The Gap 180 – Schwerpunktausgabe: AustroTOP – Die 100 wichtigsten österreichischen Popsongs

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AustroTOP

Die 100 wichtigsten österreichischen Popsongs

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N° 180

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AUSGABE APRIL / MAI 2020 — THE GAP IST KOSTENLOS UND ERSCHEINT ZWEIMONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1052 WIEN, P.B.B. | MZ 18Z041505 M


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Editorial Listenspaß für alle

Alexia Fin

Es ist ein gewisser Schmunzelmoment, wenn auf der Spitze der To-do-Liste die Erstellung einer massiven, anderen Liste steht. Für dieses Vorhaben planten wir – nach einiger Vorarbeit – als fünfköpfige Taskforce eine wochenendlange Klausur, innerhalb derer wir uns auf die ultimativen Top 100 der wichtigsten österreichischen Popsongs festlegen wollten. Ein physischer Ausflug wurde es dann nicht, jedoch musikalisch trotzdem ein ausgiebiges Getaway. Und da wir uns in ausgesprochen besonderen Zeiten befinden – der Versuch einer neutralen Formulierung –, haben wir die Produktion regulärer Ausgaben von The Gap verschoben und dieser Liste eine eigene, kleinere Ausgabe gewidmet. Eine Liste ist ja etwas eher Exklusives, ein Club, in den nur Leute reinkommen, die draufstehen. Zu entscheiden, wer auf der Gästeliste der Musikgeschichte steht, ist keine leichte Aufgabe. Klar gibt es da die offensichtlichen KandidatInnen, und man kann sich auf ein möglichst demokratisches Verfahren einigen (siehe Seite 4). Das, was die weitaus komplizierteren Fragen aufwirft, sind die Problemfälle und die Unterschätzten. Das ewige Dilemma: Gibt man Erlebtem ein Dokument oder schreibt man Geschichte mit heutigem Wissen neu? Die Beurteilung von Relevanz und Einfluss popkultureller Produkte ist wesentlich einfacher, wenn wir ihren Aufstieg und Fall selbst miterlebt haben. Wer sich bewusst machen will, wie gesellschaftliche Strukturen die Geschichtsschreibung beeinflussen, sieht sich an, was aus entfernteren Dekaden übrigbleibt. Wie viele Frauen haben in den 1950ern in Österreich Musik gemacht und keinen Plattenvertrag bekommen? Welche musikalischen Experimente sind früher ohne passendes Publikum verschwunden, statt als neuer Hype aufzugehen? Welche queeren Artists wurden damals in Wien und den Bundesländern ausgebuht, wenn sie andernorts vielleicht gefeiert worden wären? Das sind keine neuen Überlegungen, uns allen ist die Verklärung der Vergangenheit seitens der Deutungsmächtigen unserer Gesellschaft bewusst. Beim Erstellen dieser Liste haben wir aber direkt gesehen, wie dünn das überlieferte Wissen außerhalb des konventionellen, kollektiven Archivs wird, je weiter man in die Anfangszeit moderner Popmusik geht. In Zukunft schreiben wir Geschichte gemeinsam anders, okay?

Theresa Ziegler

Chefredakteurin • ziegler@thegap.at @raverresi

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Web www.thegap.at Facebook www.facebook.com / thegapmagazin Twitter @the_gap Instagram thegapmag Issuu the_gap

Herausgeber Manuel Fronhofer, Thomas Heher Chefredaktion Theresa Ziegler Leitender Redakteur Manfred Gram Gestaltung Markus Raffetseder AutorInnen dieser Ausgabe Astrid Exner, Manuel Fronhofer, Stefan Niederwieser, Dominik Oswald, Theresa Ziegler KolumnistInnen Astrid Exner, Manuel Fronhofer, Josef Jöchl, Gabriel Roland, Theresa Ziegler Lektorat Jana Wachtmann Coverfoto © 2020 Twentieth Century Fox Film Corporation Anzeigenverkauf Herwig Bauer, Manuel Fronhofer, Sarah Gerstmayer (Leitung), Thomas Heher, Martin Mühl Distribution Wolfgang Grob Druck Grafički Zavod Hrvatske d. o. o. Mičevečka ulica 7, 10000 Zagreb, Kroatien Geschäftsführung Thomas Heher Produktion & Medieninhaberin Comrades GmbH, Stauraczgasse 10/4, 1050 Wien Kontakt The Gap c/o Comrades GmbH Stauraczgasse 10/4, 1050 Wien office@thegap.at — www.thegap.at Bankverbindung Comrades GmbH, Raiffeisen Bank, IBAN: AT67 3200 0000 1160 0756, BIC: RLNWATWW Abonnement 6 Ausgaben; Euro 21,— (aktuell: Euro 9,90) www.thegap.at/abo Heftpreis Euro 0,— Erscheinungsweise 6 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1052 Wien Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz www.thegap.at/impressum Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der HerausgeberInnen wieder. Für den Inhalt von Inseraten haftet ausschließlich der Inserent / die Inserentin. Für unaufgefordert zugesandtes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung.

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AustroTOP Die 100 wichtigsten österreichischen Popsongs

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50 Jahre läutet Marianne Mendts Glock’n nun schon 24 Stunden am Tag. Circa 438.000 Stunden sind das hochgerechnet bis heute. Gefühlt genauso viele Songs sind seither in Österreich geschrieben und produziert worden. Österreichischer Pop hat viele Gesichter und Geschichten – wie entscheidet man, welche die wichtigsten sind?

Obwohl wir in einem der kleineren Musikländer der Welt leben, sieht der heimische Pop selbst hier unter der Lupe riesig aus. Da gibt es die Handvoll kommerziell Erfolgreichen und die, die wesentlich mehr Aufmerksamkeit verdient hätten. Die Nischenphänomene, die GigantInnen, und die, die auf ihren Schultern stehen. Musik und ihren Einfluss auf die popkulturelle Geschichtsschreibung zu quantifizieren, ist schwierig, aber hie und da sehr notwendig, um mitzudefinieren, was von Epochen übrigbleibt. Wie wollen wir österreichischen Pop in all seinen Facetten in Erinnerung halten? Genau da stellt sich gleich die nächste Frage: Was soll diese Liste überhaupt abbilden? Zunächst mussten wir uns einigen, welches Adjektiv zum Konzept werden soll – die besten, die wichtigsten, die relevantesten? Jede dieser Listen hätte anders ausgesehen. Was vor euch liegt, ist der Versuch, nach Wichtigkeit zu nominieren. Songs, die Bewegungen ausgelöst, andere inspiriert oder sich als einzigartige, singuläre Erscheinung einen Platz in unserer kollektiven Erinnerung erkämpft haben. »Wichtig« sind in unseren Augen also nicht nur Falco und Marianne Mendt, sondern auch die »Krocha Hymne« oder »One To Make Her Happy«. Und weil wir auf der richtigen Seite der Geschichte stehen, gilt für den Begriff »österreichische Popmusik« nicht der Pass, sondern der Lebensmittelpunkt der KünstlerInnen. Aber wer hat das alles entschieden? Nach ausgiebiger Vorarbeit diverser Beteiligter (ein »Danke« an dieser Stelle an Amira Ben Saoud, Max Zeller und Wolfgang Grob) begab sich unsere Arbeitsgruppe Austropop – bestehend aus Astrid Exner, Manuel Fronhofer, Stefan

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Niederwieser, Dominik Oswald und Theresa Ziegler – auf eine Social-Distancing-Klausur. Ein Aufenthalt in der Cselley Mühle – einem Ort, der ähnlich iconic ist, wie es die Songs auf dieser Liste sind – war der ursprüngliche Plan, der durch den ersten Corona-bedingten Erlass durchkreuzt wurde. Reiseverkehr war zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingeschränkt, doch Dominik gab im Gruppenchat zu Bedenken: »Findet ihr wirklich, dass wir fahren sollten? Irgendwie klingt das alles wie ein Plot zu einem Horrorfilm: Fünf Bekannte fahren aufs Land und eine Pandemie bricht aus … Und am Ende bleibt nur einer übrig.« Und der Beschluss war gefasst, dass wir am kommenden Wochenende insgesamt 16 Stunden videofonieren werden. Apropos Film: Eigentlich bedarf das Cover dieser Ausgabe keiner weiteren Erklärung – »The Sound Of Music« kämpft mit Falco und Mozart stets um den Titel des international wichtigsten Emblems österreichischer Popkultur. Die Memoiren der Salzburgerin Maria von Trapp wurden zuerst für ein BroadwayStück und danach für einen starbesetzten Film adaptiert, der damals den einen oder anderen Rekord brach – eine Zeit lang galt er sogar als umsatzstärkster Hollywood-Film aller Zeiten. Julie Andrews’ Tanz auf der Bergwiese wurde Jahrzehnte später zu einem der ersten Internet-Memes. »Look at all the fucks I give«, lautete die häufigste Caption. Somit überbrückt »The Sound Of Music« sinnbildlich für alles, was in Österreich dazwischen passiert ist, die Dekaden des Pop. Falls du beim Lesen einen »fuck« zu geben hast, freuen wir uns über Reaktionen und Diskussionen zur nachfolgenden Liste.

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Falco Der Kommissar (1981) Wie ein Schmuckeremit steht Falcos Karriere im Garten der österreichischen Musikgeschichte. Beispiellos und doch ein Phänomen seiner Zeit. Der Bub aus Wien-Margareten, der sich selbst bis zum Weltstar instrumentalisiert. Eine Erscheinung. Das Märchen beginnt, als Johann Hölzel mit »Ganz Wien« seine Hausaufgaben macht und damit die Gelegenheit nutzt, aus dem Scheinwerferlicht seiner BandkollegInnen von Drahdiwaberl zu treten, und prompt von der Musikindustrie entdeckt wird. Robert Ponger spielt dem jungen Hansi vor, was er ursprünglich für Reinhold Bilgeri komponierte – es soll später das ikonische Instrumental von »Der Kommissar« werden. Die Liste an weit auseinander liegenden, und doch besonders persönlichen Elementen, die Falco und sein neuer Produzentenfreund in einen Song packen, ist lang. Ein Kinderlied (»Der Plumpsack geht um«), Drogen-Code, einen heftigen Basslauf, drei Sprachen. Die Bricolage wird mit einer Randnotiz aus Falcos Lebensereignissen titelgebend vervollständigt: Hans Hölzel soll in der elften Folge von »Kottan ermittelt« als Statist mitgespielt haben. Falco ist schließlich nach Kraftwerk der zweite, der sich mit einem deutschsprachigen Song in den US-Charts platziert. »Der Kommissar« entwickelt sich zum internationalen Club-Hit und gilt – seit jeher ohne größere Einwände – als das erste kommerziell erfolgreiche Rap-Stück eines Weißen. Dem Vorwurf, es könnte sich dabei um Cultural Appropriation handeln, musste sich der disruptive Falco nie stellen. Welche ungeahnten Höhen und Tiefen seine Karriere ab seinem Debütalbum »Einzelhaft« nehmen wird, ist dem jungen Bassisten ebenso wenig bewusst. (tz)

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Bilderbuch Maschin (2013) Frühsommer 2019: Vor dem Schloss Schönbrunn ist die Hölle los, denn Bilderbuch haben zur Audienz geladen. Es ist der bisherige Höhepunkt ihrer Karriere. An zwei aufeinanderfolgenden Abenden wohnen knapp 30.000 Menschen dem Open-Air-Spektakel bei; der Triumph ist komplett. Was für Gitarristen Michael Krammer das Solo ist, bei dem er sein Instrument verkehrt herum schultert und blind spielt, ist für Sänger Maurice Ernst der knallgelbe Rennfahrerhandschuh. Er hält ihn demonstrativ ins Scheinwerferlicht – und alle wissen, was jetzt kommt. »Maschiiiiin«. Was Bilderbuch in ihrer Frühphase in den Äther schickten, war natürlich auch nicht schlecht. Quirliger FM4-Indie führte zu Achtungserfolgen der ehemaligen Klosterschüler aus Kremsmünster, die Teil einer lebendigen oberösterreichischen Szene waren. Diese versammelte sich, zum Studieren nach Wien gezogen, rund um die Agentur Ink Music und bei langen Nächten im B72. An Slow Jams wie »Venezianischer Spiegel« lässt sich schon erahnen, welches Potenzial in der Band steckt. Dann färbt die Oma dem Frontmann Maurice die Haare blond und – vroom vroom – Bilderbuch steigen aufs Gaspedal. Von Kanye West lässt sich die Band nicht nur musikalisch inspirieren, sie schneidet sich auch eine gesunde Portion Größenwahn ab. Ein gelber Lamborghini Diablo ist der fetischisierte Star des Musikvideos. Das dazugehörige Album »Schick Schock« erreicht Platin. An »Maschin« führt seither kein Weg vorbei. Ja: Ohne »Maschin« gäbe es diese Liste nicht. (ae)

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Soap & Skin Mr. Gaunt Pt. 1000 (2006) Nicht einmal ein spärliches Knistern der Schaltkreise verbindet »Mr. Gaunt Pt. 1000« mit dem stark elektronisch geprägten Umfeld, in dem es in die Welt geschickt wurde. Einfach nur dieses Klavier, eine zarte Stimme und dezente Streicher – mehr ist da nicht. Als Teil der MiniCompilation »Shitkatapult empfiehlt!« (u. a. mit Apparat und T.Raumschmiere) sticht es allein schon deshalb deutlich hervor. In seiner schüchternen, neoklassischen Schönheit war es – von einer MySpace-Präsenz abgesehen – das erste öffentliche Auftreten von Soap & Skin, die damals, als 16-Jährige, schnell als »Wunderkind« von euphorischer Rezension zu euphorischer Rezension gereicht wurde. Ein Versprechen für die Zukunft, das auch eingelöst werden sollte. Drei Jahre später, anlässlich ihres Debütalbums »Lovetune For Vacuum«, zierte sie folgerichtig nicht nur das Titelblatt unserer bescheidenen Postille. Wobei sich Anja Plaschg (geboren 1989, aufgewachsen in der Südsteiermark, erste Kompositionen mit 14) mit der großen Aufmerksamkeit nicht leichttat: wenn überhaupt, dann eher wortkarge Interviews, steile Vorgaben für KonzertveranstalterInnen, das potenziell ungesunde, wenn auch nachvollziehbare Bemühen, jeden Aspekt von Soap & Skin selbst im Griff zu haben. Die Musik dabei stets voller Ausdruck und Schmerz. Finstere, eigensinnige Elegien über die Wunden, die das Leben einem schlägt. Und eine Rückzugsmöglichkeit. Mal gespenstische, mal aufgekratzte Klavierklänge, ein Schreien, ein Hauchen, Laptop­gefrickel, Bläser, Streicher und Orgeln – intensiv und dramatisch gut. Dass eine Versöhnung mit der Welt möglich ist, bewies zuletzt u. a. eine Coverversion: »What A Wonderful World«. (mf )

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Wolfgang Ambros Da Hofa (1972) Dieses Ganze da, dieses Austropop-Dings, die »Dialektwelle«, die bis in die hintersten Haushalte der Republik ausstrahlte, hat nicht etwa an den Konservatorien begonnen, oder an den Musikoder Dichterschulen. So richtig losgegangen ist eigentlich alles auf der Graphischen. Dort lernen sich der Ambros und der Prokopetz kennen, zwei 18-jährige Taugenichtse, häufig herumlungernd, irgendwo zwischen Theseustempel und Ottakringer Friedhof, der eine eher schrammelnd, der andere eher poetisierend. Eines kommt zum anderen, eine sturmfreie Bude und 20 klimpernde Minuten später, ein paar Auftritte hier und da, ein harterkämpfter Plattendeal und dann war es also da, dieses große Ding: Manche sagen, der »Hofa« war der endgültige Beweis, dass man auch in Wien gescheite Musik machen kann, andere wiederum, und zwar gleich mehrere, es sei die Geburtsstunde des Austropop. Acht Wochen auf Platz 1 in den Ö3-Hörercharts, ein Riesenerfolg, die Sänger und Schreiber von jetzt auf gleich weltberühmt in Österreich. Und das Arge ist ja, wir können jetzt zwar sagen: »ja, wichtig!«; aber wir können auch sagen: »ja, auch wahnsinnig gut!«. Das Lied hat dieses Etwas, das es braucht, um halt auch als Urknall einer Sache gelten zu können, mit dem die Leute was anfangen können; einen Blick in ihre Seele. Und in der ist ja nichts so tief drinnen wie das Vernadernde, da Hinterrückse, die Feindseligkeit seinem NachbarInnen gegenüber. Es ist ein Lied über das einzig Omnipräsente in dieser tausendjährigen Stadt. (do)

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Ja Panik DMD KIU LIDT (2011) Das Flex des Burgenländers ist einerseits die Cselley Mühle in Oslip und andererseits das Bergwerk in Neusiedl. Beide sind auch wichtige Stationen für die 2001 gegründete Band Flashbax, aus der Ja, Panik hervorgehen sollte. »Und ja, Panik treibt mich, whatever gets you through the night, it’s alright.« Durch die Nacht kommen Andreas Spechtl und seine Mitstreiter im Bergwerk und später im Flex an der Garderobe, ehe sie aus dem Land der Sonne mit einer Zwischenstation im Taschenmesser Wien in die noch größere Stadt auswandern, um in der Berliner Stralauer Allee eine WG zu gründen. Dort schmeckt das Heroin auch nicht anders als am Schottentor. Sie werden in Deutschland mit Fanfaren empfangen – die Spex bezeichnet das noch in Wien entstandene »The Taste And The Money« als die wichtigste deutschsprachige Platte seit Blumfeld und hat damit völlig recht. Wobei das mit der Deutschsprachigkeit so eine Sache ist, denn das Markenzeichen von Spechtl ist die wilde Mischung von deutschen und englischen Textfragmenten. Frankfurter Schule und Hamburger Schule finden hier zusammen, der abgenudelte Begriff Diskurspop bietet sich dafür an. Der Hedonismus im Frühwerk weicht bald allumfassender Melancholie. 2009 spielen Ja, Panik ein Konzert vor der besetzten Uni Wien, ein Jahr später spielen sie am Donaufestival eben kein Konzert, sondern performen den Auf- und Abbau ihres Equipments. Die konzeptionelle Entwicklung kulminiert im epochalen, 14-minütigen, diese Band definierenden Titelstück des gleichnamigen Albums »DMD KIU LIDT«: »Die Manifestation des Kapitalismus in unserem Leben ist die Traurigkeit.« (ae)

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Videostream Wir öffnen unser Archiv und zeigen Konzert-Highlights aus den vergangenen zwei Jahren im Videostream:

radiokulturhaus.ORF.at

MO – FR

GARISH

AB 20:00

UHR

ALICIA EDELWEISS & KATIE TRENK

WIENER BLOND RAPPER LESEN RAPPER

ANDREAS SPECHTL & FAUNA ...

ORF. WIE WIR.

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Udo Jürgens Griechischer Wein (1974)

Marianne Mendt Wie a Glock’n … (1970)

Immer wieder fragt man sich, wie Menschen zu Bett gehen, wenn sie wissen, sie haben heute einen Wahnsinns-Hit geschrieben. In Urlaubsstimmung auf Rhodos fällt Udo Jürgens – so geht die Mär – die Melodie zu »Griechischer Wein« ein. Er weiß sofort: Das wird was Großes. Zurück im Studio muss ein passender Text her. Den jungen Kärntner und seinen Texter Michael Kunze beschäftigen wie so viele zu dieser Zeit die Thematik der GastarbeiterInnen, die seit den 1950er-Jahren in den deutschsprachigen Raum migrierten. Als Sohn deutscher Eltern, der Vater in jungen Jahren aus Moskau geflohen, hat Udo Jürgens selbst nur bedingt Migrationshintergrund. Für seine neue Melodie wählt er Griechenland als Pars pro Toto für das Gefühl des Misplacement von EinwanderInnen, mit dem sich Jürgens solidarisch zeigt. Es folgen unzählige Wochen an der Spitze der deutschen Charts und eine massive Alman-TourismusWelle an den griechischen Inseln. Eine subversive, politische Hymne, die bis heute von der Mehrheit der Menschen missverstanden wird. (tz)

»Die wahre Seele des Wieners liegt in Kaisermühlen.« So oder so ähnlich hätte man es in der Kultserie der 1990er sagen können, als man dem Stadtteil im Zwarazwanzigsten ein schlichtes »Blues« hintanstellte. »Blues« ist natürlich Quatsch, den Bogen zur Seele der Schimek Gitti kriegt man leichter gespannt: Es ist schon eine Wohltat, dass eine der ersten echten Austropop-Nummern, die dann tatsächlich auch so hieß, ein hinreißendes Stück Soul ist; heute würde man dazu Northern Soul sagen. Tighte Bläser, gestampfter Beat und eine Dynamik zwischen Eng- und Ausdruckstanz. Überraschenderweise haben – und da muss man halt schon auch sagen, dass alles irgendwie zusammenhängt, Vergangenheit und damalige Gegenwart, ein Wahnsinn – die Nummer der Bronner Gerhard und der eigentliche Jazzer Salomon Hans von der ORF Big Band geschrieben. Verdient hat die Marianne Mendt, die für den Song vom Wolfgang Ambros auch die Zuschreibung »Mutter des Austropop« umgehängt bekommen hat, erst Jahre später was damit. Es sei ihr alles vergönnt. (do)

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Kruder & Dorfmeister High Noon (1993) Sie machen den DJ-Mix zur Kunstform, sie machen den Remix zur Kunstform, sie geben elektronischer Musik ein Gesicht und einen Schmäh, sie bringen Wien auf die Landkarte und gehören zu der einen Handvoll Weltstars populärer Musik aus Österreich. Mozart miteingerechnet. Kruder & Dorfmeister werden vor allem mit ihren »K&D Sessions« noch viel erfolgreicher bis man schließlich Kaffeehäuser, Architekturstudentenwohngemeinschaften und Boutiquen en passant verflucht, weil sie Kruder & Dorfmeister in Dauerschleife spielen. Madonna und Depeche Mode wollen Remixe, und bekommen einen. David Bowie und Sade auch, und bekommen keinen. Einige Jahre zuvor, als der Kalte Krieg vorüber ist, entwerfen Kruder & Dorfmeister in der Wiener Grundsteingasse mit zwei Akai-Samplern, einem Roland Bandecho und tiefen Plattenkisten den Sound zur Zeitenwende. Auf »High Noon« werden Dub, Rare Grooves, Jazz und Hip-Hop nahtlos ineinander collagiert, zu einem zarten Hauch von Nichts verwoben, zur ideologisch neutralen Blaupause, letztlich zur Wiedergeburt von Cool. (sn)

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Conchita Wurst Rise Like A Phoenix (2014) Österreich ist kein Eurovision-Land. Der Zug zum Tor, den »Schas« zu gewinnen, hat nach Udo Jürgens’ dreimaliger Teilnahme keine Struktur bekommen. Bis Conchita kam. Eigentlich hätte laut Eurovision-Wettbüros erst eine armenische, später eine schwedische Ballade gewinnen sollen. Österreichs Balladenbeitrag lag bis zum Semifinale statistisch im erwarteten Mittelfeld. Bis heute hält sich die Frage: War es Conchitas glasklare Performance? Oder war es das plötzliche Bedürfnis der Fans, nach Jahren der eher gesellschaftsunkritischen ersten Plätze wieder einen politisch relevanteren Beitrag als SiegerIn zu küren? In jedem Fall war Conchitas »Phoenix« mit Abstand der EurovisionGewinn der 2010er, der in Europa am meisten Diskurs ausgelöst hat. Eurovision-Alumni wurden aufgrund ihrer eklatanten Homophobie geshitstormt (Bye, Dima Bilan!), die Parodien, die Ampeln, die steigende Zahl an Dragqueens mit Bart etc. Ein Song, der komplett aus der Zeit gefallen und musikalisch in keiner Weise repräsentativ für das Jahr 2014 war, war jedoch genau das, worauf viele gewartet hatten. (tz)

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Der Legende nach werden Wanda von Laura Landergott entdeckt, die mit Voodoo Jürgens bei den Eternias und in Berlin bei Ja, Panik aktiv ist. Sie stellt die Band dem Nino-aus-Wien-Manager Stefan Redelsteiner vor. Aus denen wird was! Auf die immense Strahlkraft von »Bologna« ist trotzdem niemand vorbereitet. Die Venue-BookerInnen kleinerer Hallen freuen sich einen Haxen aus. Wanda müssen um lächerliche, vor Monaten fixierte 200 Euro Gage restlos ausverkaufte Gigs spielen, obwohl ihr Marktwert ins Unermessliche gestiegen ist. Die Band pflegt das Strizzi-Image so gut wie die Velourslederjacke. Das Publikum dankt es mit verschwitzten Amore-Bekundungen. Fürs zweite Album wechselt das Quintett zum Majorlabel Universal und denkt sich einen total lustigen Marketingplan aus, der einen Musikvideo-Auftritt vom deutschen Postergirl des Antifeminismus, Ronja von Rönne, vorsieht. Enttäuschte HörerInnen wenden sich ab, dafür kommt Fan-Nachschub aus dem Bierzelt. Dort hat ein bisschen Objektivierung von Frauen noch nie geschadet. »Bologna« hat 13,5 Millionen Youtube-Views. (ae)

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Gustav We Shall Overcome (2004)

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Wanda Bologna (2014)

Schon das anfängliche Wummern und Zwitschern des Laptops hat etwas Erhebendes. Wenn Gustav dann mit »Dear fellow citizens« zur gnadenlosen Analyse der gesellschaftspolitischen Verhältnisse, aber vor allem zur ungebrochenen Durchhalteparole anhebt, beginnen sich die ersten feinen Armhärchen der Schwerkraft zu widersetzen. Und spätestens beim Refrain – ein vielstimmiger Chor, der zärtlich »We shall overcome one day« schmettert – sollte es um jeden Menschen mit Hirn und Herz geschehen sein. Das gleichnamige Protestlied (in der bekanntesten Version von Joan Baez) gilt als Schlüsselsong der US-Bürgerrechtsbewegung. Eva Jantschitschs Hymne ließe sich eine ähnliche Bedeutung für den Widerstand gegen Schwarz-Blau attestieren, wobei sich die zutiefst politische Künstlerin, deren musikalisches Spektrum beim hintergründigen Chanson beginnt und bei beseelten Elektronikfrickeleien noch lange nicht aufhört, gegen Vereinnahmungsversuche und Verwertungslogiken noch immer zu wehren wusste. 2005 etwa quittierte sie ihre Auszeichnung bei den Amadeus Awards mit einem Tocotronic-Zitat: »Aber hier leben, nein danke!« (mf )

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Electric Indigo Wolkenkratzer (1993) »Wolkenkratzer« ist kein legendärer Track. Er war auf keinen Listen der New York Times oder des Billboard Magazine, er hat Acid Techno nicht erfunden und hat auch keine neue Epoche eingeläutet, es ist nicht der erste Release auf dem illustren Münchner Label Disko B, sondern Nummer zehn. Aber! »Wolkenkratzer« ist der Boden für das, was danach kommt. Electric Indigo ist frisch nach Berlin gezogen, sie wird beim Plattenladen Hard Wax verantwortlich für den Einkauf, lernt dort DJ Hell kennen, der den Track auf der anderen Seite dieser Single beisteuert. Drei Jahre später geht sie wieder nach Wien, gründet ein eigenes Label, gründet 1998 schließlich Female:Pressure, ein Netzwerk, das unschätzbare Arbeit leistet für die Sichtbarkeit von Musikerinnen. Und langsam scheint all das Früchte zu tragen, man redet über Chancengleichheit, ökonomische Gleichstellung und versteht Musik nicht nur als Spiegel, sondern auch als Katalysator der Gesellschaft. »Wolkenkratzer« ist also wohl doch ein legendärer Track. (sn)

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Fennesz Caecilia (2001) Wenn Androiden schlafen, träumen sie von dieser Musik. Nach Fennesz klingt die elektronische Avantgarde nicht mehr wie vorher. In den 90ern noch bringt der Wiener Synthesizer zum Absturz, er produziert Fehlermusik, während blasse junge Männer auf der ganzen Welt in lauten, kleinen Lokalen das hörbar machen, was klingen kann. Zwischen Sinuswelle und weißem Rauschen wird mit den endlosen Möglichkeiten eines Laptops alles zur Musik. Das Album »Endless Summer« macht ein neues Kapitel auf, es gilt als Meisterwerk. Musik wird ein unerhört weites Land. Sie surrt, scheuert und scheppert, sie flirrt und flimmert, sie ist eine Gitarre, ein Glitch, ein Vibraphone, ein Rausch, ein Puls und auch die Ahnung einer Harmonie. Sie ist Sound, Textur und Gefühl. Fennesz entdeckt die Seele im Prozessor, und ganz nebenbei erweitert er das Repertoire Absoluter Musik, also dessen, was früher als reine, absolute Tonkunst bezeichnet wurde. »Caecilia« ist dabei nicht nur der Name der Schutzpatronin der Kirchenmusik, Caecilia heißt auch die Tochter von Christian Fennesz. (sn)

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Rainhard Fendrich Strada del Sole (1981) Oh bella Italia! Das Land im Süden, wo die Liebe groß, die Sonne immer heiß und das Gelato immer kalt ist, gilt seit jeher als das große Sehnsuchtsland des kleinen Österreichers. Hinlänglich wurde es besungen – vom »Capri Fischer« bis hin zur »Melancholie« der Bambis –, und überhaupt: Urlaub und Fernweh, das sind alte Bekannte im österreichischen Pop. Weißt eh, ein Klassiker: Man will immer dort sein, wo man gerade nicht ist. Außer natürlich der Rainhard Fendrich, der gleich einmal mit seiner erst zweiten Single eine echte Pionierleistung schafft, den AntiUrlaubs-Song als Genre etabliert, mit den molto potente Macho Machos am Stiefel abrechnet und sich zu einem gar famosen Text aufschwingt, Zeilen für die Ewigkeit schreibt, ein Sprachgefühl, wie es nur wenige aufs Notenblatt picken können. »Er wollte amore mit bella ragazza / auf sentimentale und auf da Matratza«, heißt es da. Ganz ehrlich: Das sind Zeilen, mit denen man selbst am liebsten auf sentimentale machen will. Tutto bene. (do)

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Anton Karas Harry-Lime-Thema / Der dritte Mann (1949) Wer schon einmal am Karlsplatz war, hat die fetten roten Buchstaben gesehen, die auf die »3. Mann Tour« hinweisen. Die stets ausgebuchte Exkursion in die Wiener Kanalisation gäbe es nicht, hätte nicht der britische Regisseur Carol Reed nach einem Drehbuch von Graham Greene das besetzte Wien der Nachkriegszeit in einem Schwarzweiß-Krimi festgehalten – Verfolgungsjagd im Untergrund inklusive. »Der dritte Mann« ist neben »The Sound Of Music« das wohl prägendste filmische Produkt für die Außenwahrnehmung dieses Landes. So prägend, dass das Burg Kino den Film noch immer mehrmals wöchentlich zeigt. Was ihm das besondere Flair gibt, ist allerdings nicht die schauspielerische Leistung Orson Welles’ oder die hochgelobten schrägen Kameraeinstellungen, sondern die von Anton Karas gespielte Zither. Reed entdeckte den Heurigenmusiker, nahm ihn mit nach London und ließ ihn dort die nun ikonische Filmmusik komponieren. Lange vor Falco war Karas damit der erste Österreicher auf Platz 1 der US-Charts. Und zwar ganze elf Wochen lang. (ae)

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Falco Rock Me Amadeus (1985)

Attwenger Kaklakariada (2002)

Rosée Sisters Du schenkst mir Rosen (1966)

Nach seinem zweiten und musikalisch wohl ganzheitlichsten Album »Junge Römer« trennte sich Falco vorerst von Robert Ponger. Das nächste Level an Stardom soll her, und somit auch internationale Produzenten. Die Niederländer Ferdi und Rob Bolland, die unter anderem »In The Army Now« an Status Quo verkaufen, scheinen genau die Richtigen zu sein. »Falco III« wird larger than life – nicht nur wegen der bis heute unerreichten deutschsprachigen Doppel-Eins in den UK- und den US-Charts von »Rock Me Amadeus«. (tz)

Man könnte bei Attwenger von der gelungenen Rekontextualisierung traditioneller Musiken schwadronieren, vom Aufeinandertreffen von Folklore und Moderne, Regionalität und Grenzenlosigkeit, von Mundarttexten, Dada, Witz und Scharfsinn, von Hip-Hop, Punk, Blues, Techno und Dub, vom Groove und – natürlich – von der Quetschn. Hauptsache, man übersieht dabei nicht, dass das Linzer Duo auch Spitzensongs schreibt. »Kaklakariada« ist so einer und noch dazu eines der dringlichsten gesellschaftspolitischen Statements der österreichischen Musikgeschichte. (mf )

Die nachgewiesen erste österreichische »Damenkapelle« (Zitat: Bild-Zeitung), welche ihre Instrumente auch selbst spielte, war auch dank geschicktem Kokettieren mit diesem Othering eine der meistgebuchten Bands der 1960er-Jahre. Ihre einzige Veröffentlichung ist nicht nur ein einzigartiges Tondokument – immerhin erschien sie beim deutschen Major Polydor –, sondern auch ein Mahnmal für patriarchale Bevormundung: Entgegen den Live-Gewohnheiten wurden die Instrumente von Männern eingespielt. (do)

Der Nino aus Wien Du Oasch (2009)

Peter Alexander Hier ist ein Mensch (1970)

Opus Live Is Life (1984)

Vom Hirschstettner Badeteich über den Alberner Hafen bis zum Praterstern: Der Nino aus Wien ist – und das kann man jetzt schon sagen – eine Legende dieser Stadt, ein Ehrengrab werden’s dem Unsterblichen in hundert Jahren geben. Sein »Durchbruch«, sein vielleicht größter Single-Hit, sein erster echter Popsong zeugt von eben diesem großen Jahrhunderttalent im Liederschreiben, dem noch so viele weitere Beweise folgen sollten. Und mal ehrlich: Klara, spätestens jetzt sollt’s dir leid tun. (do)

Ach, Peter unser! Der bestimmt ruhmreichste und charismatischste Entertainer, den die heimischen Fernsehapparate über 40 Jahre lang zu sehen bekamen – die meisten Produktionen sind heute noch gar zauberhaft –, veröffentlichte zwar bereits 1952 eine Schellack-10", aber es ist sein Nummer-einsHit aus dem Jahr 1970, der vor allem dem überlebensgroßen Menschen Peter Alexander gerecht wird: mit offenem Herzen allen gegenüber, egalitär und willkommen heißend. Das war ein Mensch! (do)

Es gibt wenige Songs, die man weltweit in einen Raum hinein singen kann, und es kommen von den Anwesenden die passenden Lyrics als Antwort zurück. Wahrscheinlich die einzige Zeile im Rahmen dieser Liste, die wohl überall funktioniert, ist »Live is life«, worauf höchstwahrscheinlich auch TibetanerInnen mit »Na na na na na« reagieren werden. Eines der letzten großen Mysterien der Menschheit ist die Schreibweise des Titels: Geht es eigentlich um Live-Musik? Schlicht ein Tippfehler? Oder ist Ewald Pfleger ein Freimaurer? (tz)

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Stefanie Werger Stoak wie a Felsen (1986)

The Worried Men Skiffle Group Glaubst i bin bled (1970)

Naked Lunch Military Of The Heart (2006)

Dieser Drive, dieser Beat, diese Message, dieses Intro. Ein Traum. Beim österreichischen »You Give Love A Bad Name« rinnt dir dieses Gefühl schon beim ersten Ton runter, dieses Gefühl von Unsterblichkeit in einer Austropop-Disco. Eine gar rockige Hymne des Empowerments von einer der wenigen Frauen mit dem Etikett »Austropop«, in den Charts ganz übersehen, ein Fanliebling, ein phönixhaftes Aufstehen im Moment des Verletztseins. »Mei Herz hot zwar an Sprung / Owa deins is längst dafroan.« (do)

Wie stark der Bund ist zwischen gar vorsintflutlichem Dialekt-Dada und dem, was wir später Austropop nennen dürfen, beweist dieses eigentlich ganz paradoxe Stück, dem in der klassischen Geschichtsschreibung der heimischen Populärmusik ein so gewichtiger Platz eingeräumt wird: Gar fremdartig sind die Instrumente des Skiffles, gar arg die intonierten Texte des einzigen österreichischen Dandys und Suizidanten Konrad Bayer. Es wirkt: Eine große Welle, die mit Hilfe des Fernsehens schäumt, ist geboren. (do)

Als Naked Lunch 2004 mit dem Album »Songs For The Exhausted« eine Art Auferstehung feierten, war schon einiges passiert in der Historie der Kärntner Band. Ganz kurz das »Superstardom« vor Augen und dann doch so weit davon entfernt, erhob sich die Band um Oliver Welter und Herwig »Fuzzman« Zamernik aus der Asche ihres gescheiterten Majorlabel-Deals, um uns mit brüchigem Weltschmerz-Pop zu begeistern. Aber das Schönste sollte erst noch kommen: »Military Of The Heart« aus »This Atom Heart Of Ours«, eine Hymne voller Pathos und Melancholie, Mut und Hoffnung. Gänsehaut! (mf )

DJ DSL Happy Bear (2002)

Novak’s Kapelle Hypodermic Needle (1968)

Weather Report Birdland (1977)

Von der legendären Auflegekunst des Stefan Biedermann erzählt man sich noch heute. Nicht umsonst kürte ihn die Spex 1995 zum besten DJ – weltweit. Der notorisch bescheidene Nationalheld der Hip-Hop-Szene Mitte der 90er ließ sich lange Zeit für eine Albumveröffentlichung als DJ DJ Super Leiwand. Es kam schließlich 2002 beim Kruder&-Dorfmeister-Label G-Stone Recordings heraus. Davor gestaltete er mit »Tribe Vibes« eine der ersten Hip-Hop-Radiosendungen, war bei den Moreaus (Platz 82) aktiv und lieferte Scratches für Edelweiss (Platz 28) und Falco. (ae)

Komm, setz mir nach meinem Horrortrip noch den zweiten Schuss Heroin. Dass sich so ein Text drei Wochen auf Platz 1 der Ö3-Charts halten kann, grenzt an ein Wunder. Novak’s Kapelle wird mit »Hypodermic Needle« sogar zu einer Silvester-Show im Fernsehen eingeladen. Bei Konzerten beschimpfen die Musiker das bürgerliche Publikum, in ein Studio scheißen sie, nebenbei haben sie Dutzende Lokalverbote. Das Jahr 1968 hat im stinklangweiligen Österreich nicht stattgefunden. Novak’s Kapelle taten allerdings so, als müssten sie den fehlenden Aufruhr von sieben Millionen wettmachen. (sn)

Künstlerisch relevant und kommerziell erfolgreich? Die stilprägende Jazz- und Fusion-Band Weather Report, ins Leben gerufen von Joe Zawinul (Keyboard) und dem USAmerikaner Wayne Shorter (Saxophon), war beides. 1977, am Höhepunkt ihres Schaffens, erschien mit dem Instrumental »Birdland« ein Tribute an den gleichnamigen Jazzclub in New York, das zum Big-Band-Standard werden sollte. 2010 wurde der Wiener Zawinul übrigens posthum noch mit einem Grammy für das beste zeitgenössische Jazz-Album (»75th« mit The Zawinul Syndicate) geehrt. (mf )

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Edelweiss Bring Me Edelweiss (1988)

Francis International Airport Amnesiacs (2010)

Lolita Seemann (1960)

Ein Projekt, das nur aus Funfacts besteht: Edelweiss waren unter anderem Matthias Schweger, der später den Musiksender Viva gründen wird, und Walter Werzowa, der den Intel-Jingle komponieren wird. Gemeinsam wurde das Ratgeberbuch »The Manual« von The KLF befolgt, in dem vorexerziert wird, wie man ohne musikalische Skills oder Geld einen Nummer-eins-Hit schreibt. Vor allem: samplen, was das Zeug hält. Sängerin Maria Mathis war später Moderatorin beim Gewinnspiel-Scam-Sender 9 Live. Ach ja, und Chris­ tian Clerici war auch irgendwie dabei. (tz)

Sie bespielten den internationalen Festivalzirkus von Eurosonic bis Primavera und kündigten dort als Vorreiter das österreichische Popwunder der 10er-Jahre an. Der große Erfolg blieb den nach einem fiktiven Videospiel-Flughafen benannten Francis International Airport selbst jedoch verwehrt. Dabei ist das euphorische »Amnesiacs« das perfekte Abbild der damaligen Aufbruchsstimmung: »It’s gonna be a great, great deal for all of us!« Diese Band darf nicht in Vergessenheit geraten. Auf ihren Schultern stehen GigantInnen. (ae)

Muss man erst einmal schaffen: Von St. Pölten bis in die weite Welt hinaus. Elisabeth Zuser alias Lolita hat mit ihrem Evergreen auch den großen Teich überquert. Ein Schlager, ein Klassiker des guten Geschmacks und bis heute Anstoß zu großer Sehnsucht und unaufhaltsamem Fernweh, der in Deutschland auf Platz 2 kletterte und mit englischem Voiceover sogar in die Top Five der US-Charts emporstieg. Die UK-Version von Petula Clark chartete ebendort ganz oben. Ein Welthit aus Niederösterreich. (do)

Maria Bill I mecht landen (1983)

Kurt Sowinetz Alle Menschen san ma zwider (1972)

Hans Orsolics Mei potschertes Leb’n (1986)

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Ja, sogar für Exil-Schweizerinnen gibt es diese dem heimischen Pop so immanente Verwebung von Schauspiel und Gesang. Und auch für die Bill war der Ausflug ins Musikalische ein Triumph: Angefixt durch die Rolle der Piaf auf der Bühne, war schnell der erste Hit geschrieben: »I mecht landen« ist eine Power-Ballade, kitschfreier und poetischer Schlager, eine ideale Schlussnummer für lauwarme Rotweinnächte. (do)

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Dass alle Menschen Brüder werden, glaubst ja selber nicht. Dafür ist das gepflegte Indie-Gosch’n-Hau’n(-Woll’n) ja eine Kulturform, der sich der gemeine Wiener zu gerne annimmt. Ein gar legendäres Lied davon singt auch der Volksschauspieler Kurt Sowinetz – nur bei »uns« haben ja häufig die Fachfremden die größten Hits – mit diesem schier unglaublichen und fast schon ungeheuerlich dem Pop-Sinne widersprechenden Potpourri aus bühnenhafter Rezitation, klassischen Zitaten und Flegeleien. (do)

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Die Kulthymne für alle vom Leben Gestraften passt zu Hans Orsolics wie die Faust aufs Auge. Der ehemalige Profiboxer war WeltranglistenErster und hat dann – ja, valuan, wie nur einer verlieren kann. Niederlage folgt auf Niederlage, Schulden häufen sich an, er sitzt wiederholt im Gefängnis, der Alkohol tut ein Übriges. Nach einer ORF-Doku stellt ihm der Liedermacher Charly Kriechbaum die nun legendäre Nummer zur Verfügung, die sich sieben Wochen an der Spitze der Charts hält. Hier Platz 33, aber in Wahrheit der Sieger der Herzen. (ae)

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Helmut Qualtinger Der Halbwilde (1956) Jugendkultur im österreichischen Mainstream der 1950er? Der Bronner und der Qualtinger, die Wilden, die denken an alles. Die Erzählung eines Kinobesuchs des Klassikers »The Wild One« mit Marlon Brando, der nicht nur in den USA das popkulturelle Phänomen der »Rocker« oder auch »Halbstarken« zumindest halbwegs gesellschaftsfähig und damit irgendwie auch den Rock ’n’ Roll möglich machte, konterkarierte die aufkeimende heimische Szene und setzte ihr doch gleichzeitig auch ein ironisches Denkmal. (do)

Vielleicht der größte aller Geschichtenerzähler, ein Poet vor dem Herrgott und ein Meister der dunklen Künste, ein einfacher Mann aus St. Magdalena, wo die Menschen so kalt sind wie der Reif auf den Äckern der Einsamkeit. Das bekannteste Beispiel seines gar himmlisch düsteren Schaffens, das auch wegen akuter Suizidgefahr auf Ö3 nur vor 22 Uhr gespielt werden durfte, sollte ihm zu nationalem, gar ehrfurchtgebietendem Ruhm verhelfen und ihn auch in seiner eigenen, echten kalten Stunde überkommen. (do)

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Ostbahn-Kurti Arbeit (1989) Bekanntermaßen ist ja Arbeit der große Haken am Geld. Und nur wenige, die sich dem Klassenkampf auf gar poetische Weise widmeten, haben gleichzeitig den Pop-Appeal zu kommunizieren gewusst. Seine königliche Legende Dr. Kurt Ostbahn und Texter Günter Brödl, das Genie hinter dem Genie, konnten dies mit Bravour und haben sich das Springsteen’sche »Factory« angeeignet, ihn so sehr auf die österreichische Lebenswelt reflektiert, dass ein lakonischer Evergreen dabei rausschauen musste. Ja, musste! (do)

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Ludwig Hirsch Komm großer schwarzer Vogel (1979)

Kreisky Vandalen (2007)

EAV Märchenprinz (1985)

Georg Danzer Ruaf mi ned au (1976)

Dass Kreisky als eine der intelligentesten, besten und vor allem zackigsten Gruppe der heimischen Gegenwart zu gelten haben, dürfte bekannt sein. Auch wenn »Vandalen« nicht die erste Veröffentlichung der vier war, steht es doch prototypisch für Kreisky – sperrige Gitarren, wirrer Gesang und uneingeschränkte Tanzbarkeit für die Oberg‘scheiten. Und, weil es hier sonst nirgendwo steht: Mit Franz Wenzls Alter Superego Austrofred hat man auch die kultigste Kunstfigur zumindest ein bisschen dabei. (do)

Samma uns ehrlich: Thomas Spitzer ist bestimmt der spitzfindigste und spielerischste Songwriter des österreichischen Pop. Dass sich dann ausgerechnet immer das verhältnismäßig biedere und blödelhafte »Märchenprinz« in den Bestenlisten weit vorne findet, ist zwar Ausdruck des Missverständnisses rund um die Erste Allgemeine Verunsicherung, aber immerhin eine gute Einstiegsdroge in das so reichhaltige und zumindest bis 1997 sehr gute Œuvre dieser für die deutsche Sprache sehr wichtigen Gruppe. (do)

Zeitlebens wehrte sich Georg Danzer gegen die Genre-Zuordnung Austropop, obwohl er einer der bekanntesten und wichtigsten Namen der Bewegung ist. Ob sich Danzer auch dagegen wehren würde, dass die B-Seite seines Spaß-Hits »Hupf’ in Gatsch« auf dieser Liste steht? »Ruaf mi ned au« verkörpert Danzers unironische Seite. Auch wenn Lyrics wie »Sog host scho vergessen wia Leberkas schmeckt auss’n Zeitungspapier« einen Lacher kosten, zeigt sich in diesem Song, warum Danzer auch als Austropop-Ikone für Intellektuelle gilt. Siehe auch Platz 43. (tz)

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Wolfgang Ambros Zwickt’s mi (1975)

A-Gen 53 (Scheiß auf) Lila (1981)

»Wo samma daham?«, das ist hier die Frage. Lange, bevor sich Ambros 2018 in der Süddeutschen Zeitung kritisch gegenüber der FPÖ und ÖVP äußerte und sich einen rechten Shitstorm einfing, zeichnete er mit »Zwickt’s mi« ein launiges Sittenbild der österreichischen Verhältnisse. Viel hat sich nicht verändert: Korrupte Schmiergeldempfänger und stinkende Straßenbahnen gibt es noch immer, doch der beschwingte Pfeifrefrain macht es irgendwie besser. Bloß, was das Singlecover damit zu tun hat, ist nicht ganz klar. (ae)

Benannt nach einem Verhütungsmittel und gegründet mittels Zeitungsannonce, pfiff die erste österreichische Punk-Kapelle, die nur aus Frauen bestand, auf sämtliche konservative Vorstellungen, die das Patriarchat für sie bereithielt. Die dringendste Nummer der knapp zweijährigen Bandgeschichte – Highlight: 40.000 Schilling Sachschaden bei einem Konzert im Wiener Metropol – treibt die Ablehnung auf die Spitze und zeigt die Verbohrtheit der frühen 80er: Scheiß auf Lila, scheiß auf die Modefarbe! (do)

Georg Danzer Weisse Pferde (1984)

HVOB Dogs (2012)

Mavi Phoenix Quiet (2016)

1984 ersetzt Danzer seine bisherige Band mit neuen Musikern, in München entsteht das Album »Weisse Pferde«. Ein Musikvideo zur Single soll passend zum Vibe in Andalusien gedreht werden, wo Danzer einen Motorradunfall hat und mit schweren Verletzungen nach Wien geflogen wird. Ähnlich dramatisch auch der Song: Mit Dünenästhetik und esoterischen Lyrics schmiegt sich Danzer in eine mystische Nische der Neuen Deutschen Welle. Einer von seinen circa 400 Songs, der sich bis heute inhaltlich und musikalisch schwer einordnen lässt. (tz)

Wenige Artists sind mit ihrem ersten Release ganz komplett. HVOB sind es. Da ist alles schon da, die minimalen Feelings, die Vocals als Ahnung, das Pochen der Bassdrum, der heißkalte Minimalismus. HVOB bauen auf dieser Formel eine internationale Karriere auf, wie sie in Österreich einzigartig ist. Nur sie schaffen es in London, Tokio und Kapstadt solche Massen zu ziehen. Später setzen sie künstlerische Konzepte um und kollaborieren mit Rockstars. Hätte Clubkultur ein Wappentier, es wären HVOB. (sn)

»I hold it down / For everybody in my life / I hold it down / I tell ’em when the time is right« – mit diesen Worten beginnt »Quiet«, der erste Hit, der das nächste Level der künstlerischen Karriere von Mavi Phoenix einläutete. Ein Vers, der heute, nach Mavis Coming-out als Transmann, eine zweite Bedeutungsebene aufzieht. Jedes Mal, bevor er »Quiet« live singt, betont der oberösterreichische Superstar, dass es der erste Song sei, der massiv Airplay und Aufmerksamkeit bekam. Es folgte ein Hype, dem er bis heute gerecht wird. (tz)

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Jazzige Synths sind all the rage. Dorian Concept kontrolliert sie besser als all the others. Er und seine Freunde sind auf dem Label Affine Records dabei, den Wiener Sound neu zu entwerfen und hinaus zu den Sternen zu katapultieren. Ihre Beats, Melodien und Sounds haben ADHS, was während der Boomjahre von Facebook, Youtube und Twitter sicher hilft. Dieser Track nun wird zur Blaupause. Dorian Concept denkt die drei Sprachen Dance, Sex und Experience – also Wissen, das direkt in Körpern gespeichert ist – alle in eins. (sn)

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Dorian Concept Trilingual Dance Sexperience (2009)

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DÖF Codo (1983)

Schmieds Puls Superior (Fuck You) (2018)

Willi Warma Stahlstadt-Kinder (1981)

»Die 80er-Jahre waren deprimierend, eng und schwierig«, sagte Inga Humpe 2011 in einem Interview, angesprochen auf ihre Zeit als Sängerin der Band Deutsch-Österreichisches Feingefühl. Deprimierend ist auch das dystopische Hass-Szenario, das der namensgebenden Codo im Song revolutioniert. Mit »Codo« gelingt dem Quartett aus den Humpe-Schwestern (die später unabhängig voneinander 2Raumwohung und Ich + Ich gründen werden) und den Österreichern Joesi Prokopetz und Manfred O. Tauchen einer der größten NDW-Hits. (tz)

»Superior (Fuck You)« ist die Ausnahme im Werk von Mira Lu Kovacs und gleichzeitig auch ihre Bestätigung. Ausnahme, weil Schmieds Puls sonst eher behutsam und höflich klingen. Bestätigung, weil alles, was davor war, hierhin führt. Die Powerchords mit den fetten Verzerrern sind ein Befreiungsschlag, die bisher unterdrückte Wut war berechtigt, die Lyrics stellen klar: Hier wird sich nicht mehr entschuldigt. Abseits von Schmieds Puls hat Kovacs ihre Hände auch bei den Supergroups 5K HD (siehe auch Platz 75) und My Ugly Clementine im Spiel. (ae)

Willi Warma waren die Posterboys des österreichischen Undergrounds. Eine Schülerband, die mit importierten Platten aus dem UK einen gewissen Informationsvorsprung ausnutzt, um die Punk- und Pop-Szene in Österreich gehörig zu unterwandern. Als Live-Phänomen spielen sich die vier Linzer den Weg zu Jugendlichen im ganzen Land frei. Spätestens »Stahlstadt-Kinder« zementiert das Image der Band als Sexsymbole ihrer Generation. Etwas, das einer österreichischen Band erst wieder im neuen Jahrtausend glücken wird (siehe Platz 2). (tz)

Bonez MC & Raf Camora feat. Maxwell Ohne mein Team (2016)

Marika Lichter Adieu (1969)

STS Fürstenfeld (1985)

Die Tochter von zwei Holocaust-Überlebenden ist 20 Jahre alt, als »Adieu« erscheint. Im Hotel Intercontinental empfängt sie ihr Manager im weißen Bademantel, wirft sie aufs Bett, will sie vergewaltigen. Sie rennt. Und startet eine Jahrzehnte dauernde Karriere als Schauspielerin und Sängerin, wird außerdem Erste bei »Dancing Stars«. 2017 erhält sie das Goldene Verdienstkreuz der Republik. »Adieu« handelt von der Brutalität der Liebe. Es ist der beste Beitrag für den Grand Prix Eurovision de la Chanson, der dort niemals gesungen wurde. (sn)

Wenn 30 Jahre nach Erscheinen deines Liedes die ganze Welt den Text kennt, schon beim »Langsam find’ der Tag sei’ End’« auszuzucken beginnt, dann weißt du, die Nummer kann was. Natürlich gäbe es bei STS Hunderte bessere Songs, aber am Ende läuft’s halt immer auf die Hymne geplatzter Träume hinaus – und das zu Recht: »Fürstenfeld« ist ein Schlager, ein Evergreen, ein Pamphlet und hält sich – das muss man auch mal sagen – deutlich länger als der »Rennbahn-Express«. Das haben’s nun davon! (do)

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Raf definiert den Sound der späten 10er nicht nur in Österreich, sondern im ganzen deutschen Sprachraum. Er dominiert Charts, Clubs, Autos und Youtube. Dafür musste er auswandern, ein eigenes Label gründen und daheim lange verkannt bleiben. Im richtigen Moment kollaboriert er mit Bonez von 187 Strassenbande. »Ohne mein Team« ist vielleicht noch ikonischer als »Palmen aus Plastik«, es ist der Song für die Suche – aus kleinen Verhältnissen kommend – nach dem großen Glück. In einer jüngeren Redaktion wäre der Song selbstverständlich Top fünf. (sn)

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Garish Noch auf See (2004)

1997 entdeckt Bernhard Fleischmann die Roland Groovebox 505 für sich. Davor als Schlagzeuger in Hardcore-Bands tätig, hinterlegt er die damit aufgenommenen Tracks im Rhiz, wo er schließlich auch sein erstes Konzert als B. Fleischmann spielt. Als Elektronik entweder sperrig oder tanzbar ist, besetzt er die klaffende Lücke mit poppigen Melodien. »Pop Loops For Breakfast« mit dem Opener »Slope« ist der erste Release auf dem Berliner Label Morr Music. Manche munkeln, das Label wäre extra für ihn gegründet worden. (ae)

Was für Leonardo DiCaprio der Oscar war, ist für Garish der Amadeus. Acht Mal nominiert, acht Mal ist nichts passiert. Dabei waren die seit 1997 aktiven Burgenländer 2003 die erste österreichische und deutschsprachige Band beim meinungsbildenden Showcase-Festival Eurosonic. »Noch auf See« markiert ein Jahr später ihren Durchbruch. Es folgt ein kurzlebiger Majorlabel-Vertrag und danach eine von den Ketten der Industrie befreite Schaffensphase, in der die Band endgültig ihren ureigenen, luftig-akkordeonlastigen Sound findet. (ae)

Parov Stelar All Night (2012)

Sigi Maron Ballade von ana hoatn Wochn (Leckt’s mi aum Oasch) (1978)

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Man kann musikalisch von Elektro-Swing halten, was man will: Er hatte Anfang der 2010er einen massiven Moment. Parov Stelar gilt für dieses Genre als Gründer- und Über-Vater. Mit »All Night« schaffte der gebürtige Linzer das, wovon viele seiner Zeit träumten: einen Werbespot zu vertonen. Neben Vodafone und iPod lieferten auch Parfums solide Hits und Karriereschübe für sonst eher unbekannte KünstlerInnen. Mit dem Vorsprung durch Paco Rabannes DuftSpot erreicht »All Night« später Doppelplatin in Italien. (tz)

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B. Fleischmann Slope (1999)

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Der Maron Sigi – man habe ihn bitte gar selig – war über Jahrzehnte das politische Gewissen einer zunehmend apolitischen angepassten »Industrie«. Er schrieb von seinem Wagerl aus zwar auch viele unwiderstehliche sanfte Nummern, aber sein Vermächtnis bleibt die Empörung: Gegen alle Widerstände, aber vor allem mit einer großen Gosch’n gegen die Großkopferten, gegen die Winkeladvokaten, gegen die Stadtamtsdirektoren. Diesen Mann gilt es, sich als Vorbild zu nehmen. Andernfalls: Leckt’s mi aum Oasch! (do)

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Skero feat. Joyce Muniz Kabinenparty (2009)

Clara Luzia Morning Light (2007)

Bingoboys feat. Princessa How To Dance (1991)

»Geht scho, gemma Vollgas!« – dass Songzeilen in den Sprachgebrauch ganzer Generationen Eingang finden (oder war es doch umgekehrt?), kommt nicht gerade häufig vor. Der »Lange« von Texta (bis 2013), hat es geschafft und mit »Kabinenparty« österreichischen Hip-Hop auf Platz 4 der Charts und somit in die Mitte der Gesellschaft gehievt. Am Erfolg nicht ganz unbeteiligt: das Video aus dem Wiener Kongressbad und natürlich die musikalische Vorlage, der BaileFunk-Kracher »Popozuda Rock N’ Roll« von Edu K, den sich Skero und Joyce Muniz bravourös aneignen. (mf )

»This is a sad, sad song«: Mit ihrem zweiten Soloalbum gibt Clara Luzia die von Grundtraurigkeit geprägte Richtung vor. Dass sich die Musikerin in jungen Bühnenjahren das Publikum einfach wegdachte, passt zum introvertierten Bild der Anti-Rampensau, die die Zügel selbst in der Hand halten will. Der stets persönliche Zugang macht Clara Luzia zu einer zwangsläufig politischen Singer-Songwriterin, die als queere Frau in einer von Bubenbands dominierten Zeit eine neue Perspektive einbrachte und beim Schwanzvergleich nach wie vor einfach nicht mitmacht. (ae)

Mit einer Nummer eins in den US-Dance-Charts und einer Nominierung zum besten Dance-Video auf MTV ist der Zenit erreicht. »How To Dance« ist eine geschickte Montage von Samples mit einem Seventies-Throwback-Novelty-Effekt. Dazu rappt Princessa zeitgeistige Nonsense-Vocals mit exzellentem Flow. Einer der Bingoboys – Klaus Biedermann, Bruder von DJ DSL (Platz 25) – ist später als Teil von Ultimatief für Welthits wie »A klana Indiana«, »Anton aus Tirol« und »Hey Baby« mitverantwortlich. Als Texter des »HC Rap« erreicht er 22 Jahre später schließlich den Anti-Zenit. (sn)

Hubert von Goisern Brenna tuats guat (2011)

Voodoo Jürgens Tulln (2016)

Marque One To Make Her Happy (2000)

Der Comeback-Hit ist eines der komplexesten musikalischen Pop-Phänomene. Chers »Believe« oder Madonnas »Hung Up« könnte Dissertationen füllen. Auch ein Österreicher hat diese schwierige Transition geschafft: Hubert von Goisern. In den 90ern hat er mit nachdenklichen Songs wie » Heast as nit« und »Weit, weit weg« einen beliebten Wellnesshotel-Soundtrack geliefert. Aus dem Nichts schießt der Oberösterreicher mit »Brenna tuats guat« fast 20 Jahre später an die Spitze der österreichischen Charts – inklusive Eintrag im bayerischen Wikipedia. (tz)

Und auf einmal macht das alles Sinn, machen 50 Jahre Austropop Sinn, macht all das verdammte Geschwurbel von der Vergangenheit Sinn: für diese eine Nummer, für dieses Meisterwerk der Melancholie, in dem der Voodoo von seiner Jugend als Bua mit die Schneckerl erzählt, zwischen Knochenbar und Eierspeisbauten, zwischen Mäuberln und Wundbenzin. Und mit der so tieftraurigen Erkenntnis, für die sich alles gelohnt hat: »Vüle san o’gstiazt, aber uns hod’s ned troff’n!« (do)

Daisy und ihre drei Boyfriends waren ihrer Zeit voraus. Als der Feldkircher Marque um die Jahrtausendwende den deutschsprachigen Raum eroberte, war Polyamorie nämlich noch lange nicht massentauglich. Dass hier nicht der klassische österreichische Haushalt beschrieben wird, ist aber eh zweitrangig. Der Erfolg beruht auf der professionellen Nachahmung eines internationalen Mainstream-Pop-Sounds – damals eine Ausnahmeerscheinung. Einzig das holprige Englisch verrät die Herkunft, aber das hat ja Max Martin auch noch nie davon abgehalten, Welthits zu schreiben. (ae)

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Die Bambis Melancholie (1965)

Ganymed It Takes Me Higher (1978)

Gerhard Bronner Der g’schupfte Ferdl (1952)

Geplant als Hymne für die zurückgekehrten ItalienUrlauberInnen, gelang den vier Bambis um Mandy Oswald, bei ihrer zeitweiligen Beschäftigung als Clubmusiker in Klagenfurt am Wörthersee, mit einer eigentlichen Demoversion ein großer Wurf. In rund 100 Versionen aufgenommen und übersetzt, ist dieser obskure Schlager mit seiner Fragilität und Internationalität, gar Exotik, ein Welterfolg der ganz besonderen Art, der die Sehnsucht der österreichischen Haushalte aufs Unermessliche steigen ließ. Arrivederci! (do)

Sie waren bewaffnet mit Synths und Drummachines, waren Aliens auf der Suche nach einer höheren Ebene. Ganymed tragen silbernen Glitzer, goldene Handschuhe, grüne Masken, sie spielen meistens Glamrock und Funk, mit ihrem Hit »It Takes Me Higher« allerdings schaffen sie sortenreine SpaceDisco. Synths funkeln und glitzern wie interstellare Astralnebel, dazu treibt ein trockener Beat im Orbit, man fühlt sich lost und genau deshalb so abgeholt. (sn)

In einer Zeit, in der Wien, zumindest dem Erzählten nach, die Tanzlokalitäten nur für p. t. Gäste, die diese Abkürzung auch verdienten, geöffnet wurden, freut sich unser flamboyanter Protagonist auf die Perfektion – das freie Tanzen bei geselligem Beisammensein. Bis es natürlich Wickel geben muss. Bei dieser originalen Version vom Bronner wird noch im fiktiven Wimmer gefetzt, erst der Qualtinger (Platz 34) darf später den tatsächlichen Schauplatz, einen Höllenort, namentlich erwähnen: den Thumser! (do)

Ilsa Gold Silke II – Süchtig (1994)

Belphegor Bondage Goat Zombie (2008)

Blümchen Blau Flieger (1981)

Ilsa Gold waren sehr lustige Trolle. Vor 24.000 Menschen auf der Mayday 1994 eröffneten sie mit dem Satz »Ecstasy hilft, die Mayday besser zu ertragen«. Zweimal sind sie Nummer eins im Magazin Frontpage. Für ihren späten Hit »Silke II – Süchtig« pitchen sie »Süchtig« von Peter Cornelius und Karel Gotts »Fang das Licht« bis zur Groteske und montieren Viva-TV-Techno-Synths und depperte Wiener Reime dazwischen. Das ist im besten Sinn postmoderne Technik – Mix und Cut-up, die den Diskurs der 90er bestimmen werden –, ausgetragen auf dem Rücken einiger Tausend Raver. (sn)

Wenn man sich nicht auskennt, trotzdem so tun? Und wie einen Song herausgreifen? Death Metal braucht keine Hits, denn Lucifer ist ein Feeling. Nun sind Belphegor bereits seit 25 Jahren auf ihrem tödlichen Rutenmarsch. Sie sind circa die wichtigste Metal-Band aus Österreich und legen dem Album »Bondage Goat Zombie« ein loses Konzept um die Schriften von Marquis de Sade und BDSM-Chroniken zugrunde. Der Titeltrack besticht mit besonders groteskem Grunzen, diabolischem Trommelfeuer und bestialischem Blutbad. (sn)

Die Neue Deutsche Welle trieb auch in Österreich zarte Pflanzen. »Flieger«, erste Single und anständiger Hit, erscheint bis heute auf den meisten Chronik-Compilations dieser Zeit. In ihrer nur dreijährigen Schaffensperiode personifizierten Blümchen Blau die Essenz der NDW: Dilettantismus und geringe Aspirationen. Laut ihrem Keyboarder Götz Schrage wollte sich die Band bereits nach ein, zwei Konzerten auflösen, als sich vor der eben bespielten Bühne kurzerhand eine neue Besetzung zusammentat. Dennoch: 1983 war alles verblüht. (tz)

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The Malformation I steh auf di (1971)

Texta Sprachbarrieren (1999)

Georg Kreisler Tauben vergiften im Park (1956)

Zweifellos ist das Wienerische die schönste Sprache der Welt. Ein Frevel, dass die Beat-Combos der 60er fast ganz auf Dialekt oder überhaupt die deutsche Sprache verzichtet haben, das Feld nur der Novelty Music oder dem Musikkabarett überlassen haben. The Malformation – B-Seite: »Weanerisch is klass« – haben mit dem Danzer Schurl (Plätze 39 und 43) einen geeigneten Texter und trauen sich als erste Band das, was man heute Classic Rock nennt – früher wohl einfach Rockmusik –, auf Wienerisch zu singen. Und wie! (do)

Dass sich das (Ober-)Österreichische als viel »rundere« Sprache als etwa Hochdeutsch bestens für cleveren Rap mit Flow und Humor eignet, beweist die Linzer Hip-HopInstitution Texta seit mittlerweile mehr als einem Vierteljahrhundert (wichtig auch: ihr Label Tontraeger Records). Inspiriert von einem Track von Big L, der Slang-Ausdrücke ins »normale« Englisch übersetzte, nahmen sich DJ Dan, Flip, Laima, Skero (Platz 56) und Huckey (R. I. P.) mit »Sprachbarrieren« diverser Dialektausdrücke an: von Schmähtandla bis Hawara – do ziagt’s da de Schuach aus! (mf )

Das Wiener Herz, es ist ein goldenes. Viel mehr aber noch ein schwarzes. Kaum einer verstand die Wesensart der HauptstädterInnen so trefflich zu beschreiben wie der Kreisler Georg, selbst ein Vertriebener des braunen Wiens. Bereits im Jahr nach seiner Rückkehr aus den USA setzte er sich – und auch ein bisschen dem Tom Lehrer – mit diesem bekanntesten seiner vielen dunklen Chansons ein Denkmal. Ein gar ungewohnter Kniff des Schicksals, dass auf eben jene gerne auch einmal die Tauben scheißen. (do)

The Slaves You Are The Only One (1966)

Christina Stürmer Ich lebe (2003)

Peter Cornelius Du entschuldige – i kenn di (1981)

Unter den vielen Epigonen der Beat-Welle, die Mitte der 60er auch das beschauliche Österreich treffen sollte, gelten The Slaves nicht zu Unrecht als versierteste Gruppe, schließlich zeigt der damals 16-jährige Rom Karl Ratzer, der es zu Weltruhm schaffen sollte, allerfeinstes Gitarrenhandwerk. Das beste der insgesamt nur sechs Stücke – die drei Singles sind heute alle höchstpreisig – ist eine klassische und erdige R&B-Nummer, die sich nicht hinter den Vorbildern aus dem UK verstecken muss. (do)

Ziemlich genau zur selben Zeit, als Juliette Schoppmann ihres würdigen DSDS-Sieges beraubt wurde, wurde der falsche »Starmania«-Kandidat auf den ersten Platz gevotet. Es bleibt allerdings fraglich, ob Christina Stürmer die Charts im Anschluss ähnlich entschlossen gestürmt hätte, wäre sie Castingshow-Gewinnerin statt ungerecht behandelte Zweitplatzierte gewesen. »Own your narrative!« hat sich Christl jedenfalls zu Herzen genommen und das verträglich rebellische Rock-Girl für den österreichischen Musik­ export sehr glaubhaft verkörpert. Sie lebt. (tz)

»Kumm, wir streichen 15 Joar, hol’n jetzt ollas nach, als ob dazwischen afoch nix woar« – Wörter, die die Welt bedeuten. Der beim ORF-Talentwettbewerb »Showchance« entdeckte Peter Cornelius ist nicht nur Gitarrist mit Grammy-Nominierung, der »Reif für die Insel« zu einem geflügelten Wort machte. Er beherrscht die Klaviatur der Nostalgie wie kein anderer. Die verpassten Chancen im Leben stattet er mit Hoffnung aus: Es ist nie zu spät! Ein starker Trost für alle, die sich zur Sperrstunde mit glasigen Augen in den Armen liegen. (ae)

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Gilla Tu es (1975)

Koenigleopold Kohlhauser (2013)

Yasmo & die Klangkantine Girls Wanna Have Fun (2017)

Gilla ist sexpositiv. Bereits ein Drittel aller deutschen Frauen nimmt die Antibabypille. Da fragt Gilla neckisch: »Willst du mit mir schlafen gehen?« Produziert hat die erste Gilla-Single Frank Farian. »Tu es« ist dann der Durchbruch, Gilla zieht mit Eurodisco-Größen wie Baccara, Abba oder Dalida gleich. Als Boney M. durch die Decke gehen, verschiebt sich der Fokus von Farian. Die Linzerin Gilla verglüht langsam mit müden Disco-Covers. Aber noch heute erzählt man sich auf Wikipedia, in Russland wäre sie ungemein populär. (sn)

Als der echte Fleischhauer Kohlhauser aus dem steirischen Mönichwald mit einer Klage drohte, ging der You­ tube-Hit endgültig viral – das Dada-Gesamtkunstwerk von Koenigleopold war vom ORF bis zur Krone Thema. Zum im steirischen Gebell vorgetragenen Wirtshauspalaver gesellt sich ein Video mit Untertiteln in Gaga-Englisch, das Lukas König und Leo Riegler im Bikini beim Waldbaden zeigt, ehe es zum psychedelischen Egoshooter wird. Ersterer begleitete auch Bilderbuch (Platz 2) auf Tour, spielte mit Mira Lu Kovacs (Platz 47) bei 5K HD und ist mit Clemens Wenger (Platz 94) in der Jazzwerkstatt aktiv. (ae)

Es war ein iconic moment beim Amadeus 2018, als die auf Poetry-Slams sozialisierte Rapperin Yasmo von ihrem Sitzplatz aus der männerdominierten Branche und den Gabaliers dieser Welt die Leviten las. »Bitte lies ein bisschen Butler, sie schreibt nicht kompliziert«, reimte sich die erste jemals in der Kategorie Hip-Hop nominierte Frau eloquent und gnadenlos durch den Saal auf die Bühne. Wie zum Beweis wartete dort bereits ein 20-köpfiger Musikerinnenchor zur Unterstützung ihrer feministischen Predigt. Gab Standing Ovations. (ae)

Schmetterlinge Tschotscholossa (1971)

Tosca Suzuki (2000)

Waxolutionists feat. Manuva Nachtschattengewächs (1999)

Dass absolut nichts schief gehen muss, wenn sich fünf weiße Hippies ein Lied südafrikanischer Bergarbeiter aneignen, dazu rasseln, trommeln und Call-and-Response nachstellen, lässt sich hier ganz eindrucksvoll hören. Die Schmetterlinge sind das gut gemeinte, sozialistische Aushängeschild der österreichischen 70er. Von Anfang an mit dabei ist Willi Resetarits, später auch Beatrix Neundlinger von den Milestones. Sie schreiben später eine epische Proletenpassion für die Wiener Festwochen und schicken 1977 eine Satirelied auf die Kulturindustrie zum Song Contest. OK Boomer. (sn)

Neben seiner alles überstrahlenden Zusammenarbeit mit Peter Kruder hat Richard Dorfmeister seit 1994 noch ein weiteres Downbeat-Duo am Start: Tosca. Gemeinsam mit seinem Jugendfreund, dem Pianisten Rupert Huber, hat er ein paar locker-flockige Klassiker des Genres vorgelegt – das Album »Suzuki« (bei !K7 erschienen) ist voll davon, der gleichnamige Track bestes Beispiel dafür. In Clubs, Wohnzimmern und Boutiquen gerne gehört, sind Tosca mit internationalen Charts-Platzierungen bis weit in die Nullerjahre Beleg für die Nachhaltigkeit des »Vienna Sound«. (mf )

Trip-Hop ist vorüber, Downtempo ist am Ende und Rap hat schon ein Vierteljahrhundert am Buckel. Da zurren die Wiener Waxos und Manuva von Total Chaos alles zu einem stimmungsvollen Ganzen zusammen. Auf den ersten Blick wirken die Vocals zu dicht gestaffelt, dann zerrinnt und zerdehnt sich die Zeit zusehends. Cooler Weltschmerz steckt hier drin, genauso wie die Angst vor der Jahrtausendwende und die Rückeroberung der Nacht durch Sprayer, DJs und Studierende. Im selben Jahr wird die FPÖ zweitstärkste Kraft, eine schwarz-blaue Diarrhö braut sich zusammen. (sn)

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Aphrodelics Rollin’ On Chrome (1998) »Wir werden flashen!«, haben die Aphrodelics in unserer Coverstory zum Release des Albums »On The Rise« angekündigt. Und geflasht haben sie. Auch in den Monaten davor, in denen ihr Hit »Rollin’ On Chrome« (der mit dem Human-League-Sample) im damals noch relevanten Musikfernsehen rauf und runter lief. Sogar die US-Hip-Hop-Bibel The Source feierte die Jungs – unter dem Schlagwort »Think global, act local«. Gerappt wurde auf Englisch, weil dies herkunftsbedingt das verbindende Kommunikationsmittel der Aphrodelics war. Und auch Rodney Hunters Beats hatten internationalen Anspruch. (mf )

Auch wenn wir uns von seinem problematischen Titel distanzieren: Unter all den Liebesliedern, die der in der zeitgenössischen Einbildung sträflich unterschätzte Musiker André Heller getextet hat, ist dieses Stück, das erstmals 1972 auf »Das war A. H.« erschien, das an Pracht allmächtigste. Heller erzählt zu den Streicherklängen von Robert Opratko von Hoftambouren und Zauberern und ist mit der vielleicht schönsten Textzeile der 70er unsterblich: »Und du kummst so über mi wie da vierzehnte Juli über Paris / Wenn des Feuerwerk die Nacht seziert.« Vivat! (do)

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The Moreaus I Hear The Ladies (1990) »Swound Vibes« von den Moreaus war Österreichs erstes astreines Hip-Hop-Album. Die Band selbst, anfangs unter dem Namen Dr. Moreau’s Creatures aktiv, gilt ob ihrer Mitglieder als Keimzelle der Wiener Downbeat- und Hip-Hop-Szene: Sugar B, Rodney Hunter, DJ DSL und Peter Kruder – Namen, die man kennen könnte. Mit dem Track »I Hear The Ladies« (inklusive Serge-Gainsbourg-Sample) weckten die vier auch die Aufmerksamkeit der englischen Radio-Legende John Peel. Und ihren Humor bewiesen sie u. a. mit der Single »Neanderthal Man«. (mf )

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André Heller Und dann bin i ka Liliputaner mehr (1972)

Leyya Superego (2016) In einem Museum in Eferding steht der Tisch, an dem Mozart seine Zauberflöte komponierte. Das beschreibt auch schon einen der raren Funfacts, die Österreichs drittältester Ort zu vermelden hat. Eferding hat auch das Duo Leyya hervorgebracht, das ihre beiden Alben »Spanish Disco« und »Sauna« in der örtlichen Holzhütte des Kulturvereins KUBA aufgenommen hat. Den alten Proberaum könne man auch auf der Aufnahme ihres ersten Hits »Superego« hören, eröffneten Sophie Lindinger und Marco Kleebauer kürzlich in einem Lokalaugenschein-Interview. (tz)

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Les Sabres You Gonna Need Somebody When I’m Gone (1968) Eine jüdische Band, die ihr Geld vor allem auf religiösen Feiern verdient, ein französischer Name und die Interpretation eines amerikanisches Traditionals – das wäre alleine schon eine Erwähnung und mehrere Coverstorys wert. Dass die Nummer, bei der auch der aus der Sowjetunion stammende spätere Kulturmanager Edek Bartz seine Finger im Spiel hat, dabei auch noch einen gar unwiderstehlichen und hypnotischen Sog entwickelt, macht sie unerlässlich. DJ-Geheimtipp: Auf +3 pitchen und genießen! (do)

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The Hallucination Company Eine Vision (1982) Es ist ein großes Theater. Dazu kommen Kabarett, Glamrock und New Wave, sehr nahe gebaut an Angst und Wahnwitz. Der genialische Ludwig »Wickerl« Adam hat sich das ausgedacht. Als Talentscout wäre er heute reich. Er bringt Falco über dieses Arthouse-Projekt in die Wiener Szene, Hansi Lang singt bei der Company, ebenso Günter Mokesch, Gitarre spielt der Jazzmusiker Harri Stojka und Thomas Rabitsch ist auch noch an Bord. Doch selbst ohne diesen hervorragenden Kader wäre »Eine Vision« die beste Ska-Nummer aus Österreich. (sn)

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Greta Keller Blue Moon (1935)

The Rounder Girls All To You (2000)

MC Yankoo feat. Milica Todorovic Moje Zlato (2014)

Sie war eine der ersten, die croonend die Möglichkeiten des Mikrofons erkundete. Sie sang am Broadway, spielte in Filmen, gab Marlene Dietrich Gesangsunterricht. Ihr zweiter Mann wurde ermordet, als sie von ihm schwanger war. Sie gab Konzerte in ihrem eigenen Nachtclub Chez Greta im exklusiven St. Moritz, sang für die höchste politische Prominenz im New Yorker Nobelhotel Waldorf Astoria und ist heute am Zentralfriedhof eine ehrenwerte Leich. »Blue Moon« ist eine frühe Aufnahme, ihre dritte für Decca, simpel, klassisch, virtuos. (sn)

Als größte Kunst gilt im Eurovision-Genre der implizit politische Beitrag. Im Jahr 2000 übernehmen ÖVP und FPÖ die österreichische Regierung, 300.000 DemonstrantInnen versammeln sich am Heldenplatz. Neben vielen anderen performen dort die Rounder Girls. Der ORF entscheidet sich, das Trio aus einer Österreicherin und zwei Migrantinnen im selben Jahr zum ESC zu schicken. Trotz Platz 14 im ESC-Finale gilt ihre Wahl als Repräsentantinnen Österreichs als weitere EU-Sanktion gegen die rechte Regierung. (tz)

140 Millionen Klicks. Für sehr lange Zeit ist »Moje Zlato« außerdem das einzige Musikvideo aus Österreich jenseits der 100 Millionen. MC Yankoo versorgt Wiens Außenbezirke und den gesamten Balkan mit Bangern. Und daheim wird er völlig ignoriert. Weil er auf Serbisch rappt. Dabei hätte ein Viertel der heimischen Bevölkerung Migrationshintergrund, die allermeisten davon stammen aus Ex-Jugoslawien. »Moje Zlato« – mit schmetternden Trompeten, Harmonikas und allen Händen in der Luft – ist dabei der vielleicht wichtigste Song dieser ÖsterreicherInnen. (sn)

Crack Ignaz Elvis (2012)

Camo & Krooked feat. Pat Fulgoni All Night (2013)

Wenn Crack Ignaz jedes Mal, wenn er als der österreichische A$AP Rocky bezeichnet wurde, einen Euro bekommen hätte, würde er wirklich in »Geld Leben«, wie sein viertes Album hieß, das er 2016 zusammen mit Wandl produziert hat. In dieser Liste steht Crack Ignaz für das, was Cloud-Rap im vergangenen Jahrzehnt hierzulande ausgemacht hat: Hanuschplatzflow und Millionen Schichten Ironie. Mit »Elvis« erfindet der Salzburger die österreichische Version eines Genres, das andere Länder erst später erreichen soll. (tz)

Im Drum & Bass jagen alle die lauteste Snare, den fettesten Drop, das gewaltigste Feuerwerk in den Synapsen. Camo & Krooked aber finden Nuancen. Sie wollen einem Genre, das vom Maximum lebt, Understatement beibringen. »Watch It Burn« hat alle Regler noch auf der Elf, »If I Could« wartet mit brillanten Farben auf, »Good Times Bad Times« verschränkt Soul mit einem verrückten Break. »All Night« dagegen bedient alle Regeln der Kunst und setzt sie gleichzeitig außer Kraft. (sn)

HMBC Vo Mello bis ge Schoppornou (2010)

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Dass Mundart in den 2010erJahren ein Comeback feiern wird, war angesichts der zunehmend bürgerlichen Bedürfnisse, die die damals erwachsen werdende Jugend äußerte, abzusehen. Mundart ist das eine, Vorarlbergerisch ist das andere. »Von Mello bis ge Schoppornou« war ein Hit, der Dorffeste und studentische Milieus schwemmte, gerade weil niemand auch nur ein Wort verstand. Selbst VorarlbergerInnen taten sich angeblich mit dem speziellen Dialekt des Holstuonarmusigbigbandclubs schwer. Dabei hilft der eingängige und grölbare Refrain. (tz)

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Lesen Sie die Geschichten hinter den Schlagzeilen.

DiePresse.com/Sonntag

Menschen. Geschichten. Perspektiven.

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Kamp & Whizz Vienna Versager (2009)

Die Vamummtn Vamummtn Krocha Hymne (2008)

5/8erl in Ehr’n Siasse Tschik (2011)

Es gibt im österreichischen Hip-Hop keinen, der Kamp das Feuerwasser reicht. Manche sind erfolgreicher, aufrechter, idiotischer oder verballerter. Aber kein Zweiter reimt wie Kamp. Dazu häkelt Whizz Vienna Beats aus Soul und Gold. Gute zehn Jahre wartet die Szene auf dieses Album, das angekündigtermaßen Kamps erstes und letztes wird. Die Juice erklärt »Versager ohne Zukunft« zum Album des Jahres. Beim Titeltrack sind Abfuck, Todessehnsucht und Witz nicht mehr zu überbieten. Rap geht steil. Aber nach unten. (sn)

Mit ein paar Jahren Abstand können wir uns nicht mehr so sicher sein, ob die KrochaBewegung eigentlich nur ein Fiebertraum war. Der kollektive Schlafparalyse-Dämon einer ganzen Nation. Die Vamummtn lieferten mit der »Krocha Hymne« eigentlich einen satirischen Beitrag, den viele, die sich selbst besagter Jugendkultur zugehörig fühlten, als Leitbild befolgten. Für diesen einen Song wurde das Trio, deren bürgerliche Namen und Gesichter bis heute unbekannt sind, bei Universal Music gesignt. Es folgten nur mehr ähnlich peinliche, aber irrelevante Songs. (tz)

Die Wiener Soul-Formation 5/8erl in Ehr’n ist den Genussmitteln nicht abgeneigt, das macht sie schon im schlauen Bandnamen klar. Mit sehr viel Schmäh, politischem Bewusstsein und satten vier Jazz-AmadeusTrophäen grooven sich die Achterl seit über einem Jahrzehnt durch ihr eigenes Genre. Ein Höhepunkt ihrer Karriere: »Siasse Tschik«, die regionale Kifferhymne abseits von ReggaeKlischees. Als hätten sie die heurige Maxime des Social Distancing geahnt, feiern sie hier das Zuhausebleiben und Zustelldienste – freilich aus ganz anderen Gründen. (ae)

Supermax Love Machine (1977)

Salute feat. Liv Dawson Light Up (2017)

Seiler & Speer Ham kummst (2015)

Österreich hat in Sachen Pop nicht allzu viele Weltstars hervorgebracht, Kurt »Supermax« Hauenstein war einer davon. Und »Love Machine«, dieser Klassiker des DiscoFunk, sein größter Hit. Der Musiker – langes, blondes Haar, Schnauzer – spielte Bass für Ambros, Heller & Co, bevor er in Frankfurt bei Frank Farian (Boney M.) anheuerte und schließlich Supermax ins Leben rief. Ob auf Jamaika, im Südafrika der Apartheidszeit oder jenseits des Eisernen Vorhangs – überall trat Hauenstein auf. 2011, im Alter von 62, verstarb der »King of Groove« überraschend. (mf )

Nicht jede Musik, die ÖsterreicherInnen machen, muss sich auch so anhören. Nur eine Randnotiz in seiner Bio weist darauf hin, dass Felix Nyajo Wiener ist. Bereits vor der Matura schlug er als Producer Wellen. Sein Remix von Sam Smiths »Money On My Mind« erreichte ein globales Publikum. Ein baldiger Sprung in internationale Wässer war vorherzusehen. Zum Studieren ging er nach Brighton, später wählt Salute Manchester als Heimatort. Der Cuteness-Overload in »Light Up« ist mit über drei Millionen Streams sein bis dato größter Hit. (tz)

Auch wenn man mittlerweile auf sehr vielen Hochzeiten von sehr vielen betrunkenen Onkeln hören musste, wie sehr letzte Nacht eine »schwaare Partie« war, die Relevanz von »Ham kummst« für die Geschichtsschreibung des österreichischen Pop abzustreiten, wäre dennoch falsch: Ganze vier Monate ist der doch sehr klassische Austropop-Song in den Singles-Top-Ten, treibt das »Popwunder« Mitte der 10er-Jahre auf die Spitze und öffnet nachhaltig Türen für viele heimische KünstlerInnen und deren Charterfolge. (do)

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Hannes Patek & The Vienna Beatles Jeannie, Jeannie, Jeannie (1965)

Sofa Surfers Sofa Rockers (1997)

Money Boy Dreh den Swag auf (2010)

Der Patek Hannes ist als Showmaster (»Star Club Wien«) und Conférencier weniger als Musiker denn als Katalysator für die aufstrebende Beat-Szene der 1960er-Jahre in Erscheinung getreten. Seine Backing-Band The Vienna Beatles haben nicht nur den Namen der Fab Four übernommen, sondern auch Gestus, Frisur und Klamotte. Nichtsdestotrotz ist die aufgenommene Version – Label-Zusatz: »Shake« – des Rockabilly-Klassikers von Eddie Cochran ein beeindruckendes Zeitdokument und hochpreisiges Sammlerstück. (do)

Die Starthilfe kam von Richard Dorfmeister, dessen Remix den Sofa Surfers und ihrer Debütsingle »Sofa Rockers« international die Türen öffnete – u. a. für überzeugende Live-Shows in mehr als 25 Ländern. Kein Wunder, dass auch The Gap die Band damals aufs Cover hievte, um ihren »relaxten, eigenständigen Sound zwischen Dub, TripHop und sanften Drum-&-Bass-Anklängen« zu feiern. Über 20 Jahre, diverse stilistische Schlenker und einige Brenner-Soundtracks später sind die Sofa Surfers heutzutage längst ein »household name«. (mf )

Steige aus dem Bett, Interview mit Joiz, sheesh, Choices, walke rein in 1 Baumarkt der Marke Obi, vielleicht mit Hustensaft Jüngling und Medikamenten Manfred, frag nicht was für Saft, Orangensaft, Disslikes am Splash Festival, Becher werfen, Youtube löschen, Monte Carlo und Trap House Kitchen. Tatsächlich steht Money Boy öfter wieder auf als Jesus. Money Boy macht Rap als Meme in Perfektion. Er nimmt Old Town Road vorweg, Drake, LGoony, Taylor Swift und die 10er-Jahre sowieso. Am Anfang von allem war das Wort. Und das Wort war »Dreh den Swag auf«. (sn)

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Und außerdem … Unsere Bonustracks Nicht alles passt in eine Liste wie die unsere, auch wenn sie 100 Einträge lang ist – sei es aus thematischen (Lieblingslieder!) oder aus Platzgründen. Auch noch wichtig oder einfach nur schön: je drei weitere Song-Empfehlungen der AustroTOP-Verantwortlichen.

Bonustracks Astrid Exner

Ja, Panik Marathon (2007)

Petsch Moser Schöner Ort (2003)

A Thousand Fuegos No Up No Down (2012)

Nein, Gelassenheit ist nicht. Weil sich nicht nur Jahre, sondern manchmal ganze Lebensphasen wie ein einziger Marathon anfühlen, komme ich immer wieder zu dieser im besten Sinne erschöpfenden Nummer zurück. »DMD KIU LIDT« ist die konzeptuelle Essenz der Band. »Marathon« das aus dem Ärmel geschüttelte Meisterwerk.

Als Christl Stürmer »Starmania«-Zweite wird, entdecke ich die lokale Indieszene auf einer Gratis-Compilation. Da ist auch viel Schwachsinn drauf. Petsch Moser liefern aber eine Jahrhundertnummer. »Ich bin schon mal dort gewesen / An diesem schönen Ort!« Beim anschließenden Mundharmonika-Solo jauchzt mein Herz noch immer, als wäre ich 15.

Was berührt mich an diesem Track so sehr, dass er trotz magerer 13.000 Spotify-Plays hier rein muss? Dass es sogar wichtiger ist als eine Frauenquote in meinen Bonustracks? Ist es die Aura der Wotrubakirche auf dem Cover? Wahrscheinlich. Der Song ist eine Kathedrale. Das Anhören ersetzt einen Beichtgang.

Hauptfördergeber:

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Jahresfördergeber:

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Bonustracks Manuel Fronhofer

Nazar Lost In Translation (2012)

Sir Tralala The Night You Make Me Cry (2009)

Bei gleich zwei mittlerweile sehr angesehenen US-Indie-Labels mit der Katalognummer eins veröffentlicht zu haben – nämlich bei Matador und Thrill Jockey – das muss der Band um Hans Platzgumer und Andi Pümpel erst mal jemand nachmachen. Der Enge der Alpenrepublik Richtung USA entflohen, waren H.P. Zinker Teil der regen Indie- und Noiserock-Szene New Yorks.

Es hat mehr mit Respekt als mit Liebe zu tun, dass Nazar (zumindest hier) einen Platz in unserem Listenwahnsinn bekommt. Denn auch wenn man, wie ich, seine erfolgreiche Musikkarriere dann doch nur oberflächlich mitverfolgt: Er gibt einer Generation von neuen ÖsterreicherInnen eine – oft wütende, immer kompromisslose und selbstbewusste – Stimme, der es sich zuzuhören lohnt.

Zum Schluss noch etwas, das einem sanft, aber sehr bestimmt ans Herz fasst. Sir Tralala, gleichermaßen Eigenbrötler wie Entertainer, und die totale Selbstauslieferung: »Can you catch me if I try to give up my control?« Es ist Musik, die genau das tut, einen auffängt, umarmt. Es ist Weirdo-Pop von großer Emotionalität und dramatischer Schönheit.

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H.P. Zinker Reason (1992)

Bonustracks Stefan Niederwieser

Rainhard Fendrich Tränen trocknen schnell (1986)

Olga Neuwirth The Witch (1998)

Irma Richter & Reserl Schönegger Wir schaffen alle Männer ab! (1974)

Rainhard Fendrich ist ein Genie. Dieser Song schaut aus dem glühenden Herzen eines Menschen hinaus ins kalte Universum. Der Aufbau episch, die Worte sind Kunst und die Synthesizer aus den tiefsten 80ern. Ein Song wie eine Beichte an einen Gott, den es nicht gibt.

Eine der wichtigsten Komponistinnen der Gegenwart arrangiert einen Liederzyklus. Gewidmet ist er dem großen Klaus Nomi. Lieder aus dem Barock kommen darin vor, aus Dada oder, wie bei »The Witch«, aus »The Wizard Of Oz« – ein antifeministischer Jubelsong in einem feministischen Film. Ding-dong!1

Ein Wienerlied über toxische Männlichkeit, zweistimmig vorgetragen voll dunklem Witz. Irma Richter und Reserl Schönegger wussten vor 50 Jahren schon: Männer schwingen leere Worte, sie hängen an der Flasche, an Autos und Fußball, sind grantig, nervös und gewalttätig. Shoutout an FM4-Journalistin Alexandra Augustin fürs Ausgraben.

Anm.: Olga Neuwirth beim Festival Wien Modern 2012, bei dem der Komponistin ein Schwerpunkt gewidmet war. Foto: Lavinie Haala

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Bonustracks Dominik Oswald

Ludwig Hirsch Der Dorftrottel (1978)

Nichts ist so schlimm wie die Einsamkeit. Die Enttäuschung einer gescheiterten Liebe, der Rückzug ins Verschrobene, die Verwahrlosung des Selbst und die unendliche Überwindung, wieder zurückzukommen. Diese wabernde Dark-Folk-Dystopie ist ein Mahnmal gegen Selbstaufgabe, ein Hoffnungsschimmer gar.

Frank Roberts Maloja (1957) Es lebe der Untergrund! Der spätere Sexfilmregisseur und jugendliche Radaubruder Friedrich Fronz weckt Sehnsucht nach der Ferne – mit Novelty-Music, verschwörerischen Chören, knackigen Bongos und skurrilen Rufen nach einem Aufriss aus einer Bar, in Kuba war’s. »Maloja, ich habe Sehnsucht nach dir!«.

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Niemand verstand und beschrieb die Enge der österreichischen Provinz so treffend wie unser geliebter Meister des Düsteren. Das Drama vom Dorftrottel, dem Peterle, dem all das Verderben und eine Fehlgeburt angelastet werden, ist der tragische Höhepunkt in einer Karriere voller tragischer Höhepunkte.

Neigungsgruppe Sex, Gewalt & gute Laune Das Feuerwerk ist vorbei (2011)

Bonustracks Theresa Ziegler

Farce I Hate Berlin (2018)

Mile Me Deaf Macrosleep (2014)

Seer Wild’s Wasser (1999)

Österreich ist nicht in allererster Linie für seinen alternativen Club-Pop bekannt. Das hält allerdings Ausnahme-Acts wie Veronika König nicht davon ab, nach Wien zu ziehen. Mit »I Hate Berlin« aus ihrem Debütalbum »Heavy Listening« rief sich Farce als musikalisches Genie auf den Plan, dem noch einiges bevorsteht. Eine Künstlerin, die spätestens in Zukunft wichtig gewesen sein wird.

Wenn man sich vom Ausland aus für ein Praktikum bei The Gap vorbereitet, googlet man wild nach zeitgenössischem Pop in Österreich. Was dabei anno 2016 rauskam: Bilderbuch, Wanda, Mile Me Deaf. Wolfgang Möstl ist als Keyplayer einer eigenen Nische der heimischen IndieSzene nicht aus Studios und Labels wegzudenken. »Macrosleep« ist für mich der beste Song eines für MMD essenziellen Albums.

Schlager ist bekanntlich als Kunstform sehr unterschätzt und -repräsentiert. Die Seer liefern seit Jahrzehnten auf solidem Level ab. »Wilds Wasser« (die Schreibweise ändert sich auch seitens der Band selbst häufig) ist ein Song, der aus bayerischen und österreichischen Landhotels nicht mehr wegzudenken ist. Zu Recht.

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