Neo-Pronomen & Co
Der Vielfalt gerecht werden
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AUSGABE JUNI / JULI 2022 — THE GAP IST KOSTENLOS UND ERSCHEINT ZWEIMONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1052 WIEN, P.B.B. | MZ 18Z041505 M
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Editorial
All dressed up and nowhere to go?
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Herausgeber Manuel Fronhofer, Thomas Heher
Es ist wieder Pride Month – und dieser kommt auch heuer nicht ohne einen Haufen Ambivalenzen. 31 Tage lang werden auf der einen Seite wieder Firmenlogos in Regenbogenfarben hauchdünne Lippenbekenntnisse schmücken, die bunten Zebrastreifen herausgeputzt und an diesem einen Tag der Parade darf in der Hauptstadt sogar ausgelassen und sichtbar gefeiert werden. Auf der anderen Seite werden viele Personen der LGBTQIA*-Community nach wie vor aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen, in der Öffentlichkeit diskriminiert oder gar angegriffen. Während sich in Teilen Österreichs langsam, aber sicher eine gewisse Akzeptanz von Lebensentwürfen, die der konservativen Norm nicht entsprechen, einstellt bzw. Diversität nicht nur toleriert, sondern zumindest oberflächlich unterstützt wird, verwässert der Diskurs zusehends und Positionen wie »Aber es passiert doch eh schon genug« werden weiter salonfähig. Und auch innerhalb von Kreisen, die vermeintlich dieselben Ziele verfolgen, ist man sich längst nicht mehr einig, welche politischen Ziele mit welcher Priorität verfolgt werden sollen. Ein Beispiel dafür ist die Debatte um die Verwendung von NeoPronomen, die mittlerweile bis tief in die Codes von Social-MediaPlattformen vorgedrungen ist, aber auch teilweise von Queers wegen des angeblich fehlenden substanziellen Charakters unter dem Kampfbegriff der Identitätspolitik verspottet wird. Dass diese künstliche Entweder-oder-Lücke eigentlich gar nicht bestehen müsste, argumentiert Bernhard Frena deshalb in der ausführlichen Coverstory zu Neo-Pronomen und räumt damit nicht nur Unsicherheiten aus, sondern geht auch auf häufige Kritik ein. Susanne Gottlieb besuchte das neue Queer Museum Vienna im Volkskundemuseum, das nach einer permanenten Bleibe sucht. Markus Höller recherchierte zu den Risiken von Chemsex. Berfin Silen porträtierte eine jugendliche nicht-binäre Person auf der Suche nach ihrer Identität in einem schwierigen Spannungsfeld. Und weil es bei aller Beschwerlichkeit auch einiges an Grund für Queer Joy gibt, schaute sich Christoph Benkeser die App Trppn aus der Wiener Clubkultur an. Denn Clubs sind wohl mit die massentauglichsten Spektakel, die wir als Gesellschaft der Black Queer Community zu verdanken haben.
Chefredaktion Sandro Nicolussi Leitender Redakteur Manfred Gram Gestaltung Markus Raffetseder Autor*innen dieser Ausgabe Christoph Benkeser, Barbara Fohringer, Bernhard Frena, Susanne Gottlieb, Markus Höller, Oliver Maus, Tobias Natter, Victor Cos Ortega, Dominik Oswald, Berfin Silen, Jana Wachtmann Kolumnist*innen Josef Jöchl, Imoan Kinshasa, Christoph Prenner, Gabriel Roland Fotograf*innen dieser Ausgabe Fabian Gasperl Coverillustration Illi Anna Heger (www.annaheger.de) Lektorat Jana Wachtmann Anzeigenverkauf Herwig Bauer, Manuel Fronhofer, Sarah Gerstmayer (Leitung), Thomas Heher, Martin Mühl, Thomas Weber Distribution Andrea Pfeiffer Druck Grafički Zavod Hrvatske d. o. o. Mičevečka ulica 7, 10000 Zagreb, Kroatien Geschäftsführung Thomas Heher Produktion & Medieninhaberin Comrades GmbH, Stauraczgasse 10/4, 1050 Wien Kontakt The Gap c/o Comrades GmbH Stauraczgasse 10/4, 1050 Wien office@thegap.at — www.thegap.at Bankverbindung Comrades GmbH, Erste Bank, IBAN: AT39 2011 1841 4485 6600, BIC: GIBAATWWXXX Abonnement 6 Ausgaben; Euro 21,— (aktuell: Euro 19,97) www.thegap.at/abo Heftpreis Euro 0,— Erscheinungsweise 6 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1052 Wien
Daniel Nuderscher
Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz www.thegap.at/impressum
Sandro Nicolussi
Chefredakteur • nicolussi@thegap.at
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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber*innen wieder. Für den Inhalt von Inseraten haften ausschließlich die Inserierenden. Für unaufgefordert zugesandtes Bildund Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmi gung der Geschäftsführung.
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Magazin 014
er Vielfalt gerecht werden D Wie Neo-Pronomen eine Lücke füllen
024 Es ist kompliziert Sex, Drugs & Queerness 026 »Ich will mich einfach nicht labeln« Die Identitätssuche nicht-binärer Jugendlicher
036 »Wir nehmen unsere Freiheit oft für selbstverständlich« Marie Kreutzer im Interview zu »Corsage«
004
030 Gegen den Mainstream der Geschichte Das Queer Museum Vienna bereichert Wiens Kulturleben
032 »Wir wollen die Clubkultur revolutionieren« Was die Wiener App Trppn auf dem Dancefloor sucht
Ricardo Vaz Palma / Alamode Film, Carlos Vergara »Caribbean Dreams«, Trppn, Luca Senoner, privat
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Christoph Prenner Als »Fleisch gewordener Kulturdiskurs« wurde Christoph an dieser Stelle im Jahr 2013 beschrieben. Dem ist wenig hinzuzufügen. Noch immer weiß er bestens Bescheid und redet leidenschaftlich gerne – nicht nur, aber vor allem – über diese eine neue Serie oder diesen einen neuen Film. Seit einigen Ausgaben gibt es seine präzisen, wortgewandten Erörterungen wieder regelmäßig in The Gap zu lesen. Und zwar in Form der Kolumne »Screen Lights«, einem Spin-off seines und Lilian Moschens gleichnamigen Podcasts.
Markus Höller
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R 2021 / JÄNNER 2022 — THE GAP IST KOSTENL VERLAGSPOSTAMT OS UND ERSCHEIN 1052 WIEN, P.B.B. | MZ 18Z041505 T ZWEIMON ATLICH. M
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AUSGABE DEZEMBE
003 Editorial / Impressum 006 News 011 Charts 022 Golden Frame 038 Prosa: Marija Pavlović 041 Rezensionen 046 Termine
AUSGABE FEBRUAR / MÄRZ 2022 — THE GAP IST KOSTENLOS UND ERSCHEINT ZWEIMONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1052 WIEN, P.B.B. | MZ 18Z041505 M
Rubriken
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Obwohl The Gap als Jungjourna list*innen-Kaderschmiede gehandelt wird, sind manche Eisen schon länger im Feuer. Der auf die 50 zugehende, aber kürzlich auf 37 geschätzte Markus Höller zum Beispiel. In seiner Medienlaufbahn hat der gebürtige Wiener, der mittlerweile im Speckgürtel residiert, unter anderem Stationen bei Vice, Filterlos und als Ghostwriter eingelegt. Für The Gap – sein erster Text erschien 2008 – reminisziert er unter anderem die guten alten Zeiten oder recherchiert zu Drogen und Politik.
ZWEIMONATLICH. GAP IST KOSTENLOS UND ERSCHEINT AUSGABE APRIL / MAI 2022 — THE | MZ 18Z041505 M VERLAGSPOSTAMT 1052 WIEN, P.B.B.
Ricardo Vaz Palma / Alamode Film, Carlos Vergara »Caribbean Dreams«, Trppn, Luca Senoner, privat
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Mavi Phoenix
Von »Young Prophet« zu »Marlon«
25 Fragen zur Gegenwart
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Ravers for Fut ure
Clubkultur wird
Ein Vierteljahrhundert The Gap
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nachhaltiger
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The Gap Jubiläumsabo 6 Ausgaben um nur € 19,97
Kolumnen 010 Einteiler: Gabriel Roland 012 Gender Gap: Imoan Kinshasa 054 Screen Lights: Christoph Prenner 058 Sex and the Lugner City: Josef Jöchl
Ihr mögt uns und das, was wir schreiben? Und ihr habt knapp € 20 übrig für unabhängigen Popkultur journalismus, der seit 1997 Kulturschaffen aus und in Österreich begleitet? Dann haben wir für euch das The Gap Jubiläumsabo im Angebot: Anlässlich unseres 25. Geburtstags bekommt ihr uns ein ganzes Jahr, also sechs Ausgaben lang um nur € 19,97 nach Hause geliefert.
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Splitter News
Ost-West-DJ-Achse beim Poolbar Festival
Neue Blue-Chip-Galerie in der Wiener Innenstadt
Das Poolbar Festival in Vorarlberg fährt diesen Sommer eine starke DJ-Schiene aus Wien. ———— Wir haben heuer beim Poolbar Festival einen fetten Brocken Wiener DJ-Clubkultur«, verkündet Herwig Bauer, Mitbegründer und Geschäftsführer des Poolbar Festivals, das den Kultursommer des Ländles seit 1994 prägt. Seit 2021 zeichnet Elias Manser für die DJ-Parade verantwortlich, die nach Schluss des Outdoor-Programms die Nächte im Alten Hallenbad in Feldkirch bespielt. Der umtriebige Manser ist in Wien und Vorarlberg eher unter seinen DJ-Pseudonymen bekannt: DJ Void, Elias, Molly Savage. Mit Vienna Worldwide betreibt er gemeinsam mit den Kollegen Stipo und Apua mittlerweile auch ein Label. Die Inspiration für die WienVorarlberg-Nächte zieht Manser aus alten Zeiten: »Als ich frisch nach Wien gezogen war, machten die damals bekannten Vorarlberger Festivals wie das Freakwave oder eben das Poolbar Festival auch Partys in Wien. Das war für Vorarlberger Studierende cool. Diesen Vibe und die Connection wollte ich mit dem diesjährigen Programm wiederherstellen. Wo früher die Late-Night-Acts der Poolbar oft aus Freundeskreisen bestanden, fahren wir mittlerweile durchkuratiert, damit die DJs die Acts des Open Airs komplettieren.« Der Fokus liegt auf DJs, die mit Vinyl auflegen oder eine Verbindung zu Vorarlberg haben. Auch Crews von St. Gallen aus der benachbarten Schweiz beziehungsweise vom Tante Emma Club in Innsbruck sind am Start. Besondere Highlights sind Erol Alkan, Salute und HVOB. Um auch der Vorarlberger Szene Tribut zu zollen, wurden die Residents des Stone Club eingeladen, der nach 41-jährigem Bestehen mittlerweile zwar geschlossen ist, aber als TechnoGrundstein des Bodensee-Bundeslands in Erinnerung bleiben wird. Genossen wird das Line-up am besten schnell, denn Sperrstunde im Westen ist nach wie vor um 4 Uhr. Bei Manser trifft das auf wenig Freude, aber er meint, das Konzept könne auch mit kompakten Timetables aufgehen. Schließlich sei man in Vorarlberg ja keine längeren Ausgehzeiten gewohnt – auch wenn die antiquierte Curfew hoffentlich auch dort bald der Vergangenheit angehört. Sandro Nicolussi
Die Galerie Eva Presenhuber eröffnete kürzlich einen medienwirksamen Standort in Wien. ———— So ein bisschen im Niemandsland der Stadt – zwischen Landesgerichtsstraße und Ring und gegenüber der mächtigen Südflanke des Rathauses – ist seit April diesen Jahres eine neue Galerie zu finden: die Galerie Eva Presenhuber. Wie es der Adresse gebührt, findet sich im Inneren nicht unbedingt der Geist der Boheme. Stattdessen Klarheit und Geometrie, aber nicht ohne Diversität: eine Freitreppe hier, ein offener Bogen dort. Alles sehr sauber, alles sehr schön. Es ist der nächste Schritt in einer beeindruckenden Karriere der Eva Presenhuber. 1989 verließ sie Wien Richtung Schweiz. Sie gründete 2003 ihre eigene Galerie in Zürich und kann mittlerweile weitere Räumlichkeiten in New York, noch mal Zürich und jetzt auch in Wien vorweisen. Bei über 40 zu repräsentierenden Künstler*innen auch eine Notwendigkeit. Was das Portfolio angeht, lag schon immer ein Schwerpunkt auf internationalen, um nicht zu sagen US-amerikanischen, Künstler*innen. Dass es kürzlich gelang, mit Chase Hall einen der rising stars der Malerei für sich zu gewinnen, untermauert diesen Ansatz genauso wie die Anziehungskraft des Namens Presenhuber. Zur (zwar fragwürdigen) Auswahl der »einflussreichsten« Personen der Kunstwelt (Art Review, 2013-16) gezählt zu werden, zeigt eben Wirkung. Die Ankunft einer Galerie dieses Kalibers hat medial einige Aufmerksamkeit erregt und sicherlich auch Hoffnungen geweckt. Ob sich diese erfüllen und die Wiener Kunstszene nachhaltig beeinflusst wird, wird sich zeigen. Jedenfalls ist mit der Übersiedlung Johann Königs (letztes Jahr) und Gregor Podnars (nächstes Jahr?) fast schon ein Trend zu beobachten. Die Mischung aus schönster Stadt der Welt, billigen Mieten – alles in Relation zu sehen, natürlich – und einer fördernden Kulturpolitik der Stadt macht wohl was aus. Victor Cos Ortega
Das Poolbar Festival findet vom 7. Juli bis 14. August im Alten Hallenbad in Feldkirch statt.
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Den neuen Standort durften zwei Österreicher eröffnen: Tobias Pils ließ seine Leinwände von bunten Wandflächen Gerwald Rockenschaubs begleiten, was den Räumlichkeiten verhaltenen Charme verlieh. Der Rest des Jahres steht wieder im Zeichen der Internationalität, beginnend mit einer Schau von Arbeiten Michael Williams’.
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P U D Eva Sutter, Reto Guntli
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PERFORMANCE FESTIVAL
CIBELLE CAVALLI BASTOS YUN-CHEN CHANG BEATRICE DIDIER
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MARITA BULLMANN
JAN HAKON ERICHSEN
DAVID HENRY NOBODY JR.
SARA LANNER
SAJAN MANI
BORIS NIESLONY
JIANAN QU
NON-FUNGIBLE KURATIERT VON FREDA FIALA UND RIVER LIN
YIANNIS PAPPAS
SARAH TROUCHE
XAVIER LE ROY
PERFORMANCE UND DIGITALISIERUNG
BODY? RONG XIE (ECHO MORGAN)
17.06. – 19.06.22
www.ooekultur.at #ooeart The_Gap_193_03-13_Splitter_Pack_BBA_mf.indd 7
IN ZUSAMMENARBEIT MIT DEM LANDESTHEATER LINZ 26.05.22 14:19
Schallplatten-Hub für Independent-Artists
Waves Festival mit Fokus auf Diversity
Der neue Service Phono.Space schneidet Platten in Einzelauflagen und bestechender Qualität. ———— Für viele Independent-Artists war es nach dem Vinylboom des vergangenen Jahrzehnts zuletzt kaum mehr möglich, Musik auf Platten rauszubringen, weil sie zu teuer wurden, die Herstellung bis zu einem Jahr in Anspruch nahm – je nachdem, welche Superstars gerade die globalen Kapazitäten blockierten – beziehungsweise Mindestauflagen von um die 300 Stück mit kleiner, lokaler Fanbase schwierig loszuwerden waren. Damit soll nun Schluss sein, zumindest wenn es nach Philipp Fasching geht, der ganz in Tradition eines Bedroom-Producers in einem Zimmer seiner Wohnung eine unscheinbare, aber wirksame Möglichkeit für den Plattenschnitt ab Stückzahl eins eingerichtet hat: »Ziel des Projektes ist, Künstler*innen und Labels von den Kosten und Risiken einer Schallplattenproduktion zu befreien und eine Plattform zu schaffen, die es für alle möglich macht, ihre Musik auf Schallplatte anbieten zu können.« Das Ganze funktioniert so: Die Plattenrohlinge mit wertigen 180 Gramm werden auf einem umgebauten Plattenspieler erwärmt und bekommen dann die Tracks von einem Diamantschneidekopf eingeritzt. Artists stellen dafür lediglich die Masterdateien zur Verfügung. Laut Herstellerangaben sollen die Platten bis zu 10.000 Mal ohne hörbare Einbußen abspielbar sein. Zum Start des Services installierte Fasching eine FundraisingKampagne, mit der er in Kooperation mit lokalen Künstler*innen das Projekt Lifeline Ukraine unterstützte. Mit Normalbetrieb sollen die Musiker*innen etwa 20 Prozent des Erlöses überwiesen bekommen, sobald fünf Platten über den Teller gegangen sind. Vorerst finden sich auf der Website Namen wie Xing, Sakura, Farr, Annika Stein oder Kaltenkirchen, der Gründer hat allerdings Größeres vor: »Phono.Space soll sich zu einer eigenständigen Plattform entwickeln, die sich als der Schallplatten-Hub für Musik von Independent-Artists und Subculture-Labels versteht, wo man genreübergreifend neue Künstler*innen entdecken kann.« Sandro Nicolussi
Zusätzliche Venues, frisches Generalthema – vieles ist heuer neu beim Club- und Showcase-Festival Waves. ———— Schon als das Waves Festival 2011 zum ersten Mal stattfand, setzte die Veranstaltung auf das verbindende Motto »East Meets West«. Es war einer der Gründungsgedanken, in Wien eine Plattform dafür zu schaffen, dass sich Vertreter*innen der Musikszenen aus Ost- und Westeuropa austauschen können. Das schlug sich nicht nur im Konferenzteil der Veranstaltung nieder, sondern trug auch dazu bei, dass über die Jahre unzählige Acts aus fast allen Ländern des Kontinents am Waves Festival zu sehen waren. Dieser Selbstanspruch wird das Festival auch weiterhin begleiten, ab heuer soll aber auch Gesellschaftspolitisches eine größere Rolle spielen. Jedes Jahr wolle man sich daher bestimmten Aspekten des umfassenden Themenfeldes Diversity widmen, so das Waves-Team: »Wir begreifen Diversity als ein organisatorisches sowie gesellschaftspolitisches Konzept, das einen wertschätzenden, bewussten und respektvollen Umgang mit Verschiedenheit und Individualität propagiert. Wir wollen mit unserem Fokus zum Abbau von Diskriminierung und zur Förderung von Chancengleichheit beitragen und sowohl im Festival wie auch auf der Konferenz die Vielfalt der Menschen darstellen – ungeachtet von Alter, Geschlecht, Ethnizität, sozialer Herkunft, Auftreten oder sexueller Orientierung.« Für die angeschlossene Waves Conference bedeutet das für heuer einen Schwerpunkt auf das Thema Micro-Activism. Außerdem werden Mental Health, die Familienfreundlichkeit der Musikbranche und ökologisches Handeln Thema sein. Und im Konzertprogramm – es erstreckt sich dieses Jahr vom Grätzl rund ums WUK bis hin zu Chelsea, Weberknecht, Fania Live und The Loft – ist mit einem bunten Angebot quer durch die Sparten zu rechnen. Einen Teil davon stellt das diesjährige Gastland Kanada. Folgende Acts aus Österreich sind bislang u. a. bestätigt: Bibiza, Bipolar Feminin, Christl, Doppelfinger, Farce, Oskar Haag, Kitana, Liz Metta, Palffi, Romc, Saló, Wallners und Zack Zack Zack. Jana Wachtmann
Mehr Infos zu potenziellen eigenen Releases und alle bisher verfügbaren Platten finden sich unter www.phono.space.
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Das Waves Festival findet von 8. bis 10. September in Wien statt.
Phono.Space, Alexander Galler
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Splitter News
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ØKSE RUCKER JASON MORAN BLACK FLOWER KATHARINA ERNST VINCENT COURTOIS ALBA CARETA GROUP PAAL NILSSEN-LOVE BUSHMAN‘S REVENGE THE VIJAY IYER TRIO TED POOR & CUONG VU SIGNE EMMELUTH’S AMOEBA GARD NILSSEN ACOUSTIC UNITY ISAIAH COLLIER & THE CHOSEN FEW GARD NILSSEN‘S SUPERSONIC ORCHESTRA CHRISTOPH CECH JAZZ ORCHESTRA PROJECT TRONDHEIM JAZZORCHESTRA & JASON MORAN L.U.M.E. – LISBON UNDERGROUND MUSIC ENSEMBLE EMILE PARISIEN SEXTET “LOUISE” FEAT. THEO CROKER AND MANY MORE...
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Gabriel Roland
Einteiler Getragen wird der Tisch Informierte Menschen wissen zu berichten, wie ein gewisser Modekolumnist — natürlich lange bevor er ein solcher geworden ist — veranlasst hat, im Fasching als Käse verkleidet zu werden. Aus einer gelben Strumpfhose und einem gelben Leiberl, auf das als Löcher Filzflecken in einer anderen Gelbschattierung geklebt wurden, entstand die gewandgewordene Wertschätzung dieses beliebten Lebensmittels. Und wenn etwas Gewand wird, dann wird es auch Mensch. Wenn man sich verkleidet, dann meist als Tier oder Mensch, nicht als Gegenstand und doch lässt sich feststellen, dass man sich in der Regel nur den Anschein solcher Dinge geben will, die man auch mag: Käse zum Beispiel — oder Wirtshaustische. Interessant wird das Unterfangen der Anleihe insbesondere dort, wo man sich nicht einfach einen Nachbau des gewünschten Objekts überstülpt (vgl. Werbemaskottchen), sondern ein Stilisierungsschritt geschieht. Das Verlangen, wie ein Molkereiprodukt auszusehen, stillte die Mutter des Kolumnisten, indem sie herausragende Charakteristika textil umsetzte. Das Kostüm bediente sich der Farbe und Struktur eines prototypischen Käses, sei-
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ne Form aber etwa ließ es unnachgeahmt. Um Welten ausdifferenziertere Methoden von sowohl Herstellung als auch gestalterischer Deutung ihres Ausgangsmaterials stehen den Macherinnen des abgebildeten Pullovers zu Gebote. Die Schwestern Anna und Magdalena Kreinecker betreiben in Wien das Label Kreineckers, das limitierte Kleinserien handgemachter Kleidungsstücke herausgibt. Viele der vor allem durch ihre aufwendigen Drucke ins Auge stechenden Editionen entstehen in Zusammenarbeit mit anderen Kreativen. So haben die beiden kürzlich auch gemeinsam mit Marie Reichel und Norma Kiskan (zusammen: Tausend) einen Drop an 24 Pullovern lanciert.
Deck dich! Basis des Designs ist das ikonische rot-weiße Bauernkaro, das so viele österreichische und sicher auch andere Tischtücher ziert. Rechteckiggeometrische Muster wie dieses ergeben sich aus regelmäßigen Farbwechseln der Kett- und Schussfäden am Webstuhl. Umso bemerkenswerter ist es, dass sie bei den freilich nicht gewebten Plastiktischtüchern genauso üblich sind. Am Pullover hebt der Siebdruck den Zwang des Orthogonalen auf: Die Linien schwimmen.
Man fühlt sich trotzdem wohl an diesem Wirtshaustisch zum Anziehen, auch wenn der Stabilität der Idylle natürlich nicht ganz zu trauen ist. Es kommt aber ohnehin noch besser: Der Pullover ist über und über mit kleinen Ringerln besetzt, an die man von Sulz, Lampionkette und Brotkorb bis zu Darm und Fleck ganz nach der Manier von Tischtuchgewichten eine eklektische Mischung an themenverwandten Accessoires aus dem Hause Tausend hängen kann. Der Esstisch als Pullover als Bettelarmband also: Kreineckers und Tausend haben ein Kleidungsstück mit Beilagen gemacht, das eine Geschichte erzählt, spielerisch ist und dabei doch tragbar bleibt. Allein schon das Rasseln der aufgenieteten Ringerl ist ein Erlebnis! Und wer will, kann von hier aus auch noch weiter darüber nachdenken, ob wir uns nicht eigentlich öfter als gedacht wie Gegenstände anziehen, die uns gefallen. roland@thegap.at • @wasichgsehnhab Die Editionen der Kreineckers sind über ihren Webshop unter kreineckers.bigcartel.com erhältlich. Einen Überblick der wirtshäuslichen Anhänger von Tausend gibt’s unter www.tausend-official.com.
Fabian Gasperl
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betrachtet die hiesige Modeszene Stück für Stück
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TOP 10
Dinge und Tipps, die ich per Zeitreisepost meinem 15-jährigen Ich gerne schicken würde 01 30 Prozent meines Selbstbewusstseins (zur situationsbedingten Einnahme) 02 Sei lieber glücklich als cool (niemand war in der Schule cool) 03 Lass dir nie sagen, du kannst was nicht (du musst es nur lernen) 04 Hör auf dein Bauchgefühl! (Und iss genug, damit du es hörst!) 05 Der Menstruationscup (Endlich entspannt schwimmen gehen!) 06 Diese Lieder (extra auf CD gebrannt): Taylor Swift »Only the Young«, Florence + the Machine »King«, Macklemore (feat. Ke$ha) »Good Old Days« 07 »Feminismus für alle« von Bell Hooks (so viele Antworten, so viele Fragen) 08 Heb dein Gewand auf, es wird wieder in (Wirklich! Nein, ganz echt!) 09 Jetzt! Wohnung mieten! (Unbefristet! Sag’s deinen Geschwistern!) 10 Du machst schon alles richtig (Sonst machst du’s halt noch einmal)
TOP 03
Dinge, die mir Sorgen machen 01 Nur drei? Oh Gott, wo fang ich an? 02 KlimawandelDasSterbenimMittelmeerAlldieKriegeDieimmerreicherenReichen DieimmerärmerenArmenFemizideRassismusBacklashWissenschaftsleugnung 03 Ah, ging sich doch ganz gut aus (Oh, da war noch was: die Pandemie) Auch nicht schlecht: Mit guten Freund*innen in Ruhe reden. Dann wird aus einem Brunch eine SechsStunden-Ruheinsel. Der Rest der Welt darf inzwischen warten. Clara Stern ist Regisseurin und inszeniert dieses Jahr die Gala zur Verleihung des Österreichischen Filmpreises in Grafenegg. Ihr Spielfilm »Breaking the Ice« wird im Herbst ins Kino kommen.
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Charts W1ze TOP 10
Things I’d love to do still in my twenties 01 Front row tickets to a Beyoncé concert 02 Adopt a puppy 03 Eat one of those giant turkey legs in Disneyland 04 Really long trip throughout Southeast Asia 05 Go to Legoland 06 Take a pole dancing class 07 Learn how to roller-skate 08 Go bowling (I’ve never been) 09 Get my drivers license, just because 10 Go to Coachella
TOP 03
Johannes Hoss, Valerie Logar
Fabian Gasperl
Charts Clara Stern
Netflix binge animes 01 »Spirited Away« 01 »Tokyo Godfathers« 01 »Kotaro Lives Alone« Auch nicht schlecht At home spa day, which usually includes a good skin care routine, mimosas and crime documentaries Als Musiker*in steht W1ze für einen wandelbaren Sound, der nicht nur Ausdrucksform, sondern auch Mittel zur Selbstfindung ist. Aufgewachsen in Simbabwe, kam W1ze nach der Matura nach Österreich und steht seit 2019 bei Sony Music unter Vertrag.
BETRÜBT? Janina (25) & Lara (26) sind seit drei Jahren ein glückliches Paar. Schau genau hin, bevor du ein Urteil fällst. #WirSitzenAlleImSelbenZug
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HEUTE. FÜR MORGEN. FÜR UNS.
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Imoan Kinshasa
beschäftigt sich hier mit den großen und kleinen Fragen zu Feminismus
Seit ich denken kann, war für mich klar, dass ich einen Mann heiraten und genau drei Kinder haben werde. Bestenfalls vor 20. In meiner Welt waren Frauen, die »erst« nach 30 ihr »Leben beginnen« Verliererinnen. So war es seit meiner Pubertät eine Priorität in meinem Leben, einen Ehemann zu finden. Vielmehr: gefunden und für würdig befunden zu werden, eine Ehefrau zu werden. ———— Es fällt mir nicht leicht, darüber offen zu sprechen, denn heute finde ich die damalige »Pick-Me-Girl«Version von mir extrem abstoßend und peinlich. Aber am Ende wusste ich es nicht besser beziehungsweise wurde ich auch dazu erzogen, eines Tages eine folgsame Ehefrau zu sein. Man bringt schon kleinen Mädchen bei, dass Heirat und die Gründung einer Kernfamilie eine hohe Priorität im Leben haben. Erst ein Stück Metall an der Hand, von einem Mann auf Knien präsentiert, macht Mädchen in einigen Kulturen zur Frau. Auch anhand der Art, wie und was Mädchen spielen (sollen), meist Haushalt, Puppenmama und Ähnliches, lässt sich ein früher Einfluss auf das spätere Erwachsenenleben erkennen. Jungs dagegen dürfen toben, laut und dreckig sein. Jungs dürfen auch ein bisschen mit Puppen spielen, dennoch ist der Druck, ein brauchbarer Partner und Ehemann zu werden, wesentlich geringer.
Klare Vorstellung? Zur patriarchalen Gehirnwäsche gehört auch, dass man sich Familie nur in der klassischen Hetero-Konstellation vorstellen kann. So habe ich nie wirklich hinterfragt, ob ich eigentlich überhaupt wirklich heterosexuell bin. Obwohl mein erster richtiger Kuss mit einem Mädchen stattfand und wir auch andere Dinge probiert haben, war es trotzdem für mich nie ein Thema,
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etwas anderes als hetero zu sein. Natürlich hat auch mein Umfeld dazu beigetragen. Regenbogenfamilien waren im tiefsten Oberbayern vor 30 Jahren nicht wirklich sichtbar. Und was man nicht kennt, vermisst man nicht. Selbst mehrere Affären mit Mädels rüttelten nicht daran, denn Beziehungen hatte ich immer mit Männern. In meinem Kopf war es das einzige Lebensmodell, das ich mir vorstellen konnte und wollte. Die Überlegung, meiner Familie eine Partnerin vorzustellen, und die eventuellen Kommentare, die das Coming-out mit sich bringen würde, waren abschreckend genug, um diese Seite nur heimlich auszuleben. Innerlich ist es immer noch eine Hürde für mich, Frauen anzusprechen oder öffentlich Zuneigung zu zeigen. Die HeteroSchablone hat mich tief geprägt.
Partner sucht Mutter Der Prozess, mir einzugestehen, dass ich auf Männer und Frauen stehe, hat Jahrzehnte gedauert. Es öffentlich auszusprechen, war ein weiterer großer Schritt. Ich habe mich wie eine Schwerverbrecherin gefühlt. Als würde ich etwas Falsches tun. Mich jahrelang selbst in die Heterosexualität zu gaslighten, war bequemer. Und ich hab einen verdammt guten Job gemacht, mir einzureden, dass ich dieses Standard-1950er-Jahre-Leben wirklich für mich möchte. Heute kann ich zwar offen darüber reden, eine irrationale Sorge ist allerdings geblieben: Ich hinterfrage, ob ich überhaupt wirklich auf Männer stehe. Denn, was ich mit absoluter Sicherheit sagen kann, ist, dass mich das »Konzept« Mann absolut abstößt. Aus der Erfahrung früherer Beziehungen habe ich viel darüber gelernt, was ich von meinen Partner*innen möchte und was nicht. Bestimmte Verhaltensmuster haben sich
allerdings durch diese Beziehungen gezogen. Oft reden Frauen scherzhaft darüber, dass ihr Freund wie ein Kind sei. Und in der Tat gibt es Männer, die vermutlich eher eine Mutter als eine Partnerin brauchen. Diese gespielte Unfähigkeit ist allerdings nicht cute, sondern für mich abstoßend. Gerade wenn man so wie ich absolut gar keine Ambitionen mehr hat, jemals ein Kind zu gebären und großzuziehen. Auf Tiktok ist es ein Trend, sich als Heterofrau darüber zu beklagen, warum man nicht auf Frauen steht, denn auch sie haben keine Lust mehr. Auf der anderen Seite machen lesbische Frauen Scherze darüber, wie leicht Heterofrauen zu beeindrucken sind, weil die Messlatte dank Heteromännern im Keller liegt. Wenn man sich auf den Dating-Apps umschaut, dann findet man viele Frauen, die Erfahrungen mit anderen Frauen suchen und sich ausprobieren möchten. Und sicher sind auch Männer experimentierfreudiger mit ihrer Sexualität geworden. Für mich ist es befreiend zu wissen, dass ich mein Leben so gestallten kann, wie ich es mir vorstelle. Ich muss nicht leben, wie es mir Jahrzehnte lang vorgelebt und beigebracht wurde. Kein dämliches oder abwertendes Kommentar über die Art, wie ich liebe und lebe, verschreckt mich mehr. Verdanken tun wir diese Entfaltungsmöglichkeiten Menschen, die sich das Recht auf ihre Sexualität erkämpft haben und dafür teilweise sogar mit ihrem Leben bezahlt haben. Wir dürfen nie vergessen, dass der erste Pride-Marsch ein Aufstand war. Gleichzeitig gibt es immer noch Orte auf diesem Planeten, wo auf Queerness die Todesstrafe steht. Vergessen wir auch diese Menschen nicht. In diesem Sinne: Happy Pride Month! kinshasa@thegap.at @imoankinshasaa
Roman Strazanec
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Gender Gap Bin ich wirklich hetero oder ist das nur eine Phase?
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Roman Strazanec
„Entertainer. Freigeist. Gay.“ Jorge González
Uns verbindet mehr, als uns trennt. Mehr Infos
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Illi Anna Heger
Neo-Pronomen sind in aller Munde. Bei Hatern, Shitstorms und Kritiker*innen auf der einen, in queeren, progressiven und aktivistischen Szenen auf der anderen. Für manche sind sie unentbehrlich, drücken einen Teil ihrer Identität aus, sind notwendig, um richtig sprechen zu können. Für viele sind Neo-Pronomen aber einfach nur schwer verständlich. Ihr Zweck ist nicht nachvollziehbar, ihre Verwendung unklar, ihre Lesbarkeit fragwürdig. Über die Herkunft von NeoPronomen, warum die Gewöhnung an sie sehr viel schneller gehen kann, als wir glauben, und welche wichtige Lücke sie füllen. ———— Was ist ein Name? Eine Bezeichnung, eine Anrufung, etwas, das uns andere nennen. Namen sind etwas, das wir über uns hören, das uns zugerufen wird, worauf wir trainiert sind zu reagieren. Aber Namen sind mehr. Sie sind Teil unserer Identität. Wenn ich sage, »Ich bin Bernhard«, dann bedeutet das mehr als nur »Ich heiße Bernhard« oder »Ich werde Bernhard genannt«. Mein Name gehört zu mir, ist Teil von mir, mit allen Ambivalenzen, die dazugehören: etwa meiner Ambivalenz gegenüber den germanischen Wurzeln des Namens, der Kultur und Geschichte, mit der mich dieser Name verbindet. Oder meiner Ambivalenz gegenüber der Ästhetik des Namens, seiner Übersetzbarkeit in andere Sprachen, seiner Aussprache und Aussprechbarkeit. Oder meine Ambivalenz gegenüber seiner eindeutigen geschlechtlichen Zuschreibung, die mich nachhaltig mit einem Geschlecht verbindet, in dem ich mein Leben lang sozialisiert wurde, aber zu dem ich schon lange keine besondere Zugehörigkeit mehr fühle. Doch mit meinem Namen verbinden sich auch schöne Dinge, Erinnerungen, meine eigene Geschichte. Mein Name ist mit mir und ich bin mit meinem Namen gewachsen. Wir haben uns über die Jahre zerstritten, ausge-
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söhnt, angefreundet. Mein Name steht für diese Geschichte, er ist Platzhalter und Kürzel für mich, für meine Identität. Dabei hilft, dass Namen vielschichtig, divers und – im Vergleich zur gesamten Menschheit – selten sind. »Bernhard« schreibt mich in eine bestimmte kulturelle Linie ein, aber nicht nur. Es schreibt mich in einen bestimmten Sprachraum ein, aber nicht nur. Es schreibt mich in eine bestimmte Geschlechtlichkeit ein, aber nicht nur. »Bernhard« gehört zumindest so viel zu mir, wie zum Rest der Welt.
»Wenn NeoPronomen jetzt breiter aufgegriffen werden, liegt das daran, dass sich Menschen eines Mangels bewusst werden.« — Illi Anna Heger Auch Pronomen sind eine Bezeichnung, eine Anrufung, etwas, das uns andere nennen. Sie sind Platzhalter für unseren Namen, für unsere Identität, für uns. Sie verkürzen uns auf bis zu zwei Buchstaben. Sie nehmen uns Arbeit ab, wenn wir über uns, zu anderen oder über andere reden. Doch gerade im Deutschen sind Pronomen kaum divers, kaum vielschichtig und der Ballast, den sie mitschleppen, rekurriert vor allem auf eine
Kategorie: Gender. Für Menschen – abseits von kleinen Kindern, deren Namen wir nicht kennen – haben wir in der dritten Person Singular in der Regel die Wahl zwischen exakt zwei Optionen: »er« und »sie«, männlich und weiblich. All die Komplexität, all die Diversität menschlicher Erfahrung runtergebrochen auf diese binäre Entscheidung: männlich oder weiblich?
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Der Vielfalt gerecht werden Wie Neo-Pronomen eine Lücke füllen
Täglicher Spießroutenlauf Nicht-binäre Menschen, die sich außerhalb der Binarität von männlich oder weiblich verstehen, haben in diesen beiden Optionen kaum Platz. Vielleicht ist ihr Geschlecht irgendwo zwischen den Schubladen einzuordnen (bigender), vielleicht fluktuiert es mit der Zeit oder der Situation (genderfluid), vielleicht besteht es völlig unabhängig von diesen beiden Schubladen (genderqueer) oder vielleicht hat die Person gar kein Gefühl davon, überhaupt so etwas wie ein Gender zu haben (agender) – um nur ein paar Möglichkeiten zu nennen. Manche nichtbinäre Menschen verwenden für sich die binären Pronomen, manche vermeiden Pronomen ganz. Für viele Menschen, deren Gender nicht in die beiden klassischen Schubladen passt, bedeuten Pronomen einen täglichen Spießroutenlauf. In der Forschung hat sich dafür der mitunter missverstandene Begriff der MikroAggressionen etabliert. Diese sind nicht unbedingt böswillig oder gar aggressiv gemeinte Akte gegenüber einer Person, die diese in ihrer (marginalisierten) Identität verletzen. Mikro-Aggressionen sind trügerisch, weil sie als Einzelakte kaum greifbar und damit auch kaum kritisierbar sind. Die Anzahl und Wiederholung ist es, die ihnen ihr aggressives Potenzial verleiht. Wenn mich etwa Men-
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schen immer und immer wieder als »Bernd« anreden würden, den ganzen Tag. Wenn ich permanent entweder Menschen korrigieren müsste oder aber ertragen, dass sie für mich den falschen Namen verwenden. Wenn mir ständig signalisiert würde, dass Menschen mich und meine Identität nicht genug respektieren, um meinen richtigen Namen, den Namen, mit dem ich mich identifiziere und mit dem ich mich selbst bezeichne, zu verwenden. Das wären Mikro-Aggressionen – ihre Folgen: konstante Irritation, zunehmende Selbstzweifel, soziale Distanzierung. Wie viel schlimmer, wenn sich diese Mikro-Aggressionen gegen Teile der Identität richten, die ohnehin schon Angriffspunkte von Marginalisierungen sind, von Diskriminierungen. Wunde Punkte, aufgerieben und empfindlich durch weit größere, sichtbarere und direktere Akte von Gewalt. Solch wunde Punkte attackiert etwa die Verwendung von falschen Pronomen für trans und – im spezifischen Fall – nicht-binäre Menschen. Jedes falsche »er« oder »sie« ist ein winziger Schnitt in die eigene Identität, dutzende winzige Schnitte im Alltag. Immer wieder, mal erwartet, mal überraschend. So viele Schnitte im Laufe der Zeit, bis die ganze Identität zur offenen Wunde wird.
Die Lücke füllen Unter anderem deswegen entwickelt Illi Anna Heger seit 2008 das Neo-Pronomen »xier« auf der Website www.annaheger.de/ pronomen gemeinsam mit Freund*innen und Nutzer*innen. Illi hat einen naturwissenschaftlichen Hintergrund, macht dokumentarische Comics und leitet queere Workshops – auch zu Neo-Pronomen. Neo-Pronomen sind Pronomen, die es vorher in dieser Form nicht gab. Sie sollen die Lücke schließen, die zwischen, neben und rund um »er« und »sie« aufklafft. Alternativen zum dritten Fall Singular, oder wie Illi es nennt: zu den »TratschPronomen«, also Pronomen, die wir eigentlich eh nur verwenden, wenn wir über andere Menschen sprechen: »Die meisten Pronomen, die wir benutzen, sind nicht geschlechter unterteilt, z. B. ich, dein oder uns.« Die Lücke, die Pronomen wie »xier« hier schließen sollen, ergibt sich einerseits aus nicht-binären Menschen im deutschsprachigen Raum, für die herkömmliche Pronomen
eben nicht funktionieren. Sie brauchen eine Alternative, um sich selbst zu bezeichnen und um verletzungsfrei bezeichnet zu werden. Andererseits klafft die Lücke aber auch durch Übersetzungen von Filmen, Büchern und Comics aus Sprachen, in welchen sich ein neutrales Pronomen bereits etabliert hat. Englisch beispielsweise kennt Singular »they« schon seit dem 14. Jahrhundert für Personen, deren Geschlecht unbekannt oder unbestimmt war. Also vorwiegend, wenn allgemein gesprochen wurde oder mit mangelndem Wissen. Im aktuellen Jahrtausend hat sich »they« dann zunehmend als häufigstes Pronomen für nicht-binäre Menschen etabliert. Neben »they« gab und gibt es jedoch auch eine Reihe von alternativen Neo-Pronomen, etwa »ze«, »fae« oder – ein Vorschlag aus dem 19. Jahrhundert – »thon«, kurz für »that one«. Dass sich »they« mittlerweile in weiten Kreisen durchgesetzt hat, liegt wohl nicht zuletzt an der langen Geschichte und der damit einhergehenden Gewohnheit. »They« fiel nicht weiter auf, es lenkte nicht vom Inhalt ab. Doch das Schwedische zeigt, dass diese Gewohnheit oft schneller gehen kann, als man, frau und
»Klar wirkt sich veränderte Sprache auf Gesellschaft aus. Aber gleichzeitig führen gesellschaftliche Veränderungen zu neuer Sprache.« — Illi Anna Heger The_Gap_193_14-39_Story_Pack_BBA_mf.indd 16
eins glauben. Das Neo-Pronomen »hen« wurde zwar schon 1966 vom Linguisten Rolf Dunås als neutrale Alternative zu »hon« (»sie«) und »han« (»er«) vorgeschlagen. Allerdings begann es sich erst um 2010 tatsächlich zu etablieren, um dann bereits 2015 ins offizielle schwedische Wörterbuch aufgenommen zu werden. Mittlerweile ist es in Zeitungen, Filmen, Gesetzestexten und Alltag gut verbreitet. Auch wenn es vielleicht noch nicht dieselbe Selbstverständlichkeit der binären Geschwisterpronomen erreicht hat, zeigt Schweden, wie schnell verkrustete Sprachkonventionen aufbrechen können. Sobald der notwendige Druck da ist.
Kultur als Multiplikator Im Deutschen baut sich dieser Druck gerade auf. Auf der Website sammelt Illi akribisch alles was zur Verwendung von »xier« auf dem Radar aufpoppt. Es wird zunehmend mehr: »Wenn Neo-Pronomen jetzt breiter aufgegriffen werden, liegt das daran, dass sich Menschen auf verschiedenen Ebenen eines Mangels bewusst werden. Übersetzenden Personen fällt auf, dass ihnen eine Entsprechung für das englische Singular ›they‹ fehlt. Das ist eine Übersetzungslücke. In queeren Communitys gibt es das Bedürfnis nach einer funktionierenden Alternative zu ›er‹ und ›sie‹, um respektvoll übereinander sprechen zu können.« Laut Illi ist »xier« im Moment das häufigste Pronomen in Untertiteln und Synchronisationen, insbesondere aus dem Englischen. Das trägt stark zur Verbreitung bei. »Künstlerische Medien wirken über sich hinaus«, sagt Illi. »Sie sind eine Form von Kommunikation und Weitergabe von Kultur – oft
Bernhard Frena / rechtefreie Wikimedia
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Eine Karte häufiger Neo-Pronomen in europäischen Sprachräumen
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Das kleine Einmaleins der Neo-Pronomen
amerikanischer Kultur – darunter auch von so kleineren Phänomenen wie ›they/them‹.« Neben kulturellen Medien sind es aber vor allem die sozialen, welche für eine Popularisierung sorgen. Die meisten dürften das »he/ him«, »she/her«, »they/them« aus InstagramBios kennen. Die Angabe von Pronomen hat sich ausgehend von queeren und insbesondere trans Communitys verbreitet – meist mit weiteren angegebeen Fällen, um die Deklination bei Neo-Pronomen klarer zu machen. Für progressive Internet-Nutzer*innen ist die Angabe zum De-facto-Standard geworden. Indem auch cis Personen ihre Pronomen angeben, soll die Abfrage und Angabe für trans Personen erleichtert und normalisiert werden. Doch das ist nicht für alle nur positiv, insbe-
Es gibt derzeit eine Vielzahl von Neo-Pronomen, die alle parallel verwendet werden. Manche von bestimmten Gruppen und Organisationen, andere von einzelnen Menschen. Hier ein kleiner Querschnitt durch das Angebot, weitere Details finden sich zum Beispiel unter www.nibi.space/pronomen.
Xier
Xier ist eines der älteren Neo-Pronomen im deutschen Sprachraum und damit auch eines der verbreitetsten. Es hat eine vollständig ausgearbeitete Deklination mit allen gängigen Fällen. Das X macht es deutlich erkenn- und unterscheidbar, die Endungen orientieren sich an den bestehenden Pronomen.
Dey
Lehnt sich von der Aussprache an das englische »they« an und erlebt derzeit einiges an Aufschwung in queeren Communitys. Ursprünglich hat es sich vermutlich über Tumblr verbreitet, seit Kurzem springt es dank Missy Magazin auf die Printmedien über. Wie »xier« hat auch »dey« eine Vielzahl an Beugungsformen, wenn auch weniger akribisch ausgearbeitet und in mehreren konkurrierenden Varianten.
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Abgeleitet vom niederdeutschen Neutrum-Pronomen, ohne den negativen Beigeschmack bei Verwendung für Personen wie beim deutschen »es«. Aufgrund der Abstammung gibt es eine breite, ausgearbeitete und robuste Deklination. Die Anlehnung an eine nah-verwandte Sprache sorgt außerdem bei Sprach-Traditionalist*innen für Legitimation.
They
Gerade in der gesprochenen Sprache stößt eins immer wieder auf das englische »they«. Wie viele andere Anglizismen wird es einfach eins zu eins übernommen und fällt gesprochen neben »fake«, »cringe« und »cool« kaum auf. Sicher, es fehlt eine Vielzahl von Fällen, die es im Englischen nicht gibt, aber gerade für Menschen, die sich viel mit englischsprachigen Medien beschäftigen, wirkt es trotzdem oft gewohnter als die deutschen Neo-Pronomen.
Illi Anna Heger
sondere nicht für Menschen, die sich noch nicht outen können oder wollen. »Die müssen sich dann möglicherweise selbst misgendern, weil sie mitmachen müssen«, erklärt Illi. »In meinen Workshops habe ich mitgekriegt, wie stressig das ist für Menschen, die questioning sind und gerade ihr Geschlecht hinterfragen, oder für Leute, für die es noch keine etablierten Pronomen gibt. Es stresst dann genau jene Gruppen, die wir eigentlich schützen wollen.« Hier ist es wichtig, dass eine Normalisierung nicht zu einem neuen Zwang wird (siehe »Dos & Don’ts«-Kasten).
Sey
»Sey« ist der Versuch »they« einzudeutschen, mit zugehöriger Deklination. Die Verbreitung ist derzeit geringer als bei den größeren Neo-Pronomen wie »xier« oder »dey«, aber der Ansatz, das gängige Pronomen »they« in Deutsch besser verwendbar zu machen, ist trotzdem vielversprechend.
Er*sie / er_sie / er:sie
Die Konstruktion mit Gender-Gap / Stern / Doppelpunkt ist funktional äquivalent zu einem Neo-Pronomen. Es ist sperrig, jedoch auch ohne Vorkenntnisse leicht nachzuvollziehen. Allerdings ist es im Vergleich zu richtigen Neo-Pronomen nur eine Behelfskonstruktion, die weiterhin von den binären Pronomen abhängig ist und insbesondere als Selbstbezeichnung für nicht-binäre Menschen nur mäßig funktioniert.
Positiv-negative Shitstorms
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Vornamen Illi Anna Heger
Doch die Verbreitung der Neo-Pronomen erfolgt nicht nur über positiv gemeinte Aktionen, wie Illi beschreibt: »Ich habe drei große Shitstorms in sozialen Medien miterlebt, wo sich Leute über Menschen lustig machen, die ›xier‹ für sich verwendeten. Wenn queere Kultur als Belustigung verwendet wird, ist das verletzend. Es ist jedoch ein positiver Aspekt, dass Hater ›xier‹ nochmal sehr viel weiter verbreitet haben. Sie haben es in Kreise getragen, die weit weg von queerem Aktivismus
Derzeit bevorzugen viele nicht-binäre Menschen – gerade in Ermangelung eines gängigen Neo-Pronomens – einfach den Vornamen. Gemeinsam mit etwas sprachlichem Geschick lassen sich so gegenderte »TratschPronomen« in fast allen Fällen recht elegant vermeiden.
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sind. Ich finde, es ist etwas Gutes, wenn mehr Menschen mitbekommen, was Neo-Pronomen sind. Das Wissen um diese Option macht einen Unterschied.« Das bringt Illis Zugang zu Neo-Pronomen auf den Punkt. Einfach mal Angebot schaffen und schauen, wer es annimmt. »Sprachnerdigen Spieltrieb« nennt Illi das augenzwinkernd. Es braucht ein Ausprobieren, ein Wissen um die Optionen. Wenn wir nicht wissen, dass es überhaupt Alternativen gibt, sei es unmöglich, sich darüber zu unterhalten, welche Alternative am besten ist, so Illi: »Wir müssen erst einmal wissen, dass wir so was haben dürfen, bevor wir überlegen können, was wir haben wollen. Ich muss erst mal wissen, dass ich Eis kriegen könnte, bevor ich entscheide, dass Schoko das leckerste ist. Es muss erst Eiscreme geben.« Das vielfältige Angebot an PronomenEiscreme ist in den letzten Jahren beständig gewachsen. Neben »xier« gibt es mittlerweile eine Vielzahl von anderen Neo-Pronomen (siehe den »Die gängigsten Neo-Pronomen«Kasten). Manche haben sich parallel zu »xier«
entwickelt, manche als Alternative, oder weil sie sich einfach individuell für einen Menschen richtiger anfühlten. Das Missy Magazin hat sich erst vor Kurzem entschieden, als Magazin von nun an das »dey«-Pronomen als eine neutrale Option zu verwenden. Es ist sprachlich angelehnt an das Englische »they« und findet aktuell gerade in queeren Kreisen zunehmende Verbreitung.
Sprache im Wandel Für Illi ist das allerdings alles keine Frage der Konkurrenz: »Letzten Endes arbeiten wir alle zusammen daran, die Sprachlücke zu füllen. Wir sind gerade in einer Entwicklungsphase, wo es einfach Vielfalt geben muss – egal, was später passieren wird. Wird es ein neues Pronomen geben, das sich durchsetzt? Wird es eine große Vielfalt an etablierten Pronomen geben? Wird es überhaupt nur noch ein Pronomen für alle geben, wie zum Beispiel im Ungarischen? Das hängt davon ab, wohin der Sprachwandel geht, also von allen Menschen, die Deutsch sprechen.«
Dos & Don’ts im Umgang mit Neo-Pronomen
Dos
Der bewusstere Umgang mit (Neo-)Pronomen ist für viele mit Fragezeichen gespickt. Um das Ganze zu erleichtern, hier einige Handlungsempfehlungen. • Biete Möglichkeiten an, Pronomen anzugeben
oder mitzuteilen.
• Gehe selbst mit Beispiel voran, wenn du dich
wohlfühlst, dein Pronomen mitzuteilen.
• Verwende die Pronomen, die Menschen explizit angeben. • Im Zweifel vermeide gegenderte Pronomen gänzlich.
(Vor-)Namen gehen fast immer.
• Vermeide stark gegenderte Anreden in Briefen und
Don’ts
Mails. Ein »Hallo« tut es oft auch.
• Zwinge Leute nie dazu, ein Pronomen anzugeben.
Vermeide es, dass sie sich dazu gezwungen fühlen.
• Verwende keine Pronomen, bei denen du dir
unsicher bist.
• Sei nicht stur. Sprache ist wandelbar, Gewohnheit
stellt sich ein.
• Sei nicht zu zerknirscht, wenn dir mal ein Fehler
passiert. Wir stehen am Anfang einer Entwicklung und machen uns alle gerade gemeinsam aus, was die neuen Regeln sein werden.
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Von Seiten der Kritiker*innen wird oft eingeworfen, das sei doch alles nur Sprachpolitik, das habe kaum reale Auswirkungen, das sei bestenfalls rein akademische Energieverschwendung, schlimmstenfalls lenke es von den eigentlich wichtigen Dingen ab. Das ist einerseits ein müßiger Diskurs, weil wir alle keine Aktivismus-Roboter sind. Wir entscheiden nicht nach rein rationalen Gesichtspunkten, wofür wir uns engagieren, welche Probleme uns besonders stören und wo wir das Gefühl haben, uns gut einbringen zu können. Inwiefern diese Kritik den eigentlichen Punkt ignoriert, weiß Illi: »Es ist für mich eben keine Frage von Politik, sondern von einem Sprachwandel, der ausgelöst wird durch einen Mangel. Klar wirkt sich veränderte Sprache auf Gesellschaft aus. Aber gleichzeitig führen gesellschaftliche Veränderungen zu neuer Sprache. Das sind parallele Entwicklungen, die sich auch gegenseitig beeinflussen.« Es ist also kein entweder-oder, sondern ein und. Neo-Pronomen sind für Illi nicht der letzte Schritt in dieser sprachlich-gesellschaftlichen Veränderung. Sie bedienen einen Mangel, der jetzt gerade herrscht, doch wohin sich die deutsche Sprache in Zukunft entwickelt, ist für Illi im positivsten Sinne offen: »Wir brauchen Sprache, um die diversen Menschen der Gesellschaft abbilden zu können. Für mich stellt sich die Frage: Warum muss das Geschlecht von Menschen immer wieder in Texten angegeben werden? Was bringt es auch binären Männern und Frauen eigentlich, dass über sie als Männer und Frauen gesprochen wird? Wo ist es überhaupt nötig zu gendern?«
Gerechte(re) Sprache Vielleicht schaffen wir es eines Tages, die starke Geschlechtlichkeit der deutschen Sprache loszuwerden. Oder vielleicht wird es einmal ein oder mehrere etablierte neutrale Pronomen im Deutschen geben. Klassische Medien wie Film, Fernsehen, Radio und Print sind essenziell, um diese Entwicklung voranzutreiben. Es reicht hier nicht, sich auf den Posten der neutralen Beobachter*innen zurückzuziehen. Wir müssen Stellung beziehen. Nur so wird dieser Diskurs zu einem breiten Diskurs, einem Diskurs, der Sprache nachhaltig ändert. Bis dahin muss ich mich wohl damit abfinden, dass jedes »er« über mich ein kleines bisschen zwickt. Vielleicht nicht genug, um zu verletzen, nicht genug, um meine Identität zu einer offenen Wunde werden zu lassen. Aber genug, um mir den Tag herbeizuwünschen, an dem auch die deutsche Sprache der menschlichen Vielfalt ein kleines bisschen gerechter Bernhard Frena geworden ist.
Comics, Pronomen und alles andere von Illi Anna Heger findet man im Internet unter www.annaheger.de. Übersicht und Diskurse über Neo-Pronomen und nicht-binäre Identi täten unter www.nibi.space.
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Rudolph Schindler strebte nach einer neuen Art, Architektur zu denken. Statt Wände, Fenster, Materialien als vordergründig zu betrachten, stellte er den leeren Raum an erste Stelle. Ihn galt es zu formen. Seine Vorliebe für Einbaumöbel ist deutliches Zeichen der Idee, sich Räumen anzupassen und nicht umgekehrt. Die im Rahmen der Ausstellung »Schindler House Los Angeles. Raum als Medium der Kunst« im MAK ausgestellten Stücke gehen auf ein Apartmenthaus im Los Angeles der 1940er-Jahre zurück. ———— Die Idee ist einfach: Reißt man Objekte wie Einbaumöbel aus ihrer zugewiesenen Umgebung, gleicht das einer Verstümmelung. Den Stücken fehlt ihr Körper. Trotzdem transportieren sie weiter eine Idee dieses Körpers, ähnlich einem Phantomschmerz, der auftritt, obwohl das schmerzende Körperteil gar nicht mehr ist. Wie auch hier: Erinnerungen stellen sich ein – an Finger auf den Tasten des Klaviers, an Cornflakes auf dem Tisch. Man glaubt den Dingen ihre Echtheit, sie sind lebensgroß. Aber, aber … hier ist natürlich alles pink! Die »Möbel« sind dadurch nicht als solche ernst zu nehmen. Klavier, Tisch und Sofa sind gleichgeschaltet und nicht mehr durch ihre Funktionen zu unterscheiden. Noch weniger, wenn miteinbezogen wird, dass tatsächlich nichts davon jemals in Verwendung war. Die Stücke, die hier zu sehen sind, sind Kopien. Einen werkimmanenten Hinweis auf das junge Alter liefert gerade die Bemalung, deren Farbbezeichnung ist: Pantone Honeysuckle 2011 Color of the Year. So wird Nostalgie vermieden und die Individualität der Möbel ausgeschaltet. Die ästhetische Dimension – jede Frage nach Geschmack – wird von der grellen Farbschicht völlig übertönt. An ihre Stelle tritt die wortwörtliche Körperlichkeit von Möbelstücken. Denn in ihrer auf den Menschen zugeschnittenen Funktionalität verweisen sie auf ihn, sie sind ihm ein Index. Wie der Abdruck zum Stempel oder das Sofa zum Hintern (bzw. zur Faulheit). Raum und Möbel werden so zum Teil des Menschen, zur Erweiterung des Körpers – oder umgekehrt: der Mensch zum Teil des Möbels, dem Raum entrissen, nur Phantomschmerz hinterlassend. Victor Cos Ortega
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Stephen Prina »As He Remembered It, Living Room Category«, 2011, MAK, Kunstblättersaal, Ausstellungsansicht: »Schindler House Los Angeles. Raum als Medium der Kunst«, 2022 © MAK / Georg Mayer
Stephen Prina »As He Remembered It« Ein Geisterhaus
»As He Remembered It« ist aus einem ganzen Konvolut an Einbaumöbeln herausgelöst, die Stephen Prina nach den Plänen von Rudolph Schindler herstellen ließ. Nachdem 2011 alle 28 Stücke gemeinsam in der Sezession gezeigt worden waren, zerfiel die Gruppe. Nicht ungewöhnlich für Prina ist die Verwendung fremder Arbeiten für eigene Werke. »As He Remembered It, Living Room Category« ist zur Zeit im Rahmen der Ausstellung »Schindler House Los Angeles. Raum als Medium der Kunst« im MAK in Wien zu sehen.
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Es ist kompliziert Sex, Drugs & Queerness
In der LGBTQIA*-Community gibt es eine wesentlich höhere Drogenaffinität als in Heterogruppen vergleichbarer Milieus. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch eine besonders hohe Experimentierfreudigkeit mit Drogen beim Sex, insbesondere bei schwulen Männern. Eine Gratwanderung zwischen Lust und Risiko. ———— Ein queerer Lifestyle – ob out of the closet oder nicht – impliziert häufig eine liberalere Lebenseinstellung im Vergleich zu heteronormativen und / oder stark von abrahamitischen Religionen und all ihren verklemmten Dogmen geprägten Verhaltensweisen. Ergo auch zu bewusstseinserweiternden Substanzen abseits von Alkohol und Weihrauch. In Kombination mit einer jenseits von institutionellen Zwängen ausgelebten Sexualität ist es folglich nur eine logische Konsequenz, dass schon immer versucht wurde, Sex unter Zuhilfenahme von Drogen zu verbessern – oder überhaupt erst zu initiieren. Für einen Teil der queeren Community haben sich diverse Rauschmittel als fixer Bestandteil des sexuellen Erlebens etabliert. So ist etwa Studien zufolge der durchschnittliche Alkoholkonsum lesbischer Frauen signifikant höher als der ihrer heterosexuellen Geschlechtsgenossinnen. Bei Sexarbeiter*innen – ob queer oder nicht – ist der Konsum legaler und illegaler Substanzen nochmals deutlich höher. Platz eins der Konsumationsstatistik innerhalb der LGBTQIA*Community jedoch nimmt mit deutlichem Abstand die Gruppe der schwulen Männer ein. Besonders Poppers (Amylnitrit), GHB (auch bekannt als Liquid Ecstasy), Speed und MDMA erfreuen sich hier großer Beliebtheit. Und das nicht nur bei so genannten Chemsex-Partys, sondern auch im trauten Heim fixer Partnerschaften.
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Aber warum gerade schwule Männer? Der 30-jährige Alex (Name geändert) war mit 24 eher late to the party, genießt aber seither in regelmäßigen Abständen mit seinem etwas älteren Partner einen Chemsex-Abend zu zweit. Wobei hier eine klare Grenze gezogen wird: Meth, Crystal, Mephedron, Keta, Koks und Opiate sind ein definitives No-Go; und auch beim Ausleben drogeninduzierter Wollust in der Halböffentlichkeit einschlägiger Clubs und Saunen begibt er sich ausschließlich in die Beobachterrolle.
»Das sogenannte Nachlegen kann schnell zu Überdosierung und komplettem Kontrollverlust führen.« — Alex Auf die Frage, warum gerade Poppers so populär sind, wird eine pragmatische Annahme bestätigt: »Ganz einfach, die Geilheit wird gesteigert und durch den Rush die Nähe zur anderen Person verstärkt. Die Muskeln entspannen sich, unter anderem der Schließmuskel, was die Verbreitung in der Gay-Szene erklärt.« Also nur für Bottoms wirklich relevant? »Nein, auch am aktiven Ende sind die Auswirkungen dieses eigentlich für Herzkrankheiten entwickelten Wirkstoffes durchaus wünschenswert«, fügt Alex augenzwinkernd hinzu. Vielleicht wünschenswert, aber nicht unbedingt ungefährlich: Zu den Nebenwirkungen zählen starke Kopfschmerzen, Kreis-
laufprobleme und Übelkeit. Und auf der psychischen Ebene ein gewisser Kontrollverlust – so mancher vergisst im Poppers-Eifer schon mal auf Safer Sex. Eine Anekdote aus der Hetero-Welt: Der Schauspieler Peter Sellers erlitt am 5. April 1964 gleich acht Herzinfarkte innerhalb von drei Stunden, nachdem er vor dem Sex mit seiner Ehefrau Britt Ekland übermäßig Poppers konsumiert hatte. Alex überrascht der Konsum bei Heteros nicht: »Es gibt auch viele Heteromänner, die Poppers verwenden, aber nur dann, wenn die Frau nicht daheim ist oder wenn sie heimlich aufs WC wichsen gehen.« Die Regulierung der Substanz fällt bisher dürftig aus: Amylnitrat unterliegt nicht dem Betäubungsmittelgesetz und kann online, aber auch in Pornokinos und vereinzelt bei Sex-Positive-Partys um wenige Euro gekauft werden. Aus medizinischer Sicht scheint Chemsex also eine durchaus nicht unriskante Angelegenheit zu sein. Wolfram Gmeiner ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in Zürich und lebt selbst offen schwul in einer festen Partnerschaft: »Der auffällig hohe Anteil an Chemsex-Usern unter schwulen Männern ist zum einen sicherlich dem Leistungsdruck, vor allem bei Tops, zum anderen dem generell testosterongeladenen, männlichen Verlangen nach immer mehr geschuldet. Dazu kommen die Potenzmittel. Das Barsterben, übermäßige Verfügbarkeit von Pornos und die Entwicklung von Apps wie Grindr oder Scruff haben darüber hinaus eine DatingKultur etabliert, bei der es kaum noch um eine persönliche Ebene, sondern um Hochleistungssex auf Knopfdruck geht.« Substanzen wie Poppers würden diese Anforderungen unterstützen, aber auch dem Umstieg auf Härteres wie Meth Vorschub leisten, meint Gmeiner: »Am Ende haben wir
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Schauen harmlos aus, sind es aber nicht wirklich: Poppers
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dann körperlich und psychisch Geschädigte, die nicht selten ihr Verlangen nach dem ultimativen Sexrausch auch mit sozialem Abstieg und Impotenz büßen.« Nicht nur Poppers sind eine zweischneidige Sache zwischen Turbosex und Herzkasperl. Auch GHB, eine unscheinbare Flüssigkeit, die vor allem als K.-o.-Tropfen in alkoholischen Getränken zu trauriger Berühmtheit gelangte, spielt bei diversen Chemsex-Spielarten eine maßgebliche Rolle. »Geiler Rausch ohne Kater, ein kurzes High ohne Nebenwirkungen, bei dem man sich enthemmt gehen lassen kann«, fasst Alex zusammen. Er ist sich aber der Risiken der im Milliliterbereich zu dosierenden Droge bewusst: »Das sogenannte Nachlegen kann schnell zu Überdosierung und zu komplettem Kontrollverlust bis hin zum K. o. führen. Mir sind Fälle bekannt, wo GHB-Ausgeknockte leider Opfer von nichtkonsensuellem Sex wurden.«
Aufklärung statt Verdrängung Und noch eine weitere Gefahr lauert, wie immer, im gefährlichen Halbwissen: Während GHB (Gamma-Hydroxybuttersäure) im Betäubungsmittelgesetz erfasst ist, ist das chemisch eng verwandte GBL (Gamma-Butyrolaceton)
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www.filma
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Wolfram Gmeiner als Lösungsmittel frei erhältlich, zum Beispiel als Felgenreiniger. Viele suchen daher den legalen und günstigen Kick durch GBL als Ersatz-GHB und nehmen dabei Vergiftungen und Verätzungen in Kauf. Noch zum Mitschreiben: Menschen konsumieren oral eine Flüssigkeit, die eigentlich Bremsstaub von Autofelgen entfernt. Das muss man mal setzen lassen. Zu der Sorglosigkeit im Umgang mit Felgenreiniger und Co kommt auch noch der an sich begrüßenswerte Fortschritt bei der Bekämpfung von HIV dazu. Viele schwule Män-
ner nehmen vor dem Sex-Date eine Dosis PrEP (Prä-Expositions-Prophylaxe) und sind damit temporär vor einer HIV-Infektion fast so gut geschützt wie mit einem Kondom (siehe dazu den Text in The Gap 181). Ähnlich wie die Pille danach bei Heterofrauen sorgt dies zwar einerseits für einen völlig unbeschwerten Kontakt, lässt aber andererseits auch die letzten Vorsichtsmaßnahmen und Hürden im Kopf fallen. Im Hinblick auf andere Krankheiten, aber auch etwaige Verletzungen beim Sex ein bedenklicher Kurs, der scheinbar schwer abzuändern ist – ganz abgesehen von den Dauerfolgen solch starker Pharmazeutika für die Organe. Die völlig verfehlte Drogenpolitik seit den 1970ern könnte als mahnendes Beispiel dienen, der Problematik zukünftig mit Aufklärung, Information und Harm Reduction zu begegnen, anstatt sie durch Prohibition ins Private zu verdrängen, wo die Beteiligten auf Markus Höller sich allein gestellt sind.
Expertisen und Unterstützungsangebote zum Thema Chemsex sind in Wien gebündelt beim Chemsex-Netzwerk zu finden. Es setzt sich aus Fachorganisationen und -personen aus dem Gesundheits- und psychosozialen Bereich zusammen. Nähere Infos unter www.chemsex.at.
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»Ich will mich einfach nicht labeln« Die Identitätssuche nicht-binärer Jugendlicher Ash ist 14 Jahre alt und identifiziert sich als genderfluid. Ein Versuch, das sich Wandelnde einer jungen Identität zu beschreiben. ———— Versuchte man einen Punkt festzumachen, an dem das sogenannte »Anderssein« begann, dann wäre das bereits der falsche Anfang. Denn meistens gibt es keinen mystischen Moment der Erkenntnis, der offenbart, dass man »anders« ist als die Optionen, die jungen Menschen geboten beziehungsweise erlernt werden. Meistens lässt sich auch das eigene Empfinden nicht in eine stringente Erzählung packen. »Ich habe mir einfach sehr lange Gedanken gemacht, was ich sein will, und konnte mich nicht entscheiden«, erzählt Ash schon fast abgeklärt, »dann dachte ich mir: Es ist einfacher, wenn ich mich nicht entscheiden muss.« Genderfluidität ist die Bezeichnung für eine nicht-binäre Geschlechtsidentität. Für Ash heißt das, dass sich sowohl Sexualität als auch Gender verändern können. Derzeit ist er in einer Beziehung mit einem Mädchen und identifiziert sich als Junge. Während des Interviews mit Ash ertappe ich mich dabei, wie ich ihn nach diesem Moment frage: Ab wann wusstest du, dass du dich anders fühlst? Anders – das setzt voraus, dass ich etwas als anders markiere. Anders – weil ich von der heteronormativen Mehrheitsperspektive ausgehe, die Geschlecht, Sexualität und Identität selten hinterfragt. Anders – weil diese heteronormative Erzählung linear verläuft. Nach dem Gedanken: Man hat ein Geschlecht, mit dem man geboren wurde und das bleibt auch so. Ash entgegnet: »Das ist eine komische Frage. Bei mir kann sich das immer ändern.« Miriam Trilety ist Psychotherapeut*in, Mitglied der Expert*innengruppe Trans* Inter* Geschlechtlichkeiten – Psychotherapie des österreichischen Bundesverbands für PsychoKörper und Identität können sich für Jugendliche wie ein Gefängnis anfühlen.
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Charakteristisch an der Genderfluidität ist, dass der Suchprozess nicht endet und die Veränderung Grundbedingung der Identität ist. Das kann natürlich Unruhe und Verwirrung stiften, aber viel eher – so beschreibt es auch Ash – zu einer Entlastung führen: »Als ich meine Haare kurz geschnitten hatte und mit Maske unterwegs war, wurde ich manchmal gefragt, ob ich ein Mädchen oder ein Junge bin. Zu sagen, dass ich ein Mädchen bin, hat sich nicht richtig angefühlt und mich oft runtergezogen. Seitdem sage ich, dass ich ein Junge bin.« Ash ist groß, trägt kurze, an den Spitzen grün gefärbte Haare, ein Septum-Piercing und weite Klamotten. Sein queerer Look zeichnet sich besonders durch den androgynen Stil aus, der bewusst mit geschlechtlichen Codes spielt. Inspiration hat sich Ash hauptsächlich über Instagram und Tiktok geholt. Musikerin Becks, die sich in ihrer Musik und auch darüber hinaus mit queerer Selbstbestimmung auseinandersetzt und von Medien als »Sprachrohr der Generation Z« betitelt wird, spielt auch für Ash eine wichtige Rolle. »Ich höre ihre Musik zwar nicht, aber schaue ihre Tiktoks«, erzählt er. Auf ihrem Tiktok-Kanal hat Becks 770.000 Follows und für viele queere Menschen hat sie eine wichtige Vorbildfunktion. In ihren Videos setzt sie sich mit Geschlechterklischees der heteronormativen Gesellschaft auseinander, die sich mit der Abweichung von Aussehen und Geschlecht nicht abfinden könne. Katharina Wiedlack, Kulturwissenschaftlerin und Mitglied der Forschungsgruppe GAIN – Gender: Ambivalent In_Visibilities an der Universität Wien, versteht Ashs Suche nach Vorbildern: »Durch positive Rollenmodelle ist es für viele Jugendliche
Sichtbarkeit ungleich Akzeptanz Jedoch müsse, so Katharina Wiedlack, zwischen vermehrter Erscheinungsform in sozialen Medien und gesellschaftlicher Akzeptanz unterschieden werden: »Die leichte Zugänglichkeit und Beliebtheit dieser queeren Erscheinungsformen sagt schon etwas über die gesellschaftliche oder öffentliche Akzeptanz aus. Doch nur weil etwas medial sehr präsent ist und konsumiert werden kann, heißt es noch nicht, dass queere Lebensweisen und Menschen auch tatsächlich in ihren Gesellschaften akzeptiert und integriert sind.« Für Ash äußert sich das in einem ständigen Rechtfertigungszwang: »Von manchen Jungs aus meiner Klasse habe ich Kommentare gehört wie ›Du siehst ja aus wie ein Junge‹ oder Kommentare von Erwachsenen, wie man sich denn als Mädchen anziehen sollte.« Neben solchen Kommentaren, die Ash leichtfertig abtut, hat er jedoch auch einen körperlich gewaltsamen Übergriff erlebt: »Ich war mit einer Freundin unterwegs, und da war eine kleine Gruppe von Leuten, die ich von früher kannte. Sie haben mich als ›Scheiß lesbe‹ beschimpft und mich und meine Freundin angespuckt. Wir haben dann die Polizei gerufen, damit sie weggehen.« Angriffe und Anfeindungen dieser Art, die eine enorme emotionale Belastung darstellen, sind leider keine Ausnahme. »Trans* und queere Erscheinungen und Menschen werden
»Bei uns ist das voll normal. Wir klären am Anfang ab, was unsere Pronomen sind und dann reden wir nicht weiter darüber.« — Ash The_Gap_193_14-39_Story_Pack_BBA_mf.indd 27
Delphine Seyrig und die feministischen Videokollektive im Frankreich der 1970er- und 1980er-Jahre
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Jugend als große Unsicherheit?
leichter geworden, sich als queer zu positionieren und Queerness durch Stil, Kleidung und Sprechakte auszudrücken.« Die oft aufgestellte These, dass Queer-Identitäten mit sozialen Medien entstanden seien, muss dahingehend klar abgelehnt werden, denn trans* Menschen gab es schon immer. Mit dem technologischen Fortschritt haben sich viel eher die Wahrnehmungsoptionen erweitert. Miriam Trilety: »Wenn meine Eltern sagen, es gibt nur rosa und blau, dann werde ich mit dem arbeiten, was da ist. Aber ab dem Moment, in dem sich der Raum öffnet und ich beispielsweise durch soziale Medien mehr mitbekomme, habe ich mehr Variationen, mich selbst zu erleben.«
WIDERSTÄNDIGE MUSEN
therapie und arbeitet unter anderem mit trans* Jugendlichen. Trilety beschreibt die Jugend als einen Suchprozess: »Unsicherheiten gibt es in jeder Lebensphase. Teil des Erwachsenwerdens ist es, zu überprüfen, ob dieser oder jener Entwurf zu mir passt. Und das ist ja nicht nur in der Geschlechtsidentität oder Sexualität so, sondern in allen Identitätskategorien.«
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oftmals als Zielscheibe für Hass ausgewählt, weil sie binäre Geschlechterkonstruktionen infrage stellen«, beschreibt Katharina Wiedlack das Spannungsfeld der parallelen Zunahme von Sichtbarkeit und der weiterhin vorhandenen Gewalt gegen trans* Identitäten. Diese Gewalt, die ja doch sehr zielgerichtet ist, lässt Ash jedoch nicht an sich heran: »Ich weiß, dass nicht ich das Problem bin.«
Die Verwirrung der anderen Wieso löst das Infragestellen der binären Geschlechterordnung in der heteronormativen Gesellschaft Irritationen, Angst und Vorurteile bis hin zu projiziertem Hass aus? Miriam Trilety sieht dies aus der individuell-psychotherapeutischen Perspektive: »Wenn ich verwirrt von etwas bin, dann ist das zuerst einmal völlig legitim und menschlich – da spüre ich nämlich meine eigenen Grenzen. Ich muss mich dann aber mit diesem Gefühl auseinandersetzen. Das heißt: herausfinden, was mein Anteil daran sein könnte. Und das ist die besondere Schwierigkeit – nicht das Unbekannte ist falsch, schlecht oder gefährlich; emotionale Reaktionen sind lediglich ein Ausdruck davon, wie ich das in einem solchen Moment erlebe.«
Miriam Trilety
Auf gesellschaftlich-historischer Ebene, erklärt Katharina Wiedlack, seien Geschlecht und Gender schon immer fluid gewesen: »Was wir als soziale Rolle oder auch als GenderErscheinungsform verstehen, wandelt sich ständig über die Zeit hinweg und zwischen den verschiedenen Kontexten, Communitys und Regionen dieser Welt.« Das überwiegend als Norm angenommene Zwei-GeschlechterModell hat sich ab dem 18. Jahrhundert durch-
gesetzt. Zuvor ist man in Europa lange Zeit von einem Ein-Geschlechter-Modell ausgegangen, dass die Frau als unvollständigen Mann bzw. als Variante des männlichen Körpers annahm und die beiden nicht als Pole zweier möglicher Geschlechter gegenüberstellte. »Ab dem 18. Jahrhundert und mit der zunehmenden Bedeutung von Medizin, Anatomie und Biologie setzte sich das Zwei-Geschlechter-Modell durch, dass Mann und Frau nun als völlig unterschiedliche biologische Einheiten versteht und nicht wie zuvor von der gesellschaftlichen Rolle auf die Biologie schließt, sondern die soziale Stellung und Rolle von der Biologie ableitet«, beschreibt Katharina Wiedlack die Entwicklung. Die Verbindung von Geschlecht mit sozialen Erscheinungsformen und Eigenschaften sei somit keine natürliche, sondern eine historisch gewachsene, die auch »wissenschaftlich« hergestellt wurde: »Die Forscher des 18. und 19. Jahrhunderts hatten ein großes Inte resse daran, Unterschiede zwischen allem Weiblichen und allem Männlichen zu finden und Letzteres als wertvoller, machtvoller und wichtiger zu begreifen. Alles, was nicht in dieses enge Korsett des Zwei-GeschlechterModells passte, wurde als Abweichung
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Nadine Poncioni, Barbara Maly-Bowie
pathologisiert.« Das, was heute aus der heteronormativen Perspektive als »anders« wahrgenommen wird, wurde erst in diesem Prozess anders gemacht. Diese pathologische Betrachtung vielfältiger Interpretationen des Gender-Spektrums führt jedoch immer noch dazu, dass trans* Personen oftmals ein Trauma unterstellt wird, auf das die »Abweichung« zurückzuführen sei. Das sei, so Miriam Trilety, höchst problematisch: »Oftmals steckt dahinter ein Infragestellen der Kompetenzen Jugendlicher, eigene Urteile fällen zu können. Denn auf der einen Seite sollen diese Jugendlichen kompetent genug sein, Mathematikschularbeiten zu schreiben, mit 16 Jahren wählen zu gehen, mit 14 Jahren rechtsmündig zu sein, mit 15 eine Lehre zu machen, aber sie können nicht wissen, welchem Gender sie sich zugehörig fühlen.« Auf die Frage, ob Ash sich von der Heteronormativität eingeschüchtert fühle, antwortet er selbstbewusst: »Es gibt schon Leute, die sagen, dass sie es unnormal finden, wenn sich zwei Mädchen küssen, oder unter meinen Tiktoks mit meiner Freundin Sachen schreiben wie ›Früher war alles besser‹. Aber
Katharina Wiedlack
ich steh dazu, wie ich bin.« Besonders sein Freundeskreis habe Ash unterstützt, mutiger zu sein: »Bei uns ist das voll normal. Wir klären am Anfang ab, was unsere Pronomen sind und dann reden wir nicht weiter darüber.« Miriam Trilety weiß Ähnliches aus der Praxiserfahrung zu berichten: »Am besten ist es, die Jugendlichen einfach immer zu fragen, welche Pronomen sie verwenden und wie sie genannt werden möchten.« Denn von außen
könne man das nicht einfach anhand von Symbolen oder Markern ablesen. Dem Ansatz der Genderfluidität geht es darum, Kategorien aufzulösen, die vermeintlich eindeutig an der Erscheinung – ob an körperlichen Merkmalen oder an Kleidung – abzulesen seien. Dieses Konzept, das immer im Wandel ist und sich nicht festlegen will, zeigt genau dann den wunden Punkt der heteronormativen Ordnung, wenn man trotzdem versucht, sich einen Begriff von dem zu machen, für das es eigentlich keinen Begriff geben soll. »Es gibt nie eindeutige Antworten, deswegen ist der Identitätsbegriff nur dann sinnvoll, wenn man ihn als offenen und fluiden Begriff versteht«, so Trilety. Oder in Ashs Worten: »Ich will mich einfach nicht labeln.« Berfin Silen
Als österreichweite Anlaufstelle für Themenbereiche wie Beziehungen, Sexualität oder Gewalt bietet Courage* kostenlose und anonyme Beratung für LGBTQIA*-Personen an. Mit dem Young Trans* & Inter* Camp veranstaltet Courage* ein viertägiges Ferienevent mit Fokus auf Menschen im Alter von 10 bis 22 Jahren. Auch die Homo sexuellen Initiativen und die Türkis Rosa Lila Villa in Wien unterstützen in diesen Bereichen.
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Gegen den Mainstream der Geschichte Das Queer Museum Vienna bereichert Wiens Kulturleben
Seit Jänner hat Wien ein queeres Museum. Die Gründer*innen rund um Florian Aschka wollen damit alternative Sichtweisen bieten und einen Raum für die Community schaffen. ———— Die Regenbogenfahne, die gut sichtbar über dem Eingang hängt, ist der erste Hinweis auf die Präsenz des Queer Museum Vienna im Volkskundemuseum. Im Eingangsbereich selbst weisen eine Reihe dezenter pinker Pfeile in den ersten Stock, vorbei an alten Stadtmodellen, vorbei an jahrhundertealter Keramik. Eintrittspreis ist keiner zu entrichten, wenn man die Räumlichkeiten betritt, in denen es sich das Museum eingerichtet hat. Lediglich einen Sticker in Regenbogenfarben überreicht die Kassakraft den Besucher*innen. Demokratisierung durch Zugänglichkeit, ein Grundprinzip musealer Arbeit, in Reinform. Florian Aschka ist einer der Gründer des Queer Museum Vienna, das seit Jänner 2022 die Museumslandschaft Wiens bereichert. Er führt die Institution gemeinsam als Kollektiv mit den Künstler*innen Larissa Kopp, Thomas Trabitsch und Rumi von Baires. Als wir ihn im Museum besuchen, läuft gerade der letzte Tag der Ausstellung »Honeymoon in Hennyland«. Vorbei an breiten Tischen voller Objekte in Boxen, an einer großen Leinwand sowie an Stoffinstallationen geht es geschäftig hin und her – der Abbau steht an. Als Nächstes folgt die Ausstellung »How Does the Body Take Shape under Pressure?« des türkischen Kuratorenteams Nazim Unal Yilmaz und Alper Turan, die bis 15. Juni laufen wird.
Weg von der Volkskunst Die Gründung des Museums sei aus dem Bedürfnis nach einer kulturellen, musealen Repräsentation von Queerness erfolgt, wie Aschka erklärt, während er sich mit Yilmaz
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und Turan im Hof des Volkskundemuseums eine Pause gönnt. »Es war niemand gewillt, das zu finanzieren. Die Idee und die Initiative sind bereits 2020 gestartet, weil wir gedacht haben, es sei an der Zeit. Wir müssen es machen, denn sonst macht es keiner.« Im Jänner 2022 kam dann das Angebot vom Volkskunde museum, für sechs Monate ein paar von dessen Räumen beziehen zu können und Hilfe bei der Umsetzung zu bekommen. Ambition ist es, neben der Repräsentation auch die Definition des Museums zu erweitern. »Wir experimentieren gerne«, so Aschka. »Also weg von der klassischen Volkskunst.« Queerness sei dabei, hakt Kurator Nazim Unal ein, aber auf mehreren Ebenen zu verstehen: »Das Konzept des Queer-Seins dreht sich nicht nur um Sexualität. Es ist ein Zugang, um Dinge zu definieren und zu verstehen.« Wenn also von Queer im Kontext eines Museums gesprochen werde, dann sei das eine andere Art, Geschichte und Kunst zu verstehen. »Hier geht es auch nicht nur darum, Geschichten
und Kunst zu zeigen«, so Turan, »es ist ein Sammelpunkt, ein Archiv für Minderheiten.« Hierarchien gelte es kritisch zu hinterfragen, fügt Aschka hinzu. Behandelt würden aber auch Konzepte wie Kapitalismus und der Kampf gegen diesen. Nicht nur die formulierten Ziele, sondern auch die Aufmachung des Museums sind für eine Stadt wie Wien relativ neu. »Dass das Museum nomadisch ist, klingt doch schon sehr queer«, schmunzelt Unal. »Es entzieht sich der Definition eines Museums, wie wir es kennen.« Dass das Museum nicht von einer einzelnen hierarchischen Figur geführt wird, sondern von einem Kollektiv, hebt es ebenfalls aus der breiten Masse gängiger Museumspraxis heraus. »Wir sind vier Leute im Leitungsgremium«, so Aschka, »und entscheiden alles gemeinsam.« Aber klar, wenn man mit der Stadt oder mit Förderinstitutionen wegen Geld verhandle, müsse man oft zu alten Strukturen zurückkehren: »Die wollen immer nur mit einer Person sprechen.«
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In »How Does the Body Take Shape under Pressure?« zeigen Nazim Unal Yilmaz und Alper Turan Werke, die sich mit den Erfahrungen von sozialem Druck auseinandersetzen.
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Aufbrechen hierarchischer Verhältnisse
Für die nächste Generation
Kuratorenduo Nazim Unal Yilmaz und Alper Turan beiden Kuratoren aus der Türkei. Eine Brücke zwischen Wien und Istanbul. »Diese Werke zeigen intime sexuelle Momente, aber sie offenbaren auch hierarchische Verhältnisse«, erklärt Turan. Es gehe bei der Ausstellung jedoch nicht darum, ein konkretes Problem oder eine konkrete Region hervorzuheben. »Es ist vielmehr eine konzeptuelle und politische Art, Körper unter Druck zu verstehen. Dieser kann Sexualität, Gesellschaft, Prekarisierung oder Totalitarismus entspringen.« Dass diese Kunst primär von türkischen Künstler*innen kreiert wurde, wollen die beiden Kuratoren jedoch nicht als Kommentar auf die Situation in ihrem Heimatland verstehen. »Wir wollen als Brücke fungieren, aber nicht das Label aufgedrückt bekommen, dass wir türkische, unterdrückte queere Künstler*innen hernehmen und ihnen das schöne, glänzende Wien zeigen«, wehrt sich Turan entschieden. »Wenn westliche Kulturen über den Orient reden, passiert das immer als eine Form der Viktimisierung. Aber Dinge, die in der Türkei passieren, können auch hier auf einer Mikroebene stattfinden.« Diese Neudefinition des musealen Raums, gibt Aschka zu, gehe jedoch nicht immer Hand in Hand mit den oft klischeehaften Vorstel-
Mit dem Ende dieser Ausstellung am 15. Juni würde eigentlich auch das Ende des sechsmonatigen Gastspiels des Queer Museum Vienna im Volkskundemuseum heranrücken. Wie geht es danach weiter? »Wir wurden verlängert und werden jetzt bis Mitte oder Ende Juli bleiben«, zeigt sich Aschka erleichtert. Was das Danach betrifft, sei man sich noch nicht sicher. Man wolle aber auf jeden Fall mit dem Volkskundemuseum in Kontakt bleiben und an anderen Kollaborationen arbeiten. Und in die Bundesländer rausgehen? Irgendwann vielleicht. »Es gab diese 60er- und 70er-JahreBüchereibusse, die von Ortschaft zu Ortschaft fuhren. So könnte auch das Queer Museum durch die Orte fahren. Das wäre schön.« Schließlich gilt es auch im ländlichen Raum, die Repräsentation zu stärken, jungen queeren Menschen einen Anlaufpunkt zu bieten. »Wir haben schon jetzt Schulklassen, die uns in ihrer Wienwoche besuchen. Momentan kommen sie noch zu uns, aber es wäre auch gut, zu ihnen rauszukommen. Es gibt dort ja noch viel mehr zu tun als hier in Wien, finde ich.« Wie auch immer es sich entwickelt: Um Improvisation wird das Queer Museum erst einmal nicht herumkommen. Susanne Gottlieb
Die Ausstellung »How Does the Body Shape under Pressure?« läuft noch bis 15. Juni im Queer Museum Vienna im Volkskundemuseum. Der Eintritt ist frei. Einmal im Monat veranstaltet das Museum überdies den Queer Matinee Club, das nächste Mal am 10. Juni. Weitere Infos unter www.queermuseumvienna.com.
İz Öztat & Ann Antidote: Still aus »Suspended« (2019)
In »How Does the Body Take Shape under Pressure?« zeigen Nazim Unal Yilmaz und Alper Turan Werke, die sich mit den Erfahrungen von sozialem Druck auseinandersetzen und die Dynamik unproportionaler Kräfte hinterfragen. Die ausgestellten Künstler*innen greifen darin politische Repressionen gegen queere und feministische Existenzen auf. Zu sehen sind unter anderem musealisierte, aus dem Alltag umgedeutete pinke Knieschoner oder Plastikpalmen. Die meisten Künstler*innen stammen wie die
lungen und Erwartungen der Besucher*innen. »Wir haben zum Beispiel hin und wieder ältere queere Personen, die sich erwarten, dass da jetzt überall Peniszeichnungen hängen. Ich denke, am Ende haben wir jedes CommunityMitglied zumindest einmal enttäuscht. Aber hoffentlich waren diese Leute in den sechs Monaten, die es uns gibt, zumindest auch einmal glücklich und haben etwas gefunden, das ihnen gefällt.«
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Was aber stellt ein queeres Museum nun aus? Auf der Website steht etwas von der »trauernden Museologie«, die bisher gängig gewesen sei. Dass man lieber eine lebendige, vielfältige und aktive queere Gemeinschaft feiern wolle. Geht es also darum, alte Unterdrückungsmechanismen nicht zu reproduzieren? Nicht ganz, erklärt Aschka: »Mit dem Begriff ›trauernde Museologie‹ meinen wir beispielsweise diesen Darstellungsfokus auf homosexuelle Opfer der Nazis. Historische Ausstellungen zeigen wichtige Punkte auf. Aber wir wollten mehr als das, das Museum zu einem Community-Space machen. Den Ort mit zeitgenössischen Künstler*innen verbinden.« Wobei, ganz verschließt man sich dem Historischen nicht: »Nach dieser Ausstellung planen wir eine über die Geschichte von queerem Aktivismus nach den Weltkriegen.« Der etablierten Museologie entgegenzusteuern, fordert nicht nur ein Umdenken, was die Formalitäten des Museums betrifft. Es muss auch auf die einzelnen Objekte heruntergebrochen werden. Aschka: »Man muss sich die Frage stellen, was es wert ist, in einem Museum gezeigt zu werden.« Das sei ein noch nicht vollendeter Prozess, an dem das Queer Museum arbeite. »Wir wissen nicht, ob wir am Ende ein Palast sein werden – oder etwas komplett Neues. Nicht alles muss aus Gold sein, funkeln oder auf einem Podest stehen.«
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Mit Trppn kommen Smartphone-Apps, die Blockchain und Musikerkennungssoftware nach und nach am Wiener Dancefloor an. Dystopischer Horrortrip für die Clubkultur oder eine Chance auf mehr Verteilungsgerechtigkeit, die es wahrzunehmen gilt? ———— Freitagnacht, kurz nach halb zwölf: Aus der Bluetooth-Box galoppiert die Vierviertelkick, man sitzt mit ein paar Freund*innen zusammen, alle haben Bock auf Tanzen. Weil niemand weiß, was noch geht, greift jemand zum Smartphone, wischt kurz über den Bildschirm und sieht: In der Forelle ballert gerade Abrisstechno, im Werk schiebt ein House-Klassiker an, im Fluc greift eine Indie-Band in die vorletzten Akkorde ihrer bekanntesten Hymne. Zwei Wischer übers Display später weiß man zusätzlich, wie lange man vor welchem Club anstehen wird, wie viele Leute schon drinnen sind und vor allem: wen man dort kennt. Alle Informationen leuchten in Echtzeit auf einer Karte von Wien auf – die Entscheidung fällt. Digital ist man bereits mittendrin im Geschehen, bevor man analog überhaupt vor Ort ist. Das beschriebene Szenario mag für manche wie ein dystopischer Horrortrip klingen. Schließlich würde sich eine Handy-App dort einmischen, wo eigentlich keine Smartphones hingehören: auf dem Dancefloor. Für viele andere soll sie das Verständnis von Clubkultur
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revolutionieren. Sagen zumindest die Gründer von Trppn, einer Wiener App, mit der man zukünftig nicht nur auf den Facebook-Kalender verzichten, sondern auch in Clubs »hineinhören« können soll. »Die Idee entstand aus einem eigenen Bedürfnis«, sagt Michael Walcher, einer der Geschäftsführer von Trppn, das seit 2021 kostenfrei in den App-Stores zu finden ist. »Ich war mit Freunden unterwegs,
»Wenn ich die App nutze, supporte ich als DJ gleichzeitig die Artists, deren Musik ich spiele.« — Michael Walcher wir hatten Energie und wollten zu einer Veranstaltung, wo das Energielevel mit unserem übereinstimmt. Ein Blick aufs Line-up hilft zwar weiter, aber was tatsächlich läuft und wie der Vibe vor Ort ist, lässt sich trotzdem nicht sagen.«
Aus einer Idee entstand die Vision, eine Plattform für Clubkultur zu schaffen. Trppn will sich damit als aktualisierte Alternative zu Facebook positionieren. Jener Plattform, von der sich gerade im Kulturbereich viele nur deshalb nicht lossagen, weil sie immer noch das kann, was Trppn zukünftig besser können soll: die Kalenderfunktion. Walcher sieht darin aber nur einen ersten Zwischenschritt für die App. Neben der Möglichkeit, die gespielten Tracks in den Clubs live zu ermitteln und von überall abzurufen, werde die Anwendung sowohl für Artists und Locations als auch fürs Publikum weitere Vorteile bringen. Menschen, die im Kulturbereich arbeiten, sollen sich mit ihrem Schaffen rund um Musik finanzieren können und Besucher*innen die Veranstaltungen finden, auf denen sie sich nicht nur Musik hören, die ihnen gefällt, sondern auch auf Leute treffen, unter denen sie sich wohlfühlen, so Walcher. »Wenn es klappt, wie wir es uns vorstellen, wird es einiges auf den Kopf stellen – aber zum Guten.« Zum Guten heißt in diesem Fall: Weg von Metaverse-Monopolist*innen wie Facebook oder Instagram, hin zu solchen, die sich »demokratisieren lassen«, wie es die Macher von Trppn nennen. Alle, die im Kultursektor arbeiten – Trppn geht von weltweit 100 Millionen »Creators« aus –, sollen mit der Anwen-
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»Wir wollen die Clubkultur revolutionieren« Was die Wiener App Trppn auf dem Dancefloor sucht
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dung wieder die Agency über das eigene Werk bekommen. Das soll durch die Blockchain passieren – eines der Buzzwords in der Startup-Szene, bei der Investor*innen von grünen Scheinen träumen. Das hört sich erst mal nach Business-Blabla für Menschen an, die ihren E-Scooter vor dem Volksgarten parken. Wer weiß schon, was eine Blockchain ist? Bitcoins, davon hat man gehört. Von NFTs vielleicht auch. Aber was hat die Sache mit echten Clubs, DJs und Kultur zu tun? Trppn soll sich langfristig zu einer dezentralen Plattform entwickeln, wie Walcher betont. Das heißt, dass es die Struktur einer Art virtueller Genossenschaft einnehmen würde. Dadurch könne kollektive Intelligenz entstehen, die wiederum zu Transparenz, Konsens und Kollaboration abseits traditioneller Strukturen und Hierarchien führe, so der Trppn-Geschäftsführer. Weil das immer noch so abstrakt wie ein Gemälde von Pollock ist, müssen wir uns als Gegenbeispiel soziale Medien wie Facebook oder Instagram vorstellen: Einige wenige Anbieter*innen verwalten ihre sogenannten Dienstleistungen zentral, während sie Daten von User*innen absaugen und damit
ziemlich viel Kohle scheffeln. Anders gesagt: Man hat auf Facebook zwar ein Profil, das man mit Content bespielt, verdient für diese Arbeit aber keinen Cent, sondern generiert Geld für eine Plattform, die Macht bündelt und jede Form von Wettbewerb zerstört. Deshalb hört man von Trppn auch, dass die Blockchain die Lösung für viele Probleme innerhalb der Clubkultur sein könnte – eben weil sie für das genaue Gegenteil stehe: Dezentralisierung und eine gleichmäßige Verteilung von Macht.
Nicht nur Blockchain Natürlich stecke da Crowdfunding-Charakter drin, so Walcher. Schließlich ließe sich durch diesen Ansatz neue Autonomie in der Subkultur schaffen. »Wir stünden alle gemeinsam dafür ein, würden uns Räume schaffen und sie finanzieren – eine Revolution!« Wie die genau funktionieren soll, ist eine andere Sache. Die Blockchain scheint zwar sexy, ist für die meisten Menschen aber immer noch so verständlich wie das Trance-Revival zur Peaktime. Allerdings besteht Hoffnung. »Wenn man mit der Blockchain nichts am Hut haben will«, so Walcher weiter, »soll man
Smartphones haben auf dem Dancefloor eigentlich nichts verloren. Eigentlich.
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Nach dem Kick-off soll die App nun laufend weiterentwickelt werden.
davon auf der App nichts mitbekommen.« Davon ist derzeit ohnehin noch wenig zu sehen, die Plattform ist beim ersten von vielen Evolutionsschritten. Allerdings erkennen viele DJs bereits die Möglichkeiten, die sich mit Trppn auftun – vor allem als Alternative zur bestehenden Situation. Das bestätigt auch Sadie Walizade alias DJ Diamond vom Kollektiv Disorder. Obwohl sie ein zwiespältiges Verhältnis zu sozialen Medien habe, seien sie notwendige Tools, um die man nicht herumkomme. »Außerdem können sie einem auch zu Erfolg verhelfen«, so Diamond. Sie hofft, dass sich Trppn bald zu einem Ersatz für den Veranstaltungskalender von Facebook etablieren kann. Und ist damit nicht allein. »Die meisten Events werden aktuell auf Social-Media-Plattformen veröffentlicht«, sagt Annika Stein. Die Gründerin des Wiener Kollektivs Tongræber und ResidentDJ bei Meat Market sieht in Trppn langfristig genau das, was das Unternehmen anstrebt: die Unabhängigkeit von Konzernen wie Facebook zu ermöglichen. Aktuell verwende man die Plattform ohnehin nur noch dafür, eigene Events zu promoten und durch den Kalender eine Übersicht zu bekommen. Eine Alternative sei überfällig. Auch weil Facebook-Veranstaltungen längst unbrauchbar seien, sagt Sascha Aringer vom Technokollektiv Ananas. »Früher konnte man als Veranstalter*in damit halbwegs kalkulieren, wie viele Leute man tatsächlich auf der Veranstaltung erwarten kann. Heute funktioniert das gar nicht mehr«, so Aringer. Weil Trppn aber die Publikumsdichte in den Clubs live erheben will, könne entsprechend gezielt geplant werden – ohne ein Risiko einzugehen. Der Wiener Veranstalter und DJ zieht auch den Vergleich zu einer anderen App, die sich vor einigen Jahren in den Veranstaltungssektor drängen wollte: Bloom. »Damit konnte man spontan Events teilen. Allerdings war sie für den Clubbereich eingeschränkt brauchbar, weil sich jede*r einfach taggen konnte – gerade Leute, die illegale Raves veranstalteten, waren nicht gerade glücklich damit«, so Aringer. Mit Trppn sei die Situation anders. Zwar könne man sich theoretisch als Host definieren und eine Veranstaltung angeben, allerdings nicht mit einem Klick. »Die Barriere, einfach einen Rave zu taggen, ist dadurch viel höher.«
Bessere Vernetzung Außerdem sieht Aringer die App als Chance für junge DJs und unbekanntere Kollektive, weil sich Leute vorab anhören können, welche Musik gerade auf den jeweiligen Events gespielt wird. »Das neue Feature ›Signature Track‹, also die Möglichkeit für Artists, Hosts und Venues einen Track dem Profil oder Event zuzuordnen, wird in Kürze freigeschalten«, so Michael Walcher von Trppn. Die Idee
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ist schnell erklärt: DJs legen nicht nur auf, sondern neben sich auch das Handy ab. Die App soll die gespielten Titel dann erkennen und sie live veröffentlichen. Man kann sich das wie Shazam für DJ-Sets vorstellen. Wer auf Schlager steht, soll zur Hüttengaudi auf die Bänke klettern. Wem bei Techno EcstasyTränen über die Wangen kullern, darf in der dunklen Kammer schwitzen. »Dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten zur genaueren Vergütung von Künstler*innen«, meint Johannes Piller dazu. Der Vlan.Radio-Mitgründer und DECK-Neogewerkschafter sieht in der Live-Erkennung der einzelnen Stücke die Möglichkeit, das Problem der pauschalisierten Abrechnung von Artists zu lösen – bislang ein System, das bekannte Artists stark bevorteilt. Eine Änderung käme vor allem Künstler*innen entgegen, die als Producer*innen arbeiten, also selten live auftreten, aber von anderen DJs in ihren Sets gespielt werden. Michael Walcher von Trppn sieht auch hier den Community-Gedanken im Vordergrund. »Wenn ich die App nutze, supporte ich als DJ gleichzeitig die Artists, deren Musik ich spiele.« Auf der anderen Seite könne man sich als Benutzer*in mit Leuten vernetzen, die einen ähnlichen Musikgeschmack teilen – und dadurch auf Events landen, auf die man vielleicht nie gekommen wäre. Schließlich bestehe von allen Seiten das große Bedürfnis, sichtbar zu machen, was im Clubkontext passiert. Das könne auf einem sozialen Musiknetzwerk wie Trppn beginnen, müsse aber eine Verbindung in den Club herstellen. »Deshalb wollen wir weg von dem Gedanken, alles in die digitale Welt zu verla-
gern«, so Walcher. »Im Gegenteil: Wir vernetzen uns digital und treffen uns draußen.« Das hört sich nach einer Wunschvorstellung an, könnte aber funktionieren – auch weil sich die App »zunehmend als übersichtlicher und schicker Partykalender mit Map-Funktion bewährt«, sagen die Macher*innen vom Kollektiv Off the Grid. »Gerade in unbekannten Umgebungen wäre die Funktion Gold wert, selbst wenn die App darauf besteht, bei der Verwendung ständig auf die Ortungsdienste des Smartphones zuzugreifen.« Auch hier könnte die Blockchain Vertrauenslücken schließen, weil das Netzwerk von allen Nutzer*innen verwaltet und niemand mehr zentral darauf zugreifen würde. »Es mag jede*r ein anderes Musikgenre vertreten, am Ende geht es doch um das gemeinsame Erleben von Musik, um ein Miteinander und eine Auseinandersetzung mit der Kunstform im Clubkontext«, so Walcher. Die digitale Welt wird diese Energie nicht ersetzen können. Sie könnte aber dazu führen, dass zukünftig mehr Kulturschaffende von ihrer Arbeit profitieren. Weil sie nicht nur gesehen wird, sondern ihnen auch gehört. Ein Versuch, den wir wagen müssen. Christoph Benkeser
Wer sich mit Trppn und anderen App-basierten Alternativen zu digitalen Monopolen auseinandersetzt, sollte auch Aslice kennen. Eine Plattform, die mit dem Gedanken gegründet wurde, die Clubszene für Produzent*innen gerechter zu machen – und damit jene Lücke schließen will, die Verwertungsgesellschaften im Bereich der elektronischen Musik und DJs noch immer offen lassen.
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Alternative zu Facebook
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»Wir nehmen unsere Freiheit oft für selbstverständlich« Marie Kreutzer im Interview zu »Corsage« »Corsage« zeigt das Leben der Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn. Ein Film über Handlungsmacht, alternde Frauen und einengende gesellschaftliche Rollenbilder – damals wie heute. The Gap bat Regisseurin Marie Kreutzer zum Interview. ———— Wenige historische Persönlichkeiten aus Österreich haben sich derart ins kollektive Gedächtnis eingeschrieben wie Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn. Bekannt als Sisi – oder auch Sissi – und vor allem als schöne, junge Frau mit vollem, langem Haar, dünner Taille und in prächtigen Kleidern. In der bekannten Filmreihe aus den 1950er-Jahren wurde sie von Romy Schneider verkörpert – einer weiteren mythenumrankten Frau. Noch heute ziert Sisi T-Shirts und Seifen, Tassen und Pralinenpackungen – sie wurde zum Symbolbild für eine vermeintlich prunkvollere Zeit. Dass Menschen komplexer sind als die Geschichten, die wir über sie (medial) erzählen, das ist keine bahnbrechende Erkenntnis, aber eine, die man stets bedenken sollte. Marie Kreutzer seziert in ihren Filmen zumeist eine urbane obere Mittelschicht. In »Corsage« jedoch erzählt sie die teils fiktive Geschichte einer alternden Kaiserin, die ihre Freiheit sucht, Wut zeigt und damit das höfische Umfeld verstört.
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Elisabeth ist eine Kultfigur. Aktuell ist auch ein weiterer Film über sie in Planung, außerdem gibt es die beiden neuen Serien »Sisi« und »Die Kaiserin«. Warum fasziniert diese Figur so? Die aktuelle Häufung von filmischen Bearbeitungen ist durch nichts zu erklären und wundert mich selbst. Es gibt sicher Erklärungen für die Faszination – etwa die Flucht in historische Stoffe angesichts einer bröckelnden Gegenwartswelt –, für mich war aber gerade interessant, dass Elisabeth am Ende einer Ära gelebt hat. Die Monarchie sollte es ja dann nicht mehr lange geben. Warum behandelst du im Film die gealterte Elisabeth? Und wie funktionierte die Gratwanderung zwischen Fakt und Fiktion? Diese Altersphase hat mich am meisten fasziniert und ich wusste auch am wenigsten darüber. Alle kennen den Anfang und das Ende der Geschichte, aber weniger den Mittelteil, in dem Elisabeth damit zurechtkommen musste, die Rolle der schönen jungen Kaiserin nicht mehr erfüllen zu können. Nach der Recherche habe ich im Spannungsfeld von Fakten, Gerüchten und Anekdoten eine fiktive Geschichte geschrieben und versucht,
eine eigene Idee von Elisabeth zum Leben zu erwecken. Es entstand der starke Eindruck einer komplexen widersprüchlichen Person, die nichts mit dem süßen Sisi-Bild gemeinsam hat. »Corsage« ist ein historischer Film. Welche Herausforderungen haben sich dadurch ergeben? Die größte Herausforderung war für mich die Koproduktion. Diese macht alles größer und komplexer. Die Postproduktion des Films etwa fand in vier Ländern und in mindestens drei Sprachen statt. Das Team war zu groß, um jeder und jedem Guten Morgen zu sagen. All das waren neue Erfahrungen und für mich letztlich fordernder als der Inhalt oder die zentrale Figur des Films. Das reale Vorbild muss einem irgendwann sowieso insofern egal sein, als man niemals alles für alle richtig machen kann. Elisabeth war für ihre Schönheit bekannt, sie war aber auch eine ausgezeichnete Reiterin, schrieb Gedichte und reiste viel. Dennoch scheint ihr Aussehen ihr Image zu bestimmen. Vielen (berühmten) Frauen geht bzw. ging es ähnlich. Kann Kaiserin Elisabeth als deren »Vorgängerin« betrachtet werden?
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Pamela Russmann, Ricardo Vaz Palma / Alamode Film
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»Corsage«-Regisseurin Marie Kreutzer
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Pamela Russmann, Ricardo Vaz Palma / Alamode Film
Genau, das hat mich daran interessiert. Ich finde, man sieht gerade wieder am JohnnyDepp / Amber-Heard-Prozess, dass es eine so exponierte Frau niemals richtig machen kann, dass jedes Detail ihres Auftretens und ihrer Aussagen von den Medien und vom Publikum knallhart beurteilt und verunglimpft wird. Alle Frauen kämpfen ihr Leben lang damit, dass sie ein übergroßes Frauenbild erfüllen sollen. Frauen in der Öffentlichkeit werden noch gnadenloser beurteilt. Inwiefern haben sich weibliche Rollen bilder und gesellschaftliche Freiheit seit Elisabeths Zeit verändert? Die Emanzipation hat uns viel gegeben, aber wir sind noch weit, weit, weit von Gleichberechtigung entfernt. Das Patriarchat hat uns alle – auch Männer – fest im Griff. Heute »dürfen« Frauen – zumindest in der westlichen Welt! – viel mehr. Aber sie müssen auch viel mehr: Wir müssen gute Mütter, schöne Frauen, tolerante, unterstützende und sexy Partnerinnen, verständnisvolle Freundinnen, erfolgreiche Berufstätige mit sozialem und ökologischem Gewissen sein. Alles gleichzeitig – das kann niemand schaffen.
Ich hatte für »Der Boden unter den Füßen« schon viel über Psychiatrie recherchiert und habe das Thema dann bei »Corsage« wiedergefunden, weil Elisabeth selbst von der Psychiatrie ähnlich fasziniert war wie ich. Natürlich hat sich viel entwickelt. Zu Zeiten Elisabeths war »Ehebruch« bereits ein Grund für eine Einweisung – wohlgemerkt nur der Ehebruch, den eine Frau beging. Das Netzbett jedoch, das auch in »Corsage« zu sehen ist, war in Österreich noch vor wenigen Jahren im Einsatz. In »Corsage« spielen Essen und auch Musik eine Rolle. Die Musik habe ich beim Schreiben gehört. Die Herausforderung ist, die Rechte zu bekommen, und in diesem Fall, die Musik so zu integrieren, dass sie im historischen Film nicht als Fremdkörper wirkt. Das Essen spielt insofern eine große Rolle, als Elisabeth es verweigert. Es ist ja eine absurde Ironie, dass gerade Frauen, die nie Hunger leiden müssen, sich für den freiwilligen Hunger entscheiden, um schlank zu sein.
Dein Spielfilmdebüt wurde 2011 realisiert. Ist die Branche seit deinem Eintritt diverser? Jein. Ich denke schon, dass die Änderung der Richtlinien des ÖFI, nach der eine Quote einzuhalten ist, helfen wird. Quoten sind kein elegantes Instrument, und mir ist Eleganz immer lieber, aber Worte haben nicht genug bewegt. Das Bewusstsein ist größer, Taten müssen aber folgen. »Corsage« spielt schon im Titel auf Freiheit an. Wie definierst du Freiheit für dich und wie versuchst du sie zu leben? Freiheit ist, wenn ich mein Leben selbst gestalten kann. Heute sehen wir, dass es ein großes Privileg ist, das zu können. Ich versuche, dankbar zu sein für diese Freiheit. Ich sehe die Ukraine, ich sehe die Frauen in Afghanistan – und das macht mich verzweifelt und wütend. Wir nehmen unsere Freiheit oft für selbstverständlich, aber wir müssen sie schätzen und benennen, um sie zu erhalten. Barbara Fohringer
»Corsage« von Marie Kreutzer ist ab 7. Juli in den österreichischen Kinos zu sehen.
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In »Corsage« zeigst du Elisabeth als unglückliche Frau. In unserer Gesellschaft scheint es eine Faszination für schöne traurige Frauen zu geben. Warum? Ich denke, die »schöne traurige Frau« ist eine Projektionsfläche, und gleichzeitig ist sie keine Bedrohung für den Mann. Es war mir sehr wichtig, Elisabeth nicht lediglich als Leidende zu zeigen, sondern ihr Kraft, Aggression, Wut zu geben. Eben doch etwas, das ihr Umfeld bedroht und verunsichert. Schon in »Der Boden unter den Füßen« hast du das Thema psychische Gesundheit behandelt. Konntest du bei der Recherche Gemeinsamkeiten im Umgang mit psychischer Gesundheit erkennen?
»Corsage« zeigt das Leben der alternden Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn.
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Ausstellungen täglich 1100 — 2100 Uhr Programm und Information angewandtefestival.at Oskar-Kokoschka-Platz 2 1010 Wien
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Vordere Zollamtsstraße 7 1030 Wien
Georg-Coch-Platz 2 1010 Wien
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PROSA — MARIJA PAVLOVICĆ
SPURENSUCHE Die serbische Autorin Marija Pavlović ist ab Juni Stadtschreiberin von Wels. Ihr mittlerweile dritter Roman »24« ist soeben im Drava Verlag auf Deutsch erschienen. Hier ein kleiner Einblick ins wilde Romangeschehen.
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20.12.2014 DIARIO DE VIDA Der Metropol Parasol erschien unangekündigt angekündigt. Ihr erwartet, dass in einem bestimmten Moment euer Blick auf ihn fallen wird, aber nicht, wenn ihr unter der Wirkung von 24 Gin Tonics verstört zur Nachtgrotte Alameda de Hercules rennt. Der Parasol bewegt sich, er ist kein Baum, er ist eine geleeartige weiße Masse, die in ihrer außerirdischen Form über eurem sinnlosen Verbleib in der Gegenwart schweben möchte. Du hast den Eindruck und hoffst insgeheim, dass er dich in seine weiße Wellenartigkeit hineinziehen wird. Dass ihr gemeinsam durch den Himmelsraum schweben werdet in der Ruhe von unumgänglichen Evolutionsprozessen. Dass ihr euch als eine amorphe Struktur durch das Weltall bewegen werdet, bis alles außer der Genmutation in deinem armseligen Gehirn unbedeutend wird. Tod dem Körper, hoch lebe der Gedanke! Du rutschst beim Betreten der Rolltreppe aus und bleibst darauf liegen, voller Schmerz und Wunsch, hinaufbefördert und zum Teil des größten Holzbauwerks der Welt zu werden. Die Sonne und eine leichte Brise taten Viktors Hals gut, als er auf das Dach des Parasol hinaufstieg. Im Aufzug mit mattweiß gepunkteten Spiegeln war Musik zu hören. Nicht gerade typische Aufzugsmusik, Four Tet – »She Moves She«. Auf dem Dach war ein äußerst konspiratives Treffen mit Grizzly geplant, dem Wachdienstmitarbeiter eines Bear-Clubs in Sevilla, der angeblich Informationen über Vida und ihren Begleiter hatte. Die Nachricht, die er vorher von Grizzly bekommen hatte, ließ erkennen, dass er etwas über die Geheime Friseurvereinigung wusste. »Sind Sie sicher, dass Ihnen niemand gefolgt ist?« »Natürlich bin ich sicher, klar, hier kennt mich doch niemand.« »Das glauben Sie. Mit diesen Menschen können Sie nie sicher sein.« »Wissen Sie, wenn irgendjemand hier misstrauisch sein sollte, dann bin das ich. In der Kathedrale kam ein Mitarbeiter auf mich zu und hat mich mit Ihnen in Kontakt gesetzt; meinetwegen können Sie ganz gewöhnliche Betrüger sein.« »Deshalb sage ich es Ihnen auch. Wenn mein Freund bemerkt hat, wie Sie in der Kathedrale herumgehen und mit Vidas Sachen herumwedeln, hätte jemand, der es weniger gut mit Ihnen meint, Sie genauso gut bemerken können.« »Gut, kommen Sie zur Sache. Was können Sie mir über Vida und das Gold, von dem sie spricht, erzählen?«
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»Ich könnte Sie fragen, ob Sie reif für einen Haarschnitt sind.« »Bitte?« »Haben Sie versucht, sich irgendwo die Haare schneiden zu lassen?« »Unglaublich, Sie sind nicht die erste Person, die mich das fragt. Aber es ist für mich gleichermaßen verwunderlich wie beim ersten Mal.« »Moment, wissen Sie wirklich nichts? Haben Sie nichts von der ›Goldenen Hand‹ gehört?« »Nein. Deshalb bin ich offenbar jetzt hier mit Ihnen. Sagen Sie mir alles, was Sie wissen.« »Die ›Goldene Hand‹ ist ein sehr alter Geheimbund, der weltweit 24 Zweigstellen und eine äußerst starke Lobby hat. Man glaubt, dass sie bestimmte Rituale und Ritualmorde begehen, aber sie hinterlassen recht wenige Spuren. Und auch sehr wenige Menschen. Und die wenigen Zeugen, die etwas über sie wissen, wollen kaum ein Wort darüber reden. Jene, die damit einverstanden waren, eine Aussage zu machen, oder die sie unfreiwillig im Rauschzustand gemacht haben, wiederholten stur: ›Beware of the golden hand.‹ Einige Leute, die den Kontakt zur Realität verloren haben, hatten erstaunlich gleiche Träume. Sie alle erzählten voller Angst von einem goldfarbenen Gummihandschuh, der bei einem offenen Fenster erscheint und für die Menschen im Halbschlaf die ultimative Bedrohung darstellt. Und alle schrien auf, als sie Haarwäschebecken in Friseursalons und Barbierstuben erblickten. Ihre beiden Landsleute machten auf sich aufmerksam, weil sie beharrlich in ganz Sevilla nach Barbierstuben suchten. Und wahrscheinlich auch an Orten noch vor Sevilla. Sie suchten nach einem goldenen Scheren zeichen. Sie haben alle Ecken abgeklappert, angesagte Orte wie Löcher, haben in jedem queeren Club geschnüffelt, überall, wo sie nur konnten. Natürlich, wenn jemand hier auch etwas gewusst hätte, hätte er ihnen nicht ein einziges Wort preisgeben dürfen.« »Wollen Sie mit mir scherzen?« »No, Señor, ich weiß, es klingt unglaubwürdig, aber diese Leute sind grauenhaft. Das sind keine gelangweilten Kids, diese Leute machen Dinge, von denen es einem kalt den Rücken hinunterläuft. Es wurden 24 Skalps vor 24 Jahren auf Gibraltar gefunden. Damals wurde das politischen Provokationen bezüglich Zwistigkeiten um Ceuta zugeschrieben, aber der Fall wurde nicht offiziell gelöst.
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Marija Pavlović
Sie ritzen das Scherensymbol in die Skalps ein. Warum die beiden nach ihnen gesucht haben, möchte ich gar nicht wissen, je weniger ich weiß, desto besser. Was ich weiß, ist, dass sie die Aufmerksamkeit der falschen Leute auf sich gezogen haben. Deshalb wollte ich Sie auch warnen; es ist besser, Sie kehren dorthin zurück, woher Sie gekommen sind und vergessen das Ganze.« »Das kann ich schon nicht mehr, danke für Ihre Besorgnis. Das hier nimmt immer wahnsinnigere Ausmaße an.« »Gibt es irgendeine Möglichkeit, den Ort dieser 24 Zweigstellen zu erfahren? Oder an irgendwelche Zeugen zu gelangen?« »Ich weiß nicht, es kursieren verschiedene Gerüchte, Sie wissen, wie die Menschen sind. Nie wurde irgendetwas davon bestätigt, meistens ist das alles Unsinn. Gewisse Jugendliche, Anhänger dieses Kults, ahmen oft ihre Rituale nach und gestalten davon inspirierte Videospiele; sie bringen zum Spaß falsche Informationen in Umlauf, als ein Angebot des Dark-Tourism. Einmal haben sie die Meldung losgeschickt, dass jemand in unserem Bear-Club Gold ejakuliert und dass das die beste Verbindung zum Kult sei, sodass wir einen Ansturm von Menschen hatten, die deswegen in den Club wollten. Wir sind aber doch ein Bear-Club, wir lassen nicht jeden herein. Was natürlich zusätzlich den Argwohn blöder Idioten hervorrief, die dann diese Geschichte aufgebauscht haben: der Verein sei ein Gentlemen’s Club, der weder Frauen noch passive Männer aufnehme. Was für ein Unsinn, großer Gott! Die Betrüger haben eine Menge Geld gemacht, indem sie Touren für die SM-Community organisierten, deren Mitgliedern ›Teilnahme an den Ritualen der Goldenen Hand‹ verkauft wurde, bei denen die ›Goldene Hand‹ eine Domina oder ein Domino mit einer Peitsche war. Doch das ist alles Blödsinn, wenn ich es Ihnen sage, die Leute aus der ›Goldenen Hand‹ sind weitaus schlimmer als das Mainstream-Zeug. Anscheinend gehen ihre Wurzeln in die Epoche der spanischen Kolonialzeit zurück, als ein Teil der Aristokratie eine enorme Menge Gold an sich gerissen hatte, das er der eingeborenen Bevölkerung der Neuen Welt geraubt hat. Niemand weiß genau, über welchen Raum sich all das erstreckt, manche sprechen von Teneriffa, andere von Marokko um Tanger, andere wieder von Mexiko, Havanna und Südamerika. Angeblich gibt es Salons auch in Sevilla und Cádiz, denn das sind die Häfen, aus denen Kolumbus in die Neue Welt ausgelaufen ist.
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Ziemlich vielschichtig – so beschreibt man Marija Pavlovićs Roman »24« (Drava Verlag, übersetzt von Jelena Dabić) wohl am besten. Auch wenn derartige Attribute immer höchst schwammig sind. Dennoch: Worum geht’s? Polizist Viktor Stankovic reist ins spanische Malaga, um das mysteriöse Verschwinden der serbischen Touristin Vida Eric aufzuklären. Die Ermittlungen dazu lassen langsam seine Wirklichkeit zerbröseln. Mit feiner Ironie erzählt Pavlović eine Geschichte des Verschwindens, greift dabei tief in die Textsortenkiste und zimmert einen Mystery-Crime-VerschwörungsReisebericht-Thriller zusammen, der an so mancher Stelle auch als gewitzte Persiflage durchgehen könnte. Pavlović, die gerade an ihrer Promotion in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin arbeitet, ist von Juni bis September Stadtschreiberin in Wels.
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Zur Person
Sehr gut ist, dass Sie jetzt, im richtigen Moment, hier sind. Einer der wenigen Zeugen, der etwas darüber sagen kann und will, ohne den Verstand verloren zu haben, besucht jedes Jahr die Kathedrale in Sevilla um Mitternacht zur Mette. Er wird sicher auch dieses Jahr da sein.« »Können Sie mich mit ihm in Kontakt setzen?« »Ja, das kann ich, mit ihr. Referenza. Ich werde sie fragen, ob sie sich mit Ihnen treffen und unterhalten kann, ich werde ihr die Situation erklären.« »Okay, nichts zu machen, dann muss ich bis zum 25. warten. Das ist nicht so nah, könnte sie auch früher erscheinen?« »Ich glaube nicht, Señor. Ich könnte es überprüfen.« »In Ordnung, es ist nun mal so, Sie haben meine Nummer, geben Sie mir Bescheid, sobald Sie etwas wissen.« »Natürlich, wir sehen uns, und fragen Sie nicht nach mir im Club, wir müssen diskret bleiben.« »Keine Sorge, ich habe auch nicht vorgehabt, Ihren Club zu besuchen.«
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Rezensionen Musik Farce
Apollonia T. Bitzan
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Wer Farce, das Soloprojekt von Veronika König, nicht kennt, ist eigentlich fast zu beneiden, weil das bedeuten muss, die letzten vier, fünf Jahre erfolgreich verpennt zu haben – was in der Vorstellung durchaus leicht zu romantisieren scheint. Aber Melancholie beiseite. Wobei sich das mit Farce’s zweitem Album »Not to Regress« eher ambivalent-schwierig gestaltet. Von Langspieler zu sprechen fühlt sich nicht wirklich richtig an, denn der emotionale Joyride der zehn Tracks ist nach flüchtigen 31 Minuten bereits wieder vorbei. Umso besser passt dafür die kürzere Bezeichnung Album: Wozu lange herumfaseln, wenn man sein Innerstes auch kompakter teilen kann? Hat man das Glück, in Wien wohnhaft und in der Zeit von Corona einigermaßen solidarisch bzw. finanzstabil gewesen zu sein, um Farce mit dem Kauf einer der nach Hause gelieferten Vinyl-Bundles zu unterstützen, wird man feststellen, dass sich der Sound von Farce mit den letzten Outputs merkbar verändert hat. Wo man auf Tracks wie »Sva« noch klar die Punk- und Black-Metal-Vergangenheit Königs erkannte, ist »Not to Regress« weniger kantig. Aber räudig heißt nicht immer schön und Signature-Sound heißt nicht immer fad. Die Kicks und Snares sitzen da, wo man sie braucht, um mit einem gebrochenen Herzen grinsend durch die Sommerdepression zu schunkeln und das Vocal-Recording, für das Wolfgang Möstl verantwortlich zeichnet, komplettiert die Tracks auf eine Art, die auch Farce’s Auftritt eine angenehme Selbstsicherheit zuteil werden lässt. Als Zuckerl befinden sich auf dem Album ein Dub des Æther-Kombo-Tracks »Déjà-vu« von Old Grape God aus Portland und ein Featuring mit Soap & Skin. Letzteres steht als Cover unter dem Stern von Anja Plaschgs Donaufestival-Auftritt, bei dem sich die Ausnahmemusikerin der Kunst des Covers annahm. So auch im Duo mit Farce bei »Thee Silence«, einem Titel, der das Cover, das auch an dieser Stelle aus Gründen des Spannungsaufbaus nicht aufgelöst wird, nicht gleich erkennen lässt. Die Platte, die mittlerweile digital veröffentlicht wurde, aber erst gegen Jahresende physisch verfügbar sein wird, setzt die Definition von »aus einem Guss« neu. (VÖ: 24. Mai) Sandro Nicolussi
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Not to Regress
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Rezensionen Musik
Heckspoiler
Laundromat Chicks
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Heckspoiler lassen auf »Tokyo Drift« eine Gnackwatsche nach der anderen klatschen. Ein wahres Zeltfest für Freund*innen der gnadenlosen Verzerrung. »Uh, ah, alles im Arsch!« Eine außer Kontrolle geratene Mischung aus Queens of the Stone Age, Punkrock und Bilderbuch. Ein brachiales Feuerwerk, eine Links-rechts-Kombination aus Bass und Schlagzeug. Die instrumentale Limitierung des Duos aus Oberösterreich hat Entertainment-Charakter und lässt auf keinen Fall Volumen vermissen. Die geshouteten Texte werden mit oberösterreichischer Zunge vorgetragen, bestechen durch beißenden Witz und Selbstironie. Heckspoiler entrücken sich selbst und andere, kennen keinen Kompromiss, legen die heuchlerischen Elemente einer Gesellschaft frei. Das E-Bike, der Trend und das Start-up werden schonungslos zum musikalischen Schafott geführt. Frei nach dem Motto: Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Die Riffs sind aus dramatischer Härte geboren, aus dem Bassgitarrenhals brutal herausgequetscht, während dem Schlagzeug der Garaus gemacht wird. Tokyo Drift ist das zweite Album der Krawallmacher vom Land. Beide Protagonisten brüllen und singen sich die geschundene Seele aus dem Leib. Bei aller Ironie, die Inhaltlich den roten Faden darstellt, sind Heckspoiler keineswegs der platten Oberfläche verpflichtet. Kritisch thematisiert werden unter anderem das unabkömmliche Auto am Land und dessen Verbauung, die Unfähigkeit sich (für andere) zu freuen, engstirniges Denken und eine sich selbst erhöhende Gesellschaft. Sehnsucht, Liebe, Schmerz und Sucht werden anhand realitätsnaher Erfahrungen verarbeitet. Ohne Augenzwinkern geht es aber nur selten bei den Unruhestiftern aus Oberösterreich. Die extravagante Inszenierung der »Heckies« passt zum Schmäh und zur brachialen Ästhetik von »Tokyo Drift«, aber auch zum inhaltlichen und musikalischen Anspruch der Band. Ein Album wie ein Autorennen. Bitte anschnallen! Kim Tom Gun (Bass, Gesang) und Zlatko San (Schlagzeug, Gesang) drücken das Gaspedal voll durch. (VÖ: 10. Juni) Tobias Natter Live: 15. Juni, Wien, B72 — 16. Juni, Salzburg, Rockhouse Bar — 17. Juni, Graz, PPC — 18. Juni, Linz, Stadtwerk
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Trouble — Siluh
Wenn uns die Pandemie eines gelehrt hat, dann, dass wir die nächsten Jahre nicht nur relativ beschäftigt mit der Bewältigung des sogenannten Rattenschwanzes sein werden, sondern auch vermutlich noch in einem halben Jahrzehnt Künstler*innen und neue Gruppierungen kennenlernen werden, deren Anfänge sich irgendwie mit der Pandemie in Verbindung bringen lassen. Tobias Hammermüller wurde gerade 18 Jahre alt und schrieb einen Gutteil der auf dem Debütalbum »Trouble« enthaltenen Tracks irgendwo zwischen Sommerjob und jugendlicher Traurigkeit der vergangenen zwei Jahren. »Trouble« wurde wohl etwas zu heiß gewaschen, denn leider ist es mit den sieben Tracks und einer Spielzeit von nur gut 20 Minuten sehr mini, andererseits ist das auch die richtige Länge, um mal wieder ausgiebig unter der Dusche zu weinen, bevor das schlechte Gewissen wegen des Wasserverbrauchs einsetzt. Oder wie Tobias Hammermüller schreibt: »Mit dem Album habe ich versucht, etwas weniger Runterziehendes als früher zu machen. Ich habe versucht, traurige Lieder zu schreiben, zu denen man aber trotzdem kochen oder tanzen kann – oder die man im Bus hören kann, wenn man am Weg dazu ist, mit seinen Freund*innen auszugehen.« Die Band umgibt eine Geschichte von adoleszenter Schönheit: Den Basser und Drummer Felix Schnabl kann man aus der Wiener DIY-Szene bzw. unter seinem Alias Salamirecorder kennen. Umgekehrt spielt Tobi Bass in der Salamirecorder-Band. Abwechselnd auch an Bass und Schlagzeug spielt Lena Pöttinger, eine Freundin von Hammermüller, die wiederum »betrunken auf einer Party mit einer Gitarristin Nummern ausgetauscht hat, falls sie mal eine Band gründen wollten«. So kam Theresa Strohmer dazu – und das junge Quartett war komplett. Auf »Trouble« klingen sie wie eine ausgewaschene Jeansjacke mit Patches von New Order, The Cure, Blondie und Nirvana. Nur konsequent, dass das Album auch auf Tape erscheint. Am besten schleudert man das Band in einem Player, der – in welche Richtung auch immer – leicht von der gewollten Abspielgeschwindigkeit abweicht. (VÖ: 17. Juni) Sandro Nicolussi Live: 23. Juni, Wien, Rhiz
Doris Himmelbauer, Valerie Mitterer
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Tokyo Drift — Noise Appeal
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Atmosphères 27/06/22
Ólafur Arnalds »some kind of peace Live 2022«
05/10/22
Eivør »European Tour 2022«
24/11/22
Martin Eberle & Martin Ptak »Momentum«
05/12/22
Büşra Kayıkçı
01/03/23
Federico Albanese »Before and now seems infinite«
17/05/23
Eivør © Eivor Palsdottir
period.
Doris Himmelbauer, Valerie Mitterer
Das Magazin mit Weitblick
Martin Kohlstedt
Tickets und Informationen unter konzerthaus.at/AT
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Rezensionen Musik
Der Nino aus Wien
Eli Preiss
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Also falls – und ich sage: falls – sich irgendjemand auch nur gedacht haben sollte, 2022 würde einmal kein Album mit Beteiligung von Nino Mandl erscheinen, hat sich die oder der geschnitten wie damals Santiago Cañizares an der Parfümflasche. Weil, dafür kennen wir den mittlerweile 35-Jährigen zu gut: Zu lange ohne neue Platte geht das nicht gut, das geht zumindest lange nicht gut. Wobei: Im Vorjahr nur »Zirkus« mit dem Molden, das letzte echte Album, »Ocker Mond«, ist auch schon wieder zwei Jahre dahin. »Eis Zeit« ist das zwölfte Album – so viele haben die Beatles (ohne die EP »Magical Mystery Tour«!) – und da muss man dann schon in Phasen einteilen, eine frühe, eine Dings, eine Phase so und so. Als besonderen Service für alle späteren Ninologen – Grüße ins Jahr 2193 – teilen wir gleich jetzt ein. Unsere Großzügigkeit, herrlich. »Eis Zeit« gehört mit seinem Vorgänger zu den »Oslip Years«, wahlweise zu der »Aus der Not eine Tugend«-Phase. Erstens, natürlich weil: Aufnahme in Oslip. Und zweitens, weil: Was bleibt einem auch anderes übrig. Da ja mit Wegfahren eher nix ist, schreibt Nino die zwölf Songs für »Eis Zeit« kurzerhand zwischen Simmering und Favoriten, mit den richtigen Leute ist es dort schöner als an der Adria. Und da ja mit Konzerten auch eher nix ist, wird das Album live aufgenommen, mit der ganzen Partie, die den Nino schon seit ewig begleitet. Motto: Wenn schon kein Publikum, dann haben wenigstens wir eine Gaudi. Wie DJs in einem leeren Tschocherl, die ihre Insider-Hits nur für sich selbst spielen. Dass der Kantine Pronai seine Bandmaschine dazu laufen lässt, umso besser. Man hört das Live-Feeling. Es hört sich gut an. Musikalisch, könnte man sagen, bleibt vieles beim Alten. Der Mann hat seinen Sound seit »Wach« aus dem 17er-Jahr gefunden, spielt mit Band beschwingten alternativen Pop. Die kurzen Stücke – keines über drei Minuten 34 Sekunden, früher undenkbar! – wabern gefällig dahin. Wie so häufig ist das einzige Stück im Wienerischen, nämlich »Olles hot sei End«, jenes mit dem größten »Kultpotenzial«, ein melancholischer Blick auf ein »Was wäre, wenn«. Zum Glück müssen wir uns nicht fragen, was wäre, wenn 2022 kein Album erschienen wäre. Das Jahr wäre zumindest ein bisschen weniger gut. (VÖ: 24. Juni) Dominik Oswald
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Lvl Up — Mom I Made It Eli Preiss veröffentlicht ihr Debütalbum – und die Fangemeinden auf Instagram und Youtube warten schon darauf, die Szene und die Medien auch. Die junge Wiener Musikerin schmachtet auf »Lvl Up« in Zeitlupe vom Gameboy-Spielen und von »bisschen Meat grillen« bis »die Police an der Tür klopft«. Ihr Werkzeug ist das Idiom ihrer Generation, welche im Marketingplan wohl auch als Zielgruppe definiert wurde. Anglizismen wechseln sich in stetiger Verballhornung mit deutschestem Hochdeutsch als Kunstsprache ab. Preiss feiert den Endboss und grüßt die Bossbitch, während sie sich bei »Mario Kart« noch Bananas checkt. Sprache als Ausdruck des eigenen Habitus, das ist nichts Ungewöhnliches. In diesem Fall ist es Hip-Hop und Popkultur mit Augenzwinkern und wohl auch ein Streitfall zwischen den Generationen, der interkulturelle Missverständnisse beschwören kann. Preiss’ Botschaften sind dann doch manchmal subtil, bleiben aber mit dem Code der Adoleszenz versehen. Der Ernsthaftigkeit will sie – wenn es geht – aus dem Weg gehen. Ihr Debüt ist ein hedonistischer Rausch zustand, der vom Zocken und vom Warten aufs Amazon-Packerl erzählt. Es berichtet von der Sehnsucht nach früher, als alles noch ein bisschen einfacher war – Nostalgie im Gameboy-Format. Die Oberfläche verlässt Preiss selten und dann, wenn sie in die Realitäten ihrer Generation blicken lässt. Dort erzählt sie vom eigenen Streben nach emanzipatorischer Selbstbestimmung. Selbstbewusst und immer laid-back streckt sie den Mittelfinger in die Runde, schildert Ängste und Zweifel, wie sie zwischen den Welten verloren geht und sich ebendort wiederfindet. Die tragende Säule von »Lvl Up« ist Eli Preiss’ melancholischer Gesang. Ihre Waffe der Text. Kontext bilden musikalische Elemente aus dem Gaming, aber auch aus der Lounge der Zukunft und die wuchtig pulsierenden Beats. Preiss steht am Anfang ihres Weges. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht. Ein weiteres Tor gegen die hedonistische Ober fläche würde dem Spiel aber zweifelsfrei guttun. (VÖ: 10. Juni) Tobias Natter Live: 9. Juli, Salzburg, Electric Love Festival
Pamela Russman, Jana Kirchner, Daniela Matejschek, Robert Brandstätter
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Eis Zeit — Medienmanufaktur Wien
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Pamela Russman, Jana Kirchner, Daniela Matejschek, Robert Brandstätter
Filmpremiere »Corsage«
Das schottische Prinzip Jolly — Bader Molden
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Der Mensch als solches ist ja nicht gerade maulfaul; er sagt ja im Allgemeinen so mehrere Dinge. Etwa: Manchmal geht alles ganz schnell. Oder: Kunst muss zum Nachdenken anregen. Oder auch: Die Donau, das ist ein Bewusstseinsstrom. Dass die recht neue Gruppe Das schottische Prinzip darüber Lieder singen kann, das darf geglaubt werden, ihr Debütalbum ist gleich Zeuge aller drei Phraseologismen. Es heißt »Jolly«. Wer oder was auch immer das sein mag. Es gibt da viele Lesarten: Ich glaube an Buntstifte, andere an den Jokerman; ist aber unklar. Wichtiger, die Schnelligkeit: Die Gruppe (Julia Reißner, Jana Mitrovic, Petra Fraißl und Viktoria Mezovsky) lernt sich 2020 im Internet – wo auch sonst damals? – kennen und gern zu haben. Schon beim zweiten Konzert winkt der Plattenvertrag. Auftritte auf Festivals, Ernst Molden, Kantine Pronai, weitere Namen, Songs schreiben, wackelige Youtube-Videos, Aufnahme Ende des Vorjahres in Oslip. Connections öffnen dir die Tür, durchgehen musst aber mit deiner Musik natürlich selbst – beziehungsweise im Falle dieser Vier: vor allem mit den Lyrics, denn der folkloristische Poprock ist eher »form follows function«. Aber das ist ohnehin das höchste Prinzip der musikalischen Kunst, sollte es zumindest sein. Wo wir dann auch bei der Nachdenklichkeit wären, die Kunst provozieren sollte, und – da machen wir gleich mit – beim Bewusstseinsstrom. Dieser ist nämlich der Ausgangspunkt für die textliche Übermacht, die auf den zehn Stücken auf die Hörenden hereinprasselt und dabei auch an den jungen Nino aus Wien erinnert. Etwa im besten Song – und Hit! – »Hoffnung«: »Wenn schnelle Lügen brechen / Wenn Beschwichtigung nicht wirkt / Mag die Wahrheit dich erschrecken / Die die Seele dann verdirbt.« Aber auch jede weitere Zeile des Albums will zerlegt, diskutiert, auf Einfluss und Bedeutung analysiert werden, zum Nachdenken und Schlauerwerden bringen. Ja, »Jolly« ist teilweise überfordernd, dass macht aber auch den unbedingten Charme aus, an dem mangelt es nie. Ein wirklich tolles Debüt! (VÖ: 10. Juni) Dominik Oswald Live: 14. Juni, Wien, Chelsea — 25. Juni, Hall in Tirol, Burgsommer
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TI C NNEN G E WI
Für immer die schöne junge Kaiserin? Regis seurin und Drehbuchautorin Marie Kreutzer zerlegt den gern gepflegten Sisi-Mythos und lässt Kaiserin Elisabeth von Österreich (Vicky Krieps) – als wissbegierige, lebenshungrige Frau – gegen die höfische Bevormundung auf begehren. Ein Film über die Suche nach Freiheit und Selbstbestimmung.
Sa., 18. Juni, 20 Uhr Gartenbaukino Parkring 12, 1010 Wien Wir verlosen 40 � 2 Tickets für die ÖsterreichPremiere des Films »Corsage« in Anwesenheit von Marie Kreutzer, Vicky Krieps, Manuel Rubey, Katharina Lorenz, Aaron Friesz u. v. m. Die Gewinnspielteilnahme ist bis 13. Juni unter www.thegap.at / gewinnen möglich. In Kooperation mit
Teilnahmebedingungen: Die Gewinnspielteilnahme kann ausschließlich unter der angegebenen Adresse erfolgen. Die Gewinner*innen werden bis 14. Juni 2022 per E-Mail verständigt. Eine Ablöse des Gewinns in bar ist nicht möglich. Der Rechtsweg ist aus geschlossen. Mitarbeiter*innen des Verlags sind nicht teilnahmeberechtigt.
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Termine Musik
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Ja, sogar das Kleingedruckte! Und damit bist du nicht allein. Werbung in The Gap erreicht ein interessiertes und sehr musikaffines Publikum. Und das Beste daran: Für Bands und Musiker*innen bieten wir besondere Konditionen. Absolut leistbar, auf all unseren Kanälen und nah dran an einer jungen, aktiven Zielgruppe. Melde dich, wir beraten dich gerne! sales@thegap.at
Sterrrn Festival Mit dem Skulpturenpark, südlich von Graz, bespielt das Sterrrn Festival eine sehr spezielle Location. Auf der zentralen Hauptbühne sind vorwiegend Acts aus der österreichischen Musikszene zu sehen – etwa Dives, Puke Puddle, Schwesta Ebra, Tony Renaissance (Foto) oder Zion Flex. Darüber hinaus machen Per formances und DJ-Sets ausgewählte Skulpturen des Parks zu sogenannten »Sterrrnwarten«. Partizipation und Diskurs finden ebenfalls Platz, schließlich versteht sich die Veranstaltung als multidisziplinäres Kul turfestival – mit der Leitfrage: »Wie wird Gleichstellung für FLINTA*-Personen im Kulturbereich möglichst nachhaltig umgesetzt?« 25. und 26. Juni Premstätten, Skulpturenpark
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WIR WÜNSCHEN EINEN SCHÖNEN SOMMER!
Christl Soçial, die Musikschiene des Impulstanz Festivals, lädt Künstler*innen, Tänzer*innen, Dozent*innen und natürlich Publikum zum gemeinsamen Festivaltag-Nachbetrachten, zum Fachsimpeln, vor allem aber zum Feiern in die Festivallounge im Burgtheater Vestibül. In schöner Tradition präsentiert The Gap alljährlich einen Abend – oder besser: eine Nacht – des dortigen Programms. Heuer ein feines Doppelpack mit The Zees hinterm DJ-Pult und Christl auf der Bühne. Erstere, das sind DJ Zuzee von den Waxolutionists und Mrs. Zee, legen es eher funky an, während Letztere mit ihrer ausdrucksstarken Stimme zeitgemäßem Pop ordentlich Seele einhaucht. 20. Juli Wien, Burgtheater Vestibül
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Termine Musik Ment Festival
highlights
Austroschwarz in Concert »Ein Konzert von Österreicher*innen für Österreicher*innen«, heißt es in der Ankündigung, aber auch eines, das das klassische Öster reich der Populärmedien infrage stelle. Dass die hiesige Musikszene mehr als nur weiße Cis-Männer zu bieten hat und dass Schwarze Musiker*innen nicht nur Hip-Hop machen, das zeigt diese Veran staltung im Rahmen des Wir sind Wien Festivals – u. a. mit Liz Metta (Foto) und Mwita Mataro. 9. Juni Wien, Sigmund-Freud-Park
My Ugly Clementine
Manuel Fronhofer, Jana Wachtmann
Lena Kuzmich, Marlene Brandstötter, Shawn Chao, Thomas Steineder, Hanna Fasching, Anna Maggy, Sven Gutjahr
»Vitamin C«, das Debüt von My Ugly Clementine, wurde 2021 zum »European Album of the Year« gewählt. Eine Ehrung, die zuvor Acts wie The XX, Caribou oder Adele zuteil wurde. Verdient? Verdient! Was sich seitdem bei der Band in Sachen Musik so getan hat, erfährt man wohl bei den bevorstehenden Konzerten. 22. und 23. Juni Wien, WUK — 2. Juli Gmunden, Festwochen — 17. Juli Wien, Metastadt — 22. Juli Kirchdorf, Rock im Dorf
Ólafur Arnalds Wie der isländische Multiinstrumentalist in seinen Kompositionen Neoklassik, Ambient und Elektronik verstrickt, darf als wegwei send bezeichnet werden. Mit dem Album »Some Kind of Peace« hat er zuletzt seine bislang persönlichste und roheste Musik ver öffentlicht. Auf der Bühne bietet Arnalds eindringliche, emotionale Auftritte, bei denen er die eigene Verletzlichkeit mit seinem Publi kum teilt. Immer wieder Gänsehaut. 27. Juni Wien, Konzerthaus
Elevate Festival Neben Kunst und Diskurs gibt’s beim Elevate Festival wieder viel gute Musik: etwa Peaches, Alyona Alyona oder The Brian Jones town Massacre. Im Lesliehof des Joanneumviertels findet außer dem ein von The Gap präsentiertes Konzertdoppel statt – mit den Krautrock-Veteranen Faust und der in Berlin lebenden Britin Anika (Foto), die irgendwo zwischen Postpunk, Dub, Psychedelic und Elektronik umherhuscht. 13. bis 17. Juli Graz, diverse Locations
The Magnetic Fields
International Music
Element of Crime
Das Stephin Merritt zu den außerge wöhnlichsten Songwritern des USIndie zählt, weiß man spätestens seit dem Konzeptalbum »69 Love Songs« (1999). Weitere Großtaten zwischen humorvoll und bittersüß sollten fol gen, weshalb Merritts Band The Ma gnetic Fields in einschlägigen Krei sen regelrecht verehrt wird. 9. Juni Wien, Theater Akzent
»Eine Klasse für sich!«, meinte Kolle ge Dominik Oswald über das zweite Album dieser Band. Wie bei »Die be sten Jahre« gibt’s auch auf »Enten traum« Harmoniegesang, Psychede lic-, Punk- und Krautrock-Anleihen sowie Humor, wie ihn nur Sprachver liebte hinbekommen. 23. Juni Wien, Fluc — 24. Juni Graz, Orpheum — 25. Juni Dornbirn, Spielboden
Sven Regener lässt seine Trompete wieder schmachten. Mit Element of Crime besingt er die schönen und weniger schönen Seiten der Liebe, des Lebens und was sonst noch so anfällt. Das hat stets Witz und Seele, schwankt gerne trunken durch die Nacht und macht am Ende immer eines: glücklich. 9. Juli Wien, Metastadt — 10. Juli Linz, Donaulände
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Bild: Lennart Brede
Das Entdecken neuer Musik steht beim Ment Festival in der slo wenischen Hauptstadt im Vordergrund. Heuer kehrt man dafür zum dreitägigen Festivalformat zurück. Begleitet von einem Kon ferenzteil, der Branchenvertreter*innen das internationale Netz werken ermöglicht, gibt’s etwa Konzerte von Bryan’s Magic Tears aus Frankreich, Sahareya aus Slowenien und Kuunatic (Foto) aus Japan. 8. bis 10. Juni Ljubljana, diverse Locations
Friska Viljor / Messina 03.06. Crash Test Dummies 10.06. Kettcar 14.06. Chilly Gonzales 16.06. Meute 17.06. Stermann & Grissemann 18.06. Granada 19.06. Postmodern Jukebox 20.06. Half Moon Run 21.06. Ziggy Marley 23.06. Hazel Brugger 25.06. Benedikt Mitmannsgruber 27.06. Cat Power 29.06. Steve Vai 01.07. Thomas Stipsits 06.07. Sido / Dicht & Ergreifend 09.07. Wanda 10.07. Element of Crime / Steiner & Madlaina / Sophie Lindinger 11.07. Nada Surf 13.07. Der Nino aus Wien 26.07. Harry G 28.07. Lola Marsh 31.07. Madsen 05.08. Mono & Nikitaman 25.08. Buntspecht 01.09. Mathea 02.09. Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys 03.09. Akne Kid Joe 11.09. The Baseballs 15.09. Grossstadtgeflüster 02.06.
www.posthof.at POSTHOF – Zeitkultur am Hafen, Posthofstraße 43, A – 4020 Linz Info + Tickets: 0732 / 78 18 00 kassa@posthof.at | www.posthof.at Weiterer VVK: LIVA Servicecenter im Brucknerhaus, Thalia Linz, oeticket und alle oberösterreichischen Raiffeisenbanken.
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Termine Festivals
3 Fragen an Michaela Bilgeri
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Landjäger Kürzestfilm Festspiele Euer Festival bringt nun bereits zum sechsten Mal Kürzestfilme in der Länge von zwölf Sekunden auf die große Leinwand. Was reizt euch an diesem Format? Die Landjäger Kürzestfilm Festspiele sind 2014 entstanden, da gab es etwa Tiktok noch gar nicht. Der Reiz an so einem Kürzestformat war da aber schon derselbe: Wie schafft man es, Informatio nen auf kürzeste Zeit zu verdichten, in kürzester Zeit die Essenz einer Geschichte zu erzählen? Was mir so taugt an den Kürzestfilm Festspielen: Es ist möglich, ohne spezielles Equipment einen super Zwölf-Sekunden-Film zu drehen – eine gute Idee und ein Smartphone können dafür ausreichen. Gleichzeitig ist die Konzentration einer Story auf zwölf Sekunden eine besondere künstlerische He rausforderung. Vor Kurzem endete eure Einreichfrist. Wie viele Filme wurden heuer an euch übermittelt und wie ist dein bisheriger Eindruck davon? Dieses Jahr wurden so viele Kürzestfilme wie noch nie eingereicht – über 300! Was auffällt: Die Smartphones werden immer besser und die Leute durch Social Media auch im Umgang mit Kürzest formaten immer geübter. Wie viele dieser Filme werden letztlich im Gartenbaukino zu sehen sein? Und wie darf man sich den Ablauf des Abends vorstellen? Es wird eine – logo! – kürzestweilige Show mit den besten 80 bis 100 Kürzestfilmen, rotem Tep pich, dem obligatorischen Kurzen für alle Gäste, einer Filmmusik-Coverband, einer Friseurstation für den perfekten Zwölf-Millimeter-Festival-Haar schnitt – und wenn es so ist wie die letzten Jahre, wird es ein sehr familiärer, sehr lustiger Abend. Für uns war auch von Anfang an klar, dass das Festival sehr niederschwellig und bei freiem Eintritt stattfinden soll, damit da wirklich jede und jeder die Möglichkeit hat, mit uns die besten Zwölf-Sekun den-Filme zu feiern. Extra spannend wird es dann natürlich immer am Ende des Festivals, wenn unsere Jury, bestehend aus Julia Pühringer, David Scheid und Carolina Molina, den Jurypreis verkündet und die Besucher*innen den Publikumspreis vergeben. Landjäger Kürzestfilm Festspiele 16. Juni Wien, Gartenbaukino
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Impulstanz Wenn das Impulstanz-Festival mit seinem dichten Programm wieder die Bühnen (und mehr) übernimmt, steht Wien ein ganzes Monat lang im Zeichen von zeitgenössischem Tanz und Performance. Workshops, ResearchProjekte und diverse Musik-Acts vervollständigen das Angebot. Für 22 Abende im Burg- und Volkstheater wie auch für das Workshop-Programm sind bereits Tickets erhältlich. Unter den Highlights: das Erfolgsstück »Tanz. Eine sylphidische Träumerei in Stunts« (Foto) von Florentina Holzinger, zu dem der Veranstaltungstext festhält: »›Tanz‹, das ist Witz, viele Überraschungen, Motorrad in den Lüften, Splatter, Pop und getanzter Wahn sinn. Den kann man zwei, drei Mal sehen und kommt doch aus dem Staunen nicht heraus.« Der Vorverkauf für das restliche Programm beginnt am 7. Juni. 1. Juli bis 7. August Wien, diverse Locations
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Termine Festivals
An drei Terminen – jeweils in einer anderen Ecke Wiens – lotet das neue Festivalformat Graetzl rauschen die künstlerischen Möglichkeiten des Streamings aus. Die verschiedenen öffentlichen Spielorte der drei Grätzl werden via Livestream zugeschaltet und sind so auch online besuchbar. Das Spektrum reicht von Musik über Film und Literatur bis Kunst. 11. Juni Wien, Dornerplatz — 9. Juli Wien, Viktor-Adler-Platz — 17. September Wien, Ilgplatz
Manuel Fronhofer, Jana Wachtmann
Ian Ehm, Nada Žgank / City of Women, Johannes Richter, David Prokop
Mit dem Überthema »Performance und Digitalisierung« geht das neue Fe stival The Non-Fungible Body? an den Start. Mehr als 20 internationale Künstler*innen sind dafür in Linz zu Gast – etwa Cibelle Cavalli Bastos, YunChen Chang, Jan Hakon Erichsen, Sara Lanner oder Yiannis Pappas (Foto). Deren Arbeiten beschäftigen sich mit der Nicht-Ersetzbarkeit des Körpers, der Archivierung und Dokumentation somatischer Praxis sowie der Bedeu tung der Live-Performance in Pandemiezeiten (und danach). Für Konzept und Programm des Festivals zeichnen Freda Fiala und River Lin verantwortlich. 17. bis 19. Juni Linz, OK und Musiktheater
Queer Cinema »Made in Austria« lautet der Titelzusatz dieser Retrospektive. Dabei war das österreichische Kino lange Zeit nicht unbedingt dafür bekannt, besonders transgressiv zu sein. Doch nach und nach ist hier etwas in Bewegung geraten. Mit den 30 Filmen des Programms soll nun »eine mögliche queere Geschichte des österreichischen Films« er zählt werden: »Es wird frech, ausgelassen und sehr, sehr selbstbewusst!« 1. bis 19. Juni Wien, Metro Kinokulturhaus
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The Non-Fungible Body?
Sommerszene Salzburg Die Szene Salzburg bringt im Rahmen ihres Festi vals der darstellenden Kunst 17 Projekte aus sechs Ländern auf die Bühne. An zehn Schauplätzen lässt sich dabei Kunst und Kultur – von politischem Thea ter über installative Landschaften bis hin zu parti zipativen Workshops – in sehr unterschiedlichen Settings erleben: etwa im Theater, auf der Wiese, im Supermarkt oder in der Felsenreitschule. 9. bis 24. Juni Salzburg, diverse Locations
Feschmarkt
Sonic Territories »Klänge der Zuversicht und der Einigkeit« stellt Sonic Territories, das Festival für experimentelle elektronische Musik, für heuer in Aussicht. Wenn die Welt – zu mindest gefühlt – am Abgrund steht, kann ein wenig Geborgenheit und Stabilität nicht schaden, so die Überlegung. Unter dem Titel »Soundness«, als Teil eins des Überthemas »Life Is Good in the New Real«, sind Künstler*innen und Publikum eingeladen, zwischen Dissonanz und Harmonie eine Form des positiven Umgangs, ja, der Heilung zu finden. Mit dabei: Kenji Araki (Foto), Electric Indigo, Hand mit Auge, Sounds Queer? und viele mehr. 30. Juni bis 2. Juli Wien, Seestadt
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Allerhand Feschheiten aus nah und fern erwarten die Besucher*innen auch zu Beginn des Som mers wieder in Feldkirch, wenn dort, rund um das Pförtnerhaus, die Vorarlberg-Ausgabe des beliebten Marktfestivals Feschmarkt stattfindet. Wie gewohnt präsentieren sich Start-ups und Kleinproduzent*innen aus Bereichen wie Mode, Kosmetik, Möbel, Sport, Schmuck, Papeterie, Kunst, Kids und Delikatessen. 1. bis 3. Juli Feldkirch, Pförtnerhaus
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Filmkenner*innen dürften diese beiden ein Begriff sein: Laura Mulvey und Peter Wollen haben sich durch eigene Filme, vor allem aber durch gemeinsame Essays in die Geschichte eingeschrieben. Wichtige Arbeiten aus den 70er- und 80er-Jahren verhandeln Feminismus, Fotografie und Semiotik, stellen aber auch Überlegungen bezüglich Geschichte und Theorie der Avantgarde an. Ein besonderes Augenmerk wird auf jene Teile ihres gemeinsamen Werks gelegt, die sich mit Fotografie auseinandersetzen. Konzeptuell sticht dabei der Versuch hervor, der eigenen Arbeit, aber auch der Arbeit anderer reflektiert zu begegnen. Neben der Projektion von acht Filmen bieten Notizen und Zeugnisse des Austauschs mit Kolleg*innen Zugang zum Schaffen und Denken zweier großer Künstler*innen. bis 14. August Graz, Camera Austria
Laura Mulvey & Peter Wollen: Intersections in Theory, Film, and Art
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Termine Kunst
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Termine Kunst Angewandte Festival 2022 Das ist die Zukunft! Die Studierenden der Universität für angewandte Kunst laden zum jährlichen Festival rund um das Kunstbrutstättenhauptquartier am Oskar-Kokoschka-Platz. Zu sehen gibt es Abschlussarbeiten (Grund zur Freude oder Trauer?) und Klassenausstellungen (darunter eine Intervention der Klasse für Industriedesign am besagten HQ). Um Missverständnissen im Rezeptionsprozess vorzubeugen, gibt es Workshops und Führungen, darunter auch – zur Entmystifizierung der sagenumwobenen Kunstproduktion – welche durch die Werkstätten. 28. Juni bis 1. Juli Wien, Die Angewandte
Liminal Space Records Vor knapp zehn Jahren prägte Legacy Russell den Begriff »Glitch Feminism« und stieß damit eine Welle der Rezeption an. Gegenstand ihrer Forschung ist das Aufbrechen der Grenzen zwischen physischer und digitaler Welt, mit besonderem Fokus auf die Auswirkungen auf Sexualität und Identität, Körper und Raum. Der technische Fortschritt und die Pandemie sorgen für die anhaltende Aktualität eines Themas, das allgegenwärtig, aber nicht allzu offensichtlich ist. Frage an die Leser*innen: Was bedeutet die »Deterritorialisierung« von Körper und Raum? bis 30. Juli Wien, Kunstraum Niederösterreich
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Victor Cos Ortega Laura Mulvey & Peter Wollen: Still aus »Riddles of the Sphinx« (1977), Lukas Hof, Michael Maritsch, Miro Kuzmanovic, Katrina Daschner
Brigitte Kowanz: ISTR Nicht abzustreiten, dass die Arbeiten von Brigitte Kowanz Wiedererkennungswert haben. Ihre Lichtskulpturen sind schon fast ikonisch. Und auch wenn im Schlossmuseum wieder viel Neon mit dabei ist – man sollte sich hüten, ihre Kunst auf dieses Merkmal zu reduzieren. Kowanz’ Medium war das Licht. Damit beleuchtete sie im wahrsten Sinne des Wortes Aspekte des Sehens (das immer Licht benötigt), des Raums (den wiederum das Licht braucht, um getragen zu werden) und der Sprache (dem dritten großen Aufhänger in ihrer Kunst, der über Schriftzüge, Morsecode und Emojis Einzug hält). bis 24. Juli Linz, Schlossmuseum
Katrina Daschner: Burn & Gloom! … Ehemals eine Schülerin Kowanz’, längst aber viel mehr als das: Katrina Daschner. Seit mehr als zwei Jahrzehnten untersucht, nein, attackiert sie genderspezifische Machtstrukturen. Aufsehen erregte ihre Performancereihe »Club Burlesque Brutal« im Brut, daneben drehte sie vorwiegend Filme. Im Mittelpunkt: der (queere) Körper. Die Frage nach der Weitergabe von Erfahrungen dabei immer mitgedacht. Ihr Werk wird nun über filmische Arbeiten, aber auch über Installationen zur Reaktivierung dieser, in der Ausstellung »Burn & Gloom! Glow & Moon!« aufgerollt. 30. Juni bis 23. Oktober Wien, Kunsthalle
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Termine Filme & Serien
3 Fragen an Renate Reinsve
Alpenland Regie: Robert Schabus ———— Mit »Bauer unser« konnte Robert Schabus einen großen Erfolg verbuchen, seine aktuelle Dokumentation fokussiert er nun auf die Alpen. Gedreht an 40 Tagen zwischen August 2019 und Mai 2020, porträtiert der Film verschiedene Menschen, die dort leben. Von kleinen Höfen in den Bergen Österreichs, zu Wintersportzentren wie Méribel oder Garmisch-Partenkirchen bis hin zu kleinen Manufakturen in Premana – überall zeigen sich die Auswirkungen des (massiven) Tou rismus, die Zerstörung der Natur und die Folgen des Klimawandels auf diese Region. Robert Schabus dazu im Regie-Statement: »Eine sehr intensive Landschaft, die einen besonderen und auf sie abgestimmten Umgang einfordert. Aber hinter der romantisch verklärten Kulisse hat sich dort vieles verändert, und die Frage, wohin sich das noch entwickeln kann, scheint drängender als je zuvor.« Start: 10. Juni
Julies Weg und ihre Probleme erinnern an die Herausforderungen, vor die sich viele Millennials gestellt sehen. Über diesen Aspekt, also den Aspekt, die Pro bleme einer Generation zu zeigen, haben wir ehrlich gesagt gar nicht gesprochen. Wir haben über die Psychologie der Figur gesprochen, darüber, was sie alles durchmacht. Zudem spielte Zeit für uns eine große Rolle, also die Zeit, in der wir leben. Ich sehe es so: Wir haben mehr Chancen heutzutage. Wir kön nen auch in einem höheren Alter erwachsen werden und uns auch dann noch verändern, etwa beruflich. Wir haben das Paradoxon der Möglichkeiten. Das ist zwar ein Privileg, aber für viele auch ein Problem. Du hast schon in Joachim Triers letztem Film mitgespielt. Was hat dich veranlasst, wieder mit ihm zu arbeiten? Er macht tolle Filme, da er Menschen respek tiert, und er verurteilt niemanden – das zeigt sich auch darin, wie er Figuren schreibt. Er macht sie sehr komplex. Die Figuren können vielseitig sein – lang weilig, lustig, glücklich, suchend. Wie Menschen eben sind. Mit ihm zu arbeiten ist genau so: Du fühlst, dass du gesehen wirst. Du wirst miteinbezogen. Deshalb machst du deine beste Arbeit, weil du so viele Frei heiten hast. Joachim ist außerdem sehr bescheiden: Er hört sich alle Meinungen an und denkt, dass die Arbeit aller zum Gesamterfolg des Films beiträgt. »Der schlimmste Mensch der Welt« Start: 2. Juni
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France Regie: Bruno Dumont ———— Komödie trifft auf Tragödie; und es sind Stars wie Léa Seydoux zu sehen – das alles bietet der neue Film von Bruno Dumont. Seydoux spielt die Journalistin France de Meurs, die bei einem TV-Sender arbeitet. Nach einem Autounfall beginnt sie, ihre Karriere und die Medienbranche nach und nach infrage zu stellen. Zudem hat sie mit Panikattacken und Angst zu kämpfen. »France« feierte seine Premiere in Cannes, genau dort hat Bruno Dumont (»L’humanité«, »Flandres«) bereits viele seiner Filme gezeigt und Preise gewonnen. Der Filmemacher ist bekannt für seine langen Einstellungen und provokante Themen; seine Arbeiten bewegen sich zwischen Drama und Avantgarde. »France« – der Film war auch bei der Viennale zu sehen – übt Kritik an den Massenmedien und zeigt das Innenleben einer Frau, die gerne im Mittelpunkt steht und das Narrativ kontrolliert. Start: 1. Juli
Filmladen Filmverleih, Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion, Roger Arpajou / 3B Productions, Netflix, Peacock
In »Der schlimmste Mensch der Welt« spielst du die Hauptfigur Julie. Sie scheint ziemlich verloren zu sein, wechselt ihre Jobs bzw. Ausbildungen und versucht, Klarheit in ihr Liebesleben zu bringen. Wie hast du die Rolle angelegt? Jede Szene des Films ist sehr komplex. Ich konnte mich zwar in Julie erkennen, aber ich wusste nicht genau, wie ihr Denken funktioniert. Sie ist sehr verletzlich, aber oft auch distanziert. Sie hat sich lange nicht akzeptiert – darauf spielt ja auch der Titel des Films an. Ich hatte Angst, der Rolle nicht gerecht zu werden. Ihre wechselnden Gefühle und dass sie sich auch selbst sabotiert – das ist so ein interessanter Ansatz, einen Charakter zu zeigen. Ich wollte jede ihrer emotionalen Achterbahnfahrten er fahrbar machen.
Barbara Fohringer
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»Der schlimmste Mensch der Welt«
26.05.22 17:06
Filmladen Filmverleih, Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion, Roger Arpajou / 3B Productions, Netflix, Peacock
Barbara Fohringer
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Blutsauger Regie: Julian Radlmaier ———— Wie Dracula und Kapitalismuskritik zusammenpassen, das zeigt Julian Radlmeiers neuer Film. 1928: Der sowjetische Arbeiter Ljowuschka wird als TrotzkiDarsteller in einem Film über Eisenstein gecastet – und dann hinausgeschnitten. Er begegnet der Fabrikbesitzerin Octavia Flambow-Jansen; sie bietet ihm Unterschlupf, die beiden kommen sich näher. Vampire treiben ihr Unwesen und Octavia ist selbst eine Blutsaugerin. Start: 3. Juni
SO LÖFFELT ÖSTERREICH!
Dark Glasses Regie: Dario Argento ———— Die 72. Filmfestspiele von Berlin hatten mitunter das Comeback von Dario Argento zu bieten: Der italienische Regisseur und Drehbuchautor hat zehn Jahre keinen Film gemacht. Mit »Dark Glasses« hat Argento nun einen für ihn typischen Film gedreht. In dessen Fokus steht die Geschichte der jungen Prostituierten Diana (Ilenia Pastorelli), die von einem Mörder (Andrea Gherpelli) gejagt wird. Start: 16. Juni
Elvis Regie: Baz Luhrmann ———— Baz Luhrmann bringt das Leben des King of Rock ’n’ Roll auf die große Leinwand – von seiner Kindheit über erste Erfolge bis hin zu seinem tragischen Tod. Geplant ist das Projekt bereits seit 2014, Priscilla Presley fungierte als Produzentin, die Hauptrolle übernahm Austin Butler. Der Dreh musste übrigens unterbrochen werden, als Tom Hanks, der Colonel Tom Parker mimt, im März 2020 positiv auf Corona getestet wurde. Start: 24. Juni
vegetarisch
Sundown Regie: Michel Franco ———— Den 2021er-Lieblingsfilm von Bong Joon-ho, dem Regisseur von »Parasite«, gibt es demnächst auch im Kino zu sehen: Erzählt wird die Geschichte einer reichen Familie, die Urlaub in Acapulco macht. Als Neil Bennetts (Tom Roth) Mutter stirbt, beschließt dieser, getrennt von den anderen dort zu bleiben. Roths Figur ist übrigens von der Familie des Milliardärs Rupert Murdoch inspiriert. Start: 1. Juli
Der beste Film aller Zeiten Regie: Mariano Cohn & Gastón Duprat ———— Bei einem Film mit diesem selbstbewussten Titel und Stars wie Penélope Cruz und Antonio Banderas kann man sich ja viel erwarten. Die Handlung: Regisseurin Lola Cuevas (Cruz) soll den besten Film aller Zeiten produzieren. Dafür holt sie sich zwei Weltstars vor die Kamera: Iván Torres (Oscar Martínez) und Félix Rivero (Banderas). Drama ist vorprogrammiert, schließlich haben die beiden Stars große Egos. Start: 1. Juli
Stranger Things 4
Queer as Folk
Idee: Matt Duffer, Ross Duffer ———— Das lange Warten hat ein Ende, denn endlich gibt es neue Folgen des Fan-Favoriten »Stranger Things«: Abermals haben die Duffer-Brüder ihre Finger im Spiel und abermals dürfen wir uns auf den bewehrten Cast freuen. Dieses Mal wird – zumindest anfangs – nicht die Stadt Hawkins im Zentrum des Geschehens stehen. Fans sind vor allem gespannt, wie es mit Polizeichef Jim Hopper (David Harbour) weitergehen wird. Start: 27. Mai Netflix
Idee: Stephen Dunn ———— Noch ein Come back. Die Neuauflage von »Queer As Folk« schildert das Leben einer Gruppe queerer Menschen, die mit einer Tragödie zurecht kommen muss. Bereits die Originalserie zog ein US-Remake nach sich. In der 2022er-Version gehen die Hauptrollen an Devin Way, Fin Argus, Jessie James Keitel, Candance Grace Johnny Sibilly und Ryan O’Connell. Zudem gibt es zahl reiche Gastauftritte von Größen wie Kim Katrall und Juliette Lewis. Start: 9. Juni Peacock
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Christoph Prenner
bewegen bewegte Bilder – in diesem Kompendium zum gleichnamigen Podcast schreibt er drüber
Screen Lights Das, was bleibt »Was wird bleiben?« – Da war sie wieder mal, beiläufig eingestreut, die Frage, die gemeinhin gern den Weg dorthin weist, wo das Eingemachte zu finden ist. In diesem Fall spielte sie indes nicht zwingend ins Existenzphilosophische hinein, ernst zu nehmen war sie nichtsdestoweniger. Zielte sie, gestellt von einem befreundeten FilmPodcaster, doch direkt ab auf den Kern des beruflichen Wirkens. Der Kollege hatte, das gegenwärtige Serienschaffen nur noch aus sicherer Distanz betrachtend, mit der bedeutungsschwer wirkenden Frage um eine Einschätzung gebeten: Welches kontemporäre Serienschaffen könnte denn gegebenenfalls auch in zehn bis 15 Jahren noch Meisterwerkmaßstäben gerecht werden, also den sogenannten Test der Zeit bestehen? Um auf diese Weise jenen Status zu erreichen, den man heute Produktionen aus den frühen Tagen des aktuellen Golden Age of Television zugesteht – »The Wire«, »Mad Men«, »Breaking Bad« et al. Es gibt wahrlich einfachere Nachdenkaufgaben, zumal in Zeiten, in denen dir ob des kaum noch fassbaren allwöchentlichen Nachschubs der Streaming-Anbieter konstant die Übersicht darüber verlorenzugehen droht, was denn überhaupt relevant sein könnte – von der Erkenntnis, was davon auch noch über den ersten Hype hinausgehend halten wird, ganz zu schweigen. Und doch war eine erste Antwort auf die Frage, auch zur eigenen Verwunderung, überraschend schnell und leicht gefunden. Sie lautete: »Atlanta«. Auf die nun geklärte Frage folgt freilich die logische weiterführende: Was ist »Atlanta« eigentlich? Am einfachsten ist es wohl, wenn man sie von ihrer Kehrseite her aufzäumt: Was ist es nicht (nur)? Eine jener formell wie inhaltlich bahnbrechenden Halbstunden-Dramedys nämlich, für die FX, die US-Senderheimat der Show, seit Jahren global geschätzt wird (siehe »Better Things«, »Louie«, »Baskets«). Wiewohl das Brainchild des multitalentierten Schauspielers, Come dians, Musikers Donald »Childish Gambino« Glover zum Start 2016 noch als eine ebenjenem
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Showschlag zugehörige, smart-edgy »Schwarzes Strugglen im Showbiz«-Sitcom gelauncht wurde, ließ sie sich von diesen Vorgaben nie so recht limitieren. Zum Glück. Zusammen mit Autorenbruder Stephen und Stammregisseur Hiro Murai hatte Glover die Szenarien, in denen sich die vier Hauptfiguren – Rapstar in spe Paper Boi (Brian Tyree Henry), sein Cousin / Manager Earn (Glover himself), dessen On-off-Freundin Van (Zazie Beetz) sowie der wundervolle Schrulli Darius (LaKeith Stanfield) – wiederfinden, gleichsam von Stunde null weg so gründlich auf links gedreht, dass das Setting der Serie (die Musikindustrie) dabei genauso schonungslos dekonstruiert wurde wie das Format Serie selbst. »Atlanta« fühlte sich so sofort komplett ganz anders an als alles andere im TV. Nicht nur in einer eigenen Liga zu finden, sondern irgendwie gleich ein eigenes Genre begründend. Aber welches? Die nächste schwierige Frage.
Finger auf Wunden Man darf sich »Atlanta« als Show vorstellen, die per se zwar der Anthologie-Idee von Produktionen wie »Black Mirror« et al anhängt, in denen in jeder Episode Ideen und Themen ohne klare Anknüpfung an Vergangenes oder Kommendes in den Ring geworfen werden, – ohne dabei jedoch im engeren Sinne eine Anthologie-Serie sein zu wollen. Schließlich sind es hier ja nicht immer wieder neue und nie mehr wiederkehrende, sondern zumeist die gleichen Charaktere, die von Glover und Co in eine Welt und ihre Ereignisse geschickt werden, die unwirklich zu nennen man nicht umhinkommt. Trotz der bisweilen beachtlich surrealen Situationen werden solcherart aber Finger auf nur allzu reale Wunden gelegt, auf Wunden, die selbst in progressiven Kreisen viel zu gern ausgeblendet werden. »Atlanta« möchte die Black Experience nicht als zynische Schmerzensschau (siehe »Them«) abbilden; utopische Wunschträumereien (siehe »Bel-Air«) sind der Show aber ebenso fremd. Vielmehr sollen all die Abgründe und Absurdi-
täten, denen Schwarze tagtäglich ausgesetzt sind, mit den Mitteln der Überhöhung und Übertreibung zur Kenntlichkeit entstellt werden – in der Form einer fortwährenden, unentrinnbaren Horrorkomödie mit mitunter hochgradig verstörender fantastischer Schlagseite. Und, oh my, in der brandneuen dritten Staffel (ab 29. Juni auf Disney+), auf die man viel zu lange vier Jahren warten musste, geht »Atlanta« in puncto abgefahrene Traumlogik jetzt so richtig all in. Alles, wirklich alles ist nunmehr Ambivalenz und allgemeine Verunsicherung in diesen frischen Folgen. Ja, man kann sich noch nicht einmal wirklich sicher sein, ob die Europatour, auf der sich Paper Boi und seine Reisegesell schaft befinden, in der präsentierten Form stattfindet – oder nur im Kopf einer der Figuren. Aus diesem ultraweirden Lynch’esken Fiebertraum heraus gelingt es Glover, die diesem zugrunde und darunterliegende Realität schonungsloser denn je zu sezieren. Rücksicht wird hierbei auf wirklich niemanden mehr genommen – schon gar nicht auf falsche Alliierte. Besonders brillant ist in dieser Hinsicht die surreal-as-fuck Standout-Episode »White Fashion«, die sich zu des Pudels Kern der ungezählten Social-JusticeKampagnen globaler Megabrands vorarbeitet: Dem turbokapitalistischen System werden Profite zu jedem Zeitpunkt wichtiger sein als die echten Bedürfnisse der Menschen, die es unter dem Deckmantel der Tugendhaftigkeit zu vertreten verspricht. Die große Entzauberung nach »Atlanta«-Art, sie ist ein weiteres Mal geglückt. Erst, wenn man den eigenen Augen nicht mehr trauen darf, kann man darüber nachzudenken beginnen, wovor man selbige die längste Zeit verschlossen hat. Wenn es das ist, was bleiben wird, dann ist das schon eine ganze Menge. prenner@thegap.at • @prennero Christoph Prenner plaudert mit Lillian Moschen im Podcast »Screen Lights« zweimal monatlich über das aktuelle Film- und Seriengeschehen.
Luca Senoner, FX Productions
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Ganz anders als alles andere im TV: »Atlanta«
26.05.22 17:06
Luca Senoner, FX Productions
Sehen Sie die Welt aus verschiedenen Blickrichtungen.
DiePresse.com/amSonntag
Menschen. Geschichten. Perspektiven.
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26.05.22 17:06
Termine Bühne
Hirschfell (Hertenleer)
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Hypernurtures Stellt man sich Prozesse als Maschinen vor, die als konglomerierte Wir kungszusammenhänge operieren, so gibt es »Maschinen«, die uns Menschen vertraut und fremd zugleich erscheinen. Timothy Morton nennt sie »Hyper objects«, Phänomene, die wir betrachten und deren Teil wir gleichzeitig in ihrem (Entstehungs-)Prozess sind. Die Soloarbeit von Liv Schellander rich tet den Blick auf solche »Hyperobjects«, verwebt Bewegung, Stimme, Klang und Szenografie zu hybrider Sinneslandschaft. Kann der Mensch über die Begegnung mit nicht-menschlichen Lebensformen ein tieferes Verständnis erlangen über die Koexistenzen seiner eigenen Spezies, der Natur und des Dazwischen? 20. bis 22. Juni Wien, Studio Brut
Wohin fliehen, wenn die Welt unterzugehen droht? Eine Welt, die sich durch die globale Erwärmung massiv verändert hat, treibt eine werdende Mutter um, die um die Zukunft ihres ungeborenen Kindes bangt. »Hirschfell (Hertenleer)« entwirft eine dystopische Vision, geprägt von Flucht, Enteignung, Selektion und verhandelt dabei auch unser eigenes Verhältnis zur Natur. Gibt es in den gefürchteten, sehr realen Zu kunftsszenarien noch Platz für Hoffnung, für das Über leben der kommenden menschlichen Generation(en)? 8. und 9. Juni Graz, Theater am Lend
Asyl Tribunal
»Ein Rechtsstaat bleibt ein Rechtsstaat«, hat Bundes kanzler Nehammer verlauten lassen. Doch gilt das auch für den Asylbereich? Nicht nur, dass es aus ver schiedenen Krisen- und Kriegsgebieten keine legalen Möglichkeiten gibt, nach Österreich zu flüchten – die österreichische Gesetzgebung erschwert zudem auch noch Familienzusammenführungen von Asylsuchenden. In einem theatralen Gerichtsprozess wird dem Verdacht auf Verstöße gegen die Genfer Flüchtlingskonvention durch die Republik Österreich nachgegangen. Das mehr tägige Verfahren im öffentlichen Raum wird auf Arabisch sowie auf Dari / Farsi simultanübersetzt. 20. bis 25. Juni Wien, Werk X-Petersplatz am Judenplatz
Einstein on the Beach
Diese Performance hat als Kulisse – wie der Titel bereits verrät – keinen Garten, sondern stattdessen eine dämmrige holzvertäfelte Turnhalle. Hier trifft toter Organismus (das verarbeitete Holz) auf lebendige, vitale Körper. Hier liegt Sprießendes neben Modrigem, Trockenes neben Feuchtem. Kann ein solcher Ort sinnlicher Retreat für den Menschen sein, um mit Pflanzen in einen Dialog zu treten? Unter der künstlerischen Leitung von Lisa Hinter reithner und mit drei weiteren Performerinnen, werden Fährten gelegt, um Begegnung und Intimität mit Pflanzen zuzulassen. »Ein Ort der absichtlichen Langsamkeit, an dem Menschen Gäste sind und Pflanzen das Sagen haben.« 10. bis 12. Juni Wien, Tanzquartier
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I’m Every Woman
Geschichte wird und Geschichten werden von und über Männer geschrieben. Nach dem gleichnamigen Comic der schwedischen Autorin Liv Strömquist hinterfragt »I’m Every Woman« den Mythos des männlichen Genies, indem die Geschichte aus weib licher Perspektive neu erzählt wird. Schattenfiguren, die zu Fußnoten reduziert worden sind, u. a. Jenny Marx, Priscilla Presley und Yoko Ono, werden einer Neubetrachtung unterzogen und ihre Vermächt nisse geradegerückt. 27. Juni bis 5. Juli Klagenfurt, Theater Halle 11
Oliver Maus
This Is Not a Garden
Franzi Kreis, Eva Würdinger
1976 erschufen Philip Glass und Robert Wilson, inspi riert von Albert Einstein, eine musikalisch minima listische Oper in vier Akten; sie brachen mit Regeln der Oper, experimentierten mit Erzählstrukturen und bauten metatextuell Solmisationssilben als Repräsen tation von Rhythmik ein. Für die Wiener Festwochen inszenieren Susanne Kennedy und Markus Selg das avantgardistische Stück Musiktheater als erklärte Sprengung der »Grenzen zwischen Mensch und Maschine, Realität und Simulation, zwischen Theater, bildender Kunst und virtuellen Welten«. 10. und 11. Juni Wien, Museumsquartier, Halle E
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Josef Jöchl
artikuliert hier ziemlich viele Feels
Am Anfang sind wir alle Babys. Dann entwickeln wir Urvertrauen, Autonomie, Scham, Zweifel und Integrität. Damit fahren wir eine Weile ganz gut, bis wir irgendwann Mitte zwanzig all diese Errungenschaften über Bord werfen und uns Tinder runterladen. Es ist kein Geheimnis, dass Dating-Apps nicht die besten Eigenschaften in einem hervorkehren. Bei mir lösten sie regelmäßig eine extreme Zwanghaftigkeit aus, weshalb ich mich vor Kurzem entschloss, sie alle zu löschen. Stundenlang wischte ich mich durch Designer mit dreieckigen Tattoos, die Kaffee, Reisen und Sarkasmus mögen. Nach einem guten Match ging das Kopfkino los und ich sah uns schon Brunches ausrichten und gegenseitig unsere Sätze vollenden. Doch meistens wussten wir uns schon nach einem »Hey« nichts mehr zu sagen, weshalb ich bis heute keinen schönen Vorlegeteller besitze. Diesem Trauerspiel musste ich ein Ende setzen: kein Tinder mehr, kein Grindr, kein OK Cupid, kein Scruff, kein Willhaben, kein Facebook Messenger. Nie wieder wollte ich für einen Fingerhut Dopamin den Preis permanenter Availability bezahlen. Doch gibt es überhaupt ein Zurück aus dem virtuellen Heiratsmarkt?
You’ve Got Male Mein Belohnungszentrum war längst nachhaltig durcheinandergeraten. Ohne Push-Nachrichten fühlte ich mich merkwürdig leer. So ist das auch gewollt. Ende der Nullerjahre verknüpften ein paar Ingenieure im Silicon Valley das GPS-Signal untrennbar mit den Sehnsüchten alleinstehender Menschen und ein bisschen Gamification. Was wenige wissen: Es waren schwule Ingenieure, die uns die Mutter aller modernen Apps bescherten. Nach einer nächtlichen Session standen sie vor einem mit Penissen vollgekritzelten Whiteboard und fragten
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sich: »Wie nennen wir bloß diese App, für die wir hier so hart grinden?« Der Rest ist Geschichte. Grindr landete erst nach einer Trennung auf meinem Handy. Anfangs hatte ich keine Ahnung, wie man sich auf der App verhält. Ich beantwortete jede Nachricht und versah meine auch noch mit Grußformeln, als wäre ich ein technikaffiner Pensionist und Grindr Whatsapp. Ich lernte jedoch schnell. Bald beschränkte ich mich nur noch auf das Nötigste.
Ein harter Grind Es begann mich zu ärgern, wenn andere Nutzer die internationale Messenger-Regel missachteten: »Nachricht liken heißt Gespräch beendet.« Manche Typen fühlen sich durch einen Double Tap sogar noch ermuntert, weiterzuchatten und Bilder zu schicken wie aus der Cloud von Thomas Schmid. Dabei ist Zeit die harte Währung in den Apps. Nur zu einem Zweck schien Grindr noch zu gebrauchen: Wäre ich auf einem Ausflug mit ein paar Schwulen und einer verirrte sich, wäre es wegen der verlässlichen Meterangaben ein taugliches Navigationssystem. Aber ich mache nur selten Ausflüge, deshalb löschte ich die App. Bisher habe ich es nicht bereut, auch wenn ich meine Bundesländertouren vermisse. Nichts pusht das Ego so sehr wie eine Fahrt auf der Westbahnstrecke mit geöffnetem Grindr. Während du im Railjet die Landschaft an dir vorbeiziehen lässt, melden sich kontaktfreudige Landschwule bei dir und du kannst deine gönnerhafte Antwort copypasten: »Sorry, nur auf der Durchreise!« Bei so manchen Aufenthalten in AttnangPuchheim habe ich mich so tiefgehender unter halten als auf Tinder jemals. Ein Tinder-Chat kann einfach so verdammt schnell south gehen, ungefähr wie eine alternative Realität in »The Butterfly Effect« mit Ashton Kutcher. Die Folgen sind in beiden Fällen schwere Unfälle, oder
dass man sich auf der Straße nicht erkennt. Überhaupt fühlt sich Tinder an wie eine weniger gute Bonbonniere. Du weißt einfach nie, was du kriegst. Während dir Grindr die Profile aus deiner Nähe zeigt, wirst du auf Tinder zum Spielball eines Algorithmus. Außerdem hast du Wien und Bratislava relativ schnell durch, weshalb irgendwann nur noch Touristen übrigbleiben, die in Schwechat ihren Anschlussflug verpasst haben. Das war ja nun wirklich nicht der Sinn der Sache.
Sinn und Sinnlichkeit Aber was war eigentlich jemals der Sinn der Sache gewesen? Schwierige Frage für ein kommunikationshungriges Baby. Queere Menschen waren schon immer eine Dating-Avantgarde. Aus notwendiger Heimlichkeit vernetzten wir uns längst mit den echten Bauern, als Heten noch »Farmville« gespielt haben. Wir haben die Apps zur Marktreife gebracht. Doch mit den Jahren fühlte ich mich von ihnen ein wenig verdorben. Zufrieden schaute ich auf meinen gesäuberten Screen und plante meinen Sommer ohne Location-basierte Kontaktdienste. Vielleicht ist es an der Zeit, die Augen dort offenzuhalten, wo sich Menschen noch wirklich begegnen und eine Kommunikation auf Augenhöhe entstehen kann: auf Instagram. Vielleicht bin ich aber auch schon post-post und entwickle einfach meine eigene DatingApp. Auf der darf man dann nur über Politik reden und höchstens 180 Zeichen schreiben. Ist zwar nur ein Arbeitstitel, aber ich glaube, ich nenne sie Titter. joechl@thegap.at • @knosef4lyfe Josef ist Comedian. Sein neues Programm heißt »Die kleine Schwester von Nett«. Die Termine findet ihr auf seiner Website www.knosef.at.
Ari Y. Richter
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