Mavi Phoenix
Von »Young Prophet« zu »Marlon«
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N° 191
€ 0,—
AUSGABE FEBRUAR / MÄRZ 2022 — THE GAP IST KOSTENLOS UND ERSCHEINT ZWEIMONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1052 WIEN, P.B.B. | MZ 18Z041505 M
Ein Vierteljahrhundert
DAS GEBURTSTAGSFEST MIT
ZACK ZACK ZACK | ZINN
FARCE CULK |
PLUS DJ-LINE
22.04. | FLUC | WIEN VORVERKAUF UND WEITERES JUBILÄUMSPROGRAMM UNTER WWW.THEGAP.AT / 25
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Editorial
What did you learn in school today?
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www.thegap.at www.facebook.com / thegapmagazin @the_gap thegapmag the_gap
Herausgeber Manuel Fronhofer, Thomas Heher Chefredaktion Sandro Nicolussi Leitender Redakteur Manfred Gram
Nostalgisches Schwelgen, schweißgebadete Albträume von der bevorstehenden Matura, nach wie vor laufende Aufarbeitung unterschiedlichster Traumata. Die Schule ist in Österreich so etwas wie ein kleinster gemeinsamer Nenner, wenn es um den Austausch persönlicher Erfahrungen geht. Die Qualität der Erfahrungen und damit der erinnerlichen Geschichten variiert jedoch stark. In den Corona-Diskussionen rund um die Schule wurde diese immer wieder als Quasi-Refugium junger Menschen dargestellt, in der beispielsweise sozialer Austausch gepflegt würde. Doch das ist lediglich eine Seite der Medaille beziehungsweise in der aktuellen Form der Organisation des Schulsystems in gewisser Weise eine längst nicht erreichte Idealvorstellung, wie die immer wieder laut werdenden Proteste und teilweisen Streiks von Lehrenden, Schüler*innen und Eltern zeigen. Es muss sich etwas ändern. Wo dabei unter anderem angesetzt werden sollte, versucht diese Ausgabe zu ergründen – sei es im Wortwechsel, in dem Betroffene und Expert*innen ihre Vorstellungen einer nachhaltigen schulischen Zukunft argumentieren, in der Workstation, die zwei musikschaffende Lehrende porträtiert oder in den Artikeln zu den kürzlich wieder vieldiskutierten Integrationsklassen und zum Prekariat von Wissenschaftler*innen, das die jüngste UGNovelle weiter verschärft hat. Außerdem haben wir mit unserer aktuellen Coverstory Mavi Phoenix nach seiner Transition nun zum zweiten Mal auf der Titelseite von The Gap. Dazwischen liegen fünf Jahre und 28 Ausgaben (162 bis 191). Und falls das nicht schon genügend Lesestoff ist, findet sich sicher etwas im ausgedehnten Beitrag von Thomas Weber zu Longsellern österreichischer Buchverlage und den damit finanzierten Nischendruckwerken. Um abschließend eine angenehme Glocke zu läuten, stellen wir die Live-Acts anlässlich von Ein Vierteljahrhundert The Gap im Fluc Wien vor. Sich den 22. April im Kalender vorzumerken, ist hiermit Hausaufgabe.
Gestaltung Markus Raffetseder Autor*innen dieser Ausgabe Christoph Benkeser, Barbara Fohringer, Bernhard Frena, Susanne Gottlieb, Victor Cos Ortega, Dominik Oswald, Stefan Slamanig, Jana Wachtmann, Thomas Weber, Sarah Wetzlmayr Kolumnist*innen Josef Jöchl, Imoan Kinshasa, Christoph Prenner, Gabriel Roland Fotograf*innen dieser Ausgabe Fabian Gasperl, Alexander Gotter Coverfoto Maša Stanić Lektorat Jana Wachtmann Anzeigenverkauf Herwig Bauer, Manuel Fronhofer, Sarah Gerstmayer (Leitung), Thomas Heher, Martin Mühl, Thomas Weber Distribution Andrea Pfeiffer Druck Grafički Zavod Hrvatske d. o. o. Mičevečka ulica 7, 10000 Zagreb, Kroatien Geschäftsführung Thomas Heher Produktion & Medieninhaberin Comrades GmbH, Stauraczgasse 10/4, 1050 Wien Kontakt The Gap c/o Comrades GmbH Stauraczgasse 10/4, 1050 Wien office@thegap.at — www.thegap.at Bankverbindung Comrades GmbH, Erste Bank, IBAN: AT39 2011 1841 4485 6600, BIC: GIBAATWWXXX Abonnement 6 Ausgaben; Euro 21,— (aktuell: Euro 9,90) www.thegap.at/abo Heftpreis Euro 0,— Erscheinungsweise 6 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1052 Wien
Daniel Nuderscher
Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz www.thegap.at/impressum
Sandro Nicolussi
Chefredakteur • nicolussi@thegap.at @vorarlwiener
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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber*innen wieder. Für den Inhalt von Inseraten haften ausschließlich die Inserierenden. Für unaufgefordert zugesandtes Bildund Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmi gung der Geschäftsführung.
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Magazin 010
» Ich will alles ausprobieren« Mavi Phoenix hat als Marlon wieder Hunger aufs Leben
016 Ein Vierteljahrhundert The Gap Die Geburtstagsfestwoche mit Culk, Farce, Zinn, Zack Zack Zack, Diagonale-Special und mehr
037 Wissenschaftler*innen als Verbrauchsmaterial Prekariat, UG-Novelle und Berufsverbot
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Christian Sundl, Caroline Bobek, Maša Stanić, Diana Groza-Weber, Andrea Pfeiffer
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026 The Very Best of Greatest Hits Longseller in der Verlagswelt
032 Inklusion oder Aussonderung? Wenn Schule zum Klassensystem wird
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Christian Sundl, Caroline Bobek, Maša Stanić, Diana Groza-Weber, Andrea Pfeiffer
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Thomas Weber Sehr, sehr lange Zeit war Thomas maßgeblich dafür (mit)verantwortlich, was in diesem Magazin zu lesen war. Heute sieht sich der zweifache Vater mit Blick auf The Gap »am ehesten als Lobbyist«. Wie sehr er uns verbunden ist, zeigen seine regelmäßigen Mails mit dem Standardsatz »Was ich gerne lesen würde«. Manchmal kommt uns der Gründer und Herausgeber des Magazins Biorama und Buchautor aber nicht aus, dann muss er selbst was schreiben – dieses Mal etwa über Longseller und die Verlagswelt (ab Seite 26)
Andrea Pfeiffer
005
010
Seit Juni 2020 ist Andrea nun bei The Gap für Administratives zuständig. Wirklich ungern würden wir jemals wieder auf sie verzichten. Die echte Wienerin ist durch die frühere Zusammenarbeit mit dem leider verblichenen Kinomagazin Skip bei unserem Verlag, der Comrades GmbH, gelandet. Sie kümmert sich um Aboverwaltung, Distribution und Allfälliges, wickelt überdies erhebliche Teile des Waves Festivals ab und ist guter Geist des Unternehmens, mit dem man gerne in der Küche quatscht oder auf ein Bier geht.
065 Rubriken 003 Editorial / Impressum 006 Charts 014 Golden Frame 046 Prosa: Jennifer Fasching 048 Gewinnen 049 Rezensionen 054 Termine
Kolumnen
»The Cut« ist The Gaps Antwort auf den »Bravo Starschnitt« unserer Jugend. In dieser und den kommenden Ausgaben liefern wir euch – in vier Teilen – einen Print der Künstlerin Verena Dengler. Einfach entlang der gekennzeichneten Linie ausschneiden und mit einem Klebemittel eurer Wahl zusammenfügen. Verena Dengler studierte Druckgrafik an der Wiener Kunstschule und Bildhauerei an der Akademie der bildenden Künste Wien. In einer waghalsigen Unternehmung drucken wir ein Standbild aus ihrer animierten NFT-Sammelkarte zum virtuellen Groschenroman »Die Galeristin und der schöne Antikapitalist«. Pixelkunst, die im Original als GIF-Unikat erschienen ist.
007 Einteiler: Gabriel Roland 008 Gender Gap: Imoan Kinshasa 062 Screen Lights: Christoph Prenner 066 Sex and the Lugner City: Josef Jöchl
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Charts Chelios TOP 10
Lieder, die unbedingt auf den Tonie müssen 01 Foo Fighters »Wattershed« 02 Tocotronic »Freiburg« 03 Weezer »My Name Is Jonas« 04 Dives »Tomorrow« 05 Nirvana »Breed« 06 Ja, Panik »Marathon« 07 Soundgarden »Spoonman« 08 Josh »Expresso & Tschianti« 09 Pearl Jam »Once« 10 Beastie Boys »Sabotage«
TOP 03
Nervige Sätze, die Kinder von Erwachsenen hören 01 Seid’s jetzt endlich leise! 02 Macht’s jetzt endlich Hausübung! 03 Geht’s jetzt endlich schlafen! Auch nicht schlecht: Coppi Cat »In der Coppistraße«, Anna Mabo »Das Glashaus«, Der Nino aus Wien »Schlagoberskoch Teil 2« Chelios, das sind Hans (8) und Augustin Euler (6). Musikmachen (Debüt-EP »Verletzte Katze«) ist für die zwei Brüder das Selbstverständlichste der Welt.
Charts Anger
25–27 MARCH 2022
85 SOLO PRESENTATIONS SPARK EXPANDED PHOTOGRAPHY THE FOURTH WALL
MARX HALLE
KARL-FARKAS-GASSE 19, 1030 VIENNA
WWW.SPARK-ARTFAIR.COM
Künstler*innen, die mit Nora beim Feiern im Backstage mithalten können 01 DJ Real Madrid (Faber) 02 Henning May (Annenmaykantereit) 03 Jay (Flut, Culk, Anger) 04 Martin (Das Moped) 05 Joshua (Some Sprouts) 06 Clemens (Doppelfinger) 07 Johannes (Culk) 08 Lisa und Medina (Little Element) 09 Peter Paul (Hearts Hearts) 10 Jul (Anger)
TOP 03
Viennese Newcomer-Acts 2022 01 Aze 01 Sophia Blenda 01 Xing Auch nicht schlecht Thun-Vish, Vrapfen und alkoholfreies Bier Anger, das sind Nora Pider und Julian Angerer. Das Paar wäre heuer bei nahe für Österreich zum Eurovision Song Contest gefahren. Schade drum!
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Thomas Pronai, Philipp Oberhuber / Christian Popodi
SAVE THE DATE
TOP 10
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007
betrachtet die hiesige Modeszene Stück für Stück
Einteiler Schachwäsche
Fabian Gasperl
Thomas Pronai, Philipp Oberhuber / Christian Popodi
Gabriel Roland
»Ich kann kein Schach, also spiel’ kein Schach mit mir.« Ob diese legendären Worte dem Rapper GPC wohl auch angesichts des abgebildeten Produkts der Wiener Unterwäschemanufaktur Soda über die Lippen gekommen wären? Eine Modekolumne mag als Ort für Deutsch-RapExegese denkbar ungeeignet sein, die sich hier notwendigerweise aufdrängenden Bilder sind trotzdem ebenso pikant wie vielsagend. Man stellt sich den Offenbacher OG vor, wie er sich einer leicht bekleideten Dame gegenübersieht. Die wenige und noch dazu durchscheinende Spitze an ihrem Körper beschreibt das SchwarzWeiß eines Schachbretts. Den nach einer ohne Umschweife funktionierenden Welt flehenden Stoßseufzer können wir allemal nachvollziehen. Die Welt der Unterwäsche scheint meistens keine einfache zu sein. Dabei ist es schwer zu erklären, dass etwas, das man im Regelfall nicht sieht, so kompliziert sein soll. Und gleichzeitig ist natürlich genau das der Grund dafür. Versteckt – gesucht; verboten – begehrt: so weit, so bekannt. Das Hervorkehren des nach innen Bestimmten ist natürlich ein gut eingeübter Mo-
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dus des Aufbegehrens und über die Effektivität des andeutungsvoll Verborgenen wissen sicherlich die meisten Verführungsratgeber etwas zu sagen. Dass das Zarte aber ein Bündnis mit dem Konstruktiven eingehen kann, ohne Einbußen an Poesie hinnehmen zu müssen, dass das Schöne sich auch erklären kann, ohne unromantisch zu werden, das zeigt uns Soda.
Alltag und Aufregung Das Wiener Sonnwendviertel ist kein Ort, der sich dem Geheimnisvollen, der Schwärmerei oder sogar der Verruchtheit hingibt. Maria Lassnig wiederum, die der Straße, wo Soda ansässig geworden ist, den Namen gibt, mag auf der Suche nach etwas jenseits des Dargestellten Liegenden gewesen sein. Die Werkstatt, in der die Stücke des Labels entstehen, bleibt aber mit beiden Beinen im Hier und Jetzt des 21. Jahrhunderts: hell, nüchtern, verspielt in Details und geradlinig im Großen, mit viel Luft über den Köpfen, geteilt und kollaborativ in der Ausrichtung. Susanna Gangl, die schon mit Eden Garments Lingerie-Erfahrung gesammelt
hat, entwirft, fertigt und vertreibt mit ihrem Team von hier aus Unterwäsche, die den Ausgleich zwischen Alltag und Aufregung sucht. Feines Gewand verkauft man nicht, ohne rundherum Geschichten zu erzählen. Man trägt es auch nicht, ohne das zu tun. Ein Beispiel dafür sind Sodas Fotostrecken, und auch die Produktbeschreibungen auf der Website lesen sich wie halbe Gedichte. In solchen Belangen gilt normalerweise, dass der Zauber nur so lang anhält, wie sein Geheimnis nicht verraten wird. Anders bei Salvia Chess: Hier ist das sonst rätselhafte Zusammenspiel der Schnittteile Schwarz auf Weiß dargelegt. Doch der Zauber – er hält und teilt die bedeckte Haut in Einflusssphären fehlender Figuren. Dabei ist es dann tatsächlich auch egal, ob GPC das Schachspiel beherrscht. Wer behauptet denn überhaupt, dass es hier um ihn ginge? Die Züge macht die Trägerin. roland@thegap.at • @wasichgsehnhab Die Salvia Jazz Panty Chess kann man ebenso wie die anderen Stücke von Soda auf www.sodalingerie.com sehen und bestellen.
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Imoan Kinshasa
beschäftigt sich hier mit den großen und kleinen Fragen zu Feminismus
Frauen werden in vielen Bereichen des täglichen Lebens strukturell und systematisch benachteiligt. Am bekanntesten ist wohl der Gender-Pay-Gap. Weniger geläufig ist der Fakt, dass Frauen beim Sex mit Männern kaum bis gar nicht zum Höhepunkt kommen. Diese traurige Tatsache nennt sich Orgasm-Gap. ———— Forscher*innen fanden 2017 bei einer Befragung heraus, dass ein signifikanter Teil der befragten Frauen angab, nie oder selten beim Sex mit Männern einen Orgasmus zu haben. So gaben in dieser Studie 96 Prozent der heterosexuellen Männer an, meist zum Orgasmus zu kommen. In der Gruppe heterosexueller Frauen taten dies nur 65 Prozent. Diese Daten beziehen sich auf den »Standard«-Akt: penetrativer Geschlechtsverkehr durch Penis in Vagina, kurz auch PIV genannt. Zum Vergleich: 86 Prozent der befragten lesbischen Frauen sagen, sie kommen zum Höhepunkt. Das mag daran liegen, dass hier die Klitorisstimulation statt der Penetration im Vordergrund steht. Meine eigenen Erfahrungen passen in diese Datenlage. Viele Jahre hat sich Sex für mich wie eine Verpflichtung angefühlt; etwas, das man einem Mann gibt, um ihm zu zeigen, dass man ihn mag. Dazu gehört auch, einen Orgasmus vorzutäuschen. Selbst wenn ich selbst damit leben kann, nicht zu kommen – manche männlichen Egos tun sich schwer damit, »nicht erfolgreich« gewesen zu sein. Der Fokus lag auf dem Mann: Der sexuelle Akt war vorbei, sobald er ejakuliert hatte. Meine Erfahrungen beim Sex mit Frauen waren dagegen durchwegs positiv und reich an Orgasmen. Irgendwann Anfang 20 hat es dann aber klick gemacht, und ich fing an diese Art von Aufmerksamkeit und Orgasmen von meinen männlichen Geschlechtspartnern einzufordern. Ich begann Sex als Teamwork zu verstehen, nicht als etwas, das ich einem Partner gebe. Mittlerweile gibt es keine Penetration für ihn, bevor ich nicht gekommen bin. Boundaries.
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Als Begründung dafür, dass Frauen seltener ihre eigene Befriedigung durchsetzen, wird unter anderem die Sozialisation gesehen. Denn bis heute wird Frauen die eigene Sexualität abgesprochen. Es gehört sich angeblich nicht für eine junge Dame, auch Spaß beim Sex haben zu wollen. Männer haben derweil seltener Probleme damit, einer Frau ihren Penis ins Gesicht zu halten und nach einem Blowjob zu fragen, ihn sogar einzufordern.
95 %
65 %
Das Erleben regelmäßiger Orgasmen beim penetrativen Geschlechtsverkehr unterscheidet sich bei heterosexuellen Männern (95 Prozent) und heterosexuellen Frauen (65 Prozent) stark, wie eine Studie 2017 ermittelte.
Natürlich sind in diesem Zusammenhang auch Pornos zu erwähnen. Rein, raus, rein, raus, die Darstellerin schreit, es spritzt, es knallt und das alles nach gefühlten zwei Minuten. Leider scheinen viele Menschen nach wie vor ihre Sexualerziehung von Pornografieplattformen zu beziehen. Sexualität wird dort absolut verfälscht präsentiert, denn am Ende sind die Menschen dort nur Darsteller*innen, die eine Rolle spielen, die sich verkaufen lässt. Auch sexistische Biases in wissenschaftlichen Disziplinen haben ihren Beitrag geleistet.
Die weiblichen Geschlechtsorgane wurden in der Vergangenheit oft nicht näher beschrieben. Zusammenfassend wird alles als Vagina deklariert und bezeichnet. Vor allem die Klitoris wird entweder vollkommen ignoriert oder drangsaliert. Der kleine Fleischknopf kann die weibliche Lust regelrecht aktivieren. Nach einem klitoralen Orgasmus kann ich vaginale Penetration erst richtig und ausgiebig genießen, sogar zu einem echten, nicht dramaturgisch inszenierten vaginalen Orgasmus kommen. Die klitorale Stimulation – mit dem Mund oder den Händen – ist für viele Frauen der einzige Weg, zum Höhepunkt zu kommen. Dafür braucht Mann allerdings Fingerspitzengefühl. Oft scheiterte es bei mir nicht einmal daran, dass meine Partner nicht zumindest versucht hätten dem nachzukommen. Mann kann zu grob sein, abrutschen und die linke Schamlippe mit der Klitoris verwechseln oder den Rhythmus nicht finden. Was gefällt, hängt von der Person ab, die an der Klitoris dranhängt. Zu kommunizieren und Fragen zu stellen ist absolut erwünscht und notwendig für maximale Lust. Es ist immer empfehlenswert vor dem ersten Mal mit einer neuen Person über Turnons bzw. -offs sowie Konsent zu sprechen. Das kann das Vertrauen stärken und Stress abbauen. Jede Person ist anders, hat unterschiedliche Präferenzen. Abschließend kann ich Männern nur raten, sich Mühe zu geben zu gefallen. Frauen freuen sich auch über frisch geduschte, gut angezogene Männer mit gepflegten Fingernägeln und Händen. Befasst euch mit dem weiblichen Körper: Lest, stellt Fragen, informiert euch zum Beispiel über rituelle YoniMassagen. Sex sollte keine Performance sein, sondern etwas, das man bewusst gemeinsam erlebt, wodurch man wachsen und Verbindung zueinander finden kann. Erlaubt ist alles, was beiden Spaß macht. kinshasa@thegap.at @imoankinshasaa
Roman Strazanec
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Gender Gap Orgasm-Gap: Kommst du auch?
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Roman Strazanec
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Maša Stanić
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»Ich will alles ausprobieren« Mavi Phoenix hat als Marlon wieder Hunger aufs Leben Mavi Phoenix veröffentlicht sein zweites Album. »Marlon« ist ein Bekenntnis zu seinem neuen Namen, zu sich selbst. Aber vor allem zu seiner Transidentität. ———— »Zwei Grad zeigt die Wetter-App, der Wind pfeift über die Friedensbrücke. Unten fließt der Donaukanal. Daneben die Promenade: verwaist. Keine Dosenbiergruppen mit zu viel Tagesfreizeit; keine Machomenschen, die ihre Muckis flexen. Nicht einmal die Enten haben heute Bock aufs Paradies. Es gibt keinen Grund, hier zu sein – außer Marlon. Der Sänger, der als Mavi Phoenix bereits zwei Amadeus Awards abgeräumt hat, steht vor dem Würstelstand bei der U-Bahn-Station und grinst. »Hey, wie geht’s?« – »Ganz gut.« – »Na dann.« – Hätten wir für unseren Talk-Walk nicht diesen Treffpunkt ausgemacht, ich hätte ihn als ganz normalen Typen nicht einmal wahrgenommen. »Your boy made it out his flat«, schreibt Marlon in einem seiner letzten InstagramPostings. Da stand er noch am Meer, über ihm blauer Himmel, beim Dreh für sein neues Video auf Ibiza. Einen Realitätscheck später frieren wir in einer grauen Stadt. Wien hat ihn wieder. Wenn auch nur für kurze Zeit. Der Künstler hat viel zu tun. Am 25. Februar 2022 erscheint sein zweites Album: »Marlon« wird es heißen, mit seinem Gesicht auf dem Cover. Es ist ein Bekenntnis zu seinem Namen, zu sich selbst. Aber vor allem zu seiner Transidentität. »Es soll auch der Letzte checken, dass ich das jetzt bin«, sagt der Künstler und meint weiter: »Für mich war der Name
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ein Ausweg aus meinem damaligen Leben. Ich konnte endlich Marlon werden – das ist mein Name, das passt voll!« Rückblende ins Jahr 2019. Damals hat sich Mavi Phoenix als Transgender geoutet. Sein biologisches Geschlecht stimmte nicht mit seinem sozialen überein. Er wurde als Frau geboren, identifiziert sich aber als Mann. Es folgte eine Zeit der Selbstfindung, wie Mavi damals meinte. Denn: Aus Marlene wurde Marlon – wer regelmäßig FM4 aufdreht, auf
»Meine Zweitgeburt fand nach der Top Surgery statt.« Insta rumscrollt oder das Standard-ProbeAbo aus dem Briefkasten fischt, hat das mitbekommen. »Boys Toys«, das Debütalbum aus 2020, war schließlich sein öffentliches Coming-out. Marlon begann eine TestosteronTherapie und begleitete seine Transition in den sozialen Medien. »Mein Außenbild hatte nichts mehr mit meinem Innenleben zu tun. Deshalb musste ich mich öffentlich outen, um weiterhin Musik machen zu können.« Vor fünf Monaten veröffentlichte der Künstler ein Video, in dem er zu Beginn als
Frau in die Kamera blickt und am Ende als Mann lächelt. Über ein Jahr hat er seine Veränderung aufgezeichnet. »Als ich mit Testosteron angefangen habe, war ich echt schlecht drauf, weil ich dachte, dass es ewig dauern würde«, sagt Marlon, als wir an den leeren Bänken der Summerstage vorbeispazieren. »Dabei geht es ziemlich schnell, bis man erste Veränderungen wahrnimmt.« Das Gesicht verändert sich. Die Züge werden maskuliner, über den Lippen sprießen einzelne Bartstoppeln. Das ist auch den 20.000 Leuten aufgefallen, die sein Testo-Video bisher geklickt haben. Die meisten freuen sich, viele posten Herz-Emojis. Schließlich zeigen die drei Minuten nicht nur die sichtbaren Veränderungen – Marlon geht inzwischen als cuter Indie-Boy mit Oberlippenfläumchen durch –, sondern auch die hörbaren. Seine Stimme ist tiefer geworden. Statt »Aventura« heißt es nun Stimmbruch. Die alten Songs werden sich nicht mehr so ausgehen wie früher, sagt Marlon. Dabei könne er sich ohnehin nicht mehr vorstellen, dass er früher anders war. »Wenn ich Fotos von der alten Mavi sehe, check ich natürlich, dass ich das bin. Aber es ist so crazy!« Marlon lacht, als er diese Sätze ausspricht – als könne er es selbst noch nicht ganz realisieren, dass er es geschafft hat; dass er endlich so sein kann, wie er es will, wie er sich fühlt. Die Geschichte von Marlon – »meine Mama fand den Namen zuerst furchtbar« – lässt sich nicht erzählen, ohne die Vergangenheit von Mavi Phoenix nachzuzeichnen.
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Mavi Phoenix erlebt gerade eine zweite Pubertät als Marlon.
Nicht nur der Weg, den er gehen musste, damit ihn andere als männlich lesen, sondern auch der Prozess seiner Identitätsfindung als Transmann bedeutet für Marlon, den Künstler, eine neue Karriere zu beginnen. Denn die Mavi Phoenix, die noch vor ein paar Jahren auf den internationalen Festivalbühnen stand oder sich bei Fashion-Shootings für Desigual ablichten ließ, gibt es nicht mehr. »Die Transition war das Ende ihrer Karriere«, sagt Marlon, »ihr Ende war wichtig, damit ich als Künstler weitermachen kann.«
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Zuversicht und Trauer Marlon hat sein biologisches Geschlecht hinter sich gelassen. Er ist von der Künstlerin zum Künstler geworden. Manche transsexuellen Personen sprechen im Kontext ihrer Transition sogar von einer Zweitgeburt. Sie meinen damit den Moment, in dem Körper und Identität sich nicht wie Fremdkörper abstoßen, sondern eins werden. »Für mich fand diese Zweitgeburt nach meiner Top Surgery statt«, so Marlon. Es handelt sich dabei um eine sogenannte subkutane Mastektomie. Dabei wird die weibliche Brust in einer Operation entfernt. »Der Prozess ist hart, weil man ja in einen unversehrten Körper eingreift. Da habe ich mir schon gedacht, es ist echt scheiße, dass man trans ist.« Diesen Gedanken zu haben und ihn zuzulassen, sei aber vollkommen okay. Auch weil man ein paar Tage nach der OP merke, wie viel besser es einem gehe – »nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich«.
»Ich wollte mir einreden, dass mein Leben besser werden würde.« Was es heißt, diesen Schritt zu machen, habe sich Marlon natürlich vor seiner Transition gefragt. »Ich bin aber fearless in die Sache reingegangen. Schließlich wusste ich, dass es für mich nicht anders gehen wird.« Marlon hatte eine genaue Vorstellung von seiner Identität, bevor sie seinen Körper matchte. Als er das erste Mal nach seiner Transition im Studio gestanden sei und mit seiner tiefen Stimme herumprobieren konnte, habe er trotzdem ein Erweckungserlebnis erfahren. Zu der Zeit entstand »Tokyo Drift« – ein Song, zu dem man am liebsten im Cabrio über die Höhenstra-
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Mavi Phoenix »Marlon« (LLT Records) VÖ: 25. Februar
Maša Stanić, Tereza Mundilova
Unsensible Reaktionen Man merkt Marlon an, dass er als 26-jähriger Künstler gerne eine männliche Jugend gelebt hätte. Gleichzeitig weiß er, dass er die biologische Uhr nicht zurückdrehen kann. »Manche Entwicklungen als Mann habe ich nie erlebt, das ist so«, sagt er und seine Stimme bricht ein wenig stärker als sonst. »Manchmal frage ich mich deshalb schon: Wieso bin ich nicht einfach als Bub auf die Welt gekommen?« In dem Moment wandert sein Blick zur Seite. Marlon fixiert einen unsichtbaren Punkt in der Ferne, als wolle er die kurze Stille festmachen. Dann meint er: »Aber so ist das Leben, es ist nicht immer geil«, und grinst. Dass es »nicht immer geil« für ihn ist, mit anderen Leuten über sein Leben als Transmann zu sprechen, auf intime Körperlichkeiten angesprochen und daran als Künstler gemessen zu werden, ist verständlich. Dass es trotzdem vorkommt, zu erwarten. Mittlerweile nehme er es sich in Gesprächen heraus, nicht darauf einzugehen, wenn er das Gefühl habe, dass sein Gegenüber kein Verständnis zeige, so Marlon. Teilweise kämen nämlich Fragen, die gar nicht gingen. »Man merkt, wie viele Leute überhaupt keine Berührungspunkte mit dem Thema Transsexualität haben. Die denken sich, ich sei doch gerade noch die Mavi Phoenix gewesen, die sie aus dem einen Video kennen – wie geht es also, dass ich auf einmal …« Marlon schaut mir in die Augen: »Du weißt, was ich mein, oder?« Er sei im Umgang mit Leuten vorsichtiger als früher. »Das ist ein Problem, das bei mir liegt. Schließlich denk ich, dass andere Menschen anders über mich denken. Dadurch trete ich im Gespräch weniger selbstbewusst auf und …« Er bricht den Satz ab, wartet kurz, setzt neu an. Dass er jetzt ein Transmann sei, sich
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Mit »Marlon« in den Frühling »Marlon« ist das erste Album nach der Transition. Und boy, der fescheste Oberlippenbärtchenträger Wiens hat Bock aufs Leben! Die Stimme, zwischen Neujahrsmatinée mit den Sängerknaben, Liam Gallagher auf Nasivin und Ed Sheeran beim Coachella, ist in die Tiefgarage abgebogen. Ein bisserl Auto-Tune bügelt der Ex-YoungProphet-Average-Guy trotzdem drüber. Selbst dann, wenn er wie auf »Leaving« die Klampfe auspackt, um eine Stadionhymne aus den Saiten zu dreschen. Den Pop hat der Mann schließlich nicht verlernt. Seine Ghosting-Erfahrungen auf Tinder haben dazu geführt, dass man die Kaugummi-Breaks noch mehr fühlt. Außerdem scheißt der Hip-Hop auf die 90er und klingt wie bei »Just an Artist« noch immer nach Sunset-Suff auf Ibiza und einer Packung Chupa Chups. Soll heißen: »Marlon« kehrt den Winter aus der Copa Cagrana. Mit der Platte sprießt der Frühling im Prater. Man will Vibes auf der Donau insel gschpian – oder in »Venice Beach«, wo man die Bluetooth-Box mit »Pretty Life« füttert, spätabends zu »Only God« im Neonschimmer träumt. Oder einfach im Gras liegen bleibt, um den ersten Sonnenbrand des Jahres aufzureißen.
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ße cruisen möchte. »The Future? So bright!«, singt Mavi an einer Stelle, und man glaubt, die Sonne hinterm Kahlenberg aufgehen zu sehen. »Ich musste das schreiben«, sagt Marlon heute. »Einfach weil ich es mir einreden wollte, dass mein Leben besser werden würde.« Viele Leute würden nämlich vergessen, dass es nicht damit getan ist, einfach ein paar Hormone zu nehmen. Selbst nach dem operativen Eingriff gehe es nicht automatisch bergauf. Denn: Trans zu sein, sei nichts, das man sich aussuche. »Ich bin es halt«, hat Mavi bei seinem Outing vor zwei Jahren gesagt. »Es gibt deshalb Momente, in denen ich eine Trauer spüre«, sagt Marlon heute. »Dass ich mich diesem Prozess aussetzen musste. Und dass ich manche Situationen nie erleben konnte.«
von der zierlichen Rapperin zu einem Dude mit Gitarre um die Schultern verwandelt hat, hätte vor ein paar Jahren niemand gedacht – »ich inklusive«, wie Marlon zugibt. Allerdings ist seine Transidentität nur ein Bestandteil des Künstlers Mavi Phoenix, nicht seine alleinige Existenzgrundlage. Ihn darauf zu reduzieren, würde nicht nur zeigen, wie wenig man sich mit seiner Kunst auseinandergesetzt hat, sondern auch eine Art von Übergriff darstellen.
Mehr als Identität »Fuck you«, sei deshalb die einzige Antwort all jenen gegenüber, die sich keine Mühe geben, ihn und seine Entscheidungen zu verstehen. »Das muss man sich einfach denken, weil es gut für sein eigenes Wohlergehen ist. Außerdem hab’ ich mir fest vorgenommen, bewusst zu entscheiden, ob man die Energie hat, sich mit so einer Person zu beschäftigen oder nicht.« Die Existenz als Transperson sei für ihn nicht Thema eines Debattierklubs. Nicht alle müssen eine Meinung zu seiner Identität haben. »Ich setz damit ja kein Statement«, sagt Marlon und landet eine Punchline, die er sich selbst aufgelegt hat: »Es wird von anderen zum Statement gemacht.« Darin schwingt mit, was Marlon kein einziges Mal ausspricht: Die Leute sollen einfach die Musik hören. Egal ob sie von einer Frau, einem Mann oder einer nicht binären Person kommt. Die Songs sprechen ohnehin für sich. Sie sind
sein Tagebuch. »Was ich schreibe, ist das, was ich erlebe und durchmache.« Es geht um Liebe, Beziehungen, Dating – für ihn als Mann alles neue Erfahrungen. Eine »humbling experience« sei das, so Marlon. »Auf Tinder wird man gleich mal geghostet, das ist schon anders als früher! Ich bin einige Male verletzt worden, das merkt man manchen Songs an. Trotzdem war das Dating als Mann eine coole Erfahrung.« Mavi Phoenix erlebt aktuell eine zweite Pubertät – »und die ist noch nicht zu Ende«. Das neue Album werde das Fundament für das bilden, was zukünftig von ihm zu erwarten sei. Eine Mischung aus Tradition und Moderne, aus Nullerjahre-Indie-Flashbacks, für die man sich auf die Tanzfläche des B72 zurückwünscht, und dem Tagada-Hip-Hop, mit dem Mavi Phoenix bisher die FM4-Charts crashen konnte. »Ich wollte mit der Platte zeigen, dass ich ein ernstzunehmender Musiker bin. Wenn alle glauben, dass ich als Marlon nur der normale Kumpeltyp bin, taugt mir das nicht.« Marlon mit einem Zwinkern: »Ich bin nämlich voll der Künstler.« Christoph Benkeser
»Marlon«, das neue Album von Mavi Phoenix, erscheint am 25. Februar bei LLT Records. Aktuelle Österreich-Termine: 14. April, Wien, Arena — 27. April, Salzburg, Rockhouse — 28. April, Innsbruck, Treibhaus — 29. April, Graz, PPC.
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Noch bis zum 1. Mai zeigt das Belvedere 21 eine Einzelausstellung des Künstlers Ugo Rondinone. Das inflationäre gebrauchte Wort des Immersiven passt hier wirklich, denn man taucht ein in einen Raum der Ruhe, der gleichsam ein Kosmos der Dinge ist – und damit aus einer Kunsterfahrung einen Moment der Achtsamkeit macht. ———— Eine Plastik wie diese von Ugo Rondinone »lebt« von ihrem Realismus. Da ist zum einen die Direktheit, mit der sich jeder Knochen durch die Haut durchdrückt und die Augäpfel hinter den Lidern zu spüren sind oder das Gewicht des Rumpfes, das ihn beugt. Zum anderen ist es die tatsächliche Körperlichkeit der Figur, ihre Dreidimensionalität und Mehransichtigkeit, die faktische Präsenz im Raum. Auch auf der abgebildeten Fotografie erhält sie sich, weil wir der Behauptung, wahrhaftig zu sein, vertrauen und uns an ihr orientieren können. Weiters die Unmittelbarkeit, mit der sich die Arbeiten den Raum mit den Besucher*innen teilen. Sie sind ohne Weichen, ohne Podeste, Sockel oder Absperrungen auf den Steinboden gesetzt und stützen sich an den Säulen der Ausstellungshalle, die auch die Architektur tragen. Am Ende ist es die Übereinstimmung des Materials mit seiner vorgeblichen Materialität: Die Erde ist wirklich Erde, das Licht ist echtes Licht. Wobei, wenn die Wirklichkeit zu nah scheint, wird sie unwirklich. Wir brauchen Abstand zu den Dingen, um sie verstehen zu können. Rondinone gibt uns nicht ein Bild einer Landschaft, sondern die Erde selbst; nicht die Projektion davon, er gibt den Raum, den Körper. Aber er hält die Distanz und verfolgt keinen Naturalismus um jeden Preis, denn so bliebe immer ein Verhältnis von Abhängigkeit. Und schließlich: der Figuren Geist. Zart, trotzdem kraftvoll, sind die niedergeschlagenen Augen und Posen der Meditation Projektionsfläche für ein Gefühl der Ruhe und der Einkehr – oder auch des Schmerzes und der Schwäche, je nach Interpret*in. Wichtig ist, dass hier etwas vermutet wird, was über die Sphäre des Materiellen hinausgeht: Mystik. Das erzählt sich über das Vorhandensein von Körper, Licht und Raum, über die Stoffe selbst viel stärker, als es ein Bild davon könnte. Und so glaubt man, was man zu spüren meint, und wird spirituell: Es gibt noch etwas hinter den Dingen. Hier ist Victor Cos Ortega der Ort, um das zu lernen.
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Ugo Rondinone »Akt in der Landschaft« (Ausstellungsansicht), Foto: Stefan Altenburger, Courtesy Studio Rondinone
Ugo Rondinone »Akt in der Landschaft« Alles echt!
Ugo Rondinone wurde 1964 in Brunnen in der Schweiz geboren und besuchte von 1986 bis 1990 die Hochschule für angewandte Kunst in Wien. Er lebt und arbeitet in New York. Sein Werk unterteilt er in die Kategorien »Day« und »Night«.
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Ein Vierteljahrhundert The Gap
Zusammen zerstreuen Culk sehnen sich nach Bühne Alles neu und doch beim Alten: Beim The Gap Geburtstagsfest erscheinen Culk mit teilweise neuer Besetzung und selten präsentierten Liedern aus dem Repertoire. ———— Fingers crossed! Nachdem die 2017 gegründete Band Culk im Oktober 2020 mit »Zerstreuen über euch« ein Album der Kategorie »critically acclaimed« auf Siluh Records veröffentlichte und damit nicht nur die Feuilletons des Herbsts, sondern auch die bald darauf erscheinenden Jahresbestenlisten besetzte, blieben bisher nur rar gesäte Möglichkeiten, den in der bereits zweiten Pressung aufgelegten Langspieler auf die Bühnen zu bringen. Anders als beim self-titled Debüt aus 2019 entschied sich das Quartett dazu, sich auf dem aktuellen Album gänzlich der deutschen Sprache zu verschreiben – was die poetischen und oft mehrdeutigen Lyrics zumindest vermeintlich greifbarer macht. Culk machen Gefühlsmusik, die an Tanzbarkeit nichts missen lässt. Ein Frühjahrsputz für unser aller verstaubte Konzertseelen. Zwischenzeitlich hat die für den lyrischen Part verantwortliche Culk-Frontperson Sophie Löw unter dem Alias Sophia Blenda auch ein Solodebütalbum namens »Die neue
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Heiterkeit« aufgenommen, das am 19. August erscheinen wird. Das Album habe Löw jedenfalls nicht wegen der Pandemie geschrieben, auch wenn der Titel diese Assoziation nahelegt. Die konzertlose Phase – die Mitglieder von Culk stehen individuell und gemeinsam nicht nur gerne auf der Bühne, sondern auch im Publikum – sei allerdings ein wesentlicher Treiber gewesen. »Es hat mir in dieser Zeit sehr geholfen, mich an etwas festhalten zu können«, so Löw.
Im Proberaum Die Grundessenz dieses Soloprojekts und die damit einhergehende Themensetzung zwischen Verletzlichkeit, Melancholie und kämpferischer Entschlossenheit zieht sich auch durch das Schaffen der Band: Mal reduzierte, mal sehr schwere Instrumentalparts von Johannes Blindhofer an der Gitarre und Christoph Kuhn am Schlagzeug und ein marschierender Bassrhythmus von Benjamin Steiger umgarnen dabei die poetischen Lyrics, die die Sängerin mit heller Stimme voller Melancholie wiedergibt – scheinbare Widersprüche, die Culk im Schweben langer Hallfahnen in Luft auflösen. Der inhaltliche
Mittelfinger ans Patriarchat steht bei Culk gerne auch mal ziemlich aufrecht. Im Video zu »Dichterin« richtet der mit Gaffa-Tape beklebte Rücken Löws ein herzliches »F*ck generisches Maskulinum« aus. Mit den Schlagworten, die zur Beschreibung ihrer Musik herangezogen werden, könne sich die Band jedenfalls gut identifizieren: Indie, Postpunk, Shoegaze – aber was sind schon Genres? Derzeit findet sich die Band wieder regelmäßig zum Schreiben im Proberaum ein. Ein neues Album, das dieses Jahr noch rauskommen soll, ist in der Mache. Einzige Adaption: Der bisherige Bassist Benjamin Steiger wird sich zukünftig von Live-Auftritten mit Culk zurückzuziehen. Ersetzen wird ihn ein abwechselnder Zweispänner aus Romy von Pauls Jets und Jakob von Flut. Am Telefon zeigt sich Löw bereits vorfreudig auf die Bühne und die neuen Eindrücke, die das Line-up zu 25 Jahre The Gap liefert: »Von Zack Zack Zack habe ich bisher nichts gehört, das ist willkommener neuer Input.« Sandro Nicolussi
Culk sind im Rahmen der Feierlichkeiten zu Ein Vierteljahrhundert The Gap am Freitag, dem 22. April 2022, im Fluc Wien live zu sehen.
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In fast dieser Besetzung begrüßen wir Culk im Fluc.
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Foto © Thomas Aurin
Ein Vierteljahrhundert The Gap
Pop up the Noise Farce kommt mit neuem Album
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Als einziger Solo-Act des Abends steht Farce mit einem neuen, noch geheimen Langspieler auf der The-Gap-Geburtstagsbühne – und liefert damit doppelten Grund zum ausgelassenen Feiern. ———— Dass sich Noise nicht immer unbedingt mit Lärm übersetzen lässt, zeigt die 2015 aus dem Schwarzwald nach Wien verzogene Veronika J. König mit ihrem Soloprojekt Farce recht deutlich. Seit ihrem auf die Fluxus-Bewegung referenzierenden Debüt-Release »Ich sehe im vorbeifahrenden Auto den Unfall mitvorbeifahren in Zeitlupe und rueckwaerts« aus 2017 wurde Königs Musik zwar etwas poppiger im Sinne der Zugänglichkeit, die stetige Nähe zu ihren Black-Metal-Wurzeln lässt sich aber auch nach dem Weg aus dem Wiener Underground auf internationale Bühnen weiter erahnen. Schon im darauffolgenden Jahr landete sie direkt den österreichischen FestivalHattrick – bestehend aus Popfest, Donaufestival und Hyperreality. Spätestens wenn
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die mehrstimmigen Vocal-Harmonien auf die Raum einnehmenden Basslines ihrer Produktionen treffen, lässt sich die musikalische Wahlheimat, die Farce zwischen Exzentrik und Empathie bezieht, auch spüren. Auch die Gitarre der früheren Band blieb König erhalten – beziehungsweise hatte sie im Verlauf ihrer Performances immer wieder ihre Momente.
Schlafzimmer-Noisepop Farce tanzt also zwischen Shoegaze, NoisePop und der von ihr selbst gewählten Genrebezeichnung Crying at the Discotheque. In ihrem vielseitigen musikalischen Schaffen trifft Melancholie auf Dissonanz, ihre effektbeladene, Ruhe ausstrahlende Stimme und der Upbeat-Charakter der aktuellsten Produktionen haben allerdings stets einen lebensbejahenden Vibe. Farce ist hungrig. Trotz DIY-Attitüde und frei von Labels (im doppelten Wortsinn) bedeuten ihre Auftritte keineswegs hermetischen Rückzug aus der
restlichen Musikszene der Stadt. Die 25-jährige Musikerin hatte in den vergangenen Jahren einige Kooperationen zu verzeichnen – darunter eine Splitsingle mit Clara Luzia und eine Kooperation mit der Æther Kombo rund um Wolfgang Möstl. Letzterer hatte auch beim sich nun in der Pipeline befindlichen Album seine Finger im Spiel. Ja, ein neues Album. Viel ist darüber noch nicht bekannt, wenn König davon spricht, merkt man ihr allerdings die Vorfreude an. Und diese teilen wir. Königs Shows sind gleichermaßen mitreißend und heilsam, wenn sie mit Laptop, Controller und Gitarre aus dem ausgeschlachteten Koffer heraus ihre Seele aufs Parkett kehrt. Also, um es frei nach Farce auszudrücken: (If you see them around) come! Sandro Nicolussi
Farce ist im Rahmen der Feierlichkeiten zu Ein Vierteljahrhundert The Gap am Freitag, dem 22. April 2022, im Fluc Wien live zu sehen.
Apollonia Theresa Bitzan
Veronika J. König aka Farce bringt ein neues Album auf die The-Gap-Geburtstagsbühne.
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Foto © Marcel Urlaub
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Ein Vierteljahrhundert The Gap
Eine Muse namens Donna Zinn sehen Licht am Horizont Existenzialismus, Politisches und Schwermut auf spröde Gitarren gebettet – so lässt sich das 2021 erschienene Debütalbum von Zinn zusammenfassen. Mit dem Wort »großartig« ginge es auch. Was kann da noch kommen? ———— Die vergangenen beiden Jahre, in denen die Welt ganz im Bann dieser unsäglichen Pandemie gestanden ist, haben auch bei Zinn Spuren hinterlassen: »Meine Kreativität ist total eingebrochen«, erzählt Margarete Wagenhofer (Gesang, Gitarre), aus deren noch englischsprachigem Soloprojekt Small Night Searching die Band Ende 2018 hervorgegangen ist. »Ich hab gemerkt, ich hab nix mehr zu geben. Keine Inspiration, jeder Tag ist irgendwie gleich – und ›Lethargie‹ haben wir ja schon gemacht«, ergänzt sie mit einem Schmunzeln. Der Song, den Wagenhofer anspricht, hat sich – mit Trompete ausgestattet und durchaus tanzbar – zum Soundtrack der CoronaDauerträgheit entwickelt: »Oh, Lethargie, was soll i nur mit dir mochn?« Die Einschränkungen und Unsicherheiten dieser Zeit haben Zinn nicht nur als große psychische Belastung erlebt, sie haben dem Trio – vervollständigt wird es von Jasmin Strauss am Bass und Lilian Kaufmann am Schlagzeug – auch die
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Möglichkeit genommen, die Veröffentlichung ihres Debütalbums standesgemäß zu feiern. Mit einem angemessenen Release-Konzert, bei dem alle Mitwirkenden dabei sind, und mit Resonanz vom Publikum, damit Songs wie »Lethargie« oder die gleichermaßen großartigen »Diogenes« und »Black Lake« nicht »einfach so im Raum verschwinden«, wie es die Band umschreibt.
Schon noch melancholisch Nach ein wenig Konzertnormalität letzten Sommer ist es nun endgültig an der Zeit, guten Mutes in die Zukunft zu blicken: »Es ist endemisches Licht am Horizont zu sehen«, meint Wagenhofer. Dazu passt, dass Zinn im März neue Lieder aufnehmen werden. Sie sollen etwas punkiger sein als jene ihres Debütalbums, jedoch kein Stilbruch (die Selbstbeschreibung pendelt zwischen apocalyptic weird-folk und lo-fi krachpop). »Die Grundstimmung ist positiver, aber schon noch sehr melancholisch«, erläutert Lilian Kaufmann. Während Wagenhofer eine wesentliche Inspiration ins Spiel bringt: »Wir sind gerade sehr von Donna Haraway beeinflusst. Sie weist uns in eine gute Richtung, ist unsere Muse und Göttin.«
Die US-Amerikanerin gilt als feministische Vordenkerin und radikale Wissenschaftsphilosophin, die sich mit den Verwerfungen des Anthropozäns beschäftigt und dabei – durchaus ermutigend – ein artenübergreifendes Sorgetragen als Zukunftsmodell sieht, in dem der Mensch sich nicht als Krone der Schöpfung versteht. Kein Wunder, dass die Band hier Anknüpfungspunkte findet. Kaufmann: »Wir haben alle drei ein Auge für Ungerechtigkeiten und Missstände. Feminismus ist natürlich ein wichtiges Thema für uns, wie auch Kapitalismuskritik oder Umweltschutz – das hängt eh alles zusammen.« Bei Zinn werde viel über diese Dinge diskutiert, sagt die Musikerin. Sogar im Interview, wenn sich die Bandmitglieder Leseempfehlungen und Denkansätze wie Bälle zuwerfen. Dabei fallen googelnswerte Begriffe à la Ökofeminismus oder petro-masculinity – und auch ein Satz, dem man nur zustimmen kann: »Darüber müssen wir einen Song Manuel Fronhofer schreiben.«
Zinn sind im Rahmen der Feierlichkeiten zu Ein Vierteljahrhundert The Gap am Freitag, dem 22. April 2022, im Fluc Wien live zu sehen.
Christian Sundl
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Feminismus, Kapitalismuskritik, Umweltschutz – Zinn können ein Lied davon singen.
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stirb patriarchat, stirb! mit bissigen mündern und dunkler materie fallen wir über euch her legen sterne in die sprache und waschen die gehirne unserer/eurer unserer/eurer kinder quid pro quo quid pro quo oben sitzend herabschauend reiten wir mit ZINNgeschrei durch die nacht zu scheiterhaufen kichern, kichern dabei quid pro quo quid pro quo aus der dunkelheit krachen wir ins licht vulva ins gesicht vulva ins gesicht pfefferspray oder messer was gefällt dir denn besser? vom bedürfnis der überlegenheit wirst du für immer befreit wirst du für immer befreit und jeder mord an unserem geschlecht wird tausendfach gerächt wird tausendfach gerächt im duft der lindenblüten wenn der morgen graut liegst du am asphalt und niemand wird um dich weinen ni una menos!
Beeindruckende Soli-Aktion: Den Erlös aus dem Verkauf ihrer »Alpenhölle«Pullis (»Heimat bist du toter Töchter«), immerhin 13.762 Euro, spendeten Alessia Celentano, Natalie Ananda Assmann und Katharina Blum aka Wiener Unart an den Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser.
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Das Patriarchat bringt uns und unsere Schwestern* um. In Österreich werden signifikant mehr als Frauen* gelesene Personen umgebracht als in den meisten Teilen der EU. Der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser fordert seit Jahren die dringend benötigten 228 Millionen Euro für Gewaltschutz und Prävention. Nur 24,5 Millionen Euro wurden dafür von der Regierung bereitgestellt. Gewalt an Personen, die als weiblich oder non-konform wahrgenommen werden, hat System, hier handelt es sich nicht um Einzelfälle. Und es handelt sich auch nicht, wie es mitunter in den Medien heißt, um Beziehungsdramen. Es ist Mord. Es schockiert nicht nur die Tatsache, dass die vielen Femizide häufig bei den Opfern zu Hause passieren, auch der Umgang damit ist erschreckend respektlos und spielt das zugrundeliegende Problem herunter. Wir müssen es beim Namen nennen: Das Problem heißt Männergewalt. Es heißt Patriarchat. Es heißt Machthierarchie in jedem kleinsten Alltagsberührungspunkt.
Nicht wegschauen Wir müssen aufeinander aufpassen und uns solidarisch zeigen. Nach jedem Femizid, organisiert das Bündnis Claim the Space eine sehr berührende Kundgebung am ehemaligen Karlsplatz in Wien. Wir wollen insbesondere euch Cis-Männer auffordern, einmal vorbeiund nicht immer nur wegzuschauen. Jeden Achten im Monat gibt es ein offenes feministisches Vernetzungstreffen von Claim the Space – FLINTA only. Anmelden unter gegenpatriarchatundkapital@riseup.net. Folgt @niunamenos.austria auf Instagram und anderen Kanälen, um weiter im Bilde zu sein.
31 Femizide allein im Jahr 2021 01 17.01., Aschach an der Steyr, durch den Ehemann im gemeinsamen Wohnhaus 02 17.01., Anger bei Weiz, durch den Ehemann im gemeinsamen Wohnhaus 03 03.02., Wien, durch den Ehemann in der gemeinsamen Wohnung 04 23.03., Wien, durch den Lebensgefährten in der Wohnung der Frau 05 22.03., Salzburg-Schallmoos, durch den ExLebensgefährten in der Wohnung der Frau 06 05.03., Wien, durch den Ex-Partner am Arbeitsplatz der Frau 07 07.04., Graz, durch den Ehemann in der gemeinsamen Wohnung 08 22.04., Neulengbach, durch den Lebens gefährten in der gemeinsamen Wohnung 09 29.04., Wien, durch den Ex-Partner in der Wohnung der Frau 10 05.05., Wien, durch den Ehemann in der gemeinsamen Wohnung 11 06.05., Wals-Siezenheim, durch den Ex-Partner im Haus des Opfers und ihrer Mutter 12 06.05., Wals-Siezenheim, durch den Ex-Partner ihrer Tochter im Haus des Opfers und der Tochter 13 11.05., Vöcklabruck, durch den Ehemann am Parkplatz eines Friedhofs 14 12.05., Wien, durch den Ehemann in der gemeinsamen Wohnung 15 26.06., Wien, vier Verdächtige, Tatort unklar 16 16.07., Wien, Beziehung zu Tatverdächtigem nicht bekannt, in der Wohnung des Verdächtigen 17 21.07., Graz, durch den mutmaßlichen Vater des ungeborenen Kindes des Opfers in ihrer Wohnung 18 28.08., zwischen Fürstenbrunn und Großgmain, durch den Ex-Mann in einem Wald 19 30.08., Maishofen, durch den Ehemann im Haus 20 13.09., Wien, durch den Partner 21 13.09., Wien, durch den Ex-Partner 22 20.10., Deutsch-Brodersdorf, durch den Partner im gemeinsamen Haus 23 26.20., Bürs, durch den Partner im gemein samen Haus 24 08.11., Weerberg, durch den Ehemann in der gemeinsamen Wohnung 25 14.11., Wien, durch den Nachbar im betreuten Wohnen 26 16.11., Villach, durch den Partner 27 19.11., Innsbruck, durch den Ehemann in der gemeinsamen Wohnung 28 21.11., Eibesbrunn, durch den Partner 29 24.11., Innsbruck, durch den Partner in der gemeinsamen Wohnung 30 30.11., Wien, durch den Partner 31 16.12., Hohenems, durch den Partner
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Zu Beginn ein Text, den wir seit letztem Jahr immer auf unseren Konzerten vorlesen. Auf unserem kommenden Album wird er auch als Song zu hören sein.
Zinn
Christian Sundl
Ni una menos! Ein Gastbeitrag von Zinn
Quelle: Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser; Angaben zum Zeitpunkt und zum Ort der Tat sowie zum (mutmaßlichen) Täter
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Ein Vierteljahrhundert The Gap
Musik als Brücke Zack Zack Zack verbinden Düsterer Postpunk und türkische Laute – Zack Zack Zack führen zusammen, was in der Tat zusammengehört. Und sie lassen sich dabei von Rennpferden inspirieren. ———— Am Anfang stand ein Konzert im Rahmen der Diplomausstellung an der Kunstschule Wien im Jahr 2019: verzerrte Gitarren, elektronisches Rauschen, ein träger Beat, darüber Samples von HC Straches die Republik erschütternden Aussagen aus dem Ibiza-Video. Zack Zack Zack waren geboren. »Zum ersten Mal zusammengearbeitet haben wir eigentlich bei einem Filmprojekt«, erzählt Cemgil Demirtas. »Yigit war Tontechniker und ich Regieassistent.« Erst dann kam die Musik – besagtes Konzert und als dessen Nachwirkung eine erste Single namens »Kunst«. Demirtas und sein Bandkollege Yigit Bakkalbasi stammen beide aus der türkischen Stadt Izmir, haben sich aber erst in Wien durch einen gemeinsamen Freund kennengelernt. Sie sitzen am anderen Ende der ZoomLeitung in ihrem neuen Studio im sechsten Wiener Gemeindebezirk. Hinter ihnen eine
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Menge Synthesizer und anderes Gerät. Seit September können sie hier, in ihrer »Synth wave-Cave«, wie die zwei es nennen, Musik produzieren und »laut sein«.
Synthesizer mit Cümbüş Das Feedback auf den Auftritt an der Kunstschule sei damals sehr positiv gewesen, berichtet das Duo. Also beschloss man weiterzumachen – mit neuem Sound: dark, wavig, synthesizerlastig und mit orientalischen Einflüssen. »Unser Land ist eine Art Brücke, deshalb wollten wir auch mit unserer Musik eine Art Brücke herstellen«, erläutert Demirtas. Und Bakkalbasi ergänzt: »Auch in Wien kommen viele Kulturen zusammen, das wollten wir genauso in unserem Projekt haben – Saxophon mit Saz, Synthesizer mit Cümbüş.« Die in der Türkei traditionellen Saiten instrumente fügen sich auf überzeugende Weise in den Synth-Wave-Sound der Band. Man höre etwa »Bütün«, das Zack Zack Zack vor einem Jahr als erstes Highlight in die Welt geschickt haben. Die Texte bewegen sich dabei – je nach Song – zwischen Tür-
kisch, Englisch und Deutsch. Bakkalbasi: »Wir sprechen alle drei Sprachen im Alltag, es ist ganz normal für uns, diese Sprachen zu nützen. Aber natürlich sprechen und denken wir mehr auf Türkisch. In unseren Lyrics kann man das auch merken. Der deutschsprachige Text von ›Galactica‹ ist zum Beispiel grammatikalisch falsch. Wir haben darüber geredet, ob wir das so machen sollen. Aber es ist Kunst – also warum nicht? Es hört sich gut an und macht Sinn.« Apropos »Galactica«: Der Track ist, wie auch »Sekretariat«, ein weiteres Stück aus dem vor Kurzem erschienenen Debütalbum der Band, nach einem Rennpferd benannt. How come? »Pferde sind einfach wunderschön«, erklärt Demirtas mit einem Lachen. »Aber das mit den Rennen, dieser Wettbewerb und das Wetten, das ist eigentlich eine traurige Geschichte.« Manuel Fronhofer
Zack Zack Zack sind im Rahmen der Feier lichkeiten zu Ein Vierteljahrhundert The Gap am Freitag, dem 22. April 2022, im Fluc Wien live zu sehen.
Hana Navratilova
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Zack Zack Zack: »Es hört sich gut an und macht Sinn.«
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Weil wir’s wissen wollen.
Was passiert gerade auf und hinter den Bühnen von Politik, Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft, Sport und Lifest yle? Wir gehen täglich den spannenden Fragen unserer Zeit nach, analysieren, beleuchten Zusammenhänge, bieten ein breites Spektrum an Kommentaren und eine Plattform für Meinungsaustausch. Und für alle unter 27 haben w ir diesen hochwertigen Journalismus in besonders günstige Packages geschnürt:
Hana Navratilova
DiePresse.com/U27
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Ein Vierteljahrhundert The Gap
Ein feines Schwipserl Diagonale-Special »Rausch« Nicht nur The Gap, nein, auch die Diagonale in Graz feiert dieses Jahr 25. Geburtstag. Schon mal zwei gute Gründe für eine Zusammenarbeit. Der dritte: Das historische Special des Filmfestivals ist heuer dem Thema »Rausch« gewidmet. Gemeinsam werden wir dieses daher von Graz nach Wien verlängern. Prost! ———— »Euphorie und Weltverdruss. Kater und Katharsis. Dem österreichischen Film – vielleicht Österreich per se – ist ein Hang zum Rausch nicht abzusprechen. Als vielgestaltiges Leinwandsujet suggeriert er dabei vieles: Leichtigkeit, Wunsch nach Emanzipation, Taumel, Verdrängung, Besinnungslosigkeit, Blödheit, Entstellung, Zerstörung, …« Die Bandbreite, die der Begleittext zum historischen Special der Diagonale 2022 dem Rausch als zentralem Topos des österreichischen Kinos attestiert, spiegelt sich auch im Kurzfilmprogramm wider, zu dem wir im Rahmen unserer Geburtstagsfeierlichkeiten gemeinsam mit dem Festival des österreichischen Films ins Metro Kinokulturhaus laden.
Bis zum Erbrechen Zu sehen sind vier Filme, die jeweils ihren eigenen Zugang zum Thema finden. Da wäre etwa das »Rauschlied« aus der Operette »Künstlerblut« (1906), in dem Alexander Girardi singt: »So ein Schwipserl, so ein
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kleines, so ein Schwipserl, so ein feines, es erquickt uns, es entrückt uns der faden Wirklichkeit …« Oder der Zehnminüter »Rauchen und Saufen« (1997) von Albert Sackl, für den sich der Filmemacher im Zeitraffer dabei gefilmt hat, wie er viereinhalb Stunden lang Tschick und Wein »bis zum Erbrechen« konsumiert. Inklusive benommenes Resümee in Echtzeit. In Florian Pochlatkos »Erdbeerland« (2012) wiederum suchen Teenager im Rausch eine Möglichkeit aus der Enge und Langeweile der Provinz auszubrechen. Und
»LOLOLOL« von Kurdwin Ayub (2020), die mit »Sonne« den Eröffnungsfilm der heurigen Diagonale stellt, begleitet die 23-jährige Kunststudentin Anthea Schranz durch Wien – zwischen Sinnsuche und Stress, Coolness und Exzess. Manuel Fronhofer
Das einschlägige Kurzfilmprogramm zum Thema »Rausch« – in Kooperation mit der Diagonale und dem Filmarchiv Austria – ist am Mittwoch, dem 20. April 2022, um 20 Uhr im Metro Kinokulturhaus in Wien zu sehen. Tickets unter www.filmarchiv.at.
Kein Rausch ohne Kater: »Erdbeerland« von Florian Pochlatko begleitet Jugendliche beim Coming-of-Age.
Caroline Bobek, sixpackfilm, Friedhöfe Wien, Mumok / Georg Petermichl
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Durch die Nacht mit der Kunststudentin Anthea Schranz: »LOLOLOL« von Kurdwin Ayub
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Caroline Bobek, sixpackfilm, Friedhöfe Wien, Mumok / Georg Petermichl
Flüssiger Schall im mumok
Auch wenn uns anlässlich unseres Jubiläums vor allem zum Feiern zumute ist, steht doch fest: Irgendwann sterben wir alle – damit muss man leben. Und nirgends lässt es sich trefflicher über diesen Umstand sinnieren als bei einem Spaziergang durch den Wiener Zentralfriedhof. Nicht nur deshalb wollen wir 25 unserer Leser*innen genau dorthin zu einer speziellen Führung zu den außergewöhnlichsten Ehrengräbern einladen. Unter anderem mit Stationen bei den letzten Ruhestätten von: Manfred Deix, Margarete Schütte Lihotzky, Hans Moser, Hedy Lamarr, Franz West, Ernst Jandl, Barbara Manuel Fronhofer Prammer und Udo Jürgens.
Der markante dunkelgraue Block inmitten des Wiener MQ beherbergt mit dem mumok eines der europaweit größten Museen für moderne Kunst. Aktuell widmet sich das Haus Wolfgang Tillmans, der mit seinen Fotos von der Jugend- und Clubkultur der 90er-Jahre internationale Bekanntheit erlangte. »Schall ist flüssig«, so der Titel der sehenswerten Schau, zeigt das vielfältige Schaffen des deutschen Künstlers – von den angesprochenen frühen Fotografien über Aufnahmen der von Globalisierung und Digitalisierung geprägten Jetztzeit bis hin zu Musik- und Videoarbeiten. Im Rahmen unserer 25-Jahr-Festwoche laden wir zu einer Leser*innenführung ins mumok. Jana Wachtmann
Die Führung findet am Sonntag, dem 24. April 2022, von 11 bis 13 Uhr statt. Die Tickets dafür werden unter www.thegap.at/25 verlost. Weitere Infos zum Führungsprogramm der Friedhöfe Wien GmbH unter www.friedhoefewien.at.
Die Führung durch »Schall ist flüssig« findet am Sonntag, dem 24. April 2022, dem letzten Tag der Ausstellung, statt. Beginn: 15 Uhr. Die Tickets dafür werden verlost. Infos unter www.thegap.at/25 und www.mumok.at/de/thegap25.
Ein Vierteljahrhundert The Gap
Auf zum Zentralfriedhof!
27/06/22 Mo, 19.30 Uhr · Großer Saal
Ólafur Arnalds Klavier, Electronics
& Band »some kind of peace Live 2022« © Anna Maggy
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The Very Best of Greatest Hits Longseller in der Verlagswelt Bücher, die sich über mehrere Saisonen gut verkaufen, ermöglichen es Verlagen, auch Lyrik querzufinanzieren oder junge Autor*innen aufzubauen. The Gap bat österreichische Buchverlage, für sie wichtige Longseller zu nennen – sowie erst durch deren Erfolg ermöglichte Publikationen. Die Auswahl erzählt Geschichten von Glück und Kalkül, literarischen Trüffelschweinen und der »hohen Kunst des Verlegens«. ———— Über Zahlen redet man nicht so gern im Verlagswesen. Im Mittelpunkt stünden doch die Bücher, heißt es; der literarische Anspruch, der Schöngeist. Das mag stimmen, ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Denn aus Sicht eines Buchverlags bedeutet jede neue Veröffentlichung nicht nur den Glauben an ein Buch und dessen Schöpfer*in, sondern auch ein unternehmerisches Risiko. Neben Förderungen ermöglichen auch Longseller, die sich über mehrere Saisonen, manchmal sogar über Jahrzehnte verkaufen, literarische Debüts, Übersetzungen oder Wagnisse. Denn dass sich ein Titel in der Masse an Neuerscheinungen durchsetzt, hat selten einmal allein mit dessen Qualität zu tun. Ohne Kalkül, harte Arbeit und letztlich auch Glück geht nichts. Ein Longseller ist so gesehen ein besonders rarer Glücksfall. Und mit einem Titel als kanonisierter Klassiker auf Schulleselisten zu landen – wie der Haymon Verlag mit seiner Taschenbuchausgabe von Michael Köhlmeiers Erzählung »Sunrise« –, ist ein Jackpot. Das gelingt nur den allerwenigsten der 69.180 Buchneuheiten, die es beispielsweise 2020 laut Börsenverein des Deutschen Buchhandels gab. Zudem ist die Branche seit vielen Jahren im Umbruch. Einer riesigen Zahl an Neuerscheinungen stehen relativ sinkende Umsätze gegenüber. Vor allem sogenannte Publikumsverlage gehen deshalb auf Nummer sicher. »Quersubventionierung ist in Konzernverlagen brüchig geworden, potenziell soll sich jedes Buch tragen und Gewinn abwerfen. Man setzt auf das
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riskante Geschäft mit Bestsellern«, erklärte die Literatursoziologin Carolin Amlinger dem Standard. Dabei wäre »die Pflege der Backlist und deren Aufbau an sich das Wichtigste und die hohe Kunst des Verlegens«, meint Benedikt Föger vom Wiener Czernin Verlag, der u. a. die Bücher von Renate Welsh verlegt, allesamt Longseller. Einerseits geht es um das Kultivieren eines Profils, also um Fragen wie: Wofür steht ein Verlag? Was wird veröffentlicht, was wiederaufgelegt? Welche Autor*innen baut man langfristig auf? Andererseits geht es, natürlich, auch ums Geld. »Wüsste man vorher schon, welche Titel erfolgreich sind, würden vermutlich weniger produziert werden und Neuentdeckungen unter Umständen deutlich erschwert«, meint Bernhard Borovansky, Verleger des Braumüller Verlags. Best- und Longseller hat er einige im Programm.
Kleine Trüffelschweine Seit einiger Zeit bemüht man sich bei Braumüller auch um Literatur. »In der Literatur agieren die kleinen Independent-Verlage oft als Trüffelschweine. Zum Teil erhalten die dann erfolgreichen Autorinnen und Autoren Angebote von größeren Verlagen, die in einigen Fällen auch angenommen werden«, bedauert Borovansky. »So fallen die literarischen Bestseller in den kleineren Verlagen als Querfinanzierer unter Umständen auch weg.« Auf die Anfrage, aus dem eigenen Programm einerseits einen repräsentativen Longseller zu nennen und andererseits eine erst durch dessen Erfolg ermöglichte Publikation, winkt Borovansky ab. Einen konkreten einzelnen Titel möchte er nicht hervorheben. Andere Verlage, etwa Zsolnay, sagen mit der Begründung ab, dass man generell keine Zahlen kommuniziere. Was die eingelangten Beispiele aber zeigen: Auffällig oft finanzieren erfolgreiche Sachbücher literarische Debüts oder Neuauflagen zu Unrecht vergesseThomas Weber ner Prosa.
Was ist ein Bestseller? Rein in Zahlen gemessen gibt es keine feste Definition, welches Buch ein Bestseller ist. »Ein Bestseller ist ein Titel, der in einem bestimmten Zeitraum im Vergleich zu anderen Titeln am häufigsten verkauft wird«, erläutert Thomas Koch, Pressesprecher beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels.
Was ist ein Longseller? »Ein Longseller ist ein Titel, der sich über einen längeren Zeitraum gut verkauft«, sagt Branchensprecher Thomas Koch. »Die beiden Termini schließen sich aber nicht aus, ein Bestseller kann auch ein Longseller sein.«
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Longseller: »Sämtliche Gedichte« von H. C. Artmann 800 Seiten gebunden, herausgegeben von Klaus Reichert Erstmals erschienen: 2003, drei Jahre nach dem Tod von H. C. Artmann (1921–2000) Auflagen bisher: sechs Verkaufszahlen: 5.140 Bücher; davon 464 Stück im Jahr 2021. »HC Artmann hätte da 100. Geburtstag gehabt, darum diese hohe Zahl«, sagt Anna Jung vom Verlag Jung und Jung. War das Buch auch bei der Kritik ein Erfolg? »Damals wurde es durchaus ›bemerkt‹«, erinnert sich Jung. »Im letzten Jahr gab es durch den Geburtstag wieder ein paar Sendungen zu H. C., in denen das Buch empfohlen und erwähnt wurde.« Verkauft sich das Buch auch digital? »Nein.« Ermöglicht durch seinen Erfolg: eine Neuauflage eines anderen Klassikers, »Aus dem Tagebuch eines Trinkers« von Eugen Egner, das bereits vor 30 Jahren erschien. »Zwar kommt Egner aus einer anderen Schule als H. C., aber ihre Vorbilder und ihre Denkart sowie der Humor sind, denke ich, ähnlich gewesen«, sagt Anna Jung. Und: »Mit Sicherheit auch ihre Einstellung zum Weintrinken.«
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Longseller: »Der kleine Wappler. So flucht und schimpft Österreich« von Astrid Wintersberger 96 Seiten, erweiterte und aktualisierte Neuausgabe Erstmals erschienen: 2012 Auflagen bisher: sieben Verkaufszahlen: 150.000 Bücher; davon 10.100 im Jahr 2021. Das Buch wird von Ausgabe zu Ausgabe aktualisiert – schließlich verändert sich mit der Sprache auch Österreichs Schimpfwortschatz. War das Buch auch bei der Kritik ein Erfolg? »›Wörterbücher‹ im weitesten Sinn werden nicht rezensiert, also nein«, sagt Verlegerin Claudia Romeder. Verkauft sich das Buch auch digital? »Wir haben in diesem Fall nur eine Printausgabe gemacht, da es sich um ein ›Geschenkbuch‹ handelt«, so Romeder. Ermöglicht durch seinen Erfolg: »eigentlich alle literarischen Titel, die nicht dem Mainstream entsprechen bzw. ist es durch die Mischkalkulation unseres Verlagsprogramms immer wieder eine Absicherung, um noch nicht so bekannte Autoren publizieren zu können«, sagt die Verlegerin. Exemplarisch nennt sie »Soviel man weiß« von Florian Gantner: »Ein vielschichtiger Roman über eine autonome Gruppe von Menschen, die versucht, sich gegen die Allgegenwart der Kontrolle zu wehren. Gantner stellt die Frage: Wie weit darf ziviler Widerstand gehen?«
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Residenz Verlag
Jung und Jung Verlag
»Die Pflege der Backlist und deren Aufbau an sich ist das Wichtigste und die hohe Kunst des Verlegens.« — Benedikt Föger, Czernin Verlag
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Molden Verlag
Milena Verlag 028
Longseller: »Wenn das der Führer wüsste« von Otto Basil 384 Seiten, mit einem Nachwort von Johann Holzner Erstmals erschienen: 2010 Verkaufszahlen: 8.500 Bücher; »Und als E-Book ein Zehntel davon«, sagt Verlegerin Vanessa Wieser. War das Buch auch bei der Kritik ein Erfolg? »Bei der Kritik war diese Dystopie natürlich ein voller Erfolg, weil der Roman extrem gut ist«, so Wieser. »Vor zwölf Jahren war noch alles anders als heute und kaum jemand kannte den Begriff Dystopie. Heute kennt ihn jeder, der sich für Bücher interessiert, weil gefühlt jeder achte Roman derzeit eine Dystopie ist.« Verkauft sich das Buch auch digital? Absurderweise verdankt der Titel des Kleinverlags seinen Erfolg vor allem Amazon – und dem Erfolg eines deutschen Bestsellers: »Der Roman hat sich jahrelang mit Timur Vermes’ Roman ›Er ist wieder da‹ mitverkauft«, gesteht Wieser. »Amazon hat es immer empfohlen und mitangezeigt, unbezahlbare Werbung, auch wenn wir alle Bezos hassen.« Während Vermes’ Satire einen etwas verwirrten Hitler im Berlin des Jahres 2011 auf einer Stadtbrache aufwachen lässt, ist »Wenn das der Führer wüsste« von Otto Basil (1901–1983) eine richtige Dystopie. Statt auf Hiroshima fiel die Atombombe auf London. Hitler hat den Krieg gewonnen und ein Germanisches Weltreich errichtet … Ermöglichte durch seinen Erfolg: beispielsweise 2013 die Veröffentlichung des Romans »Sag Ja zu Österreich« von Fabian Faltin über die Rückkehr und Re-Assimilation ehemals in die Hipstermetropole Berlin ausgewanderter Österreicher*innen.
Longseller: »Rothschild – Glanz und Untergang des Wiener Welthauses« von Roman Sandgruber 524 Seiten Erstmals erschienen: 2018 Auflagen bisher: sechs; das Buch wird vom Autor, der vor Erscheinen fünf Jahre recherchierte, auch von Ausgabe zu Ausgabe überarbeitet und aktualisiert. Verkaufszahlen: 15.000 Bücher; davon (inklusive Lizenzen) 2.000 Stück im Jahr 2021 War das Buch auch bei der Kritik ein Erfolg? »Absolut«, freut sich Elisabeth Stein-Hölzl, Programmleiterin und stellvertretende Geschäftsführerin bei Styria Books, zu dem der Molden Verlag gehört. »Das Buch wurde sehr geschätzt und im Feuilleton ausführlich besprochen.« Verkauft sich das Buch auch digital? »Es gibt ein E-Book, aber die Verkaufszahlen der gedruckten Ausgabe sind deutlich höher«, sagt Stein-Hölzl. Ermöglicht durch seinen Erfolg: die Veröffentlichung eines besonderen Titels, der auch die Identität des Verlags stärkt und die österreichische Verlags- und Nachkriegsgeschichte erzählt – »Der Jahrhundertelefant« von Hanna Molden. Am Beispiel der Familie Molden sehen wir, wie Geschichtenerzählen eine Familie zusammenhält. Fritz Molden (1924–2014), der 1964 den nach ihm benannten Buchverlag gründete, wurde Zeit seines Lebens als begnadeter Geschichtenerzähler geschätzt. In seiner Familie erzählte er, meist beim Schlafenlegen der Kinder, die Geschichten des Elefanten Jakob. Hanna Molden greift sie auf und erzählt dabei auch das Leben von Fritz Molden, eines »Jahrhundertelefanten«.
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Longseller: »Expeditionen ins dunkelste Wien« von Max Winter Meisterwerke der Sozialreportage, 304 Seiten Erstmals erschienen: 2006 Auflagen bisher: fünf; Auflage sechs ist in Vorbereitung. Verkaufszahlen: 7.000 Bücher War das Buch auch bei der Kritik ein Erfolg? »Es wurde in deutschen und österreichischen Publikationen positiv rezensiert«, sagt Karina Bingler, die beim Picus Verlag für Presse und Lizenzen zuständig ist Verkauft sich das Buch auch digital? »Ja, aber der E-Book-Verkauf ist deutlich geringer«, so Bingler. Ermöglicht durch seinen Erfolg: im Jahr 2021 eine Neuauflage von »Die Fahrt auf dem Katarakt« von Richard A. Bermann. Ein autobiografisches Epochenporträt, in dem Richard A. Bermann (1838–1939) alias Arnold Höllrigl als Chronist seine Begegnungen mit Albert Einstein, Sigmund Freud, Victor Adler, Arthur Schnitzler, Elisabeth Bergner, Charles Chaplin u. a. schildert.
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Longseller: »Langsamer!«von Ilma Rakusa Essay gegen Atemlosigkeit, Akzeleration und andere Zumutungen, 96 Seiten Erstmals erschienen: 2005 Auflagen bisher: sieben; »Die erste Auflage war mit 1.000 Stück niedrig, weil wir das Longseller-Potenzial nicht gesehen haben«, sagt Verlegerin Annette Koch. »In der nächsten Auflage will die Autorin eine Überarbeitung machen.« Rechte verkauft nach: Bulgarien (Kariwa), Ungarn (Jelenkor), Japan (Editorial Republica) War das Buch auch bei der Kritik ein Erfolg? »Es hatte bei Erscheinen auch Erfolg bei der Kritik, aber über die Jahre wird es nun nicht mehr besprochen, dafür aber trotzdem gekauft.« Die Verlegerin schätzt, dass das daran liegt, dass die Buchhandlungen den Titel immer auf Lager halten. Verkauft sich das Buch auch digital? »Ja, aber es sind weniger als zehn Prozent der Verkaufszahlen«, so Koch. Ermöglicht durch seinen Erfolg: zumindest zum Teil das Erscheinen das Buchs einer jungen Schweizer Autorin, »Kyung« von Eva Maria Leuenberger. »Eva Maria Leuenbergers zweites Buch ist eine unerschrockene Auseinandersetzung mit Identität, Herkunft und Sprache, Ent- und Verwurzelung, sexueller Gewalt und Angst«, sagt Annette Koch. »All das macht ›Kyung‹ zu einem hochpolitischen und hochaktuellen Werk.«
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Literaturverlag Droschl
Picus Verlag
»Wir sind überzeugt, dass Bücher keine saisonalen ›Eintagsfliegen‹ sein dürfen, sondern dass sie in unseren schnelllebigen Zeiten zu den Dingen gehören, die auf Wert und Dauer angelegt sind.« — Elisabeth Stein-Hölzl, Styriabooks
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Wieser Verlag
Verlag Kremayr & Scheriau
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Longseller: »Money, Honey!« von Larissa Kravitz 240 Seiten, mit Illustrationen von S. R. Ayers Erstmals erschienen: im März 2020 Auflagen bisher: drei; Auflage vier ist in Planung. Verkaufszahlen: 5.000 Bücher; »Wir haben im Frühjahr 2020 sehr auf diesen Titel gesetzt; wie bei anderen Titeln auch kam dann die Pandemie und machte den einsetzenden Erfolg erst mal zunichte. Wunderbarerweise hat sich dieses Herzensprojekt erholt und 2021 im wahrsten Sinne des Wortes einen ›zweiten Frühling‹ erlebt – und ist nun eine sichere Bank bei unseren Longsellern«, sagt Stefanie Jaksch, die den Verlag seit Herbst 2020 leitet. War das Buch auch bei der Kritik ein Erfolg? Durchaus, ist Jaksch zufrieden: »Das Anliegen von Larissa Kravitz, Frauen an die Themen Investment und Vorsorge heranzuführen, ist tatsächlich ein Dauerthema in den Medien.« Verkauft sich das Buch auch digital? Ja. »Wir sind mit den E-Book-Zahlen sehr zufrieden und liegen mit ›Money, Honey!‹ sogar über unserem durchschnittlichen Anteil der E-Books an den gesamten Buchverkäufen«, so Jaksch. Ermöglicht durch seinen Erfolg: dass sich Kremayr-Scheriau speziellen Stimmen junger österreichischer Gegenwartsliteratur widmen kann. Exemplarisch nennt die Verlagsleiterin das Debüt »Aibohphobobia« von Kurt Fleisch, einen Briefroman, in dem die Leser*innen dem Patienten Herrn S. und seinem Psychiater Herrn H. begegnen. Dabei beginnen nach und nach die Identitäten zu verschwimmen. »Es stellt sich die Frage: Wer ist hier eigentlich der Verrückte und wer hat die Macht, das festzustellen?«
Longseller: »Hana« von Alena Mornštajnová 380 Seiten gebunden, mit Lesebändchen, aus dem Tschechischen übersetzt von Raija Hauck Erstmals erschienen: 2020 Auflagen bisher: noch die erste Auflage Verkaufszahlen: 3.000 Bücher; Außerdem wurde die Taschenbuchlizenz an den Schweizer Unionsverlag verkauft. War das Buch auch bei der Kritik ein Erfolg? Ja. Aber nicht annähernd so sehr wie in Tschechien, wo sich die Geschichte über Judenverfolgung und Kommunismus bereits eine halbe Million Mal verkaufte und 2018 mit dem Tschechischen Buchpreis bedacht wurde. »Die Autorin ist sehr glücklich, dass ihr Buch im deutschsprachigen Raum so viele Leser*innen findet.«, heißt es aus dem Verlag von Lojze Wieser. Auch Mornštajnovás neuer Roman (»Stille Jahre«) wurde bereits übersetzt und wird von der Kritik gelobt. Verkauft sich das Buch auch digital? Ja. Ermöglicht durch seinen Erfolg: auch andere Übersetzungen – nicht nur aus dem Tschechischen. Etwa »Kukum« von Michel Jean, 2021 erschienen. Wobei sich »die wohl beste Einführung in die autochtone Innu-Literatur Kanadas und das bis heute anhaltende rassistische Vorgehen den Unnus gegenüber« (Lojze Wieser) ebenfalls als Longseller erweisen dürfte. Auch die Lizenzrechte für »Kukum« wurden bereits verkauft, demnächst erscheint es als Taschenbuch und damit auch als E-Book. »Für uns hat sich durch diesen Titel eine wunderbare Zusammenarbeit mit dem kanadischen Verlag und dem Autor ergeben«, sagt Lojze Wieser.
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Zeitschrift für Literatur Die · Begründet von Heinz Ludwig Arnold · X/15 Reihe über Autoren
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Longseller: »Sunrise« von Michael Köhlmeier 96 Seiten, Paperback Erstmals erschienen: 1994; als Taschenbuch 2010 Auflagen bisher: als Taschenbuch in der 20. Auflage War das Buch auch bei der Kritik ein Erfolg? Ja. Entscheidender ist aber, dass es die kurze Erzählung des Vorarlberger Bestsellerautors als moderner Klassiker auf Schulleselisten geschafft hat. Es kursieren zahlreiche Unterrichtsmaterialien. Und Semester für Semester wird das Buch in Klassen gelesen, werden Referate gehalten. Ermöglicht durch seinen Erfolg: dass sich der Haymon Verlag einem diversen Bild von Literatur widmet. »Wir wollen die Vielfalt in der Literatur abdecken«, sagt Verleger Markus Hatzer. »Wir veröffentlichen auch Lyrik und Übersetzungen und bemühen uns um Debüts und die Werkpflege bereits verstorbener Autor*innen– etwa um die Stücke von Peter Turrini.« Das ist einerseits Arbeit am Kanon, andererseits setzte der Haymon Verlag zuletzt auffällig auf LGBTIQ+-Autor*innen. »Wir wollen als Verlag gesellschaftliche Entwicklungen abbilden«, sagt der Verleger. Einzelnen Titel möchte Hatzer bewusst keinen hervorheben.
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Special Bildung Seit Anfang der 90er-Jahre verpflichtet sich Österreich dazu, Kindern mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf eine gemeinsame Schulbildung zu ermöglichen. Doch viel zu oft wird das Schulsystem noch in zwei Gruppen geteilt: In Regelklassen mit Integrationsfokus, die später höhere Chancen versprechen, und in Sonderschulklassen, die im gesellschaftlichen und beruflichen Leben später noch immer für Nachteile sorgen. ———— Für meine Schwester war es im Leben stets ein wenig schwieriger als für mich. Denn bei Katharina wurde eine leichte Intelligenzminderung diagnostiziert. Als Kleinkinder merkten wir den Unterschied noch kaum, aber im Schulalter war bald klar, dass sie dort zusätzliche Hilfe brauchen würde. Katharina kam im Jahr 1998 in eine sogenannte Integrations- beziehungsweise Inklusionsklasse. Inklusion heißt hier, dass alle Schüler*innen einen gemeinsamen Unterricht besuchen können. Jene, die mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf (SPF) eingestuft werden, sollen diesen durch zusätzliches Lehrpersonal sowie Unterstützungspersonal vor Ort in einer Regelklasse erhalten. Sonderschulen wiederum sind an Jugendliche mit schwereren Behinderungen gerichtet, in denen nach angepassten Lehrplänen durch speziell geschulte Sonderschullehrer*innen unterrichtet wird.
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Die gesetzliche Grundlage eines gemeinsamen Unterrichtes für Kinder mit und ohne Behinderung in Österreich wurde für die Volksschulen im Jahr 1993 verankert. 1997 folgten die Hauptschulen sowie die Unterstufen der AHS. Ein Jahr bevor Katharina ihre Schullaufbahn begann. 2008 ratifizierte Österreich dann die UN-Konvention, die ein inklusives Bildungssystem vorschreibt. In der Realität sieht es in Österreich aber oft noch anders aus. So meint Petra Pinetz, die Leiterin der Beratungsstelle für (Vor-)Schulische Integration der Beratungsstelle Integration Wien: »Von einem inklusiven Bildungssystem sind wir weit entfernt. Dieses kann derzeit nur als Vision betrachtet werden.«
Ein Ressourcenproblem? Erst im Oktober letzten Jahres gab es in Wien wieder Proteste von Eltern und Kindern, die befürchteten, dass 2022 aufgrund der Reform des Vorjahres weniger Integrationsklassen zustande kommen. Das Thema ist umstritten. Der amtsführende Stadtrat für Bildung, Jugend, Integration und Transparenz, Christoph Wiederkehr (Neos), entgegnet, dass Wien sehr viel Geld und Ressourcen für inklusive Pädagogik ausgebe: »Es gibt heuer mehr Integrationsklassen und auch Mehrstufenklassen als in den vergangenen Jahren. Hier wurden die Ressour-
cen das erste Mal gerecht und nachvollziehbar vergeben.« Das Problem verortet er beim Bund: »Die Ressourcen des Bundes sind bei 2,7 Prozent der Kinder gedeckelt. Wir haben aber in Wien wesentlich mehr Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, für die wir keine Mittel bekommen.« Rupert Corazza von der Bildungsdirektion Wien widerspricht den Protesten ebenfalls: »Wien hat weit über 600 Integrationsklassen, die Zahl ist laufend leicht steigend, parallel zur Steigerung der Schülerzahlen«, erklärt er. Der österreichische Pädagoge und Psychologe Volker Schönwiese meint allerdings, selbst wenn Wien aktuell steigende Zahlen an Integrationsklassen vorweisen kann, zeige die Gesamtentwicklung, dass die Inklusion in Österreich tendenziell abnehme: »Ich würde das als Mangel politischen Willens formulieren, Inklusion nicht weiter zu betreiben«, so Schönwiese. Auch Doris Leipold, die an der Praxismittelschule der Pädagogischen Hochschule Steiermark in Graz unterrichtet, sieht hier ein strukturelles Problem: »Ein wesentliches Merkmal inklusiver Beschulung ist die Bereitstellung entsprechender personeller Ressourcen, gerade in diesem Bereich kommt es aber immer wieder
Renate Gottlieb
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Inklusion oder Aussonderung? Wenn Schule zum Klassensystem wird
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Bei Katharina wurde eine leichte Intelligenzminderung diagnostiziert. In der Volksschule wurde sie von den andern Kindern getrennt.
Renate Gottlieb
»Von einem inklusiven Bildungssystem sind wir weit entfernt. Dieses kann derzeit nur als Vision betrachtet werden.« — Petra Pinetz
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»Lehrer*innen, die in Inklusionsklassen arbeiten, haben zum Teil auch Angst vor dieser Unterschiedlichkeit der Kinder. — Volker Schönwiese
ren Kinder unterrichten dürfe.« Die Lehrerin ohne sonderpädagogische Ausbildung musste daraufhin die Kinder mit SPF unterrichten. Das ständige getrennte Unterrichten führte auch zu klassendynamischen Problemen. »Wir hatten nicht so viel Kontakt mit den anderen Schülern«, bedauert Katharina. Dieses Aufteilen von Schüler*innen im Unterricht schießt für Schönwiese am Ziel vorbei. »Das ist die altbekannte Aussonderung, die Inklusion völlig missversteht.« Pinetz ergänzt, dass durch die Ausgrenzungserfahrung das Selbstwertgefühl sinke. Sie zitiert die Dissertation »Ich schäme mich ja so!« von Brigitte Schumann. Diese habe nachgewiesen, dass die Sonderschule zur »Schonraumfalle« werde und dass wegen des Besuchs von Sonderschulen Demütigung und Scham empfunden werde. Dabei betrifft diese Aussonderung nicht nur Kinder mit Lernschwächen und geistigen und körperlichen Behinderungen. Es gäbe zunehmend den Trend, so Schönwiese, sogenannte »Brennpunktschulen« zu errichten. »Dort sitzen dann rund 80 Prozent sozial benachteiligte Kinder.« Mit tatsächlichen
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Behinderungen werde aber dann gerne weiter politisch argumentiert. »Es ist also eine grundsätzlich falsche Perspektive, die in der Öffentlichkeit erscheint«, so Schönwiese. Dass Schüler*innen mit einer anderen Erstsprache als Deutsch oder mit Eltern aus unteren Bildungsschichten schulisch und sozial benachteiligt sind, ist erwiesen. Eine Studie von Ann Cathrice George und Susanne Schwab in Volksschulen und Neuen Mittelschulen in Österreich untersuchte das empirisch. Demnach haben rund 14 Prozent der Volksschüler*innen in Integrationsklassen sehr stark benachteiligten Hintergrund. In der Neuen Mittelschule sind es sogar 23 Prozent. Zum Vergleich: In der Regelschule sind es – je nach Schulstufe – nur neun respektive 16 Prozent. Der Anteil in Sonderschulklassen wurde nicht ermittelt.
Schwierige Hürden Dabei sei es laut Pinetz für Eltern schon schwierig durchzusetzen, dass ihre Kinder überhaupt in Integrationsklassen kommen. »Seit Jahren zeigt sich, dass Integrationsklassen keine gleichwertigen Rahmenbedingungen wie Sonderschulen haben.« Letztere seien nicht nur materiell besser ausgestattet, sondern bieten auch oft Therapieangebote, Ganztagesbetreuung, kleine Klassen und mehr Personal. Eltern würden seitens der Schulbehörde in Richtung Sonderschulen
Christoph Wiederkehr, Neos
beraten werden und benötigten oft viel Mut, Ausdauer und Engagement, damit ihr Kind eine Integrationsklasse besuchen darf. Rupert Corazza (Bildungsdirektion Wien) meint dazu, dass das für migrantische Kinder in Sonderschulen zwar für manche Bundesländer stimmen würde, aber nicht in Wien. »Im Schuljahr 2020/21 hatten in Wien
Petra Pinetz, Integration Wien
an einer Sonderschule 65,4 Prozent der Kinder eine andere Herkunftssprache, an einer Mittelschule waren das 77,2 Prozent.« Christoph Wiederkehr betont, dass man in Wien vielmehr den Weg der umgekehrten Inklusion gehe. Man habe bei fast allen früheren Sonderschulen mittlerweile angeschlossene Regelschulklassen. »Ich finde es gut, wenn Eltern von früheren Sonderschulen – jetzt inklusiv geführte sonderpädagogische Zentren genannt – überzeugt sind und ihre Kinder diese besuchen.« So bleibe das Wissen der Sonderpädagogik erhalten. Er halte das für den sinnvolleren Weg, als gut funktionierende Strukturen in sonderpädagogischen Einrichtungen zu ändern.
Offenes Ende Die Pädagogin Doris Leipold unterstreicht die Wichtigkeit der Durchmischung von Schüler*innen und schulischen Leistungsgruppen: »Durch diese Diversität kommen besondere Bedürfnisse zusammen. Die gibt es nämlich nicht nur bei Kindern, die einen sonderpädagogischen Förderbedarf haben, sondern bei jedem Kind.« Doch nicht nur die Aussonderung ist ein Problem. Volker Schönwiese fordert weiter, dass man systematische Lehrer*innenbegleitung anbieten solle. »Lehrer*innen, die in Inklusionsklassen arbeiten, haben zum Teil auch Angst vor dieser Unterschiedlichkeit der Kinder. Und das ist auch zu verstehen, wenn sie das weder gelernt noch praktiziert haben.« Auch wenn die Volksschuljahre für meine Schwester Katharina schwer waren – umso besser war ihre Erfahrung in der Hauptschule. Die Lehrer*innen waren super, erinnert sie sich, regelmäßig gab es gemeinsame Ausflüge. Katharina und meine Mutter finden das Angebot an Integrationsklassen wichtig. Vorausgesetzt, dass sie richtig umgesetzt würden. Leipold ergänzt, man profitiere von der Vielfalt im Klassenzimmer: »Die Kinder erkennen, dass ihre eigene Realität nicht die einzige ist, sondern dass es ganz unterschiedliche Möglichkeiten der Wahrnehmung gibt. Das macht Kinder auch empathischer, sie lernen voneinander.«
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zu Kürzungen.« Der Gedanke der Inklusion sei etwas, das man sich gerne an die Fahnen heftet, tatsächliche Maßnahmen sehe man hingegen seltener. Meine Schwester war eines von vier Kindern ihrer Klasse mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Doch statt sie und ihre Mitschüler*innen besser zu fördern, erinnert sie sich, dass eine Lehrerin sie immer aus der Klasse schickte: »Man sollte uns schon mit den anderen Schülern zusammenlassen und nicht immer trennen.« Wie meine Mutter ergänzt, hätten die Pädagog*innen angefangen, in der dritten Klasse die Integrationskinder regelmäßig separat zu unterrichten. »Die verantwortliche Integrationslehrerin hat gesagt, sie nehme die Klasse nur, wenn sie die regulä-
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Special Bildung Besonders wichtig ist auch eine begleitende Berufsorientierung für Integrationsklassen, denn nach Beendigung der Schulpflicht hingen laut Leipold Kinder mit SPF oft in der Luft: »Sowohl die Kinder als auch die Eltern brauchen Beratung: Wie geht es mit dem Kind weiter?« Für jene, die nach dem zehnten Schuljahr noch nicht arbeiten gehen können, fehlt aber laut Christoph Wiederkehr auf der Bundesebene noch das Angebot für einen weiteren Bildungsweg. 2011 haben Michael Eckhart, Urs Haeberlin, Caroline Sahli Lozano und Philippe Blanc die Ergebnisse einer zwölfjährigen Langezeitstudie zu schulischer Integration und der beruflichen Situation in der Schweiz veröffentlicht. Das Ergebnis: Junge Erwachsene mit Sonderklassen-Vergangenheit haben in der Regel nur Zugang zu niedrigeren Berufen oder bleiben häufiger arbeitslos als jene aus Integrationsklassen. Ebenso ist die gesellschaftliche Integration schwieriger, der Selbstwert niedriger, das Beziehungs-
Doris Leipold, Pädagogin
netz kleiner. In Österreich kam Rudolf Forster bereits 1981 zu ähnlichen Ergebnissen. Wie es mit den Integrationsklassen weitergeht, ist noch offen. Der neue Nationale Aktionsplan Behinderung, der von 2022 bis 2030 gilt, wird noch erarbeitet. Für Rupert Corazza ist erklärtes Ziel, dass für jedes Kind Platz an einer Wunschschule möglich sein sollte. Volker Schönwiese ist weniger
optimistisch: »Es gibt Positionspapiere von verschiedenen Akteuren und Gruppen, aber ich bin sehr skeptisch, was das Ministerium aus dem macht. Mir ist nicht bekannt, dass da auch nur irgendetwas berücksichtigt wurde. Dabei wäre nach wie vor der wichtigste Schritt, dass man auf die sozialen Gemeinsamkeiten der Kinder setzt – nicht auf die Unterschiede. Das, was wir kognitive Intelligenz nennen, entspringt keinesfalls nur einem einseitigen Lernen. Sie hat immer auch mit Emotion und sozialen Fragen zu tun.« Susanne Gottlieb
Als Beratungsstelle zum bestmöglichen geförderten schulischen Werdegang steht die Integration Wien für Eltern, Kinder, Jugendliche sowie junge Erwachsene zur Verfügung. Bei Problemen und Beschwerden im Schul alltag ist die Bildungsdirektion Wien, ehemals als Stadtschulrat bekannt, zuständig.
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Haltungsübung Nr. 67
Meinungsvielfalt schätzen.
Das Schöne an Meinungen ist, dass jeder Mensch eine hat. Das Komplizierte ist: Viele haben eine andere als wir. Wir können jetzt einfach versuchen, lauter zu schreien. Oder Haltung zeigen und zuhören. Und vielleicht draufkommen, dass wir falsch liegen. Oder alle ein wenig richtig. derStandard.at
Der Haltung gewidmet.
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Wissenschaftliche Karriere zu machen, war noch nie leicht. Die kürzlich in Kraft getretene UGNovelle macht es nun jedoch für die meisten unmöglich. Drei betroffene Wissenschaftler*innen darüber, ob die Wissenschaft Masochismus erfordert, warum viele von Berufsverbot sprechen und inwiefern Wissenschaftler*innen als Verbrauchsmaterial gesehen werden. ———— Wer sich im Kulturbereich bewegt, dem ist das Problem namens Prekariat sicher nicht neu. Von einem Gig zur nächsten befristeten Stelle zum nächsten kurzzeitigen Engagement. Ständig unterbezahlt, kaum Aussicht auf Stabilität oder Planungssicherheit. Doch auch abseits davon ist das Prekariat heute allgegenwärtig, wie Stephanie Marx, Doktorandin an der Germanistik der Universität Wien, erläutert: »Das Prekariat betrifft heute so gut wie alle gesellschaftlichen Schichten. Unsere Gegenwart ist prekär, weil es kaum noch das klassische Normalarbeitsverhältnis gibt,
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in so gut wie allen Bereichen. Isabell Lorey beschreibt das in ihrem Buch ›Die Regierung der Prekären‹. Aber das Prekariat betrifft uns natürlich in allen Bereichen unterschiedlich. Eine Person, die ihr Geld mit Putzen von Wohnungen verdient, ist auf andere Weise prekär als ein*e Doktorand*in an der Uni, mit einem völlig anderen sozialen Kapital und sozialem Prestige. Es ist wichtig, diese Unterschiede zu kennen, aber das bedeutet nicht, dass Universitätsangestellte nicht auch prekär sein können und mit einer ganz immensen Unsicherheit konfrontiert sind.«
Prekariat als wissenschaftlicher Alltag
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Wissenschaftler*innen als Verbrauchsmaterial Prekariat, UG-Novelle und Berufsverbot »Unsere Gegenwart ist prekär, weil es kaum noch das klassische Normalarbeitsverhältnis gibt, in so gut wie allen Bereichen.« — Stephanie Marx
In der Tat ist das Prekariat an der Universität mittlerweile nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Lehre und Forschung werden großteils von Menschen in befristeten Anstellungsverhältnissen geleistet, die für weni-
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»Je prekärer wir die Wissenschaft machen, umso weniger divers wird sie sein.« — Carina Karner es wirklich für mich bedeutet. Soweit ich das sehe, darf ich nach spätestens August 2023 nie mehr wieder an der Universität Wien arbeiten, außer als Lektorin und dann auch nur noch eine begrenzte Zeit. Aber eine genaue Antwort scheint schwierig.«
Von Kettenverträgen zum Berufsverbot Aus der Handhabung der Universitäten von sogenannten Kettenverträgen und den Gesetzen, die versuchen, diese einzudämmen, ergeben sich für Wissenschaftler*innen wie Rauchenbacher massiv verschlechterte Arbeitsbedingungen. Anstatt zum Beispiel Lektor*innen unbefristet anzustellen, um bestimmte Lehrveranstaltungen abzuhalten, werden diese jedes Semester neu angestellt. Das nennt sich Kettenvertrag, spart der Universität langfristig Geld und macht die Finanzierung mit befristeten Projektgeldern einfacher. Zu Lasten der Angestellten, die in diesen prekären Anstellungsverhältnissen über die Runden kommen müssen. Eigentlich sollte die sogenannte Kettenvertragsregel das zum Schutz der Arbeitnehmer*innen eindämmen, indem Menschen, die über sechs Jahre kontinuierlich Vollzeit angestellt sind, entfristet werden. In der Praxis
Stephanie Marx
vermeiden Universitäten das aber penibel, indem sie Wissenschaftler*innen nur maximal sechs Jahre Vollzeit anstellen. Für die Wissenschaftler*innen bedeutet das etwa alle sechs Jahre eine erzwungene Pause des Anstellungsverhältnisses, im besten Fall ein kurzer Aufenthalt an einer anderen Universität, im schlimmsten eine Lücke in der wissenschaftlichen Karriere. Seit 1. Oktober 2021 gilt nun die neue UG-Novelle, somit gelten acht Jahre Vollzeit in Summe, ungeachtet jeder Unterbrechung. Es wäre naiv zu glauben, dass sich hierdurch am Prozedere der Unis irgendetwas ändern wird. Aus einer einjährigen Pause wird nun de facto ein lebenslanges Berufsverbot. Rauchenbacher: »Nicht, dass es davor so toll gewesen wäre mit den Kettenvertragsregeln und den Unterbrechungen. Aber es gab immerhin eine Perspektive, die ist jetzt dahin. Dieses willkürliche Berufsverbot ist nicht nachvollziehbar.«
Homogenität durch Prekariat Carina Karner, erst Doktorandin der Physik an der Universität Wien, dann Data Scientist in einem Start-up und nun Post-Doktorandin an der Technischen Universität Wien, warnt: »Je prekärer wir die Wissenschaft machen, umso weniger divers wird sie sein. Dann werden Menschen aus bildungsferneren Schichten, aus marginalisierten Schichten, nicht anfangen. In der Naturwissenschaft gehen diese Leute dann in die Industrie, werden Ingenieur*innen. Das ist schade für die Wissenschaft. Ich hoffe nicht, dass die Macher*innen der Novelle das so geplant haben, denn das ist verheerend für jede Art der
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ge Jahre, oft nur für ein Semester oder eine Lehrveranstaltung an der Universität arbeiten. Wissenschaftler*innen hanteln sich regelmäßig bis weit über 40 von Vertrag zu Vertrag, bis sie entweder endlich eine der raren unbefristeten Stellen ergattern oder eben das Handtuch werfen und aus der Wissenschaft ausscheiden. »Wissenschaftler*innen werden wie Verbrauchsmaterial gehandhabt«, erklärt Marx. »Sie laufen eine Zeit lang durch, aber um es zu schaffen, müssen sie schon Wunderwuzzis sein. Keine Familien, keine Interessen, keine Probleme, 100 Prozent Job, vollkommen gerade Biografien.« Marx selbst hat hingegen – wie die meisten – eine »ungerade« Laufbahn und begann erst spät zu studieren. Derzeit hat sie eine Stelle mit dreißig Stunden inne, die auf vier Jahre befristet ist. Eine »Luxusposition«, wie ihr immer wieder gesagt wird. Tatsächlich arbeitet sie meistens fünfzig Stunden, muss Lehre, Publikationen, Vorträge, Dissertation und administrative Arbeit unter einen Hut bringen. Das Ende des Vertrages nähert sich bereits und damit die Unsicherheit, wie es weitergeht: »Gerade für Frauen gibt es eine Leaky Pipeline nach der Dissertation, wenn die Stellen noch rarer gesät sind.« Marina Rauchenbacher befindet sich gerade in dieser Phase. Nach Stellen in Salzburg und Wien folgte eine Karenz, dann ein Aufenthalt in den USA und derzeit ist sie ebenfalls an der Germanistik der Universität Wien sowie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften angestellt. Sie ist, wie viele andere, besonders von einer Verschärfung der Bedingungen durch die kürzlich in Kraft getretene Universitätsgesetz-Novelle 2021 verunsichert: »Mir ist immer noch nicht klar, was
Marina Rauchenbacher
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Carina Karner
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»Es bedarf kollektiver Willensbildung«
einen neuen Plan für die Universitäten. Ich würde mir eine Demokratisierung der Universitäten wünschen, bei der ordentliche Professor*innen nicht mehr die Stimmmehrheit haben. Internationale Forscher*innen müssten eingebunden werden. Es müsste Planstellen geben und die Möglichkeit, an der Universität zu bleiben. Aber ich sehe das nicht passieren. Ich habe das Gefühl, es wird einfach so weitergehen bis in alle Ewigkeit. Man kann nur hoffen, dass sich auf Bundesebene irgendwann eine Mehrheit ausgeht, die diese verrückten Uni-Gesetze kippt und den Weg in eine neue Zeit bereitet.« Bernhard Frena
»Die Regierung der Prekären« von Isabell Lorey ist 2012 bei Turia + Kant erschienen. Die UGNovelle 2021 hat neben Verschlechterungen für Wissenschaftler*innen auch eine Verschärfung von Studienbeschränkungen gebracht. Weitere Informationen hierzu finden sich auf der Website der ÖH unter www.oeh.ac.at/ug-novelle.
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Marx hat wenig Hoffnung, dass sich an der Lage in absehbarer Zeit etwas positiv ändern wird. Sie selbst war an der Universität Wien in der Vertretung des Mittelbaus, zu dem die meisten der befristeten Angestellten zählen, aktiv: »Es würde eigentlich umfassendere, größere, institutionell verankerte Vertretungsstrukturen für den Mittelbau in Österreich brauchen. Die gibt es derzeit nicht mal im Ansatz. Und es bedarf einer Form von kollektiver Willensbildung – auch, um der Individualisierung entgegenzuwirken.« Was passieren müsste, bringt Karner, die auch Bezirksrätin der Partei Links Wien in Mariahilf ist, klar auf den Punkt: »Es braucht
Special Bildung
an Masochismus«, sagt sie lachend. »Die Arbeit macht aber inhaltlich Spaß und ist mit viel geistiger Freiheit verbunden. Man lernt wahnsinnig viel und kann sich entfalten. Doch die Bedingungen sind nicht gut und werden immer schlechter.«
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Forschung. Ein Feld verändert sich, wenn die Gruppe der Forscher*innen diverser ist. Das verändert Inhalte, das verändert, was man studiert, welche Fragen man sich stellt, welche Motivation man hat.« Trotzdem ist für Karner selbst diese Motivation nach wie vor da: »Ich persönlich komme aus einer bildungsfernen Schicht. Ich weiß, ich könnte in die Industrie gehen und habe dort auch schon gearbeitet. Aber ich verspüre eine Motivation, Wissenschaft zu machen, mit meinen Kenntnissen und meiner Expertise der Welt dienlich zu sein. Das gibt mir Sinn und es gibt mir Inhalt und deshalb tue ich das.« Marx spricht in Bezug auf wissenschaftliche Arbeit gar von ihrem »Traumjob«: »Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen als zu forschen, Dinge zu lesen, die mich interessieren, über Dinge zu schreiben, die mich interessieren und das zu publizieren.« Die Freude am Forschen motiviert auch Rauchenbacher – trotz aller negativen Seiten: »Wissenschaft erfordert einen gewissen Grad
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Special Bildung
Wortwechsel »Wie wird Bildung zugänglicher, krisenresistenter und nachhaltiger?«
AHS-Landesschulsprecherin Vorarlberg
Seit Anfang der Pandemie ist im Zusammenhang mit der Schule über ein Thema vor allem medial, aber auch politisch oft polemisiert worden: Uns Schüler*innen geht es schlecht. Wir leiden vielfach unter Problemen mit der mentalen Gesundheit. Das ist eine Tatsache, die durch die Covid-19-Pandemie verstärkt wurde und nun ins Bewusstsein vieler rückt. Manche Entscheidungsträger*innen sind sich dessen bewusst, doch leider nicht willens, etwas zu ändern. Dass es uns Schüler*innen schlecht geht, wird durch das aktuelle Schulsystem bedingt. Weder hat es das Schulwesen geschafft, allen Schüler*innen unabhängig von ihrem sozioökonomischen Stand ein gerechtes Distance Learning zu verschaffen, noch werden adequate Anpassungen bei Abschlussprüfungen oder im Schulalltag getroffen. Der Umgang mit der Matura zeigt, welches Verständnis schulischen Lernens in Österreich herrscht. Aussagen wie »Mir war
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das Öffnen der Schulen ein tiefes Anliegen, damit es nicht zu einem Humankapitalverlust großen Ausmaßes kommt«, getroffen von Ex- Bildungsminister Heinz Faßmann, oder der Vorschlag des neuen Bildungsministers Martin Polaschek, dass eine Matura auch im Spital stattfinden kann, zeigen, dass in den österreichischen Wertevorstellungen Spaß nicht mit dem schulischen Lernen vereinbar ist. Die Gesellschaft und die tagtäglichen Umstände haben sich verändert, doch die Schule weigert sich, das zu akzeptieren. Die Schule muss sich künftig in ihrer Struktur nach den Bedürfnissen der Schüler*innen richten. Damit das gelingt, muss es unmittelbares Ziel sein, dass alle Schüler*innen mit mobilen Endgeräten ausgestattet sind, dass es gerechte Anpassungen für die Abschlussprüfungen gibt sowie dass im Falle eines erneuten Distance Learnings beaufsichtigte Lernräume an Schulen angeboten werden. Das ist allerdings lediglich Symptombekämpfung, langfristig muss die Schule ein Ort werden, an dem wir Schüler*innen über unseren Schulalltag entscheiden, standardisierte Leistung nicht mehr wert ist als Lernen und die Freude an der individuellen Weiterbildung selbst.
Lina Feurstein ist AHS-Landesschulsprecherin in Vorarlberg und Mitglied der Bundesschüler*innenvertretung.
Sandro Nicolussi
Lina Feurstein
Nele Damjanoski, Österreichische Hochschüler*innenschaft, Alessandro Barberi, Andrea Klem
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Kindergärten, Schulen und Universitäten ging es in letzter Zeit ähnlich wie Clubs, Konzertlocations und sonstigen Kulturräumen: Sie waren oft geschlossen, Gegenstand polarisierter Diskussionen und von wechselhaften Maßnahmen begleitet. Selbst mit sich häufenden Anzeichen eines tatsächlichen Pandemieendes stehen viele Glocken auf Alarm: Für zukünftige Krisen möge man doch bitte vorbereitet sein und nun freigelegte Problemfelder sollten stärker bearbeitet anstatt unter den Teppich gekehrt werden. Wir haben Expert*innen und Betroffene gefragt, welchen Problemen und Erkenntnissen man im Bildungssektor nach zwei Jahren Pandemie in die Augen schaut.
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Nele Damjanoski, Österreichische Hochschüler*innenschaft, Alessandro Barberi, Andrea Klem
Sandro Nicolussi
Naima Gobara
Alessandro Barberi
Maria Lodjn
Die Coronakrise hat die Probleme im tertiären Bildungssektor einmal mehr stark hervorgehoben. Insbesondere soziale und finanzielle Hürden eines Studiums wurden weiter verstärkt. Einmal mehr wurde deutlich, wie dringend das gesamte Bildungssystem grundlegend neugestaltet werden muss, um wirklich allen gleiche Chancen zu ermöglichen. Es reicht schon lange nicht mehr, an einzelnen Stellschrauben zu drehen. Der Stellenwert von Bildung und Wissenschaft muss in Österreich gestärkt werden und darf nicht weiter zu einem kapitalistischen und elitären Gut verkommen. Das zeigt auch ein Thema, das im Zuge der Coronakrise besonders an Relevanz gewonnen hat: die Wissenschaftsfeindlichkeit in Österreich. Hier sehen wir ganz klar Hochschulen in der Verantwortung, eine gesellschaftliche Vorreiter*innenrolle einzunehmen und dieses Thema zum einen intensiv zu erforschen, zum anderen aber auch Ableitungen zu treffen, wie wissenschaftliche Erkenntnisse aufbereitet werden müssen, um im gesamtgesellschaftlichen Diskurs angenommen zu werden. Wir müssen erkennen, dass Bildung und insbesondere tertiäre Bildung ein Privileg ist. Ohne nebenbei einer Erwerbstätigkeit nachzukommen, können sich viele heute kein Studium leisten. Aufnahmeverfahren und Studiengebühren sind erwiesenermaßen sozial selektiv und müssen langfristig abgeschafft werden. Stattdessen braucht es zielgruppenspezifische Unterstützung – beispielsweise für Studierende, deren Eltern keinen Hochschulabschluss haben. Auch unsere Lehrmethoden und -inhalte müssen sich weiterentwickeln. Besonders im Bereich der Digitalisierung hat Corona einen dringend notwendigen und längst überfälligen Fortschritt erzwungen. Dieser muss für die Zukunft bestehen bleiben, und daraus entstandene innovative Lehrkonzepte brauchen die notwendige – auch finanzielle – Unterstützung, um langfristig unser Bildungssystem zu modernisieren und für erwerbstätige Studierende oder jene mit Betreuungspflichten wieder zugänglicher zu machen. Dies soll auch den psychischen Druck auf Studierende mindern.
Bemerkenswerterweise sind die sogenannten Neuen Medien und die mit ihnen verbundenen Veränderungen unseres Alltags mit der Pandemie in fast allen Lebenswelten und Primärgruppen der Menschen wahrnehmbar geworden. Die Frage nach der Medialität unserer Gesellschaften hatte sich zwar schon davor auf verschiedenen Ebenen angekündigt, wurde aber mit Corona und angesichts von Homeoffice und Homeschooling in den meisten Familien und vom Kindergarten bis zur Hochschule relevant. So haben Medienpädagog*innen schon lange Zeit Modelle für den Online- bzw. Hybridunterricht entwickelt, die nun auf breiter Ebene gefragt waren. In diesem Zusammenhang wurde indes auch deutlich, dass die traditionellen Einkommensscheren und sozialen Ungleichheiten sich angesichts der Digitalisierung (Schlagwort: Digital Divide) auf das Härteste reproduzieren. Deshalb kann auch für digitalisierte Gesellschaften und Schulen davon gesprochen werden, dass in und mit Medien an den ungerechten Selektionsmechanismen des Bildungsapparats geschraubt werden muss, um sozioökonomische Gleichheit aller Bürger*innen Wirklichkeit werden zu lassen. Insofern kann im Sinne des öffentlichen Eigentums auch betont werden, dass nur eine stabile Gesamtgesellschaft und ein ausgewogener Sozial- und Wohlfahrtsstaat (Schlagwort: Digitaler Sozialismus) den gleichen Zugang zu Bildung und auch die Krisenresistenz im Sinne sozioökologischer Nachhaltigkeit garantieren kann. Dabei führt das Bildungssystem vor Augen, dass diese Selektionsmechanismen gerade durch die Verwendung von Medientechnologien abgebaut werden könn(t)en, wenn diese nicht – wie so oft – zuungunsten der Menschen eingesetzt werden würden. Auch angesichts des Digitalen Humanismus steht eine genauere theoretische und praktische Fassung von Technologie im Raum, die im Grunde als neutral angesehen werden kann. Denn es kommt immer darauf an, ob die Neuen Medien in einem gegebenen sozialen Kontext for good oder for bad eingesetzt werden.
Seit März 2020 läuft das System Schule im Pandemiemodus und jeder Versuch, zur Normalität, zum schulischen Alltag wie früher zurückzukehren, scheitert. Corona und seine Folgen haben Abgründe sichtbar gemacht, die es natürlich immer schon gegeben hat: Mangelnde Bildungsgerechtigkeit, soziale Ungleichheiten und ein nicht zukunftstaugliches System dürfen nicht länger ignoriert werden. Es reicht nicht aus, dass die Digitalisierung vorangetrieben wird, denn sie ändert nichts an der Schieflage des gesamten Systems Schule. So ist die Idee, alle Schüler*innen der fünften und sechsten Schulstufe mit Laptops auszustatten, schon okay. Aber was nützt das Eltern, die genau diese 100 Euro nicht aufbringen können, weil sie zum Beispiel nicht nur ein Kind haben? Digitalisierung gleicht keine sozialen Ungleichheiten aus. Es ist also – wie so oft – eine gut gemeinte Maßnahme mit wenig Perspektive. Es gibt viel zu tun. Kurzfristig gilt es jene Schüler*innen niederschwellig abzuholen, die Hilfe brauchen, weil ihre Psyche in Not ist. Nein, nicht jede*r braucht Therapie, aber eine Schule, die Spaß macht und verlorenes Selbstvertrauen zurückgibt. Das bedeutet, dass Schluss sein muss mit jenem Druck, den die Schule macht, um Defizite in Deutsch, Englisch oder sonst wo auszugleichen. Mittelfristig müssen Schulen endlich demokratisch werden und die Schüler*innen in grundlegende Veränderungen miteinbeziehen. Eine Frage könnte dabei lauten: Was braucht ihr, um gut durch die Schule zu kommen? Langfristig muss endlich die Etablierung der gemeinsamen Unterstufe und der zügige Ausbau von Ganztagsschulen in Angriff genommen werden. Der soziale Status darf nicht mehr unmittelbar an die Bildung und Ausbildung junger Menschen gekoppelt sein. Bildungsgerechtigkeit darf nicht ein Schlagwort bleiben, sondern muss als Leitmotiv aller Veränderungen im System Schule, die in den kommenden Jahren notwendig sein werden, stehen.
Naima Gobara studiert Technische Chemie und Politikwissenschaften in Wien. Sie ist Teil des Vorsitzteams der Bundesvertretung der Österreichischen Hochschüler*innenschaft.
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Bildungswissenschaftler
Alessandro Barberi ist Chefredakteur von medienimpulse.at und diezukunft.at, als Historiker, Bildungswissenschaftler, Medienpädagoge und Privatdozent tätig und lebt und arbeitet in Magdeburg und Wien.
Pädagogin
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Mitglied ÖH-Bundesvorstand
Maria Lodjn unterrichtet seit knapp 30 Jahren an unterschiedlichen Mittelschulen in Wien. Sie ist außerdem Theaterpädagogin und freie Autorin, beispielsweise für die Plattform Schulgschichtn.
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Workstation Menschen am Arbeitsplatz Alexander Gotter
Sandro Nicolussi
Sonja Maier
AHS-Lehrerin, Musikerin »Es wurde Zeit, dass ich mal Ferien habe«, lautet einer der ersten Sätze im Semesterferien-Telefonat mit der BaitsFrontfrau Sonja. Seit zwei Jahren lebt sie als Musikerin und Lehrerin an einer Wiener AHS im vermeintlichen Doppelprekariat. Aber Home-Schooling und Distance-Learning hatten für die 36-Jährige, die nur den ersten Lockdown als solchen zu Hause erlebt hat, auch gute Seiten: »Nachdem ich die Unterrichtssoftware geschlossen hatte, nahm ich direkt neue Ideen auf.« So ging es im vergangenen Jahr schon mal vom Lehrer*innenzimmer straight in den Tourbus nach Hamburg. Obwohl diese Situation auch körperlich besonders fordernd gewesen sei, habe die gebürtige Kärntnerin nie daran gedacht, eine ihrer Tätigkeiten an den Nagel zu hängen. In der Klasse war die disruptive Zeit eine Möglichkeit, innere Beziehungen mit den Kindern aufzubauen: »Das erfüllt, aber heißt auch wieder Stress in Form von Highschool-Drama.« Mit Baits plant Sonja bereits die nächste Herbstferien-Tour – außerdem scharrt bereits ein Tape-Release auf Noise Appeal Records mit den Hufen.
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Special Bildung The_Gap_191_010-047_Story_FIN_BBA_korr_MF2.indd 44
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Taylan Cay
Volksschullehrer, Musiker Im Juni 2021 wurde bekannt, dass die Lehrer*innenverteilung reformiert werden und zukünftig nach einem neuen Schlüssel erfolgen soll, was bei einigen Schulen drohende Kürzungen von Stunden zur Folge hatte – und damit einen Abbau von Lehrpersonal und Klassen. Es folgten massive Proteste von Lehrkörper und Eltern. Taylan hätte dadurch beinahe seinen Lehrplatz verloren. Nachdem seine angestrebte Musikkarriere als Produzent elektronischer Musik mit Mitte zwanzig durch Label-Auflösung und Verlieren seines Plattenvertrags ein Ende fand, studierte der heute 42-Jährige Lehramt. Er unterrichtet seit rund zehn Jahren an einer Wiener Sprachheilschule – also in einer Integrationsklasse (siehe auch Seite 32 ff.). »Man weiß nicht, was nächstes Jahr sein wird«, erzählt er über die Unsicherheit in seinen Tätigkeiten. Mit den Synthesizern, die er oft auch im Unterricht verwendet, spielte er voriges Jahr nach einer zehnjährigen Abstinenz ein Album, eine Single und eine EP ein. Weitere Releases im kommenden Jahr seien bereits geplant.
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PROSA — JENNIFER FASCHING
LUXUSWARE DANKBARKEIT
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Die Kluft zwischen Sauerteigfetisch und Existenzangst wurde von den letzten beiden Jahren für alle zur Sichtbarkeit vergrößert. Dass Dankbarkeit, in welcher Form auch immer, nicht wirklich geeignet ist, darüber hinwegzuhelfen, verdichtet die Wiener Autorin Jennifer Fasching zu einer kraftvollen Anklageschrift.
EIN PLÄDOYER GEGEN DIE DANKBARKEIT! Ein hartnäckiger Schimmelpilz befällt seit Pandemiebeginn die Gehirne covid-gestresster Menschen. Ein Vokabel mit Transzendenzpotenzial, das für eine Methode der Problemlösung steht, die vor allem eines ist: eine Methode zur methodischen Nichtproblemlösung. Die Rede ist von Dankbarkeit. An dieser Stelle muss ich einwerfen, dass ich diesen Text begonnen habe zu einer Zeit, in der die kreative Klasse noch ganz öffentlich und ungeniert ihre Kristalle in der alten Donau gewaschen hat, selbstverliebt Bananenbrot (was ist Bananenbrot?) gebacken und eine Flut von Horoskop-Memes geteilt hat. Die Zeit also in der Identitäre und Esoterik-Fans noch nicht Seite an Seite den Ring entlanggelaufen sind, weil sie irgendwo im Internet gelesen haben, dass es so etwas wie »AntiVaxxer« gibt und sie das doch auch sein könnten, weil man halt irgendwas sein muss, das irgendwie identitätsstiftend ist. Nachdem der Wahnsinn jetzt wieder dort ist, wo er hingehört, nämlich bei den Wahnsinnigen, ist er für die Mehrheit wieder unattraktiver geworden. Spiritualität ist für die Wohlstandslinke einfach unsexyer geworden, seitdem die Rechten plötzlich auch nackt unterm Mond tanzen wollen. Mir scheint, ich sehe schon weniger Räuchermischungen und Tierkreiszeichen auf Social Media, weniger Spazierengehen, Selbstsuche und DANKBARKEIT, um zum Thema zurückzukommen. Ich sehe ein, dass das alles irgendwie gemein ist, aber ich bin eben angefressen! Fast schon hatte ich vergessen, wie angefressen ich eigentlich bin, als mich der Künstlersozialversicherungsfonds aus der finanziellen Scheiße gerettet hat. Als ich keine Schulden mehr und ein bisschen Geld zum Leben hatte, habe ich mich auf einmal so milde ge-
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fühlt, so irgendwie bequem, so dankbar eben. Damals im ersten Lockdown, als ich für den Staat nur eine Kellnerin war, die drei Monate nicht einmal Kurzarbeitslohn bekommen hat, weil »die Bearbeitung der vielen Anträge eben leider etwas länger gedauert hat«, ist mir vor lauter Undankbarkeit jede Nacht im Liegen die Magensäure durch die Speiseröhre bis zurück in den Rachen geflossen, was zu mehrmonatigen durchgehenden Halsentzündungen geführt hat. Meine Seele war einfach so voller Negativität in dieser Zeit. Das Internet empfiehlt zur Pflege der positiven Grundeinstellung, nicht im Mangel, sondern im Überfluss zu denken. Man sollte sich darauf besinnen, was man alles hat, anstatt immer nur darauf, was einem fehlt. Das ist blöderweise schwierig, wenn man kein Geld für Miete und Essen hat. Da will die Dankbarkeit nicht so wirklich aufkommen. Als Werkzeug zur Krisenbewältigung ist Dankbarkeit eine Luxusware, die man sich leisten können muss. Wer auf Grund des schlechten Pandemie-Managements kurz vor der Delogierung steht, kann damit herzlich wenig anfangen. Wenn man eine Krise als Chance begreifen kann, hat man noch keine Krise. Wem während der Lockdowns einfach nur fad im Schädel war, weil es an Zerstreuung fehlte, der konnte sich, während der Sauerteig gärte, ein Dankbarkeitstagebuch anlegen, um sich in eine holistischere Version seiner Selbst zu schreiben. Körper, Geist und Umwelt in Einklang bringen, die schönen Dinge reflektieren, die Zufriedenheit im Existieren suchen. Freude finden in der Fadesse eines vorüberziehenden Tages! Einfach mal dankbar sein für das Sein. Plötzlich sei man ja befreit von dem Stress, dem Drang
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Sarah Tasha Hauber / WERISTdICHTER?
Zitat aus der Mail-Korrespondenz mit Jennifer Fasching: »Kurz-Bio: Würde ›Jennifer Fasching, Autorin, Künstlerin, lebt und arbeitet (hoffentlich nicht mehr lang als Kellnerin) in Wien‹ reichen? 1990 bin ich geboren, wenn das wichtig ist.« Antwort, die unachtsamerweise im Postausgang versumperte: »Ja, danke!« irgendwohin, endlich also Zeit zum Verweilen im Hier und Jetzt. Wenn man ein allgemein gemütliches, finanziell abgesichertes »Sein« führt, ist das auch sicher ganz angenehm. Für den Rest ist das mit dem poetischen Wechsel der Tage in Wochen und Monate leider nichts Neues. Begleitet wird dieses Gedicht der fließenden Zeit üblicherweise durch unterbezahlte Lohnarbeit, die einen nicht in die Selbstverwirklichung führt, sondern lediglich älter, schircher und hinniger werden lässt. Es wurde schon oft durchgekaut, aber ich schreibe es trotzdem noch mal: Mit der Pandemie und den Lockdowns kam für viele keine Zeit des »Zur-Ruhe-Findens« und »Endlich-einmal-Durchatmens«, sondern es kamen Schulden und Mahnungen. Stimmt, nicht jede Freizeitaktivität muss zwingend mit Konsum zusammenhängen, aber Runden im Park, also »der Natur«, dreht man sowieso andauernd, weil man kein Geld für etwas Lustigeres hat. Es macht eben einen großen Unterschied, ob man sich dazu entscheidet, bescheiden zu sein, oder man dazu gezwungen ist. In letzterem Fall heißt diese Bescheidenheit Mangel. Dieser Mangel, der von einigen als bewusstseinserweiternde, neue Perspektive erlebt wird, ist für andere einfach fader Alltag. Dafür ist man nicht dankbar. Das hier soll kein Aufruf zum Magengeschwür sein. Man soll sich auch wirklich nicht immer nur darauf konzentrieren, was alles schlecht ist. Damit bin ich einverstanden. Ich bin auch keine undankbare Person. Ganz im Gegenteil, meiner Mutter, meinen Freunden und Freundinnen, die mich während der Lockdowns unterstützt haben, bin ich sehr dankbar. Wogegen ich
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Zur Person
allerdings schon etwas habe ist Dankbarkeit als egozentrischer Ausdruck politischer Faulheit. Wer Leuten in schwierigen Lebenssituationen Dankbarkeit als Lösung vorschlägt, beweist damit einfach nur Blindheit und Ignoranz gegenüber realen, ökonomischen Lebenskrisen. Schon klar, dass man in einem Land wie Österreich in Krisensituationen noch besser dasteht als anderorts, dankbar sollte man dafür aber nur vorsichtig sein. Abwärtsvergleiche à la »Wo anders ist es doch noch schlimmer!« führen üblicherweise erst in den Stillstand und letztlich in die Verschlechterung. Übersetzt: Nur weil es jemandem irgendwo beschissener geht als dir, geht es dir nicht automatisch gut! »Wie können wir es besser machen?«, muss die Frage politisch gestellt werden. Kein Platz nach unten! Alles andere ist Bequemlichkeit. Sentimentalität gehört in den Privatbereich. Während die Linke in ihren Altbauten Tomatenstauden in Balkonkistchen hochgezüchtet hat und dankbar für die Zeit der einfachen Dinge war, war die Rechte drauf und dran diejenigen einzufangen, die sich keine Dankbarkeit leisten konnten. Jetzt haben wir ein Problem. Verbrennt eure Dankbarkeitstagebücher! Bleiben wir unzufrieden!
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Rezensionen Musik Pauls Jets
Natalie Grebe
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Wenn jedem Anfang ein Zauber innewohnt, dann bei einem Neuanfang gleich: Dumbledore. Es hat sich einiges verändert bei Pauls Jets, die mit ihren ersten beiden Alben Lieblinge der Kritik waren. Zu viert ist man nun – bisschen mehr Instrumente, Saxophon ist ohnehin wieder im Kommen; Romy Park singt – ein bisschen mehr Tiefe, weibliche Stimme, Varianz, das ist schon gut so; und, natürlich die größte Änderung: Pauls Jets sind dem ureigenen kakanischen Trieb der Expansion gefolgt, haben den Sprung über die Grenze gemacht, neues Label Staatsakt, Berlin – sie gehen den Label-Weg wie einst die Gruppe Ja, Panik. Vergleich, Vergleich, oh mein Gott, Vergleich. Während sich Pauls Jets vom Lotterlabel verabschieden, kannst du – nun aber wirklich! – Selbiges mit jeglichen Referenzen machen, denn spätestens mit dem Doppelalbum »Jazzfest« gibt’s auch wirklich niemanden mehr, der den Jets nicht absolute Alleinstellungsmerkmale mit dem Stempel ins Poesiealbum drücken würde. Weil: Das Man-selbst-Sein im Experimentellen, das Unverwechselbare im permanenten Wechsel, das kann schon was. Egal, ob das jetzt elaborierter Schlager ist, ob Folk, Rock ’n’ Roll, Krautrock oder simple Popmusik – du hörst es jedem einzelnen der randvollgestopften 18 Lieder an, dass das Pauls Jets sind. Beginnend bei den kleinen Ideen – etwa das Intro an zweiter Stelle. Den mittelgroßen Ideen wie einem dem Namen und dem inhaltlich wohl als Hauptthema argumentierbaren Fliegen verpflichteten recht spacy anmutenden Effektklangbild. Und schlussendlich natürlich vor allem den ganz großen Ideen wie den recht massigen Hits – Geschmackssache, aber vor allem: das traumwandlerische schlagerschöne »Baby«, der treibende Ohrwurm »Lazy Nation«, das melancholisch-somnambule »So richtig in Love« oder der balladige Zehnminüter »Obstbaumwald«. Aber, und das ist das wunderbare an der Vielfalt, du findest ganz bestimmt ein paar andere Stücke, die zu deinen Lieblingen werden. Die Auswahl ist da und sie ist groß. (VÖ: 18. Februar) Dominik Oswald
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Rezensionen Musik
Doppelfinger
Ebow
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Endlich mal schlichtweg schöne Musik. Es kann ja so einfach sein: Schöne Akkorde umgarnen die durch schöne Melodien transportierten schönen Texte. Was banaler klingt als es soll, meint nichts anderes, als dass sich Clemens Bäre aka Doppelfinger weder pseudo-hip noch zu gewollt zeitgemäß inszeniert und letztlich doch so klingt; das ist auch gut so. Denn seien wir mal ehrlich: Irgendwie geben wir uns zu selten mit dem schlichten Schönen zufrieden und verlangen manchen Dingen mehr ab, als sie uns wohl geben können. Ja, »By Design« kommt ohne viel Schnickschnack aus und gibt uns nicht zu viel und nicht zu wenig von dem, was uns allen hin und wieder guttun würde: eine Welt mit ganz viel Platz für ganz viele Fragen; solche Fragen nämlich, die uns verletzlich machen. Doppelfinger bettet sein lyrisches Ich in einen narrativen Kontext, der geprägt ist von Beziehungen intimster Art. »Wer ist das Wir, wer das Du, das Ich?«, möchte man wissen. Übrig bleiben Leerstellen, welche zu füllen einer Gefühlswelt von unsäglicher Tiefe bedürfen. Das Arrangement und die hierfür verwendete, vorwiegend pastellene Farbpalette verraten uns gerade mal so viel, dass es uns möglich bleibt, ebendiese Leerstellen selbst zu füllen. Wenn auch das Attribut zeitlos hier naheliegt, so greift dieses dennoch zu kurz, um die Gesamtästhetik dieser Musik zu beschreiben. Ja, okay, man könnte meinen, Doppelfinger klinge irgendwie nach Donovan, an manchen Stellen könnte man erahnen, dass er so etwas wie eine Vorliebe für Sufjan Stevens hat, und dann wiederum – die Mundharmonika! – wissen wir, dass Bob Dylan in seiner Plattensammlung wohl nicht fehlt. Klar, Clemens Bäre hört Platten. Alles andere wäre doch absurd. Dementsprechend wäre es eine Schande, diesem Künstler ausschließlich via Stream zu lauschen; seine Musik braucht nämlich Zeit, nimmt sich diese auch – und wir geben sie ihr, indem wir die Nadel in die Platte gleiten lassen, es uns gemütlich machen, das Coverdesign bewundern und die Lyrics mitlesen. So und nicht anders. Ein aussagekräftiges Debütalbum. Bitte mehr davon! (VÖ: 18. März) Stefan Slamanig
08
»Das ist der einzige Moment, wo du ihre Aufmerksamkeit bekommst. Wenn du dir etwas nimmst, wovon sie denken, dass es dir nicht zusteht.« Ebow ist mit einem neuen Album am Start und analysiert damit auf eingängige Art und Weise die Welt in der multiplen Krise – direkt, floskellos und ohne sich in verschwurbeltem Akademiker*innensprech zu verheddern. Queer und kurdisch ist die Verbindung, die Ebow von Giesing nach Dersim zieht. »Free meine Leute, free ma people!«, ist das Erste, was man vernimmt, und es ist eine Line, die sich durch das ganze Album zieht: Faschos, Krieg, Street Knowledge und Community-Verantwortung sind an der Tagesordnung, während in der ersten Albumhälfte schwere Beats aus den Boxen rollen, die Ebows Stimme genug Luft zum Wirken lassen. Am eindrucksvollsten bleibt der Spoken-Word-Part auf »Prada Bag« hängen, aus dem auch das Eingangszitat stammt. Was hat es mit dem vieldiskutierten Flexen in Rap-Texten und -Videos auf sich? Wer sind die Menschen, die nach wie vor nicht gehört werden, die als Projektionsfläche für Angstbilder dienen, anstatt als Gegenüber auf Augenhöhe wahrgenommen zu werden? Was ist individuelle Konsumentscheidung? Was der einzige Weg einen Platz am Tisch zu bekommen? Die zweite Albumhälfte ist etwas gefühlvoller, fast schon ruhig. Diese Verschnaufpause braucht man allerdings auch, während man im Kopf noch in den Lines der früheren Tracks festhängt. Kooperationen mit Meron (»La petite mort«) und Balbina (»Excalibur«) brechen etwas mit dem harten Tobak und öffnen die Fenster der Gefühle zum Stoßlüften. Der Titeltrack zum Schluss des Albums fasst das Ganze nochmal in runder, zuversichtlicher Manier zusammen: Es gibt da draußen nicht nur die vielen frustrierenden und erschreckenden Kämpfe, sondern auch die Leute, die sich ihnen stellvertretend für Generationen von Unbekannten stellen. »Canê«, übrigens ein kurdischer Begriff, der sich mit »Liebling« und »Seele« übersetzen lässt, ist ein Album zum öfteren Pausieren, zum Nachdenken, genauso wie für den entschlossenen Weg zur nächsten Demonstration. (VÖ: 18. März) Sandro Nicolussi
Live: 18. Juni, Wien, Reaktor
Live: 22. April, Wien, Flex
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Canê — Alvozay
Sophie Löw, Diara Sow, Andreas Jakwerth
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By Design — Ink
14.02.22 22:00
Sophie Löw, Diara Sow, Andreas Jakwerth
Kraft und Poesie
Fotos: Hanna Fasching, Thomas Schrenk, Daniela Matejschek
Mit neuen Impulsen in die Frühjahrssaison: Tischlerei Melk Kulturwerkstatt
Neben Größen der Kabarettszene rückt das Frühjahrsprogramm der Tischlerei Melk Kulturwerkstatt vor allem Singer-Songwriter und Liedermacherinnen der heimischen Musikszene in den Fokus. ERIKA PLUHAR & ROLAND GUGGENBICHLER / Sa., 19. März / »Es war einmal« / Konzert AUSTROFRED WILL’S WISSEN / Do., 24. März / Das Pub-Quiz der Tischlerei Melk MIRA LU KOVAC / Sa., 2. April / »What else can break« / Konzert ANNA MABO, SIGRID HORN, ANNIKA VON TRIER / Sa. 23. April / Liedermacherinnen on Stage THOMAS MAURER / Sa., 30. April / »Zeitgenosse aus Leidenschaft« / Kabarett und vieles mehr …
INFOS & KARTEN
HVOB
Too — Pias
Karten können ab sofort unter www.tischlereimelk.at sowie im Kartenbüro der Wachau Kultur Melk erworben werden. Wachau Kultur Melk GmbH, Jakob-Prandtauer-Straße 11 I A-3390 Melk Mo. bis Fr.: 9 bis 15 Uhr, +43 2752 540 60, office@wachaukulturmelk.at, www.tischlereimelk.at
PROMOTION
PROGRAMMÜBERSICHT
07
Kickdrums im Viervierteltakt – klingelt da irgendwas in der Erinnerung? Falls nicht, hilft es künftig vielleicht, sich dieses Album aufzulegen, denn da wird nicht lange gefackelt. Der erste Track »Bruise« hämmert direkt los und schafft damit bereits die erste Überforderung, bevor man sich überhaupt hingesetzt hat. Bald aber erscheinen die Bilder von verschwitzten Dancefloors, getaucht in flackerndes Strobolicht, während Basslines die Körper schaukeln. Nach vier Studioalben und dem »Live in London«-Piece im vergangenen Jahr veröffentlicht das Elektronik-Duo HVOB (Her Voice Over Boys), bestehend aus Anna Müller und Paul Wallner, seinen mittlerweile sechsten Longplayer. Das Album will ein wütender, zärtlicher, verletzlicher, aber auch entschlossener Bericht über den Seelenzustand einer Generation sein, die sich auf der Suche nach innerer und äußerer Zugehörigkeit befinde. Tatsächlich entsteht dieser Eindruck erst, wenn man die acht Tracks zum zweiten, dritten Mal hört. Oder wenn man sich nicht von der Reminiszenzen an vermisste Clubnächte ablenken lässt und den Vocals sofort die gebührende Aufmerksamkeit schenkt. Die sind ganz HVOB-like eher trauriger, belasteter Natur und wirken, wie in »2:16« tatsächlich wie die Notizen aus dem zerfledderten Büchlein auf dem Schreibtisch, das mit jenen Gedanken fertigwerden muss, die nachts um viertel drei unbedingt noch aus dem Kopf müssen, damit man einschlafen kann. An anderer Stelle, etwa bei den schweren Dancefloor-Brettern »Kid Anthem« oder »Gluttony«, ist an Schlaf erst nicht zu denken. Wahrscheinlich mehrere Nächte lang nicht. Und mit »The Lack of You« klappt’s sogar mit dem gemeinsamen Runterkommen bei der Afterhour. Erinnerung? »Too« ist kein Album der Innovation, aber warum soll es das auch sein, wo HVOB das, was sie machen, doch gut machen. Wer die bisherigen Alben des Duos mochte, wird auch mit diesem Freude an jeglicher Station der Nacht haben – auch wenn sie bis in den Tag hinein dauert. (VÖ: 8. April) Sandro Nicolussi Live: 30. April, Linz, Posthof — 21. Mai, Graz, Orpheum — 18. Juni, Wien, Arena
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Rezensionen Musik
Love A.M.
Oska
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Sieht man sich auf der Website der fünfköpfigen Band Love A.M. um, glaubt man, mit nur wenigen Klicks eine Formel für ihr musikalisches Schaffen gefunden zu haben. Schließlich steht dort in pinker Schrift auf schwarzem Hintergrund: »We try to bring music from our hearts directly to yours.« Love A.M. machen Musik, die von Herzen kommt, könnte man also etwas vereinfacht sagen. Dass an dieser fast schon phrasenhaft wirkenden Definition etwas dran sein könnte, merkt man recht schnell, wenn man sich ihr Debütalbum »In Disarray« zum ersten Mal anhört. Gleichzeitig wird jedoch klar, dass diese Beschreibung viel zu kurz greift, um das einzufangen, was sich da scheinbar aus dem Herzen der fünf Musiker auf den Weg nach draußen macht. Songgebilde nämlich, die kunstvoll zwischen samtig-weichen Popmelodien, grungigen Episoden und durchaus kantigen Punk-Passagen changieren. Und auch wenn die Stimme von Paul Pirker manchmal so klingt, als läge ein ganzes Universum zwischen einem selbst und ihrem Ursprung, bleibt die Verbindung zwischen Sender und Empfänger*in stets erhalten. Vielleicht, weil es eben dieser dünne Faden ist, den Love A.M. zwischen ihren eigenen und den Herzen ihrer Zuhörer*innen spannen. Der auch dann nicht abreißt, wenn in den Songs Themen angesprochen werden, die anderenorts in sehr viel dickere Watte gepackt werden, als es Paul Pirker, David Plank, Matthäus Jandl, Julian Melichar und Lukas Schneeberger mit ihrer Musik tun. Obwohl es beim Hören manchmal so wirkt, als müsse man die einzelnen, wild umherflirrenden Songpartikel selbst für sich zusammensetzen, entsteht im entscheidenden Moment immer jene Bodenhaftung, die nötig ist, damit sich ein Song plötzlich wie ein sorgfältig gewobener Teppich vor einem ausrollt. Und letztendlich jene Ordnung, die auch bei großen wie kleinen Herzensangelegenheiten wichtig ist. Selbst wenn der Titel dieses Debüts anderes vermuten lässt. (VÖ: 1. April) Sarah Wetzlmayr
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My World, My Love, Paris — Nettwerk Nun, was soll man sagen? Airplay auf Ö1, Ö3 und FM4 – geht’s noch? Ja, und wie. Oska kann das und tut das, ohne ihre Authentizität auch nur in irgendeiner Form verbogen zu inszenieren. Jede ihrer noch so fragil realisierten Deklamationen ist glaubhaft, jede Geschichte, die hier erzählt wird, erscheint zwar greifbar doch flüchtig, lau. Süße, ja bittersüße Melancholie. Tränen; kaum wollen sie an die Oberfläche, kommt auch schon ein charmant ermunternder Beat, der uns dabei hilft, sie abzuschütteln, zu schmunzeln, zu hoffen. »My World, My Love, Paris« lässt uns haltlos zwischen ebenjenen Gefühlsregungen der Hoffnung und des Wehmuts oszillieren. Oder – man denke an die doch omnipräsente Komponente der Lebenszeit im Kontext Familie, Kindsein und Erwachsenwerden, die hier lyrisch verhandelt wird – verträumt zwischen gestern und morgen schwanken, zwischen eben noch und dann. Die hier eingesetzte Instrumentierung, das Arrangement, teils umgarnt von subtilen Streichinstrumenten, teils von verheißungsvoll mystischen Backing-Vocals, transportiert die Message nicht nur, sondern ist ein Schmankerl für sich und darf bei all dem Lob nicht außer Acht gelassen werden. Oska bewegt sich letzten Endes in einer Liga, in der etwa Regina Spektor als Kollegin auf Augenhöhe operiert. Dass der Anspruch dieser Künstlerin international, die Produktion makellos und die stimmlich-interpretatorischen Fähigkeiten von größter Klasse sind, steht dabei außer Frage und muss eigentlich nicht gesondert erwähnt werden. (VÖ: 25. Februar) Stefan Slamanig
Live: 3. März, St. Pölten, Cinema Paradiso — 4. März, Steyr, Röda — 5. März, Klagenfurt, Kammerlichtspiele — 11. März, Innsbruck, Die Bäckerei — 12. März, St. Peter am Wimberg, Mezzanine — 16. März, Graz, Orpheum Extra — 17. März, Salzburg, ARGE Kultur — 19. März, Dornbirn, Spielboden — 2. April, Krems, Kino im Kesselhaus — 5. April, Wien, Konzerthaus — 25. Juni, Hard am Bodensee, Foen-X Festival — 22. Juli, Schlierbach, Rock im Dorf Festival — 11. August, Feldkirch, Poolbar Festival
Harald Leitner, Hanna Fasching, Otto Reiter
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In Disarray — Wohnzimmer
14.02.22 22:00
Harald Leitner, Hanna Fasching, Otto Reiter
P ROMOTION
Must have! Sachen, die den Alltag schöner machen
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Jo Strauss
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Das Schöne am Ende — Problembär
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Sei ehrlich. Wenn ein gelernter Musiker zu Hause seine Kleinkunst-Honneurs abstauben kann, dann denkst du dir gleich: Gschichtldrucker, Rollenschlüpfer, Augenzwinkern, das Humorige eben. Du denkst dir: Klavierkomik, du denkst an Grebe, Wartke, vielleicht an Voodoo Jürgens, an Hirsch, du denkst, du denkst, du denkst. Was du dir aber nicht denkst, zumindest nicht, wenn du dir nicht schon die ersten drei Alben von Jo Strauss und seiner Band angehört hast: dass zwar zumindest das erste davon stimmt, das Geschichtenerzählen, aber nicht unbedingt das Wie. Weil »schwarzhumorig« reicht da nicht, eher »pechschwarzhumorig«. Weißt was, streich den »Humor«. Denn: Jo Strauss gibt seinen Figuren teuflische Schicksale in die Hand und multipliziert sich dabei selbst – weil erzählen kannst viel, du musst es im Endeffekt auch sein. Begleitet von meist schwerem Klavier, richtigem Lounge-Jazz mit allerhand virtuosen Spompanadeln und verschlepptem Schlagzeug, zieht er sich mehr Kostüme an als ein einzelner durchschnittlicher Oberösterreicher in seiner gesamten Gschnaskarriere. Mit seiner charakteristischen tiefen Stimme, wird er zum zwielichtigen Kommissar, zum Standler, dessen Madenleberkäse nicht sein grauslichstes Geheimnis ist, zum Ex-Häfinger aus dem »Scherbenviertel« (Anspieltipp!) und auch zum H. C. – also dem Artmann (zum Glück). Dessen bereits wunderbare Gedichte »med an briaf fon mia zu dia« und »es gibt guade und bese geatna: des is a liad fon an besn« gibt er seine unverwechselbare Note. Und wie es bei den ganzen Verkleidungskünstlern und Harlekins ist: Bei sich selbst sind sie am traurigsten und im Idealfall am besten. So sind es die Liebeslieder, die – gehört in verlorenen Abendstunden – das volle Potenzial des Songwriters Strauss ausschöpfen. Beispiel etwa: »Goidstift«, das von lang erlebten Nächten erzählt, wo das Glück so nah war, und jetzt genauso weit weg ist wie Joe Strauss vom gewöhnlichen Schmähtandler. (VÖ: 25. Februar) Dominik Oswald Live: 25. Februar, Linz, Kulturhof — 26. Februar, Wien, Kulisse — 11. März, Steyr, Röda — 17. März, Tegernbach, Hofbühne — 24. März, Wien, Tschocherl — 25. März, Salzburg, Kleines Theater
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Termine Musik
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Foto: Ingo Pertramer
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Ein Vierteljahrhundert The Gap Happy birthday to us – The Gap wird 25! Um das gebührend zu feiern, wird die Geburtstagsfestwoche mit mehreren Events zu Film, Musik, Tod und Popkultur in einer ausgiebigen Partynacht im Fluc am Praterstern gipfeln. Bereits bestätigt sind dafür die Liveacts Zack Zack Zack, Zinn, Farce und Culk (Bild). Außerdem wartet die Redaktion mit diversen Schmankerln auf. Und je nach offizieller Sperrstunde tanzen wir mit handverlesener DJ-Line bis ans Ende der Nacht. Print’s not dead! 22. April Wien, Fluc
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Bilderbuch »Gelb ist das Feld« heißt das neue Album von Bilderbuch, das am 25. März erscheinen soll. Standesgemäß geht es damit auf große DACH-Tournee mit einigen Stopps in der Bandheimat. Um auf Nummer sicher zu gehen, finden die Konzerte in den großen Sälen mit Bestuhlung statt, bei den Open Airs in Wien und Graz dürften dann wieder alle Hüllen fallen. 21. April Salzburg, Festspielhaus — 22. April Linz, Brucknerhaus — 5., 6. und 7. Mai Wien, Arena Open Air — 30. Juni und 1. Juli Graz, Kasematten
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Termine Musik Kreiml & Samurai
highlights
Good Wilson Das Quartett bestehend aus Günther Paulitsch, Alex Connaugh ton, Mario Fartacek und Julian Pieber macht Dreampop und tauft das eigene Genre kurzerhand auf den Namen Skygaze. Good Wilson liefern im beginnenden Frühling den Soundtrack für die ersten lauen Nächte mit Spritzwein im Park, für die nötige Leichtigkeit in Zeiten der permanenten Schwere. Schöne Sache! 17. März Wien, Radiokulturhaus
Sandro Nicolussi
Antonia Mayer, Hendrik Schneider, Alex Dietrich, Gabriel Hyden, El Hardwick, Jackie Lee Young, Clemens Fantur
Porridge Radio Porridge Radio entstand in Dana Margolins Schlafzimmer, wo sie anfing, Musik zu machen. Sie lebte damals in der UK-Küstenstadt Brighton, nahm alleine Songs auf und spielte sie bei Open-MicNächten vor alten Männern, die sie schweigend anstarrten, während sie ihnen ins Gesicht schrie – soweit die Legende. Mittlerweile tourt Margolin mit Porridge Radio als vierköpfiger Band. 22. März Wien, Chelsea
Katy Kirby Katy Kirby ist eine US-amerikanische Songwriterin und IndierockPraktikerin mit Vorliebe für unausgesprochene Regeln und Missverständnisse. Sie wurde von zwei ehemaligen Cheerleadern in einer texanischen Kleinstadt geboren, aufgezogen und zu Hause unterrichtet. Dass sie in der Kirche zu singen begann, hört man ihrer Musik nicht unbedingt an, aber es hilft wohl bei der Begeisterung von Massen. 29. März Wien, Haus der Musik
Get Well Soon Nachdem für die letzte Tour mit dem Album »The Horror« rund um Mastermind Konstantin Gropper ein Bandkonstrukt aus über einem Dutzend Personen entstanden war, zog sich dieser in den vergangenen Jahren und damit zum besten Zeitpunkt von den großen Bühnen zurück, um wieder für Filme zu komponieren. Das ist Geschichte, ein neues Album in den Startlöchern. Die Stages rufen! 22. April Dornbirn, Spielboden — 23. April Wien, WUK
Crack Ignaz
Lucy Dacus
Thundercat
Sagt man eigentlich noch »Sheeesh«? Wie hart kann ein Beat droppen? Haben gebrochene Herzen automatisch gute Tracks zur Folge? Herausfinden lässt sich das mit am besten dann, wenn der König der Alpen aka die süßeste Mozartkugel des österreichischen Cloud-Raps auf die Bühne steigt. 9. April Wien, Flex Cafe
Neben der Supergroup Boygenius (mit Phoebe Bridgers und Julien Baker) ist Lucy Dacus auch solo mit ihrem feinen US-Indie unterwegs. Bei treibenden Riffs und markanter Stimme wird nicht lange gesessen. Um es in ihren Worten zu sagen: »Led me to the floor even though I’m not a dancer.« 12. April Wien, Chelsea
Wenn Thundercat in der Stadt ist, dann hat der Bass plötzlich genauso viele Saiten wie eine Gitarre. Auf der Bühne bedeutet das soulig-funkige Jazz-Hip-Hop-Electronica-Fusion mit einer mitreißenden Stimme und funky Klamotten. Zum Schwelgen, Schunkeln und Schmusen. 13. April Wien, Ottakringer Brauerei
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Bild: Antje Kröger
Wo dieses Duo beim ausgedehnten Weg durchs Land auftaucht, kriecht man danach eher »auf olle 4re« wieder raus. Die beiden Hauptstädter rappen zwischen Melodie und Klischee, immer mit politischer Schlaghand. 3. März Salzburg, Rockhouse — 4. März Linz, Posthof — 5. März St. Pölten, Freiraum — 7. März Graz, P.P.C. – 17. März Innsbruck, Music Hall — 18. März Lustenau, Carinisaal — 1. April Wien, Gasometer 05.03. Black
Sea Dahu Bockhorst 12.03. Michael Hatzius 12.03. dArtagnan / Illumishade 16.03. Gunkl 18.03. Catt 20.03. Artomático, Paula Comitre & Juan M. Jiménez 22.03. Science Busters 26.03. La Macana 28.03. Gregor Seberg & Magda Leeb 28.03. Faber 30.03. Christian Springer 01.04. Malarina 02.04. GReeeN 06.04. Akua Naru 07.04. Franz Froschauer 08.04. Bodo Kirchhoff 09.04. Alle Achtung 10.04. Martin Herzberg 11.04. Sarah Lesch 11.04. Shay Kuebler Radical System Art 16.04. Antilopen Gang 20.04. Stephan Bauer 22.04. Thorsteinn Einarsson / Nathan Trent 22.04. Bilderbuch 23.04. Hosea & Klaus Ratschiller 23.04. Calexico 26.04. Martin Puntigam 27.04. Alfred Dorfer 29.04. Kruder & Dorfmeister 30.04. HVOB 30.04. SDP 09.03. Helene
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Termine Festivals
3 Fragen an Lisa Zingerle
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Future Lab / Schubert Theater Mit dem Future Lab wollt ihr die Zukunft des Theaters ausloten. Wie nähert ihr euch dem Thema? Wir versuchen mit analogen und digitalen Theateraufführungen zu zeigen, wie weit Kunst und Technologie sich im Theater näherkommen und sogar verbinden lassen. Eine künstliche Intelligenz als Co-Autor bei »Projekt Pinocchio«, die OnlinePremiere der Miniserie »Ein Würstelstand auf Weltreise« und virtuelle, interaktive Theatererlebnisse wie »Möwe.live« oder »May.be 2.0« werfen faszinierende Fragen und Erkenntnisse auf, über die wir gemeinsam mit unserem Publikum und Expert*innen aus Kunst und Wissenschaft nachdenken wollen. Habt ihr als Figurentheater einen anderen Zugang und andere Möglichkeiten, was diese Zukunftsthemen betrifft? Das Digitale Theater ist für uns eine recht natürliche Entwicklung der darstellenden Kunst in beziehungsweise mit technischen und technologischen Neuerungen unserer Zeit. Wobei sonderlich neu sind sie meistens eh nicht, aber endlich für eine breite Masse zugänglich und leistbar – etwa VR-Brillen. Ähnlich ist es mit dem 3D-Druck: Wurde lange nur damit geliebäugelt, so sind seit letztem Jahr die ersten 3D-gedruckten Puppen im Schubert Theater im Einsatz. Darüber hinaus geht es bei uns immer schon um die Belebung toter Materie – eine Puppe erwacht nur zum Leben, wenn sie entsprechend manipuliert wird. Statt Puppen hauchen wir nun Pixeln Leben ein. In der Talk-Reihe des Future Lab wird auch auf die Wechselwirkung von Kunst und Wissenschaft eingegangen. Welche Punkte findet ihr in diesem Kontext besonders spannend? Nicht nur im Technischen, sondern auch im Künstlerischen zieht Kunst viel aus Wissenschaft. So zeigen wir zum Beispiel seit 2020 ein Stück über Hedy Lamarr, die »Erfinderin« von Bluetooth. Andererseits hat das Theater an sich seit Langem mit der Aktualität der klassischen Plattform »Bühne« zu kämpfen, und auch wir wollen hinterfragen, wie sich dieses Konstrukt weiterentwickeln lässt. Mit technologischen Neuerungen eröffnen sich viele Möglichkeiten, die gerade erst von Künstler*innen und Programmierer*innen erforscht werden. bis 3. März Wien, Schubert Theater
Mit ihren neuen Filmen in Graz: Kurdwin Ayub und Ulrich Seidl
Diagonale Das Festival des österreichischen Films feiert heuer seinen 25. Geburtstag. Genau wie The Gap, weshalb wir das historische Special der diesjährigen Diagonale – es trägt den Titel »Rausch« – in Form einer Kurzfilmnacht gemeinsam nach Wien verlängern. Beim Festival selbst wird noch tiefer in die Materie abgetaucht. Darüber hinaus erwartet die Besucher*innen in Graz: Kurdwin Ayubs »Sonne« als Eröffnungsfilm, Ulrich Seidls Berlinale-Wettbewerbsbeitrag »Rimini« sowie die Doku »Für die Vielen – Die Arbeiterkammer Wien« von Constantin Wulff, der dem Festival bei seiner Grazer Erstausgabe 1998 gemeinsam mit Christine Dollhofer vorstand. Das komplette Festivalprogramm ist ab 25. März, 13 Uhr online abrufbar. 5. bis 10. April Graz, diverse Locations — 20. April Wien, Metro Kinokulturhaus
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Termine Festivals
Zum elften Mal ist die Veranstaltungsreihe Hunger. Macht.Profite landesweit unterwegs. Die Filmtage zum Recht auf Nahrung zeigen heuer vier Filme – allesamt Österreichpremieren – in sechs Bundesländern. Gemeinsam mit Expert*innen und Aktivist*innen wird nach den Vorführungen über Lösungsansätze und eine positive Veränderung des Ernährungs- und Landwirtschaftssystems diskutiert. 17. März bis 6. Mai diverse Bundesländer, diverse Locations
Das hybride Medienkunstfestival Civa widmet sich in seiner zweiten Ausgabe – und erstmals als Präsenzveranstaltung – unter dem Titel »Embodied Structures« dem Körper und seinen vielfältigen und sich verändernden Identitäten. Neben Belvedere 21, Stadtkino Wien und Volkstheater werden dabei auch digitale Kanäle bespielt. Auf dem Programm stehen Ausstellungen, Talks, Lectures, Workshops, Filmscreenings und Performances. Unter anderem wirken mit: Legacy Russell, Kondition Pluriel, Ina Holub, Lydia Haider und Depart (Bild). 18. bis 26. Februar Wien, diverse Locations
Ilkhan Erdogan, Diagonale / Elsa Okazaki, Depart, Tricky Women Manuel Fronhofer, Jana Wachtmann
Nackt und mutiert Teil drei der Veranstaltungsreihe von Horrorfilmregisseur Jörg Buttgereit und FM4-Filmfachmann Christian Fuchs widmet sich dem Thema »Bizarre Superheld*innen«. In Filmausschnitten und anregenden Erzählungen entführen die beiden das Publikum in die Schundfilmwelten von Infra-Superman aus Hongkong, Barbarella aus Frankreich und einem Spiderman aus der Türkei. Nur für Erwachsene! 7. März Wien, Rote Bar im Volkstheater
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Civa
Erich Fried Tage »Fürsprache & Widerworte«, so lautet das Motto der 18. Ausgabe der Erich Fried Tage. Das internationale Literaturfestival wird heuer wieder als Präsenzveranstaltung durchgeführt. Nobelpreisträgerin Herta Müller eröffnet mit dem Festvortrag »Vor der Tür saß mal der Zufall«. Ihr folgen im Verlauf der Veranstaltung 20 zeitgenössische Autor*innen, die sich allesamt mit gesellschaftspolitisch relevanten Themen befassen. 30. März bis 3. April Wien, Literaturhaus
Edelstoff
Tricky Women / Tricky Realities Seit 2001 engagiert sich Tricky Women / Tricky Realities für die Sichtbarkeit des künstlerischen Animationsfilms von Frauen* – eine einzigartige Ausrichtung in der internationalen Festivallandschaft. Heuer findet die Veranstaltung in Hybridform statt: mit Filmprogrammen, Lectures und Künstlerinnengesprächen im Metro Kinokulturhaus, im Österreichischen Filmmuseum, in der Brunnenpassage sowie auf der Web-Plattform des Festivals. Wie immer gilt die Devise: feministisch, divers, leidenschaftlich. Das Festivalprogramm geht am 22. Februar online. 9. bis 13. März Wien, diverse Locations
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Zum zehnten Geburtstag gönnt sich der urbane Designmarkt in Wien gleich zwei Ausgaben – eine für den Frühling und eine für den Sommer. Rund 150 kleine Labels präsentieren dabei wieder fair und nachhaltig Produziertes aus den Bereichen Mode, Schmuck, Accessoires, Kunst, Kulinarik, Kosmetik, Produkt- und Kids-Design. Zum Jubiläum gibt’s für jede*n zehnte*n Besucher*in ein Glas Prosecco gratis. 12. und 13. März, 7. und 8. Mai Wien, Marx Halle
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Die aus dem Vorjahr verschobene Ausgabe des Festivals Foto Wien rückt gemeinsam mit mehr als 140 Ausstellungen und über 300 Veranstaltungen das Medium Fotografie ins Zentrum und wird heuer in Präsenzbzw. hybrider Form stattfinden. Organisiert wird das Festival vom Kunst Haus Wien. Die inhaltlichen Schwerpunkte erstrecken sich 2022 von der Hervorhebung nicht immer ausreichend gewürdigter fotografischer Leistungen von Frauen zur effektiven und bewussten Wahrnehmung von Natur und Landschaft. Ergänzend lädt das umfangreiche Rahmenprogramm rund um die Zentrale im Atelier Augarten mit Führungen, Workshops, Symposien, Talks, Buchpräsentationen, den täglichen Bildbesprechungen und Studio-Visits zur vertiefenden Auseinandersetzung ein. 9. bis 27. März Wien, diverse Locations
Foto Wien
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Termine Kunst
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Termine Kunst Sophie Utikal: There Is No Separation »Meine Kunst ist für diejenigen, deren Biografien nicht medial oder strukturell repräsentiert werden: erste, zweite, dritte Generationen von Migrant*innen in Deutschland, Hybride, die ständig rausfallen und sich ihre eigenen Welten neu begründen müssen« – so beschreibt die in Florida geborene Künstlerin Sophie Utikal ihre Ausstellung. »There Is No Separation« zeigt raumgreifende In-situ-Installationen aus handgenähten Textilarbeiten und möchte die Betrachter*innen durch einen Schwellenraum voller Ambivalenz und Ungewissheit navigieren. bis 9. April Wien, Neuer Kunstverein
Sandro Nicolussi The_Gap_191_048-066_GewinnenReziTermine_FIN_mf_BBA_korr_MF2.indd 59
Gisela Erlacher: Superblocks In ihrer Ausstellung »Superblocks« untersucht Gisela Erlacher Funktion und Innovation der historischen Wiener Gemeindebauten. Diese ermöglichten gesellschaftliche Integration durch kommunales Wohnungseigentum und hatten so einen entscheidenden Einfluss auf die Wiener Gesellschaft, der bis heute anhält. Mit einem Querschnitt aus Porträts und Architekturaufnahmen werden Betrachter*innen mit auf eine Reise durch diese prägenden Bauwerke des Roten Wien genommen. 17. Februar bis 18. März Wien, Bildraum 01
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Pixy Liao, Joanna Legid, Andreas Leitner, Gisela Erlacher / Bildrecht, AG18 Gallery, Diana Barbosa Gil / Jorit Aust, Anna Jermolaewa / Bildrecht
Göttinnen Wie können wir andere Wege beschreiten, die uns guttun wie wir ihnen? Wie können wir handeln, ohne zu kategorisieren, vermessen und bewerten? Welche Frequenzen senden wir aus und welche empfangen wir? Diese und weitere Fragen stellt die Ausstellung »Göttinnen«. Kuratiert von Nina Tabassomi wird sie prozessual entstehen. Die Arbeiten von Elisabeth von Samsonow, dem Karrabing Film Collective, Tejal Shah und Emeka Ogboh ziehen im zweiwöchigen Rhythmus nach und nach ins Taxispalais ein, dazwischen zeigt Ursula Beiler Performances. bis 1. Mai Innsbruck, Taxispalais
Beauty and the Beholder Die Gruppenausstellung der afrikanischen Künstler*innen Johnson Ocheja, Adesola Yusuf and Damilola Opedun erforscht die Nuancen der Schönheit. Sie fordert auf, überholte Theorien über fehlerhaft vorgefasste Meinungen zu überwinden. Dafür ist es unerlässlich, die politische und historische Bedeutung des schwarzen Körpers zu verstehen. Dies wirft Fragen auf wie etwa: Wie können wir unsere Wahrnehmung verändern, ohne ein abgenutztes Klischee durch ein anderes zu ersetzen? 23. Februar bis 26. März Wien, AG18 Gallery
Handspells. Preis der Kunsthalle Wien Die Ausstellung zum Preis der Kunsthalle Wien findet zum ersten Mal als Gruppenausstellung statt und versammelt acht Künstler*innen: Anna Spanlang und Diana Barbosa Gil, die beiden Hauptpreisträgerinnen, sowie Cho Beom-Seok, Jojo Gronostay, Nora Severios, Ani Gurashvili, Lukas Kaufmann und Chin Tsao. Durch die Öffnung des Preises für eine größere Auswahl künstlerischer Positionen soll ein breiteres Spektrum der Absolvent*innen der beiden Wiener Kunsthochschulen vorgestellt werden können. 24. Februar bis 22. Mai Wien, Kunsthalle
Anna Jermolaewa: Chernobyl Safari Seit der Atomkatastrophe von Tschernobyl hat sich die Sperrzone rund um den Reaktor des Kernkraftwerks zu einem Naturschutzgebiet entwickelt. Luchse, Wölfe, Adler, Wildpferde und andere seltene Tiere leben in dem fast menschenleeren Gebiet. In ihrer Ausstellung »Chernobyl Safari« unternimmt die Künstlerin Anna Jermolaewa den Versuch, die Fauna dieses Areals als eine Welt ohne Menschen zu denken. Eine Vision die wir im Anthropozän ausschließlich aus unserer Vorstellungskraft ziehen können. 9. März bis 5. Juni Wien, MAK Galerie
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Termine Filme & Serien
3 Fragen an Jannis Lenz
Du bist über Parkour beim Film gelandet. Inwiefern hat sich dies auf deine filmischen Arbeiten ausgewirkt? Meine ersten filmischen Experimente mit Parkour-Videos waren prägend für mich. Am Deutlichsten wird das wahrscheinlich an den choreografischen und körperlichen Elementen, die für meine Arbeit wesentlich sind. Deshalb versuche ich auch, diese Aspekte ständig zu entwickeln, etwa indem ich in »Soldat Ahmet« das Performative und Tänzerische beim Exerzieren im Bundesheer zeige. Der spielerische Umgang mit diesen Mitteln bietet mir die Möglichkeit, dem Publikum neue Perspektiven auf scheinbar gewohnte Abläufe aufzuzeigen um damit vertraute Muster und Systeme zu hinterfragen. Deine bisherigen Kurzfilme behandeln die Geschichten junger Menschen. Haben diese Projekte etwas gemein? Bei meiner Arbeit gehe ich von persönlichen Erlebnissen und Beobachtungen in meinem Umfeld aus. Wenn mich etwas nicht mehr loslässt, suche ich im nächsten Schritt nach der passenden Form, die es mir erlaubt, mich möglichst direkt und präzise diesem Thema anzunähern. Humor spielt eine große Rolle. Auch inhaltlich gibt es mal mehr, mal weniger offensichtliche Verbindungen zwischen den einzelnen Filmen. Mir gefällt der Gedanke, Figuren und Orte, mit denen ich mich intensiv beschäftige, zu einem späteren Zeitpunkt und in einer anderen Form wieder zu besuchen. Mein Kurzfilm »Schattenboxer« könnte der Prolog zu »Soldat Ahmet« sein. »Soldat Ahmet« Start: 11. März
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Come on, Come on Regie: Mike Mills ———— Für Fans von The National ist »Come on, Come on« ja quasi Pflicht, aber der Reihe nach: In Mike Mills’ Drama spielt Joaquin Phoenix den Radiojournalisten Johnny, der Kinder zu ihren Hoffnungen und Träumen interviewt. Kurzerhand muss er auf seinen Neffen Jesse (Woody Norman) aufpassen. Die beiden machen sich auf eine Reise quer durch die USA – und nebenbei philosophieren sie über den Zustand der Welt. Ganz in Schwarz-Weiß gehalten und mit einem Soundtrack von The National schafft Mike Mills einen Film über die wichtigen Fragen, die Kinder und Erwachsene stellen sollten. Woody Normans Potenzial wird gelobt, bei Rotten Tomatoes überzeugt der Film 95 Prozent der Kritiker*innen. A24 konnte ja in den letzten Jahren mit vielen Indie-Produktionen – wie etwa »The Lobster«, »Lady Bird« oder »Moonlight« – glänzen, mit »Come on, Come on« kündigt sich nun das nächste sehenswerte Juwel an. Start: 24. März
Rimini Regie: Ulrich Seidl ———— Um Ulrich Seidl war es in den letzten Jahren etwas still. 2016 nahm er uns noch mit auf »Safari«, danach folgten einige Erfolge als Produzent, sonst mussten sich Fans jedoch gedulden. 2022 ist es nun soweit: »Rimini« (auch unter dem Titel »Böse Buben« bekannt) erblickt das Licht der Kinowelt. Gedreht 2017 und 2018 an 85 Tagen u. a. in Rimini, erzählt der Film die Geschichte des ehemaligen Schlagerstars Richie Bravo (Michael Thomas), der zwischen Rausch und Spielsucht die Zeit vergehen lässt. Eines Tages steht seine erwachsene Tochter Tessa (Tessa Göttlicher) vor ihm und fordert Geld ein. Währenddessen muss sich sein dementer Vater (Hans-Michael Rehberg) im Pflegeheim mit der eigenen Nazi-Vergangenheit auseinandersetzen. »Rimini« feierte seine Weltpremiere auf der Berlinale. Wir sind auf jeden Fall schon gespannt! Start: 8. April
Steffi Dittrich, A24, Ulrich Seidl Filmproduktion, Sky Studios / Rekha Garton, Peacock
Wie bist du zum Thema deines neuen Films gekommen? Ahmet und ich sind seit vielen Jahren befreundet. Er hat 2015 als Laiendarsteller die Hauptrolle in meinem Kurzfilm »Schattenboxer« übernommen – und ich war von seiner Präsenz vor der Kamera begeistert. Mir fiel auf, dass ich Ahmet als Schauspieler und Boxer kenne, von seiner Arbeit beim österreichischen Bundesheer aber kaum etwas weiß. Mich haben die Spannungsfelder interessiert, die sich aus den sehr unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsbereichen ergeben, und wie Ahmet es schafft, diese scheinbar widersprüchlichen Dinge zu verbinden.
Barbara Fohringer
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Regisseur von »Soldat Ahmet«
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Steffi Dittrich, A24, Ulrich Seidl Filmproduktion, Sky Studios / Rekha Garton, Peacock
Barbara Fohringer
Aheds Knie Regie: Nadav Lapid ———— 2019 begeisterte Nadav Lapid mit »Synonymes« Publikum wie Kritik und konnte sogar bei der Berlinale den Goldenen Bären einheimsen. Nun inszeniert er mit »Aheds Knie« eine Geschichte um einen Regisseur, der in ein abgelegenes Dorf kommt und dort zwei Kämpfe austragen muss: den gegen den Tod seiner Mutter und den gegen das Ende der Freiheit in seinem Land. Start: 25. Februar
The Card Counter
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Regie: Paul Schrader ———— William Tell (Oscar Isaac) ist Kartenspieler und die Casinos sind seine zweite Heimat. Davor war er in der Army tätig, ein Umstand, der ihn noch immer belastet. Er trifft auf den jungen Cirk (Tye Sheridan) – und will mit ihm gemeinsam Rache nehmen an einem hohen Offizier der US-Armee (Willem Defoe). Oscar Isaac könnte für diese Rolle seinen ersten Oscar mit nach Hause nehmen. Start: 4. März
Parallele Mütter
MIT EXTRA VIEL
RINDFLEISCH
Regie: Pedro Almodóvar ———— Pedro Almodóvar erzählt in seinem neuen Film die Geschichte zweier Frauen, die ungeplant schwanger werden. Abermals ist es also das Thema der Mutter- bzw. Elternschaft, das ihn interessiert, abermals ist Penélope Cruz zu sehen und abermals konnte die Kritik überzeugt werden. Gedreht wurde in Madrid, die Uraufführung fand im Rahmen der Internationalen Filmfestspiele von Venedig 2021 statt. Start: 4. März
AUS ÖSTERREICH
Das Ereignis Regie: Audrey Diwan ———— Die Verfilmung nach dem gleichnamigen Roman von Annie Ernaux erzählt die Geschichte einer jungen Frau, deren Leben sich plötzlich ändert, als sie ungewollt schwanger wird und eine Abtreibung möchte. Obwohl der Film im Frankreich der 1960er spielt, sind seine Themen rund um weibliche Selbstbestimmung brandaktuell. Der Film erhielt bei den Festspielen in Venedig den Goldenen Löwen. Start: 18. März
Rotzbub – Der Deix-Film Regie: Marcus H. Rosenmüller, Santiago López Jover ———— Was zum Lachen können wir ja alle gerade brauchen – da kommt dieser vom großen österreichischen Karikaturisten Manfred Deix inspirierte Animationsfilm genau richtig. Mit bekannten Stimmen (Thomas Stipsits, Gerti Drassl, Maurice Ernst, …) erzählt der Film die Geschichte Deix’, also von einem Rotzbuben, der zeichnet und es quasi mit einem österreichischen Dorf aufnimmt. Start: 24. März
Bel-Air
The Rising
Idee: Will Smith, Morgan Cooper ———— Von 1990 bis 1996 lief »The Fresh Prince of Bel-Air«. Die Serie brachte nicht nur zum Lachen, sie rückte auch schwarze Menschen in den Fokus und machte Will Smith zum Star. 2020 folgte ein Special mit dem alten Cast – und nun ein Reboot. Mit schlichterem Titel, mehr Fokus auf Drama statt Komödie und Will Smith im Hintergrund erzählt »Bel-Air« die Geschichte des jungen Will (Jabari Banks), der zu seinen reichen Verwandten zieht. Start: 14. Februar Sky
Idee: Ed Lilly, Thora Hilmarsdottir ———— Nach einer Party taucht Neve Kelly (Clara Rugaard) aus einem See auf. Sie kehrt zurück zu ihrer Familie und muss schnell feststellen, dass niemand Notiz von ihr nimmt. Wie denn auch, schließlich ist sie tot. Das macht Neve wütend, sie ist fix davon überzeugt, dass sie ermordet wurde und versucht nun diesen Mord aufzuklären. Dabei wird sie nochmals mit ihrem Leben und den Menschen darin konfrontiert. Start: 11. März Sky
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Christoph Prenner
bewegen bewegte Bilder – in diesem Kompendium zum gleichnamigen Podcast schreibt er drüber
Screen Lights Trennungsscherz Dass diese elendige ewige Pandemie als einzige große Entzauberungsmaschine für alle möglichen fundamentalen Lebensgewissheiten zu fungieren wusste, das braucht man in deren drittem Frühling nun ja wahrlich niemandem mehr begreiflich machen. Ja, selbst lange herbeigesehnte Utopien haben in dieser Zeit massiv an Glanz und Strahlkraft verloren. Jene vom Homeoffice für alle etwa. Was hätte man noch im Februar 2020 dafür gegeben, nicht nur die (im besten Fall) vereinbarten ein, zwei Werktage vom eigenen Schreibtisch aus bestreiten zu können? Sondern jeden einzelnen, den Kontakt mit mühsamen Vorgesetzten und die Zeit für gemütszerschmetternde Teamzusammenkünfte dabei auf verabredete Dates im sozial distanzierten digitalen Raum beschränkend? Die Ernüchterung folgte freilich auf den Fuß – und das rascher als die meisten vermutet hatten. Nein, der daily grind wurde auch dadurch nicht annehmbarer, dass man zwischen zwei Aufgaben kurz mal die Wäsche aufhängen oder Jour fixes in der Pyjamahose bestreiten konnte. Vielmehr vermischten sich privates und berufliches Leben binnen Kurzem in unangenehmer, unentwirrbarer Manier, endete der Arbeitstag nun nicht mehr mit dem Verlassen des Office-Spaces, sondern mit dem letzten, echt nur ganz kurzen Checken der Mails knapp vorm Schlafengehen. Ja, man musste sich nicht mehr »noch ein wenig Arbeit« mit nach Hause nehmen. Diese wartete dort schließlich eh schon zu jeder Tages- und Nachtzeit.
Radikale Work-Life-Balance Wie verlockend erscheint angesichts dieser Optionen – zumindest auf den ersten Blick – die Prämisse, mit der der Serienneuling »Severance« aufwartet. Die im Titel angekündigte Trennung ist darin nämlich durchaus wortwörtlich zu verstehen: Auf freiwilliger Basis können sich die Angestellten des
Konzerns Lumon Industries einem invasiven Prozedere unterziehen, das ihr Arbeits-Ich von ihrem privaten Ich gewissermaßen entkoppelt. Sobald zum Beispiel Langzeitmitarbeiter Mark (Adam Scott) in dieser radikalen Version von perfekter Work-Life-Balance im Aufzug im steril stylishen Retrogroßraumbüro angekommen ist, um dort einer für ihn kaum nachvollziehbaren Tätigkeit nachzugehen, sind sämtliche Erinnerungen an das übrige Leben wie ausgelöscht. Das ganze Konzept funktioniert naturgemäß auch in die andere Richtung. Kein Arbeitsstress soll den Feierabend belasten, kein persönlicher Seelenschutt umgekehrt im Job in die Quere kommen. Friktionsfreies Funktionieren, aus freien Stücken, mit gesprengten Brücken: das zynische Beste beider Welten, ein feuchter Mehrwerttraum. Zumindest so lang man die Routine (und damit sich selbst) nicht zu hinterfragen beginnt oder gar versucht, hinter die Kulissen dieser schönen neuen Arbeitswelt zu schauen – so wie NeoKollegin Helly (Britt Lower), die sich ihrem selbstgeschriebenen Schicksal nicht und nicht ergeben möchte: selbst eine unerwartete Disruptorin in der hochglänzend rausgeputzten Disruptionsendstation.
Die nächste Evolutionsstufe Verführerisch und gewiss nicht verkehrt also, diese in großen Teilen von Ben Stiller inszenierte und auch noch mit Ikonen von Patricia Arquette bis Christopher Walken besetzte High-Concept-Show als besonders beklemmende nächste Evolutionsstufe des sich bleibender Beliebtheit erfreuenden Genres der Workplace Comedy aufzufassen. Selbiges hatte sich in den letzten Jahren ohnehin schon weit von seinen arglosen Anfängen entfernt, in denen den Mühen des nine to five zwar immer schon mit oft widerwilliger, meist stiller Akzeptanz begegnet wurde, das allerdings –
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von »Taxi« über »Scrubs« bis »Parks and Recreation« – nie auf Kosten des Gaudiums des Publikums gehen durfte. In dieser Produktion für – ausgerechnet! – Apple TV+ bleibt einem das Lachen hingegen schon mal im Halse stecken. Wo sich die Verzweiflung im bislang beißendsten Abgesang auf die exzesskapitalistische Einbahnstraßenmentalität, dem drei Staffeln lang leider recht unbeachteten Seriengeniestreich »Corporate«, zumindest noch via unverhohlenen Zynismus ein Ventil verschaffen durfte, ist der Humor in »Severance« gleichsam schockgefroren – dabei jedoch keineswegs komplett verloren. Als ob sich die zwei Charlies Kaufman (»Eternal Sunshine of the Spotless Mind«) und Brooker (»Black Mirror«) für einen Remix von »The Office« zusammengetan hätten, liegt der Fokus dieser neuen Sorte von Arbeitsweltabrechnung nunmehr darauf, die Entmenschlichungsmechanismen der Corporate Culture nicht allein mit schneidender Satire zur Kenntlichkeit zu entstellen, sondern bei dieser Mission auch noch die wirkmächtigen Toolsets von Sci-Fi-Surrealismus und Paranoiathriller zum Einsatz zu bringen. Schaudern und Schmunzeln sind so in dieser Betriebsverstörung in Endlosschleife irgendwann nicht mehr klar zu trennen – etwa, wenn man dem eigenen ausgebeuteten Arbeitsego im fortgeschrittenen systembedingten Selbstverlust via Video ausrichtet: »I am a person, you are not.« Die große Entzauberungsmaschine, sie wurde unverkennbar grade erst einmal angeworfen. prenner@thegap.at • @prennero Christoph Prenner und Lillian Moschen plaudern im Podcast »Screen Lights« zweimal monatlich über das aktuelle Film- und Seriengeschehen – sie treffen sich dafür freilich in keinem seelenlosen Office-Space, sondern in den lauschigen Räumlichkeiten des Avalon Kultur im achten Wiener Gemeindebezirk.
Luca Senoner, Apple TV+
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Schaudern und Schmunzeln: Adam Scott in »Severance«
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Luca Senoner, Apple TV+
JUK.AT
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Du fragst dich, was es mit dieser Seite auf sich hat? Details zu unserer Rubrik »The Cut« findest du im Inhaltsverzeichnis auf Seite 5.
Termine Bühne
Knechte »›Das Schweigen der Lämmer‹ meets ›Geschlossene Gesellschaft‹. Die Taten begeht die Gesellschaft gemeinsam, aber ins Gefängnis gehen nur diejenigen, die am Ende der Hackordnung stehen.« In der Uraufführung von Carmen Jeß’ Stück treffen fünf Häfnbrüder aufeinander, die die Geschichten der jeweils anderen ergründen wollen. Ein mit derber und bildreicher Sprache inszenierter Zoom auf die Eingeweide unserer Gesellschaft. Mit einem invertierten Blick auf die global vorherrschende Misogynie und falsch verstandene Männlichkeit. bis 5. März Wien, Kosmos Theater
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She Legend Im März präsentiert Imagetanz wieder neue Positionen aus Choreografie und Performance mit einem umfangreichen Programm voller Uraufführungen lokaler Künstler*innen, internationaler Gastspiele, Studiobesuche und mehr. Eröffnet werden die drei Festivalwochen mit »She Legend«, einem Stück des Hamburger Duos Rykena/Jüngst. Die beiden Choreograf*innen begeben sich damit auf die Suche nach den queeren Potenzialen der Comicwelt, ihren Superheld*innen und ihren choreografischen Übersetzungen auf die Bühne. Mit überzeichneter Gestik und expressiver Mimik werden Lisa Rykena und Carolin Jüngst zu futuristischen, cyborgartigen Gestaltenwandler*innen. Sie denken Heldenerzählungen um und verkörpern nichtkonforme Figuren im Kampf gegen Stereotype. 4. und 5. März Wien, Brut Nordwest
Rechnitz (Der Würgeengel) In der Nacht zum Palmsonntag 1945 wurden 180 jüdische Zwangsarbeiter im burgenländischen Rechnitz erschossen. Auf dem nahegelegenen Schloss von Gräfin Margit Batthyány fand zeitgleich ein Fest der lokalen NS-Prominenz statt. Die Festgäste sollen an dem Massaker beteiligt gewesen sein und nach vollzogener Untat weitergefeiert haben. Elfriede Jelineks Theaterstück widersetzt sich – in aller Eindringlichkeit – dem Verschweigen und Verdrängen, die (nicht nur) dieses Verbrechen begleitet haben. In der Regie von Anna Bergmann. 19. und 20. Februar, 16., 23. und 31. März Wien, Theater in der Josefstadt
Wolga
… des Göttlichen. Bildende Kunst trifft symphonische Musik. Vom Roman »Weltlicht« des isländischen Nobelpreisträgers Halldór Laxness ausgehend, begibt sich der bildnerische Künstler Ragnar Kjartansson auf eine Reise in die Vergangenheit des Theaters. Im Zentrum von Laxness’ Roman steht ein armer Poet auf der Suche nach künstlerischer Erfüllung und einer vielleicht unmöglich zu findenden, absoluten Schönheit. Die Produktion steht in der Tradition sogenannter Pictorial Music Plays, der Loslösung des Theaters vom Drama. Zu sehen sind eigens kreierte Werke Kjartanssons zu einer Komposition des ehemaligen Sigur-Rós-Mitglieds Kjartan Sveinsson. Aufgeführt durch die Wiener Symphoniker und den Chorus sine nomine. 17., 18. und 19. März, 2. und 3. Mai Wien, Volkstheater
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»Porträt eines schwulen Künstlers als alternder Mann«, so der Untertitel dieses sehr persönlichen Theaterabends. Lorenz Kabas erzählt aus seiner eigenen Geschichte – manchmal direkt und unverstellt, manchmal theatral aufbereitet über Texte, Bewegungen oder Zuspielungen. Dabei nähert er sich verschiedenen Themenbereichen an, die immer ein wenig anders angeordnet und betont werden. Einfach nur eine persönliche Nabelschau soll daraus aber nicht werden, vielmehr soll das radikal Persönliche zum Zuhören einladen, teils verunsichern oder gar verstören. 4. März bis 2. April Graz, Theater im Bahnhof
Jana Wachtmann
Der Klang der Offenbarung …
Warme Geschichten für kältere Zeiten
Daniel Domolky, Thomas Aurin
In sozialistischen Staaten der 1960er und 1970er-Jahre kursierte die Legende von der schwarzen Wolga-Limousine: Priester, Satanist*innen, Vampire sollen darin Kinder entführt haben, um ihr Blut an reiche Deutsche zu verkaufen. Ausgehend von diesem urbanen Mythos, der sich in abgewandelter Form bis heute hält, schafft das Kollektiv Rohe Eier 3000 mit »Wolga« ein Horrorszenario in der grellen Ästhetik von Giallo-Filmen. Mit comichaftem Bühnenbild und Livemusik von Ricaletto. 23., 26. und 27. Februar, 3. und 4. März Wien, Werk X-Petersplatz
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Josef Jöchl
artikuliert hier ziemlich viele Feels
Es gibt Leute, die binden sich sehr schnell an andere. Sie eröffnen wegen jeder Kleinigkeit einen Gruppenchat, übertreiben es in Sachen Emojis und steigen aus keinem Uber aus, bevor sie nicht mindestens einen secret handshake mit dem Fahrer etabliert haben. So jemand bin ich eigentlich nicht. Meine Zurückhaltung ist mir lieb wie eine etwas langweilige Freundin. Sie sorgt dafür, dass ich früher nach Hause gehe, dafür bin ich am nächsten Morgen topfit. Wenn es sich hingegen um ein Love Interest handelt, ist das Ganze eine totally different story. Da gebe ich hin und wieder ein bisschen zu viel Gas. Nach nur einem vielversprechenden Date dürfen meine Freund*innen in der Regel eine vollständig animierte Powerpoint-Präsentation erwarten. Schließlich sollen sie wissen, von welcher Person sie ein paar Wochen lang hören werden, ohne sie jemals zu Gesicht zu bekommen. So geschehen auch beim ruhigen Spanier, der mir letzten Herbst über den Weg gelaufen ist.
Hello Neighbor! Es war natürlich keine richtige Powerpoint. Ein Freund fragte mich, was in meinem Leben gerade so passierte, was ich zum Anlass nahm, ihm ein paar Fotos vom Spanier vorzuwischen. Mit dem hatte ich inzwischen drei gute Abende verbracht. Klassische erste Dates: Händchenhalten auf herbstlichen Spaziergängen, bei einer heißen Schokolade über Kindheitstraumata quatschen, sich gegenseitig sagen, für welches Obst man sich hält. Ich bin eine Mandarine. Der Gesichtsausdruck des Freundes veränderte sich, als er das Foto des Spaniers sah. »Josef, das ist jetzt vermutlich ein bisschen komisch, aber der Typ hat mich letzte Woche
auch angeschrieben«, sagte er und zeigte mir den dazugehörigen Grindr-Chat. »Hello Neighbor« stand da Schwarz auf Blau. Ich tat die Situation achselzuckend als typischen DatingFail ab. »Go for it!«, sagte ich ein bisschen zu enthusiastisch und klopfte dem Freund auf die Schulter – »been there, done that, bought the T-Shirt!« Erst zwei Minuten später flitzte ich nach Hause, um dem Spanier mitten in der Nacht eine gekränkte Whatsapp-Nachricht im Umfang von zwei DIN-A4-Seiten zu schicken wie ein normaler Mensch.
Attachment Theory Manchmal frage ich mich, ob ich in romantischen Angelegenheiten ein bisschen zu schnell bin, ein bisschen zu fieberhaft warte, zu verfügbar bin, binnen meines ersten Lebensjahres zu wenig in den Arm genommen wurde. Der nächste Morgen war so ein Moment. Ich fühlte mich elend, wie immer, wenn mich meine Zurückhaltung im Stich lässt. Der Spanier fand nachvollziehbare, aber langweilige Gründe für sein Verhalten: Er lebte erst seit wenigen Monaten in der Stadt, nutzte Dating-Apps auch um platonische Freunde kennenzulernen, außerdem wäre es ja nur ein »Hello Neighbor« gewesen und vielleicht verstünden wir uns ja doch nicht so gut. Doch diese Rationalisierungen interessierten mich einen Dreck. Niemals wollte ich in einer Welt leben, in der Händchenhalten nichts mehr bedeutete. Um zu verarbeiten, machte ich mich daran, einen Zaubertee aus getrockneten Mandarinen, Rosenblüten und meinen Fingernägeln zu kochen, den ich liebevoll verpackt auf seiner Fußmatte platzieren würde. Dann ging ich in die nächste Filiale des Bekleidungskonzerns, für den er arbeitete, und brachte dort
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ein paar Stapel Pullis durcheinander, bevor ich mich in die U-Bahn setzte, um einige Stationen lang öffentlich zu weinen. Mit den Jahren weiß man einfach, was einem guttut.
Love on the Spectrum Bald kam ich wieder klar. Der Spanier und ich hatten uns auf nette Art entschieden, einander fremd zu bleiben. Das musste ich akzeptieren. Dating im Spätkapitalismus ist eben kein Kindergeburtstag. Den meisten geht es darum, das Beste aus dem verfügbaren Pool an Potentials herauszuholen. Nur deshalb existieren Begriffe wie Benching, Breadcrumbing oder Cushioning, die genau das bedeuten, was man hinter ihnen vermutet. »Alle jagen ständig etwas Besserem hinterher«, postete ich resignierend in einen Gruppenchat, den ich extra zu diesem Zweck eröffnete. »Wer zuerst schreibt, hat schon verloren«, schob ich, begleitet von einer etwas überschwänglichen Emoji-Selection, hinterher. Im Grunde wusste ich überhaupt nichts über diesen Spanier. Er war schon extrem ruhig. Vielleicht befand er sich ja auch im Spektrum. »Da lag immer ein Rubik‘s Cube auf seinem Wohnzimmertisch«, erzählte ich meinem UberFahrer, der verständnisvoll nickte, während er auf die menschenleere Straße einbog, in der ich wohnte. Ich gab ihm fünf Sterne und ging davon aus, dass er wenig später dasselbe tun würde. Aber man sollte sich in solchen Dingen niemals zu sicher sein. joechl@thegap.at • @knosef4lyfe Josef Jöchl ist Comedian. Sein aktuelles Programm heißt »Nobody«. Josefs Auftrittstermine sind auf seiner Website www.knosef.at zu finden.
Ari Y. Richter
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Sex and the Lugner City L’aubergine espagnole
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