The Gap Niederösterreich #03

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CO-Housing & Kommunen auto, Garten, Werkzeug teilen – Wie das funktionieren kann 003 Magazin für Glamour und Diskurs VERLAGSPOSTAMT 1040 WIEN, P.B.B. GZ 05Z036212 M, Nº 003, März 2015

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Braunschlag US. Monja Art. Wirkstätten in Niederösterreich. Breaking Bad Waldviertel. Manfred Deix. Stift Heiligenkreuz. Kulturpflanze Mohn. Mundart. Helden von Heute.

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Kolumne von Ewald Volk

Erfolgs-storys   Die Studierenden lernen hier nicht nur journalistische Arbeitsweisen kennen, es gibt auch viele herzeigbaren Erfolge dieser realitätsnahen Ausbildung.

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er Bachelorstudiengang Medienmanagement vermittelt ein österreichweit einzigartiges Qualifikationsprofil. Er verbindet Medien und Wirtschaftswissen und zeichnet sich durch ein breites theoretisches Fundament aus, in dem den angehenden MedienmanagerInnen auch journalistische Grundkompetenzen für die Mediengattungen Print, Radio, Video und Internet vermittelt werden. Mir ist es ein besonderes Anliegen, dass alle unsere AbsolventInnen während ihrer Studienzeit an Medienproduktionen mitentwickelt und mitgestaltet haben. Deshalb ist die Zusammenarbeit zwischen den Studierenden des Studiengangs Medienmanagement und dem Monopol Verlag eine tolle Gelegenheit und Chance, journalistische Arbeitsweisen an einem realen Medienprodukt umzusetzen.

Medienkompetenz wird im Studiengang Medienmanagement in vielerlei Hinsicht vermittelt: etwa durch die Zusammenarbeit mit dem internationalen Kunden Canon CEE im Rahmen des Praxislabors »Film«. Darüber hinaus besteht für die Studierenden die Möglichkeit der aktiven Mitarbeit in den FH-eigenen Campus-Medien, wie campus & cityradio 94.4, dem Ausbildungsfernsehen c-tv sowie dem Studierendenmagazin SUMO. Die Qualität der Ausbildung spiegelt sich in den Erfolgen unserer Studierenden und AbsolventInnen wieder. So wurde Ines Fernau vom Branchenmagazin Der österreichische Journalist unter die besten 30 NachwuchsjournalistInnen gewählt. Eine weitere Erfolgsgeschichte liefert Gerti Süss, die den Journalistenpreis vom Verein zur Förderung des Journalismus in Niederösterreich verliehen bekam. Eine realitätsnahe Ausbildung ist uns besonders wichtig: Deshalb laden wir regelmäßig spannende Speaker aus Medienunternehmen

ein, wie zuletzt Patrick Stepanian, internationaler Sales Director des Red Bull Media House, und Martina Großfurtner, Ö3-Redakteurin. Abschließend gilt mein Dank dem Monopol-Verlag und dem Herausgeber von The Gap, Thomas Weber, das NÖ-Special von The Gap, nunmehr schon in der dritten Ausgabe mit unseren angehenden MedienmanagerInnen zu gestalten und umzusetzen, Chefredakteur Stefan Niederwieser und Geschäftsführer Martin Mühl, die nicht nur ihr Fachwissen an unsere Studierenden weitergegeben haben, sondern auch die Begeisterung für journalistisches Arbeiten geweckt haben. 

Ewald Volk Studiengangleiter Medienmanagement, FH St. Pölten

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Co-Housing Was können wir teilen? Was brauchen wir selbst? Wie nah möchten wir dabei anderen sein? In jüngster Zeit werden viele Formen des Zusammenlebens neu ausprobiert, gerade in Niederösterreich.

030 Magazin Co-Housing und moderne Kommunen 010 —— Nicht jeder muss eine Bohrmaschine besitzen, ein Auto, einen Gemüsegarten. Über modernes Zusammenleben. Golden Frame 016 —— Pipilotti Rist geht fröhlich an Autos vorbei und zerschlägt mit einem Hammer die Scheiben. Äh, was? Wirkstätten 018 —— Im größten Bundesland sind viele Künstler daheim oder kommen da hin um zu arbeiten oder für Inspiration. Monja Art 020 —— Hinter dem Namen steckt eines der größten Regietalente des Landes. Gerade dreht sie den Film »Siebzehn«. Meth Labs 022—— Gerade an der tschechischen Grenze werden immer wieder Meth Labs ausgehoben. Würde Walter White das tun? Mohn 025 —— Mohnanbau ist in Österreich legal. Man kann sogar high davon werden.

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Braunschlag 026 —— Die österreichische Erfolgsserie wird in die USA exportiert. Das ist zwar erfreulich, aber noch nicht ungewöhnlich. Was kann man sich davon erwarten? Heiligenkreuz 028 —— Die Mönche in Heiligenkreuz haben vor einigen Jahren zwei Erfolgsalbum aufgenommen. Geld haben sie dafür fast keines bekommen. Moderne Architektur 032 —— Auch wenn man bei Architektur vielleicht eher an Burgen, Klöster und Funktionsbauten denkt, gibt es doch herausragende Bauten in Niederösterreich. Deix 034 —— Ohne diesen Niederösterreicher gäbe es das Karikaturmuseum in Krems wohl nicht. Mundart 036 —— Dass sich Sprache verändert, liegt in ihrer Natur. Das heißt aber nicht, dass man Mundart nicht sammeln kann.

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Meth Labs Vielleicht liegt es an Breaking Bad, dass an der tschechischen Grenze vermehrt Labore entstehen, in denen Crystal Meth gekocht wird. Wir haben bei der örtlichen Polizei nachgefragt.

010 Rubriken Leitartikel 003 Inhalt 004 Editorial 006 Impressum 006 Fondue 007 Charts 008 Unbezahlter Anzeiger 009 Workstation 038 Termine 044

Bild der Ausgabe Feuer! Verbrannt ist eh niemand, war ja nur ein Test. Natürlich haben alle FH-Studierenden währenddessen nur drauf hin gefiebert, wann denn endlich der Unterricht weitergeht.

Kolumne Simon Nagy: Helden von heute 049

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edit

rial

Die Redaktion ist tot,     lang lebe die Redaktion   Während ich das hier schreibe, fahre ich gerade den Victoria Peak in Hongkong hoch … Ach, das interessiert niemand? Richtig, genau das versuchen wir hier den Studierenden beizubringen, das Thema, der Einstieg, der Stil, die Bilder und unbedingt Fokus auf die Story – Journalismus eben. Dass dabei jede Gruppe Studierender anders ist, andere Interessen, andere Fähigkeiten, einen anderen Wissensstand mitbringt, ist eine der Herausforderungen bei der Arbeit an diesem Magazin. Gleichzeitig ist es auch der größte Unterschied zur Arbeit mit einer fixen Redaktion. Während also dort eine Fotografin sitzt, die ohnehin gern und laufend mit ihrer Spiegelreflex Bilder schießt, sitzen im nächsten Kurs zwei Blogger und ein geborenes Verkaufstalent.

Viele wohnen vor Ort, manche pendeln aus Wien oder den vier Vierteln an die Fachhochschule. Das macht den Reiz aus mit einem ständig wechselnden Team zu arbeiten. Und es wird bei jeder Ausgabe weiterhin zu ganz neuen, überraschenden Artikeln führen. – Written on my iPhone in Facebook-Chat. Ah ja, stimmt, streicht das raus, bitte. Fokus!  Stefan Niederwieser niederwieser@thegap.at @the_gap

Impressum

Herausgeber Thomas Weber Chefredaktion Stefan Niederwieser Redaktion Katrin Detter, Daniel Deutsch, Bettina Eckert, Verena Gabriel, Abba-Lisa Grohs, Eva-Maria Heinrich, Thersa Jauk, Julia Lipp, Nina Ludik, Ines Mikulka, Elisabeth Raschka, Daphne Seiwald, Anja Triebl, Kathi Zöchling Termine Anika Kisielwski, Beatrice Winter Autoren Simon Nagy Fotografie Elisabeth Raschka Cover Erli Grünzweil Grafik Elisabeth Els, Erli Grünzweil Lektorat Adalbert Gratzer Anzeigen Daniel Deutsch, Theresa Jauk, Daphne Seiwald, Laura Zwerger Distribution Klaus Benedikt, Magdalena Gudelj, Lukas Kronberger, Stefanie Rischer Druckabwicklung Martin Mühl Druck Ferdinand Berger & Söhne GmbH, Pulverturmgasse 3, 1090 Wien Geschäftsführung Martin Mühl Produktion & Medieninhaber Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6/III, 1040 Wien Kontakt The Gap c/o Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6/III, 1040 Wien; Tel. +43 1 9076766-41; wien@thegap.at, www.thegap.at, www.monopol. at, office@thegap.at Bankverbindung Monopol GmbH, easybank, IBAN 20010710457, BIC EASYATW1 Heftpreis gratis Erscheinungsweise Zwei Mal pro Jahr Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Für den Inhalt von Inseraten haftet ausschließlich der Inserent. Für unaufgefordert zugesandtes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion ist nur mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung der Geschäftsleitung erlaubt. Diese Publikation wurde gemeinsam mit Studierenden der FH St. Pölten im Rahmen einer Lehrveranstaltung des Studiengangs Medienmanagement konzipiert und erarbeitet.

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NDUE

Spähaugen und Schnappschützen aufgepasst: The Gap freut sich immer über bemerkenswerte Momentaufnahmen, optische Querschläger und belichtete Kuriositäten. Einsendungen an fondue@thegap.at

Ziemlich radikales Werbekonzept, das die SPÖ Niederösterreich hier verfolgt. Fast schon umgekehrte Psychologie.

Jäger tragen immerhin auch seltsame Hüte, lange Bärte, haben keine Kultur und erschießen unschuldige Lebewesen. Top-Vergleich eigentlich.

Raiffeisen, die Bank.

Fußcreme, Sauerkraut, Kölnisch Wasser. Mein Niederösterreich, was schmeckst du doch wieder gut heute.

Würde uns noch ein Bus vom Beisl abholen, wir würden NÖ vermutlich nie verlassen.

Eigentlich ist Niederösterreich gar keine Provinz, sondern ein Land. Und Spanien ist eine Region davon. 007

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TOP 10

Songs für graue Momentee

01 Arcade Fire – My Body Is A Cage 02 Radiohead – All I Need 03 Nine Inch Nails – Hurt 04 Damon Albarn – Everyday Robots 05 Nick Cave – People Ain’t No Good 06 James Blake – The Wilhelm Scream 07 PJ Harvey feat. Thom Yorke – The Mess We’re In 08 Blur – Out Of Time 09 Peter Gabriel – My Head Sounds Like That 10 Beck – Lonesome Tears

TOP 5

Live-Bands aus Österreich

01 Elektro Guzzi 02 5/8erl in Ehr’n 03 König Leopold 04 Naked Lunch 05 Kompost 3

auch nicht schlecht: Ab und zu ins Theater gehen.

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(Besitzerin von Kurtis Piz und Keb)

TOP 10

INTERNATIONALE LIEBLINGSGERICHTE

01 Lasagne 02 Wok 03 Paella 04 Belgische Waffeln 05 Gulasch 06 Tortillas 07 Kokossuppe 08 Zaziki 09 Coq au vin 10 Humus

TOP 5

VEGANE GASTHÄUSER

01 Köstlich 02 Yamm 03 Loving Hut 04 Tian 05 Cuchina die Lebensküche

auch nicht schlecht: Gartenarbeit im Frühling

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Co-Housing und neue Kommunen — Geteilt Leben, Arbeiten, Spielen, Autofahren

Wen shared das? Moderne Kommunen in Niederösterreich. Ein Widerspruch in sich? Nein, gerade hier gibt es besonders viele. Geteilt wird so einiges. Von Gebrauchsgegenständen bis hin zur gemeinsamen Zeit – und nein, keine Sexualpartner, sorry.

Privat (Haus, Schulranzen, Bücher) Teilen (Auto, Rasenmäher, Garten, Bücher) Gehört uns allen (Bäumer, Wiesen, Vögel) 011

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Text Ines Mikulka Illustration erli grünzweil Bild Niederhof, Lebensraum Gänserndorf, Christina Lenart

Vier Generationen unter einem Dach, das kann sein, muss nicht sein. Moderne Kommunen bieten viele Möglichkeiten.

30 Menschen, 30 Rasenmäher, 30 Gartenzwerge, und jedem sein eigenes Auto. Diese Verteilung ist Menschen, die nach dem Co-Housing-Prinzip leben, fremd. Sie kombinieren das Leben in Privatsphäre mit den Vorzügen einer Gemeinschaft. Und die reichen von Dingen, die sich leicht teilen lassen, bis hin zur gegenseitigen Unterstützung bei verschiedenen Tätigkeiten. Aufgaben, die sonst jeder bei sich daheim macht, werden oft gemeinschaftlich erledigt, so spart man Zeit und Geld. Das ist aber eigentlich nur ein Nebeneffekt, es geht den Menschen um neue und intensivere Formen des Zusammenlebens, die immer mehr Zuspruch finden – weg davon, dass man nicht weiß, wer eigentlich der Nachbar ist. Es gibt heute wieder mehr Menschen, die abseits von kleinbürgerlicher Idylle mit Hobbykeller und Schrebergarten leben, natürlich auch in Niederösterreich. Wir haben uns auf die Suche gemacht und verschiedenste Formen gemeinschaftlichen Wohnens und Lebens gefunden.

Freiheit als Zwang? Dabei ist der Begriff der »Kommune« hierzulande nicht sonderlich positiv besetzt. Man verbindet damit in erster Linie eins: Otto Muehl und seine Kommune am burgenländischen Friedrichshof. Die Absage an den Privatbesitz und an Zweierbeziehungen, der

Aufbruch alter Familienideale und freie Liebe wurden hier großgeschrieben. Diese scheinbare Idylle für Anhänger des polyamoren Lebensstils findet 1991 mit der Verurteilung Otto Muehls ein Ende. Muehl wird wegen Kindesmissbrauchs und weiteren Delikten zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt. Später wird klar, dass statt Freiheit ein autoritärer Führungsstil, sexuelle und emotionale Gewalt den Alltag prägten. Eine solch klassische Kommune findet man heute nicht mehr in Niederösterreich. Es sind schlicht neue (oder alte) Formen des Zusammenlebens mit der Sehnsucht, sich wieder in einer Gemeinschaft gegenseitig unterstützen zu können – moderne Kommunen könnte man sagen. Jedes Projekt hat seine eigenen Beweggründe und Werte. Meist sind sie durch ein Zusammenleben mehrerer Generationen und verschiedene Gemeinschaftseinrichtungen gekennzeichnet.

Land der Äcker und Kommunen Das Lebensgut Miteinander etwa, ein gemeinsam bewohntes Klostergut im Bezirk Lilienfeld, bei dem generationenübergreifendes Leben und Arbeiten im Vordergrund steht, und das Tagesbetreuung für Kinder und ältere Menschen verbindet. Oder der Niederhof, zu dem auch eine reformpädagogische Schule mit Öffentlichkeitsrecht gehört. Die Schule ist hier das verbindende Element – Menschen mit pädagogischem Hintergrund haben sich zusammengefunden und leben in unabhängigen Wohneinheiten, verbunden

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Links: Der Gemeinschaftbereich im Lebensraum Gänserndorf. Rechts: Der Niederhof liegt recht idyllisch bei Lilienfeld.

durch ungezwungenen gemeinschaftlichen Kontakt und einige Rituale, die im Laufe der Zeit entstanden sind. Die Menschen leben wie in einem Dorf im Dorf. Manchmal spielt sich sogar der gesamte Kreislauf des Lebens hier ab: Kinder werden geboren, sie gehen zur Schule, teilen gemeinsame Bräuche und auch ein Begräbnis in der »dorfeigenen« Kapelle eines älteren Mitglieds der Gemeinschaft hat es schon gegeben. Andere, ähnliche Projekte in Niederösterreich sind am Entstehen, wie das Co-Housing Projekt Pomali und die Gemeinschaft B.R.O.T. in Pressbaum, um nur einige zu nennen.

Ein Wohnzimmer für 32 Kinder Das erste Co-Housing Projekt in Österreich war der Verein Lebensraum in Gänserndorf. Die einzelnen Wohnungen sind vollwertig und werden durch Gemeinschaftseinrichtungen ergänzt. Keiner wird zu Gemeinsamkeit gezwungen, jeder bestimmt selbst, wie weit er involviert sein möchte. Es ist modern, einladend, aufgeräumt hier. Keine Spur von chaotischem Kommunen-Flair der Siebziger. Viel eher wirkt es hier wie in einer gut funktionierenden Nachbarschaft. Man kann sich bei gemeinsamen Aktionen einbringen und austauschen, oder aber zurückziehen. Der Gang, der zu den einzelnen Wohneinheiten führt, liegt im Inneren des Gebäudes und kann locker auch als Wohnraum bezeichnet werden, so wohnlich ist es hier. Es ist an diesem Tag leiser, als man es sich

vorstellt. Nur gelegentlich läuft ein Kind an den Gang entlang zur Wohnung des Freundes. Die Auswahl an Spielgefährten ist groß – 32 Kinder (oder auch 33, man ist sich gerade nicht sicher, ob das Letztgeborene schon dazugezählt wurde) leben im Lebensraum, viele von ihnen wurden hier auch geboren. Dass Fremde in ihrem Gemeinschaftswohnzimmer stehen, scheint sie nicht zu stören. Oft kommen Menschen vorbei, um sich zu informieren, sei es, weil sie ein ähnliches Projekt starten wollen, oder selbst gerne hier einziehen möchten. Die große Anzahl an Kindern ist auch bei anderen Projekten auffallend, gegenseitige Unterstützung bei der Kinderbetreuung und ausreichend Platz sind klare Vorteile einer gemeinschaftlichen Wohnform.

Es bleibt mehr Geld Es ist auch reichlich Platz für individuelle Ideen und Träume. So entstanden im Lebensraum im Laufe der Zeit ein großer Gemüsegarten und ein Beachvolleyballplatz, eine Festbühne und ein Hühnerstall, eine Werkstatt und ein Tipi, ein Ziegengehege und ein Pool, ein Altersheim für Hühner … die Liste ließe sich noch beliebig ergänzen. Auf dem riesigen Grundstück ist genügend Platz. Abgestimmt wird bei neuen Ideen lediglich über die Flächennutzung. Wer sich finanziell beteiligt, nutzt dafür auch kostenlos – wer nicht mitmachen will, der zahlt auch nicht mit. Einzig bei finanziellen Anschaffungen, die alle betreffen, muss auch wirklich jeder einzelne zustimmen. Insgesamt 013

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sind die Lebenserhaltungskosten günstiger als in einem durchschnittlichen Eigenheim. Mehr als drei Waschmaschinen sind für die gesamte Gemeinschaft nicht nötig, manche betreiben Car-Sharing, auch vieles andere kann geteilt werden. Abgesehen davon ist die Lebensqualität, die durch die Gemeinschaft entsteht, durch Geld nicht aufzuwiegen, sagt man uns immer wieder.

Mehr Bedarf als Angebot Freie Wohneinheiten gibt es im Lebensraum aber längst nicht mehr. Anfangs war die Fluktuation der Bewohner recht hoch, mittlerweile sind alle 30 Wohneinheiten besetzt und die, die hier wohnen, möchten auch bleiben. Auch über eine Vergrößerung wurde nachgedacht. Durch jahrelange Erfahrung hat sich aber herausgestellt, dass 25 bis 35 Wohneinheiten gerade

ideal sind. Wäre das Projekt größer, so ist man überzeugt, würde das angestrebte Gemeinschaftsleben verloren gehen, bei einer kleineren Gemeinschaft könnten nicht alle benötigten Aufgabenbereiche abgedeckt werden. Share Economy, davon wurde in jüngster Zeit viel geredet, hier wird sie vorgelebt. Wie an so vielen Orten in Niederösterreich. Der LebensRaum Niederhof befindet sich im Bezirk Lilienfeld. Informationen zum Projekt und Schule unter www.niederhof.org. Näheres zum generationenübergreifenden Leben und Arbeiten am ehemaligen Klostergut Edelhof LebensGut Miteinander, ebenfalls im Bezirk Lilienfeld, unter www.lebensgutmiteinander.com, zum CoHousing Projekt Lebensraum in Gänserndorf hier www.derlebensraum.com.

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Ernst Gruber, Verein Gemeinsam Bauen Wohnen: terer, profaner Grund ist die Finanzierungsfrage, die eng an die Grundstücksfrage geknüpft ist. In Wien ist man auf Grund der Preise traditionell eher auf der Suche nach Kooperationspartnern wie Bauträgern, Niederösterreich mag in dieser Hinsicht gewisse Vorteile bieten. Wie sieht ein typischer Co-Housing-Bewohner aus? Das Modell Co-Housing bietet eine starke Tendenz zur Inklusion. Das bedeutet, dass im Grunde keine spezifischen Geschlechts-, Alters- oder Herkunftspräferenzen herrschen. Im Gegenteil: Co-Housing und Baugruppenprojekte bieten oft Wohnformen für Nischengruppen an, die sonst kaum oder wenig Berücksichtigung finden. Beispiele dafür sind Wohngruppen für Frauen, für Schwule und Lesben, speziell für Menschen mit Migrationshintergrund oder auch für Fahrradfahrerinnen und -fahrer. Welche Potenziale gibt es Ihrer Meinung nach für die Zukunft? Vor allem die Möglichkeit, durch gemeinschaftlich nutzbare Flächen den individuellen Wohnbereich reduzieren zu können. Dieses Potenzial ist bei Weitem noch nicht ausgeschöpft, wäre aber ein interessanter Weg, um leistbares Wohnen neu zu interpretieren. Ein Leben in Gemeinschaft bedeutet für viele Gewinn, nicht Verzicht, selbst wenn damit eine Reduktion an privater Wohnfläche einher geht.

Ernst Gruber ist Architekt und Obmann des Vereins »Gemeinsam Bauen Wohnen«. Der Verein hat als Ziel, rechtliche, organisatorische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Menschen erleichtert, gemeinschaftliche Wohnbauprojekte zu initiieren und umzusetzen. Gruber arbeitet derzeit an der Studie »Gemeinschaftliches Wohnen in Wien – Bedarf und Ausblick«.

Bild Christina Lenart

Kann man in den letzten Jahren von einem generellen Trend hin zu Lebensformen wie Co-Housing sprechen? Ja, und zwar in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen. Das reicht von Food-Coops über Co-Working und eben auch Wohnformen. Was das Wohnen betrifft, so ist das einigermaßen paradox: Einerseits gab es noch nie so viele Singlehaushalte wie gegenwärtig, andererseits suchen Menschen wiederum verstärkt Gemeinschaft, auch im Wohnen. Was sind Ihrer Meinung nach ausschlaggebende Gründe für Menschen, in ein gemeinschaftliches Wohnprojekt zu ziehen? Das kann viele Gründe haben. Zum einen bietet das Wohnen in Gemeinschaft die Möglichkeit, engeren Kontakt zu seinen unmittelbaren Nachbarn pflegen zu können. Wahlverwandtschaftliche Beziehungen lösen Familienstrukturen ab, viele Menschen haben bereits WG- Erfahrung und kennen neben den stereotypischen Schwierigkeiten auch die positiven Aspekte. Der soziale Kontakt ist vor allem für ältere Menschen ein Grund, sich für solche Wohnformen zu interessieren, aber auch für Familien ist die Möglichkeit der gegenseitigen Unterstützung natürlich eine interessante Option. Vor allem, wenn die eigene Familie unter Umständen nicht greifbar ist. Was noch dazukommt ist die Erkenntnis, dass man gemeinsam mehr zustande bringen kann als alleine. Das reicht von der Bohrmaschine, die man sich teilen kann über alternative Mobilitätslösungen durch Car-Sharing bis hin zu gemeinschaftlich nutzbaren Flächen wie Dachterrassen oder anderen Raumangeboten. Immer wieder hört man, dass Co-Housing-Projekte schon in der Anfangsphase scheitern. Welche Gründe gibt es dafür aus Ihrer Sicht? Aus Erfahrung realisierter Projekte kann man sehen, dass ein vorhandenes Grundstück oft die Basis für das Gelingen eines Projektes darstellt. Die Grundstückssuche ist eine der größten Bedrohungen für die Konsistenz einer Gruppe. Ein weiterer Grund mag in der Naivität bezüglich des Aufwandes von Gruppenentscheidungen liegen. Heute greifen Gruppen aber viel eher auf professionelle Hilfe in der Prozessgestaltung und Entscheidungsfindung zurück als früher. Ein wei-

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Golden Frame — Pipilotti Rist – »Ever Is Over All«

Ever is over all Ursprünglich wurde sie unter dem Namen Elisabeth Charlotte Rist in der Schweiz geboren. Mit ihrem Umzug nach Österreich entschied sie sich, ihren Namen auf »Pipilotti Rist« zu ändern. Er stellt eine Kombination aus ihrem Spitznamen »Lotti« und Astrid Lindgrens Kinderbuchheldin Pippi Langstrumpf dar. Inspiriert durch ihren Traum, Räume mit bewegtem Licht, Filmen und Musik zu gestalten, begann sie ihr Studium der Illustration und Fotografie an der damaligen Hochschule für angewandte Kunst in Wien. Heute beeindruckt die Technikromantikerin die internationale Kunstszene. Von Zürich über Miami nach Berlin bis in den asiatischen Raum gewann sie mit ihren Experimentalfilmen und raumgreifenden Videoinstallationen zahlreiche Awards und Auszeichnungen. Ihre audiovisuellen Werke sind gesellschaftskritisch und reflektieren die heutige Medienrealität. Sie thematisieren kulturelle und soziale Tabus, ermutigen den Betrachter aber auch einen distanzierten Blick auf soziale Veränderungen zu werfen. »Ever Is Over All«, ist eine Doppelprojektion, der Pipilotti Rist ihren Premio 2000 der Biennale von Venedig zu verdanken hat. Dieses Werk zeigt eine attraktive Frau, mit schwingendem Schritt und kess gekleidet, die mit einer metallenen Blume die Scheiben von parkenden Autos zertrümmert. Als wäre ihr Handeln das Normalste auf der Welt, wird sie freundlich von Passanten und Polizisten gegrüßt. Parallel dazu laufen Bilder von leicht verzerrten Blumenwiesen mit, während im Hintergrund fröhlich schwingende Musik läuft. Alles in Zeitlupe. Die Darstellung von offensichtlich falschem Handeln, das trotzdem von der Gesellschaft und dem Gesetz akzeptiert wird? Lust an der Zerstörung? First World Anarchy? Die Antwort kennt nur Rist selbst. »Ever Is Over All« ist im Rahmen der Personale zu Pipilotti Rist von 22. März bis 28. Juni in der Kunsthalle Krems zu sehen.

TEXT Isabella Sabathiel BILD Pippilotti Rist, 2014

Pipilotti Rist nimmt ihre Besucher bildlich an der Hand und führt sie mit ihren Werken in eine fantasievolle Welt.

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Ursula Strauss heiratet.

Wirkstätten in Niederösterreich — Warum Künstler in Niederösterreich leben und arbeiten

Platz für Künstler Text Elisabeth Laa Bild Markus Rössle

Künstler sind überall. Auch am Land in Niederösterreich leben kreative Menschen und schaffen Kunst und Kultur. Und es gibt einige gute Gründe dafür, sich dort niederzulassen.

Paul Seidl arbeitet.

Niederösterreich ist das größte Bundesland Österreichs. Und doch wird unterschätzt, wenn es um die Kunstund Kulturszene geht. Oder besser gesagt um die Künstler und Kunstschaffenden, die in Niederösterreich leben und werken. Denn von ihnen gibt es viele, die in Niederösterreich geboren sind und sich dazu entschieden haben, dort ihren Arbeitsplatz zu haben. Und es gibt solche, die in einer größeren Stadt geboren sind, und sich entscheiden, aufs Land zu ziehen, um dort ihr künstlerisches Schaffen fortzuführen. Vom tiefsten Waldviertel bis in die Wachau, hin zum südlichen Niederösterreich nach Feistritz am Wechsel und noch viel weiter werken sie. Wie etwa Paul Seidl, ein bekannter Bildhauer und Aktionist, der von seiner Geburtsstadt Wien ins Waldviertel gezogen ist, um dort als Künstler zu leben. Ein Projekt hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Künstler zu finden, in ihren Wirkstätten zu porträtieren und zu interviewen. Das Ergebnis sind zwei Bildbände voller Fotos und kleiner Anekdoten mit dem Titel »Weil Kunst entsteht – Wirk[stätt]en in Niederös-

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terreich«, welche im Residenz Verlag erschienen sind und noch bis 19. April im Landesmuseum St. Pölten von einer Ausstellung begleitet werden.

Paul Seidls Atelier ist gleich im Bauernhof In Großstädten gibt es zentrale Museen, Kaffeehäuser, Ateliers, sie ziehen Gleichgesinnte an. Niemand fragt, warum ein Bildhauer, eine Street Artist oder Kameramann dorthin zieht. Was zieht an Niederösterreich an? In erster Linie ist es wohl, ganz banal, die Natur. Und die Ruhe. Für Paul Seidl ist das zum Beispiel das Atelier gleich im Haus, so quasi auf dem umfunktionierten Bauernhof, wo er jetzt seine Metallarbeiten macht. Nicht so wie früher einmal in Wien, wo er erst einmal etwa 45 Minuten gebraucht hat, um von seinem Wohnort zum Atelier zu kommen, um dort zu arbeiten. Ihm zufolge hat es etwas Elementares. Im schlichten Hof aus dem 19. Jahrhundert mit dem Atelierhaus aus Holz im Garten und dem Stadel als Kunstlager arbeitet er hier. Oder auch die Möglichkeit, einfach vor die Tür zu gehen und in den Wald zu spazieren, um sich Inspiration zu holen. Paul Seidl meint, dass in der Natur die Sicht auf die Dinge eine andere wird. Man hat Ruhe zum Arbeiten. Er hat lange, gerne und gut in Wien gewohnt und gelebt, hat im Atelier gearbeitet und eine Werkstatt gehabt. Aber alt werden wollte er dort nie. Das Waldviertel hingegen, meint er, sei ein Ort zum Altwerden.

Wirkt in der Wachau Ursula Strauss, die renommierte österreichische Schauspielerin, könnte man fast als das Gegenteil von Paul Seidl bezeichnen. Sie ist im Ort Pöchlarn nahe der Wachau aufgewachsen, hat dort eine Kleinstadtjugend genossen – mit Stadtzentrum, einem großen Stadtbad, Fußballplatz und Pfadfinderheim. Sie war den ganzen Tag unterwegs zwischen Spielplatz und Donau. Aber für die Schauspielerei ist sie nach Wien gezogen, sie ist also eine ausgewanderte Künstlerin aus Niederösterreich. Die Liebe zur Heimat und auch zur Wachau hat sie nicht verloren, sie hat sie auf eine besondere Art wiederentdeckt. Seit Herbst 2012 veranstaltet sie jährlich das Festival »Wachau in Echtzeit«, bei dem sie verschiedenste Kunstformen gemeinsam mit anderen Künstlern präsentiert, wie etwa Kammerkonzerte, Lesungen im Schloss Pielach oder die Vertonung von Stummfilmklassikern. Das Besondere an dem Festival sind die intimen Spielräume an den verschiedensten Orten der Wachau wie Spitz oder Aggstein. Dafür wurde Ursula Strauss bereits mit zwei Preisen ausgezeichnet. Aber auch privat kommt die gebürtige Niederösterreicherin gerne zurück, zum Radfahren oder auch zum Heiraten, wie sie es 2014 getan hat. Sie lebt zwar nicht, aber wirkt hier. Harriet Krijgh ist Cellistin und noch einmal jünger. Sie ist wegen ihrer Familie schon früh in den Schulferien oft aus Holland nach Feistritz gekommen. Mit 13 ist sie nach Wien gezogen, seither aber fast jedes Wochenende nach Feistritz gependelt – auf die Burg Feistritz, die angeblich im 12. Jahrhundert errichtet

Harriet Krijgh spielt.

wurde. Harriet mag den Ort, wo sie immer übt, weil er einer der ältesten Räume der Burg überhaupt ist. Zwischen den dicken Mauern der Burg hat sie Ruhe für die Kunst, in der sie sich optimal auf wichtige Sachen vorbereiten kann. Die Tage würden dort länger als 24 Stunden dauern, meint sie.

Nicht nur die Natur ist wichtig Ruhe, davon gibt es reichlich. Aber auch Gemeinschaft. In Form von gemeinsamen Arbeiten, Ausstellungen oder sogar Kunstfestivals. Laut Harriet ist dieser Zusammenhalt, dieses füreinander Dasein, etwas, das sie braucht, um sich optimal als Künstlerin zu entfalten. Es gäbe Zusammenhalt, jeder scheint jeden zu kennen und helfen zu wollen. Auch Paul Seidl ist das wichtig, wie etwa seine Kunstwoche in Grafenschlag zeigt. Auch das Festival »Echtzeit in der Wachau« zeugt davon, dass Künstlervernetzung und Zusammenhalt eine wichtige Rolle spielen. Auch wenn also Niederösterreich in bestimmten Bereichen immer urbaner wird, sind es aktuell immer eher noch die einfachen Dinge, die Künstler im Bundesland halten: die Ruhe, die Nähe zur Natur, die kurzen Wege und engen Kontakte. Mehr Infos zum Buch gibt es beim Residenz Verlag, zur Ausstellung beim Landesmuseum St. Pölten. 019

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Monja Art – »Siebzehn« — Aufstrebende Filmemacherin im Interview zum Spielfilmdebüt

Alles, was großartig ist, und zugleich alles, was furchtbar weh tun kann

Text Bettina Eckert Bild Caroline Bobek, Felix Knoche

Ihr Film »Siebzehn« erhielt eine Landesförderung von 120.000 Euro. Monja Art im Interview über Machtspiele in jungen Liebesbeziehungen, ihren Heimatort und ihr aktuelles Schaffen.

Die beste Schule ist meistens das Leben selbst. Seit den Urgroßeltern gab es in der Familie von Monja Art immer Gasthäuser. Menschen, die waren auch fürs Drehbuchschreiben ein großer Faktor für die junge Niederösterreicherin. Obwohl sie mittlerweile in Wien lebt, kommt sie nach wie vor gerne in ihren Heimatort Lanzenkirchen zurück, wo sie wie sie sagt, ihre Kindheit »frei und schön« verbrachte. Der Abschluss ihres Doktorat- sowie ihres Filmakademie-Studiums, der Erhalt des Jahresstipendiums der Literar Mechana und der Carl Mayer-Hauptpreis für ihr »Siebzehn«-Drehbuch zählen zu den bedeutsamsten beruflichen Erfolgen der 31-Jährigen. Zu Monjas Werken zählen u.a. »Forever Not Alone, »Juli« und »Rot«. Dass ihr neuestes Projekt und zugleich erster Kinospielfilm »Siebzehn« gleich beim ersten Anlauf in voller Einreichhöhe gefördert wurde, spricht für das aufstrebende Talent Monja Art.

Der Film »Siebzehn« wir zum Großteil in Lanzenkirchen und Katzelsdorf gedreht. Was waren für dich die ausschlaggebenden Gründe, den Film in Niederösterreich bzw. sogar in deinem Heimatort zu drehen? Die Frage hab ich mir nie gestellt, das war einfach ganz klar für mich, dass »Siebzehn« nur in Niederösterreich spielen kann, weil meine Jugend auch in Niederösterreich sozusagen gespielt hat und ich gerne eine Jugend am Land erzählen möchte. Wo man all seine Freunde am Wochenende in der kleinen Dorfdisko trifft, gesammelt mit seinen Freunden mit dem Bus zur Schule fährt, oft von einem Kaff ins andere, und man die Freizeit draußen verbringt, auf der kleinen Holzbank beim Feld oder beim Teich im Wald, und keine Sehnsucht nach der großen Stadt besteht, weil ja alles da ist – alles, was großartig ist, und zugleich alles, was furchtbar weh tun kann. Was kannst du uns schon über das Drehbuch deines neuen Films erzählen? Gab es vielleicht eine besondere Inspirationsquelle, die dich dazu veranlasst hat, diese Geschichte zu schreiben?

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Was die Carl Mayer-Jury über »Siebzehn« gesagt hat, hat mir gefallen, daher verwende ich die Logline nun gerne: »Paula, eine überdurchschnittlich intelligente Schülerin, verliebt sich in Charlotte aus ihrer Klasse und fühlt sich gleichzeitig von der zügellosen Lilli permanent provoziert, Grenzen zu überschreiten.« Für mich ist »Siebzehn« ein Film über Machtspiele in jugendlichen Liebesbeziehungen. Ein Film, der erzählt, dass jugendliche Liebe nicht nur lustig, sondern auch grausam sein kann. Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Inspirationsquellen gab’s viele, unter anderem meine eigene Jugend. Das Projekt erhält eine Landesförderung von 120.000 Euro. Warum findest du es wichtig, dass insbesondere junge Künstler vom Land gefördert werden? Weil es zu viele interessante junge Stimmen gibt, um sie zu ignorieren. Ganz einfach. Dazu fällt mir ein Bespiel ein: Ein amerikanischer Journalist hat über Caroline Bobeks und meinen Dokumentarfilm »Forever Not Alone« geschrieben: »Walking into this documentary about a group of immature teenage girls, I can honestly say I had very low expectations and, if I’m being completely honest, I only reviewed this film because I lost a coin toss. Now, that being said, I was completely blown away by ›Forever Not Alone‹.« – und ich glaub, das ist es, worum es beim Filmemachen geht: Sich einzulassen auf etwas, von dem man nicht weiß, was einen erwartet, oder vielleicht sogar denkt, dass man nicht mag, was man zu erwarten glaubt, und dann

so richtig weggeblasen zu werden und mehr davon zu wollen. Ich bin überzeugt davon, dass es gut ist, das vermeintliche Risiko einzugehen, junge Filmemacherinnen und Filmemacher zu fördern, denn es gibt noch viele neue, spannende, innovative Arten, Geschichten zu erzählen, und jede davon kann in der Lage sein, das Publikum im positivsten Sinne umzuhauen. Was sind die nächsten Schritte zur Realisierung eures Projektes und ab wann genau wird es den Film »Siebzehn« zu sehen geben? Martina Poel und Marion Rossmann casten bereits seit einem Jahr. Das Casting ist relativ aufwendig, weil wir primär auf der Suche nach jugendlichen LaienDarstellern im Alter von 16 bis 18 sind. Parallel dazu beginnt jetzt dann die Location-Suche, außerdem arbeite ich gemeinsam mit der Kamerafrau Caroline Bobek am Kamera- und Lichtkonzept, mit der Ausstatterin legen wir ein Konzept für die Ausstattung fest, wie die Zimmer der Jugendlichen aussehen werden etc. Da die Jugendlichen im Film eine Schuluniform tragen, beginnt auch bald die Zusammenarbeit mit der Kostümbildnerin, ich stelle mit den Leuten der Musikagentur Swimming Pool den Soundtrack zusammen, Saskia Pramstaller entwickelt bereits das Marketingkonzept usw. – also es gibt viel zu tun. Die Fertigstellung des Films ist für Ende 2015 geplant. Ab Anfang 2016 startet die internationale Festivalauswertung, und im Verlauf des Jahres 2016 wird »Siebzehn« in die österreichischen Kinos kommen. 021

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Drogenküchen in Niederösterreich — Über den Crystal Meth-Verkehr an der Grenze

Einmal Crystal Meth, bitte! Wenn ein Bezirk bekannt ist für seine Küche und es doch nichts mit Kulinarik zu tun hat.

Den Ameisen auf der Spur Die Droge Crystal wird oft in Tschechien gekauft und nach Österreich mitgenommen. Ameisenverkehr nennt man dieses Schmuggel von geringen Drogenmengen über die Grenze. Meist decken Konsumenten damit ihren Eigenbedarf und den ihrer Freunde. Gekauft wird häufig bei Vietnamesen gleich über der österreichischen-tschechischen Grenze. An den Ständen wird billig Ware wie Schmuck und Kleidung ver-

kauft. Unter der Hand bekommt man hier jedoch vor allem eines: Crystal Meth. Die seit den 90er Jahren in der Grenzregion etablierten Vietnamesenmärkte sind auch der Tschechischen Regierung ein Dorn im Auge. Groß angelegte Razzien konnten bis jetzt jedoch nur wenig ausrichten. Ein Problem ist vor allem auch die tschechische Gesetzgebung laut der 2 Gramm Methamphetamine als »geringe Menge« gelten und somit zum persönlichen Gebrauch zugelassen sind. Besonders in der Region Süd- und Nordböhmen gibt es zudem viele kleine Drogenlabore, umgangssprachlich auch als Küchen bezeichnet, die sich auf die Produktion von Crystal Meth spezialisiert haben.

Das richtige Rezept zum Kochen Anleitungen zur Herstellung von Crystal Meth sind im Internet haufenweise auffindbar. So benötigt man zu Herstellung etwa Natriumhydroxyd (NaOH), Salzsäure (HCl), Jod (I₂), roten Phosphor (RP), Kochsalz (NaCl), Aceton, Magnesiumsulfat und Ephedrin. Letzteres wird in der Medizin bei Symptomen von Asthma bronchiale sowie zum Abschwellen der Nasenschleimhäute bei Schnupfen eingesetzt. Prinzipiell können diese Stoffe in Österreich legal erworben werden, vor allem ephedrinhaltige Medikamente sind jedoch in großen Mengen schwer erhältlich. Daher wird im Internet bestellt oder im Ausland eingekauft.

Text Theresa Jauk Bild LPD Niederösterreich

Drei Jahre lang soll es gebrodelt und gedampft haben in Gmünd. Im Herbst letzen Jahres hieß es dann ausgekocht für die zwei Mr. White-Nachahmer im beschaulichen Grenzörtchen. In der bis jetzt größten ausgehobenen Drogenküche Österreichs wurde Crystal Meth im großen Stil und äußerst professionell produziert, wie man später von der Landeskriminalpolizei Niederösterreich erfuhr. Jetzt, ein halbes Jahr später, ist das Thema Meth immer noch am Köcheln. Die Nähe zur Tschechischen Grenze ist schuld, sagen viele und haben damit nicht ganz unrecht. Vor allem die Bundesländer Oberösterreich und Niederösterreich verzeichnen nämlich einen kontinuierlichen Anstieg der synthetisch hergestellten Substanz Methamphetamin, die in der Szene als Crystal Meth, Ice oder Crank bekannt ist.

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Im Fall Gmünd besorgten die Köche ihre Zutaten und das nötige Equipment in Rumänien. Aber auch Tschechien und die Slowakei gelten als beliebte Länder für den Einkauf. Produziert wurde für den Eigenverbrauch, aber auch der Verkauf der Droge ist äußerst lukrativ. Dabei gilt, je höher der Reinheitsgrad, desto teurer die Ware. Im Drogenlabor Gmünd wurde Crystal Meth mit 80-90 prozentiger Reinheit hergestellt, was in Insiderkreisen als sehr gut eingestuft wird, wie auch aus der US-Serie »Breaking Bad« mittlerweile Teilen des TV-Publikums bekannt sein dürfte. Am illegalen Markt bezahlt man dafür an die 60 Euro pro Gramm. »Wenn die Konsumenten wissen, dass das was sie kaufen gute Qualität hat, sind sie bereit diesen Preis zu zahlen«, so ein Suchtgiftermittler des Landeskriminalamts Niederösterreich. Nicht zu verwechseln sind Methamphetamine mit Amphetaminen, auch als Speed bekannt. Diese verfügen über einen geringeren Reinheitsgrad und können daher auch schon für 15 Euro erworben werden.

Der schale Beigeschmack Der Zugang zu Crystal ist leicht. In Oberösterreich und Niederösterreich wird die Droge bei Musikfestivals, auf Partys und in einschlägigen Clubs verkauft. Party machen bis zum Umfallen heißt die Devise. Crystal wirkt stark leistungssteigernd und ermöglicht den Konsumenten durchzufeiern, ohne müde zu werden. »Einmal war ich drei Tage lang unterwegs. Habe nichts geschlafen und gegessen. Danach war ich fertig und habe drei Tage lang geschlafen«, so ein Jugendlicher aus der Szene. Durch den Konsum von Meth werden körpereigene Botenstoffe wie Adrenalin und Dopamin freigesetzt. Während eines sogenannten »Trips« sind psychische Wirkungen wie erhöhte Aufmerksamkeit, Euphorie, Hyperaktivität, erhöhter Kommunikationsbedarf, Steigerung der Libido, Unterdrückung von Hunger und Müdigkeit und Vernachlässigung von Hygiene zu beobachten. Nach Abklang der Wirkung ist die Folge oft Depression. So nimmt der Teufelskreislauf seinen Anfang und führt oft zu chronischer psychischer als auch körperlicher Abhängigkeit. Ein normaler Tagesrhythmus wird dadurch unmöglich. Nicht umsonst gilt Meth als eine der schlimmsten, stärksten und erschütterndsten Drogen-Abhängigkeiten. Haut und Zähne können rapide verfallen, Menschen altern scheinbar in nur wenigen Jahren. »Das Thema Crystal Meth wird in den nächsten Jahren vermehrt ein Thema bleiben und darf nicht unterschätzt werden.« Insgesamt wird die Drogensituation von der Landeskriminalpolizei Niederösterreich jedoch als gleichbleibend eingeschätzt. Beobachtet werden Veränderungen bezüglich der Drogenarten, die sich im Umlauf befinden. So konnte etwa vor 15 Jahren ein erhöhter Konsum von Extasy festgehalten werden. Heute ist es Crystal Meth. Infos zur Drogensituation in Österreich können im jährlich veröffentlichten Drogenbericht des Bundesministeriums nachgelesen werden. www.bmg.gv.at 024

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Naturdroge Mohn — Aufklärung über ein Naturwunder im Waldviertel

Mohn für’s Volk 025 Eines sei gleich vorweg gesagt: JA, von Mohn kann man high werden! Er ist eine von vielen natürlichen Drogen. Allerdings muss man dabei verschiedene Arten von Mohn unterscheiden: Es gibt etwa 80 bis 120 verschiedene Mohn-Sorten, jedoch bei uns sind Klatschmohn und Schlafmohn die bekanntesten. Bereits bei den alten Griechen wurde Mohn als Symbol der Fruchtbarkeit angesehen und bei den Persern symbolisierte er die Liebe. Außerdem gilt er allgemein auch als Aphrodisiakum. Viele Menschen lieben Mohn. Er ist in zahlreichen Süßspeisen, aber auch in Pikantem enthalten. High werden kann man aber nur von Schlafmohn. Der Milchsaft, der in den Mohnkapseln ist, enthält Morphin und Codein. Diese Stoffe erzeugen eine einschläfernde und suchterzeugende Wirkung. Das haben sich die Menschen bereits seit der Antike zunutze gemacht. Sie rauchten oder tranken Opium, um zu entspannen. Heutzutage ist der Gebrauch nur mehr als Schmerzmittel erlaubt. Angebaut wird Schlafmohn jedoch noch immer. In Deutschland ist der Anbau zwar verboten, in Österreich nicht.

Schlafmohn in Österreich Richtig gelesen, in Österreich darf man Schlafmohn anbauen. Genau genommen wird er im Waldviertel bereits seit dem 13. Jahrhundert angebaut. Inzwischen

wird der Mohn zwar so gezüchtet, dass die rausch-erzeugenden Inhaltsstoffe nur mehr in geringen Mengen darin zu finden sind, aber ganz eliminieren kann man sie nicht. Und tatsächlich: Wer sehr häufig Speisen mit Mohn isst, kann sein blaues Wunder erleben. Eine Studie aus Deutschland hat nämlich ergeben, dass bereits zwei Stunden nach dem Verzehr von Mohn Morphin im Urin und in geringen Mengen auch im Blut nachgewiesen werden kann. Wer sich jetzt allerdings nach dem Verzehr einer Mohnzelte fragt: »Bin ich schon high?«, wird wohl enttäuscht sein: Auch wenn diese Stoffe im Körper nachgewiesen werden können, sind es zu geringe Mengen um davon high oder süchtig zu werden. Wer kurz vor einem Drogentest steht, sollte von übermäßigem Mohnverzehr lieber Abstand nehmen. Möchte man sich hingegen durch Mohnzelten in einen Drogenrausch versetzen, müsste man diese schon säckeweise zu sich nehmen – mehr als in jeden Magen passt. Wem der Appetit auf Mohn jetzt nicht vergangen ist, der kann sich darüber noch genauer im Mohndorf im Waldviertel informieren. Ganzjährig gibt es für die Besucher Führungen und Mohn-Verkostungen. Und wer den Selbstversuch doch wagen möchte: Man kann dort auch Schlafmohn kaufen. Alle anderen finden dort vielleicht Anregungen für neue Rezepte. Das Mohndorf im Waldviertel – www.mohndorf.at

Text Anna-Lisa Grohs Bild Andreas Franzkowiak, Eric Hill

Wird man von Mohnzelten high? Nach wie vielen Mohnkipferln komme ich noch ungestraft durch die Verkehrskontrolle?

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Im Original brilliert Nicholas Ofczarek als Discobesitzer. Im US-Remake wurde Rob Riggs als Bürgermeister gecastet.

Braunschlag In The USA — Satirische Comedy aus Österreich wird in Hollywood adaptiert!

The World in Braunschlag is too small Text Daniel Deutsch Bild ORF / Ingo Pertramer

Marienerscheinungen, marode Discotheken, korrupte Politiker und Eheprobleme gibts bald nicht mehr nur im Waldviertel, sondern auch mitten in Amerika. Im Herbst überraschte der ORF mit einer Presseaussendung, dass Braunschlag in Hollywood neu adaptiert und produziert wird. Die von David Schalko geschriebene Serie war mit bis zu 36 % Marktanteil seit 25 Jahren die erfolgreichste im ORF Dienstagabend-Programm. Die Zuseher bekommen dabei amüsant präsentiert, wie Bürgermeister Tschach mit einer wahren Schnapsidee versucht seine Gemeinde Braunschlag im niederösterreichischen Waldviertel aus dem finanziellen Desaster zu retten. Sehr oft lassen sich parallelen zur nicht immer mit Ruhm bekleckerten österreichischen Politik und Kultur finden. »Jetzt kennt uns die ganze Welt … Braunschlag ist des neue Amstetten!« Bei der internationalen Filmmes-

se in Cannes konnte die ORF Enterprise mit »Braunschlag« überzeugen. Die Hollywood-Agentur Intrigue, die bei mehreren erfolgreichen Serien die Hand im Spiel hat, bot das Format mehreren Studios an. Den Zuschlag für das beste Angebot bekam schlussendlich Twentieth Century Fox. Richard Grasl, kaufmännischer Direktor des ORF, zeigt sich darüber natürlich erfreut. David Schalko wusste in einem Interview mit dem Falter schon mehr. Es gäbe in den USA mittlerweile Agenturen, die sich auf Remakes spezialisiert haben. Vieles würde einfach spekulativ gekauft, selbst wenn eine Umsetzung noch lange nicht geplant ist. »Braunschlag« wäre da aber schon weiter. Unter grober Orientierung am Originalskript entsteht bis Februar eine Pilotfolge. Bei Erfolg wird weitergedreht und die Serie zu einer kompletten Staffel gebaut.

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Einen wunderbaren Dialekt, religiösen Wahn, Bierbäuche und White Trash – all das gibt es Texas ja ebenfalls zu Genüge.

Als Bürgermeister wurde bereits Rob Riggle verpflichtet, der in der Filmbranche durchaus kein unbeschriebenes Blatt ist. Der US-Marine Reserveoffizier beendete seinen aktiven Dienst, um seine Karriere als Comedian zu forcieren. Bekannt ist er aus erfolgreichen Filmen wie »Hangover«, »22 Jump Street« und »Let’s Be Cops – die Partybullen«. Bei Jon Stewarts »Daily Show« auf dem US-amerikanischen Sender Comedy Central war er außerdem regelmäßig als Korrespondent zu sehen. »Braunschlag« ist zwar die erste österreichische Serie, die ein US-Remake bekommt, aber durchaus nicht das einzige Format aus Österreich, das in internationalen Gewässern Erfolge fischen konnte. So gab es zum Beispiel einen Remake von Michael Hanekes »Funny Games«, der Einstellung für Einstellung mit US-Stars neu gedreht wurde. Und auch die Lizenz für ein englischsprachiges Remake der deutschösterreichischen Kooproduktion »Die Räuber« konnte erfolgreich an Sony verkauft werden. Man darf gespannt sein, wie die Schmähs passend für Amerika adaptiert werden. Schließlich lebt die Serie von Dialekt und regionalen Besonderheiten. In

Amerika kann man außer an der mexikanischen oder kanadischen Grenze nicht schnell mal in die Tschechei ins Puff fahren. Aber gut möglich, dass die Geschichte dann von irgendeinem Bürgermeister aus einem Vorort aus Los Angeles handelt, der optisch ein bisschen Ähnlichkeit mit republikanischen Präsidentschaftskandidaten wie Chris Christie, Jeb Bush oder Marco Rubio hat, viel lästert, illegale Einwanderer beschäftigt und gern über den Durst trinkt. Vielleicht hat auch er eine wundersame Idee, mit der er seinen Vorort finanziell retten kann. So gesehen passt die Geschichte vielleicht generell besser zum »American Dream« als zu Österreich. Kann aber auch sein, dass die Serie ein totaler Flop wird. Wie bitte soll man auch das gute, katholische Waldviertel, die Spritzweinkultur und den Onkel aus St. Pölten amerikanisieren? Der Pilot zur US-Version von »Braunschlag« wurde im Februar 2015 fertig gestellt. Danach wird über eine erste Staffel entschieden. www.foxmovies.com www.facebook.com/Braunschlag 027

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Stift Heiligenkreuz — Pater Markus über das Leben im Stift und gregorianischen Choral

Das Geld hat kein Mascherl

Text Theresa Solta; Laura Zwerger Bild Stift Heiligenkreuz, Theresa Solta, Laura Zwerger

Pater Markus vom Stift Heiligenkreuz über den Erfolg des gregorianischen Chorals und über das Leben im Kloster.

In Italien sorgte letztes Jahr eine singende Nonne für Furore. Dabei sind singende Gottesmenschen nicht ganz neu. 880 Jahre, so lange gibt es beispielsweise das Stift Heiligenkreuz bereits. Es ist damit das zweitälteste Zisterzienserkloster der Welt. In seiner Geschichte hat es immerhin zwei Platinalben hervorgebracht, beide in den letzten zehn Jahren. Gerade »Chant – Music For Paradise« war ein riesiger Erfolg. Weniger für das Stift als für das Label Universal. Sogar HBO drehte vor fünf Jahren eine Doku über die Mönche und ihr Leben im Kloster. Auftritte hatten sie damals allesamt abgelehnt. Weil sie letztens eine Ausnahme davon machten, haben wir Pater Markus vom Stift zum Interview getroffen. Wer hatte die Idee, eine CD aufzunehmen? Da wurde von Universal Music ein Wettbewerb gestartet auf deren Homepage. Mönchs- und Nonnenchöre sollten sich melden. Und ein Bekannter aus London, dessen Opa hier Mönch war, hat das gesehen und hat

ein Mail geschickt an den Pater Karl, der ist verantwortlich für unsere Öffentlichkeitsarbeit. In dem Mail stand, dass wir bitte mitmachen sollen, aber morgen ist der letzte Tag der Bewerbung. Gott sei dank haben wir einen begabten Mitbruder, der es geschafft hat einen Videoclip zu drehen, innerhalb einen Tages. Auf Youtube hat der Clip schon eine Mio. Klicks gehabt. Und das hat den Leuten in London so gefallen, dass sie sofort mit uns Kontakt aufgenommen haben. Gab es viele Mitbewerber? Das weiß ich nicht. Diese CD wurde dann aber richtig promotet, Werbung geschalten im Fernsehen und die Bezeichnung »Chant« ist auch von Universal gekommen. Ich hab niemals geglaubt, dass die CD so ein großer Erfolg wird, weil die Mitbrüder eigentlich nicht mitmachen wollten. Vor Abschluss des Vertrags wurden nur wenige CDs verkauft, hier im Klosterladen. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung gab es gerade ein bekanntes Computerspiel mit einer Hintergrundmusik, die von Mönchen gesungen wurde. Das machte unser Album auch für Jugendliche interessant und der

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Zeitpunkt für die Vermarktung war richtig. Wir waren sogar bei »Wetten, dass …«, ansonsten aber hat es keine Auftritte gegeben. Es hat Anfragen sogar von Arnold Schwarzenegger gegeben, als er noch Gouverneur in Kalifornien war und auch aus Japan, aber wir haben alles abgelehnt. Was sind die Voraussetzungen für den Beitritt zum Chor? Grundsätzlich sind das ja nur unsere Gebete, die wir tagtäglich singen, abhängig von Feierlichkeiten. Jetzt haben Sie aber ein eigenes Label? Ja genau, das heißt Obsculta Music. Wir dürfen auch weiterhin »Chant« verkaufen. Eine neue CD wird jetzt an alle verschenkt, die für die Hochschule gespendet haben. Was ist mit dem verdienten Geld passiert? Den Hauptteil der Kosten hat Universal bezahlt, aber die haben auch fast alles eingenommen. Das Kloster hat von dem Gewinn aus dem Verkauf der über eine Mio. CD wenig gesehen. Für das Kloster war das ungefähr ein Betrag von 500.000 Euro, das ist im Vergleich

zum Ganzen wenig. Das Geld wurde nicht aufgeteilt unter den Sängern. Wenn jemand in den Orden eintritt, gehört alles Geld, dass von den Mitbrüdern erwirtschaftet wird, dem Kloster. Das Geld wurde für alle Aufgabenbereiche des Klosters verwendet. Es wurde auch teilweise dazu verwendet, um den Unterhalt der über 80 Mitbrüder zu finanzieren, den Geld hat kein Mascherl. Es kommt immer noch ein gewisser Betrag in unseren Topf, es werden immer noch CDs verkauft. Das ist ein Betrag von zirka 4.000 Euro im Jahr. Welche weiteren Projekte gibt es? Es wird keine großen Projekte geben. Die einmalige Ausnahme war das Konzert mit Timna Brauer, unser allererstes Konzert in der Stiftskirche hier in Heiligenkreuz, wo mehr als 1.000 Leute da waren. Wir haben alle Rechte von Timna bekommen und ich vermute, dass eine Live-CD wieder erfolgreich werden könnte, weil das wieder ganz was anderes ist als die bisherigen CDs. Das Konzert hat auf Spendenbasis stattgefunden. Trotzdem wurden 15.000 Euro eingenommen. Es war wirklich schön. 029

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» Wir haben alle Rechte von Timna bekommen und ich vermute, dass eine Live-CD wieder erfolgreich werden könnte.« — Pater Markus

Wie sind Sie dazu gekommen Mönch zu werden? Lange Geschichte, ich bin seit 32 Jahren hier. Ich habe vorher Heiligenkreuz so gut wie gar nicht gekannt. Mit 24 hab ich schon gemerkt, dass ich einen geistlichen Weg einschlagen werde. Mit 25 bin ich nach Wien gekommen, und wollte eigentlich etwas ganz anderes machen. Ich wollte eigentlich in den Orden der Mutter Theresa eingetreten, und das war auch ein bisschen kompliziert. Die Ausbildung dafür muss man in Los Angeles absolvieren, und damals waren die Flüge noch schweineteuer. Deshalb musste ich schnell zu Geld kommen und habe dann in Wien in einem Spital gearbeitet, in der Küche. Ich bin ausgebildeter Koch und Kellner. Ich komme aus Südtirol und war damals schon saisonweise beschäftigt, aber der Stress hat mir nicht so sehr gefallen. Innerhalb von fünf Monaten wollte ich dann in Wien den Betrag zusammenhaben. Dann hab ich den Rat bekommen, nach Heiligenkreuz zu fahren und bin dann hierher gekommen und wurde überhaupt nicht freundlich empfangen und man hat mich warten lassen. Und es war kalt und stürmisch und ich musste lange warten. Der Mönch, der mir Heiligenkreuz zeigen wollte, hatte den Termin vergessen, ich bin aber trotzdem geblieben. Im Jahr 1982 bin ich eingetreten.

Welche Voraussetzungen brauchte man, um dem Orden beitreten zu können? Damals war es noch so, dass man die Matura haben musste. Und ich war so ziemlich der erste, der ohne Matura beigetreten ist. Heute haben wir viele Mitbrüder ohne Matura, die deshalb nicht Theologie studieren können, aber in anderen Bereichen im Kloster arbeiten. Ich habe damals an der Hochschule hier in Heiligenkreuz studiert und die Matura nachgemacht, die damals noch viel kleiner war, als sie jetzt ist. Was sind Ihre Aufgaben im Kloster? Ich bin jetzt seit 3,5 Jahren Hauptökonom. Früher war das die Aufgabe des Zentraldirektors, aber das wollte ich absolut nicht. Alles war mit »Direktor« zu tun hat, klingt für mich ein bisschen eigenartig. Und dann hab ich den Abt gebeten, mir die Verantwortung über alle wirtschaftlichen und finanziellen Bereiche zu geben. Selbstverständlich kann ich nicht über alles selbst entscheiden, aber über gewisse Summen. Diese Position ist eine Vertrauensposition. Wenn es zum Beispiel um Veräußerungen von Grundstücken geht, gibt es eine Abstimmung im Kapitel. Dafür haben wir ein Kugelsystem – es gibt schwarze und weiße Kugeln. Die weiße Kugel sagt Ja, die schwarze sagt Nein. Jeder wirft seine Kugel in ein kleines Kistchen. Diese Entscheidung, die die Mitbrüder im Kapitel treffen, gilt. Das ist für mich auch eine große Erleichterung.

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Sie stellen auch Personal ein und entlassen es? Grundsätzlich haben wir verschiedene Betriebe, die alle selbstständig sind. In jedem Betrieb gibt es einen Betriebsleiter, der auch Personal einstellt, wovon ich nur informiert werden möchte. Geht es um eine heikle Position, will ich die Person vorher kennenlernen. Und auch wenn ich eine neue Sekretärin bekomme, will ich die vorher sehen. Von einem meiner Vorgänger habe ich gelernt, dass, wenn jemand mit einer Empfehlung von einem Pfarrer kommt, schau ich mir den sehr genau an. Wenn jemand mit einer Empfehlung von einem Bischof kommt, dann schau ich mir den gar nicht an – dann schick ich ihn gleich wieder weg. (lacht) Wie sieht ihr Tagesablauf aus? Ich stehe um 4:30 auf, dann geh ich in den Frühchor. Das ist mir sehr wichtig. Ich kann am Vormittag sehr viel erledigen und je später es wird, desto schwieriger wird es für mich, und ich hasse, hasse wirklich Abendtermine, die nie enden wollen. Deshalb gibt es bei mir

so gut wie keine Abendtermine. Nach dem Frühchor geh ich in die heilige Messe. Frühstücken tu ich nichts, ich trinke nur zwei Tassen Kaffee. Danach bin ich in meinem Büro oder unterwegs. Mittags bin ich meist nicht da. Und am Nachmittag so ab 17 Uhr bin ich dann wieder im Kloster. Aber ich nehme mir schon Arbeitsunterlagen mit, um die dort zu erledigen. Wann gehen Sie schlafen? Ich brauch nicht allzu viel Schlaf. Vor 23 Uhr sehr selten. Gibt es Momente, in denen Sie das Leben außerhalb des Klosters vermissen? Nein! Mir geht absolut nichts ab.

Weitere Informationen zum Stift Heiligenkreuz finden sich auf www.stift-heiligenkreuz.org. Die CDs der Mönche können auf www.obsculta-music.at erworben werden. 031

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Bauten für die Künste — Moderne Architektur in Niederösterreich

Prädikat: architektonisch wertvoll Text Katharina Zöchling Bild Lukas Schaller, Gabu Heindl, Hertha Hurnaus, Robert Herbst, Lothar Hasenleithner, Günther Kargl, Lukas roth

Bauernhöfe, Pampa, prächtige Bauten. Moderne Architektur hat die Viertel und Winkel von Niederösterreich erreicht. Neben Vorarlberg, New York & Co. gilt Niederösterreich nicht unbedingt als der Nabel der Welt, wenn es um moderne Architektur gilt. Das ist schlichtweg falsch. In den vergangenen Jahren mauserte sich das Bundesland zum Architektenspielplatz. Während der Wunsch noch immer oft zu Reihenhaus mit Garten geht, bringen moderne Gebäude frischen Wind in die Hütte. Beispiele bemerkenswerter Architektur und gelungenem Stilmix zwischen Alt und Neu sind in Niederösterreich nicht auf wenige Orte beschränkt – sie sind überall zu finden. Egal ob in der Wachau, in St. Pölten oder im Kamptal. Wir werfen für euch einen Blick auf die Must-SeeGebäude in Niederösterreich.

Wolkenturm Grafenegg Ein wahres Prachtstück ist der – auch international bekannte – Wolkenturm in Grafenegg. Der Ort hat sich zu einem Zentrum für Freiluftfestivals etabliert. Der Turm ist eine Mischung aus Skulptur und Bühne. Hier gibt es also nicht nur was fürs Auge, sondern auch für die Ohren.

Gefängnis Krems

Kulturbezirk St. Pölten

Im Häfn kein Platz für ein Fußballfeld? Ach wo, das geht schon. Falls ihr mal was ausfressen solltet – was wir natürlich eher nicht gutheißen würden – hättet ihr das Vergnügen, hier eure Künste am Rasen zu perfektionieren. Im Männer-Hof wurde kurzerhand ein Fußballplatz in vierfacher Verkleinerung »reingefaltet«, obwohl er sich eigentlich nicht ausgeht – vermutlich, um die Insassen zu ärgern.

Wenngleich »St. Pölten« und »schönste Stadt EVER« wohl eher selten zusammen in einem Satz genannt werden, bietet der Kuturbezirk, direkt neben dem Regierungsviertel, eine erfrischend ansehbare Mischung aus Festspielhaus, Landesmuseum und mehr. Der Klangturm bietet ein schönen Ausblick aus schwindelerregenden 77 Metern.

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Loisium in Langenlois

Hotel Caldor in Münchendorf

Für die Verehrer des guten Tropfens, bietet sich vor allem das Loisium an – Weinmuseum & Design-Hotel zugleich. Nach einem heiteren Museumsbesuch hat man gleich noch die Möglichkeit, sich stilvoll zu betten.

Falls ihr einmal von einem Shopping-Trip in der SCS derart geschädigt sein solltet, bietet sich das SelfCheck-In-Hotel Caldor in Münchendorf für eine Ruhepause an. Hier kann man sowohl schick als auch günstig wohnen.

Filmarchiv Laxenburg

Karikatur-Museum Krems

Im Filmarchiv in Laxenburg sollte man schon allein wegen der Holzfassade nicht zündeln. Hier werden Nitrofilme gelagert, die – wie man aus »Inglorious Bastards« weiß – schnell für ein kleines, wärmendes Feuerchen sorgen können.

Die «Narrenkappe«, das Dach, das Gustav Peichl für das Karikaturmuseum entwickelt hat, fällt im traditionellen Stadtbild etwas aus dem Rahmen. Das asymmetrische Faltwerk ist der Kick, der alles ein wenig aus der Alltäglichkeit verrückt. Bei der Verpackung macht der Inhalt umso mehr Spaß.

Archiv der Zeitgenossen in Krems Auch abseits der allgemeinen Öffentlichkeit lassen sich Stil und Moderne finden, wie z.B. im Archiv der Zeitgenossen. Derzeit lagern hier die umfangreichen Vor- und Nachlässe von Komponisten und Schriftstellern wie Peter Turrini.

Das Buch »Bau[t]en für die Künste – Zeitgenössische Architektur in Niederösterreich« (erschienen 2010 im Springer Verlag Wien-New York) als auch die Website des Architekturnetzwerks Niederösterreich »ORTE« bieten viel Stoff für schlaflose Nächte. 033

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Schönheit vom Land – bei Manfred Deix wird nichts und niemand verschont. 034

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Manfred Deix — Die Ausstellung zum 65. Geburtstag

Deix – Inszenator der unbequemen Wahrheit Einmal mehr wird dem österreichischen Meister-Karikaturisten Tribut gezollt. »Für immer Deix« gestattet einen ganz besonderen Blick auf die Schöpfungen des Ausnahmetalents. Künstlerseele und Provokateur – durch und durch Für seine Meisterwerke bedient sich Deix gerne der Besonderheiten – oder besser gesagt »Sonderheiten«, welche unser Heimatland zu bieten hat. Denn seien wir mal ehrlich, auch wenn Österreich flächenmäßig als kleines Land gilt, so lässt sich das Wort »klein« nicht gleichsam auf die Gesellschaft projizieren. Denn diese zeigt sich groß, manchmal größer als groß, um nicht den Ausdruck »gewaltige Überschätzung« zu verwenden. Besonders Österreichs Politiker und Politikerinnen inspirieren den Künstler zu immer neuen satirischen Karikaturen. Kreative und schonungslose Darstellungen von Tabuthemen, kritischen Fragen und Abgründen der österreichischen Geschichte gehören ebenso zum Deix’schen Repertoire. Herr und Frau Österreicher werden von Deix mit all ihren Facetten und auch Schwächen gezeigt, manchmal eitel, manchmal schwach und oftmals beeinflussbar – und liefern immer wieder Zündstoff für Skandalöses. Die Schau »Für immer Deix« ist noch bis 30.12. im Karikaturmuseum Krems zu sehen.

Text Anja Triebl Bild Pressebilder Karikaturmuseum Krems

Seine Eltern haben das Gasthaus »Zur Blauen Weintraube« betrieben. Und im Gasthaus sind natürlich die interessantesten Charaktere daheim. Manfred Deix ist in St. Pölten geboren, in Boheimkirchen aufgewachsen und lebt heute in Klosterneuburg. Dass das einzige Karikaturmuseum Österreichs in Krems steht, liegt wohl zu einem guten Teil an ihm. Dort begrüßen die Besucher nicht nur zwei Deix-Statuen, es beiheimatet auch die größte Deix-Sammlung und immer wieder werden dem Zeichner Ausstellungen gewidmet, u.a. aktuell mit bisher unveröffentlichten Material. Anläßlich seines 65. Geburtstags wird der Niederösterreicher mit der neuen Ausstellung »Für immer Deix« geehrt. Die große Anzahl an Sammlungswerken wurde auf eine exquisite neue Auswahl heruntergebrochen. Klassiker sowie noch nie veröffentlichte Skizzen des Künstlers sind im Karikaturmuseum Krems zu bewundern. Zu den Highlights der Ausstellung zählt auch das Konstrukt »Weidmannsheil« vom Zwettler Präperatormeister Gerhard Blabensteiner, passend zu den populären Jagdszenen von Deix.

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Mundart — Sprachliche Unterschiede spielerisch vergleichen

Mundart’s Not Dead 036

Text Verena Gabriel Bild Gerald Lechner

Yolo, Swag & Selfies: Die Jugendwörter der letzen Jahre zeigen, dass die österreichische Mundart an Coolness verloren hat. Um die Perlen des lokalen Sprechens zum Glänzen zu bringen, wurde das Projekt »Mund.Art« entwickelt. Dialekte sterben, Umgangssprache wird immer seltener gebraucht und ehemals typisch österreichische Ausdrücke werden durch neuere, hippe Wörter ersetzt. Für viele ist das ein Anlass zu jammern oder Projekte zu starten, um diesen Verfall aufzuhalten. Tatsache ist, Sprache ist immer in Veränderung. Latein spricht immerhin auch niemand mehr, obwohl es angeblich so wichtig für das Abendland ist. Dass Mundart verschwindet, ist aber kein heimisches Phänomen. Man ist vernetzter, Distanzen werden unbedeutender, eine Vereinheitlichung der Sprache liegt demnach voll im Trend.

»Highuacht und aufgschriebm« Um diese Entwicklung zumindest nicht einfach hinzunehmen, hat der Niederösterreicher Fritz Renner das Große Niederösterreichische Mundartbuch »Highuacht und aufgschriebm« verfasst. Die fast 1.000 Seiten beinhalten 21.000 Mundartbegriffe, umfang-

reiche Glossare und vieles mehr. Mit »sou redn mia dahoam« hat sich auch die Künstlerin Astrid Degasperi zum Ziel gesetzt, die Mundart zu erhalten. »Die Mundart ist neben Hochdeutsch unsere zweite Sprache. Wir können stolz darauf sein«, betont die Wienerin mit niederösterreichischen Wurzeln. Über 17 Jahre hat sie Mundartbegriffe festgehalten, die sie unter anderem von ihrer Großmutter gehört hat. Eine Besonderheit in Degasperis Mundart-Sammlung ist mit Sicherheit die Vereinigung von eigenen Zeichnungen und Text. Als Einstieg hat die Künstlerin speziell für die kleinen Leser ein Daumenkino gewählt. Astrid Degasperi möchte ihr Buch besonders den Jungen ans Herz legen. »Damit sie ihre Muttersprache nicht vergessen«, sagt sie. Aus dem selben Grund hat die Zeitschrift News zusammen mit der Österreichischen Nationalbibliothek eine Aktion zur Rettung unserer Sprache ins Leben gerufen. Unter dem Aufruf »Werden Sie Mundart-Pate!« können typische Dialektausdrücke geschützt werden, indem eine Patenschaft für sein persönliches Lieblingswort übernommen wird.

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» Die Mundart ist neben Hochdeutsch unsere zweite Sprache. Wir können stolz darauf sein.« — Astrid Degasperi

Wie klingt’s wo? Für jene, denen das Studieren von Lexika zu fad ist, haben Hannes Raffaseder, Matthias Husinsky und Astrid Drechsler zusammen mit der Fachhochschule St. Pölten die Installation »Mund.Art« realisiert. Dabei kann man seinen Dialektwortschatz spielerisch auffrischen. Das Ganze funktioniert, indem man auf einem Touchscreen einen Begriff auswählt. Auf einer Landkarte ist dann zu sehen, in welchen Regionen der Ausdruck aufgenommen wurde. Wählt man eine Region bzw. einen Ort über den Touchscreen aus, hört man den Dialektausdruck für dieses Wort. Die unzähligen Dialekte in ganz Österreich wurden auf diese Weise in den vergangenen beiden Jahren im St. Pöltner Klangturm dargestellt. Aufgrund der großen Beliebtheit gab es auch im Oktober 2014 eine Dauerausstellung im Landesmuseum, in der Mund. Art speziell für Niederösterreich adaptiert wurde. Die Ausstellung umfasst 1.350 Dialektwörter aus den unterschiedlichen Regionen Niederösterreichs. Ziel dieser Installation war es, die unterschiedlichen Ausprägungen von Dialekten hörbar und direkt miteinander vergleichbar zu machen.

Dialekt ist in den Charts ganz weit vorn Während im alltäglichen Sprachgebrauch die Mundart mehr und mehr in Vergessenheit gerät, boomt Dialektmusik. Von »Brenna tuats guat« bis »Kabinenparty« – diese Titel sind wohl allen (jungen) Österreichern bekannt. Auch gefeierte Bands wie Wanda oder Bilderbuch haben eine gutes Verhältnis zum Lokalkolorit. Ihnen öffnet es Türen, statt an Grenzen

zu stoßen. Warum Dialekt ausgerechnet in der Musik so gut ankommt, lässt sich vielleicht durch seine ohrwurmentfachende Wirkung erklären. Auch die niederösterreichische Band Wosisig (»Was ich sehe«) feiern derzeit mit ihren Mundart-Texten große Erfolge. Auch Dialekt-Rap kommt beim jungen Publikum super an. Die HipHop-Crew Texta oder auch Yo!Zepp, das Projekt des Tiroler Rappers Staffolo, sind ein fester Bestandteil in der österreichischen Mundart-Musik. Daneben findet sich auch immer mehr Dialekt im österreichischen Film. Beispiele hierfür wären zum einen der Horror-Klassiker »In 3 Tagen bist du tot« oder der Western- und Heimatfilm »Das finstere Tal«, der für seine herausragende Kombination eines klassischen Western mit Elementen eines alpenländischen Heimatdramas vielfach ausgezeichnet wurde. Mundart steht also zumindest im Musik- und Filmbereich nach wie vor hoch im Kurs. »Sou redn mia dahoam«, Mundartlexikon von Astrid Degasperi ist im ÖGB-Verlag erschienen, »Highuacht und aufgschriebm« im Eigenverlag. 037

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Text und bild Elisabeth Raschka

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Workstation — MENSCHEN AM ARBEITSPLATZ

Philipp Waldhans, 30, Lebkuchenbäcker

Man vermenge Honig, Zimt und einige streng geheime Geheimzutaten, steche es aus, schiebe es ins Rohr und schon hat man herrlich duftenden Lebkuchen. Manche, so wie der 30-jährige Philipp Waldhans, verdienen sich mit Lebkuchen-Backen sogar ihr tägliches Brot. In seiner Mödlinger Lebzelterei Rachenzentner steht der ausgebildete Koch und Restaurantfachmann von Montag bis Samstag hinter der Theke und verkauft jene Leckereien, die er zuvor höchstpersönlich und mit viel Herzblut hergestellt hat. »Ich sehe mich selbst als Handwerker, weil ich alles mit den Händen mache – sogar die Schokolade für die Glasur. Die Liebe zum Handwerk war bei mir schon als Kind sehr groß.« Neben einem gewissen handwerklichen Geschick und den richtigen Werkzeugen braucht es aber vor allem eines: richtig gute Rezepte. In der seit dem Jahre 1807 in Mödling ansässigen Lebzelterei werden die Rezepte von Generation zu Generation weitergereicht und sorgen für Gaumenfreuden – nicht nur zur Weihnachtszeit.

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Workstation — MENSCHEN AM ARBEITSPLATZ

Thomas Pulle, 49, Museumsleiter

Wer kann schon von sich behaupten, einen Arbeitsplatz inmitten von Schätzen aus der Steinzeit, kostbaren Vermächtnissen der Römer und schrillen Werken aus der Gegenwart zu besitzen? Mag. Thomas Pulle, der seit über zehn Jahren als Leiter des Stadtmuseums St. Pölten arbeitet, kann das. »Mich fasziniert am meisten, dass mein Beruf so abwechslungsreich ist«, meint er. Abwechslungsreich sind auch die Sonderausstellungen des Museums. Noch bis Juni kann »News From The Past – Niederösterreich Archäologie Aktuell« besichtigt werden. Besonders stolz ist Thomas Pulle auf die Tatsache, dass »seine« Schätze in der ganzen Welt begehrt sind: »Wir bekommen viele Anfragen von Museen im Ausland, die unsere Werke ausleihen möchten.« Es kann also durchaus vorkommen, dass man im Centre Pompidou in Paris oder im Gemeentemuseum in Den Haag auf Kunst aus St. Pölten stößt.

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TasTing sessions

2. – 3. Mai 2015 METROPOL

5. – 6. Juni 2015 TabakfabRik

craftbierfest.at • facebook.com/craftbierfest

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2020


#24: Wir Ökooptimierer Machen uns Apps zu nachhaltigeren Konsumenten? Die Produktions- und Logistikprozesse, die Güter durchlaufen, bis sie bei den Endverbrauchern ankommen, sind undurchschaubar geworden. Was tatsächlich wirtschaftlich und ökonomisch sinnvoll ist, wird immer schwieriger zu beurteilen. Wer nachhaltig konsumieren möchte, muss sich durch einen Dschungel von Tipps und Informationen wühlen und stellt dann vielleicht fest, dass Bio nicht immer nachhaltig ist und dass Plastikverpackungen manchmal gar nicht immer die schlechteste Alternative sind. In der nächsten Ausgabe von twenty.twenty widmen wir uns der Frage, ob und wie uns Internetservices und Apps zu „Ökoptimierern“ machen können.

Di., 14.04.2015 – Empfang 18:30 Uhr – Start 19:00 Uhr Impact HUB Vienna, vienna.impacthub.net Wien 7., Lindengasse 56 / Top 18 –19 Die Veranstaltungsreihe twenty.twenty widmet sich als offene Diskussionsplattform Zukunftsszenarien einer Welt 2020. Denn: Zukunft kann nicht gepredigt oder verordnet werden. Sie gehört diskutiert und gestaltet.

www.twentytwenty.at | www.facebook.com / exploring2020 | www.twitter.com / exploring2020

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Anlässlich Arnulf Rainers 85. Geburtstag soll eine Auswahl von über 60 Werken einen Gesamteindruck über sein malerisches Schaffen ermöglichen, beginnend mit frühen Werken – entstanden in den 50er Jahren – bis hin zu Arbeiten der 90er Jahre. Noch bis 30. April lädt die Ausstellung im Arnulf Rainer Museum, mit Sitz im ehemaligen Badener Frauenbad, ein, zeitgenössische Kunst inmitten historischer Architektur zu begutachten. bis 30. April Arnulf Rainer Museum Baden

Rainer Universalis

Termine

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Kultur

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Termine

Kultur

Birgit Sauer – Passed Birgit Sauer zeichnet, radiert, malt mit Öl, fotografiert oder printet in unterschiedlichsten Formaten. Ihre Ausstellungen führten sie von London, San Francisco oder Prigglitz bis nach Rio, Nanjing und Hamburg. Gerade stellt sie in einem Schloss aus, dessen Ursprünge bis ins Jahr 1200 zurückreichen. Seit 1992 bemüht sich ein ehrenamtlicher Verein um ein vielfältiges Kulturprogramm. bis 6. April Forum Schloss Wolkersdorf

Das Fernsehen fungiert seit jeher als Plattform für Unterhaltung, Information, Gesellschaft und Kritik. Angelehnt an das Motto der internationalen Funkausstellung im Jahr 1953 in Düsseldorf stellt das Karikaturmuseum Krems Werke der letzten 60 Jahre aus. Im Fokus stehen Entwicklung, gesellschaftlicher Einfluss und soziale Relevanz des Fernsehens. Fernsehgeschichte in gezeichneter Form – kritisch, erheiternd und vor allem unterhaltend. bis 10. Januar 2016 Karikaturmuseum Krems

Arena – Werk aus dem Werk Nur einer Handvoll Künstlern wird schon zu Lebzeiten die Ehre zuteil, ein Museum gewidmet zu bekommen – manchen auch gleich zwei. Hermann Nitsch ist einer dieser Künstler. So kommt es, dass zwischen September 2014 und März 2016 die Werke des Museo Nitsch in Neapel und die des Nitsch Museums in Mistelbach im Rahmen eines länderübergreifenden Ausstellungsprojekts die Plätze tauschen. bis März 2016 Nitsch Museum Mistelbach

Nach Picasso. Spurensuche in der jungen österreichischen Kunst Das 2007 gegründete Forum Frohner widmet sich dem künstlerischen Schaffen von Adolf Frohner und stellt es nationalen wie internationalen Künstlerinnen und Künstlern gegenüber. Die neue Ausstellung begibt sich nun auf die Spuren, die das Werk von Pablo Picasso in der zeitgenössischen österreichischen Kunst hinterlassen hat. 10. Mai bis 6. September Forum Frohner, Krems

Text Alexander Schroeder Bild Arnulf Rainer, Birgit Sauer, Michael Jesenko, Manfred Thumberger, Adele Razkövi

Das Fenster zur Welt

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Termine

Festivals

Neben Arca bearbeitet auch Holly Herndon die Ästhetik und Gefühle des (Post-)Internets.

Donaufestival Das Donaufestival ist einzigartig. Mit einiger finanzieller Unterstützung findet in Krems ein Programm statt, zu dem Leute aus ganz Europa und auch aus den Vereinigten Staaten anreisen. Thomas Zirhofer-Kin hat in seinem letzten Jahr als Intendant einmal mehr eine spartenübergreifende Plattform für zeitgenössische Kunst zwischen sub- und popkulturellen Sphären programmiert. Neben einem großartigen Line-up elektronischer Meister warten auch dieses Jahr Darbietungen in den Bereichen Performance, bildende Kunst und Installation. 24. bis 26. April und 30.April bis 2. Mai Krems 046

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Termine

Festivals

Viertelfestival Auch dieses Jahr bietet das Viertelfestival ein facettenreiches Programm bestehend aus Musik, darstellender und bildender Kunst sowie Literatur. 60 Kulturprojekte befassen sich künstlerisch mit den Besonderheiten der Region und zeichnen sich durch Originalität und Experimentierfreude aus. Das diesjährige Festival-Motto »Durchbruch« fordert dazu auf, sich mit dem Lebensraum Industrieviertel auseinanderzusetzen. 9. Mai bis 9. August diverse Locations Johannes Bode – »Naturmaschine«, 2014

Kabarett ist ja nicht gleich Kabarett. Deshalb haben auf der Ybbsiade gleichzeitig grauslichkomische Zyniker wie Stermann und Grissemann Platz, schrullige Waldschrate wie Roland Düringer, Beamtenwitzbeauftragte wie Josi Prokopetz bis hin zur Famlie Lässig, einem AllStar-Ensemble der jüngeren Generation, die ihre Version des Neujahrskonzert spielen werden. 10. bis 25. April Ybbs Familie Lässig mit Manul Rubey, Gerald Votava, Gunkl u.v.m. spielen Element Of Crime, Rio Reiser und AC/DC.

Zoa Die Mostbirnen sammelt man im Zoa, einem geflochtenen Korb. Und im Mostbirnhaus im Ardagger Stift sammelt man denkwürdige Momente. Zum vierten Mal findet dieses Festival statt. Vor allem Weltmusik findet hier Platz. Und weil Österreich auch irgendwie zu dieser Welt gehört, spielen dort auch die Strottern oder der HBMC aus Vorarlberg. 15. bis 16. Mai Ardagger Stift Der Holstuonarmusigbigbandclub (kurz HMBC) weiß, dass man im Musikbiz ohne einen guten Hut kein Leiberl hat.

Text Alexander Schröder Bild Suzy Poling, Johannes Bode, Familien Lässig, HMBC

Ybbsiade

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MUSIK KULINARIK

LITERATUR

ER N E I W

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E L L E W I

A 8.-9. M

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OT T AKRINGER B R AU E R E I WIEN XVI

5/8ERL IN EHR’N ERNST MOLDEN & DER NINO AUS WIEN SKERO & MÜSSIG-GANG DIE STROTTERN & JAZZWERKSTATT WIEN SCHMIEDS PULS DENK DIE BUBEN IM PELZ RAPHAEL SAS KURT GIRK LITERATUR RADEK KNAPP CORNELIA TRAVNICEK AMIRA BEN SAOUD & MANFRED GRAM CLEMENS HAIPL SANDRA GUGIC STEFANIE SARGNAGEL MUSIK

Einlass 18 Uhr Beginn 19 Uhr Tagesticket € 32 Festival-Pass € 49

www.wienerwelle.at Die Wiener Welle im Rahmen von Wean Hean Tickets in allen Raiffeisenbanken in Wien und NÖ und auf www.ticketbox.at Ermäßigung für Raiffeisen Kontoinhaber

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Kolumne: Helden von heute Total Wahres aus dem niederösterreichischen Alpenvorland von Simon Nagy

HEADLINE     Helden von heute   Folge 3: Der Aufstand, oder: The revolution will not be televised weil wir haben jetzt Breitbandinternet

E

s brachte allerhand Vorzüge mit sich, im niederösterreichischen Kleindorf Schrank als Sohn der Bürgermeisterin aufzuwachsen: Max Hell durfte beim Fußball immer Wähler sein, bekam beim Greißler seine Wurstsemmel als Erster und der Platz ganz vorne im Bus gehörte ihm. Doch vor einer Institution waren in Schrank alle Menschen gleich: dem Schmalbandinternet. Wollte er ein Musikalbum herunterladen, musste sich Max den Wecker besonders früh stellen, damit er den Download noch vor Schulbeginn in die Wege leiten konnte, und er tat gut daran, den Nachmittag am Fußballplatz zu verbringen, denn der Computer duldete keine Parallelveranstaltung zum langsamen Hereintröpfeln der Datei. Diesen Zustand hinterfragte er natürlich nicht; wie in jedem niederösterreichischen Kleindorf lautete auch in Schrank die oberste Maxime, dass sämtliche Lebensumstände entweder von Gott oder

dem Landeshauptmann gegeben waren; von zwei Instanzen also, bei denen sich kein Kind je sicher war, welcher man mehr Demut entgegenzubringen hatte. Doch dann zog Max Hell zum Studieren nach Wien, wo ein Breitbandanschluss in jedem Haushalt gesellschaftliche Realität war. Und nach ein paar Abenden des »Game-Of-Thrones«-BingeWatching in seiner neuen WG wurde ihm bewusst, unter welch mittelalterlichen Verhältnissen er bisher gelebt hatte. Ohne Umschweife sprach er bei seinem nächsten Besuch in Schrank diese Problematik an: »Mama, ihr könnt doch nicht ernsthaft mit einem Internet leben wie … wie in der Steinzeit. Du bist die Bürgermeisterin, tu doch was!« »Das Schranker Internet hatte immer schon diese Geschwindigkeit, und noch nie hat sich irgendwer bei mir beschwert«, entgegnete seine Mutter lapidar, begann, Geschirr zu spülen und erklärte damit die Diskussion für beendet, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Resigniert beschloss Max, seine zukünftigen Ausflüge an diesen Ort, der sich gegen jede Veränderung wehrte, auf ein Minimum zu beschränken.

Als er am Abend mit der Zahnbürste im Mund jedoch immer noch davon schwärmte, wie viel schneller in Wien die Fotos auf Instagram laden würden, schwappte seine Begeisterung auch auf seine dreizehn- und sechzehnjährigen Geschwister über. Und die beiden sorgten dafür, dass binnen weniger Tage die gesamte Schranker Jugend von Max’ Breitband-Vision angesteckt war. Die Jugendlichen holten sich Unterstützung von Charly, dem Altkommunisten des Dorfes, bastelten mit ihm Transparente und Protestschilder und taten etwas, das Schrank noch nie gesehen hatte: sie demonstrierten. Aufgrund der beschränkten Größe des Ortes marschierten sie dreimal durch das Dorf, steckten dabei selbstkopierte Flugblätter in die Postkästen der Bewohner und wurden nicht müde, ihre Parolen zu rufen, die sie von Charly gelernt und ihrem Anlass entsprechend modifiziert hatten: »Hoch! Die! Internet-ionale! Solidarität!«

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Kolumne: Helden von heute Total Wahres aus dem niederösterreichischen Alpenvorland

aus den Monitorboxen. Ungläubig blieb er im Türrahmen stehen und betrachtete das Spektakel. Jahrelang hatten sie es nicht geschafft, einen einzigen Monopoly-Abend auf die Beine zu stellen, und nun saßen auf einmal alle zusammen und zockten Autorennen gegen die Nachbarsfamilie? Es dauerte eine Weile, bis Max von seiner Mutter bemerkt wurde. Freudestrahlend sprang sie auf, doch noch bevor er ein Wort des Grußes sprechen konnte, hatte sie bereits ihr Smartphone gezückt, »Selfie-Time!« gerufen und mit ausgestrecktem Arm ein Foto ihrer beiden Gesichter geschossen. »Das kommt gleich auf meine Facebookseite!«, freute sie sich und tippste mit der Geschicklichkeit einer Vierzehnjährigen auf dem Display herum. So skeptisch Max’ Mutter anfangs gewesen war, so schnell hatte sie sich an das neue Internet akklimatisiert. Ihre erste Aktion war es gewesen, eine Facebook-Fanseite namens »Elvira Hell, Bürgermeisterin von Schrank Official Page« einzurichten, die sie in Ermangelung von politischen Inhalten tagtäglich mit Fotos ihres selbstgekochten Essens füllte. Und jetzt eben mit dem ihres perplexen Sohnes. Noch bevor er seine Schuhe ausgezogen hatte, erkannte Max bereits, dass er zwei Dinge zusammengeführt hatte, die nicht zusammengehörten: Schrank und  die Welt.

BILD Sebastian Kraner

HEADLINE

»30 Mbit/s müssen Praxis werden! Feuer und Flamme den zachen Mobilfunkbehörden!« »Wer hat uns verraten? Langsame Downloadraten!« Tatsächlich schlossen sich zahlreiche Erwachsene der Bewegung an, insbesondere die gutverdienenden Jungfamilien aus der Neubausiedlung, die schon lange gestört hatte, dass die Internetgeschwindigkeit zwar zum Unterzeichnen von Menschenrechtspetitionen, nicht aber zum Streamen von »Fifty Shades Of Grey« reichte. Und nachdem der Aufstand auch nach mehreren Tagen nicht abgeflacht war, wurde der Bürgermeisterin Elvira Hell klar, dass sie diesen Protest nicht würde aussitzen können. So leitete sie die Installation von Glasfaserkabeln nach Schrank in die Wege, und einige Wochen später war das Dorf tatsächlich an das Netz der globalen Schnellkommunikation angeschlossen. Max beschloss, seinem Heimatort noch eine Chance zu geben. Doch als er die Tür zu seinem Elternhaus öffnete, traute er seinen Augen nicht: seine gesamte Familie saß vor dem Fernseher, jeder einen Controller in der Hand, und rief einander mit lauter Stimme Anweisungen dazu, dazu tönten ihm gut bekannte, fluchende Stimmen

Simon Nagy macht Texte, Musik, schlechte Wortwitze, aber gutes Curry. Außerdem studiert er Germanistik, Vergleichende Literaturwissenschaft und ein bisschen Mathematik. Nach Vea Kaiser wird diese Kolumne von wechselnden Gastautoren fortgesetzt.

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