The Gap 187

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Kunst � Kultur � Gesellschaft

Eine komplexe Verschränkung

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N° 187

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AUSGABE JUNI / JULI 2021 — THE GAP IST KOSTENLOS UND ERSCHEINT ZWEIMONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1052 WIEN, P.B.B. | MZ 18Z041505 M


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Editorial

Ein Sommer wie damals?

Web www.thegap.at Facebook www.facebook.com / thegapmagazin Twitter @the_gap Instagram thegapmag Issuu the_gap

Herausgeber Manuel Fronhofer, Thomas Heher Chefredaktion Sandro Nicolussi Leitender Redakteur Manfred Gram

Es fühlt sich feierlich und zugleich auch etwas unangenehm an, hier auszuloten, wie sehr sich die Grenzen des aushaltbaren Pathos in der Eröffnung einer Magazinausgabe ausdehnen lassen. Jedenfalls markiert dieses Heft nicht nur den Beginn des Sommers, den so viele seit Monaten hoffnungsvoll herbeisehnen, sondern auch den Pride Month, der auch unabhängig von Zeit, Wetter und Umständen ein aufblühender, kämpferischer und verbindender Anlass ist. Einerseits ist es dieser Tage wieder vielerorts möglich, die Anstrengungen, die die Corona-Pandemie in den letzten Monaten mit sich brachte, hinter sich zu lassen. Auf Holz klopfend, wage ich an dieser Stelle die Prognose, dass das die (vorerst?) letzte Ausgabe von The Gap sein wird, die quasi in völliger Isolation aller Mitarbeitenden entstanden ist. Was es wohl mit den Geschichten, den Rezensionen, den Interviewfragen und der allgemeinen Themensetzung machen wird, wenn Redaktionssitzungen wieder mit tatsächlichem sozialem Austausch (und dem einen oder anderen Bier intus) stattfinden? Wie begegnen wir einander auf der Straße, wenn wir nicht mehr ständig unter Strom stehen? Langsam kann aufgeatmet werden. Andererseits ist damit längst nicht alles gut. Viele soziale Kämpfe gehen nach wie vor weiter oder beginnen erst. Das wird auch bei der Lektüre dieses Hefts deutlich. Die Pride-Edition wurde keine leichte Kost, zumindest nicht ausschließlich. So werden Texte zur Lebens­ realität der LGBTIQ+-Community flankiert von der Kritik an der Kultur­ raumplanung in Wien. Comics von trans Künstler*innen gehen Hand in Hand mit Camp-Art und einem Queerness-Glossar. Wo auch immer die Themen einen ernsten, traurigen oder frustrierenden Kern haben, sind sie doch immer mit dem Körnchen der Hoffnung gespickt und blicken in eine solidarische Zukunft, in der es Platz auf Augenhöhe für verschiedene Lebensentwürfe gibt. Deshalb: Kiss me hard before you go – und dann wider jegliche Summertime Sadness!

Gestaltung Markus Raffetseder Autor*innen dieser Ausgabe Natalia Anders, Magdalena Augustin, Barbara Fohringer, Bernhard Frena, Susanne Gottlieb, Fee L. Niederhagen, Oliver Maus, Tobias Natter, Dominik Oswald, Michaela Pichler, Mira Schneidereit, Emily Staats, Jana Wachtmann, Sarah Wetzlmayr Kolumnist*innen Astrid Exner, Josef Jöchl, Christoph Prenner, Gabriel Roland Fotograf*innen dieser Ausgabe Fabian Gasperl, Teresa Wagenhofer Lektorat Jana Wachtmann Coverillustration Markus Raffetseder Anzeigenverkauf Herwig Bauer, Manuel Fronhofer, Sarah Gerstmayer (Leitung), Thomas Heher, Martin Mühl, Thomas Weber Distribution Andrea Pfeiffer Druck Grafički Zavod Hrvatske d. o. o. Mičevečka ulica 7, 10000 Zagreb, Kroatien Geschäftsführung Thomas Heher Produktion & Medieninhaberin Comrades GmbH, Stauraczgasse 10/4, 1050 Wien Kontakt The Gap c/o Comrades GmbH Stauraczgasse 10/4, 1050 Wien office@thegap.at — www.thegap.at Bankverbindung Comrades GmbH, Erste Bank, IBAN: AT39 2011 1841 4485 6600, BIC: GIBAATWWXXX Abonnement 6 Ausgaben; Euro 21,— (aktuell: Euro 9,90) www.thegap.at/abo Heftpreis Euro 0,— Erscheinungsweise 6 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1052 Wien

Daniel Nuderscher

Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz www.thegap.at/impressum

Sandro Nicolussi

Chefredakteur • nicolussi@thegap.at Twitter: @vorarlwiener

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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber*innen wieder. Für den Inhalt von Inseraten haften ausschließlich die Inserierenden. Für unaufgefordert zugesandtes Bildund Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmi­ gung der Geschäftsführung.

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Magazin

Der gekünstelte Fortschritt Wie Entwicklungen aus der Kunst auf die Gesellschaft wirken

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Zwischen kollektiver Gewalterfahrung und »Queer Joy« Trans* Erfahrungen in Comics und Graphic Novels Kritische Ästhetisierung Wie Camp Normen hinterfragt Von Zebrastreifen, Flaggen und Verbotszonen Queere Struggles in Polen und Wien

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The Gap × Pride Queerness-Glossar Kultur sucht Raum Die Wiener Szene auf den Plan rufen

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Ari Ban, Florian Aschka & Larissa Kopp, Adobe Stock, Leo Niederhagen, Theresa Wey

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Ari Ban, Florian Aschka & Larissa Kopp, Adobe Stock, Leo Niederhagen, Theresa Wey

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Fee L. Niederhagen Fee heißt tatsächlich so, kommt aus Solingen und eigentlich vom Theater. Seit sie in Wien lebt, schreibt sie aber mehr, als sie spielt oder spielen lässt. Bei The Gap ist sie über die Kunst­schiene – genauer: den »Golden Frame« der letzten Ausgabe – reingerutscht und mit ihren kreativen Ansätzen gekommen, um zu bleiben. Weil es sich besser auf mehreren Hochzeiten tanzt, oszilliert sie zwischen der Arbeit für ihre Lieblingsmagazine, Clubkultur und einer Aus­ bildung zur Psychotherapeutin.

Teresa Wagenhofer

Rubriken 003 Editorial / Impressum 007 Charts 016 Golden Frame 042 Workstation: Xenia Nanou Christoph Teuchtler 046 Prosa: Violette Leduc 048 Gewinnen 049 Rezensionen 054 Termine

Kolumnen 006 Einteiler: Gabriel Roland 008 Gender Gap: Astrid Exner 062 Screen Lights: Christoph Prenner 066 Sex and the Lugner City: Josef Jöchl

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Sei natürlich, sei du selbst! Die drei neuen Lifetime Drinks von ORGANICS by Red Bull werden dich durch den Sommer begleiten.

PROMOTION

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Teresa ist selbstständige Fotografin in Wien. Am liebsten schießt sie Porträts und Stillleben. Passend also, dass sie die beiden Disziplinen mit ihrem Debüt bei The Gap – sie fotografierte die »Workstation« – auf eine besondere Art kombinieren konnte. Aus Zeitgründen arbeitete sie diesmal digital, obwohl sie analoge Fotografie eigentlich bevorzugt. Derzeit freut sich die 24-Jährige be­sonders darüber, dass Kino-, Konzertund Ausstellungsbesuche langsam, aber sicher wieder möglich sind.

Black Orange, Purple Berry und Ginger Beer – so heißen die neuen Sorten, mit denen ORGANICS by Red Bull abermals sein Gespür für Zeitgeist und Genuss unter Beweis stellt. Wie die bekannten Sorten – von Simply Cola bis Viva Mate – sind auch die drei neuen erfrischende, bio-zertifizierte Alternativen zu klassischen Limonaden. Und wer das Besondere schätzt, gönnt sich ORGANICS by Red Bull als Mixgetränk. Frei nach dem Motto: Sei natürlich, sei du selbst und gib deinen Talenten Raum sich zu entfalten! Orange Kiss: 15 cl Orangensaft 5 cl Blutorangensaft 1 cl Zitronensaft 1 cl Holundersirup Fill Up: ORGANICS Black Orange

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Gabriel Roland

Einteiler Volle Pulli eingetascht Ein Pullover, das ist ein Kleidungsstück, bei dem man den Kopf durchwursteln muss, um es anzuziehen – und eine Tasche ist ein Behälter aus Stoff. Baut man beides zusammen, hat man einen Pullover, in den man etwas einstecken kann. Jetzt, nach dieser Erkenntnis, müsste nur noch der Name des Labels verraten werden, bei dem ihr besagtes und hier im Hintergrund ausschnittsweise abgebildetes Stück kaufen könnt, und wir hätten alle, nach dem doch überschaubaren Aufwand des Schreibens beziehungsweise Lesens nur einiger Zeilen die Möglichkeit, anderen, vielleicht erbaulicheren Formen des Müßiggangs zu frönen. Die Ernüchterung folgt dieser ebenso verheißungsvollen wie versöhnlichen Option jedoch bedauerlicherweise mit unerbittlicher Promptheit. Es zeichnet sich gleich eine Reihe an Hindernissen ab. Zuvorderst die Vorstellung, vom erzürnten Chefredakteur, der betrogenen Designerin und dem umsonst bemühten Fotografen verfolgt zu werden. Das stellt ein gewiss bedrohliches Risiko dar, aber doch eines, das der Kolumnist mit Blick auf den ihn mit der p. t. Leser*innenschaft vollends verbindenden Genuss auf sich nähme – wäre da nicht noch eine weitere gefährliche Frage:

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Sind die eingangs gemachten Feststellungen überhaupt wahr? Mit dem Kleidungsstück, das man über den Kopf ziehen muss, um es zu tragen, hätte etwa auch ein Snood gemeint gewesen sein können. Und etwas als »Behälter« zu bezeichnen, impliziert doch eine gewisse Funktionalität. Was wäre denn das für ein armseliges Behältnis, das nichts beinhalten kann? Dabei gibt es aber so viele sogenannte Taschen, die entweder so klein und eng sind, dass sie nur theoretische Mengen an Inhalt fassen können, oder die überhaupt nur Attrappen sind. In der Mode scheint der Begriff der Tasche also über ihre eigentliche Funktion der Aufbewahrung hinaus eine Art symbolische Bedeutung zu haben.

Funktionalität signalisieren Jenseits ihrer tatsächlichen Verwendung signalisieren Taschen vor allem eines: Dass sie verwendet werden können. Oft werden sie auf eine Weise eingesetzt, die eine regelrechte Gier auf Verwendung, eine über die Verwendbarkeit hinausgehende Funktionalität suggeriert. Was Taschen hat, ist praktisch: eine Fischerweste oder eine Cargohose etwa. Gleichzeitig ist es eine geläufige Beschwerde, dass Frauenge-

wand keine Taschen habe und daher unpraktisch sei. Aber ist eine Tasche, deren Hauptfunktion das Signalisieren von Funktionalität ist, nicht mindestens so unpraktisch wie eine abwesende Tasche? Das Praktische ist jedenfalls nicht alles, worum es geht. Diese vertrackte Situation bedarf der Klärung. Glücklicherweise wird der letzte Absatz in Kürze seine Dea ex Machina preisgeben und diese wird wiederum den gordischen Knoten dieses Textes, wenn nicht zerhauen, so doch sanft zerfließen lassen. An diesem Punkt tritt Sweatlana Del Rey auf und zwar nicht, weil sie sich in einer Zeit lange vor den Pullovern der Sprachphilosophie gewidmet hat. Nein, sie tritt auf, weil sie Pullover macht. Einer dieser Pullover ist hier abgebildet. Es ist ein Pullover mit Tasche, das kann man ja sehen. Gut, dass wir ein so direktes Verhältnis zu unserem Gewand haben. Und gut, dass der Text doch so lang geworden ist, sonst hätte Sweatlana nicht auftreten müssen. roland@thegap.at • @wasichgsehnhab Wer sich für Sweatlana Del Reys Pullover oder zumindest für ihre erstklassigen Fotostrecken interessiert, folgt ihr unter @sweatlana.del.rey auf Instagram.

Fabian Gasperl

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betrachtet die hiesige Modeszene Stück für Stück

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Instagram-Profile von Waschbären 01 @raccoon_artem_tobolsk 02 @raccoon_dongsim 03 @zhoraccoon Auch nicht schlecht: »Creepshow 1« und »Creepshow 2« Brenk Sinatra ist seit über 20 Jahren als Produzent und Beatmaker aktiv. Am 2. Juli erscheint sein neues Album »Boss Spieler University«.

↳ Ausstellungen täglich 11:00 – 20:00 Uhr

↳ ehem. Postsparkasse, GeorgCoch-Platz 2, 1010 Wien

↳ Programm & Information: angewandtefestival.at

TOP 03

↳ Vordere Zollamtsstraße 7, 1030 Wien

Nick-Knatterton-Bösewichte 01 Tresor-Theo 02 Stiftzahn-Heini 03 Juwelen-Jupp 04 Hinke-Hugo 05 Miezen-Max 06 Konrad Knicker 07 Schläger-Schorsch 08 Macco Maffiano 09 Bobby Schnieke 10 Graf Rieselkalk

↳ Oskar-KokoschkaPlatz 2, 1010 Wien

TOP 10

IM HAUS DES MEERES!

Charts Pink Noise TOP 10

Dinge, die du bei Pink Noise zum ersten Mal erleben kannst 01 In ein Mikrofon schreien 02 (Tatsächlich) Leute für eine Band finden 03 Den eigenen Kabelsalat entwirren können (und wissen, wofür er gut ist) 04 Den perfekten Winkel fürs erste Bandfoto finden 05 Auf einer Bühne sein 06 Aufhören, dich zu entschuldigen – you rock! 07 Einfach machen, ohne zu »können« 08 Mehr vegane Burger essen, als du dachtest, dass du kannst 09 Mindestens drei verschiedene Instrumente in ein paar Tagen spielen 10 Instrumente ausprobieren, von denen du nicht wusstest, dass es sie gibt Daniel Shaked, Miriam de Goederen

Fabian Gasperl

Charts Brenk Sinatra

TOP 03

Gründe, sich über Pronomen in der Insta-Bio aufzuregen 01 Es 02 gibt 03 keine. Auch nicht schlecht: Die Musik der Pink-Noise-Bandcoaches auschecken Der Verein Pink Noise möchte mithilfe von Musik Freiräume für die Selbstermächtigung von Mädchen, Frauen, trans, inter* und nichtbinären Personen in der Pop- und Jugendkultur schaffen.

16. Juni

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WENZEL BECK & BAND Die Grundidee: Selbstironie, ein Blick auf das was passiert und ganz viel Liebe zum Leben und zur Musik. | € 25,-

Endlich wieder

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In Kooperation mit 01.06.21 13:26


Astrid Exner

beschäftigt sich hier mit den großen und kleinen Fragen zu Feminismus

Zugegeben: Mein Verhältnis zu Ärzt*innen ist kompliziert. Ich vermeide es leidenschaftlich, mich mit meiner eigenen Sterblichkeit zu beschäftigen. Seit einigen Jahren gehe ich aber regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchung. Meistens habe ich einen Eisenmangel, oft fehlt es mir an Vitamin D und immer bin ich 169 Zentimeter groß. Bis auf heuer, als das Maßband auf einmal 172 Zentimeter anzeigte. Das macht also ein Pandemiejahr voller (ja, eh auch) Homeyoga und (aber hauptsächlich) Psychotherapie mit mir. Dass ich mich in meiner Haut wohler fühle als früher, hat wohl auch meine Haltung verbessert. Erhobenen Hauptes stolzierte ich aus der Ordination und wunderte mich, warum das mit dem Wohlfühlen eigentlich so fucking schwierig ist. Na ja, da wäre etwa die Sache, dass Arztbesuche nicht immer so eine angenehme Erfahrung sind. Für meine Klassenkollegin in der AHS-Unterstufe zum Beispiel, deren Nachname im Alphabet vor meinem kam, und die übergewichtig war. Als sie unserem Schularzt anvertraute, dass sie sich manchmal absichtlich übergab, klärte sie dieser nicht, wie es hilfreich gewesen wäre, über Essstörungen auf, sondern ermutigte sie, genau so weiterzumachen. Sie sei ja eh dick und solle ruhig ein bisschen speiben. Dass ihr Gewicht eine medizinische Ursache hatte, erfuhr sie erst später. Mein einziger eigener Kotzversuch scheiterte daran, dass mich mehr vor dem Finger im Hals ekelte als vor der ganzen Packung Chips im Magen. Ich sah ein, dass ich nicht das Zeug zur Bulimikerin hatte und widmete mich stattdessen dem Kalorienzählen. Mehr als so und so viele Kilo­ kalorien pro Tag sollten es nicht sein, beschloss ich, führte in einem Excel-Sheet Buch darüber und verweigerte von da an Bananen, da sie mit 140 kcal pro Stück die Mogelpackungen unter den Obstsorten waren. Vier Bananen sind ein Schnitzel. Wie bin ich auf solche Ideen gekommen? Es hat sicher nicht geholfen, dass meine Mutter mir die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper vorlebte. Man kann es ihr nicht verübeln. Sie war mit dem Magersuchtslook der 90erJahre-Supermodels konfrontiert gewesen. Ich hingegen konnte schon zu Jennifer Lopez auf-

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schauen, die im Alleingang das vorherrschende Schönheitsideal umkrempelte. Plötzlich war mein von Mama geerbter Hintern voll in Mode. Immer wenn MTV Destiny’s Child spielte, war auch mein Hintern »too bootylicous for you, babe«. Leider währte die Freude über mein trendy Gesäß nicht lange, denn bald erkannte ich, dass Mama mir auch ihre Bindegewebsstruktur mitgegeben hatte. Wenn ich von MTV zu »RTL Exclusiv« zappte oder ein Frauenmagazin aufschlug, lernte ich, dass Orangenhaut peinlich war und um jeden Preis bekämpft und versteckt werden musste. Von da an sah man mich im Freibad und in Lignano nur noch mit Pareos und anderen »kaschierenden« Kleidungsstücken, weil einmal das Sonnenlicht schräg eingefallen war und mir im Kinderzimmerspiegel eine vermeintliche Hügellandschaft auf meinen Oberschenkeln offenbart hatte.

Erfundene Probleme Der springende Punkt ist, dass mir die Neigung meiner Haut zu Cellulite nie im Leben als Mangel aufgefallen wäre, wenn nicht die Werbetreibenden und Massenmedien dieser Welt den weiblichen Körper als einzige Baustelle definiert hätten. Erst die vermeintlichen Lösungen für das erfundene Problem, die Konzerne und Medienhäuser anbieten, verstärken das Gefühl, dass da überhaupt eines ist. Das gilt unabhängig davon, für welches Problem gerade eine neue Zielgruppe erfunden wurde. Als vor einigen Jahren Modeplattformen wie Asos damit aufhörten, ihren Models die Dehnungsstreifen wegzuphotoshoppen, wurde das von den sogenannten Frauenzeitschriften abgefeiert. Insta-Influencerinnen inszenierten ihre eigenen Dehnungsstreifen und paarten sie mit »empowernden« Botschaften und der Aufforderung, den eigenen Körper so zu lieben, wie er ist. Pressure, much? Jedenfalls, was ist natürlich passiert? Klar, auch an meinem Körper entdeckte ich diese Dehnungsstreifen, von deren Existenz ich bis dato nichts gewusst hatte, geschweige denn, dass sie einen Mangel darstellen, den es paradoxerweise zu feiern gilt.

So, und jetzt ist es natürlich gut und eine absolut wichtige Verbesserung zu den Magermodels, mit denen sich meine Mutter vergleichen musste, wenn Asos und Konsorten Plus-SizeModels engagieren, um die Fast Fashion an die Menschheit zu bringen. Aber wenn deren Fett an genau den richtigen Stellen (Busen, Hintern) für eine ästhetisch ansprechende Sanduhrfigur sitzt, sie makellose Gesichter ohne Doppelkinn haben und tolle Frisuren und reine Haut, dann sind wir wahrlich noch immer sehr weit von der Mitte der Gesellschaft entfernt. Den ganzen unendlichen Dauerlockdown lang waren viele von uns ein verpixeltes Gesicht in einem Screen. Jetzt ist Impfsommer. Und auch wenn wir noch nicht wieder last minute an die schönsten, most instaworthy Traumstrände jetten like it’s 2019: Unsere Körperlichkeit rückt zurück in den Fokus. Sollen wir uns also alle embracen und in Szene setzen? Na ja, ich will eigentlich gar nicht meinen Körper feiern müssen und ihm diese ganze Aufmerksamkeit geben. Es ist schon Arbeit genug, in unserem turbokapitalistischen, oberflächlichen Medienumfeld die eigene Knochenhülle zu tolerieren. Darum bin ich ganz behutsam zu mir selbst und verlange mir auch nicht mehr als das ab. Für diesen Sommer nehme ich mir etwas anderes vor: Nämlich meinen Blick auf andere Körper zu hinterfragen. Wenn ich im Freibad Dellen, Rollen oder Haare (zu viele, zu wenige, an den falschen Stellen) sehe, dann werde ich innehalten und mir anschauen, welche internalisierten, antrainierten Gedanken dazu aufkommen. Werde ich mich automatisch mit diesen Körpern vergleichen? Werde ich sie bewerten? Und nach welchen Maßstäben? Wer hat mir diese Maßstäbe antrainiert und wieso glaube ich, dass sie universell sind? Ich kann nämlich nicht beeinflussen, ob mein eigenes Aussehen von anderen taxiert, eingeordnet und verurteilt wird. Aber ich kann bei meinem eigenen Verhalten anfangen und andere ganz einfach existieren lassen, wie sie sind. exner@thegap.at @astridexner

Michael Exner

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Gender Gap Der perfekte Beach Body

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s a d t i Dam en r r e p s Zu

i e b r o #t.v is

Michael Exner

Damit die Pandemie vorbeigeht. Lassen auch Sie sich impfen. www.Österreich-impft.at

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Kann Kunst die Welt verändern? Und wenn ja, inwiefern? Ist es schon eine beginnende oder laufende Revolution, wenn zwei Rapper diskriminierende Tracks aus ihrer Vergangenheit aus dem Internet nehmen? Die Rolle der sozialen Verantwortung in der Kunst und die daraus potenziell folgenden gesellschaftlichen Entwicklungen werden laufend diskutiert. Eine eindeutige Antwort auf offene Fragen zu finden, ist dabei nicht leicht. Die Betrachtung einer komplexen Verschränkung. ———— »Ohne Kunst wird es still«, das »uns« in Kunst dabei farblich hervorgehoben. Von diesem Claim werden seit einigen Monaten Profilbilder auf diversen Social-Media-Plattformen begleitet. Auch in den konventionellen Massenmedien wird der Branche und ihren vielfach verzweigten Ausläufern vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt. Der Zusammenhang und Zusammenhalt von Kunst, Kultur und Gesellschaft rückt wieder in den Fokus. Häufig begleitet von der Frage, ob die Menschheit denn Kunst und Kultur wirklich so dringend brauche – oder ob das nicht eigentlich viel heiße Luft um völlig entbehrliche Selbstverwirklichungsfantasien Einzelner sei. Doch auch in Bereichen, in denen die Wichtigkeit von Kunst und ihr Potenzial, kulturellen Mehrwert zu schaffen, nicht infrage gestellt wird, taucht die wiederkehrende Kritik nach innen auf, die Kunstszene sei ein elitärer Circle-Jerk wohlstandsverwahrloster Uni-Kids. Die Rede ist dabei meist von unangenehmer, experimenteller – oder, um den Begriff anzustrengen: progressiver – Kunst, die bestehende Normen und Strukturen hinterfragt. Es scheint, als gäbe es eine willkürli-

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che Unterteilung in gefällige und missliebige Künste. Die beinahe kritiklos angenommenen Ausprägungen sind dabei nicht selten die, die die eigene Position bestärken, anstatt sie zu hinterfragen, die beruhigen, anstatt aufzuwühlen. Geschenkt. Laufend wird dabei auch debattiert, inwiefern sich die Kunst in gesellschaftliche Prozesse und soziale Kämpfe einmischen soll beziehungsweise nachhaltig etwas verändern kann. Oft kombiniert mit aktivem Leugnen oder

»Man müsste eine Kultur schaffen, in der man lernt, das zu hören, von dem man nicht weiß, dass man es überhört.« — Nanna Heidenreich Ausblenden der historischen Umstände, in denen gewisse Strömungen, Disziplinen oder Genres erst entstanden sind. Im Vordergrund steht dabei immer wieder die Debatte um die (un-)erwünschte Politisierung von Kunst und deren Schaffensprozessen – und die Rolle, die gesellschaftliche Entwicklung (oft auch als Kulturwechsel bezeichnet) dabei spielt.

Dass es innerhalb der Kulturszene brodelt und sich etwas bewegt, merkten die beiden Wiener Rapper Movski und Kaul Kwappen kürzlich sehr deutlich. Eine Person sprach Kaul Kwappen während der losen Zusammenarbeit auf einen bereits sechs Jahre zurückliegenden Track an – eine Zeile des Tracks, der auch Movskis Lyrik enthält, triggerte sie. Kurz darauf beendete sie die Zusammenarbeit, brach den Kontakt schlussendlich ganz ab. Das Duo nahm das zum Anlass zur Selbstreflexion. Kaul Kwappen schildert den Moment des Anstoßes so: »Das hat mich bewegt und ich habe mich gefragt, was ich in der Vergangenheit noch gemacht habe, was ähnliche Reaktionen bei anderen Personen hervorrufen könnte. Ich war mir sicher, dass ich im Internet Müll von mir gegeben habe, der nicht nur beleidigend, sondern auch diskriminierend war.« Movski und Kaul Kwappen durchforsten also ihren Katalog von Grund auf und entscheiden sich für den radikalen Schritt, alles zu löschen, hinter dem sie nicht mehr stehen können. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Rapper Angst vor unangenehmen Reaktionen hatten oder haben, die erwarten sie nach wie vor. Vielmehr gehe es ihnen darum, jene Tracks offline zu nehmen, in denen sie profane und oberflächliche Beleidigungen nur des Reimes wegen platzierten – die schlicht zu niedrigen künstlerischen Mehrwert liefern, um dafür die Betroffenheit einzelner Personen in Kauf zu nehmen. In ihren Schilderungen fallen zwar auch Floskeln wie »nicht so gemeint« und auch der Begriff »Stilmittel« findet seinen Platz, aller-

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Der gekünstelte Fortschritt Wie Entwicklungen aus der Kunst auf die Gesellschaft wirken

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dings eher in reflektierender Manier als in bekannter Form ausflüchtender Rechtfertigung. Dass sie diesen Schritt hätten machen können und sollen, bevor der Anlass von außen kam, ist ihnen nun, im Nachhinein, genauso wichtig zu betonen wie die Bemerkung, dass ihr frisch gefasster Anspruch keine Selbstinszenierung als besonders »woke« Zeitgenossen sein soll. Die beiden Sprachkünstler wollen ein Zeichen setzen und Vergangenes nicht im sturen Übermaß verteidigen, sie wollen die Verantwortung ihres Kunstschaffens wahrnehmen und den kritischen gesellschaftlichen Blick dazu nutzen, zukünftig umsichtiger zu werden und dadurch letzten Endes eine der Zeit entsprechende, bessere Kunst zu machen. Movski dazu: »Wir hören, was die Hörer*innen zu unserer Musik sagen, nehmen das ernst und versuchen zu verstehen, was daran problematisch ist.« Dabei beschreibt er auch den Prozess der Weiterentwicklung ihrer Musik: »Hätte es

sich um einen Track gehandelt, der erst wenige Wochen alt ist, hätten wir sicher um eine genauere Diskussion des Themas gebeten. Dadurch, dass das Stück so alt war, hängen wir nicht mehr wirklich daran und wir können uns leichter davon distanzieren.«

Wie bitte, Fortschritt? Die Vorgehensweise des Rap-Duos reicht an dieser Stelle vermutlich, die Befürchtung um den Untergang der nahezu heiligen Kunst der Beleidigung im Sprechgesang zu schüren. Movski und Kaul Kwappen teilen diese Einstellung nicht, sind sich aber einig: »Nur weil unsere Musik reflektierter wird, wird sie nicht schlechter. Das funktioniert auch im Rap. Wir können sicher auch in Zukunft gute und bessere Songs schreiben, die ohne Diskriminierungen auskommen – darum geht’s wohl, wenn man sich selbst einen guten Lyriker nennt. Wir sind der Person, die

uns darauf aufmerksam gemacht hat, wirklich sehr dankbar.« In ihrer Entwicklung wollen sie dabei aber nicht stehen bleiben: »Das ist ein Thema, das nie aufhört. Denn wenn uns wieder wer darauf anspricht, werden wir auch wieder über unser Vorgehen diskutieren. Wie sehen wir das von jetzt aus gesehen in sechs Jahren?« Was es mit ihrer Kunst macht, dass sie in Zukunft sensibler agieren? »Wir werden von nun an noch mehr Zähne zeigen, aber es einfach klüger machen«, verspricht Movski. Spricht man von einer gewissen gesellschaftlichen oder kulturellen Weiterentwicklung oder einem Wandel, ist der Begriff des Fortschritts nicht weit. Er impliziert, dass jegliches Weitermachen, Festhalten oder Entwickeln über eine gewisse Zeit einen positiven Outcome nach sich zieht – offen bleibt dabei unter anderem, für wen das wie gelten soll. In der TAZ argumentierte der Autor und Kulturkritiker Georg Seeßlen kürzlich, dass es ein Trugschluss sei, zu glauben, jede kulturelle Transformation wäre ein Fortschritt und jeder Fortschritt eine Verbesserung. Nanna Heidenreich, Professorin für Transkulturelle Studien an der Universität für angewandte Kunst Wien, sieht das aus wissenschaftlicher Perspektive ebenfalls kritisch: »Dem Konzept Fortschritt und seiner als gerade betrachteten Timeline ist zu misstrauen. Häufig lenkt dieser Begriff des Fortschritts nämlich von den realen Verhältnissen, die nach wie vor beschissen sind, ab.« Meistens werde damit gesagt: »Dann ist es ja jetzt gut, oder? Dann müsst ihr euch doch nicht mehr empören. Es war doch früher alles schlimmer. Wir haben doch schon so viel erreicht. Aber:

Louise Haitz, Kaul Kwappen, Movski, Anja Weber

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Louise Haitz, Universitätsassistentin und Doktorandin der Medienkulturwissenschaft an der Uni Wien

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»Wir werden von nun an noch mehr Zähne zeigen, aber es einfach klüger machen.« — Movski

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D fi w w Das Rap-Duo Movski und Kaul Kwappen. Die beiden löschten diskriminierende Tracks aus ihrer Vergangenheit.

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fen«, so Heidenreich, »in der man lernt, das zu hören, von dem man nicht weiß, dass man es überhört.« Was wir derzeit erleben, sei also das vermehrte Lärmmachen für die Entwicklungen, die bisher zu wenig Aufmerksamkeit erfuhren, deswegen würden quasi neuartige Verhaltens- und Handlungsweisen auch im Kunstkontext eher auffallen als gesellschaftlich Gewohntes. Das schafft Schwung zur Abgrenzung, eröffnet aber auch die notwendigen Aushandlungsräume, in denen nachhaltige Entwicklungen erst entstehen können.

Bewusstseinswandel Wie genau sich der Lerneffekt, der durch gesellschaftliche Einflussnahme aus der Kunst entspringen kann, bemerkbar macht, damit beschäftigen sich Louise Haitz, Universitätsassistentin und Doktorandin der Medienkulturwissenschaft an der Uni Wien, und Lydia Kray, akademische Mitarbeiterin für europäische Medienwissenschaft an der Uni Potsdam. Die beiden kennen einander von gemeinsamer aktivistischer Arbeit, verstehen sich als queer und fokussieren nun auf die Forschung im Medienbereich. Als zentral sehen sie, wie Repräsentation in der Kunst »zur Kultur wird« und wo das in Forschung, Ge-

Nanna Heidenreich, Professorin für Transkulturelle Studien an der Universität für angewandte Kunst Wien

Louise Haitz, Kaul Kwappen, Movski, Anja Weber

Die Verhältnisse der Gegenwart, die sind nicht gut, sie sind alles andere als gut.« Gemeint ist dabei auch die vereinzelte Betrachtung von sprachlicher Veränderung oder individueller Sensibilisierung wie im Fall von Movski und Kaul Kwappen. Konkret macht Heidenreich das am Beispiel des Genderns fest – ebenfalls ein Phänomen einer gesellschaftlichen Entwicklung, das oft akademischen und kulturschaffenden Kreisen zugerechnet wird: »Durch die kulturelle Annahme des Genderns in Massenmedien wie Radio oder öffentlich-rechtlichen Formaten werden sich reale Verhältnisse erst mal nicht groß verändern. Aber positiv lesen solle man diese Momente durchaus: als Ergebnisse von Kämpfen.« Die Auseinandersetzung dürfe dabei nicht nur bei der Auswirkung von Wandel im Kleinen enden, sondern bei dem Hinterfragen der gesamten Struktur, in der man sich befindet und agiert – und von der schlussendlich auch jene profitieren, die im Regelfall vorherrschende Probleme am schlechtesten erkennen, weil sie selbst nicht betroffen sind. Nur, wie übertragt sich das im konkreten Fall auf die Kunst und die Betrachtung der davon ausgehenden Entwicklungen in der Gesellschaft? »Man müsste eine Kultur schaf-

Crowdfunding mit der Bank Austria 2021 Ab dem 18. Mai ist es wieder soweit – das Crowdfunding geht in die nächste Runde! Bereits zum siebten Mal stellen wir heuer wieder 100.000 Euro zur Verfügung und übernehmen bei jeder Kampagne ein Drittel des Finanzierungsbedarfs. Damit ermöglichen wir die Bereitstellung von 300.000 Euro für die österreichische Kulturszene. Wir freuen uns auf Ihre Projekte! Die Ausschreibungsdetails und Teilnahmebedingungen finden Sie auf BAK, der neuen Kulturhomepage unter www.bak-magazin.at/crowdfunding, und auf der Plattform wemakeit unter www.wemakeit.com/channels/bankaustria.

TUN, WAS

WICHTIG IST!

Was? Wie? Wann? • Projekte aus den Bereichen Architektur, Ausstellung, Bühne, Comics, Design, Festival, Film, Fotografie, Kongress/Konferenz, Konzert, Kunst, Kunstvermittlung, Literatur, Musik, Publikation, Tanz, Tonträger (Audio/Video), Tournee sowie die Verknüpfung von Kunst und Kultur mit sozialem Engagement; zusätzlicher Fokus auf Umwelt und Nachhaltigkeit. • Hilfe und Unterstützung mittels wemakeit-Tutorials und Webinaren, einfach eine E-Mail an hello@wemakeit.com schicken. • Start der Crowdfunding-Kampagnen ab dem 18. Mai 2021 möglich.

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Lydia Kray, akademische Mitarbeiterin für europäische Medienwissenschaft an der Uni Potsdam

sellschaft und Politik zu hoch oder zu niedrig bewertet wird. Dass ein Bewusstseinswandel stattfindet, bestätigen sie einstimmig. Auch sie meinen, dass das prinzipiell für etwas Gutes zu halten sei, dass die tatsächliche Auswirkung aber stark von den Details abhänge. »Der Spruch von wegen representation matters stimmt. Aber es kommt eben schon darauf an, wie das geschieht. Wenn es bei ›Germany’s Next Topmodel‹ ein Team Diversity gibt, aber weiterhin neoliberaler Wettbewerb, also subjektiver Konkurrenzdruck, die Botschaft der Show ist, kann ich das nicht als gut bewerten.« Man stelle sich die Welt durch einen Wechsel der Betrachtung anders vor, aber das sei erst der Anfang der Transformation, der einen längeren Lernprozess und vielfältige Kämpfe umfasst. Haitz weiter: »Kunst produziert auch affektives Wissen über mich und mein Verhältnis zur Welt und zu anderen. Natürlich macht es dann einen Unterschied, was ich mir ansehe und worum es in den Songs geht, die ich höre. Was sagt mir die Kunst, die ich konsumiere, darüber, wer ich bin, wer andere sind und wie wir einander begegnen können?« Die Kritik, es handle sich um ein Phänomen, das bloß eine überschaubare Bubble betreffe, schmettert Kray ab: »Medien wie Youtube oder Netflix sind richtige Gamechanger, was die massenmediale Verbreitung neuer Inhalte betrifft. Algorithmen zum Trotz: Dort findet Veränderung statt. Und das ist mitnichten elitärer Quatsch – im Gegenteil. Es gibt beispielsweise gerade im Bereich des Hip-Hops enormen migrantischen und feministischen Output, der gerne gehört wird. Dort treffen marginalisierte Stimmen auf Gehör.« Es sei eben nicht selbstverständlich, dass antidiskriminierende, queere oder sonstige bisher unterrepräsentierte Inhalte produziert und verfügbar gemacht werden. Esrap, Kerosin 95 und Ebow sind dabei nur drei lokale Beispiele für eine wachsende und lauter werdende Community. Künstler*innen, die versuchen, ihr Verständnis einer neuen Gerechtigkeit durch ihre Arbeit in die Gesellschaft zu tragen, bewegen sich dabei nicht im luftleeren Raum, in dem man eine Gesellschaft nach Wunsch errichtet, sondern kämpfen gegen konkrete Gegenströmungen. »Es gibt natürlich auch organisierte Trans-Feindlichkeit, organisierte Misogynie. Diejenigen, die mit umgekehrter Agenda agieren, wollen nämlich auch Geld und wissen, das Repräsentation etwas in den Köpfen von Menschen bewirkt«, erklärt Haitz. Und wie kommen wir nun von einem aufkeimenden, neuen Verständnis innerhalb der Kunst zu nachhaltigen gesellschaftlichen Ver-

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änderungen? Medienwissenschaftlerin Kray meint: »Diese Frage ist so nicht zu beantworten. Ich glaube aber zutiefst daran, dass gute Geschichten die Welt verändern können und dass eben diese künstlerische und die daraus folgende politische Arbeit eine Bewusstseinsarbeit von Kollektiven und Einzelmenschen ist, die nach und nach etwas bewegt. Und das ist vermutlich der Antrieb für viele Leute, die versuchen, mit ihrer Kunst etwas zu verändern.«

»Das Problematische im Mainstream verschwindet nicht einfach, aber das Gegengewicht wächst.« — Lydia Kray Die Rapper Movski und Kaul Kwappen sehen die Veränderung der Welt allerdings trotz ihrer radikalen Eingriffe in die eigene Kunst nicht von dieser ausgehend: »Viel eher kann Musik den Soundtrack zu sozialen Kämpfen liefern, als Katalysator oder Treibstoff für die ganzen Bewegungen, die es in der Gesellschaft ohnehin schon gibt.« Das muss prinzipiell kein Widerspruch sein, bedingen und beeinflussen sich Kunst und Gesellschaft doch laufend gegenseitig. Louise Haitz bewertet die Wahrnehmung der künstlerischen Verantwortung jedenfalls schon positiver: »Der Fall der beiden Rapper macht die Fragen, die wir uns stellen sollten, deutlich: Was ist normal? Was ist edgy? Wo­

rüber wird gelacht und auf wessen Kosten passiert das? Sich für Fehltritte zu entschuldigen und Verantwortung zu übernehmen, kann man lernen, und das ist die große Hoffnung. Wir lernen eben auch Frauenhass, Homophobie, Trans-Feindlichkeit und so weiter. Wir können diese Dinge aber auch wieder verlernen. In unserem System, das auf eben diesen Diskriminierungen aufbaut, ist das bloß sehr schwer.« Dass eine Umordnung am Ende mehr heißen muss als bloße Repräsentation und guter Wille, nachdem Input von außen folgte, liegt dabei auf der Hand. Dass dieser Prozess einen langen, kleinteiligen und ungeraden Weg bedeutet, ebenfalls. Und auch wenn antidiskriminierendes Verhalten und Reflexion über die Kunstschiene – und natürlich auch über andere gesellschaftsbildende Bereiche – weiter Einzug halten, bedeutet das noch lange nicht, dass ein Ende in Sicht wäre. »Dann steht nämlich die Frage an: Wie viel meines Raums und meiner Privilegien bin ich bereit aufzugeben, um tatsächliche und real spürbare Änderungen zu ermöglichen?«, meint Kray, die abschließend zusammenfasst: »Entwicklungen hin zu einer Kunst, die nicht ständig marginalisierte und diskriminierte Personen beleidigt und attackiert, sind natürlich gut. Man muss aber auch nicht glauben, dass dadurch das, was im Mainstream nach wie vor an Problematischem passiert, einfach verschwindet oder er über Nacht weniger homophob oder trans-feindlich wird – aber das Sandro Nicolussi Gegengewicht wächst.«

Zur weiterführenden Information empfehlen Nanna Heidenreich, Louise Haitz und Lydia Kray den Text »Queering Homophily« von Wendy Hui Kyong Chun, die Dokumentation »Horror Noire: A History of Black Horror« und den Ted-Talk »The Danger of a Single Story« von Chimamanda Ngozi Adichie.

Lydia Kray

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Vielfältige Kämpfe

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Das Aufbäumen gegen koloniale Ausbeutung steht im Zentrum von Bartolina Xixas Videoarbeit »Ramita Seca. La Colonialidad Permanente«. Sie ist aktuell im Rahmen der Wiener Festwochen in der Kunst­ halle Wien zu sehen. ———— »Wir sind ein gigantischer Metabolismus, der wirtschaftlichen Konsum verdaut und seine Scheiße an den Peripherien unserer Welt ausstößt. Wir sind der Müll, den diese hygienische und gepflegte Welt nicht sehen will. Wir sind diejenigen, die die ökologischen Schulden bezahlen. (…)« Mit diesem Statement endet das Musikvideo zu »Ramita Seca. La Colonialidad Permanente« (zu Deutsch: »Trockener Zweig. Die permanente Kolonialität«). Das Filmstill daraus, das links abgebildet ist, zeigt das Gesicht Bartolina Xixas, einer Dragqueen aus den Anden, die vom Künstler und Tänzer Maximiliano Mamani im Jahr 2017 geschaffen wurde. Zur Musik der Folksängerin Al­dana Bello performt Xixa eine Choreografie in der Gebirgsschlucht Quebrada de Humahuaca, einem der beeindruckendsten Land­ striche Argentiniens. Vor dieser Kulisse, mitten im Staub und Dreck einer Müllhalde, zwischen Bergen von Mistsäcken und zerschlissenen Matratzen bewegt sich Xixa selbstbestimmt und kraftvoll mit wehendem Kleid im Rhythmus der Musik. Die traditionellen farbenfrohen Gewänder und Bewegungen der Choreografie bilden einen starken Kontrast zur Umgebung. So zeichnet Xixa ein Bild des Aufbäumens gegen die Ausbeutung in den ehemaligen Kolonien. Die Arbeit soll ein Aufruf an jene sein, die unter dieser Ausbeutung leiden, politisch Stellung zu beziehen, Haltung zu zeigen und gegen sozioökonomische Ungleichheiten und strukturelle Gewalt zu kämpfen, um auf diesem Wege die kolonialen Wunden zu schließen. Bartolina Xixas Musikvideo zu »Ramita Seca« ist ein Teil der von Miguel A. López kuratierten Ausstellung »And If I Devoted My Life to One of Its Feathers?«, die sich mit den Logiken der Ausbeutung, dem rasenden Abbau von Ressourcen und der Umweltzerstörung als Erbe der Kolonialisierung auseinandersetzt. Die Werke der Ausstellung thematisieren die Überlebenskämpfe indigener Gruppen sowie den solidarischen Widerstand gegen Frauenfeindlichkeit, imperialistische Gewalt und staatliche Unterdrückung. Außerdem beinhaltet sie Beiträge mit unterschiedlichen Blickwinkeln auf die Covid-19-Pandemie – als Gesundheitskrise, aber auch als Krise der ökologischen und sozialen Gerechtigkeit. Die Frage aus dem Ausstellungstitel stammt ursprünglich aus dem Gedicht »Precarious« der chilenischen Dichterin, Künstlerin und Aktivistin Cecilia Vicuña, die Heilung und Wertschätzung gegen anthropozentrisches und heteropatriarchales Begehren setzte. Heute, 50 Jahre nach der Entstehung des Gedichts, leiht es diese Zeile einer Ausstellung als Titel, die an die Forderungen Emily Staats Vicuñas anschließt.

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Bartolina Xixa: »Ramita Seca. La Colonialidad Permanente«, 2019, Filmstill © Bartolina Xixa / Maximiliano Mamani

»Ramita Seca. La Colonialidad Permanente« Ein Tanz auf der Müllhalde unserer Welt

Die Ausstellung »And If I Devoted My Life to One of Its Feathers?« ist bis 26. September 2021 im Rahmen der Wiener Festwochen in der Kunsthalle Wien zu sehen.

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Ari Ban zeichnet für ein queeres Publikum und nicht für einen Cis-Mainstream.

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Ari Ban

Zwei unterschiedliche Generationen, zwei unterschiedliche Herangehensweisen an Comics, zwei unterschiedliche Erfahrungen, trans* zu sein: Auf dem Papier könnten Steven Appleby und Ari Ban kaum unterschiedlicher sein. Wir haben uns mit den beiden darüber unterhalten, für wen sie Comics machen, wie ihre trans* Erfahrungen ihre Arbeit beeinflussen und warum es mehr »Queer Joy« braucht. ———— »Generation« ist ein merkwürdiges Konzept. Menschen unterschiedlichster Herkunft, Sozialisation und Erfahrungen sollen nur aufgrund ihres Geburtsjahres in einen Topf geworfen werden. Andererseits scheint unbestreitbar, dass Steven Appleby und Ari Ban unterschiedlichen Generationen angehören. Die beiden trennen nicht nur vier Jahrzehnte an Lebenszeit, sondern vier Jahrzehnte an gesellschaftlichen Entwicklungen, Jahrzehnte in denen trans* Identitäten in das Bewusstsein des Mainstreams gerückt sind. Die unterschiedliche Zeit, in der sie aufgewachsen und ihre Geschlechtsidentität gefunden haben, prägt sowohl ihre Arbeit als auch sie selbst. Steven Appleby lebt und arbeitet in Großbritannien. Seit Anfang der 80er-Jahre zeichnet und schreibt er Cartoons, Zeitungscomics, Bücher, sogar eine Zeichentrickserie. »Ambitious and Engaging«, dieses Motto prangt groß über seinem Arbeitsplatz. Sein neuestes Buch »Dragman« ist soeben in der deutschen Übersetzung erschienen und wird diesem Motto vollends gerecht. Über die Jahre hat Steven für Zeitungen wie die Zeit, die FAZ, den Observer,

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den Guardian oder die Times gezeichnet. Er hat sich dabei ein Publikum erarbeitet, das ihn als Steven Appleby kennt, auch, wenn sich der Umgang mit seiner Identität über die Jahre geändert hat: »Als ich anfing, Frauenkleider zu tragen, wurde das von der Gesellschaft immer noch als sexuelle Perversion oder als Fetisch gesehen. Mein Hauptproblem war also, dass ich mich schuldig, besorgt, verstohlen und ängstlich gefühlt habe. Es hat Jahre gebraucht, bis ich damit Spaß haben konnte, bis ich glücklich war und es für mich eine Bereicherung war.

»Meine Geschichten müssen nicht immer für alle verständlich sein.« — Ari Ban Offen trans* zu sein, ist vergleichsweise neu. Vor 20 Jahren habe ich angefangen, es Familie und Freunden zu erzählen, erst seit zwölf Jahren lebe ich offen so.« Steven ist trans*-feminin, sieht das mit Pronomen, wie er selbst sagt, aber nicht so eng. Aufgrund seiner langen Karriere benutzt er professionell nach wie vor den männlichen Namen, unter dem er bekannt wurde, und männliche Pronomen: »Mein professioneller Name

ist Steven Appleby. Wenn ich Steven genannt werde, bevorzuge ich er / ihm-Pronomen. Der andere Name, den ich benutze, ist Nancy, aber den nutze ich nicht professionell. Ich sehe mich eher als trans* Person, denn als Frau. Irgendwo in der Mitte zwischen Mann und Frau. So zu sein, wie ich mich wohlfühle, das ist meine Version von trans*.« Auch für Ari Ban ist das »trans*« wichtiger Bestandteil seiner Identität. Er identifiziert sich als trans*-maskulin, benutzt ausschließlich männliche Pronomen, besteht aber auf den Zusatz trans*: »Womit ich schon eine Schwierigkeit habe ist, wenn Leute einfach nur hinschreiben ich bin ein Mann. Wenn ich dann sehe, wie Cis-Männer als Gruppe funktionieren, bin ich sehr froh, dass ich nicht Teil davon bin.« Ari steht im Vergleich zu Steven noch eher am Anfang seiner Arbeit. Er illustriert für Magazine, veröffentlicht Zeichnungen auf seinem Instagram-Account @ari__ban, besucht die Akademie der bildenden Künste Wien und arbeitet daneben an seinen ersten Graphic Novels. Ari versteht sich selbst als Teil einer expressiven, diskursiven queeren Kunstszene. Sein Publikum sind dezidiert andere queere / trans* Menschen: »Mich persönlich interessiert es nicht so sehr, Figuren für einen heterosexuellen, Cis-Mainstream zu machen. Meine Geschichten müssen nicht immer für alle verständlich sein. Ich will nicht immer einer nicht-queeren Welt erklären, wie die queere Welt funktioniert. In meinen Comic­ sachen geht es mir sehr viel darum, Beziehun-

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Zwischen kollektiver Gewalterfahrung und »Queer Joy« Trans* Erfahrungen in Comics und Graphic Novels

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gen herzustellen. Das ist auch die Schönheit an queeren Bubbles, dass man ganz viel neue Familienkontexte herstellt.« Aber auch Steven geht es in seiner Arbeit immer um Verbindungen zu anderen Menschen. Sein Publikum ist allerdings allein aufgrund seiner jahrzehntelangen Zeitungsarbeit wesentlich breiter. Verbindungen sucht er demnach auch mit einer breiteren Öffentlichkeit: »Geheim trans* zu sein, hat meine Arbeit sicherlich beeinflusst. Viele meiner Charaktere waren nicht, was sie zu sein schienen, und ich habe jede Menge trans* Metaphern in meiner Arbeit versteckt. Aber ich bin es gewohnt, Comics für alle zu machen, für den Mainstream. Ich liebe es, Verbindungen zu Menschen zu bauen. In meiner Arbeit versuche ich, Verbindungen mit einer breiten Schicht an Menschen aufzubauen.« Dennoch ist die Erfahrung die Steven in »Dragman« schildert höchst spezifisch und sehr spezifisch trans*. Trotz all der surrealen Elemente, dem Superheld*innen-Motiv und dem Thrillerplot, ist die Basis der Geschichte ein Coming-out-Narrativ. Er stützt sich dabei sehr stark auf seine eigenen Erfahrungen: »In ›Dragman‹ habe ich alles von meiner Perspektive aus gemacht. Der Hauptcharakter bin nicht ich, aber ich habe viel von meiner eigenen Erfahrung für ihn verwendet. Die meisten die Dinge, die ihm passieren, habe ich selbst erlebt. Ich fühlte mich auf sicherem Grund, wenn ich meine eigene Erfahrung verwende.« Seit einigen Jahren herrscht eine – oft scharf geführte – Debatte darüber, wer die Erfahrung marginalisierter Menschen darstellen darf. Bücher, Filme oder Comics über marginalisierte Erfahrungen von Personen aus derselben marginalisierten Gruppe, werden dort als »own voice« bezeichnet. »Dragman« wäre also in diesem Sinn »own voice«. Steven und Ari sind sich jedoch einig, dass Cis-Personen Geschichten von trans* Personen prinzipiell schon erzählen können, wenn sie die nötige Arbeit hineinstecken. Dennoch sieht zumindest Ari schon einen Unterschied im Zugang von queeren und trans* Menschen, wenn sie über ihre eigenen Erfahrungen sprechen: »Queere Personen haben eine andere Sensibilität für die Komplexität, mit diesen Identitäten zu leben, für die Spannungsverhältnisse, die man als queere Person im Alltag immer irgendwo hat. Dieses Bewusstsein von einer kollektiven Gewalterfahrung. Dafür fehlt mir dann oft die Sensibilität bei Cis-Personen oder nicht-queeren Personen.« Trotzdem scheint für Steven seine eigene Identität als trans* Person weniger von einer Gewalterfahrung als mehr von Freude bestimmt zu sein, auch wenn er beides kennt: »Ich nehme keine Hormone und in diesem

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»Dragman« von Steven Appleby ist teils Coming-out-Story, teils Superheld*innen-Comic

Sinn hatte ich keine Transition. Mein Körper sieht nicht immer aus, wie ich möchte, aber ich bin absolut froh, die Person zu sein, die ich bin. Ich verstehe Dysphorie und ich kenne trans* Personen, die nicht mal in den Spiegel schauen können. Ich selbst fühle mich glücklich, so leben zu können, wie ich möchte. Ich habe viel Spaß dabei und ich finde es surreal. Vielleicht ist das Euphorie?«

Von Dysphorie zu Queer Joy Für Ari herrscht hier vor allem ein Mangel in der Darstellung. Trans* zu sein, wird immer als traumatische Erfahrung dargestellt – durch Demütigungen, durch Mord, durch Isolation. Deswegen fordert Ari andere Darstellungsformen ein: »Mir fehlt die Darstellung von ›Queer Joy‹. Also das Leben damit und das Glücklichsein damit. Ich glaube, dass eine Cis-Welt sehen will, wie wir darunter leiden, dass wir nicht zu ihr gehören. Aber ich bin auch echt sehr froh darüber, nicht dazuzugehören, aus ganz vielen unterschiedlichen Gründen. Queer Joy ist im-

mer auch eine Rebellion gegen die Vorstellung, was Unterdrückung mit uns macht.« So etwas wie Queer Joy offen darzustellen, war für die Generation, in der Steven Appleby aufgewachsen ist, undenkbar. Ari Ban kann es einfordern, weil sich die Gesellschaft seither verändert hat. Gewalterfahrungen sind immer noch Teil einer queeren und insbesondere einer trans* Lebensrealität. Doch sind die Räume, die queeren Bubbles, näher und leichter zugänglich als je zuvor. Die Comics, die Steven und Ari machen, sind Zeichen dieser gesellschaftlichen Veränderung. Sie sind Ausdruck von Queer Joy, von Trans* Joy. Ganz egal, ob sich dieser Ausdruck an einen breiten Mainstream oder eine queere Bubble richtet. Bernhard Frena

Die Comics von Ari Ban finden sich derzeit vorwiegend auf seinem Instagram-Account @ari__ban. »Dragman« von Steven Appleby ist soeben in der deutschen Übersetzung im Schaltzeit Verlag erschienen.

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Kritische Ästhetisierung Wie Camp Normen hinterfragt

Kunst provoziert und hinterfragt. Vor allem in der queeren Szene, eng verbandelt mit der Extravaganz und der Überstilisierung des sogenannten »Camp«. Heteronormative und binäre Weltanschauungen werden dabei immer wieder aufs Neue herausgefordert. Auch in Österreich hat sich schon lange eine aktive queere Kunstszene gebildet. ———— »Camp ist eine Vision der Welt anhand von Stil – aber eine spezielle Art Stil«, schrieb die Schriftstellerin Susan Sontag im Jahr 1964 in ihrem Essay »Notes on Camp«. »Es ist die Liebe des Übertriebenen, das ›Abseits‹ von Sachen-die-sind-wassie-nicht-sind.« Geboren aus einer Jahrhunderte alten Subkultur der homosexuellen, non-cis, non-binären Community ist Camp eine Sensibilität, Dinge zu lieben, die übertrieben sind, das Zelebrieren von schlechtem und ironischem Geschmack. Affektivität und Theatralik sind das Mantra. Die sogenannte »Hochkultur«, so Sontag, besitze kein Monopol auf guten Geschmack. Die Liebe zum Unnatürlichen, zur Künstlichkeit, zum Unernsten und zur Übertreibung ließe so visuelle Extravaganzen erblühen.

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Camp könne daher fast überall gefunden werden. Es gäbe, so Sontag, »campy« Filme, Kleidung, Möbel, populäre Lieder, Bücher, Menschen, aber auch Gebäude. Im Alltag finden sich viele Beispiele. Diven wie Madonna, Cher oder Lady Gaga leben Camp in ihren Outfits und Musikvideos. Dragqueens und genderfluide Youtube-Stars entwickeln riesige Fanbases. Die Filme von Regisseur John Waters mit Dragqueen Divine sind Kult. Das Modelabel Gucci zelebriert grelle Farben und ausgefallene Stile. Und Autor und Produzent Ryan Murphy (u. a. »Glee«, »American Horror Story« und »Pose«) produziert einen campy Serienhit nach dem anderen.

Unbequem und aufregend Camp soll jedoch nicht nur unterhalten. Als Sprachrohr einer Minderheit, die über die Jahrhunderte nicht konform mit der heteronormativen Mehrheitskultur ging, soll Camp in seiner Essenz sowohl unbequem als auch aufregend und emotional auf das Publikum wirken. Der Sinn dahinter ist, das Ernsthafte zu entmachten und konventionelle Genderrol-

len und binäre Hierarchien aufzubrechen. Eine Funktion, die sich auch in der im Mainstream angekommenen queeren Community und der LGBTIQ+-Kunstszene widerspiegelt. »Camp ist quasi so etwas wie die Großmutter der Queerness«, erklären Florian Aschka und Larissa Kopp. Die beiden in Wien ansässigen Künstler*innen haben sich ebenfalls der Mission verschrieben, mit Arbeiten wie ihrer Fotoserie »Queer Revolutionaries« repräsentative Herrschaftsräume symbolisch zu erobern. »Queerness ist ja im Ideal­ fall eine Hinterfragung heteronormativer, patriarchaler und kapitalistischer Strukturen und Hierarchien.« Die Inspiration für die eigene Arbeit komme unter anderem aus der reichen Geschichte des Camp. »Sowohl unsere Arbeiten, aber auch unser Leben und unser innerer Kompass wurden stark von Ikonen des Camp wie Oscar Wilde, Quentin Crisp und anderen beeinflusst.« Wie Aschka und Kopp benannte auch Susan Sontag den Dramatiker und Autor Oscar Wilde zum »König des Camp«. Ihm widmete sie ihr Essay. Die homoerotischen Themen

Florian Aschka & Larissa Kopp

Aus der Fotoserie »Queer Revo­lutionaries…?« von Florian Aschka und Larissa Kopp

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Florian Aschka & Larissa Kopp

023 seines Werkes seien nicht nur clever und witzig, sondern eben auch campy. Wilde schätzte stilisierte Ästhetik, Kunst und Geschmack. »Entweder man ist ein Kunstwerk«, so Wilde, »oder man trägt eines.« Die erste Pflicht im Leben, meinte er, sei es, so künstlich wie möglich zu sein. Was die zweite Pflicht sei, müsse erst entdeckt werden. Wenn man heutzutage von Queerness spricht, dann darf man nicht vergessen, dass dies ein ursprünglich historisch abwertend genutzter Begriff war, den sich die Community als Selbstbezeichnung erst in der letzten Zeit zurückerobert hat. Queere Kultur und Camp haben eine lang zurückreichende Geschichte, die auch Oscar Wilde vorausgeht. So pflegte Philippe von Frankreich, Herzog von Orléans, im 17. Jahrhundert am Hofe seines Bruders Ludwig XIV. einen homosexuellen und exzentrischen Lebensstil mit vielen jungen Liebhabern. Auch die soziale Funktion war damals eine andere. In den frühen Jahren war Camp noch ein geheimer Code und Showelement primär homosexueller Gruppierungen. Die Künstler*innen

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»Camp ist quasi so etwas wie die Großmutter der Queerness« — Florian Aschka und Larissa Kopp konnten so das Unsagbare ausdrücken, die Konturen einer Identität zeichnen, die von der Gesellschaft negiert wurde. Für die Community eine Überlebensstrategie, ein Aufschrei der Nonkonformität und Theatralik. In den 80ern entwickelte sich vor allem in den Metropolen eine queere Subkultur, die mit dem Einsatz der Aids-Pandemie vorerst ein jähes Ende fand. Doch die Zeiten ändern sich. Nach Jahrhunderten der Tabuisierung und heimlicher Nischenexistenz ist queere Selbstexpression heute allgegenwärtig. Meist mit Drag in

Verbindung gebracht, hat sie sich zu einem Massenphänomen entwickelt. Man denke an globale, populäre Events wie die Met Gala, mit ihren oft androgynen, überstilisierten, beinahe kitschigen Outfits, oder die TV-Serie »RuPaul’s Drag Race«.

Angekommen im Mainstream In Wien existiert ebenfalls eine sehr aktive LGBTIQ+-Community, viele Künstler*innen haben sich hier angesiedelt. Vertreter queerer Kunst sind etwa die Fotokünstler Matthias Hermann und Philipp Timischl. Zwei der bekanntesten gegenwärtigen Künstler*innen sind Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl, die auch Professuren an der Akademie der bildenden Künste in Wien innehaben. Knebl will mit ihrer Kunst »Möglichkeitsräume für so viele Menschen wie möglich« schaffen. Queer sei zwar ein identitätspolitischer Begriff, die Künstler*innen erweitern ihn jedoch in das Material, die Kunstgeschichte, die Designgeschichte. »Das ist immer ein Moment, zu dem man etwas Alternatives hinzufügt, etwas anders macht.“

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»Firestarter 1« von Jakob Lena Knebl, courtesy Georg Kargl Fine Arts

bis ihr Alter Ego Benjamin Rowles aus Wien wegzog. Tiefe Kümmernis habe gezeigt, so Reiter, dass man so etwas zu allen möglichen Künstler*innen machen kann – von den alten Meistern bis hin zu Keith Haring & Co. Drag biete, so Reiter weiter, sehr viele Möglichkeiten, sich selbst auszudrücken und/ oder zu finden, neue Aspekte der Persönlichkeit auszuprobieren und gleichzeitig spielerisch Gendernormen und Rollenbilder zu hinterfragen. Durch die Führung im Museum könne man so andere Aspekte von Kunstwerken oder Künstler*innen beleuchten und andere Sichtweisen (re)präsentieren als das üblicherweise der Fall sei.

Diese Alternativen wären ab Mai auch auf der 59. Biennale in Venedig zu sehen gewesen. Knebl und Scheirl waren von der damals amtierenden Kunst- und Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek ausgewählt worden, den Österreich-Pavillon zu gestalten. »Invitation of the Soft Machine and her Angry Body Parts« hätte die bühnenartige Installation geheißen. Eine Kombination aus Malereien, Textilarbeiten, Fotografien, Objekten, Soundarbeiten, Videos, Hologrammen und interaktiven Apps. Durch Corona verschiebt sich das Ganze nun auf April 2022. Wenig zu tun hat das Duo trotzdem nicht. Momentan sucht man um Finanzierung für mehrere Projekte an. Doch was bedeutet es, dass Camp und queere Kunst in die Mehrheitskultur vordringen und dort mancherorts schon angekommen sind? Behält Camp seine provokante Ausgangshaltung – oder wird daraus Pop-Camp, etwas, das durch die Linse einer Mehrheitsgesellschaft interpretiert wird und dessen queere Wurzeln dadurch unsichtbar werden? Die Aneignung des Mainstreams sei nicht unbedingt als etwas Schlechtes zu sehen, wie Knebl erklärt. Sie selbst wolle mit ihrer Kunst eine Einladung aussprechen, den eigenen Aktionsradius zu erweitern. Politische Fragen könnten nicht in einer Subkultur bleiben, es ginge darum, so viele Menschen wie möglich zu erreichen. »Der Mainstream hat grandiose Dinge hervorgebracht – wie die

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Beatles zum Beispiel. Das muss nicht schlecht sein. Wir versuchen, in den Mainstream hineinzuwirken.« Auch Aschka und Kopp sehen einen Vorteil darin, auf den Mainstream zugreifen zu können. Die Popkultur diene als kollektives Gedächtnis, auf das man mit Symboliken, Metaphern und Zitaten zurückzugreifen könne. »Im Idealfall führt das dazu, dass die Betrachtenden sich tiefergehend mit sich selbst und ihrer Rolle in der Gesellschaft und den Verhältnissen in dieser auseinandersetzen und sie gegebenenfalls ändern werden.« In Wien hat sich dieses Spiel mit den Identitäten sowie die Kultur des Drag jahre­ lang beim Life Ball am wirksamsten in der Öffentlichkeit ausgedrückt. Von 1993 bis 2019 war dieser eine der größten HIV- und AidsBenefizveranstaltungen in Europa. Die extra­ vaganten und normenbrechenden queeren Outfits und Kostüme der Gäste gehörten quasi zum Inventar der Veranstaltung. Andy Reiter, u. a. Schauspieler*in, DragArtist und Veranstalter*in, legt seit 14 Jahren zwei Mal im Monat als Dragqueen Anita Asfinag bei der selbst gegründeten Partyreihe Rhinoplasty im Club U auf. Zudem gab Anita Asfinag im vergangenen Jahr eine Führung im MUMOK zur Ausstellung »Andy Warhol Exhibits«. Ihre Kollegin, die Dragqueen Tiefe Kümmernis, hatte solche Führungen einige Jahre zuvor im Kunsthistorischen Museum etabliert,

Man merke, so Aschka und Kopp, dass in Österreich gewisse Geschlechterstereotype und Normen aufbrechen. Aber: »Es ist natürlich problematisch, wenn Queerness in der Kunst zu einer bloßen Mode, einer Hülle ohne Inhalt verkommt und dabei nur wieder einen weiteren verwert- und konsumierbaren Trend im Kapitalismus darstellt.« Auch Knebl findet, dass queere Kunst selbstständig innerhalb eines Kunstkontextes bestehen müsse. »Es reicht nicht nur ›queer‹ drüber zu schreiben. Man hat zwar feministische Kunst, queere Kunst, postkoloniale Kunst, aber die Arbeiten müssen bestehen – auch ohne diese Überschriften. Das ist ganz wichtig.« Wesentlich sei im Endeffekt, dass queere Kunst auch Spaß mache. So wie Camp in der Essenz eine Seriosität ist, die versagt. »Camp ist für mich eine Liebe zu Sachen, die man manchmal vielleicht ein bisschen lächerlich oder übertrieben findet, die man aber bewusst trotzdem liebt«, so Andy Reiter alias Anita Asfinag. »Ein wenig verwandt mit Kitsch vielleicht; gelebter Unernst.« Eine ähnliche Sichtweise betont auch Jakob Lena Knebl: »Es geht nicht darum, jemanden vor den Kopf zu stoßen, sondern eher in einer Begeisterung mitzunehmen.« Dies gelinge mit Humor, mit starken Ästhetiken und Materialien. »Das ist eine sinnliche Einladung und arbeitet jetzt nicht didaktisch mit Kritik.« Im Endeffekt gehe es queerer Kunst und Camp darum, einer breiten Öffentlichkeit zu sagen: »Kommt mit, es gibt noch andere Möglichkeiten in euren Leben, als die, die ihr Susanne Gottlieb bereits kennt.«

Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl werden für die 59. Biennale in Venedig (23. April bis 27. November) den Österreich-Pavillon gestalten. Die nächsten Projekte von Florian Aschka und Larissa Kopp sind ein dreimonatiges Artist-in-Residence-Programm in New York und Performance-Abende mit dem SodomVienna-Team im Sigmund Freud Museum.

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Entwicklung in Österreich

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Von Zebrastreifen, Flaggen und Verbotszonen Queere Struggles in Polen und Wien

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»Wenn die Regierung einen Großteil ihrer Politik auf Angst und Ausgrenzung gegen LGBTIQ+, Geflüchtete oder Menschen mit Migrationshintergrund aufbaut, dann ist ziemlich offensichtlich, dass hier viel schiefläuft«, erläutert Justyna.

LGBTIQ+ als Sündenbock

Justyna Nakielska, Koordinatorin der polnischen NGO »Kampagne gegen Homophobie«

das überhaupt passiert ist. Die PiS hat im Wahlkampf Geflüchtete zum Sündenbock gemacht«, so Justyna. Es wurde öffentlich gegen Geflüchtete gehetzt und verbreitet, dass sie Krankheitserreger wären und eine Gefahr für die polnische Gesellschaft. Diese Panikmache hat funktioniert. Seitdem sitzt die nationalistische und konservative Partei in der Regierung. Bei den Wahlen 2019 fand die PiS einen neuen Sündenbock: die LGBTIQ+Community. Durch die Verbreitung von Gerüchten, betroffene Personen seien pädophil, würden Kinder sexualisieren und polnische Familien zerstören wollen. Auch diese Panikmache funktionierte.

Jahr für Jahr wird die Lage schwieriger. Im vergangenen Februar wurde in Warschau ein schwules Paar, das Händchen gehalten hat, von einem Unbekannten mit einem Messer attackiert. Und das ist kein Einzelfall. Die verbalen und körperlichen Attacken häufen sich, Gemeinden betiteln sich selbst als »LGBTfreie Zonen« und der polnische Präsident Andrzej Duda greift mit Aussagen wie »LGBT sind keine Menschen, das ist eine Ideologie« oder »LGBT ist eine schlimmere Ideologie als der Kommunismus« direkt an. Justyna: »Polen war nie ein Paradies für LGBTIQ+-Personen, früher war Homofeindlichkeit nur versteckter, jetzt sind LGBTIQ+Personen zum Sündenbock geworden. Die Politiker*innen bauen sich ihr Kapital mit öffentlichen Attacken gegen eine Minderheit auf und wir wissen alle, wie so was enden kann.« Nun zu denken, Wien und Österreich seien offene und tolerante Orte für LGBTIQ+Personen, ist schlichtweg falsch. Emir Dizdarević ist 32 Jahre alt und grüner Bezirksrat im achten Wiener Gemeindebezirk.

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Stell dir vor, du lebst täglich mit der Angst, deine Sexualität könnte dich dein Leben kosten. Du wirst verprügelt, weil du nicht hetero genug aussiehst oder deine Art zu gehen als »zu schwul« gilt. Was nach Albtraum klingt, ist für Mitglieder der LGBTIQ+-Community in Polen – aber nicht nur dort – Alltag. Über die erschreckenden Zustände eines Landes, die bis nach Wien wirken. ———— »Die Worte, die Politiker*innen gegen LGBTIQ+-Personen richten, haben reale Auswirkungen. Letztendlich sind es Fäuste, die echte Menschen attackieren, keine Ideologien.« Justyna Nakielska ist Koordinatorin der polnischen NGO Kampania Przeciw Homofobii, kurz KPH (zu Deutsch: »Kampagne gegen Homophobie«). Täglich kämpfen sie und ihre Kolleg*innen gegen diskriminierende Maßnahmen vonseiten der nationalistischen und konservativen Regierung unter der Partei Prawo i Sprawiedliwość – kurz: PiS (zu Deutsch: Recht und Gerechtigkeit). Sie eröffnen Interventionswohnungen für junge Menschen, die obdachlos werden, weil ihre Familien sie verstoßen haben, unterstützen Opfer von Homophobie sowohl rechtlich als auch durch psychologische Hilfe und versuchen, die Allgemeinheit für diesen Hass zu sensibilisieren. Seit 2015, als die rechte PiS-Partei in die Regierung gewählt wurde, spitzt sich die Lage zu. »Wichtig ist zu erwähnen, wie

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Im September 2020 veröffentlichte Emir einen Beitrag auf Instagram, in dem er von homophoben Verbalattacken auf sein Date und sich erzählt. »Jede Zärtlichkeit kann eine Gefahr sein. Das ist der Alltag von LGBTIQ«, schreibt er. »Verbale Gewalt passiert genauso wie körperliche Gewalt. Wenn ich hetero bin und mit meiner Freundin in der Öffentlichkeit Händchen halte, muss ich mich nicht extra umschauen, ob uns eh niemand sieht«, erzählt der Jungpolitiker. März 2021. Die am Josefstädter Bezirksmuseum wehende Regenbogenfahne wird nachts zerschnitten. Kurz darauf wird auch die am Amtshaus des Bezirks hängende Regenbogenfahne von Unbekannten gestohlen. Emir und seine Kolleg*innen antworten mit mehr Regenbogenfahnen und dem ersten bunten Zebrastreifen in der Josefstadt.

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»Letztlich steht mein Leben auf dem Spiel. Ich möchte einfach nicht verprügelt oder verfolgt werden.« — Damian

Queere Role Models? Obwohl mittlerweile auch immer mehr bekannte Personen öffentlich machen, LGBTIQ+ zu sein, fehlen Emir die Vorbilder mit Migrationshintergrund. »Als ich noch jünger war, wäre es wichtig für mich gewesen zu wissen, dass es einen anderen schwulen Jugo gibt und dass sich das nebeneinander ausgeht. Mir schien es immer ein großer Widerspruch zu sein«, so der 32-Jährige. Er selbst ist in Bosnien geboren. Ihm ist es wichtig, für andere junge LGBTIQ+-Mitglieder mit Migrationshintergrund ein Vorbild zu sein, und er hofft, dass die Anzahl anderer queerer migra role models insbesondere aus muslimischen Communitys oder bei BPoCs in Zukunft steigt. Auch die katholische Kirche hat in Polen einen besonders großen Einfluss auf die derzeitige Lage der LGBTIQ+ Personen. Einige

Auch Kleidung wird um den Pride Month vermehrt in Regenbogenfarben angeboten. Hilft das?

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Gespaltenes Land Allerdings sind auch immer mehr Menschen in Polen mit der fremdenfeindlichen, sexistischen und queerfeindlichen Hetze der Politiker*innen nicht einverstanden und unterstützen die LGBTIQ+-Community, so gut es geht. »Die Anzahl der hängenden Regenbogenfahnen hat sich in den letzten Jahren vervielfacht. Früher waren sie relativ selten zu finden, heute hängen sie stolz an Balkonen und Fenstern, verschönern das Stadtbild und setzen Zeichen gegen die Diskriminierung von LGBTIQ+«, so Justyna. Aber verändern bunte Fahnen tatsächlich etwas an der Le-

Erlebte öffentliche Homofeindlichkeit: Emir Dizdarević

An der Universität Warschau gibt es nun eine Equality-Beauftragte. Inwiefern das performative Versuche des Pinkwashing sind, bleibt unklar. »Es gibt Veränderung auf beiden Seiten. Die eine Hälfte der polnischen Bevölkerung wird offener und toleranter, die andere wird rechter und konservativer«, erzählt Justyna. Als Mitglied des österreichischen Bundesrates versucht auch die gebürtige Polin und offen lesbisch lebende Ewa Ernst-Dziedzić, ein Zeichen zu setzen und Solidarität zu leben. Mit diversen Social-Media-Kampagnen oder Fotomahnwachen vor der polnischen Botschaft möchte sie einerseits hier auf die aktuelle Situation in Polen aufmerksam machen und andererseits polnischen Betroffenen das Gefühl geben, dass sie nicht alleine sind. »Ich werde mich auf allen mir möglichen Ebenen, immer dafür einsetzen, dass Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder aus sonst einem Grund diskriminiert werden, geschützt werden. Das ist eine zentrale Aufgabe aufrechter Demokrat*innen.«

Die Lage in Wien

Organisiert Demos und Kampagnen: Ewa Ernst-Dziedzić

bensrealität diskriminierter Personen? »Mit Regenbogenfahnen vermittelt man eine gewisse Haltung. Man setzt Zeichen für die LGBTIQ+-Community«, findet Emir. »Egal wer du bist, egal woher du kommst, du bist in der Josefstadt willkommen.« Außerdem: Immer mehr Institutionen, Prominente oder Firmen zeigen öffentlich, dass sie Personen aus der LGBTIQ+-Community willkommen heißen und sie unterstützen.

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Doch wie empfinden polnische LGBTIQ+Personen in Wien die Situation in ihrem Heimatland? Damian (Name geändert) ist 25 Jahre alt und studiert in Wien. Er selbst ist homosexuell, in Białystok, einer Stadt im Osten Polens, geboren und in Wien aufgewachsen. Wegen seiner polnischen Herkunft kann er die Situtation rund um LGBTIQ+ in Polen und Wien miteinander vergleichen: »Polen ist von Wien vier Stunden mit dem Auto entfernt. Für LGBTIQ+-Mitglieder sind diese zwei Länder jedoch komplett verschiedene Welten«, so Damian. Seitdem die PiS in der polnischen Regierung sitzt, hat sich so manches verändert. Durch ihre Politik macht sich für Damian der Mangel an Offenheit und Akzeptanz auch innerhalb der Bevölkerung bemerkbar: »Ich erwarte hier nicht viel, ich möchte einfach nur, dass mit LGBTIQ+-Mitgliedern im Alltag normal umgegangen wird«, meint er. Richtige Anfeindungen hat Damian aufgrund seiner Homosexualität zum Glück nicht erfahren. Doch er hört immer wieder

davon, dass es bei seinen in Polen lebenden Freund*innen anders ist. Ein schwuler Bekannter von ihm wurde in Danzig zusammengeschlagen, weil er »zu schwul« gegangen sei. Als Homosexueller fühlt sich Damian in Polen nur unter Umständen sicher. In Warschau zum Beispiel, weil diese Stadt bekannt dafür ist, offener zu sein, oder wenn er mit bestimmten Freund*innen unterwegs ist. In seiner Heimatstadt Białystok könnte er sich nie vorstellen, mit seinem Freund Händchen zu halten. Diese Stadt wie auch viele andere Städte im Osten Polens gelten als besonders konservativ und homophob. »Natürlich sagt eine Seite von mir, dass das ein super Zeichen für andere wäre und dass ich da einfach darüberstehen soll. Aber letztlich steht dann doch mein Leben auf dem Spiel. Ich möchte einfach nicht verprügelt oder verfolgt werden«, so Damian. Queere Menschen in Polen haben Angst. Und diese Angst ist vollkommen nachvollziehbar.

Revolution längst überfällig? Auf radikale Veränderung in Polen hofft Damian schon lange. Er würde sich wünschen, dass die Regierung Menschen, die nicht der Mehrheitsgesellschaft angehören, unterstützt, anstatt sie anzufeinden. »Wenn man sich die Geschichte des Landes anschaut, fragt man sich schon manchmal, wieso das Land so ausgrenzend ist. Im Zweiten Weltkrieg wurden schließlich vor allem in Polen jene Communitys in Konzentrationslager gesperrt, die heute ausgegrenzt werden. Gerade Pol*innen sollten wissen, wie es sich anfühlt ausgegrenzt zu werden, obwohl man nichts dafürkann«, meint Damian. Außerdem hofft er darauf, dass es bald mehr LGBTIQ+-Organisationen wie Kampania Przeciw Homofobii gibt. Denn obwohl er merkt, dass es bei manchen Pol*innen mittlerweile zu einem Umdenken kommt und vor allem junge Menschen offener werden, ist es noch lange viel zu wenig, um sich als LGBTIQ+-Person in Polen sicher zu fühlen. Umdenken und vermehrte Solidarität mit LGBTIQ+-Personen wünscht sich auch Justyna: »Wir wollen Diskussionen und Dialog anregen und dass man – falls man jemanden aus der LGBTIQ+-Community in Polen kennt – dieser Person einfach sagt, dass man sie unterstützt, dass für sie in Österreich immer Platz ist und dass sie nicht alleine ist.« Natalia Anders

Mehr Infos zur »Kampagne gegen Homo­ phobie« gibt es unter kph.org.pl. Eine weitere polnische NGO, die mit Wien verschränkt ist, ist die Ciocia Wienia. Sie unterstützt Personen in ungewollten Schwangerschaften bei der Abtreibung und ist auf Instagram unter @ciociawienia zu finden.

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polnische Kirchengemeinden unterstützen öffentlich Petitionen, die Regenbogenparaden verbieten wollen, LGBTIQ+ wird als »Regenbogenseuche« betitelt. »Wir bekommen immer öfter mit, dass Eltern ihren Glauben nicht mit der sexuellen Orientierung ihrer eigenen Kinder vereinbaren können. Es kommt zu Tragödien wie dem Ausschluss aus der Familie und kann bis zum Suizid von LGBTIQ+Personen führen. Das jüngste Beispiel ist nur einige Wochen her: Ein lesbisches Mädchen hat Suizid begangen, weil sie von ihrer Familie verstoßen wurde, weil diese ihren Glauben nicht mit der Sexualität des Mädchens vereinbaren wollten«, so die Koordinatorin der NGO.

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Es ist endlich Sommer und das bedeutet: It’s Pride o’clock. Von Flaggen an den Fensterbrettern über bunte Social-Media-Kampagnen bis hin zur tatsächlichen Pride Parade ist heuer wieder alles vertreten, was der leider noch immer recht limitierte Veranstaltungsrahmen zulässt. Vor allem nach 14 Monaten emotionalem Graupelschauer scheint es an der Zeit, den Regenbogen in allen Spektralfarben leuchten zu lassen. Weil da aber nach und nach weitere Nuancen des Spektrums sichtbar werden, haben wir eine kleine Übersicht erstellt, damit das Wissen um queere Fachbegriffe pünktlich zum Pride Month Juni fix auf stabilen Beinen steht.

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Ist als Spektrum zu betrachten und bedeutet, wenig oder keine sexuelle Anziehung zu anderen Menschen zu empfinden. Das bedeutet allerdings nicht, dass es nie zu Sex kommt, sondern beschreibt grundlegend eine sexuelle Orientierung.

Bottom Surgery Operationen, die manche trans* Personen im Zuge ihrer Transition durchlaufen. »Bottom« betrifft den Genitalbereich und meint meistens die Konstruktion von Penis / Hoden oder Vulva / Vagina. »Top« beschreibt den Brustbereich und entweder das Einsetzen von Brustimplantaten oder das Entfernen von Brustgewebe.

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Asexualität

Was hier gerade aussieht wie ein Tippfehler, ist der aktivistisch und wissenschaftlich korrekte Überbegriff für sexuelle Orientierungen, bei denen Menschen zweier, mehrerer, aller oder auch komplett unabhängig von Gender als anziehend empfunden werden. Neben Bisexualität sind also auch Pan-, Multi-, Poly- und Omnisexualität gemeint.

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Identifiziert sich eine Person mit dem Geschlecht, das ihr bei der Geburt zugeordnet wurde, ist sie cis. Quasi das Gegenstück zur trans* Identität also.

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Deadnaming

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The Gap × Pride Queerness-Glossar Verwendung eines Namens, den die trans* Person nicht mehr benutzt. In der Regel ein Name, der einer falschen Geschlechtsidentität zugeschrieben ist. Deadnaming wird von vielen trans* Personen als äußerst verletzend wahrgenommen.

Detrans(ition) Die Umkehr eines zuvor begonnen Transitioning-Prozesses. Die Gründe für eine Detransition sind höchst unterschiedlich und reichen von einer falschen (Selbst-)Identifikation als trans* bis hin zu äußerem Zwang.

Dysphorie Die Erfahrung vieler trans* Menschen, dass ihr Körper nicht zu ihrer Geschlechtsidentität passt. Diese Erfahrung kann oft traumatisch sein und medizinische Anpassungen des Körpers sind dann häufig die beste Lösung. Nicht alle Menschen, die sich als trans* identifizieren erleben jedoch Dysphorie.

Dyke Zu Deutsch etwa »Kampflesbe«. War in der englischen Sprache ursprünglich ein homophober und frauenfeindlicher Slur für Lesben und bezeichnete »maskuline«, schlagfertige, wilde oder androgyne Frauen. Mittlerweile haben Lesben sich diesen Begriff allerdings als positive Selbstbezeichnung zurückerobert: Seit 2013 gibt es in einigen europäischen Großstädten Dyke-Marches oder etwa Motorradclubs namens »Dykes on Bikes«.

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Doppelpunkt

Genderqueer

Das kleine Geschwisterkind vom mittlerweile breit bekannten und vieldiskutierten Gendersternchen. Auch wenn sich mittlerweile die meisten aufgeklärten Menschen darauf einstellen konnten, ein Sternchen oder zumindest mal ein Binnen-I zu verwenden, so ist das Verständnis beim Doppelpunkt leider noch eine ziemliche Nischenaktion. Hauptgrund für die Flankierung des Sterns mit dem Doppelpunkt ist schlicht die Lesefreundlichkeit. Das Zeichen ist nicht so disruptiv (was je nach Kontext auch ein Nachteil sein kann) und gilt auch als etwas inklusiver, weil es von Sprachprogrammen für blinde und sehbehinderte Menschen (noch) am besten wiedergegeben werden kann. Von diesen wird nämlich – wie auch in gesprochenen Konversationen – eine kurze Pause, ein sogenannter Glottisschlag, gemacht, wo der Doppelpunkt steht.

Dabei handelt es sich um einen Überbegriff für Menschen, die sich nicht auf die gesellschaftlich vorherrschende, aber längst infrage gestellte Geschlechterbinarität reduzieren lassen wollen. Das kann bedeuten, sich sowohl als Mann als auch als Frau zu fühlen – oder aber als keines von beidem. Bei genderfluiden Personen geht es in erster Linie um die binären Gender, die gleichzeitig oder abwechselnd empfunden werden.

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H

Heterosexismus Sexistisch zu handeln, heißt nicht nur, Menschen aufgrund ihres Genders abzuwerten, sondern beschreibt auch eine Haltung, die alles jenseits der Heterosexualität entschieden ablehnt. Es geht dabei aber nicht nur um den konservativen Onkel, der seine Nachmittage am Stammtisch verbringt, sondern um ein tief verwurzeltes gesellschaftliches Machtsystem: Im Heterosexismus werden Mann / Frau und die gegenseitige sexuelle, reproduktive und emotionale Ausrichtung aufeinander als »naturgegeben« angesehen. Es gäbe also eine »Norm«, die sich vor allem auch durch die Abgrenzung zum »anderen« definiert – dieser Prozess oder Akt wird als »Othering« (etwas zum anderen machen) bezeichnet.

Euphorie

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Anstatt trans* Erfahrungen über die traumatische Erfahrung von Dysphorie zu definieren, schlagen viele trans* Menschen vor, es besser über die positive Erfahrung von Euphorie zu definieren, der Euphorie die sich einstellt, wenn sie offen ihre eigene Geschlechtsidentität ausleben können.

HRT / Hormon-Replacement-Therapy / Hormonersatztherapie

Enby, Enbies Beschreibt nichtbinäre Queers. Der Begriff leitet sich aus der englischen Abkürzung »nb« ab, die für non-binary steht.

F

Fürsprecher*innen Oder auch: Allies. Sind Freund*innen, Verwandte, aber auch unverbandelte Aktivist*innen und sonstige Personen, die selbst nicht queer sind, aber aktiv daran arbeiten, die Community zu unterstützen. Sie setzen sich für Toleranz ein, informieren sich selbst und andere aktiv über relevante Themen oder arbeiten an Gleichstellungsmaßnahmen mit. Und zwar im Idealfall, ohne zu viel Aufmerksamkeit auf sich selbst zu lenken.

G

Gender Um diesen Begriff brechen regelmäßig Grabenkämpfe aus. Dabei geht es nur darum, dass die Bedeutung von »Geschlecht« nicht ausschließlich an biologischen Fakten hängt, sondern daran, was es für die eigene Identität und die Gesellschaft bedeutet. Unterschieden wird dabei zwischen Geschlechtsidentität (das Geschlecht, als das sich eine Person identifiziert) und Geschlechtsausdruck (Verhalten und Merkmale, die die eigene Identität nach außen hin präsentieren).

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Die Einnahme von Medikamenten, die im Zuge einer Transition bestimmte Hormone ersetzen und / oder unterdrücken.

Intersektionalität Dieser Begriff erklärt, wie gesellschaftliche Strukturen miteinander verwoben sind und aufeinander wirken beziehungsweise sich fallweise gegenseitig verstärken. Gemeint sind unter anderem folgende Merkmale: Geschlecht(sidentität), Alter, Sexualität, Herkunft, Religion, Behinderungen und sozialer Status. Das bedeutet auch, dass sich verschiedene Formen der Diskriminierung auf mehrere dieser Sphären gleichzeitig erstrecken können und dass nicht außer Acht gelassen werden sollte, wie das die tatsächliche Situation im Einzelfall verändert. Gerade wenn es um das Bewusstmachen von Privilegien geht, ein ziemlich wichtiges Wort.

L

LGBT / LGBTI / LGBTIQ / LGBATIQQP+ Angefangen hat die Community mit dem gut merkbaren Kürzel LGBT – also lesbian, gay, bisexual, trans. Die mittlerweile verbreiteteren Formen sind allerdings jene mit fünf statt vier Buchstaben. Zumeist wird entweder ein I für inter* oder ein Q für queer angefügt, manchmal auch beides. Beim recht langen LGBATIQQP+ steht am Ende ein Plus, um anzuzeigen, dass es mehr Nuancen als Buchstaben gibt. Diese relativ lange Abkürzung steht übrigens für lesbian, gay, bi+, asexual, trans*, inter*, queer, questioning, polyamorous und alles andere, was das Herz begehrt.

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Neutrois Beschreibt Menschen, die ein neutrales oder eben kein Geschlecht haben und jenseits der Binärität von Geschlechtern leben. Das Konzept von Gender im Allgemeinen lehnen sie aber nicht ab. Ähnlich: Genderless oder agender steht ebenfalls für Menschen, die ihre Identität nicht am Begriff eines Geschlechts festmachen. Wer sich agender definiert, lehnt allerdings in der Regel das Konzept von Gender für sich selbst ab.

O P

Outing Kommt von »out of the closet« und ist quasi die passive Variante des Coming-out. Beim Outing wird die Gender­ identität und / oder sexuelle Orientierung einer Person offengelegt, in der Regel ohne deren Einverständnis.

Passing Kommt vom Englischen »to pass as« und heißt so viel wie »als etwas durchgehen«. Trans* Personen etwa wollen als das Gender »gelesen« beziehungsweise anerkannt werden, das mit der individuellen Identität übereinstimmt. Viele queere Personen »passen« aber auch heute noch als heterosexuell in Beruf oder Familie, um nicht Repressionen ausgesetzt zu sein.

Q

Ist eine Anlehnung an die Selbstbezeichnung People of Colour, die von rassistisch unterdrückten Menschen verwendet wird, die in weißen Mehrheitsgesellschaften leben. Besonders im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung fand der Ausdruck Eingang in den Mainstream. Queers of Colour zieht indes nicht nur eine Grenze im Kontext systematischer Rassismuserfahrungen, sondern betont, dass diese auch innerhalb der vermeintlich toleranten LGBTIQ+-Community vorkommen und beachtet werden müssen.

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Romantische Anziehung Die ganz großen Gefühle, aber mit Sex hat das nicht wirklich was zu tun. Prinzipiell geht es bei dieser Definition von Romantik darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Anziehung, Interesse und Faszination unabhängig von sexueller Anziehung zu betrachten sind. Eine asexuelle Person beispielsweise kann sich selbstverständlich genauso hart verlieben wie alle anderen Queers und NichtQueers auch.

T

Top Surgery Eine Operation im Brustbereich im Zuge einer Transition. Meist entweder das Einsetzen von Brustimplantaten oder das Entfernen von Brustgewebe.

Transition Eine Transition bedeutet eine Änderung des äußeren Ausdrucks der eigenen Geschlechtsidentität. Manche trans* Personen nutzen hierfür Medikamente oder chirurgische Eingriffe. Andere ändern ausschließlich ihren Namen oder ihre Pronomen. Wieder andere ändern nur die Bezeichnung ihrer Geschlechtsidentität. Eine Transition ist höchst persönlich und bedeutet für jede Person individuell unterschiedliche Schritte.

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Bedeutet schlicht, dass es bei einem Menschen mehr als eine Genderidentität gibt. Ähnlich wie beim genderfluiden Konzept können Identitäten sich abwechseln oder auch gleichzeitig auftreten.

Queers of Colour (QoC)

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Multigender / Polygender

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Transsexualität Ist so was von vorbei. Also das Wort. Das kommt nämlich nicht aus der Community, sondern aus dem medizinischen Kontext und soll eigentlich beschreiben, dass jemand sich nicht mit einer der zugewiesenen binären Varianten wie »weiblich« oder »männlich« identifiziert – oder aktueller: trans ist. Mit Sexualität hat das aber überhaupt nichts zu tun. Richtig sind trans und trans* – als Adjektiv verwendet.

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Wahlfamilie Können alle sein, zu denen emotionale Zugehörigkeit empfunden wird. Grundlage kann zum Beispiel eine tiefgehende Freundschaft sein, in der Nähe, Unterstützung und Geborgenheit im Vordergrund stehen. In einer solchen selbstgewählten Familie zählen innere verbindende Werte, fernab von Herkunft oder Blutsverwandtschaft. Dem althergebrachten »Familie kann man sich eben nicht aussuchen« sei damit ein Schnippchen geschlagen.

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Auch »Hebammengeschlecht« genannt, bezeichnet den zumeist binären Eintrag auf der Geburtsurkunde. Dieser wird von den Genitalien des Neugeborenen abgeleitet, oder im Fall von inter* Personen leider auch heute noch oft mittels erzwungener Operation festgelegt. Dabei tauchen auch die Bezeichnungen AMAB und AFAB auf – »assigned-male / female-at-birth«, also die Zuweisung des männlichen respektive weiblichen Geschlechts bei der Geburt.

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036 Nur ein Bruchteil des alten Gebäudebestandes der Laxenburger Straße blieb vom Abriss verschont, wodurch Fläche zur Neukonzeption entstand. Entwicklungsgebiete wie dieses könnten zukünftig gezielt Kulturräume in die Planung miteinbeziehen.

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Wer sich durch Wien bewegt, wird eher früher als später eine Baustelle streifen. Wohnungen, Büros und U-Bahn-Stationen sprießen aus dem Boden. Doch wo entstehen in Wien die Kulturräume der Zukunft? Gebäude, die der kulturellen Bespielung dienen, folgen nicht derselben planerischen und baulichen Logik wie es Wohnräume, Bildungseinrichtungen oder infrastrukturelle Bauten tun. Aber das ist nicht naturgegeben. ———— Die kulturelle Nahversorgung in der Stadt und im Quartier sind mindestens genauso wichtig wie viele andere Bereiche des urbanen Alltags. In Zeiten der nahezu lückenlosen Verwertung des städtischen Bodens sind es vor allem alternative und experimentelle Räume, die der stetig wachsenden Gefahr ausgesetzt sind, ihren Platz in der Stadt zu verlieren. Der freie Immobilienmarkt wird dieses Problem nicht lösen, vielmehr verschärft und beschleunigt er die Existenzbedrohung von bestehenden und potenziell entstehenden Räumen für Kunst und Kultur. Die Verdrängung organisch wachsender Kulturräume auf politischem Wege zu verhindern, scheint das Gebot der Stunde zu sein. Jedoch gestaltet sich die Umsetzung von Lösungen schwierig, denn es sind viele Instanzen – und damit verbunden viel Zeit – nötig, um ins Handeln zu kommen.

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Tamara Schwarzmayr beobachtet das Verhältnis von Kultur und Stadtentwicklung seit vielen Jahren. Einerseits in ihrer Funktion als Vorstandsmitglied der IG Kultur Wien und andererseits bei eigenen Kulturprojekten im öffentlichen Raum sowie als Mitarbeiterin der Stadtteilarbeit der Caritas Wien, die Entwicklungsprozesse von Quartieren, aber auch von einzelnen, insbesondere geförderten Wohnbauten von der Planungs- über die Bauphase

bis hin zur Belebung begleitet. »Früher standen mehr Räume und Freiflächen zur Verfügung, weil nicht dieser enorme Kostendruck auf der Stadt gelastet hat. Mittlerweile scheint alles zu Ende entwickelt. Für Kulturinitiativen ist es gar keine Option mehr aus Neugier in andere Bezirke zu gehen, sondern es ist bereits schwierig genug die bestehenden Räume zu halten. Es gibt nur mehr wenig Spielraum für jene, die lokal aktiv werden wollen«, so Schwarzmayr. Es scheint, als räche sich die Wiener Tradition der letzten Jahrzehnte, keine gezielte Strategie für Entstehung von und Zugang zu Kulturräumen entwickelt zu haben. Dabei geht es sowohl um Produktions-, Probe- und Experimentierräume als auch um Veranstaltungsorte und szenespezifische Freiräume. Zu lange lag der Fokus der Stadtentwicklung auf quantitativen Zielen wie einer gewissen Anzahl von Neubauwohnungen, harten Faktoren wie Kanalanschlüssen und funktionalen Verkehrskonzepten. Erst seit einigen Jahren zeigt sich ein Sinneswandel in Politik und Verwaltung, der dazu führt, sich (wieder) für die Einbeziehung von Gebäuden für Kunst und Kultur in der Stadtplanung verantwortlich zu fühlen. Nicht zuletzt aufgrund des Protests und der Reklamation mehrerer Szenen, Interessenvertretungen und Vernetzungsplattformen. Um mehr Raum für Kultur zu schaffen, agiert die Kulturabteilung der Stadt auf mehreren Ebenen. Arne Forke, Referent im Büro der Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler, beschreibt die aktuellen Schwerpunkte folgendermaßen: »Es gibt derzeit viele Entwicklungen und Kooperationen in den Bezirken, neue Orte entstehen oder bestehende werden weiterentwickelt. Der Schlingermarkt, die Soho Studios, die Öffnung der Kirchen, Erdgeschoßzonen in Stadtentwicklungsgebieten,

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Kultur sucht Raum Die Wiener Szene auf den Plan rufen

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um nur einiges zu nennen. Sogenannte Ankerzentren werden finanziell unterstützt, um ihr Angebot und ihre dezentralen Aktivitäten zu fördern. Ein wichtiges Instrument sind Zwischennutzungen, um in Entwicklungsgebieten die Nachbarschaft kulturell einzubeziehen und Neugierde zu wecken. Die vorübergehende Nutzung einer Halle in der Nordwestbahnstraße durch das Koproduktionshaus Brut ist dafür ein wunderbares Beispiel oder auch die Probenräume im Kempelenpark.« Wenn es um den direkten Einfluss auf die baulichen Vorhaben in neuen Stadtteilen geht, scheinen die Handlungsspielräume jedoch weiterhin eng zu sein. Forke: »Grundsätzlich kann das Kulturressort nicht einfach bestimmen, wo und wie gebaut werden soll. Wir bewegen uns hier in langfristigen, komplexen und vor allem ressortübergreifenden Abläufen. Generell gilt: wenn es um den Boden der Stadt geht, treffen sehr viele Interessen aufeinander.«

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Nutzung und Netzwerk Nun gelten Zwischennutzungen aber nicht erst seit gestern als problematisch im Kontext neoliberaler Bodenpolitik und der Bedürfnisse (sub-)kultureller Szenen. Wenn eine Zwischennutzung erfolgreich innerhalb heranwachsender Stadtteile interveniert, sollte sie dann nicht auch bleiben können? Was bleibt von der Intervention, wenn sie zwar Prozesse anstößt, aber nicht unbefristet weiterentwickelt werden kann? Und vor allem, wer entscheidet welche Nutzung zu einem Ort passt und wie lange sie dort realisiert werden darf? Die Künstlerin Claudia Bosse verfolgt mit dem Theatercombinat bereits seit 20 Jahren eine nomadische Praxis in Wien. Viele künstlerische Projekte wurden mit der Geschichte und Architektur der jeweiligen Spielorte entwickelt und häufig haben kostenlose Zwischennutzungen dafür den idealen Rahmen geboten. Aber selbst diese temporäre Form der Raumaneignung gestaltet sich zunehmend hürdenreicher: »Der Zugang zu

Zwischennutzungen hat sich in den letzten Jahren massiv verändert und es wurde damit schwieriger, architektonisch kontextuell zu arbeiten, weil die Räume immer ökonomischer genutzt und zuletzt auch von politischer Seite besetzt werden.« Die Entscheidung, wer eine Zwischennutzung verwaltet oder was zu einem Ankerzentrum ausgebaut wird, ist selten das Ergebnis öffentlicher Auswahlverfahren, sondern scheint auf anderen Ebenen vonstatten zu gehen. Dabei zeigt sich die Logik, bereits gut aufgestellte Institutionen im kulturellen Feld mit weiteren Projekten zu betreuen. Nachvollziehbar im Sinne von Berechenbarkeit, aber nicht nachvollziehbar im Sinne von Transparenz und Chancengleichheit. Oder wie Bosse es formuliert: »Wenn Zwischennutzungen politisch zentralisiert und an bestehende Strukturen angeknüpft werden, gibt es für kleine, künstlerische Initiativen wenig Möglichkeiten.« Auch Tamara Schwarzmayr sieht den Weg zum Ziel der dezentralen und leicht zugänglichen Kultur sehr kritisch: »Es ist ja nicht nur falsch, an bestehende Infrastruktur anzuknüpfen, aber es kann nicht sein, dass von politischer Seite im Alleingang ausgewählt wird, welche Orte zu Ankerzentren auserkoren werden. Hier äußert sich ein zentralisierter Zugang und es wird zentralisiert organisiert, was dezentral sein soll. Bei diesem Vorgehen ist es schwierig zu wissen, wo Mitgestaltung möglich ist oder man sich als kulturelle*r Akteur*in einbringen kann.« Um auf die Bedürfnisse der Kulturszenen Wiens – vor allem jene der performativen und darstellenden Künste – aufmerksam zu machen und Diskurse nach innen und außen voranzutreiben, gründete sich 2017 die Initiative Wiener Perspektive, in deren Arbeitsgruppe zu »Spaces« auch Claudia Bosse von Beginn an tätig war. Damals wie heute bemängelt die Wiener Perspektive, dass es kaum Räume in Wien gibt, die sich als angemessene Orte eignen, um langfristig eine transdisziplinäre Praxis zu verwirklichen. Dezentral und tem-

»Für komplexe Fragen braucht die Stadt den Mut, neue Herangehensweisen auszuprobieren und mit alten Traditionen zu brechen.« — Magdalena Augustin

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porär genutzte Räume bieten zwar die Möglichkeit, sich auf unterschiedliche Kontexte einzulassen und immer wieder eine andere Öffentlichkeit zu erreichen, aber die Szene ist eben genauso von festen Zentren abhängig, die Kontinuität schaffen und wo alle Fäden zusammenlaufen. »Das Theater im Künstlerhaus in der Innenstadt war so ein Ort für die PerformanceSzene«, meint Bosse, »und es war ein herber Verlust eines historisch wichtigen Zentrums, das allzu leichtfertig aus der Hand gegeben wurde. Vor allem weil es fast unmöglich scheint neue Orte und Konzepte zu verwirklichen. Für das Alternative ist kein Platz und außerdem herrscht das Bild von Freischaffenden als unorganisierte Personen, denen zu wenig vertraut wird. Wir werden mit Argumenten der demokratischen Legitimation ausgebremst, während Raumagenden anderweitig und häufig informell beauftragt werden. Dabei können Künstler*innen diese Arbeit, also Räume betreiben, kuratieren und Visionen entwickeln, umsetzen. Viele Ideen und Argumente der Szene werden gerne von der Politik übernommen, aber wir erhalten selten die Möglichkeit, selbst in die Gestaltung und Verantwortung zu kommen.« Es braucht also einerseits verbindende Zentren, flexible Satelliten und temporär nutzbare Räume und andererseits eine transparente Erarbeitung der Bedarfe und Beauftragungen. Doch wo und wie können diese Prozesse organisiert werden?

Altes Hallenba Feldkirc Kommt Zeit, kommt Tat

Für komplexe Fragen braucht die Stadt den Mut, neue Herangehensweisen auszuprobieren und mit alten Traditionen zu brechen. Möglicherweise beweisen jüngste strukturelle Veränderungen, dass die Stadt bereits neue Wege einschlägt. Seit Jänner 2021 ist die MA 18 um ein Referat reicher, das sich transdisziplinären urbanen Themen widmen soll. Marlies Fellinger ist stellvertretende Referatsleiterin und betreut unter anderem die Bereiche Zwischen- und Mehrfachnutzung sowie Kultur und Stadtentwicklung. Fellinger hat also die Aufgabe, sich mit Querschnittsthemen zu befassen und dort Kommunikationskanäle herzustellen, wo viele Stellen der Stadt in gemeinsamen Prozessen involviert sind. Ihr Hauptbetätigungsfeld bleiben alle Varianten von Zwischennutzungen, wodurch sie viele Bereiche des Städtebaus hautnah mitverfolgen kann: »Ich beobachte bereits seit einiger Zeit einen Sinneswandel in der Planung, nämlich das zunehmende Bewusstsein für eine ganzheitliche Herangehensweise, die anerkennt, dass es um mehr geht als nur darum, Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Die Kultur spielt bei fast allen Bereichen der Stadtentwicklung eine sehr wichtige Rolle und soll zukünftig dezentral und wohnortnah in der ganzen Stadt verteilt werden.«

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Alt Vo


OPEN-AIR-KINO AUGARTEN METRO KINOKULTURHAUS 19.5.–27.6.2021

Line Up

2021

Alle Infos → www

Altes bad Hallenba rch Feldkirc poolbar Festival □ Poolbar-Opening: James Hersey □ Sound@V mit Hearts Hearts & many more □ Stermann & Grissemann □ Mighty Oaks □ Keziah Jones □ Sharktank □ Tagebuch Slam □ Patrice □ 5K HD (Unplugged) □ Cari Cari □ Science Busters □ The Notwist (Semi-Acoustic) □ Der Nino aus Wien □ Dorian Concept (Headphone Concert) + many more soon

Tickets / Infos im www

Datum

08. Jul–15. Aug

Altes Hallenbad / Reichenfeld, Vorarlberg

DANKE AN! BM KOES KUNST & KULTUR, LAND VORARLBERG, STADT BREGENZ, STADT FELDKIRCH

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Die Weiter- und Neuentwicklung von mehreren Zentren im gesamten Stadtgebiet ist eine wesentliche Zielsetzung der Stadtplanung und wurde mit dem sogenannten Fachkonzept »Polyzentrales Wien« im Stadtentwicklungsplan 2025 formuliert. Vor allem in neu entstehenden Gebieten sollen funktionierende Quartierszentren für lebendige Grätzln sorgen. Gewisse Vorgangsweisen hätten sich dabei bewährt, erklärt Fellinger: »Ein Ausgangspunkt für Kultur sind alte Bestandsgebäude, die das Potenzial haben, als kulturelles Zentrum zu dienen. Zwei Orte mit viel Potenzial sind das Brut Nordwest und die Inventarhalle beim alten Landgut.« Doch wo können sich Raumsuchende informieren, wo und wie finden Angebot und Nachfrage zwischen Stadt und Kulturszene zusammen? Fellinger: »Im Bereich der Zwischennutzungen werden viele Angebote über die Bezirke und regionale Stellen kommuniziert und natürlich sind die Kreativen Räume Wien die primäre Adresse für Interessierte. Aber im Bereich der Kommunikation ist definitiv noch Luft nach oben, wenn es darum geht, wirklich alle zu erreichen, die Räume suchen und auch langfristig betreiben wollen.« Dem vorangestellt ist weiterhin die Frage, wie konkret dafür gesorgt werden kann, dauerhaft nutzbare Kulturräume überhaupt

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erst zu erbauen und zugänglich zu machen. Im Sinne transparenter Auswahlverfahren und durchdachter Baupläne, die auf die Bedürfnisse diverser künstlerischer Szenen zugeschnitten sind und eben kein Ablaufdatum haben. Fellinger sieht ein großes Problem in der divergierenden Rhythmik innerhalb dieser Materie: »Eine der großen Schwierigkeiten ist, dass die Zeithorizonte von Kulturszene und Stadtplanung sehr weit auseinandergehen. Die Kultur ist viel rascher am Handeln, und viele suchen jetzt akut Räume, während die Stadtplanung in Horizonten von fünf bis zehn Jahren denkt. Hier braucht es noch Lösungen, um sich in der Mitte treffen zu können.«

Erst einbeziehen, dann einziehen Nach der Einschätzung von Tamara Schwarzmayr braucht es in jedem Falle auch mehr Einbeziehung von Akteur*innen der Kultur in die Stadtplanung: »Demnächst steht die Konzeption des nächsten Stadtentwicklungsplans an und es sollten unbedingt Leute aus der Kultur Teil dieser Planungsprozesse sein. So könnte gemeinsam erarbeitet werden, welche Bedingungen Räume erfüllen sollen, auch in Hinblick auf Förderlogiken und Vorgaben, innerhalb derer sie auf lange Sicht bestehen müssen. Was genau braucht eine Ga-

lerie? Was braucht ein Club? Diese konkrete Ausarbeitung ist noch nicht im Planerischen angekommen und es bestehen dahingehend auch noch Hemmschwellen bei Bauträgern und technischem Personal, die dringend abgebaut werden müssen.« Das Bekenntnis, sich nun auch eingehender mit disziplinenübergreifenden urbanen Themen auseinanderzusetzen und der Kultur in der Stadtentwicklung mehr Gewicht zu geben, gibt Hoffnung auf eine kulturraumreiche Zukunft Wiens. Allerdings wäre es von Vorteil, wenn die Mühlen der Stadt einen Gang zulegten und noch mehr partizipative Planungsabläufe im Rathaus Einzug hielten. Vor allem braucht es also den politischen Willen und, wie Claudia Bosse zusammenfasst, »eine beherzte Dedikation zur Integration künstlerischer Visionen und Expertise statt bits and pieces in der Kulturraumpolitik.« Magdalena Augustin

Mag.a Magdalena Augustin forscht im Rahmen ihrer Doktorarbeit im Interdisciplinary Centre for Urban Culture and Public Space der TU Wien zu räumlichen Gestaltungsprozessen in TechnoClubs im deutschsprachigen Raum. Außerdem ist sie seit 2017 Vorstandsmitglied der IG Kultur Wien und schon viele Jahre als Veranstalterin und DJ mit dem Kollektiv Gassen aus Zucker in Wien und international tätig.

Christopher Glanzl

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Aus altem wird neues Landgut: In der Nähe des Hauptbahnhofs werden alte Hallengebäude der ÖBB zum Zentrum für Büros, Wohnungen und Gastronomie. Ein Teil wurde an einen privaten Eigentümer verkauft.

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Photo: Erik Wåhlström

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Workstation Menschen am Arbeitsplatz Teresa Wagenhofer

Sandro Nicolussi

Xenia Nanou DJ Polyxene

Die in Griechenland aufgewachsene DJ und Sounddesignerin lebt seit neun Jahren in Wien. Eigentlich wollte sie nur kurz bleiben, um sich an den Vibe zu gewöhnen und dann nach Berlin weiterzuziehen – doch dann verhaftete sie der ruhige Charme der Stadt. Ihre gut sortierte Plattensammlung freut sich dieser Tage wieder über regelmäßigere Entstaubung. Denn nachdem im vergangenen Jahr das DJ-Equipment neben ihrem Arbeitsplatz für Produktion und Sounddesign eher für mentale Stabilität sorgte, bereitet sich die 35-Jährige nun auf ihren ersten Gig nach über einem Jahr der Ruhe vor. Am 12. Juni – sprich: am Record Store Day – spielt sie beim Usus am Wasser, was in ihr Aufregung und Vorfreude gleichermaßen weckt. Vor allem fragt sie sich, wie sich ihr Stil des Auflegens im letzten Jahr verändert hat. Vielleicht wird sie auf Tracks Lust haben, die man von ihr bisher noch nicht gehört hat.

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Christoph Teuchtler

Teuchtler Schallplattenhandel und Antiquariat Betritt man den Wiener Familienbetrieb, der seit 1948 besteht und spätestens seit dem Film »Before Sunrise« Kultstatus hat, springen einem nicht nur viele Plattenregale mit gebogenen Brettern, sondern auch Bilder von Wiener Künstler*innen ins Auge. Christoph Teuchtler tauscht nämlich auch mal gerne und freut sich zudem über Artists, die mit neuen Vinyl-Releases vorbeikommen. Des erwähnten Films wegen treibt es übrigens eher Tourist*innen in die Windmühlgasse – »Sound of Music«-Effekt, quasi. Die Leute, die ganze Plattensammlungen anbieten, seien meist Erben, die mit den nicht gerade platzsparenden Tonträgern nicht viel anfangen können. Ob er sich die besonders raren Schätze dann lieber selbst einsteckt, anstatt sie zu verkaufen? Manchmal, aber wenn jemand explizit danach fragt, rückt Teuchtler sie doch raus. Selbst sammelt er nämlich kaum, privat hört er eher wenig Musik. Warum auch, wenn im Berufsalltag geschätzte 150.000 Platten zur Verfügung stehen?

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PROSA — VIOLETTE LEDUC

(WIEDER-) ENTDECKUNG

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In »Thérèse und Isabelle« (Aufbau Verlag) beschreibt die französische Autorin Violette Leduc kurz und bündig die Liebesgeschichte zwischen zwei Internatsschülerinnen. Was vor sieben Jahrzehnten der Zensur zum Opfer fiel, sorgt im unzensierten Nachdruck noch immer für Nachdruck.

Jede Nacht konnte es zu einer Inspektion durch die Direktorin kommen. Wir überprüften unsere Kämme, unsere Nagelbürste, unsere Waschschüssel, wir legten uns in das anonyme Bett eines kleinen Klinikzimmers. Gewaschen und gekämmt, tadellos in unseren Betten liegend präsentierten wir uns der Aufseherin. Manche Schülerinnen schenkten ihr Süßigkeiten, hielten sie mit platten Schmeicheleien auf, während Isabelle sich in ihr Grab zurückzog. Sobald ich mir in meinem kalten Bett ein warmes Nest geschaffen hatte, vergaß ich sie, aber wenn ich wach wurde, suchte ich nach ihr, um sie zu hassen. Sie sprach nicht im Schlaf, ihr Bett ächzte nicht. Eines Nachts war ich um zwei Uhr aufgestanden und über den Gang gehuscht, hatte die Luft angehalten und ihrem Schlaf gelauscht. Sie war weg. Sie verspottete mich bis in den Schlaf. Ich drückte mich an ihren Vorhang, horchte wieder. Sie war nicht da, sie hatte immer das letzte Wort. Ich hasste sie im morgendlichen Halbschlaf, wenn um halb sieben die Glocken läuteten, wenn ihre tiefe Stimme ertönte, wenn ihr Waschwasser plätscherte, wenn sie ihr Kästchen mit der Zahnseife zuklappte. Man hört nur sie, dachte ich jedes Mal verbissen. Ich hasste den Staub ihres Zimmers, wenn sie mit dem Staubwedel unter meinen Vorhang fuhr, wenn sie gegen die Zwischenwand stieß, wenn sie ihre Faust in den Perkalstoff ihres Vorhangs bohrte. Sie sprach wenig, tat wie befohlen, im Schlafsaal, im Speisesaal, beim Aufstellen. Auf dem Pausenhof zog sie sich zurück, dachte nach. Ich fragte mich, woher sie ihre Überheblichkeit nahm. Sie war fleißig, wirkte jedoch weder selbstgefällig noch besonders eifrig. Isabelle zog oft an der Schleife meiner Schürze, und wenn ich mich umdrehte, mimte sie die Unschuldige. Mit diesem Kleinmädchenstreich begann sie den Tag und band die Schleife in meinem Rücken gleich wieder zu, demütigte mich so zweimal. Leise wie ein Dieb stand ich auf. Die neue Aufseherin unterbrach das Bürsten ihrer Nägel. Ich wartete. Isabelle, die keinen Husten hatte, hustete: An jenem Abend lag sie

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wach. Ich tat, als gäbe es sie nicht, schob meinen Arm bis zur Schulter in einen Beutel aus tristem Stoff, der am Schrank hing. Im Wäschebeutel versteckte ich Bücher und meine Taschenlampe. Ich las nachts. An jenem Abend legte ich mich mit dem Buch, mit der Taschenlampe, aber ohne Lust auf die Lektüre wieder hin. Ich schaltete das Licht ein, ließ meinen Blick auf den Filzpantoffeln unter dem Stuhl ruhen. Das künstliche Mondlicht, das aus dem Zimmer der Aufseherin drang, ließ die Gegenstände meiner Zelle verblassen. Ich schaltete die Lampe aus, eine Schülerin zerknüllte Papier, lustlos schob ich das Buch von mir weg. Lebloser als eine Grabfigur, dachte ich, als ich mir Isabelle vorstellte, starr in ihrem Nachthemd. Das Buch klappte zu, die Lampe sank ins Daunenbett. Ich faltete die Hände, betete wortlos, forderte eine Welt, die ich nicht kannte, lauschte der Wolke in ihrer Muschel, nah an meinem Bauch. Auch die Aufseherin schaltete ihr Licht aus. Die Glückliche schläft, die Glückliche liegt versunken in ihrem Grab. Das helle Ticken meiner Armbanduhr auf dem Nachttisch setzte meiner Unentschlossenheit ein Ende. Ich griff wieder zum Buch, las unter dem Laken. Jemand spionierte hinter meinem Vorhang. Selbst unter dem Laken hörte ich das unerbittliche Ticken. Ein Nachtzug verließ den Bahnhof, folgte dem gellen Pfeifen, das die unheimliche Dunkelheit der Schule durchdrang. Ich schlug das Laken zurück, hatte auf einmal Angst vor dem besinnungslosen Schlafsaal. Hinter dem Perkalvorhang ertönte mein Name. Ich stellte mich tot. Zog das Laken wieder über meinen Kopf. Schaltete die Taschenlampe ein. »Thérèse«, erklang es in meiner Nische. Ich schaltete das Licht aus. »Was machst du unter der Decke?«, fragte die Stimme, die ich nicht erkannte. »Ich lese.« Das Laken wurde heruntergerissen, jemand zog mich an den Haaren. »Ich sage doch, ich lese!« »Nicht so laut«, sagte Isabelle.

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Eine Schülerin hustete. »Du kannst mich verpfeifen, wenn du willst.« Sie wird mich nicht verpfeifen. Ich weiß, dass ich ihr mit diesen Worten Unrecht tue. »Schläfst du nicht? Ich dachte, du bist die beste Schläferin im ganzen Saal.« »Nicht so laut«, sagte sie. Ich flüsterte zu laut, ich wollte dem Spaß ein Ende setzen, denn ich war so beflügelt, dass es an Hochmut grenzte. Meine Besucherin Isabelle blieb am Perkalvorhang stehen. Ich misstraute ihrer Schüchternheit, ihrem langen offenen Haar in meiner Nische. »Ich habe Angst, dass du nein sagst. Sag bitte ja«, hauchte Isabelle. Ich hatte meine Taschenlampe eingeschaltet, war gegen meinen Willen zuvorkommend. »Sag ja!«, flüsterte Isabelle. Sie stützte sich mit einem Finger auf meinen Waschtisch. Sie schob die Aufschläge ihres Morgenmantels übereinander, zog die Kordel fester. Ihre Haare fielen schwer auf ihre Gärten, ihr Gesicht reifte. »Was liest du?« Sie nahm ihren Finger vom Waschtisch. »Ich habe gerade angefangen, als du kamst.« Ich schaltete das Licht aus, weil sie auf mein Buch schaute. »Der Titel … Sag mir den Titel.« »Ein glücklicher Mensch.« »Das soll ein Titel sein? Ist es gut?« »Ich weiß nicht. Ich habe es erst angefangen.« Isabelle drehte sich auf dem Absatz herum, ein Ring des Vorhangs glitt über die Stange. Ich glaubte, sie würde erneut in ihrem Grab verschwinden. Sie blieb stehen. »Komm und lies in meinem Zimmer.« Sie tat noch einen weiteren Schritt, schuf Abstand zwischen ihrer Frage und meiner Antwort. »Kommst du? Ja?« »Ich weiß nicht.« Sie verließ meine Nische. Mit meiner Ruhe war es aus, mein Atem ging schnell. Sie ging zurück in ihr Bett, in ihr Nest. Ich wollte, dass sie reglos dalag, wenn ich mein Bett, mein Nest verließ. Isabelle hatte nur das Laken gesehen, das ich hochgezogen hatte bis zum Kinn. Sie wusste nicht,

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Manchmal dauert es länger. Fast 50 Jahre brauchte es, bis in Frankreich eine unzensierte Version des schmalen Romans »Thérèse und Isabelle« von Violette Leduc erscheinen konnte. Noch einmal 20 Jahre dauerte es, bis diese Internatsliebesgeschichte jetzt im Aufbau Verlag auf Deutsch erschienen ist. Leduc, eine Freundin von Simone de Beauvoir, schildert darin, wie sich hinter den streng regulierten Internatsmauern zwei Mädchen näherkommen. Ursprünglich war dieser Roman als erster Teil von Violette Leducs Roman »Ravages« geplant, aber wie gesagt, die Zensur schlug zu, den Verlagen war eine Veröffentlichung zu heiß. Nun widerfährt dieser Liebesgeschichte endlich Gerechtigkeit. Und eines wird schnell klar. Die poetische und existenzielle Wucht, mit der die Autorin auf allen Ebenen das intime Kennenlernen ihrer zwei Protagonistinnen beschreibt, gehört wahrscheinlich zum Wichtigsten und Schönsten, was wohl je darüber geschrieben worden ist. Nicht zuletzt weil das Kunststück gelingt, Explizites zu schildern, ohne Voyeuristisches zu bedienen. www.aufbau-verlag.de

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Violette Leduc

dass ich ein besonderes Nachthemd trug, ein Nachthemd aus Waffelpiqué. Ich war der Ansicht, dass Persönlichkeit von außen kommt, durch Kleidung, die sich von der der anderen unterscheidet. Meine Besucherin hatte meine Wäsche zerknittert, ohne sie zu berühren, ohne sie auch nur zu erahnen. Das Nachthemd glitt zart wie ein Spinnennetz über meine Hüften. Ich zog mein Internatsnachthemd an, verließ meine Nische mit geballten Fäusten in regelkonformen Manschetten. Die Aufseherin schlief, vor dem Perkalvorhang hielt ich zögernd inne. Dann schob ich ihn beiseite. »Wie spät ist es?«, fragte ich lebhaft. Ich blieb im Rahmen stehen, richtete meine Lampe auf eine Stelle neben dem Nachttisch. »Komm, hier ist genug Platz …« Ich konnte mich nicht an ihr langes offenes Haar gewöhnen, das Haar einer einschüchternden Fremden. Isabelle sah auf die Uhr. »Kommst du nun oder nicht?«, fragte sie ihre Armbanduhr.

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4 1 Pride-Bag von Rainbow Planet Rainbow Planet ist der Online-Shop für die LGBTIQ+-Community, das Sortiment auf www.rainbow-planet.com so bunt, wie es die Welt sein sollte. Wir verlosen ein gut gefülltes Pride-Bag namens »Ultimative Pride« im Wert von € 49,90. Es besteht aus einem Canvas-Beutel, einer Fahne, einem Silikonarmband, einem Schlüsselanhänger, diversen Pins und Aufklebern sowie einem Ankerarmband.

2 »Art Biography – Margot Pilz. Leben. Kunst.« Die in den Niederlanden geborene, jüdischstämmige Künstlerin Margot Pilz gilt als Feministin der ersten Stunde. In ihrem Werk griff sie außerdem früh Themen wie Umweltschutz und Digitalisierung auf. Nina Schedlmayer zeichnet das Leben dieser Vordenkerin nach, die als Kind in ein japanisches Internierungslager verschleppt wurde und nach dem Krieg als junge Frau ins graue Wien kam. Wir verlosen drei Exemplare.

3 »Lost Places in Wien & Umgebung« Robert Bouchal ist Fotograf, Autor – und Höhlenforscher. Seit über 30 Jahren dokumentiert er geschichtsträchtige Orte. Gemeinsam mit Lektor und Historiker Johannes Sachslehner erkundete er »Lost Places«, von deren Existenz nur wenige wissen. Das Buch erzählt vom Wandel der Zeit und gibt Einblick in vergessene Orte. Urban Exploring mit historischem Tiefgang. Wir verlosen drei Exemplare.

4 »Kunstpraxis in der Migrationsgesellschaft« Die Diversität der Bevölkerung adequat widerzuspiegeln, ist ein Anspruch, der im Kulturbereich immer wichtiger wird. Das von Ivana Pilic und Anne Wiederhold-Daryanavard herausgegebene Handbuch zeigt mittels Beispielen aus der Wiener Brunnenpassage, wie eine diskriminierungskritische künstlerische Praxis und das Erreichen neuer Dialoggruppen möglich sind. Wir verlosen drei Exemplare.

5 »Fleabag« Fleabag ist chaotisch, flucht, trauert, schnorrt sich durchs Leben, onaniert zu Reden von Barack Obama und hält auch sonst mit Einblicken in ihr Sexleben nicht gerade hinter dem Berg. Geschrieben und verkörpert wird die junge Frau von Phoebe Waller-Bridge, die mittlerweile zur »Star Wars«Darstellerin und James-Bond-Autorin avanciert ist. Staffel eins der BBCErfolgsserie. Wir verlosen drei Blu-Rays.

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Rezensionen Musik

Buntspecht

Alex Gotter / Florentin Scheicher (Collage)

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Wiedererkennungswert, der. Definition: »Eigenschaft, als etwas Bekanntes, Vertrautes erkannt, wahrgenommen zu werden.« Beispielsatz: »Die Gruppe Buntspecht hat einen sehr hohen Wiedererkennungswert.« Der im Marketing-Bullshit-Bingo versprochene Heilige Gral war der sehr guten Wiener Gruppe schon mit dem ersten Album »Großteils Kleinigkeiten« (2018) fast sicher, spätestens mit »Draußen im Kopf« (2019) war dieser Status einzementierter als Mafioso-Patschen. Diese Melange aus Klezmer, Barden-Pop und Kammer-Punk mit nasalem Gesang in Wiener Hochdeutsch war und ist ansonsten ebenso unerhört ungehört wie künstlerisch hochwertig: Beide Alben sind junge Klassiker der alternativen Popmusik in diesem Lande. Die Crux mit dem Wiedererkennungswert ist allerdings, dass dieser sein Korsett recht eng geschnürt trägt, Wiederholung zum Muss, Innovation zum nur dosiert eingesetzten Mittel macht. In der populär konsumierten Kunst ein Spannungsfeld aus Erwartungshaltung, Langeweile, Ethos. Vor allem mit dem dritten Album, dem schwierigen. Das erste definiert den Klang, das zweite baut ihn aus – das dritte …? Sagen wir so: Buntspecht bleiben Buntspecht, von A bis Z, in Ton und Wort. Eine Gruppe, die eben weiß, wie sie klingen kann, wie sie zu klingen hat und, vor allem, dass sie genau auf diese Art und Weise besonders gut klingt. Denn: Aus jedem der elf Stücke sprießt die pure und unbändige Spielfreude, die einer so kollektivistisch organisierten und eingespielten Band wie dieser hier zuletzt sehr abgegangen sein muss. Da sitzen die Bläser genauso perfekt wie die Quetschn es tut; quasi jeder Fingerschlag wirkt federleicht, aber gleichzeitig so notwendig im komplexen Soundkleid. Dazu die Texte, die immer schon zwischen Slam-Poetry und klassischer Songwriter-Wortakrobatik balancieren und den Banalitäten dieser Generation im Übergang wortgewaltig Ausdruck verleihen. Beispiel: »Im Streichelzoo der Smartphones wünscht ich, dass du mich berührst.« Wer so klingt und textet, braucht sich um die Crux des Wiedererkennungswertes keine Sorgen zu machen. Denn: Das wird nicht langweilig. (VÖ: 11. Juni) Dominik Oswald

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Spring bevor du fällst — Phat Penguin

Live: 11. Juni, Linz, Posthof — 15. Juni, Wien, Konzerthaus

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Rezensionen Musik

Naplava

Oehl

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»At last alone, my friend. I might just start with breaking arms.« Die ersten Lines der neuen Platte der Wiener Stoner-/Doom-/Noiserock-Combo setzen den Grundtenor für alles, was in den darauffolgenden 40 Minuten folgt. Aber weil es schon zu ausgelutscht ist, brechen Naplava nicht aus allen Genregrenzen aus, wie man in derartigen Rezensionen gerne liest. Vielmehr setzen sie sich zwischen alle Grenzen und führen so das Konzept harter Musik der letzten Jahrzehnte auf augenzwinkernde Art ad absurdum – aber ohne dabei kitschig zu werden. Pop muss nicht immer sanft sein, das steht ohnehin fest, bloß endet der Spagat zwischen hart und funktionierend nicht selten in übertriebener Anbiederung, die durch ein paar Overdrive-Pedale gejagt wird. Die seit über zehn Jahren aktive dreiköpfige Partie zeigt nun, dass Referenz auch ohne »Back to the roots«-Pathos funktioniert. Man muss sich nicht groß anstrengen, um bei »Sunless« rauszuhören, was die Band in ihrer Freizeit auf die Plattenspieler spannt. Da wäre beispielsweise der Track »Kirk«, der mit einem brachialen und Low-Endreichen Nu-Metal-Riff an Korn rund um die Jahrtausendwende erinnert. »Exodus« ist dann eher wieder Dios »Holy Diver«, bloß auf zerschnittenen Boxen gespielt – und bei »Quarrymen« wird als Sahnehäubchen ein Hardcore-Mosh hingelegt, bei dem Nietengürtel und zu weites Tanktop wie von selbst aus den verstaubten Ecken des Kleiderschranks kriechen. Zwischendurch lässt es sich auch mal ganz gut durchatmen. Die gewählte Selbstbezeichnung Stoner-Pop ist also gut nachzuvollziehen, auch wenn die Platte an manchen Stellen darunter leidet, dass das alles schon irgendwie bekannt vorkommt. Vehement widersprechen muss man dem mitgelieferten Presse­ text lediglich an der Stelle, an der von »Geheimtipp der Underground-Szene« die Rede ist. »Sunless« ist zwar alles andere als familienfreundlich, aber die Platte kann schon auch im Mainstream ganz gut funktionieren. (VÖ: 17. Juli) Sandro Nicolussi

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100 % Hoffnung — Grönland Records Oehl, das sind Ari Oehl aus Wien und Hjörtur Hjörleifsson aus Island. Sie stellen mit »100 % Hoffnung« ein Mini-Konzeptalbum zur Verfügung, dessen beide Dimensionen, die musikalische und die textliche, wohl nur von wenigen in dieser Art verschränkt erwartet werden würden: Kapitalismuskritik hält Einzug in die Lounge, die Ästhetik des Ambient Pop fordert gedankenschwer Amazon und das den schnöden Mammon anhimmelnde Hamsterrad heraus. Oehl gießen dabei nichts ins Feuer, aber den Fridays-for-Future-Zeitgeist in eine musikalische Form, deren cozy Synths der Soundtrack für all jene sein könnte, die Party, Selbstoptimierung und globale Gesellschaftskritik unter einen Hut bekommen. Oehl sind Teil der Generation, die ausgezogen ist, die Welt zu retten. Filterblase, Ethik, Nachhaltigkeit – die Evolution der 68er-Idee im Gewand technologischer Popmusik. Auf »100 % Hoffnung« ist diese getragen von tranceartigen, schwebenden Beats. Modern, wer die Hüfte zum Weltschmerz schwingt. »Das geht runter wie Öl« würde sich hier genauso anbieten wie »die Hoffnung stirbt zuletzt«. Zwei Plattitüden, die anzudeuten vermögen, wo das vermeintliche Dilemma liegt: Die Welt zu retten, gehört zum guten Ton. Dieser ist auf »100 % Hoffnung« sphärisch, basslastig, rhythmisch-relaxed. Oehl wissen selbstverständlich um die Ambivalenz ihrer Botschaft. Mit ihrem musikalischen Kleinod tragen sie jedoch auf ihre (melancholische) Art zur Diskussion und somit zum nächsten Schritt bei. (VÖ: 2. Juli) Tobias Natter Live: 4. Juni, Klosterneuburg, Weidlinger — 5. Juni, Linz, Posthof Open Air — 3. Juli, Hallein, TVB — 10. Juli, Fels am Wagram, Corona Summer Stage — 23. Juli, Breitenbrunn am Neusiedler See, Seebad

Karol Grygus, Tim Cavadini

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Sunless — Blind Rope Records

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Karol Grygus, Tim Cavadini

prince

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QUEEN The_Gap_187_048-066_GewinnenRezisTermine_PACK_mf_BBA_FINAL.indd 51

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Rezensionen Musik

Sharktank

Svaba Ortak

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Hip-Hop meets Pop, Indie joins Rap. Auf Sharktanks Debüt »Get It Done« schwingt einem bei Zeiten schon fast unverschämt verspielte Leichtigkeit entgegen. Kreativ hantelt sich die Combo von Genre zu Genre. Ein Versuch, der aufgrund seiner ehrgeizigen Ambition durchaus zum Griff ins Klo werden könnte. Umso beeindruckender die versatile Umsetzung von Soundidee, Arrangement und Songwriting. Sharktank schweben auf »Get It Done« behände zwischen den musikalischen Welten. Sitzen dabei aber nicht zwischen den Stühlen fest. Der Erfolg – und von dem kann man nach kurzer Zeit tatsächlich schon berichten – gibt ihnen Recht. Die Debütsingle »Washed Up« hielt sich mehrere Wochen auf Platz eins der FM4-Charts und wurde auf Spotify schon fast eine Million Mal gehört. Viele andere europäische Radiostationen sind so auf Sharktank aufmerksam geworden und spielen »Washed Up« und andere Singles der Band mittlerweile rauf und runter. Die zuvor im Herbst spontan veröffentlichte EP »Bad Energy« hat Sharktank darüber hinaus gleich eine Amadeus-Nominierung beschert. Es ist eigentlich fast ein bisschen zum Angeben. Trotz der Reichweite bedienen Sharktank eine Nische: »Get It Done« ist ein experimenteller Klangkatalog, dessen Farben ein sonisches Abenteuer abbilden, das irgendwo zwischen frecher Rap-Akrobatik und 70erJahre-Nostalgie wandert. Der tanzbare Versuch gelingt. Weniger gelungen präsentieren sich die Texte von Sharktank. Etwas naiv beschriebene Beziehungskisten und die profane Verarbeitung der Erkenntnis, dass die Welt eine widersprüchliche ist, können mit dem musikalischen Erlebnis auf »Get It Done« nicht mithalten, tun dem Ganzen aber keinen Abbruch. Man darf gespannt sein, ob beim Nachfolger auch die Texte den Weg aus der Adoleszenz finden. Damit stünden sie dann vielleicht auf einer Ebene mit der musikalischen Glanzleistung, die Sharktank mit ihrem Debüt abliefern. (VÖ: 11. Juni) Tobias Natter Live: 27. Juli, Innsbruck, Treibhaus — 28. Juli, Feldkirch, Poolbar Festival

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Atlas oder nada — Sony Music Nach Svaba Ortaks letztem Album »Adam & Eva« aus dem Jahr 2019 folgt nun endlich die Fortsetzung mit »Atlas oder nada«. Es ist ein umfangreiches Album – sowohl was seine Länge betrifft als auch stilistisch. Auf dem fünfminütigen Track »Himmel« rappt Svaba »die Lieder dauern zwei Minuten und das war’s« und kritisiert damit treffend die kapitalistische Spotify-Kultur des derzeitigen Deutsch-Raps. Seine Songs sind durchschnittlich vier bis fünf Minuten lang – in gewohnter Manier. Eine absolute Seltenheit heutzutage, denn je kürzer der Track, desto besser funktioniert er auf Streamingplattformen. Während Svaba bei der Länge auf Oldschool setzt, gilt für die Musik eine dezent andere Devise. Im Vergleich zum Vorgängeralbum schleichen sich weniger offensichtlich serbische Beat-Elemente in die Tracks ein – im Kontrast zu Bekanntem wie »Für die«. Doch auch »Atlas oder nada« bringt mit Tracks wie »Gitara« die Balkan-Vibes nach Wien. Textlich bleibt Svaba sowieso nichts schuldig. Es hagelt die gewohnten Jugo-, Balkan- und Wien-Referenzen. Von »Idemo« bis »Nema Problema«. Lustigerweise schließt Svaba Ortak mit dem Albumtitel an sein letztes Album an, dessen Outro »Atlas« heißt. Darauf hört man: »Allein auf meinem Atlas. Allein auf meinem Asphalt. Immer noch hier, immer noch da, immer noch Wien.« Atlas kann hierbei wohl als Synonym für Himmel verstanden werden. Wien ist Svabas Atlas und für ihn heißt es »Wien oder nix«. Insgesamt bleibt Svaba Ortak sich auf gesamter Linie treu. Fans werden auf keinen Fall enttäuscht sein. Gleichzeitig bietet genau das Raum für Kritik: Seit 2019 hat sich der Stil des Rappers nicht wirklich verändert, sondern fährt immer noch auf der gleichen Schiene wie die letzten Jahre. Ob das bedeutet, dass Svaba einfach seinen Sound gefunden hat oder darin feststeckt, darf jede*r für sich selbst entscheiden. In das Album reinzuhören, zahlt sich aber auf jeden Fall aus. (VÖ: 2. Juli) Mira Schneidereit

Hanna Fasching, Aleksandar Peric, Raphaela Riepl

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Get It Done — Ink Music

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Hanna Fasching, Aleksandar Peric, Raphaela Riepl

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Vermeintlich ja ganz gut, wenn alles im Fluss ist. Wenn der noch schlafwarme Körper früh am Morgen durch die Yogaposen fließt – und der frisch gemixte Green Smoothie direkt nach der letzten Verrenkung ins Glas. Idealerweise ist es zusätzlich um den regelmäßigen Geldfluss auch nicht so schlecht bestellt. Die Band Tents, die mit »Limbo« ihr zweites Album vorlegt, sieht das ein wenig anders. So wird im Song mit dem verheißungsvoll nach Fernreise klingenden Titel »Fiji Falls« der Fluss des Wassers zum Zeichen für beginnende Lähmungserscheinungen. »When Fiji Falls stop to flow, there’s unlimited ways to go again«, heißt es in der ersten Singleauskopplung unter anderem. Rettung vor der Stagnation kann es also nur dann geben, wenn endlich nicht mehr alles im Fluss ist. Ob es sich hier außerdem um eine Anspielung auf die zum Statussymbol erkorene Wassermarke Fiji Water handelt, darüber kann nur gemutmaßt werden. Es würde auf jeden Fall gut zu Clemens Posch und Paul Stöttinger passen, die ihrer Vorliebe für die Dekonstruktion popkultureller Mythen schon öfter Ausdruck verliehen haben. Eines ist jedenfalls sofort klar: Tents liefern auf »Limbo« die perfekten Störgeräusche, um das als »Fluss des Lebens« getarnte Hamsterrad zu durchbrechen. Und sie tun das auf eine Weise, die in ihrer Verschmelzung von New Wave, Nostalgie und gleichermaßen fesselnden wie repetitiven Drum-Beats vor allem eines ist: packende Popmusik. Die eben nicht mit glatten Oberflächen operiert, sondern sowohl textlich als auch musikalisch kleine Verfremdungseffekte zulässt. Oder um es mit der Wiki­ pedia-Beschreibung des »Jitter«-Phänomens auszudrücken, nach dem möglicherweise die letzte Nummer des Albums benannt ist: »Als Jitter bezeichnet man das zeitliche Taktzittern bei der Übertragung von Digitalsignalen, eine leichte Genauigkeitsschwankung im Übertragungstakt.« Man könnte also sagen: Perfekt eingetaktet ist langweilig. Und der Fluss des Lebens auch einfach nur Wasser aus einer Plastikflasche. (VÖ: 28. Mai) Sarah Wetzlmayr

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Limbo — Siluh Records Absolut Tomorrowland Zu Ehren des Tomorrowland Festivals präsentiert absolut vodka eine neue Limited Edition, die ab sofort im gut sortierten Lebens­mitteleinzelhandel erhältlich ist. Das Tomorrowland Festival findet heuer online statt. www.absolut.at

Eine Karte, acht Museen Mit der neuen bundesmuseencard-Aktion können alle acht Bundesmuseen und ihre Dependancen um ¤ 19,— besucht werden. Die Aktion ist bis 31. August 2021 gültig und berechtigt zu je einem Besuch pro Bundesmuseum. Mehr Informationen unter: www.bundesmuseencard.at

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Termine Musik

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ORF RADIOKULTURHAUS Argentinierstraße 30a, 1040 Wien

HOSEA RATSCHILLER LIEST ERICH FRIED

25.06.2021

© Maximilian Lottmann

KARTEN UND INFOS: radiokulturhaus.ORF.at

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Kerosin95 Kritische Lines und politischer Rap, das kennen wir von Kathrin Kolleritsch aka Kerosin95. Das vor Kurzem erschienene Debütalbum »Volume 1« lässt nun in Kerosins Gefühlswelt blicken, wo Selbstvertrauen und Unsicherheit koexistieren. Feine Sache! 4. Juni Wien, Sargfabrik — 10. Juni Krems, Kino im Kesselhaus — 11. Juni Wolfsberg, Container 25 — 24. Juli Leibnitz, Soundwave Open Air — 6. September Wien, WUK — 8. September Graz, Orpheum — 1. Oktober Salzburg, ARGE Kultur — 8. Oktober Steyr, Röda

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Popfest Das Popfest kann zwar am geplanten Termin stattfinden, die Verantwortlichen mussten sich aber eine Alternative zum Karlsplatz überlegen, um den Zutritt gemäß der 3G-Regel für Veranstaltungen kontrollieren zu können. Deshalb findet das von Esra Özmen (Esrap) und Herwig Zamernik (Fuzzman, Naked Lunch) kuratierte Programm nun in der Arena statt – ein würdiger Ersatz. Was das Line-up betrifft, hielt man sich zu Redak­ tionsschluss noch bedeckt, aber es wird wohl recht divers ausfallen. 22. bis 25. Juli Wien, Arena

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Termine Musik Dives Für die aktuelle Single »Burger« war dem Indie-Trio ein Musikvideo nicht genug, deswegen kam es auch gleich mit einem passenden Browser-Game um die Ecke. Macht Spaß! Noch mehr Spaß macht es natürlich, Dives auf der Bühne zu sehen. 3. Juni Wien, Neu Marx / Baulücke — 11. Juni Klagenfurt, Lendspiel Open Air — 30. Juli Ried, Kik Open Air — 20. August Breitenbrunn, Seebad — 3. September Wien, WUK — 4. September Linz, Posthof

Sonic Territories Soundparcours, Installationen, Interventionen und Live-Musikprogramm – u. a. mit Rosa Anschütz (Foto), Elektro Guzzi und Austrian Apparel. Alles rund um die verschiedenen Disziplinen und Spielarten des (experimentellen) Sounds findet sich in der einmaligen Kulisse der Wiener Seestadt ein, um den Horizont – vor allem, aber nicht ausschließlich – über die Ohren zu erweitern. 1. bis 4. Juli Wien, diverse Locations in der Seestadt

Mira Lu Kovacs

Sandro Nicolussi, Jana Wachtmann

Hanna Fasching (2), Popfest, Martina Lajczak, Anna Breit, Jakob Gsöllpointner, Nina Keinrath

Wer »Musik aus Österreich« sagt, muss auch »Mira Lu Kovacs« sagen. Mit dem relativ frisch veröffentlichen, sehr guten Album »What Else Can Break« begibt sich die Ausnahmemusikerin nun auf Konzertreise durchs Land. Weitere Termine im Herbst werden folgen. 2. Juli Innsbruck, Treibhaus — 18. Juli Wien, Stadtsaal — 28. Juli St. Pölten, Rathausplatz — 21. August Lienz, Schloss Bruck — 15. September Hartberg, Schloss

Poolbar Auch im wilden Westen Österreichs geht’s wieder los. Rund um das Gelände des alten Hallenbads in Feldkirch trifft Musik bekanntermaßen auf ein pralles Rahmenprogram. Unter anderem stehen Acts wie Sharktank, Cari Cari, Dorian Concept (Foto) und Mighty Oaks bereits in den Startlöchern. Dazu gibt’s Kunst, Kabarett und die Verleihung des Vorarlberger Musikpreises. 8. Juli bis 5. August Feldkirch, Altes Hallenbad

Wellenklænge Der Begriff »zeitgenössische Strömungen«, mit dem sich das Festival Wellenklænge selbst beschreibt, ist breit interpretierbar. Und entsprechend vielfältig ist auch das Programm, das am Ufer des Lunzer Sees geboten wird. Neben Podiumsgesprächen und Märchenwanderungen gibt’s vor allem auch Konzerte – etwa von Die Knoedel, My Ugly Clementine oder vom Schmusechor (Foto). 16. bis 31. Juli Lunz am See, Seebühne

Bad Weed

Michael Kiwanuka

Earl Mobley

Eine jener Bands, die es sich nicht nur anzuhören lohnt, sondern die auch lustige Ergebnisse versprechen, wenn man sie googelt. Findet man sie allerdings auf der Bühne, ist BlitzPop (laut, garagig, punkig) angesagt. Diesmal sind Bad Weed passenderweise gemeinsam mit Good Cop zu sehen. 1 Juli Wien, Fluc

Kaum läuft der Konzertbetrieb wieder an, wird das Programm in den heimischen Konzertsälen auch wieder international. Der Londoner SoulMusiker kann mittlerweile auf eine zehnjährige Karriere zurückblicken und weiß mit seiner Band auf die emotionale Art zu catchen. 13. Juli Wien, Gasometer

Earl Mobley könnte man als Teil der Indie-Band Vague kennen. Mit seinem Soloprojekt mauserte er sich im Oktober zum FM4-Soundpark-Act des Monats. Nach einigen sehr guten Singles arbeitet er aktuell an einem Album. Im Vorprogramm: tiefgehende Vocal-Kompositionen von Liz Metta. 21. Juli Wien, Fluc

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highlights 07.06. Berni

Wagner 11.06. Science Busters 12.06. Buntspecht 17.06. TheatersportExhibition 24.06. Voodoo Jürgens & Die Ansa Panier 28.06. Vaginas im Dirndl 30.06. Gery Seidl 01.07. Alfred Dorfer 02.07. Avec 03.07. Willi Resetarits & Stubnblues 05.07. Thomas Maurer 06. – 10.07. folkshilfe 15.07. Dame 17.07. Granada 20.07. Thees Uhlmann 30.07. Steaming Satellites 12.08. Cari Cari 19.08. My Ugly Clementine 21.08. Kreiml & Samurai 26.08. Blonder Engel 27.08. Leyya 30.08. Michael Hatzius 01.09. Julian Le Play 03.09. Brandão Faber Hunger 10.09. Lou Asril www.posthof.at/frischluft

POSTHOF – Zeitkultur am Hafen, Posthofstraße 43, A – 4020 Linz Info + Tickets: 0732 / 78 18 00 kassa@posthof.at | www.posthof.at Weiterer VVK: LIVA Servicecenter im Brucknerhaus, Veritas Kartenbüro, oeticket und alle oberösterreichischen Raiffeisenbanken.

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Termine Festivals

3 Fragen an Nadine Cobbina

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Kuratorin der elektronischen Schiene des Wiener Kultursommers 2021 Neu beim diesjährigen Kultursommer sind die sogenannte Clubbühne und eine verstärkte Schiene experimenteller Elektronik. Was darf sich das Publikum erwarten? Das Programm wird dynamisch und divers. Wien darf sich freuen, einen Einblick zu bekommen, wie facettenreich und tief das Universum elektronischer Mukke ist. Die Clubbühne ist ein zusätzliches Projekt, das mehr ein Party-Feeling als ein Minikonzert liefern soll. Hier habe ich versucht, die »wichtigsten« Genres einzugliedern. Ich möchte so vielen Communitys wie möglich die Chance auf eine Party bieten. Eine Kritik am Wiener Kultursommer aus dem Vorjahr war, dass bestehende Locations wie Clubs nicht eingebunden wurden und so die Stadt in Konkurrenz zur örtlichen (Nacht-)Gastro und zur freien Szene trat. Was ist heuer anders? Mir war es besonders wichtig, unterschiedlichen Akteur*innen der Szene Raum und Unterstützung zu bieten. Somit werden jetzt Kollektive für Hostings eingeladen, Clubs übernehmen die Gastro und auch das Soundsystem wird aus der Szene gebucht. Mit den Locations wurde frühzeitig kommuniziert. Meine Ansicht ist, dass Menschen auf Programm und Unterhaltung brennen und auch die Kunstschaffenden ein Recht auf ihre Darstellung haben. Als Kuratorin meines Genres weiß ich auch nicht über alles Bescheid, aber hoffe, dass der Mehrwert dieses Gastspielfestivals gesehen und unterstützt wird und im Miteinander ein toller Sommer für alle entsteht. Der Wiener Kultursommer entstand vergangenes Jahr, um lokalen Künstler*innen trotz geschlossener Locations Raum und Möglichkeit für Auftritte zu bieten. Was davon wird bleiben, wenn die Pandemie zu Ende geht? Eigentlich braucht Wien schon lange ein komplementäres Festival zum Donauinselfest. Als Medienfachfrau sehe ich großes Potenzial in diesem Festival. Da wäre noch einiges mehr drinnen, je mehr Communitys und Interessen eingebunden werden. Somit gibt es hoffentlich eine Verlängerung des Konzepts. But I can’t tell … Wiener Kultursommer Juli und August Wien, diverse Locations

Impulstanz Festival Endlich! Nachdem das unsichere Festivaljahr 2020 vergangen ist, in dem das Impulstanz Festival hauptsächlich outdoor stattfand, kehrt die Melange an Performances, Workshops, Research Projects und Soçial – das allabendliche Musikprogramm – 2021 zurück in die gewohnten Locations. Im Workshop-Zentrum Arsenal warten insgesamt 179 Workshops und Research Projects auf. Zeitgenössischer Tanz internationaler Choreograf*innen trifft auf zukunftsweisende Produktionen von Newcomern, die in der [8:tension] Young Choreographers’ Series ihren festen Platz im Festival gefunden haben. Bei den Workshops haben Teilnehmer*innen – Anfänger*innen wie Profis – die Chance, bei internationalen Dozent*innen alle Facetten von Tanz zu studieren. 15. Juli bis 15. August Wien, diverse Locations

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Termine Festivals

Elf Filme zeigt das Slash 1/2 heuer und es verspricht damit superlative Reizüberflutung, nachdem zu lange Ruhe in den Oberstübchen eingekehrt war. Mit allen Mitteln der Grusel- und Fantasy-Genres wird dabei tief in die Trickkiste von Angst, Schrecken und Humor gegriffen. Ein Jahrmarkt der Attraktionen, der die Wegwischgesellschaft mit ihren Screens zumindest kurzzeitig übertrumpfen will. 17. bis 20. Juni Wien, Filmcasino

Sandro Nicolussi

Claudia Virginiadimoiu, Moritz Franz Zangl, Martin Darling / Stonewall, Same Same Studio

Mitten im Pride Month findet standesgemäß auch die Vienna Pride statt. Bunter Höhepunkt wird die Regenbogenparade am 19. Juni sein, die zu ihrem 25. Jubiläum heuer wieder als Fuß- und Fahrraddemonstration um den Ring zieht, nachdem letztes Jahr ein Autokorso die für gewöhnlich schillernde, laute und feiernde Parade ersetzte. Back to the roots! Lesben, Schwule, Bisexuelle, Heterosexuelle, trans, cis, inter und queere Personen gehen dabei gemeinsam für Akzeptanz, Respekt und gleiche Rechte in Österreich, Europa und auf der ganzen Welt demonstrieren. 7. bis 20. Juni Wien, diverse Locations

Frühlingskino Das Filmarchiv Austria feiert in Kooperation mit der Diagonale und der Akademie des Österreichischen Films den Einzug des Frühlingskinos aufs Open-Air-Gelände am Augartenspitz und ins Metro Kinokulturhaus. Der gemütliche Wiener Kinogarten des Filmarchivs verwandelt sich dafür in eine höchst präsentable Auslage für das aktuelle österreichische Filmschaffen. bis 27. Juni Wien, Open Air Augarten und Metro Kinokulturhaus

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Vienna Pride

Festival La GacillyBaden Photo »Viva Latina!« – So lautet das Motto der vierten Ausgabe des Festival La Gacilly-Baden Photo. Zu sehen sind Fotografien aus Lateinamerika, die stark von der Komplexität der Geschichte des Kontinents mit all seinen Revolutionen und Hoffnungen durchdrungen sind. 27 Ausstellungen widmen sich verschiedensten Aspekten der Beziehung zwischen den Menschen und ihrer Umwelt. 18. Juni bis 17. Oktober Baden, diverse Locations

Transition

Feschmarkt Über 240 Start-ups, Nachwuchsdesigner*innen und Kleinproduzent*innen aus den Bereichen Kunst, Produktdesign, Möbel, Mode, Kids-Design, Schmuck, Papeterie, Vintage, Delikatessen sowie Food & Drinks ziehen in die Ottakringer Brauerei in Wien ein, um dort in hopfiger Atmosphäre die Ergebnisse ihres kreativen Schaffens zu präsentieren. Im Juli steht dann der Westen auf dem Programm. Die Ausstellenden reisen von Nah und Fern ins Ländle an und bringen ihre Kreativitäten mit ins dortige Pförtnerhaus. 4. bis 6. Juni Wien, Ottakringer Brauerei — 2. bis 4. Juli Feldkirch, Pförtnerhaus

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Als Hybridfestival geht dieses Jahr das internationale Queer & Minorities Film Festival Transition unter dem Motto »Claim Your Space« an den Start. Gezeigt wird eine sorgfältig kuratierte Auswahl an Spiel-, Dokumentar- und Essayfilmen, die eine Vielzahl von sexuellen Orientierungen, Identitäten und Körpernormen darstellen. Im bunten Programm finden sich unter anderem zwölf Österreichpremieren sowie je eine Europa- und Weltpremiere. 10. bis 13. Juni Wien, Schikaneder — 17. Juni bis 11. Juli online

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Wie kann eine Zukunft aussehen, in der unser Planet nicht ausgebeutet wird, sondern in der sich zwischen Menschheit und Umwelt ein nachhaltiges Gleichgewicht einstellt? Das auf Respekt und Wertschätzung beruht, anstatt auf kapitalistischer Kurzsichtigkeit und Ressourcenverschwendung? Mit dieser Fragestellung beschäftigt sich die diesjährige Vienna Biennale for Change, die unter dem Motto »Planet Love« bis Oktober in ganz Wien stattfindet. Auch das MAK widmet sich mit einer Gruppenausstellung dem Thema der Klimafürsorge: Kreative aus den Bereichen Kunst, Design und Architektur stellen im Rahmen von »Climate Care« ihre Ideen für eine nachhaltige und sozioökologische Zukunft vor. bis 3. Oktober Wien, MAK

Climate Care. Stellen wir uns vor, unser Planet hat Zukunft

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Termine Kunst

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Termine Kunst

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Elisabeth von Samsonow Elisabeth von Samsonow setzt sich in ihrer künstlerischen Praxis nicht nur mit Aktivismus auseinander, sondern vor allem auch mit Philosophie. Diese unterrichtet sie auch an der Akademie der bildenden Künste in Wien. In der Einzelausstellung »The Elder Poem« im Grazer Kunstverein nähert sich Samsonow mit ihrem philosophischen Ansatz der Wechselwirkung zwischen Kunst und Natur und erforscht Lyrik in einem botanischen System. Der widerstandskräftige Holunder spielt als duftende Heilpflanze eine besondere Rolle. 25. Juni bis 12. September Graz, Kunstverein

Suse Krawagna + Franco Kappl Zwei österreichische Künstler*innen, zwei Leben und einige Parallelen: Suse Krawagna und Franco Kappl verbindet der Geburtsort Klagenfurt, die Ausbildung an der Wiener Akademie der bildenden Künste unter Arnulf Rainer und die abstrakte Malerei. Das Museum Moderner Kunst Kärnten stellt daher in einer gemeinsamen Ausstellung diese zwei Positionen der zeitgenössischen Kunst gegenüber und präsentiert einen umfassenden Überblick über das Schaffen der beiden. bis 29. August Klagenfurt, MMKK

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Michaela Pichler Thomas Bayrle »Greta Thunberg (Blutkörperchen)«, 2019, Pigmentdruck auf Baumwolle © Thomas Bayrle / VG Bild-Kunst, Bonn. Courtesy the artist and Neugerriemschneider, Berlin; Marjan Moghaddam / OÖ Landes-Kultur GmbH, Elisabeth von Samsonow, F. Neumüller / MMKK, Secession, Anri Sala / Bildrecht Wien, Christian Helwing / VG Bild-Kunst

Proof of Art Wie wirken sich virtuelle Räume auf unsere Lebensrealität aus? Und was zur Hölle hat es denn nun mit diesen Non-Fungible Tokens auf sich? Fragen dieser Art werden in »Proof of Art« offline im analogen Ausstellungsraum und online im World Wide Web beantwortet. Die Ausstellung im Linzer Francisco Carolinum verspricht eine kurze Geschichte der NFTs – von den Anfängen der digitalen Kunst bis hin zum Metaverse – und ist damit die erste museale Schau, die sich dem aktuellen Phänomen widmet. 10. Juni bis 15. September Linz, Francisco Carolinum

Karimah Ashadu: Plateau Die Londoner Künstlerin Karimah Ashadu lebt und arbeitet zwischen Hamburg und Lagos. Die größte Stadt Nigerias ist es auch, in der viele ihrer Videoarbeiten entstanden sind. Mit ihrer Kamera begleitet Ashadu etwa Arbeiter*innen in der Palmölproduktion oder in einem Sägeblattschleifwerk. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Kunst und Dokumentation. Ohne moralisierenden Zeigefinger, dafür aber mit viel Fingerspitzengefühl fängt Ashadu den emanzipatorischen Moment im Alltäglichen ein. 2. Juli bis 5. September Wien, Secession

Anri Sala In Venedig hat er bereits als Repräsentant Frankreichs die Biennale bespielt, in Paris stellt er im Centre Pompidou aus und für seine Ausstellung in Bregenz nutzt Anri Sala nun das Kunsthaus als klanglichen Resonanzkörper: Denn Musik hat für den albanischen Künstler den gleichen Stellenwert wie das Plastische, Greifbare in seinen Arbeiten. So treffen Besucher*innen nicht nur einen frei schwebenden Plattenspieler an, sondern auch Musikstücke, die in Videoinstallationen die Protagonist*innen mimen. 17. Juli bis 10. Oktober Bregenz, Kunsthaus

Christian Helwing: (B)east! Für Christian Helwing wird der Ausstellungsraum zum Medium: An der Schnittstelle von Architektur und Kunst entwickelt er ortsspezifische Arbeiten, die die vorherrschenden formalen und historischen Gegebenheiten miteinbeziehen. Für die zweiteilige Ausstellung »(B)east!« in der Dominikanerkirche und der Kunsthalle Krems konzipiert Helwing Installationen mit weißen und schwarzen Vorhängen, die sich in ein Kirchenschiff genauso perfekt einfügen wie in den White Cube. 17. Juli bis 1. November Krems, Kunsthalle und Dominikanerkirche

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Termine Film & Serie

3 Fragen an Hubert Sauper

Fuchs im Bau Regie: Arman T. Riahi ———— Für den Lehrer Hannes Fuchs (Aleksandar Petrović) beginnt ein neuer Berufsabschnitt, befindet er sich doch als neuer Gefängnislehrer in einer für ihn bislang fremden Umgebung. Die bereits dort unterrichtende und mit ihren unkonventionellen Methoden aneckende Elisabeth Berger (Maria Hofstätter) nimmt ihn unter seine Fittiche. Die Schicksale der Jugendlichen gehen ihm nahe, besonders das von Samira Spahić (Luna Jordan). Wie Berger will auch Fuchs die Jugendlichen erreichen, wie sie alle kämpft auch er mit einem Trauma. Arman T. Riahi schlägt nach dem Komödienerfolg »Die Migrantigen« ernstere Töne an. Der Cast besteht aus Profis sowie Lai*innen, neben Aleksandar Petrović ist – wie in »Die Migrantigen« – auch wieder Faris Rahoma zu sehen. Gedreht wurde größtenteils in einem ehemaligen Bezirksgericht samt anschließendem Gefängnis in Stockerau. »Fuchs im Bau« ist der Eröffnungsfilm der Diagonale 2021. Start: 11. Juni

Welche Verantwortung verspüren Sie als Filmemacher? Ein Film wird vier Mal geschrieben: erstens im Drehbuch, zweitens mit der Kamera, drittens im Schnitt. Letztlich »existiert« ein Film aber erst nach dem vierten Skriptum: im Kopf des Zusehers. Da ich als Autor nur die ersten drei »Schriften« beeinflussen kann, und da jeder Zuseher »seinen eigenen Film« sieht, ist die Verantwortung aufgeteilt. Ihre Filme wurden in der ganzen Welt gezeigt und mit vielen Preisen ausgezeichnet. Was treibt Sie weiterhin an? Preise haben einen Sinn, wenn ein Film »neugeboren« ist, denn das heißt dass er seinen Weg zum Publikum findet. Und eine Weltpremiere ist immer eine große Zelebration, ein Feuerwerk. Die Oscar-Nominierung von »Darwin’s Nightmare« war natürlich erst mal eine Ehre und Freude, hat mir jedoch unendlich viel Feindseligkeit beschert: Meine politischen Filme sind »ungemütlich« für Mächtige und üble Leute, die ohne dieses »Etikett« nie einen Autorenfilm gesehen hätten. Ich erlebte nach den Academy Awards einen dreijährigen »Nightmare« mit Hetzkampagnen, Gerichtsprozessen und Todesdrohungen – nicht nur gegen mich, sondern auch gegen meine Freunde, die im Film vorkommen. Die Ironie daran: Diese Zeit war auch sehr »unlangweilig«, und ich lebe und arbeite resoluter als zuvor. »Epicentro« Start: 4. Juni

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Quo Vadis, Aida? Regie: Jasmila Zbanic ———— »Quo Vadis, Aida?« behandelt das Massaker von Srebrenica. Die titelgebende Hauptfigur Aida Selmanagić (Jasna Đuričić) ist im Juli 1995 in Srebrenica als Übersetzerin für die Vereinten Nationen tätig. Nach der Machtübernahme durch die bosnisch-serbische Armee ist auch sie gezwungen, mit ihrer Familie im Lager der UNO Schutz zu suchen. Im Zuge von Verhandlungen muss Aida Informationen mit fatalen Auswirkungen übersetzen. Die Dreharbeiten fanden in Bosnien und Herzegowina statt, Produktionsgesellschaften aus insgesamt acht Ländern waren bei der Realisierung dieses Projekts beteiligt. Der Film war bei den Oscars in der Kategorie »Bester internationaler Film« nominiert und lief in Venedig im Wettbewerb um den Goldenen Löwen. Er basiert auf dem Buch »Unter der Flagge der Vereinten Nationen. Die Staatengemeinschaft und der Völkermord von Srebrenica« von Hasan Nuhanović. Start: 25. Juni

Alexander Tuma / Viennale, Golden Girls Film, Polyfilm Verleih, Sky UK Unlimited, Ingo Pertramer / Superfilm / Sky

Warum ist ihr neuer Film gerade Kuba gewidmet? Es gibt ein paar Orte auf der Welt, die Schnittpunkte von Imperien und Religionen sind: In Europa ist oder war das Sarajevo, im »Middle East« Israel, in Afrika Faschoda und in Amerika Kuba. Im Epicentro Amerikas trafen die Europäer auf die indigenen Amerikaner, die Spanier auf die Anglo-Saxons und der Kommunismus auf den Kapitalismus. Das »Thema« durchzieht alle meine Filme: Was und wofür ist die Dominanz des Imperialismus? Und wie entwickeln sich solch brutale Machtideen? Ein wichtiger Teil des »Erfolgs« der westlichen Zivilisation ist eine Technologie, die nennt sich Kino, und allgemein »laufende Bilder«. Die Geschichte von »Epicentro« zeigt, wie die Geburt der »moving images« und die Entstehung des US-amerikanischen Weltreichs innig zusammenhängen – und in Kuba anfingen.

Barbara Fohringer

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Regisseur von »Epicentro«

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Regie: François Ozon ———— Der 16-jährige Alexis (Félix Lefebvre) retten den 18-jährigen David (Benjamin Voisin) vor dem Ertrinken und verliebt sich in ihn. Das Drehbuch basiert auf dem Roman »Dance on My Grave« des britischen Schriftstellers Aidan Chambers. Der Roman habe ihn sehr geprägt, so François Ozon, besonders mit der Figur des Alex habe er sich identifizieren können. Gedreht wurde in der Normandie. Start: 2. Juli

Black Widow Regie: Cate Shortland ———— In »Black Widow« mimt Scarlett Johansson wieder Natasha Romanoff alias Black Widow. Es ist der bereit 24. Film innerhalb des Marvel Cinematic Universe. Seine Handlung ist zwischen »The First Avenger: Civil War« und »Avengers: Infinity War« angesiedelt. Der Film wird zugleich mit dem Kinostart auf Disney+ zu sehen sein. Start: 8. Juli

Der Rausch Regie: Thomas Vinterberg ———— Schule kann frustrieren, das wissen (ehemalige) Schüler*innen gut, das wissen (aktuelle) Lehrer*innen noch besser. Vier davon (u. a. Mads Mikkelsen) starten ein »Trinkexperiment«, um wieder motiviert in der Klasse zu stehen. Thomas Vinterbergs satirischer Blick auf unseren Umgang mit Alkohol ist der erfolgreichste dänische Film 2020 und holte heuer den Oscar als »Bester internationaler Film«. Start: 16. Juli

Intelligence

Ich und die anderen

Regie: Nick Mohammed ———— David Schwimmer ist demnächst nicht nur beim »Friends«-Revival zu sehen, auch für diese Komödie stand er vor der Kamera – als Teil eines chaotischen Geheimdienstteams, das gegen globale Cyber-Sicherheitsbedrohungen kämpft. Er mimt den US-Agenten Jerry Bernstein, der gemeinsam mit Joseph Harries (Nick Mohammed, der auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet) gegen Hacker und Spione antreten muss. Eine zweite Staffel ist bereits in Planung. ab 1. Juni Sky

Regie: David Schalko ———— Neues Jahr, neues David-Schalko-Projekt. In »Ich und die anderen« spielt Tom Schilling die Hauptrolle des Tristan. Seine Freundin Julia (Katharina Schüttler) ist schwanger – und nach und nach wird Tristans Leben merkwürdiger. In jeder Folge erwacht er, nachdem er einen Wunsch formuliert hat, und erlebt dessen Auswirkungen auf sich und seine Mitmenschen. In weiteren Rollen zu sehen: Mavie Hörbiger und Lars Eidinger. Die Serie feiert im Rahmen Diagonale seine Österreichpremiere. ab 29. Juli Sky

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Été 85

feathers?

Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien Regie: Bettina Böhler ———— Am 24. Oktober 2020 wäre Christoph Schlingensief 60 Jahre alt geworden. Schlingensief, Film- wie Theaterregisseur, Autor wie Aktionskünstler, bekannt u. a. durch die Aktion »Schlingensiefs Container«, die Gründung der Partei 2000 oder das Operndorf Afrika, vermengte Politik und Kunst. Sein Schaffen ist immer noch von nachhaltiger Bedeutung, weshalb die Filmeditorin Bettina Böhler ihm und seinem Werk diesen Film widmete. Start: 2. Juli

Bartolina Xixa, Ramita Seca, La Colonialidad Permanente [Dry Twig, The Permanent Coloniality] (Filmstill), 2019 • Courtesy Maximilano Mamani / B artolina Xixa

Regie: Viggo Mortensen ———— Für sein Regiedebüt hat sich Viggo Mortensen viele verschiedene Hüte aufgesetzt. So hat der vor allem als Schauspieler bekannte Mortensen nicht nur Regie geführt, sondern auch das Drehbuch geschrieben, die Musik komponiert und die Hauptrolle übernommen. Er spielt John Peterson, der sich um seinen an Alzheimer erkrankten Vater kümmert. Eine Geschichte über Liebe und Vergebung. Start: 11. Juni

and if I devoted my life to one of its

Alexander Tuma / Viennale, Golden Girls Film, Polyfilm Verleih, Sky UK Unlimited, Ingo Pertramer / Superfilm / Sky

Barbara Fohringer

Falling

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Christoph Prenner

bewegen bewegte Bilder – in diesem Kompendium zum gleichnamigen Podcast schreibt er drüber

Screen Lights Zugserscheinungen

»Und, worum soll es diesmal gehen?« Die Qual der Themenwahl, sie ist mitunter very real. Zumal in Zeiten, in denen die Lichtspielhäuser des Landes zwar endlich wieder Hochämter begehen dürfen, die meisten der neuen Testamente aus dem notgedrungenen ausgedehnten Fernseh-Fernstudium der letzten Monate jedoch längst bekannt und auch im Zuge von Podcast-Plaudereien schon angeregt abgehandelt worden sind. Was also könnte aber nun sonst genug Wuchtig- und Wichtigkeit haben, dass es vor den Mikrofonen und auf Papier in derselben Weise wie vor den Empfangsgeräten für Ekstase sorgen könnte? Sollte es sich gar lohnen, auf der Suche nach neuen Sensationen mal wieder in jenen Ecken der Bewegtbildproduktion nachzuforschen, die durch Abertausende dort mit Netflix-Stangenware verbrachte Stunden echt schlecht im Ruf stehen: dort, wo es Zerstreuung und Zeitvertreib standardmäßig staffelweise abzuholen gibt? Fuck yeah – und wie sich das mitunter lohnen kann.

Prestige im Fernsehkastl »The Underground Railroad«, der konkrete Anlassfall für die heftig wieder aufgeloderte Serienliebe, konnte sich freilich praktischerweise von jeher auf ein Set-up verlassen, das hochkarätiger und vorfreudestiftender kaum vorstellbar scheint: Colson Whiteheads gleichnamiger Pulitzer-Prize-prämierter Roman, von OscarGewinner Barry Jenkins (»Moonlight«) mit allen benötigten Pesos von Bezos für dessen Amazon Prime zur Limited Series geformt. Mehr Prestige war lange nimmer im Fernsehkastl.

Zusammen mit den alten Affen Erwartungshaltung und Enttäuschungsangst, aber schließlich erste Reihe fußfrei vorm TV sitzend, staunend, wirklich dabei zusehen zu dürfen, wie hier ein Rad in Formvollendung ins andere greift, wie aus dieser Great American Novel nicht nur eine der relevantesten und wichtigsten, sondern auch eine der besten Serien des Jahres, möglicherweise des Jahrzehnts entstehen durfte, ist nichts weniger als eine Offenbarung.

Systemischer Rassismus Es dürfte dieser Adaption freilich recht zupass gekommen sein, dass Whiteheads Werk bereits nahezu mustergültig für ein auf den Fortsetzungsgedanken setzendes Format angelegt war. So episodisch strukturiert, wie es die in einem Prä-Bürgerkriegs-Amerika angesiedelte Odyssee der jungen Sklavin Cora schildert, die auf der titelspendenden, wortwörtlich unterirdischen Eisenbahn – eine kühne alternativgeschichtliche Metapher für ein dereinst real existentes abolutionistisches Netzwerk mit sicheren Routen und Unterschlupfen – quer durchs Land of the Unfree flüchtend an jedem vermeintlich rettenden Ziel bloß neue beklemmende Facetten des systemischen Rassismus und der Unterdrückung Schwarzer erfahren muss. Obwohl gleich in einem Aufwasch veröffentlicht, sind diese zehn ultraimmersiven, häufig unerträglich intensiven Episoden entschieden nicht für ausgedehnte Binge-Watching-Sitzungen angelegt. Sie legen Pausen zum Verdauen und Verarbeiten nicht bloß nahe, fordern diese vielmehr unausgesprochen und doch unmissverständlich ein.

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Dabei sind es nicht mal unbedingt nur die schonungslosen, donnernd laut aus der Vergangenheit ins Heute nachhallenden Darstellungen von schwarzem Schmerz, die hier ungeahnte Dringlichkeit erzeugen und so wirklich gar keine Distanz zulassen. Sondern – in einem furiosen, freien Fluss der glühenden Bilder – all die Auslassungen und Leerstellen, die Jenkins und Whitehead ihrem knallharten Stoff bewusst erlauben. Es sind all die flüchtigen Glücksverheißungen und kunstfertig eingestreuten Tupfer von magischem Realismus, die unerschütterlich und universell erkennbar die Möglichkeit einer Insel der ungeahnten Möglichkeiten nahelegen. Die Erkenntnis, dass diese für die Black Community nicht nur in den US of A unerreichbar bleiben wird, solange die Banalität des Bösen das Bauen von Brücken für die Züge des zivilisierten Zusammenlebens stets aufs Neue verhindert, wird dieser Instant-Klassiker des seriellen Erzählens in hoffentlich zahllosen Köpfen anstoßen. Denn in letzter Konsequenz hat sie wirklich jede und jeder von uns jeden einzelnen Tag aufs Neue zu treffen, die Wahl der Themen, die uns so wichtig sind, dass wir unverzüglich über sie reden wollen. prenner@thegap.at • @prennero Christoph Prenner und Lillian Moschen plaudern im Podcast »Screen Lights« zweimal monatlich über das aktuelle Film- und Serien­ geschehen – so geschwärmt wie über »The Underground Railroad« haben sie zuletzt über ein anderes zukünftiges Standardwerk des Black Cinema: Steve McQueens »Small Axe«.

Luca Senoner, Kyle Kaplan / Amazon Studios

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Thuso Mbedu als Sklavin Cora in »The Underground Railroad«

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Luca Senoner, Kyle Kaplan / Amazon Studios

Sehen Sie die Welt aus verschiedenen Blickrichtungen.

DiePresse.com/Sonntag

Menschen. Geschichten. Perspektiven.

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Termine Bühne

On Earth – Part 3

In Franz Kafkas Erzählung »Der Bau« arbeitet der namenlose Protagonist, ein dachsähnliches Tier, unermüdlich an einem perfektionistischen Höhlensystem. Es geht nicht nur um das Schützen von Essensvorräten, sondern es wird auch eine diffuse Bedrohung empfunden, die in zunehmende Paranoia umschlägt. Am Schauspielhaus Graz wird der Stoff unter der Regie von Elena Bakirova als Virtual-Reality-Theater für Zuhause inszeniert. Für die 360-Grad-Produktion wird eine VR-Brille benötigt, mit der man in das Geschehen eintauchen kann – idealerweise auf einem Drehsessel und mit angeschlossenen Kopfhörern. Über den Ticketshop werden auch VR-Brillen angeboten, die von Fahrradkurieren innerhalb von Graz ausgeliefert werden. bis 7. Juni Graz, Schauspielhaus

Am Ball Mit »Wider erbliche Schwachsinnigkeit« ist die Uraufführung von Lydia Haiders Theaterstück untertitelt, das einer jungen Frau beim Besuch des von der FPÖ organisierten freiheitlichen Akademikerballs in der Wiener Hofburg folgt. Ein Durchschreiten von sieben Räumen; eine Dokumentation des Horrors. Bereits im Vorjahr wurde die Inszenierung als Filmpremiere veröffentlicht. Die Theaterpremiere folgt nun in der kleineren Spielstätte des Wiener Schauspielhauses, dem Nachbarhaus / Usus. 15. Juni bis 2. Juli Wien, Schauspielhaus

Endspiel

Lavagem

Knapp zehn Jahre lang war Kay Voges Intendant am Schauspielhaus Dortmund und er bewies in dieser Zeit vor allem auch, was Stadttheater konkret mit einer und für eine Stadt tun kann. Dementsprechend wurde seine erste Spielzeit am frisch renovierten Volkstheater mit Spannung erwartet. Die Neueröffnung ließ coronabedingt lange auf sich warten. Mit »Endspiel« holt Voges nun seine Samuel-­ Beckett-Inszenierung nach Wien, in der ein Duo in einem Zimmer feststeckt; Fluchtversuche zwecklos. Der groteske Stoff dürfte gerade vor dem Hintergrund weltweiter Lockdowns mit einer gewissen Aktualität Impulse zum Nachdenken über Kreisläufe und Wiederholung geben. »Ich gehe in meine Küche, drei Meter mal drei Meter mal drei Meter.« 2. und 3. Juni Wien, Volkstheater

Neonrote Eimer auf glitschiger blauer Plane. Für die Performance »Lavagem« (das portugiesische Wort für »waschen«) der in Rio de Janeiro geborenen Choreografin Alice Ripoll wird auf der Theaterbühne mit Wasser, Seife und Schaum gearbeitet. Ein Spiel mit Hygiene und Implikationen kapitalistischer Ausbeutung. Wer oder was muss sauber gemacht werden? Und warum? Aufgeführt wird das Stück im Brut Nordwest als Teil der heurigen Wiener Festwochen. 28. Juni bis 2. Juli Wien, Brut Nordwest

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Oliver Maus

Mette Edvardsens Performance fragt nach den Möglichkeiten darstellender Kunstformen, nach Grenzen zwischen Welt und Vorstellung, Denken und Erfahren. Im Spiel mit Sprache und Raum wird Zeitlichkeit und Vergänglichkeit überprüft. »No Title« ist Teil der Neubespielung der Performance Passage, dem »Raum für Poetiken des Dazwischen«, eines von neun künstlerischen Mikromuseen des Wiener Museumsquartiers in der Durchfahrt beim Eingang zu den TQW Studios, die als Performanceort über eine verspiegelte Decke gedoppelt wird. 24. Juni Wien, Tanzquartier

Johanna Lamprecht, Nikolaus Ostermann / Volkstheater

No Title

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Der Bau

»A robot walks into a bar. The barman says: We don’t serve robots. The robot says: Oh, but some day you will.« Der Performance-Hybrid »On Earth – Part 3« von The Loose Collective, einem österreichischen Kunstkollektiv ohne hierarchische Strukturen, das aus zeitgenössischen Tänzer*innen, Musiker*innen und Performer*innen besteht, tritt den Gang in die Zukunft an. Nach einer Zeitreise ausgehend vom Beginn des Planeten, landen sie nun in einer Karaoke­ bar, in der sie ein anderes Leben herbeiträumen. 4. und 5. Juni Wien, WUK


Art Direction & Design by CIN CIN, cincin.at / Photos by Ulrich Zinell Performer: 陳威達 DaDa JV / 3D Makeup by Ines Alpha

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15.7. – 15.8.2021 Vienna International Dance Festival Performances, Workshops & Soçial impulstanz.com

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Josef Jöchl

artikuliert hier ziemlich viele Feels

Manchmal stehe ich morgens auf und koche mir ein Porridge. Dann mache ich Ö1 an, steche den ersten Happen aus und fühle mich wie die Spitze der Menschheit. »Das mache ich jetzt jeden Tag«, schwöre ich mir, während die ersten Haferflocken in mir quellen. Doch schon am nächsten Morgen greifen meine üblichen Verhaltensweisen: Kaffee wie Wasser saufen und mir zu oft ins Gesicht fassen. Wie jeder Mensch brauche ich im Durchschnitt 66 Tage, um eine neue Gewohnheit zu etablieren. Selten gewöhne ich mich an etwas so schnell wie an »Germany’s Next Topmodel«, wovon ich nur zehn Minuten gesehen haben muss, um ein halbes Jahr lang jeden Donnerstagabend an Heidi Klum zu verpfänden. Die meisten Gewohnheiten brauchen Zeit. Dieses Frühjahr fasste ich den Entschluss, mir das Rauchen abzugewöhnen. Das Einzige, wovon ich in Zukunft körperlich abhängig sein wollte, waren Speisen von Yotam Ottolenghi. Die Umgewöhnungs­ phase dauerte länger als gedacht.

Das Geheimnis reiner Haut An meinem fehlenden Willen lag es nur bedingt. Ich befolgte akribisch alle Tipps, die das Internet zu bieten hatte: Ich legte ein Datum fest, schrieb eine Pro-und-Contra-Liste, entsorgte alle Feuerzeuge – und sogar den Stuhl, auf dem ich beim Rauchen gerne saß. Den ersten Tag bewältigte ich so ohne größere Blessuren, und die durchschnittlich weiteren 65 schienen wie geritzt. Befreit spazierte ich durch die Innenstadt und ließ meinen Blick über fremde Gesichter schweifen. Was mir dabei auffiel: Die meisten Menschen haben erstaunlich gute Haut. »Vermutlich rauchen die alle keine 20 Zigaretten am Tag«, dachte ich

mir, und, was ich für wahrscheinlicher hielt: »Vermutlich verwenden die alle die Pflegeserie von Dr. Hauschka.« Schnurstracks zog es mich in die nächste Pflegeprodukte führende Apotheke. Dort musste ich feststellen, dass der Überbegriff »problematische Mischhaut« meine eigene nur unzureichend beschreibt, weshalb ich mich auf der Stelle zu einer neuen Routine verpflichtete. Nur noch 66 Abende eine beige, grobkörnige Waschcreme, ein obskures Tonikum und ein milchiges Serum anwenden, dann wäre bis zum Sommer alles gut. Meine Selbstzufriedenheit stieg.

Der Weg zum Beach Body Ohne Tschick zum Kaffee konnte ich auch meinem Handy mehr Aufmerksamkeit widmen. Wie jedes Frühjahr postete eine Ex-Arbeitskollegin dieses eine Meme, auf dem steht: »How to have a beach body? Have a body, go to the beach.« Kurioserweise ist es dieselbe Ex-Arbeitskollegin, die gerne behauptet, dass ebenjener Beach Body in der Küche gemacht werde. Das inspirierte mich. Das Frühjahr ist schließlich nicht nur eine tolle Zeit, um nicht zu rauchen. Es eignet sich außerdem hervorragend, um sich über den Zustand seines Körpers Sorgen zu machen. Da traf es sich gut, dass ich mich schon seit geraumer Zeit fragte, ob der wirklich so aussah, wie er aussah, oder ob ich schon an einer Körperschemastörung litt. Ich entschied mich für Ersteres – und verdonnerte mich in der Folge zu einem Notfallprogramm, das mich dem Beach Body in sechs Wochen näherbringen sollte: Ich warf meinen Kühlschrank auf den Müll, ernährte mich ausschließlich von Ei-

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klar und lud »Freeletics« auf mein Handy, das mich fortan täglich zum Workout ermahnte. Dann drehte ich wieder Ö1 auf und hörte ein Radiokolleg über Selbstoptimierung im Neoliberalismus, während ich mir unentwegt mit der flachen Hand ins Gesicht schlug. Um die Durchblutung zu fördern versteht sich. Ich fühlte mich so toll wie nie.

Nie wieder Weißbrot Später lachte ich Heidis Mädchen aus, weil sie sich beim Nacktshooting so blöd anstellten. Dabei fand ich eine Zigarette im Sofa. Plötzlich wurde mir klar, wie durcheinander mein Belohnungszentrum mittlerweile geraten war. Es ist eine Sache, ständig auf der Jagd nach dem besten Selbst zu sein. Toxisch sind die Minderwertigkeitsgefühle, die einen dabei antreiben. Ich fragte mich: Würde es mir besser gehen, wenn ich bis in alle Ewigkeit meine Zero Vision lebe? Würde ein Leben ohne Selbsthass bedeuten, dass ich nie wieder Weißbrot essen kann? Am Herd entzündete ich meine letzte Zigarette. Mit Gewohnheiten kann man halt nicht so leicht Schluss machen wie mit irgendeiner Affäre: ihnen in die Augen schauen und sagen, man hätte Gefühle für sie entwickelt. Gewohnheiten sind eher wie S-Bahn-Fahrten. Keiner versteht sie wirklich. Man braucht durchschnittlich 66 Tage, bis man einsteigt ohne nachzudenken, bis sie irgendwann Routine werden. Außer morgens Porridge zu essen, das bleibt für immer ein Kraftakt. joechl@thegap.at • @knosef4lyfe Josef Jöchl ist Comedian. Sein gegenwärtiges Programm heißt »Nobody«. Aktuelle Termine sind unter www.knosef.at zu finden.

Ari Y. Richter

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Sex and the Lugner City Ich hasse Porridge

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