The Gap 186a – Sonderausgabe: Diagonale 2021

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N° 186 a — Diagonale 2021

SONDERAUSGABE — THE GAP IST KOSTENLOS UND ERSCHEINT ZWEIMONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1052 WIEN, P.B.B. | MZ 18Z041505 M

Zwei Asse trumpfen auf

Wie Stefanie Sargnagel und Voodoo Jürgens beim Film landeten The_Gap_186a_Umschlag_PACK_BBA_korr_mf.indd 1

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Editorial Für immer vollendet

Florian Auer

Als wir im Vorjahr unsere allererste Sonderausgabe zur Diagonale fertigstellten, zeichnete sich mit dem Näherrücken des Erscheinungstermins zusehends ab, dass das Festival des österreichischen Films pandemiebedingt wohl nicht in gewohnter Form möglich sein dürfte. Wie lange uns Corona letztlich in Atem – und Zaum – halten würde, sollte sich aber erst nach und nach herausstellen. Und so ist das Virus über ein Jahr danach immer noch dauerpräsent. Aber der Weg raus aus der Krise liegt unmittelbar vor uns; es ist wieder mehr möglich, ohne sich oder andere zu gefährden. Erfreulicherweise auch Kultur. Und daher 2021 auch – obwohl zu einem späteren Termin als üblich und unter Corona-Schutzmaßnahmen – die Diagonale. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass sich viele sehr darüber freuen. Einige Programmpunkte der »Unvollendeten«, so tauften die Festivalverantwortlichen die abgesagte Diagonale 2020, werden nun heuer, von 8. bis 13. Juni nachgeholt. Etwa das Special »Zur Person: Jessica Hausner«, dem wir im Vorjahr die Coverstory unserer Sonderausgabe widmeten. Hinzu kommen jene Filme, die in den letzten zwölf Monaten fertiggestellt wurden, sowie jene Themen, die uns seitdem beschäftigen – etwa »Die neue Normalität«, zu der sich die Branche im Rahmen das diesjährigen Diagonale Film Meetings austauschen wird. Mit der vorliegenden Ausgabe wollen wir einen Einblick geben in das diverse Programm des Filmfestivals, wollen die Vorfreude befeuern und vor allem auch eine Hoffnung zum Ausdruck bringen: Möge die Diagonale 2020 die einzige unvollendete bleiben!

Manuel Fronhofer

Herausgeber • fronhofer@thegap.at

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Web www.thegap.at Facebook www.facebook.com / thegapmagazin Twitter @the_gap Instagram thegapmag Issuu the_gap

Herausgeber Manuel Fronhofer, Thomas Heher Chefredaktion Sandro Nicolussi Gestaltung Markus Raffetseder Autor*innen dieser Ausgabe Barbara Fohringer, Susanne Gottlieb, Manfred Gram, Oliver Maus, Michaela Pichler, Jana Wachtmann Coverfoto Nikolaus Ostermann Lektorat Sarah Gerstmayer, Jana Wachtmann Anzeigenverkauf Herwig Bauer, Manuel Fronhofer, Sarah Gerstmayer (Leitung), Thomas Heher Distribution Andrea Pfeiffer Druck Grafički Zavod Hrvatske d. o. o. Mičevečka ulica 7, 10000 Zagreb, Kroatien Geschäftsführung Thomas Heher Produktion & Medieninhaberin Comrades GmbH, Stauraczgasse 10/4, 1050 Wien Kontakt The Gap c/o Comrades GmbH Stauraczgasse 10/4, 1050 Wien office@thegap.at — www.thegap.at Bankverbindung Comrades GmbH, Erste Bank, IBAN: AT39 2011 1841 4485 6600, BIC: GIBAATWWXXX Abonnement 6 Ausgaben; Euro 21,— (aktuell: Euro 9,90) abo.thegap.at Heftpreis Euro 0,— Erscheinungsweise Sonderausgabe zur Diagonale – Festival des österreichischen Films; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1052 Wien Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz www.thegap.at/impressum Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber*innen wieder. Für den Inhalt von Inseraten haften ausschließlich die Inserierenden. Für unaufgefordert zugesandtes Bildund Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmi­ gung der Geschäftsführung.

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Diagonale’21 Festival des österreichischen Films

Graz, 8.—13. Juni 2021 diagonale.at

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Nikolaus Ostermann

Magazin 006 Gewartet und gefüttert Stefanie Sargnagel und Voodoo Jürgens im Interview 016 »Das Gefängnis ist ein Mikrokosmos unserer Gesellschaft« Arman T. Riahi über »Fuchs im Bau« 020 »Die Anarchie ist Teil unseres Wesens« Harald Aue über »Ein Clown | Ein Leben« 022 How to Performance »Wenn es Liebe wäre« von Patric Chiha 030 Diagonale-Essentials Weitere Filmtipps 033 Und rundherum? Das Diagonale-Rahmenprogramm

006 Rubriken 003 Editorial / Impressum 014 Golden Frame 024 Wortwechsel 027 Prosa: Sebastian Brauneis 034 Graz-Termine

Film, TV & Media – Creation and Distribution

Corona-Aftermath

Was der Kulturbranche von der Krise bleiben wird The_Gap_185_Umschlag_PACK.indd 1

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#pflanzenliebe

Von Hypes und Hobbys The_Gap_18

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© Stella Hofstadler

AUSGABE DEZEMBE

N° 184

€ 0,—

N° 185

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R 2020 / JÄNNER 2021 — THE GAP IST KOSTENL VERLAGSPOSTAMT OS UND ERSCHEIN 1052 WIEN, P.B.B. | MZ 18Z041505 T ZWEIMON ATLICH. M

€ 0,— N° 186

ZWEIMONATLICH. GAP IST KOSTENLOS UND ERSCHEINT AUSGABE APRIL / MAI 2021 — THE | MZ 18Z041505 M VERLAGSPOSTAMT 1052 WIEN, P.B.B.

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Nikolaus Ostermann

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Stefanie Sargnagel und Voodoo Jürgens kennen einander schon lange. Sie arbeiten immer wieder für Projekte zusammen. Jetzt sind die beiden beim Film gelandet.

Gewartet und gefüttert Stefanie Sargnagel und Voodoo Jürgens im Interview

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Stefanie Sargnagel und Voodoo Jürgens haben der heimischen Kulturszene in den letzten Jahren einen deutlichen Stempel aufgedrückt. Jetzt stehen sie mit ihren Kunstfiguren auch noch vor der Filmkamera. Wir haben mit den beiden über SchauspielCrashkurse, die Vorzüge der Dreharbeiten sowie ihre Filme »Sargnagel« und »Another Coin for the Merry-go-round« gesprochen. ———— Natürlich ist es semioriginell, Voodoo Jürgens für einen Interview- und Fototermin in den Prater zu bitten. Seit er vor fünf Jahren mit dem Song »Heite grob ma Tote aus« die Popkulturszene enterte, ist die Kunstfigur, die David Öllerer mit Leben füllt, eng mit dem Wiener Vergnügungspark verknüpft. Nicht selten als Teil der Inszenierung. Und auch Stefanie Sargnagel könnte man für Gespräche woanders hinlotsen und sich im Vorfeld was Gewitzteres überlegen. Mögliche Orte dafür finden sich in ihren Büchern wie »Binge Living«, »Fitness« oder zuletzt »Dicht«.

»Ich war im ersten Moment eher ein bisschen schockiert, als ich erfahren habe, dass der Film gemacht wird.« — Stefanie Sargnagel

Aber was soll’s. Während der Vorbereitungen zu dieser Diagonale-Sonderausgabe ist noch immer Lockdown und alles hat zu. Natürlich auch der Prater. Aber der hat auch geschlossen eine Art kaputten Charme und gewährt dabei einen Blick in die Abgründe der Wiener Seele. Als gemeinsamer Nenner zwischen den beiden geht er also schon durch. Sind doch Blicke in Abgründe weder der Autorin Sargnagel noch dem Musiker Voodoo Jürgens fremd, wenn sie präzise und pointiert ihre Beobachtungen zu Texten verarbeiten. Das hat schon öfters in gemeinsamen Projekten gemündet. Etwa der Theaterproduktion »Ja, eh! Beisl, Bier und Bachmannpreis« im Rabenhof. Zu den Texten von Sargnagel lieferte Voodoo Jürgens damals die musikalische Gestaltung.

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Zuletzt kreuzten sich die Wege der beiden für den Kinofilm »Sargnagel«. In dem spielt sich die Autorin selbst und Voodoo Jürgens, der im Film auch ein paar kleine Auftritte absolviert, komponierte die Musik dazu. Übrigens nicht das einzige Filmprojekt von Voodoo Jürgens: Er stand auch für das Coming-of-Age-Indie-Drama »Another Coin for the Merry-go-round« vor der Kamera. Zwei Bühnenmenschen, die als Schauspieler*innen vor der Kamera landen. Wieder so eine Gemeinsamkeit. Sargnagel und Jürgens verspäten sich übrigens leicht. Bei Sargnagel hängt die UBahn fest. Und bei Voodoo Jürgens dauerte der Tätowiertermin ein wenig länger. Zu fragen, was und wo gepeckt wurde, wäre durchaus angebracht gewesen. Allein, diese Chance wurde verpasst. Deswegen startet das Interview jetzt so: Steffi, Voodoo – eure beiden Kunst- und Bühnenfiguren haben ja einiges gemeinsam. Ganz banal vorneweg: Wo habt ihr euch eigentlich kennengelernt? stefanie sargnagel: So genau kann ich das gar nicht mehr sagen. Der Herr Voodoo war jemand, vom dem ich beim Fortgehen immer schon das G’sicht kannte. Außerdem gibt es sehr viele gemeinsame Freunde und Bekannte. Ich würde sagen, es war vorm Flex oder in der Abendschule. voodoo jürgens: Ich glaube auch, dass unser Kennenlernen eine Mischung aus gemeinsamen Freunden, Flex und Abendschule war. Nur zur Sicherheit: »Abendschule« ist nicht der Name irgendeines Beisls, das man kennen sollte … sargnagel: Nein, damit ist schon die einzige öffentliche Wiener Abendschule am Henriettenplatz gemeint. Dort haben viele Leute, die keine reguläre Schulkarriere gemacht haben, eine Zwischenstation eingelegt. Aber ich weiß gar nicht, ob wir da schon so viel miteinander zu tun gehabt haben … voodoo: Nicht wirklich. Aber wir sind halt beide oft draußen gesessen und haben Bier getrunken. Mittlerweile arbeitet ihr immer wieder bei Projekten zusammen. Wie jetzt zum Beispiel beim Film »Sargnagel«. Steffi, stimmt es, dass du gar nicht so glücklich darüber warst, dass dein Buch und dein Leben verfilmt werden sollten? sargnagel: Ich glaubte eigentlich gar nicht mehr an die Zusage für die Filmförderung bei diesem Projekt. Als die dann kam, war der Zeitpunkt nicht ideal. Ich hat-

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te gerade urviel zu tun und wollte mich damals auch nicht unbedingt exponieren und auf einer Leinwand sehen. Deswegen war ich im ersten Moment eher ein bisschen schockiert, als ich erfahren habe, dass der Film »Sargnagel« gemacht wird. Die Verfilmung deiner Bücher war also schon länger ein Thema? sargnagel: Ja. Es gab recht bald Interesse an den Filmrechten zu »Fitness« und »Statusmeldungen«. Dabei stand auch anfangs immer schon im Raum, dass ich mich darin selbst spielen sollte. Nur scheiterten die Probeaufnahmen, die man mit mir machte, und so wurde ein Spielfilmkonzept entwickelt. Das man allerdings wieder verwarf und zu einer Mockumentary umschrieb, als man merkte, dass das Interesse bei den Förderstellen größer ist, wenn ich selbst mitspielen würde. Es war eigentlich tatsächlich ein bisschen so, wie es in der Dokumödie thematisiert wird.

Hattest du eigentlich als Autorin der Vorlage Einfluss aufs Drehbuch? sargnagel: Nicht wirklich. Mir wurde das Drehbuch zwar immer wieder zum Gegenlesen gegeben, aber ich hab einfach keine Erfahrung mit Film und DrehbuchSchreiben und mir schwer getan, irgendwie eine Art von Feedback zu geben. Manche Szenen fand ich beim Lesen gelungener als andere, aber ich konnte mir nur schwer vorstellen, wie’s dann im Film wird. Aber wenn mir Dinge nicht so vom Mund gegangen sind, durfte ich’s spontan ein wenig abändern.

Und sonst? Glücklich mit der Sargnagel, die jetzt auf der Leinwand zu sehen ist? sargnagel: Ja. Es fügt sich alles schön zusammen. Auch wenn ich die komplette Kontrolle über meine Kunstfigur für den Film abgegeben habe. Aber so gibt es jetzt eben eine neue Sargnagel, eine, wie sie vom Regie- und Drehbuchduo Sabine Hiebler und Gerhard Ertl gesehen wird. Ein bisschen eine Boomer-Version von mir … Nein! War nur Spaß.

Gibt es Lieblingsszenen im fertigen Film? sargnagel: Ja, die Szenen, die sich an den Monologen orientieren, die mein ExFreund Witzmann immer gehalten hat. Sie sind eine Hommage und gleichzeitig der Realität am nächsten. Sie haben zudem eine gewisse Melancholie und ich mag ja

Da konntest du wahrscheinlich beim Komponieren der Filmmusik ein wenig freier an die Sache rangehen, Voodoo? voodoo: Es war jedenfalls eine ganz andere und neue Herausforderung, die ich sehr spannend gefunden habe, weil es von dem, was ich hauptsächlich mache, weggeht. Ich erzähle in meinen Texten ja

tragisch-komische Sachen. Wird’s zu klamaukig, find ich Dinge nicht mehr witzig.

Elke Kahr The_Gap_186a_Kern_PACK_BBA_korr_mf.indd 9

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immer Geschichten, die dann mit mir relativ viel zu tun haben. Das war bei diesem Projekt nicht gefragt. Es ging mehr darum, Stimmung in die Szenen reinzubringen. Und es hat mich gereizt, so etwas einmal zu tun. Und wie war es mit der Schauspielerei? Du spielst ja im Film »Sargnagel« auch eine kleine Rolle … voodoo: Es ist ein Glück gewesen, dass ich mich selbst spielen durfte. Da kann man nicht so viel verhauen. Es ist sicher einfacher, als einen Charakter zu spielen, der jetzt mit einem selbst wenig zu tun hat. Was du aber ebenfalls bereits gemacht hast. In »Another Coin for the Merrygo-round« von Hannes Starz bist du ja sehr prominent besetzt. Wie kam es eigentlich dazu? voodoo: Mit Hannes Starz hab ich schon mehrere Musikvideos realisiert. Pa­ rallel arbeitete er aber intensiv am Drehbuch zu »Another Coin for the Merry-goround« und er dachte sich immer, dass er eine tragende Rolle im Film gerne mit mir besetzten würde. Es geht darin um eine Clique, alle so um die 30, die irgendwie noch immer in ihrem jugendlichen, unbesorgten Leben feststeckt, aber gleichzeitig bricht gerade der Ernst des Lebens rein. Ein Coming-of-Age-Film. Deine Figur begeht gleich am Anfang einen Suizidversuch, ein weiterer in der Mitte des Films gelingt schließlich auch. Da ist es mit dem Coming-of-Age eigentlich schnell vorbei …

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voodoo: Ein zentrales Motiv im Film ist schon, was dieser gescheiterte Suizidversuch mit der ganzen Gruppe macht. Alle versuchen das wegzuschieben, was aber nicht wirklich funktioniert. In den Filmcredits lässt du dich als Voodoo Jürgens anführen. Warum eigentlich nicht als David Öllerer, sondern mit dem Namen deiner Kunstfigur, die mit der Rolle nicht wirklich was zu tun hat?

»Es hilft mir, wenn ich einen Character zwischen mich und die Welt schalte.« — Voodoo Jürgens

Atem und ang’fressen.« Oder: »Red immer leiser, als du denkst, dass du reden solltest, weil man dazu tendiert, zu laut zu sprechen.« Also ganz pragmatische Sachen, die mir sehr geholfen haben. Und natürlich ist meine Rolle auch sehr dankbar angelegt. Ich musste selten viel Emotionen zeigen und mein Charakter ist sehr, sehr passiv und die meiste Zeit schlecht gelaunt. Das ist jetzt auch nicht das, was am schwersten zu spielen ist. Also keine Youtube-Tutorials und Webinare zur Schauspielerei? sargnagel: Nicht wirklich, nein. Aber ich hab in der Schule gern geschauspielt. Aber das ist was völlig anderes und schon ewig her.

voodoo: Ich kann es nicht genau sagen. Es hat mir aber nie getaugt, wenn mein richtiger Name irgendwo drinsteht. Ich finde ihn einfach nicht recht klangvoll. Außerdem hilft es mir, wenn ich einen Character zwischen mich und die Welt schalte.

Im Schultheater? Dürrenmatt oder Nestroy? sargnagel: Eine Theatergruppe gab’s an meiner Schule leider nicht regelmäßig, aber wenn, dann Nestroy – »Die schlimmen Buben in der Schule« und so. Ich hab aber einmal aus Interesse auf der Volkshochschule einen Schauspielkurs besucht, und ich war in einem AMS-Kurs für Problemjugendliche, da haben wir auch ein Jahr Schauspiel gemacht. Impro-Theater, um genau zu sein. voodoo: Ich brachte nur die Erfahrung mit, die ich auf der Bühne und bei Musikvideodrehs gesammelt habe.

Hattet ihr eigentlich für den Film einen Crashkurs in Sachen Schauspiel? sargnagel: Ich wurde schon ein bisschen gecoacht und erhielt einfache Tipps wie: »Wenn du wütend spielst, dann mach vorher zehn Liegestütz, weil dann bist du außer

Gab’s trotzdem Zweifel bei euch, die Rollen anzunehmen? voodoo: Bei mir waren die nicht so groß, weil ich den Regisseur ja schon sehr gut kannte und schon immer in einem Film spielen wollte. Meine Idealvorstellung hat

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Für die Mockumentary »Sargnagel« reaktivierte Stefanie Sargnagel ihre rote Baskenmütze.

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Statusupdate

Leute mit mir einen Film machen wollen«, fasst Sargnagel das Projekt zusammen. Oder etwas detaillierter: Sargnagels Buch »Fitness« soll verfilmt werden, einzige Bedingung von Seiten der Filmförderung ist, dass sich die Autorin selbst spielt. Michael Ostrowski als Regisseur und RabenhofDirektor Thomas Gratzer als Produzent geben im Film die Zeremonienmeister. Dazwischen: Hilde Dalik, die eigentlich Stefanie Sargnagel spielen soll – was aber nichts wird, weil Stefanie Sargnagel sich doch selbst spielt und dabei permanent von einem Kamerateam begleitet wird. Es braucht ja Material für den Film im Film. Lebensstationen und Lebenssituationen werden nun abgeklappert. Callcenter, Nachtleben, Lesereisen, Buchvertrag mit Rowohlt, Schreibblockade, Psychotherapie, Familie, Beziehung, Freundschaft, Nazi-Shitstorm, Krankenhaus. »Es sind so viele Metaebenen im Film, dass ich selbst nicht mehr ganz genau wusste, was noch Realität ist«, erinnert sich Sargnagel an die Dreharbeiten. »Es wurde zum Beispiel eine Filmwohnung gemietet, in der meine echten Bücherregale stehen. Und man hat auch echte Kleidungsstücke von mir nachgenäht.« Unterm Strich bleibt eine ungewöhnliche, nichtsdesto­ weniger charmante Literaturverfilmung, die clever zusammenkleistert, was im Sargnagel-Kosmos irgendwie eh zusammengehört: Realität und Fiktion.

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Anna Hawliczek, Carolina Steinbrecher

Literaturverfilmung, Mockumentary, Biopic und noch eine Metaebene: der Film »Sargnagel«. ———— Gut drei Jahre dürfte es jetzt her sein, dass sich das Regieduo Sabine Hiebler und Gerhard Ertl dazu entschlossen hat, das Literatur-, Cartoon- und Internetphänomen Stefanie Sargnagel auf die Leinwand zu bringen. Und zwar als Dokumödie. Der Clou des Projekts: Die Autorin selbst soll im Film die Hauptrolle spielen. Nicht wenige Menschen waren skeptisch, als sie erstmals von diesem Projekt hörten. Vor allem Sargnagel selbst. Wie soll denn das bitte gut gehen? Statusmeldungen, die vom Handy und Laptop aus SocialMedia-Stränge füttern und Bücher füllen, sind das eine, aber das Ganze auf die Leinwand bringen? Die schönsten Unkenrufe sind die, die einfach verhallen. Hiebler und Ertl haben nämlich einen kurzweiligen und amüsanten Film realisiert, der gewitzt eine Metabene nach der anderen aufschichtet, geschickt mit filmischen und außerfilmischen Realitäten spielt und nebenbei auch noch als leicht überdrehte Satire auf den heimischen Kulturbetrieb durchgeht – lustvoll mit Gast- und Cameo-Auftritten von Proponent*innen der Wiener Kulturszene garniert. »Ich würde die Mockumentary schon als Buchverfilmung sehen. Denn das Skript basiert auf Texten von mir aus ›Fitness‹ und ›Statusmeldungen‹. Es ist ein Film darüber, dass

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Mit dem CoronaTestpass zum Freizeitvergnügen! Der Corona-Testpass gilt für alle Schülerinnen und Schüler als Nachweis ihres negativen Testergebnisses im Rahmen der Antigen-Selbsttestungen in der Schule. Er dient zur Vorlage im Restaurant, Schwimmbad oder beim Frisör beziehungsweise an allen Orten, an denen von Personen ab einem Alter von 10 Jahren die Vorlage eines negativen Testergebnisses verlangt wird. www.bmbwf.gv.at/coronatestpass Zur Glaubhaftmachung gemäß § 20 der COVID-19-Öffnungsverordnung, BGBl Nr. II/214, ist das Mitführen eines Schülerausweises, eines Freifahrtscheins, eines Personalausweises o.ä. sinnvoll.

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In »Another Coin for the Merry-go-round« muss sich eine eingeschworene Indie-Clique (Voodoo Jürgens, Valerie Pachner, Max Bogner) dem Leben stellen.

wird einem ständig gesagt, was zu tun ist – »jetzt darfst du Kaffee trinken«, »jetzt darfst du aufs Klo«, »jetzt kriegst du dein Essen«. Man kann halt komplett abschalten und es war echt ein bisschen Erholung irgendwie. Dass du dich herumkommandieren lässt, verwundert fast ein bisschen, wenn man deine Texte kennt … sargnagel: Na ja, es ist ja freiwillig und nicht autoritär im klassischen Sinn. Aber basisdemokratisch geht’s beim Film auch nicht zu.

Adoleszenz ist prinzipiell schon ein Drama. In »Another Coin for the Merry-go-round« trifft’s gleich eine ganze Clique. ———— Regisseur Hannes Starz kennt sich in der Wiener Underground- und DIY-Szene aus. Mit den Gürtellokalen, den Bandproberäumen und Subkulturbeisln. »In diesem ›Neverland‹ habe auch ich meine Studentenzeit verlebt und bin in Kontakt mit der Wiener Musikszene gekommen«, lässt er wissen und meint mit »Neverland« vor allem ein Gefühl ewiger Jugend, das diesen Orten anhaftet. Genau dort lässt er auch seinen Film »Another Coin for the Merry-go-round« spielen. Im Fokus steht eine Clique postpubertärer Realitätsverweigernder, die mit Anfang 30 vom Leben eine volle Packung Coming of Age serviert bekommt. Anna (Valerie Pachner), Niko (Voodoo Jürgens), Ilias (Max Bogner) und Jools (Tinka Fürst) träumen vom Durchbruch als Band, obwohl man weit davon entfernt ist, die eigenen Instrumente auch nur im Ansatz zu beherrschen. Braucht man auch nicht, solange der Drogenrausch seine Arbeit tut. Nach einem Sui­ zidversuch gleich zu Beginn des Films landet Niko nicht im Jenseits, sondern im Rollstuhl, an der grundsätzlichen Einstellung und Sichtweise aufs Leben ändert dies aber nichts. Zu groß scheint – aller Liebe zum Trotz – die Angst, sich den eigenen und gemeinsamen Abgründen zu stellen. Also macht man weiter. Nur, Lösung ist das halt auch keine. Die Sache eskaliert, als Niko dann endgültig verschwindet.

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voodoo: Ja, eh, aber als Hauptdarsteller wird man schon gut behandelt. sargnagel: Das stimmt natürlich, da war man schon in einer besonderen Position. Und ich hatte immer das Gefühl, ich bin ein Gegenstand, und alle schauen und passen darauf auf, dass dieser Gegenstand nicht kaputt geht, immer pünktlich transportiert wird und auch gut gewartet, geputzt und gefüttert wird. Da ging es nicht um mein persönliches Wohlbefinden, sondern darum, dass der Film ohne Schwierigkeiten entsteht. Trotzdem war es eine freundschaftliche Teamarbeit. Manfred Gram

»Für mich war der Film vor allem deswegen spannend, weil meine Rolle nichts mit dem Voodoo-Charakter zu tun hat«, erzählt David Öllerer aka Voodoo Jürgens über seine Schauspielerfahrung. Sorgen zu scheitern machte er sich keine: »Ich habe gehofft und auch ein bisschen darauf vertraut, dass man in die Rolle reinkommt, je länger man es macht – und so ist es dann eigentlich auch gewesen.« So leise wie möglich und so laut wie nötig inszeniert Starz diese Story, sichtlich darauf erpicht, in entscheidenden Momenten authentisch zu sein. Mit natürlichen Lichtquellen und mit Dialogen, die meist nur inhaltlich vorgegeben waren, ansonsten aber improvisiert wurden. Das Vertrauen zwischen Regisseur und seiner Schauspielcrew schafft in »Another Coin for the Merry-go-round« durchaus schöne, intime Momente. Nicht minder intim: die musikalischen Auftritte von heimischem Indie-Kolorit wie Bulbul oder Alicia Edelweiss. Allerdings gleitet der Spielfilm so auch immer wieder in Richtung Musik- und Szenedoku ab. Ein Eindruck, der durch Überblendungen mit Song- und Literaturzitaten bzw. typografischen Spielereien vor entscheidenden Kapiteln noch verstärkt wird. Als wolle man der Orientierungslosigkeit der Hauptfiguren noch einmal Nachdruck verleihen, indem man sich selbst nicht so recht entscheiden mag, wie denn dieses Lied über Freundschaft und Erwachsenwerden am besten gesungen wird.

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Würdet ihr es wieder tun? sargnagel: Also ich fand’s auf jeden Fall lustig und es war auch sehr angenehm, sich nicht ständig wie beim Schreiben selber disziplinieren zu müssen. Am Set

Nächste Runde

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immer so ausgesehen: Ich musizier, und wenn sich einmal was mit Schauspielerei ergibt, dann mach ich das dann auch. sargnagel: Ich hatte massive Zweifel. Vor allem, da ich mich selbst spiele, hänge ich schon mit meiner ganzen Credibility drinnen. Ich hatte auch richtig Panik, mir den Film zum ersten Mal anzuschauen, und Angst davor, vielleicht auswandern zu müssen.

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Golden Frame Zeitgenössische Kunst im angemessenen Rahmen

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Foto: Suzana Murati »Wien«, 2017 The_Gap_186a_Kern_PACK_BBA_korr_mf.indd 15

»Ich kann nur beim Gehen nachdenken. Bleibe ich stehen, tun dies auch meine Gedanken«, sagte bereits Jean-Jacques Rousseau. Und auch der griechische Philosoph Epikur versammelte sich mit seinen Anhängern im Garten, wo sie alle spazierend den wichtigen Fragen des (damaligen) Lebens nachgingen. Spazierengehen ist also nicht nur Bewegung für den Körper und die Möglichkeit, ein paar Fotos für Instagram zu machen, sondern auch: innehalten, den eigenen Gedanken freien Lauf lassen, die (vermeintliche) Unproduktivität genießen, die Stadt (neu) entdecken. In der Ausstellung »Aimless Stroll – Analoge Fotografien der Stadt« wird genau das fotografisch festgehalten. ———— In Anlehnung an das historische Special »Sehnsucht 20/21 – Eine kleine Stadterzählung«, das schon für die Diagonale 2020 geplant war, und frei nach dem Filmavantgardisten Alexander Hammid (»Aimless Walk – Spaziergang ins Blaue«) widmet sich die Ausstellung den auf Spaziergängen entstandenen Fotos der teilnehmenden Künstler*innen Anna Breit, Elodie Grethen, Niko Havranek, Nikola Hergovich, Susanna Hofer, Peter Jaunig, Laurie, Lukas Lerperger, Suzana Murati, Zara Pfeifer und Paul Pibernig. Sie alle sind Mitglieder von One Thousand and More Pictures. Die Künstler*innenPlattform ist zugleich Crowdfunding-Projekt, bei dem eine Gruppe von Fotograf*innen das Ziel verfolgt, einem kunstinteressierten Publikum leistbare Prints ihrer analogen Fotografien anzubieten. Diagonale-Aficionados wird der Name Paul Pibernig dabei vermutlich ein Begriff sein, ist er doch einer der Menschen, die die Diagonale fotografisch für die Nachwelt festhalten. Neben ihm ist auch Suzana Murati in der Schau vertreten, von der das Foto auf dieser Doppelseite stammt. Die Fotografin und Filmemacherin (ihr Kurzfilm »Omega« ist auf ihrer Website zu sehen) lebt und arbeitet in Wien. In der Fotografie befasst sie sich mit unterschiedlichen Themen wie etwa Mode und Architektur, jedoch sind es meist ihre Umgebung und der gewöhnliche Alltag, die ihr Inspiration bieten. Sie fotografiert dabei analog und mit Kameras, die sie auf Flohmärkten findet. Das Foto nebenan besticht durch seine Klarheit. Wir sehen eine Frau – sie trägt ein grün-weißes Kleid mit Blumen-Print und keine Schuhe. Wir wissen nicht, wohin sie geht oder woher sie kommt, wir sehen nicht einmal ihr Gesicht. Sie entzieht sich unserem Blick. Wir kennen weder sie noch ihr Umfeld, wir wissen nicht viel über den Kontext des Fotos. Wir sehen zudem: ein orange-braunes Gebäude, das das Flair eines Industriegebiets versprüht; auf dem Rasen neben der Frau wachsen keine Blumen. Auch sonst: Leere, das Gefühl von Flüchtigkeit. Unsere Gedanken schweifen ab – ganz passend beim Thema Spaziergang – und weiter, weiter zu dieser mysteriösen Frau. Sie geht nach links, hinein in den Schatten, hinaus aus dem Licht – hinaus aus dem Fokus. Das Foto wirkt durch die beiden Schatten links und rechts zerschnitten, spielt dadurch auch mit den Erwartungen des Publikums. Egal, wie oft wir hinsehen: Die Frau wird sich nicht umdrehen. Barbara Fohringer

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»Aimless Stroll« Die Kunst des Spazierens

Die im Rahmen der Diagonale stattfindende Ausstellung »Aimless Stroll – Analoge Fotografien der Stadt« ist von 2. Juni bis 2. Juli 2021 im Feinkost Mild (Stubenberggasse 7, 8010 Graz) zu sehen.

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Ivory Rose Photography

016 »Fuchs im Bau«-Regisseur Arman T. Riahi: »Das Unbewusste und die Kreativität sind wie Geschwister.«

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Ivory Rose Photography

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»Das Gefängnis ist ein Mikrokosmos unserer Gesellschaft« Arman T. Riahi über »Fuchs im Bau« Mit seinem neuen Film »Fuchs im Bau« eröffnet Arman T. Riahi die diesjährige Diagonale. Im Interview erzählt er, warum der Film in einem Gefängnis spielt, welche Herausforderungen es beim Dreh gab und welche Beziehung er zu seiner Kreativität hat. ———— »Willkommen im Strafvollzug!« – So wird Hannes Fuchs (Aleksandar Petrović) zu Beginn des Films begrüßt, als er seinen neuen Job als Gefängnislehrer antritt. Er soll die dort unterrichtende Elisabeth Berger (Maria Hofstätter), die mit ihren unkonventionellen Methoden bei der Gefängnisleitung aneckt, unterstützen. Arman T. Riahi, dessen Spielfilmdebüt »Die Migrantigen« der dritterfolgreichste Film des österreichischen Kinojahres 2017 war, begibt sich mit »Fuchs im Bau« also in die Welt eines Gefängnisses – mit all seinen eigenen Regeln und mit all den unterschiedlich schwierigen Biografien seiner Figuren. Dabei abermals an Riahis Seite: Aleksandar Petrović sowie Faris Rahoma – neben Andreas Lust und Sibel Kekilli sowie einer Reihe von Laiendarsteller*innen. Dein neuer Film wurde von der Lebensgeschichte realer Personen inspiriert. Wie hast du dich dem Thema genähert? arman t. riahi: »Fuchs im Bau« nahm seinen Anfang während der Recherche zu

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meinem ersten Langfilm »Schwarzkopf«. Ich wollte mit Jugendlichen sprechen, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren. Also rief ich in der Justizanstalt Josefstadt an und fragte, ob ich in die Jugendabteilung darf. Dort habe ich dann den Gefängnislehrer Wolfgang Riebniger kennengelernt – oder wie ich ihn liebevoll nenne: HäfnMerlin. Er hat mich vom ersten Tag an beeindruckt. Seine Statur, seine langen grauen Haare, sein Charisma, vor allem aber seine Art, mit den Jugendlichen umzugehen. Er war genauso frech wie die Insass*innen und hat ihnen die Stirn geboten. Er hat sie ständig gefordert, ob mit paradoxer Intervention, spontanen Ausflügen in die Gefängnisküche oder mit Kunstunterricht. Er hat regelmäßig Kunstschaffende und Autor*innen ins Gefängnis geholt und den Kindern Einblicke in fremde Welten gegeben. Die Gefängnisschule war der einzige Ort im Gefängnis, an dem die Jugendlichen frei waren. Seine Persönlichkeit war maßgeblich für den Film, aber er war nicht der einzige Lehrer, den ich im Laufe der Recherche kennengelernt habe. Auch Sieglinde Rettenbacher, eine Pädagogin einer Salzburger Haftanstalt, war Vorbild für den Film. Die Entscheidung, aus meiner Lehrerpersönlichkeit eine Frau zu machen, war wichtig, um eine eigene Figur zu schaffen, die autark ist, und um eine Di-

stanz zu schaffen. Auch wenn der Film von wahren Begebenheiten inspiriert ist, ist er am Ende Fiktion. Was hat dich am System Gefängnis interessiert? Das Gefängnis ist ein Mikrokosmos unserer Gesellschaft. Die Strukturen »draußen« sind jenen »drinnen« sehr ähnlich, nur ist alles noch konzentrierter, noch klarer. Das Gefängnis funktioniert wie ein Brennglas, es schärft bestehende Machtverhältnisse. Foucault behauptete, die Disziplinierung von Menschen in Gefängnissen oder Schulen habe eine produktive Gesellschaft hervorgebracht. Doch wir wissen heute, dass das Gefängnis tendenziell mehr Kriminalität verursacht und nicht weniger. Zusätzlich zu diesen Fragen gibt es persönliche Gründe, warum mich das Gefängnis fasziniert: Mein Vater war fünf Jahre in Haft – unter körperlicher und psychologischer Folter. Auch meine Mutter, sogar meine Schwester und ich selbst sind nach unserer Flucht in der Türkei von türkischen Behörden inhaftiert worden – als Kleinkinder. Wie hast du es geschafft, dass alle Schau­ spieler*innen, die unterschiedlich viel Erfahrungen vor der Kamera haben, gut zusammenarbeiten?

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Gedreht wurde größtenteils in einem ehemaligen Bezirksgericht in Stockerau und in dem daran anschließenden ehemaligen Gefängnis. Wie hat dies eure Arbeit beeinflusst und welche Herausforderungen gab es beim Dreh? Es war essenziell, dass wir in einem echten Gefängnis drehen durften. Vor den Dreharbeiten habe ich die jungen Schauspieler*innen in die Zellen gesperrt,

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damit sie zumindest eine klitzekleine Ahnung davon bekommen, was es heißt, inhaftiert zu sein. Das klingt jetzt schlimmer, als es war, aber die Aura des Gefängnisses hat viel in ihnen bewirkt. Auch drehtechnisch war es übersichtlicher, ein leerstehendes Gebäude zu haben, in dem wir uns austoben konnten, als alles im Studio nachzubauen. Ein Studiodreh wäre viel teurer gewesen.

»Die Gefängnisschule war der einzige Ort im Gefängnis, an dem die Jugendlichen frei waren.« — Arman T. Riahi So haben wir die Zellentrakte, die Gitter und Gänge und Dienstzimmer des Gerichtsgebäudes umgestrichen, die Gefängnisschule gestaltet und hatten unseren Häfn. Wir mussten nur Entscheidungen treffen: Soll das Gefängnis aussehen wie ein modernes Gefängnis – also hell, weiß, steril? Oder wie das graue Haus? Alt, mit Patina, verwinkelt? Woher kommt das Licht? Und wie müssen die Gänge aussehen, damit die Gefängnisschule einen Kontrapunkt setzt? Das ehemalige Bezirksgericht in Stockerau hat viele unserer Fragen beantwortet. Es war eine tolle Grundlage für die weiteren Schichten,

die wir drauflegen mussten und auf die es eigentlich ankam. Denn »Fuchs im Bau« ist ja in seinem Kern ein Kammerspiel. Und aus diesem Kammerspiel versuchen meine Figuren ständig auszubrechen. Im Fokus der Geschichte stehen drei Personen: Die beiden Lehrer*innen sowie Samira. Warum hat dich diese Konstellation interessiert und welche Veränderungen machen diese Figuren in den 103 Minuten des Films durch? Ich wollte nicht einfach nur die alte Story eines Lehrers und eines Schülers erzählen. Ich fand die Beziehung zweier Lehrer*innen, die einen unterschiedlichen Zugang und gegensätzliche Gründe hatten, den Beruf auszuüben, spannender. Sehr früh in der Entwicklung war mir klar, dass es zwei Lehrerfiguren im Film geben würde. Dafür wurde ich in der Drehbuchphase auch kritisiert: Warum ist nicht die Berger die Hauptfigur? Aber in meinem Film gibt es keine Hauptfigur, auch wenn es Fuchs ist, mit dem wir das Gefängnis kennenlernen. Es gibt ein Netz an Beziehungen, Abhängigkeiten, Traumata, die die Menschen miteinander verbinden. Darum geht es doch eigentlich: dass wir sehen wollen, dass es anderen auch so geht wie uns; dass wir nicht alleine sind. Sowohl Bildung als auch Kunst / Kultur spielen in dem Film eine große Rolle. Die Jugendlichen lernen, sich durch Kunst auszudrücken, und auch Hannes Fuchs findet nach und nach wieder zu seiner kreativen Leidenschaft zurück. Deine Eltern kommen aus der Pädagogik, dein

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Ich habe viel gecastet und auch ein bisschen geprobt, speziell mit den Jugendlichen. Also mir war ein Jahr vor dem Dreh bewusst, dass der Film mit den jugendlichen Insass*innen steht und fällt. Und dass die Schule authentisch sein musste – wobei das ja auch irgendwie ein Widerspruch ist, denn kaum jemand weiß, wie eine Gefängnisschule von innen aussieht. Also haben meine Casterinnen Cherrelle Janecek und Denise Teipel von Kids of the Diaspora über 400 Jugendliche gecastet. Bevor ich mich fix entschieden habe, habe ich mir die jugendlichen Schauspieler*innen gemeinsam in Konstellationen angesehen, die einer Klassenzusammensetzung ähneln. Schließlich haben wir auch den Dreh um die Klassenzimmeraufnahmen herum gebaut. Ich wollte die Szenen, die in der Gefängnisschule spielen, chronologisch drehen, damit die Laien sich besser zurechtfinden. Am Ende bleibt zu sagen, dass es sehr wichtig ist, nicht zu viel zu proben. Sehr viel passiert beim Drehen, durch Spontanität, durch Einfälle grandioser Schauspieler*innen wie Aleksandar, die Figuren Leben einhauchen.

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Von echten Gefängnislehrer*innen inspiriert: Elisabeth Berger (Maria Hofstätter) und Hannes Fuchs (Aleksandar Petrović)


Das Unbewusste und die Kreativität sind wie Geschwister. Heute ist das ein riesiges Thema, denn ich habe das Gefühl, nur in den Pausen und durch Zeit entstehen wirklich große Dinge. Und die wirklich guten Ideen überbrücken jede Kreativpause. In deinem letzten Interview mit The Gap zum Film »Die Migrantigen« meintest du in Bezug auf Migrant*innen in Österreich: »Das hat uns immer gefehlt, diese Vorbilder. Das ist auch ein Grund, warum wir diesen Film gemacht haben.« Siehst du dich mittlerweile selbst als so ein Vorbild? Und hast du einen Wunsch, wie deine Filme wirken sollen bzw. wie sie in Erinnerung behalten werden sollen? Ich weiß nicht, ob ich ein Vorbild bin, für manche vielleicht. Aber das müssen ja andere beurteilen. Ich möchte, dass meine Filme für sich stehen können, auch noch

Jahre danach funktionieren und Sinn ergeben. Meine Drehbücher schreibe ich so, dass man die Filme auch mehrmals sehen kann und Neues entdeckt. Ob mir das gelingt, kann ich selbst nicht beurteilen. Ich bin auch kein Filmemacher, der sich einen großen Plan am Anfang seiner Karriere überlegt hat. Ich mache immer nur das, was mich 100 Prozent interessiert. Es gibt Themen, die mir wichtig sind, und ich möchte weder meine Zeit noch die des Publikums verschwenden. Unterhaltung alleine ist zu wenig, das machen schon andere perfekt. Ich denke als Filmemacher*innen in Österreich bzw. Europa, die mit Steuergeldern Filme machen, haben wir eine große Verantwortung. Barbara Fohringer

»Fuchs im Bau« läuft als Eröffnungsfilm bei der Diagonale 2021. Ab 18. Juni ist er österreichweit in den Kinos zu sehen.

Wir haben es in der Hand Ab- und Weitergabe von Elektroaltgeräten an Unbefugte ist illegal und schadet Umwelt und Wirtschaft Rund 200 000 Tonnen Elektrogeräte werden in Österreich jährlich in Umlauf gebracht. Nur etwa 110 000 Tonnen ausgedienter Elektrogeräte werden einer fachgerechten Entsorgung zugeführt. Der Rest landet im Keller oder auf dem Dachboden, im Restmüll oder bei privaten, illegalen Altstoffsammlern, die wertvolle Rohstoffe ohne Genehmigung ins Ausland bringen.

Recycling ist Ressourcenschonung Jeder Kühlschrank, jede Waschmaschine, jedes Handy enthält Wertstoffe wie Kupfer, Aluminium oder Gold. Eine Tonne alter Mobiltelefone enthält mehr Gold als eine Tonne Golderz. Wertvolle Rohstoffe, die fach- und ordnungsgemäß recycelt und wiederverwendet werden sollten.

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Bruder und du, ihr seid erfolgreiche Filmschaffende. Wie würdest du deine Beziehung zur Kreativität beschreiben? Meine Beziehung zur Kreativität ist mir im Grunde genommen ein absolutes Rätsel. Aber was ich sagen kann ist, dass ich das Glück habe, dass diese Beziehung irgendwie großartig funktioniert, und zwar schon sehr lange. Ich glaube, sie fußt in meiner Kindheit. Mein Vater gab mir als Kind viel Jules Verne zum Lesen; durch ihn und meine Mutter habe ich die Liebe zur Literatur entdeckt, durch meinen Bruder sehr früh die Liebe zum Film. Wir waren immer eine Familie, in der Kultur eine große Bedeutung hatte. Und was damals viel ausgemacht hat, war, dass mir oft langweilig war. Aus der Langeweile ist viel entstanden. Heute ist mir kaum noch langweilig, aber ich suche die Kreativpausen, damit das Hirn anderes Futter bekommt als dauernd Bildschirme.

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Verwenden statt verschwenden Derzeit wird in Österreich leider nur ein Teil dieser Ressourcen zur Wiederverwendung oder Verwertung genutzt. Bei den über 2100 Sammelstellen des Landes können Elektroaltgeräte zur fach- und umweltgerechten Entsorgung und Verwertung unentgeltlich vom Konsumenten abgegeben werden.

Verantwortlich handeln – illegale Exporte verhindern Das österreichische Abfallwirtschaftsgesetz sieht seit 2002 vor, dass Abfälle ausschließlich an befugte Sammler oder Abfallbehandler übergeben werden dürfen. Die Abgabe von Elektroaltgeräten an sogenannte „Kleinmaschinenbrigaden“ ist somit verboten.

Gehen wir mit unseren Rohstoffen verantwortungsvoll um! 28.05.21 19:07


Mit dem Circus Roncalli verwirklichte Bernhard Paul die Idealvorstellung eines Zirkus, wie er ihn aus seiner Jugend kannte. Regisseur Harald Aue zeigt Paul in »Ein Clown | Ein Leben« bei der Transformation zu Clown Zippo und blickt zurück in die Geschichte des Clown-Handwerks. ———— »Ich will einen ganz anderen Zirkus machen, so wie früher.« – Diese Entscheidung fällte Bernhard Paul in den 1970ern. Der junge Mann aus dem niederösterreichischen Wilhelmsburg, einem kleinen Dorf südlich von St. Pölten, setzte seinen Kindheitstraum von Poesie, Charme und Schönheit mit dem Circus Roncalli durch – und gilt heute als Erneuerer der Zirkuswelt. Regisseur Harald Aue, der Paul für »Ein Clown | Ein Leben« zwei Jahre lang mit der Kamera begleitete, ergänzt Pauls Credo um ein Zitat aus dem Film: »Wir leben in der besten aller Zeiten.« Paul wolle sein Publikum unterhalten, es glücklich und den Alltag vergessen machen. Und das gelinge ihm mittels Lachen. Doch nicht nur Bernhard Paul selbst steht im Zentrum von Aues Film. Da ist auch sein Alter Ego: Clown Zippo, ein dummer August. Zippo, die anarchische Seite Pauls, die die Zuschauer*innen immer wieder aus ihren schwarz-weiß umrandeten, tief blickenden Augen heraus fixiert. »Das bin ich nicht«, meint Paul, als er im Film ungeschminkt in den Spiegel blickt. Der Clown ist Teil seiner Persönlichkeit, ein humorvolles Unikum, das das

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Publikum zum Lachen bringt. Aue schickt uns in »Ein Clown | Ein Leben« auf eine Reise zu den mythischen Ursprüngen des Clowns, zelebriert dessen kathar­ tischen Anarchismus und fordert die Zu­ seher*innen auf, die eigenen Grenzen zu hinterfragen. Sie beginnen den Film mit einer alten Szene aus der Diskussionssendung »Club 2«, in der Elfi Althoff-Jacobi und der Präsident des Verbands österreichischer Zirkusmanager mit althergebrachtem Snobismus auf Paul reagieren. Was hat ihrer Meinung nach Bernhard Paul für den modernen Zirkus getan? harald aue: Ich möchte hier nicht vorgreifen, weil das der Film auch sehr anschaulich erklärt. Nur so viel: Mit seinem Zirkus hat sich Bernhard Paul eine ide­ ale Welt geschaffen, eine Welt, die er sich schon als Kind erträumt hat und die bis heute Verbesserungen und Anpassungen unterworfen ist. Ihr Film ist nicht nur eine Ode an Bernhard Pauls Clown Zippo, sondern auch an das Clown-Handwerk selbst. Warum sind Clowns so wichtig? Die Wichtigkeit dieser Figur ergab sich aus der Zusammenarbeit mit Bernhard Paul. Paul hat es sich mit seinem Zirkus zur Aufgabe gemacht, die Tradition des klassischen Trios Weißclown / August / ContraAugust hochzuhalten und dieses besondere Spiel vor dem Aussterben zu bewahren.

Was ist das Besondere an Zippo? Zippo ist mehr als nur eine Rolle für Bernhard Paul, er ist Teil seiner Persönlichkeit, sein Alter Ego. Erst durch den Clown wird Bernhard komplett und umfassend darstellbar. Wenn sich Bernhard Paul zum Clown schminkt, sieht ihn dieses andere Ich aus dem Spiegel an und er kann damit in Dialog treten. Es war sehr spannend zu erfahren, dass für alle Clowns, mit denen ich zusammengearbeitet habe, diese Figur weit mehr als eine Rolle ist, in die sie schlüpfen. Es ist ein Teil ihrer Persönlichkeit und die Grenze, wer wer ist, ist oft nicht auszumachen. Fulgenci Mestres, der als Weißclown auftritt, spricht über den Clown als Schwelle zwischen Unterwelt und Oberwelt, als Dionysisches und Apollinisches. Wo sehen Sie die Parallelen zwischen Irdischem und Mythischem? Der Clown beziehungsweise sein Vorfahre der Harlekin ist von seinen Ursprüngen her eine mystische Figur. Als Mittler und Botschafter zwischen dem Reich der Toten und dem Diesseits ist diese Figur seit jeher sagenumwoben und nicht zuordenbar. Was mich an der Figur bzw. an der seit der Aufklärung zweigeteilten Figur fasziniert, ist das unterhaltsame Drama, das aufgeführt wird. Der Clown durchlebt stellvertretend für das Publikum das Drama der Existenz. Man kann als Zuseher entspannt über die Missgeschicke lachen.

Neue Vitaskop Film

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»Die Anarchie ist Teil unseres Wesens« Harald Aue über »Ein Clown | Ein Leben«

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Neue Vitaskop Film

Brauchen wir das Anarchische des Augusts? Die Urform in der Commedia dell’arte ist der Harlekin. Eine zwiespältige Figur, die Gegensätzliches in sich vereint, unberechenbar und sexuell aufgeladen ist. In der Aufklärung verbannte man diese Figur von den Bühnen und spaltete sie in den Weißclown und den August. Der eine, der Apollonische, hat die Kunst und die Sprache, der andere, der Dionysische, ist wild und unberechenbar. Es sind die zwei Seiten einer Münze. Möglicherweise ist das Dionysische in unserer Konvention ein wenig zu sehr verschüttet und wir sollten uns da wieder

mehr zentrieren. Also ja, wir brauchen die Anarchie, sie ist Teil unseres Wesens. Bernhard Paul bewegt sich in Ihrer Doku auch viel in der Vergangenheit, in der heimatlichen Gemeinde und in Antiquitätensammlungen. Das ist der zentrale Teil des Films, die Ergründung der Motivation. Warum macht dieser Mann aus Wilhelmsburg in Niederösterreich einen der erfolgreichsten Zirkusse der Welt? Und da sind wir ganz schnell in seiner Kindheit, bei seiner Familie gelandet. Bernhard Paul hat die Gabe, sich seine ideale Welt in der Realität zu schaffen, und wir, das Publikum, dürfen daran teilhaben. Susanne Gottlieb

»Ein Clown | Ein Leben« von Harald Aue ist als österreichische Erstaufführung im Rahmen der Diagonale 2021 zu sehen.

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Sie lassen den anarchischen Clown Anatoli mit seinen Einlagen immer wieder das Bild »stören«. Die Verwandlung von Bernhard Paul zu Zippo zieht sich durch den ganzen Film. Sind Clowns, Harlekins und Narren ein zweites Gesicht, das wir als Menschen haben? Die Clowns, die ich kennenlernen durfte, erzählen mir von diesem Wesen als Teil ihrer Persönlichkeit. Aber als eigenständigen Teil, einen, den es auch erst zu finden gilt. Also kann man sagen, man muss diesen Clown in sich selbst finden, um ihn zum Leben zu erwecken. Und wenn er dann da ist, entdeckt wurde, entwickelt er sich unabhängig weiter. Persönlich kam mir der Gedanke, dass der Clown ein unsterbliches Wesen sein könnte, dem man sein irdisches Leben widmet. Nach dem Ableben des Wirts nimmt ein anderer dessen Platz ein.

»Zippo ist mehr als nur eine Rolle für Bernhard Paul, er ist Teil seiner Persönlichkeit, sein Alter Ego.« — Harald Aue

Ungeschminkter Blick in den Spiegel: Circus-Roncalli-Mitbegründer Bernhard Paul und Clown Zippo

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How to Performance »Wenn es Liebe wäre« von Patric Chiha Eine Tanz-Performance reist durch Europa, ein Filmemacher reist mit. Was uns ein Dokumentarfilm über abstrakte darstellende Künste erklären kann. ———— Schwitzige Körper, junge Körper, schlanke Körper; nackte Haut, angespannte Muskeln und elektronische Beats. Inspiriert von 90erJahre-Raves hat Gisèle Vienne mit »Crowd« eine Performance über den Sehnsuchtsort Tanzfläche inszeniert. Ausgelassen und ekstatisch mimen die Darsteller*innen das Nachtleben, indem sie das exemplarisch hedonistische Geschehen für die Bühnensituation – verdreckter Boden, Scheinwerferlicht – verlangsamen. Das Bedürfnis des Publikums, ein Werk verstehen zu wollen, plagt die bildende wie die darstellende Kunst – zumindest dann, wenn nicht offensichtlich Ästhetik

oder bloße Unterhaltung im Vordergrund stehen. Zwischen trotziger Kritik und einer Art fear of missing out, einer Angst, dass einem ein elementares Bruchstück entgangen sein könnte, welches das Gesehene in einen größeren Zusammenhang setzt, hängt stets eine Klage im Raum: »Ich verstehe es nicht.« Was also hat eine Performance zu sagen, die uns eineinhalb Stunden lang mit tanzenden Körpern konfrontiert? Nimmt man individuelle Vorerfahrungen, Erwartungshaltungen und den Umstand, dass verschiedene Menschen immer verschiedene Dinge sehen, als gegeben, so kann man sich im Erfassen einer Performance auf die subjektiven Eindrücke fokussieren: Was sehe ich? Teile des Dokumentarfilms »Wenn es Liebe wäre (Si c’était de l’amour)« vom

österreich-französischen Filmemacher Patric Chiha geben uns ein Gefühl dafür, wie es sein könnte, die Performance in einem Theaterraum zu erleben – die frenetische Ekstase, tanzende Leiber in Slow Motion, untermalt von pumpenden Bässen. Doch der Film dekonstruiert auch: Der Schweiß der Performer*innen ist künstlich, manches Tattoo bloß aufgemalt, wie wir nach 80 Minuten Laufzeit wissen. Der Theaterabend ist noch im Entstehen.

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»Let go and Schwung« Gisèle Viennes »Crowd« ist vor allem ein Stück über Körper, die miteinander in Beziehung gesetzt werden. Über Körperkontakt in liebender Umarmung und Verschränkung – bis hin zu unerträglicher Nähe. Aktionen werden in Zeitlupe ausge-

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Eine Performance über den Sehnsuchtsort Tanzfläche dokumentarisch aufgearbeitet: »Wenn es Liebe wäre«

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Dem Stück wie auch dem Film wohnt eine gewisse Düsternis inne. »Wenn es Liebe wäre« zeigt nicht nur, wie eine Theater-Performance zustande kommt, er legt auch offen, wie viel den Performer*innen abverlangt wird, die auf der Bühne alles geben sollen. Welcher Schmerz – auch nach dem Schlussapplaus, nach Beendigung einer Probe, abseits der Bühne – mitgetragen wird.

»Jeder empfindet Liebe« Welches tiefere Verständnis kann aber letztendlich durch den Film gewonnen werden? Was hat er über die Theaterperformance zu erzählen? Was also sehe ich? Die Konstruktion der Figuren, die auf die Bühne gebracht werden, ist dem Stück inhärent. Ebenso sind es die Narrative, die sich durch »Crowd« ziehen. Doch erst durch die Dekonstruktion, durch den Fokus auf die einzelnen Elemente, durch die Frage danach, was Performende in ein Stück einbringen und

wie ihre Körper miteinander in Beziehung stehen, werden sie sichtbar. »It’s a secret. The piece; you feel it but you don’t understand it«, hat Patric Chiha über seinen Film gesagt und über die Art, wie die Figuren des Bühnenstücks angelegt sind. Wie hätten diese Hintergründe gesehen werden können? Woher weiß ich, welche der Darsteller*innen wen mag und dies in die Performance einfließen lässt? Doch man muss diese Nuancen im Miteinander nicht sehen, damit sie in der Aufführung existent sind. So hat das Erklären der ausführlichen Backstorys durch manch Darsteller*in auch entzaubernde Wirkung. Die großen Emotionen werden im Übererklären banal. Es sind dann eher die kleinen Gesten, die Emotionen spürbar machen und real anmuten. Während es unangenehm wird, wenn das Eindringen des Realen in die Performance überhandnimmt, fasziniert das Offenlegen, an welchen Stellen die Grenzen verschwimmen. Oliver Maus

Fotos: A. Pawloff, R. M. Werner, D. Eberhard

spielt, Handlungen verzögert. Im Moment des Innehaltens, der »suspension of the action«, entsteht eine Intensität der Vorgänge. Eine Steigerung von Emotionen. »(The play is) orientated towards light, space and music. I’m trying to open up this sensitivity to varied forms of eroticism that’s going on between humans«, erklärte Gisèle Vienne in einem Interview zu »Crowd«. Patric Chiha zeigt diese Szenen und bricht sie, indem er die Regieanweisungen offenlegt. Um den Hedonismus auf die Bühne zu bringen, verlangt es Präzision in den Bewegungsabläufen. Der Rhythmus muss stimmen, jede Bewegung koordiniert sein; nur dann kann die Gruppe als eine Art Organismus die Tanzfläche als Mikrokosmos menschlichen Seins abbilden. Chiha geht sogar noch einen Schritt weiter, wenn er die Darsteller*innen zu Wort kommen lässt. Sie geben bereitwillig Einblick in das Untereinander und Miteinander, in die Gefühle zueinander und die Lust aneinander, in Verletzlichkeit und Zurückweisung.

Der Sturm Jean Sibelius Bühnenmusik zum gleichnamigen Schauspiel von Willliam Shakespeare Mit Anne Bennent, Markus Meyer & Sebastian Wendelin Es singen Mareike Jankowski, Markus Butter, Albert Memeti, Tetiana Miyus & Martin Fournier Am 11. & 24. Jun 2021 Tickets & Info 0316 8000 | oper-graz.com

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Wortwechsel Die Corona-Krise und die Zukunft des Kinos

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Österreichisches Filminstitut

Renaissance des Live-Erlebnisses ———— Die markanteste Entwicklung, die die CoronaPandemie im Filmbereich gebracht hat, ist sicher die Verlagerung ins Digitale. Das gab’s auch schon vor Corona, aber die Pandemie hat die Sache um zumindest fünf Jahre beschleunigt. Die Lockdowns haben aber auch die Sehnsucht nach dem analogen Erlebnis in Gemeinschaft gezeigt; der Mensch ist ein soziales Wesen! Die große Bedeutung von Streaming wird bleiben, weil es einfach der größte Wachstumsmarkt ist. Auch als Förderstelle sind wir gefordert, hier neue Wege und Partnerschaften zu suchen. Aber ich glaube fest an eine Renaissance des LiveErlebnisses im Kulturbereich – weil es nicht beliebig reproduzierbar ist, eine soziale Erfahrung bietet und im Idealfall zu magic moments führt, die nur in dieser Form genossen werden können. Das Kino ist bedroht, aber es wird als sozialer und oft auch magischer Ort des GeschichtenErzählens und -Erlebens nicht sterben. Davon bin ich überzeugt.

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Aktuell sorgen die zahlreichen staatlichen Unterstützungen dafür, dass sich die Branche über Wasser halten kann. Besonders schwierig ist es aber natürlich für den Verleih- und für den Kinobereich. Was die Kinos betrifft, sind vor allem die größeren besonders anfällig, weil stärker vom Filmmarkt abhängig. Und der war nun für sehr lange Zeit eingefroren. Wirtschaftlich ist das längst nicht mehr einzuholen. Hinzu kommt, dass die Majors ihre Filme vermehrt exklusiv über (eigene) Plattformen streamen – allen voran Disney. Die Filme aus dem Disney-Imperium, das ja auch 21st Century Fox geschluckt hat, sind zentral für den Kinomarkt. Sollte deren Geschäftsmodell nachhaltig umgestellt werden und weitere folgen, wird es für die Kinos noch enger. Der Zukunftsmarkt wird jedenfalls so oder so digitaler. Aber ich denke, dass hier irgendwann auch wieder eine Sättigung eintreten wird. Das Wachstum ist auch nicht unbegrenzt und ein Überangebot kann auch im Netz überfordern und langweilen. Darin sehe ich eine Chance für gute, stärker kuratierte Kino- und Festivalprogrammierung. Und wenn Hollywood und andere große Player zunehmend auf Streaming setzen, könnten wir mit starkem heimischem Content im Kino erst recht punkten.

Roland Teichmann ist seit 2004 Direktor des Österreichischen Filminstituts. Das Jahresbudget der bundesweiten Filmförderungseinrichtung ist – als Reaktion auf die CoronaKrise – um zwei Millionen angehoben worden und liegt aktuell bei 21,5 Millionen Euro.

Manuel Fronhofer, Susanne Gottlieb

Roland Teichmann

Österreichisches Filminstitut, Admiral Kino / F. Gruber, Violetta Wakolbinger, Yannick Steer

»Die neue Normalität« – unter diesem Schlagwort wagt das Diagonale Film Meeting heuer einen Blick in die Zukunft. An zwei Tagen wird diskutiert, wie sich die Branche angesichts der durch Corona bedingten Verwerfungen entwickeln wird. Vorab haben wir vier Menschen aus dem Filmbereich um Statements zur Zukunft des Kinos gebeten.

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Christine Dollhofer

Michael Stejskal

Auf die Stärken konzentrieren ———— Kino ist nach der Pandemie nicht mehr wie zuvor. Die Digitalisierung der Haushalte hat sich extrem beschleunigt, auch technikferne Zielgruppen sind inzwischen ganz selbstverständlich in der Lage, Filme digital zu konsumieren – die Zuwächse der Streaming-Dienste zeigen das. Das Kino, vor allem das Arthouse-Kino, wird sich in Zukunft noch mehr auf seine Vorzüge und Stärken konzentrieren müssen: Kino als soziales Event, als Ort der Begegnung und des Austauschs in einer Kulturtechnik, die für eine kleiner werdende Zielgruppe interessant ist und bleibt. Die Aufweichung der Kinosperrfristen und die schnelle Auswertung der Filme über Online-Angebote hat auch den Arthouse-Sektor im Filmbetrieb erreicht. Für das Mainstream-Kino haben Konzerne wie Universal oder Disney das Eis gebrochen und große Blockbuster gleichzeitig oder sogar exklusiv auf ihren Streaming-Plattformen herausgebracht. Das wird in Zukunft eine große Herausforderung für die Multiplexe, sie haben weniger Möglichkeiten sich umzuorientieren als das klassische Kultur-Programm-Kino. Die politischen Weichenstellungen für die Förderung der Kulturbetriebe werden dies maßgeblich beeinflussen. Das Admiral Kino konnte sich in den letzten Jahren zu 90 Prozent durch Einnahmen durchwursteln. Das ist bei einem neuerlichen Rückgang der Einnahmen nicht mehr möglich. Kulturförderung muss für Ausfälle dieser Art gewappnet sein, sonst wird die gesamte Struktur des Kulturgeschehens zerstört. Das Rad der Globalisierung lässt sich nicht mehr zurückdrehen, aber die Beschäftigung mit kleinen, regionalen Strukturen ist auch im Filmbereich so interessant und ausbaubar wie zum Beispiel im Lebensmittelsektor. Es kann ja auch so etwas wie »Slow Cinema« geben.

Kino als Feinkostladen ————Es ist klar, dass Netflix & Co in der Zeit der Pandemie unglaubliche Zugewinne verzeichnen konnten. Die Streamer brauchen kontinuierlich Content-Nachschub. Die gesamte Produktionslandschaft richtet sich zusehends darauf aus. Die Zeitfenster zwischen Kinound Streaming-Start werden jedenfalls immer kleiner, zum Teil finden sie ja schon gleichzeitig statt – oder Filme werden nur noch digital ausgewertet. In Europa werden die Verwertungsfenster zwischen physischer und digitaler Auswertung wohl weiterhin aufrecht bleiben, weil öffentlich geförderte Filme eine gesetzliche Zeitspanne einhalten müssen. Nicht so in den USA, weil die Studios zur Gänze privatwirtschaftlich agieren. Aber man darf nicht vergessen, dass für die Filmindustrie die Einzelticketverkäufe ein sehr lukratives Geschäft sind, dass hier die größten Gewinne erzielt werden können. Neben den Einspielergebnissen in den Kinos weltweit ist auch die Promotionsmaschine, die dabei in Gang gesetzt wird, für die weitere (digitale) Verwertung von enormer Bedeutung. Es ist wohl wie mit der Schallplatte: Das Kino ist Kulturgut, das geschätzt und geliebt wird. Es wird weiter bestehen. Wichtig ist dabei, ein Gesamtpaket anzubieten und nicht nur die Filme runterzuspielen. Eine große Chance sehe ich darin, dass sich immer mehr Kinos spezifizieren, quasi zum Feinkostladen werden, wo eine kuratorische Handschrift spürbar ist, das Ambiente stimmt, Vermittlungs- und Zielgruppenarbeit geleistet wird. All das muss natürlich auch öffentlich gefördert werden. Festivals sind dann die verdichtete Form eines cinematografischen Feuerwerks mit der Möglichkeit zum intensiven Austausch zwischen Publikum, Filmschaffenden und Filmbranche.

Höheres Risiko, schlechtere Planbarkeit ———— Covid hat eine digitale Entwicklung beschleunigt, die ohnehin auf uns zugekommen wäre. Dabei wurde den Menschen aber auch auf drastische Art vor Augen geführt, dass digitale Angebote das unmittelbare sinnliche Kulturerlebnis nicht ersetzen können. Es wurde ihnen schmerzlich bewusst, was sie im Veranstaltungsbereich entbehren mussten. Zugleich wird das Publikum in Zukunft noch wählerischer sein, weil die Wohnzimmercouch als Teil der Freizeitgestaltung attraktiv bleiben wird. Für uns als Verleiher dürfte die Planung auf längere Zeit sehr schwierig sein. Kurzfristig haben wir mit einem Rückstau an Filmen zu kämpfen, die sich gegenseitig kannibalisieren. Mittelfristig können aber Löcher aufreißen, weil viele Produktionen gestoppt oder verschoben wurden. Grundsätzlich kann man natürlich alle Filme zeigen – aber mit weitaus höherem Risiko, Geld zu verlieren. Wenn Filme nur kurz im Kino laufen und dann gestreamt werden, kann das zu einem strukturellen Problem werden. Der Abfluss der Produktionen in Richtung Streaming-Angebote hat schon vor Corona stattgefunden, sich während der Pandemie aber verstärkt. Bei europäischen Produktionen wird es Aufgabe der nationalstaatlichen Förderstellen sein, diese Entwicklung in sinnvolle Bahnen zu lenken. Bei US-Produktionen hängt es davon ab, wie sich die Studios in Zukunft gegenüber den Kinos positionieren werden. Grundsätzlich werden die Auswertungsfenster wohl bleiben, die spannende Frage ist aber, wie hoch der Anteil jener Filme sein wird, bei denen sie verkürzt oder außer Kraft gesetzt werden. Was uns sonst von der Digitalisierung bleiben wird? Zoom, Teams & Co bei Premieren und Publikumsgesprächen. Ohne teure Reisekosten kann man ausländische Regisseur*innen für ein Publikumsgespräch nach dem Film zuschalten – für das Publikum wird das ganz normal sein. Auch inländische Filmschaffende werden weniger durch Österreich reisen als bisher und trotzdem mehr Veranstaltungen bestreiten.

Admiral Kino

Michaela Englert hat 2007 das Admiral Kino in Wien übernommen. Sie ist seit mittlerweile mehr als 25 Jahren in der Filmbranche tätig.

Crossing Europe

Christine Dollhofer leitet das Linzer Filmfestival Crossing Europe seit dessen erster Ausgabe im Jahr 2004. Im November wird sie – als Geschäftsführerin – zum Filmfonds Wien wechseln.

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Österreichisches Filminstitut, Admiral Kino / F. Gruber, Violetta Wakolbinger, Yannick Steer

Manuel Fronhofer, Susanne Gottlieb

Michaela Englert

Michael Stejskal ist Geschäftsführer des Filmladen Filmverleihs. Er leitet das Votiv­ kino sowie das De France und ist Obmann des österreichischen Verleiherverbandes.

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PROSA — SEBASTIAN BRAUNEIS

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Übers Reden kommen die Leute zusammen. Im Krankenhaus aber auch. Und dann ist die Frage, wie und was kommuniziert wird. Oder auch nicht kommuniziert wird. Vor allem wenn man weiß, dass im nächsten Moment alles vorbei sein kann. Zu erzählen gäbe es jedenfalls genug unter »VielleichtSterbezimmerZimmergenossen«, wie Sebastian Brauneis seine Schicksalsgemeinschaft auf einer Intensivstation umschreibt. Der Wiener Regisseur und Autor gewährt The Gap einen Einblick in sein Romanprojekt mit dem Arbeitstitel »Drehbuch keines Lebens«. Literarischer Rohstoff!

TALISMÄNNER UND MEMORABILIA 01 Innen / Nacht – Krankenhaus Es wäre schön, wenn man sagen könnte, »es riecht nach Whiskey, Schweiß und Leder« – oder »es roch«. Aber leider, leider sagt der Schneider – piep, piep – das Beatmungsgerät oder irgendeine andere SCHEISS-Maschine stört. Ein lediglich leidlich gut »audio-designtes« Warnsignal in das Dunkel des Vierbettzimmers. Es wäre also schön, hätte man sagen können, »es« »roch« nach »Whiskey, Schweiß und Leder«. Aber es roch nach nichts. Es hatte keinen Geruch. Es konnte gar nicht diese Erinnerung sein, die man mit sich nimmt, wenn man weitergeht. Weil: Wäre es erinnert, dann hätte es einen Körper. So aber war es nur ein Bild. Und die Bilder können »lebendig« sein, wenn man von ihrer visuellen Qualität sprechen wollte. Aber endeffektlich waren alle Bilder immer tot. Das NichtLeben verharrt im Augenblick. Dieses »MTV Unplugged« von irgendwann aus den 1990er-Jahren, das dort am anderen Bett über den Laptop-Bildschirm flimmerte – Youtube, Bildstand: 4 zu 3, OGG Codec – war bereits jetzt erstaunlich anachronistisch in seiner NichtWirkung. Aber es offenbarte die absolute Seelenlosigkeit von »Schuss – Gegenschuss – Totale« plus Dreipunktbeleuchtung. Der Star – man erkennt von hier aus nicht, was es eigentlich sein soll oder will – und die Nummer waren vielleicht auch nicht

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besser und größer, wenn man sie ohne visuelle Stimuli genoss. Zwei Generationen später würde es anders sein. Dann wäre es ein Kult, der sich um den Scheißdreck von ebenda ranken würde. Oder es gälte als »stylish«. Eine Scheiß-Feststellung, die mir jetzt auch nix bringt. Danke. Gute Nacht. Im Augenblick. Im Augenblick soll man ja sein. Zustand, Auftrag, beides. Immer im Moment leben, nicht? Weil: »Auf den Menschen kommt es an.« – Ein, gelinde gesagt, dezent absurder Gedanke – Pleonasmus pur –, wenn man sich eben erst dorthin gelegt hat, was der Volksmund nach nüchterner Betrachtung als das ominöse Sterbebett bezeichnet. Ob die anderen auch sterben? Ob das hier ein Sterbezimmer ist? Ob Sterben jetzt überhaupt dazugehört? Was passiert mit mir, wenn ich sterbe? Man wird weinen. Man wird nicht um mich weinen. Niemand hat je um jemanden geweint. Aber werden die Leute um sich weinen und sich selbst leidtun, weil ich nicht mehr verfügbar bin? Und werd’ ich a’ »schäne Leich’« hab’n? Das waren alles Fragen, die Boris nicht beschäftigten. Obwohl er stündlich mit dem Eintreffen dieses »Themenkomplexes« in seiner doch unausgesprochen einsamen und schmerzhaften Wartezeit auf den Tod

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PROSA — SEBASTIAN BRAUNEIS

rechnete. Seltsamer Satz. Irgendwie so »verbaut«. – »Du musst was reden, Heinzi! Verbaut!« Heinzi hatte es nicht leicht. Und wahrscheinlich auch nicht leicht »gehabt«. – Ein Leben für die 48er1. Des is ka’ Beruf, des is a Hirntätowierung. Verstehst du des? Weil, i, i bin ja ka »Gstudierta«. – Vater: Straßenkehrer, Onkel ist lang g’fahren am 71er2 und dann auf der 2er. Aber Tram. Ned Linie. I bin a in Öffentlichen kumma. Des war eigentlich fix. Weil der Vater – Gott hab ihn selig – schon bei mein’ Einstieg in die Berufschul’ – hast ja machen müssen – mit den’ Hofrat gredt hat. Damit hat man es mir ja gerichtet. Na und? Haben alle so gemacht. Hätte ich es nicht annehmen sollen? Das war eine ganz andere Zeit damals. Wurscht. I bin jedenfalls 43 Jahre dabeiblieben. Und es war einmal eine schöne Zeit. Und dann hustet Heinzi; mit einem dicken und zähen, fast schon goldgelben Auswurf. Meistens in ein Sacktuch, das er dann wieder in die Bauchtasche seines Spitalskittels versenkt. Diese Kittel waren so eine Art von Versuch. Also ein Versuchsprojekt. So wie damals – in der AHS – da gab es auch jedes Mal Schulversuch. Warum »jedes Mal«? – Boban sprach ausgezeichnetes Deutsch. Seine Mutter war zu gewissem Ruhm gelangt, weil sie in einer Folge der »Alltagsgeschichten«3 von Elisabeth T. Spira (das T. war anscheinend für irgendwas wichtig, weil es in den »Seitenblicken«4 und bei so Schwanzhalter-Partys in der Bubble, also ebenda bei den unumgänglichen Unterredungen im »Club der gegenseitigen Bewunderung« immer besonders ausgestellt betont wurde. T., T. Spira. Tamara? Traudl? Trude?) Jedenfalls sprach Boban ausgezeichnetes Deutsch. Dritte Generation. Und mindestens genauso jedenfalls … Ist das da hinten, hinter der Fensterscheibe schon der Morgen? … jedenfalls galt seine Mutter in gewissen Kreisen von YoutubeClipAlltagsgeschichtenAficionados als eine Berühmtheit, da sie als gebürtige Slowenin mit – aus sanftem aber trotzdem g’schissenem Rassismus heraus zugewiesenem – starkem Roma/Sinti-Einschlag in Sprache und Erscheinungsbild bei einem Interview durch oder von Elisabeth T. Spira den schönen Satz »Mir sammas kane Jugo, mir sammas Deitsche« in die Kamera formuliert hatte. Boban, ein Bild von einem Mann, dunkle Haare – helle Augen – junge Jahre. War anscheinend auch im Oasch. Sonst wäre er ja hier nicht – ja, nein, weiß nicht, egal – VielleichtSterbezimmerZimmergenosse.

Kurz: Zusammenfassung. Gegenüber liegt Heinzi, gelben Auswurf hustend – die Abstände verringern sich, schlechtes Zeichen, Fragezeichen –, der mit der linken Hälfte seines Körpers von der Müllschnecke während eines Arbeitsunfalls zermatscht wurde und momentan – wahrscheinlich sinnlos – versucht, wieder auf die Beine zu kommen. Neben mir liegt Boban. Er ist sehr hübsch, und er liebt Sprache und seine Frage »Warum jedes Mal?« in Bezug auf den Schulversuch war absolut berechtigt. Inhaltlich und aufs »jedes Mal« mehr als aufs »Warum« bezogen. Gut. Fehlt also nur noch Jochen. Von dem alle im Zimmer anfangs dachten er heißt Jürgen. Keiner aber wusste genau, wie man auf diesen Scheiß gekommen war. »Scheiß« allerdings, war ein wunderbares Stichwort. Denn Jochen stank sehr stark. Es war auch unklar – und aus Gründen der Dezenz noch nicht eindeutig eruiert worden –, ob Jochens unerträglicher süßsaurer Gestank ein seinem Krankheitsbild zugeordnetes Symptom war oder ob Jochen – man kann es ja wirklich nicht anders sagen – eben einfach nur stank. Jochen war von Boris’ Bett aus gut zu riechen. Er stank auch im Schlaf. Eine Formulierung, die Boris nach wie vor – ausgesprochen – amüsierte. Aber auch wenn er sie sich lediglich formuliert dachte, hatte sie noch einen sanften Schatten verblichener Erheiterung für seine durch dieses ENDLOSE WARTEN gemarterte Gestalt. Wie wohltuend. Gut, dass ich nicht stinke. Nicht ab jetzt als »halbseitiges Heinzi-Faschiertes« leben muss. (Aber wenigstens mit einer schönen Pension. Arbeitsunfall. Da kennt die Bude nix. Quasi Lotto-Sechser.) Und nicht als Boban, der Sprache liebt, aber seit vier Tagen keine Hoden mehr hat. Und dem es durch das Design der neuen Kittel unangenehm ums nun völlig neu strukturierte Gemächt zog. Im Sinne von Zugluft. Oder Luftzug. Ein sicheres Zeichen »jetzt in dieses Alter« zu kommen. »A. Mir ziagt’s! Mach bitte des Fenster zua.« Kennt man ja. Dann ein leichter Zucker im Hirn, gekoppelt an die Einsicht: »Oje. Die Mama wird alt.« Diese Kittel waren also Scheiße. Da brauchte man nur Bobans Penis oder Heinzis Sacktuch zu fragen. Sie waren nämlich unten etwas glockig geschnitten und man sah darin aus wie eine auf den Kopf gestellte – ja, wie eigentlich? – schlechter Gedanke. Ein Vergleich bringt hier auch nichts. Also anders weiter. Reisen durchs Hirn, der Körper bleibt im Zimmer.

Und dann hustet Heinzi; mit einem dicken und zähen, fast schon goldgelben Auswurf.

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Irene Schaur

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Sebastian Brauneis Seit fast 20 Jahren ist Sebastian Brauneis (Jahrgang 1978) fixer Bestandteil der heimischen Film- und Medienlandschaft. Gut also, dass er sein Medizinstudium abgebrochen hat, um mit scharfem Blick und geschliffenem Witz als Regisseur, Drehbuch- und Theaterautor sowie Moderator zu unterhalten. Und zwar mit Haltung. Etwa als kreative Säule bei der »Sendung ohne Namen« oder mit der galligen Travestiesatire »Bösterreich«. 2018 erschien Brauneis’ erster Kinofilm »Zauberer«, 2020 folgte die hochgelobte Komödie »3 Freunde 2 Feinde«. Für die Diagonale gestaltet Brauneis, der auch als Lehrbeauftragter am Max Reinhardt Seminar unterrichtet, heuer die Preisrevue (am 13. Juni; im Stream zu sehen auf www.kleinezeitung.at sowie auf fm4.orf.at). Außerdem feiert sein aktueller Film »1 Verabredung im Herbst« in Graz Uraufführung.

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Das Zimmer ist die Heimat des Körpers, das Hirn ist die Heimat von Boban, Heinzi und Jochen. Ein wenig Selbstbild von Boris war dort auch zu finden. Die vier von der Tankstelle. Drei. Scheißegal. War eh ein Oaschloch-Nazi-Propaganda-Film. Das Beschissen­ ste an den Kitteln war die Tasche auf der Brust. Sie hatten keine Seitentaschen, in denen man die Hände bequem versenken konnte und dergestalt die Weltenlast, die normalerweise die Schultern bedrückte, etwas gegen Beckenboden entlasten. Nein. Diese Seitentaschen hatte das neue Kitteldesign nicht anzubieten. Sie hatten – eher so nach Hoodie-Art – eine große Tasche auf der Brust. Quer drüber. Vielleicht damit man, auch wenn man bettlägerig war, noch Zugriff auf ihren Inhalt hatte. Heinzis Tasche, also die Tasche von Heinzis Kittel, war jedenfalls innen goldgelb und leicht feucht. So ein Sacktuch kann ja auch nur so und so viel aushalten. Oder besser: aufnehmen. »Bitte, Heinzi, hol dir doch lieber ein Klopapier.« Damals, als es Boris noch besser ging und er einmal diesen Vorschlag äußerte, hatte Heinzi bitterlich zu weinen begonnen. Und erst der enervierendsäuselnde Singsang von Schwester Esther, der aus Ungarn stammenden Pflegerin, hatte ihn wieder beruhigt. Das Taschentuch, oder eben »Socktuach«, wie Heinzi mit einem sentimentalen Stolz in der Stimme bekundete, war so eine Art Talisman und Memorabilium – Ist das überhaupt der richtige Fall? Und ist das nicht eigentlich scheißegal? –, das in Heinzis Leben die wichtige Funktion bekleidete, das Andenken an die »Berner-Oma« am Leben zu halten. Ob sich das »Berner« auf die Stadt Bern oder sonst was bezog, hätte Boris noch gerne eruiert. Sollte die Maschine nicht wieder piepen? Ich fühle mich jedenfalls gerade beschissen genug. Also für mich könnte es jetzt einen kleinen »Nacht-Alarm« geben. Oder ist das ab jetzt normal. Egal. Wieder ein Tag. Morgen geht auch noch was. Jedenfalls war zu diesem Zeitpunkt diese eine Scheiß-Metastase, die Boris am CT schon nicht leiden konnte – weil sie so lang und dünn vor sich hin wucherte –, jedenfalls war die zu diesem Zeitpunkt bereits etwas schwülstig mit dem Sprachzentrum verwachsen. Und darum blieb Heinzi eine Frage nach der BernerOma seitens Boris erspart. Die ihn bestimmt gefreut hätte, also den Heinzi, aber ebenso auch durch die Erinnerung traurig gemacht. – Und er hätte sich wieder alleine gefühlt. Und ganz im Ernst. Er war es ja auch. Auswurf hin oder her. Das Licht im Zimmer ist wirklich sehr grell. Die Menschen sind da. Ist ein Arzt in der Nähe? Es ist still. Boris ist klar. Die Maschine piept. Ich bin tot.

»48er«: MA 48, Magistratsabteilung 48. In Wien für die Müllabfuhr zuständig. 2 »71er«: Straßenbahnlinie in Wien. 3 »Alltagsgeschichten«: Dokureihe im österreichischen Fernsehen. Läuft seit 15 Jahren und besteht aus Interviews mit »einfachen« Österreichern. Genießt Kultstatus. Siehe Youtube. 4 »Seitenblicke«: Society-Magazin im österreichischen Fernsehen. 1

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Weitere Filmtipps Diagonale-Essentials

Die Farbe des Chamäleons

Pandemie-Sommer 2020. Corona begleitet uns erst seit ein paar Monaten, der Sommer ist zumindest etwas entspannter und die Paare in Sebastian Brauneis’ Film »1 Verabredung im Herbst« können sich auf ihre Liebesdramen konzentrieren. Im Melodram des 1978 in Wien geborenen Regisseurs und Autors steht auch die »Diagonale-Stadt« Graz im Mittelpunkt. U. a. mit Julia Franz Richter und Marlene Hauser.

Pauls (Artjom Gilz) bester Freund hat Suizid begangen, weshalb Paul in dessen Taschen nach Antworten sucht. Nach und nach stiehlt er auch Taschen anderer Menschen und versucht, durch deren Inhalte das Leben dieser Menschen zu verstehen. Jürgen Klaubetz gibt mit »Die Farbe des Chamäleons« sein Regie- wie Drehbuch­ debüt. Inspiriert wurde er von einer Unfall­ situation, in der er geriet. Die Dreharbeiten fanden in Wien und der Steiermark statt.

3.30 PM

Hochwald

Tausendsassa Ludwig Wüst ist als Regisseur, Autor, Schauspieler und auch Tischler tätig und geht mit »3.30 PM« neue Wege: Aufgezeichnet wurde der Film mit einer Ansteckkamera, die Szenen sind größtenteils ungeschnitten zu sehen. Im Fokus: zwei Freunde (Markus Schramm und Andrew Brown), ein Trip von der Stadt aufs Land. Ein Film über Heimat, Freundschaft und Erinnerung.

In ihrem Regiedebüt »Hochwald« erzählt Evi Romen die Geschichte zweier junger Männer: Mario (Thomas Prenn) ist schüchtern und sensibel, er will Tänzer werden. Sein Jugendfreund Lenz (Noah Saavedra) arbeitet als Schauspieler in Italien. Mario hegt Gefühle für ihn. Beim Besuch einer Schwulenbar in Rom, werden die beiden Opfer eines Attentats, Lenz stirbt. Romen interessierte, was passiert, wenn ein globales Ereignis in ein kleines Dorf einbricht. Gedreht wurde u. a. in Südtirol.

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Sebastian Brauneis, Ludwig Wüst, Feiner Film Kunst Verein, Amour Fou / Take Five / Flo Rainer, Epo-Film, Film AG

1 Verabredung im Herbst

Barbara Fohringer

Spielfilm lang

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Endlich wieder Festivaltrubel in Graz! Und da das Filmangebot groß, die Auswahl entsprechend schwer ist, haben wir einige Highlights aus den Kategorien »Spielfilm lang« und »Dokumentarfilm lang« für euch zusammengestellt.

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Risiken und Nebenwirkungen Eine Ehe muss oft vieles aushalten. In diesem Fall ist es eine Spenderniere, die Kathrin (Inka Friedrich) von ihrem Mann Arnold (Samuel Finzi) benötigt und die die Harmonie der beiden ins Wanken bringt. Nach »Die Wunderübung« bringt Michael Kreihsl abermals ein Theaterstück auf die große Leinwand. Wie viel ist man bereit, für die Partnerin bzw. den Partner zu geben?

Was wir wollten Niklas (Elyas M’Barek) und Alice (Lavinia Wilson) sind ein glückliches Paar. Eigentlich. Wäre da nicht der unerfüllte Kinderwunsch der beiden. Bei einem gemeinsamen Urlaub in Sardinien soll dieser mal in den Hintergrund rücken, doch im Ferienhaus nebenan urlaubt eine Familie mit ihrem Nachwuchs. Ulrike Kofler erzählt in ihrem Spielfilmdebüt, dessen Plot auf der Kurzgeschichte »Der Lauf der Dinge« von Peter Stamm basiert, vom Loslassen.

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vdfs.at

Collecting Society of Audiovisual Authors

Wir vertreten die Rechte von Regie, Kamera, Filmschnitt, Szenenbild, Kostümbild & Schauspiel.

Sebastian Brauneis, Ludwig Wüst, Feiner Film Kunst Verein, Amour Fou / Take Five / Flo Rainer, Epo-Film, Film AG

Barbara Fohringer

Verwertungsgesellschaft der Filmschaffenden GenmbH

DIE SPÖ KULTUR SEKTION www.kulturmitallen.at

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The Bubble

Eva-Maria

Der schönste Tag

150.000 Menschen leben in The Villages, einer der größten Senior*innensiedlungen der USA: 54 Golfplätze, 70 Swimmingpools und 96 Freizeitzentren gibt es, nachmittags trifft man sich zum Plausch, auch für eigene Medien ist gesorgt. Valerie Blankenbyl hat sich in der Siedlung umgesehen und mit Bewohner*innen gesprochen. »We know we’re in a bubble. But it’s a nice bubble«, sagt eine von ihnen. Wie lebt es sich im selbst gewählten Schlaraffenland?

Eva-Maria ist Anfang 30 und möchte Mutter werden. Lukas Ladner, ihr persönlicher Assistent begleitet ihren Weg, denn Eva-Maria sitzt aufgrund ihrer spastischen Zerebralparese im Rollstuhl. Sie nutzt die Möglichkeit einer künstlichen Befruchtung. Ladner ist ganz nah dran an seiner Hauptfigur, wird aber nie aufdringlich. Ein Film über Mutterschaft, Mut und Optimismus.

Eine Zugfahrt kann für vieles genutzt werden. In Fabian Eders neuem Film »Der schönste Tag« diskutieren unterschiedliche Persönlichkeiten (etwa Aba Lewit, Valerie Schieder und Doron Rabinovici) über Österreich und den Nationalsozialismus – im Zugabteil, sich gegenübersitzend. Welche Geschichten erzählen wir uns? Woran entscheiden wir zu glauben?

Endlich unendlich

I Am the Tigress

Vakuum

Den eigenen Tod überwinden – das wollen die Protagonist*innen dieser Dokumentation. Sie widmet sich Fragen wie: Wie wollen wir künftig leben? Akzeptieren wir den Verlauf unseres Lebens oder greifen wir aktiv ein? Stephan Bergmann präsentiert verschiedene Transhumanist*innen, die auf unterschiedlichem Wege ihre Zeit auf Erden verlängern wollen – von Nahrungsergänzungsmitteln und Schönheits-OPs bis hin zu experimentelleren Ansätzen.

Tischa Thomas, 47, ist dreifache Mutter, Bodybuilderin und Sexarbeiterin. Philipp Fussenegger und Dino Osmanovics begleiteten sie in ihrer ersten gemeinsamen Regiearbeit. »I Am the Tigress« ist das Porträt einer sich oft missverstanden fühlenden Frau, die mit ihrer Vergangenheit hadert, zugleich aber für ihre Familie kämpft. »I’m teaching myself how to be a strong, confident woman«, sagt sie an einer Stelle.

Kristina Schranz wirft mit ihrem Langfilmdebüt »Vakuum« einen Blick auf die Zeit des ersten und zweiten Lockdowns. In ihrer Heimat, dem Südburgenland, befragt sie Menschen, die in der Gastronomie tätig sind, Kindergärtner*innen, Pensionist*innen. Dazwischen oft Stille und Leere, ein Spaziergang durch ein spärlich besiedeltes Gebiet. Schranz hat ein offenes Ohr für ihre Protagonist*innen. Am Ende bleibt nur die Frage: Wie geht es weiter?

Die Diagonale 2021 findet von 8. bis 13. Juni in Graz statt. Sämtliche Detailinfos sind unter www.diagonale.at zu finden.

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Catpics & Golden Girls Film, Navigator Film, Golden Girls Film & Bunny Beach Films / Lukas Ladner, Dino Osmanovic, Backyard GmbH, Kristina Schranz

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Dokumentarfilm lang

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Ein Filmfestival, das ist ja nicht nur Kino und Filmgenuss, sondern auch: Austausch und Diskurs, Kunst und Party. Was es also sonst noch zu sehen und zu tun gibt, erfahrt ihr hier.

Kunst

Aimless Stroll – Analoge Fotografien der Stadt Städte und Spaziergänge durch diese Städte, festgehalten von elf Fotograf*innen, die allesamt Mitglieder der Analogfotografie-Initiative One Thousand and More Pictures sind. 2. Juni bis 2. Juli, Feinkost Mild

Jennifer Mattes: Bars von Atlantis Jennifer Mattes gestaltete für diese Ausstellung Fundstücke aus Musik und Film sowie Einrichtungsgegenstände zu Mischwesen verlassener Filmsets. 8. Juni bis 1. August, Kunsthaus Graz

Diskurs

Im Kino sind wir durcheinander: Spielfilm als Pandemie-Politik-Panorama Drehli Robnik ist Wissenschaftler und Journalist mit Fokus auf Film und Politik. Auf Basis seines Buchs »Ansteckkino. Eine politische Philosophie und Geschichte des Pandemie-Spielfilms von 1919 bis Covid-19« erklärt er, wie sich Pandemien in Filmen zeigen.

Diagonale Film Meeting: Die neue Normalität. Ein Blick in die Zukunft Hätte letztes Jahr noch das Thema »Innovation im österreichischen Film« diskutiert werden sollen, so steht 2021 die zuletzt häufig genannte »neue Normalität« im Fokus des Diagonale Film Meetings, das als Präsenzveranstaltung sowie als Livestream stattfindet.

Party

Club Diagonale Die Partyschiene der Diagonale muss 2021 noch etwas spärlicher ausfallen, als wir es gewohnt sind. Zwei Sitzkonzerte im Grazer Orpheum kann man sich dennoch gönnen: Am 11. Juni wird »The Fortune You Seek Is in Another Cookie«, Johannes Gierlingers erster Spielfilm, in einer live vertonten Remontage gezeigt. Und am 12. Juni gibt es eine Live-AV-Performance von Dorian Concept × Prcls, bei der Beats und Bewegtbild eine Symbiose eingehen.

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Anna Jermolaewa »Nose« (2020) Christiane Peschek »Body and Worlds Drifting Apart« (2021)

»Einatmen – Ausatmen« im Grazer KULTUM

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Bernd Oppel: Sensible Oberflächen Bernd Oppel geht in dieser Ausstellung vor allem der Frage nach, wie sich die Fotografie als Akteurin verhält, wenn sie in Filmen und Serien in den Vordergrund rückt. 4. Juni bis 18. Juni, Kunsthalle Graz

»Einatmen – Ausatmen«. Wie ein beruhigendes Mantra hat jede*r von uns diese beiden Worte schon einmal vor sich hergesagt. In Zeiten physischer oder psychischer Überforderung. In belastenden Ausnahmesituationen. Kurz vor dem Kollaps, um wieder zurückzufinden zu einem Minimum an Ausgeglichenheit und einer Art Normalzustand. Auch in der Corona-Krise bildet dieses Wortpaar eine Beschwörungsformel, die Erholung bringen soll. Und gleichzeitig ist das Atmen durch das Virus zu etwas Bedrohlichem geworden. Ängste, Überbelastung und Abgrenzung sind die Folgen. Wir schützen uns durch das Tragen einer Maske, die Distanz schafft und von der sich manche erstickt fühlen.

Höchst existenziell In der Gruppenausstellung »Einatmen – Ausatmen« widmet sich KULTUM, das Zentrum für Gegenwart, Kunst und Religion in Graz, dem Themenkomplex mittels höchst existenzieller Beiträge und künstlerischer Statements in einer zunehmend den Boden verlierenden Gesellschaft. Das Mehrspartenprojekt bringt neue, für den Ort geschaffene Arbeiten mit pointierten Leihgaben aus der Vergangenheit zusammen und webt sie nach und nach in die neuen Räume der historischen KULTUM-Areals bei den Minoriten ein, dessen groß angelegten Umbauarbeiten im Verlauf der Ausstellung abgeschlossen werden. Zur Wiedereröffnung haucht die Schau dem erneuerten Gebäude den »Atem« ein. Zu sehen sind Werke von Abramovic / Ulay, VALIE EXPORT, Heribert Friedl, Anna Jermolaewa, Christiane Peschek, Werner Reiterer u. v. m. Kuratiert von Katrin Bucher Trantow und Johannes Rauchenberger. Breathing In – Breathing Out EINATMEN – AUSATMEN Mi., 2. Juni bis Sa., 13. November 2021 (im August baustellenbedingt geschlossen) KULTUM Galerie, Mariahilferplatz 3, Graz; kultum.at

PROMOTION

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Und rundherum?

Von Beklemmung, Kontrolle und Druck bis hin zum Innehalten und zur Öffnung: Die Ausstellung zum Re-Opening des Minoritenzentrums gewinnt dem Thema Atmen diverse Facetten ab.

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Außerdem in Graz

Bianca Baldi: Cameo

Das Designforum Steiermark zeigt zum dritten Mal in Folge ausgewählte Abschlussarbeiten der Abteilung Kunst & Design der Grazer Ortweinschule. Zu sehen sind Werke aus den Fachbereichen »Bildhauerei Objektdesign Restaurierung«, »Film und Multimedia-Art«, »Fotografie und Multimedia-Art«, »Grafik- und Kommunikationsdesign«, »Innenarchitektur, Raum- und Objektgestaltung«, »Keramik Art Craft«, »Produktdesign Präsentation« sowie »Schmuck Metall Design«. Die Arbeiten zeigen die Vielfalt und Fachkompetenz, die Absolvent*innen der renommierten Ausbildungsstätte im Zuge ihrer fünfjährigen Ausbildung entwickeln. 5. bis 19. Juni Designforum Graz

Club Hybrid »Ein Demonstrativbau in Graz«, so lautet der Subtitel dieses Projekts rund um Teilhabe, Stadtentwicklung und Hybridität, das im Rahmen des Grazer Kulturjahres 2020 seinen Ausgang genommen hat. Gedacht als Ort des Experimentierens, des Aus- und Darstellens sowie des Diskurses wird der Club Hybrid den Sommer über zwei Monate lang mit wechselnden Residencys und täglichem Programm zur aktiven Interventionszone. Seine Eröffnung feiert er am 10. Juni ab 18 Uhr an der Adresse Herrgottwiesgasse 161. ab 10. Juni Club Hybrid

Jean Sibelius: Der Sturm

Auf der Flucht – Be on the Run Kultum, das Zentrum für Gegenwart, Kunst und Religion in Graz, vergibt im Rahmen der Diagonale alljährlich den Preis für den besten Kurzdokumentarfilm. Im Vorjahr wurde etwa das Künstlerkollektiv Total Refusal für seinen Film »How to Disappear« ausgezeichnet, der sich des Zweiter-Weltkrieg-Settings des Computerspiels »Battelfield V« bedient. Am Festivalfreitag findet außerdem in schöner Tradition eine Podiumsdiskussion statt, die jeweils einem Diagonale-Thema gewidmet ist und bei der gesellschaftlich relevante Fragen besprochen werden. Aus einer (film-)historischen Perspektive heraus wagt man sich heuer an eine Debatte um Migration, Heimat und Nationalstaat und beschäftigt sich mit den Lebens­ realitäten und dem Schaffen von heimatlosen Menschen. Um Anmeldung unter www.kultum.at/film wird gebeten. 11. Juni Wien, Kultum Cubus

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»Der Sturm« ist wahrscheinlich William Shakespeares letztes vollendetes Bühnenwerk. Wie Prospero, der sich im Stück nach der Rache an seinem Bruder von seinen Zauberkräften verabschiedet, entsagte auch sein Autor dem Bühnenzauber, um sich an seinen Geburtsort zurückzuziehen. Und für Jean Sibelius war die Schauspielmusik zu Shakespeares Drama ebenfalls ein Werk des Abschieds: Nach sieben Symphonien, in denen er seine stilistischen Möglichkeiten ausgereizt hatte, entzündete der Auftrag des Königlichen Theaters in Kopenhagen, die Musik zu »Der Sturm« zu komponieren, ein künstlerisches Feuerwerk und setzte ein letztes Mal jene kreativen Kräfte frei, die er als Symphoniker nicht mehr aufbrachte. 11. und 24. Juni Oper Graz

Universalmuseum Joanneum / N. Lackner, Diagonale / Paul Pibernig

Taste the Ortwein

Michaela Pichler, Jana Wachtmann

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Ladies First! Kunst von Künstlerinnen in und aus der Steiermark der Jahre 1850 bis 1950 steht im Zentrum der Ausstellung »Ladies First!«. Als deren Kurator*innen wollen Gudrun Danzer und Günther Holler-Schuster der Verdrängung oder mangelnden Akzeptanz weiblichen Kunstschaffens durch ein männlich geprägtes Kunstsystem entgegenwirken. Gezeigt werden Werke von rund 60 Künstlerinnen, man erfährt über deren Biografien und die Bedingungen, unter denen sie arbeiteten. Die Neue Galerie Graz setzt damit ihre Tradition fort, vergessene Positionen zu rehabilitieren. Vertreten sind bekanntere Namen wie etwa Marie Egner, Ida Maly und Vevean Oviette (abgebildet ist ihr Werk »Komposition (Chimäre)«, 1952), aber auch weniger bekannte wie Anna Lynker, Marianne Stokes oder Mara Schrötter-Malliczky. bis 19. September Neue Galerie Graz

Die in Johannesburg aufgewachsene Künstlerin Bianca Baldi führt in ihrer künstlerischen Praxis Fragen zu Identität, Selbstdarstellung, Diskriminierung und Wahrnehmung zusammen. Zum Beispiel, wenn sie das sozialpolitische Phänomen des Passings anhand von Beispielen aus dem Tierreich untersucht: ein Tintenfisch, der seine Farbe je nach Situation anpassen kann und sich so tarnt. In Baldis Werk – Filmen, Fotografien und Installationen – dient der Oktopus als Motiv, dessen Passing dem Selbsterhalt dient. bis 13. Juni Grazer Kunstverein

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CREATIVE EUROPE MEDIA

YEARS OF MEDIA

Supporting European Stories for 30 years

30 Jahre MEDIA ... und es geht weiter! 1,4 Mrd. Euro für das neue MEDIA Programm 2021-2027! Creative Europe - MEDIA ist das Programm der Europäischen Kommission zur Unterstützung des Film- und audiovisuellen Sektors. Gefördert werden Entwicklung, Verbreitung und Promotion europäischer Filme sowie Maßnahmen zu Professionalisierung, Vernetzung und Innovation der Branche.

Nähere Informationen über Programmstart und Fördermöglichkeiten von MEDIA erhalten Sie bei Creative Europe - MEDIA Desk Österreich: www.creativeeurope.at www.facebook.com/cedmedia.at

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