazer Altstadtflair.

Ausgehen Guest Room – die sympathischste Indie-Bar der Stadt, ohne die es unser zweites Album quasi nicht gegeben hätte. Wir dürfen sonst nirgends spontan die DJ-Budl übernehmen. Tipp: An der Bar mit der »Hang Loose«-Geste bestellen und sich überraschen lassen.

Draußen Schlosspark, Schloss Eggenberg – der denkmalgeschützte Park ist ein perfekter Ort für eine ausgedehnte Pause. Tipp: Photo-ops mit den halbwegs zutraulichen Pfauen.

Must-see Eher Must-do: Graz’ größter Charme liegt in der Gelassenheit der Stadt. Die lässt sich am besten bei einem gemütlichen Spaziergang durch die Altstadt erleben. Tipp: Auf einen Kaffee am Franziskanerplatz gehen und sich wie in Italien fühlen.

Numavi Records Indie-Label Essen Ginko – vegetarische / vegane Instanz seit Mitte der 1990er-Jahre Greenhouse – vegane kleine Schwester des Ginko Brandhof – die Steiermark, außabochn Contra Punto – Best Pizza of the Month und Numavi-Records-PlaylistHintergrundrauschen

Ausgehen Sub – die schönste Hütte von Graz Kombüse – Cooks of Grind at your service Ernst Fuchs Bar – Cocktails! Café Wolf – 1931: die erste EspressoBar im Grazer Zentrum, 2017: neu interpretiert als Music Club

Draußen

Ausgehen Eine sichere Bank in Sachen Fort­ gehen während der Diagonale ist die Nightline im P.P.C. Alle, die etwas länger unterwegs sein wollen, sind in der Bar Die Beate, im Café Wolf oder in der Kombüse gut aufgehoben.

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Farewell Dear Ghost Indie-Pop-Band

Draußen Der Stadtpark ist bei Jung und Alt beliebt und ein idealer Ort, um mitten in der Stadt zu entspannen – egal, ob man spazieren gehen, auf der Wiese chillen oder im Parkhouse ein Getränk zu sich nehmen möchte.

Must-see Es mag nicht sonderlich originell klingen, aber ein Ausflug auf den Schlossberg ist absolut empfehlenswert – die Aussicht ist ein Traum und wer etwas Zeit hat, kann am Berg jede Menge historische Bauwerke und verschlungene Wege entdecken.

Kaiser-Josef-Platz und Lendplatz – Standl galore

Must-see Dux Records – Support your local Record-Store-Grantler! Taiga Conceptstore – Dress, Drink, Cut

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Diagonale ohne Film Das Rahmenprogramm Selbst die größten Stans in Sachen Film sehnen sich zwischendurch nach einem Bild, das sich nicht bewegt, Pausen für Austausch und ausgelassene Partys. Auch das Diagonale-Team weiß das natürlich und zimmert dem österreichischen Film wieder einen Rahmen aus Kunst, Diskursprogramm, Konzerten und Partys. Wie dieser Rahmen konkret aussieht, erfahrt ihr in unseren Empfehlungen.

Bernd Oppl. We Have More Than Beds To Dream In Ausstellung in der Kunsthalle Graz

Jennifer Mattes, die für den Diagonale-Trailer 2020 verantwortlich zeichnet, gestaltet in dieser Ausstellung Fundstücke aus Musik, Einrichtungsgegenständen und Film zu Mischwesen verlassener Filmsets. Dabei nutzt sie das Kunsthaus Graz in allen Ecken mittels ihrer Montagetechnik aus. Mattes, die auch als schreibende sowie bildende Künstlerin arbeitet, wurde u. a. mit dem BirgitJürgenssen-Preis ausgezeichnet. Bei »Bars von Atlantis« kann man mit einem unpublizierten Werk von Mattes noch weiter in die Materie sinken. — 20. März bis 19. April Kunsthaus Graz Bars von Atlantis. Shorts and Shots. Versinken mit Jennifer Mattes, Katrin Bucher Trantow u. a. — 28. März, 18 Uhr Kunsthaus Graz

Diskussion & Austausch

Der Künstler Bernd Oppl befasst sich mit Träumen und den Orten, die diese Träume generieren; er formt sie zu dunklen Miniatur-Dioramen. Dabei kommt seine Liebe zu popkulturellen Referenzen nie zu kurz – ob in Form einer bunten Karaokebar in seinem Werk »The Rhythm Of The Night« oder nostalgischer Digitalästhetik in »I Looked Around The Internet«. — 18. bis 29. März Kunsthalle Graz

Diagonale Film Meeting Same Same But Different? – Innovation im österreichischen Film »Innovation« ist seit Jahren ein Buzzwort in diversen Kulturbranchen und wird als Ziel, Maßnahme und Notwendigkeit zugleich verehrt. Der Frage, was Innovation im österreichischen Film überhaupt bedeutet, gehen die TeilnehmerInnen des Diagonale Film Meetings nach. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf dem Thema »Green Filming« – hierzu mehr ab Seite 14. — 25. und 26. März Hotel Wiesler, Salon Frühling

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Fokus Ton Workshop und Diskussion Filmtonmeister William Edouard Franck (u. a. »Nobadi«) hat für den Workshoptag »A Grazer Day Of Sound!« im Rahmen der Diagonale ein praxisorientiertes Diskursprogramm zu Originalton im Film aufgestellt. Als Speakerinnen holt er Simone Galavazi, Patrushkha Mierzwa und Brigitte Taillandier, allesamt internationale Koryphäen der Branche, nach Graz, um einer unterschätzten Kunst den roten Teppich auszurollen. Informationen und Anmeldung unter soundworkshop@diagonale.at. — 29. März Kunstuniversität Graz

Barbara Fohringer & Theresa Ziegler

Anna Vasof, die sich selbst als Künstlerin, Architektin und Experimentierfreundin bezeichnet, setzt sich in ihrer Ausstellung unter anderem mit der allgegenwärtigen Selbstoptimierung unserer heutigen Zeit auseinander. Vordergründig mit charmantem Witz, setzt sie im zweiten Gedanken unerwartet tief an. Konkret kreiert Vasof einfache Maschinen, Apparate und kinetische Objekte, die die Hauptrollen in ihren kurzen Filmen spielen. — 14. März bis 4. April Forum Stadtpark

Jennifer Mattes. Bars von Atlantis Ausstellung im Kunsthaus Graz

Kunst

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Anna Vasof. Happy Birthday Ausstellung im Forum Stadtpark – Werk_10

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Barbara Fohringer & Theresa Ziegler

JOHNOSSI

SUPPORT: LINN KOCH-EMMERY

21.03.20 WIEN, FLEX

Cinema Next Breakfast Club Das späte Frühstück auf der Diagonale Breakfast Club ist eine Veranstaltungsreihe von Cinema Next, der Initiative für junges Kino aus Österreich. Hier treffen Film-Aficionados bei Kaffee und Weckerl aufeinander, um zu diskutieren und sich im gemütlichen Rahmen zu vernetzen. Eröffnet werden die Treffen mit Inputs zu einem bestimmten Branchenthema. Im Rahmen des diesjährigen Diagonale wendet sich das Frühstücksevent an DrehbuchautorInnen (26. März), an JungschauspielerInnen (27. März) und ganz allgemein an alle, die in der Filmbranche überleben wollen (28. März). — 26. bis 28. März, jeweils von 11 bis 13 Uhr Bar 8020

Musik & Partys

FIL BO RIVA

SUPPORT: PROVINZ

22.03.20 WIEN, ARENA

METRONOMY

28.03.20 WIEN, GASOMETER

ZIGGY ALBERTS

SUPPORT: NATHAN BALL

10.04.20 WIEN, WUK

CARIBOU

Listening Session Musik und Sounddesign haben laut Jessica Hausner selbst einen eigenen Charakter in ihren Filmen. Im Rahmen der Retrospektive zum Werk der Regisseurin und Drehbuchautorin wird sie gemeinsam mit Markus Binder – ihrem Ehemann und eine Hälfte der Band Attwenger – Lieblingsmusik, ästhetische Ansichten und persönliche Anekdoten präsentieren. Geplaudert wird unter anderem über die ikonischen Musikvideos, die Hausner für Attwenger gedreht hat. — 26. März, 20 Uhr Forum Stadtpark

SUPPORT: KAITLYN AURELIA SMITH

24.04.20 WIEN, GASOMETER

IAMX

08.05.20 WIEN, SIMMCITY

AUSTRA

Club Diagonale im P.P.C. Viele gute Filme machen Partylaune und so lässt die Diagonale jeden ihrer langen Festivaltage mit einer wohntemperierten Mischung aus Cocktails, DJs und LivePerformances ausklingen. Wo an einem Tag die Rapperin Keke, und an einem anderen der Elektro-Noise-Solo-Act Cherry Sunkist das Mikrofon in die Hand nehmen, legen zwischendrin feinste DJs wie Kristian Davidek, Misonica oder Antonia XM und Amblio (Ashida Park) auf. — 25. bis 27. März P.P.C.

21.05.20 WIEN, WUK

EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN

23.05.20 WIEN, ARENA OPEN AIR

Diagonale Awards Party Es gibt wenig Schöneres als eine gut kuratierte Aftershow-Party. Gut ist sie dann kuratiert, wenn zum Beispiel Dorian Concept und Prcls auf dem Programm stehen und lit Live-Acts wie Kids N Cats sich die Ehre am DJ-Pult geben. International wird das Line-up mit der ugandischen DJ Catu Diosis aus der Nyege Nyege Crew. Glücklich sind da nicht nur die PreisträgerInnen. — 28. März Orpheum

TR/ST

29.05.20 WIEN, GRELLE FORELLE

MICHAEL KIWANUKA

21.07.20 WIEN, ARENA OPEN AIR TICKETS.ARCADIA-LIVE.COM The_Gap_179a_Kern_FIN_mf2.indd 31

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Die Film-Highlights der Diagonale 2020 The Essential Collection

Patrick Vollrath hat mit »Alles wird gut«, für den er eine Oscar-Nominierung erhielt, auf sich aufmerksam gemacht. Da mag es gar nicht mal so verwundern, dass er Joseph Gordon-Levitt als Hauptdarsteller für sein Langfilmdebüt gewinnen konnte. Dieser mimt den Piloten Tobias Ellis, der sich gegen Terroristen wehren muss. Ein Film, der mit reduzierten Mitteln sowie gezieltem Fokus auf Gordon-Levitt besticht und die Message vertritt, dass Gewalt nicht die Antwort auf Gewalt sein darf.

Arash T. Riahi beschäftigte sich bereits in »Ein Augenblick Freiheit« mit dem Schicksal von Menschen auf der Flucht. Diesmal erzählt er, basierend auf einer Geschichte von Monika Helfer, von den Geschwistern Oskar und Lilli, die mit ihrer Mutter in Österreich leben und denen die Abschiebung droht.

Glück gehabt

A Hidden Life Das Leben des österreichischen Landwirts Franz Jägerstätter, der das NS-Regime ablehnte und im Zweiten Weltkrieg den Wehrdienst verweigerte, steht im Fokus von Terrence Malicks aktuellem Film. Bildgewaltig und top besetzt erzählt Malick von Mut und Güte eines Einzelnen.

Peter Payers auf dem Roman »Das Polykrates-Syndrom« basierender Film erzählt die Geschichte des in der Midlife-Crisis steckenden Artur, dessen Leben durch die junge Alice durcheinandergebracht wird. Scheint die Geschichte zuerst einem klassischen Schema zu folgen, bricht der Film nach und nach – und mit einer großen Portion schwarzem Humor – mit Gewohnheiten.

E M F B © 2019 Warner Bros. Entertainment Inc. TM & © DC Comics.

Ein bisschen bleiben wir noch

Barbara Fohringer Luna Filmverleih, Filmladen Filmverleih (2), Wega Film, Prisma Film, Coop99 / The Bureau Essential Films, Thimios Bakatakis

7500

Spielfilm lang

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Was wäre die Diagonale ohne Film? Wir haben uns durch das Programm gewühlt und die Must-sees ausgewählt. The Gap präsentiert einige Highlights aus den Kategorien Spielfilm lang und Dokumentarfilm lang.

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The Lodge

Waren einmal Revoluzzer

Veronika Franz und Severin Fiala konnten mit »Ich seh, ich seh« einen großen IndieErfolg für sich verbuchen, nun geben sich die beiden wieder dem Horrorgenre hin: Ein Vater versucht, seine Kinder bei einem gemeinsamen Ausflug von ihrer zukünftigen Schwiegermutter zu überzeugen. Dabei geschehen unheimliche Dinge.

Zwei befreundete Paare erhalten einen Hilferuf eines Freundes aus Russland. Dessen politisches Engagement hat ihn in Gefahr gebracht; alle wollen helfen. Johanna Moder erzählt in ihrem neuen Film von Freundschaften, die sich verändern, von verschiedenen Arten von Hilfe bzw. Hilfesuchenden sowie von nicht gelebten Idealen.

Jetzt

Jetzt

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EINFACH MEHRSEHEN – FESTIVALFILME BEI HD AUSTRIA © 2019 Warner Bros. Entertainment Inc. TM & © DC Comics.

Prisma Film, Coop99 / The Bureau Essential Films, Thimios Bakatakis

Little Joe Der Regisseurin und Drehbuchautorin Jessica Hausner ist auf der diesjährigen Diagonale die Retrospektive »Zur Person« gewidmet – ein guter Grund also, um ihren aktuellen Film zu sehen. »Little Joe« erzählt in perfekt stilisierten Bildern von einer glücklich machenden Pflanze und von unserem permanenten Streben nach Glück.

Ab 9.4.

Ab 10.4.

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Elfie Semotan, Photographer

Robin’s Hood

Space Dogs

Die bedeutende Fotografin bewegt sich in ihren Arbeiten stets zwischen Kunst-, Mode- und Werbefotografie. Joerg Burger gibt ihr in seiner neuen Doku Raum, um über ihr Leben und ihre Kunst zu sinnieren. Zugleich ist der Film auch ein Essay über die Fotografie an sich.

Jasmin Baumgartner, die sich bisher mit den Kurzfilmen »I See A Darkness« und »Unmensch« sowie Musikvideos für Wanda (»Columbo«, »Ciao Baby«) einen Namen machte, begleitet Robin, den Präsidenten eines Wiener Fußballvereins. Ein Film über einen Mann, der sich kein Blatt vor den Mund nimmt, sowie zugleich ein Lehrstück über Zivilcourage.

Konsequent aus der Sicht der Hunde erzählen die beiden FilmemacherInnen Elsa Kremser und Levin Peter die Geschichte von Laika, jener Moskauer Straßenhündin, die im Rahmen eines sowjetischen Raumfahrtprogramms ins All geschossen wurde. Der Film ist nicht nur aus einer historischen Perspektive interessant, sondern eröffnet auch Diskurse über die Domestizierung von Tieren.

Heimat ist ein Raum aus Zeit

Jetzt oder morgen Lisa Webers bereits im Rahmen der Berlinale gezeigte Doku begleitet eine Frau auf der Flucht vor Verantwortung. Ihre Protagonistin wurde mit 15 Mutter und sieht ihren Sohn Daniel als Grund dafür, bis heute keine Ausbildung abgeschlossen zu haben. Wir sehen die Kämpfe mit ihrer eigenen Angst und die kleinen Schritte, die jeder Mensch auf seinem Weg gehen muss.

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Der schönste Platz auf Erden Im Eröffnungsfilm fokussiert Elke Groen auf den Ort Pinkafeld, bekannt als Heimatgemeinde des FPÖ-Politikers Norbert Hofer – und als sozialdemokratisch. Sie trifft auf Einheimische und legt in Gesprächen mit ihnen deren Verständnis von Heimat und Zusammenhalt offen.

This Land Is My Land Susanne Brandstätter beleuchtet die USA unter Trump und setzt sich mit dem Thema Wahrheit im 21. Jahrhundert auseinander. Die in Los Angeles geborene und in Österreich lebende Regisseurin interessiert sich für Auseinandersetzungen und stellt die Frage, wie und ob Zusammenleben und Übereinkünfte funktionieren können.

Barbara Fohringer Ulrich Seidl Filmproduktion, Filmgarten, Polyfilm, Golden Girls Film / Elke Groen, Filmdelights, Olga Kosanovic, Raumzeitfilm

Der Dokumentarfilmemacher, Autor und Theaterregisseur Thomas Heise setzt sich nicht nur mit seiner Familiengeschichte auseinander, sondern er erzählt zugleich eine Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert. Der Film wurde in Stuttgart mit dem Hauptpreis des Deutschen Dokumentarfilmpreises ausgezeichnet.

Dokumentarfilm lang

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Die Diagonale 2020 findet von 24. bis 29. März in Graz statt. Sämtliche Detailinfos sind unter www.diagonale.at zu finden.

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Diagonale’20 Festival des österreichischen Films

Graz, 24.—29. März 2020 diagonale.at

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