The Gap 120

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Social Design – Weltverbesserungswaffen Das Böse / Glaskleider / Harpune Verlag 120 Magazin für Glamour und Diskurs. MONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1040 WIEN, P.B.B. GZ 05Z036212 M, Nº 120, OKTOBER 2011

Vhils. M83. Sleep Party People. Rise Of Nightmares. Teletextile. Dark Souls. Viennale: Harry Belafonte. Flying Bach. Elevate: Mark Stevenson. Class Actress. Gerhild Steinbuch. Im Wortwechsel: Wie können sich Selbständige sinnvoll versichern?

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► l e i ta rt i k e l ►Von Thomas Weber

präsenzdienst an der popkultur

BILD MICHAEL WINKELMANN

Von vielen verkannt, von manchen missverstanden: Der Unternehmer Georg Hoanzl hat in den vergangenen Jahren mehr für die österreichische Popkultur geleistet als Ö3 oder die beiden Fernsehkanäle des ORF. Eine Würdigung. ultur lässt sich ungern in Zahlen messen. Am ehesten vielleicht noch, wenn es um Wertschätzung in Form von Stipendien, ge­ forderten Subventionen oder geförderten Freiräumen geht. Georg Hoanzl ist Kultur­ unternehmer und macht sich nichts und niemandem sonst etwas vor, wenn er sagt: »Unser Um und Auf sind Quadratmeterumsätze.« Damit meint er weniger Fläche und Umsatzvolumen, als es ihm um Präsenz für seine Produkte geht. Denn als wiedererkennbare Marke mit auffälligen Kartonaufstellern ist die von seinem Vertrieb verlegte und vermarktete Edition »Der österrei­ chische Film« im Handel bestens vertreten – und bleibt das auch über einen langen Zeitraum. Wohingegen selbst Best­ seller auf sich allein gestellt spätestens nach ein paar Mona­ ten aus den Regalen verschwinden. Mehr als 1 Million DVDs hat seine österreichische Cine­ mathek seit dem Start 2006 verkauft. Und es werden täg­ lich mehr: Gerade hat Hoanzl die sechste Staffel der Edition vorgestellt. Damit sind nunmehr 200 DVDs lieferbar, auf ihnen vertreten: an die 300 österreichische Filme. Ohne die Initiative Georg Hoanzls wären davon vielleicht 20, maxi­ mal 30 über Amazon lieferbar – also nur Blockbuster wie »Muttertag«, »Revanche« und international Ausgezeichne­ tes von Michael Haneke, mit hoher Wahrscheinlichkeit aber keine Kunst- und Kurzfilme oder kaum Dokus, die ebenfalls Teil der Edition sind. Die allermeisten davon wurden für das von Claus Philipp (ehemals Filmkritiker und Kulturchef des Standard) und Ernst Kieninger (Filmarchiv Austria) kura­ tierte Projekt sogar erstmals digitalisiert. Georg Hoanzl spricht von einem »Solidarprojekt« und wird dabei schon einmal blumig: »Die großen, publikumswirksamen Filme be­ leben die nischigeren Projekte und nischigere Projekte werten wiederum den Kontext für die publikumswirksamen Filme auf. Dass das in dieser harten Marktwirklichkeit, die so ist wie sie ist, funktioniert, das ist wie wenn du einem Gärtner sagst: Auf Asphalt blühen die schönsten Blumen.« Als engagierter Unternehmer ist Georg Hoanzl kein Ide­ ologe, sondern ein Überzeugungstäter mit Geschick und Gespür. Ein wesentlicher Impuls, die Austrofilm-Edition zu starten, waren die miserablen DVD-Verkäufe der bei Hoanzl veröffentlichten »Siebtelbauern«. Das 1998 vom späteren Oscar-Gewinner Stefan Ruzowitzky gedrehte Drama wurde auch von der internationalen Kritik gelobt. Die DVD-Ver­ käufe allerdings blieben mit 300 Stück katastrophal. Erst die Wiederveröffentlichung im Rahmen der Film-Edition brachte dem Werk auch das gebührende Publikum (konkret: 9.000 Käufer) – und hält es auch weiterhin im Handel, in

Bibliotheken oder Schulbeständen verfügbar. Wobei es durchaus aussagekräftig ist, dass es ausgerech­ net ein kritischer Heimatfilm war, der Hoanzl aktiv werden ließ. Denn das originär Österreichische ist ihm ein großes Anliegen. Und wenn Georg Hoanzl sagt, dass er in »Kultur­ räumen« arbeitet und denkt, dann sind mit diesem Raum diesmal nicht Kubikmeter Handelsvolumen gemeint, son­ dern das regionale Gegengewicht zur globalisierten Popkul­ tur und ein bewusster Umgang mit dem Konstrukt Identität. Dass er dabei eben nicht aufs Volkstümliche schielt, zeigt neben dem Vertrieb Hoanzl auch die gleichnamige Agentur. Diese »Urmutter« (© Georg Hoanzl) seines kleinen Kul­ turimperiums managt und vermittelt Kabarettisten, Künst­ ler und Entertainer wie Josef Hader, Andreas Vitasek oder Grissemann und Stermann. Hoanzl hat Interesse fürs Ka­ barett geweckt, einen Live-Markt geschaffen, der bis in die hintersten Bergtäler reicht und bis dato mehr als 400.000 Kabarett-DVDs verkauft. Auch dass es ein Alfred Dorfer, ein Thomas Maurer oder ein Florian Scheuba von der subkultu­ rellen Kleinkunst-Intelligentsia als kritisches Establishment zumindest in die »Donnerstag Nacht« des ORF-Fernsehens geschafft haben, ist mit sein Verdienst – und originär öster­ reichisch. Wenn Hoanzl nun (im Interview mit thegap.at) eine ei­ gene Kinder-DVD-Edition ankündigt (die vielleicht sogar ohne die Meterware eines Thomas Brezina auskommt) sowie eine eigene Edition für seine burgenländische Heimat (von der aus er täglich in sein Büro in der Wiener Arbeiter­gasse 7 pendelt), dann ist das kein kleingeistiger Rückzug ins Pro­ vinzielle oder gar Private, sondern ein Zeichen der Wert­ schätzung gerade auch gegenüber allem Kleinen und den Kleinen. Auch ein Schritt über die Landesgrenzen steht mit einer eigenen Bayern-Edition bevor. Womit Hoanzl – »auch Bayern ist ein eigener Kulturraum«– sich ins Hoheitsgebiet der Süddeutschen Zeitung vorwagt, die seine Edition mit der »SZ Cinemathek« zumindest inspiriert hat. Und irgendwann, ob Ministerin, Stadtrat oder Bundesprä­ sident, werden sie wohl wirklich nicht umhinkommen, ihm einen Orden umzuhängen. Vielleicht ja zuerst in Bayern und dann erst im eigenen Land. ¶

Thomas Weber, Herausgeber weber@thegap.at

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S ocia l d es i g n

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Der Wiener Victor Papanek gilt als Pionier des Social Design. Design soll im Dienst der Menschheit stehen, so sein Credo. Aber geht das? Mit langen Produktlebenszyklen etwa, inklusivem Design oder Design für die Anforderungen der Dritten Welt. In den 60ern hatte Papanek einen kompostierbaren Fallschirm als Samenträger gestaltet. 2009 entwickelten vier Südkoreaner auf demselben Prinzip aufbauend eine Samenbombe.

Glas wird selten getragen. Oder Stahl. Normalerweise werden sie maximal als Zierelemente ein-, oder zu Kettenhemden verarbeitet. Das mag daran liegen, dass sich diese Stoffe eher schlecht dem Körper anpassen. Bei Glas kommt dazu, dass das Material noch dazu durchsichtig ist. Trotzdem schafft Lida Marinkova spektakuläre Kreationen aus Glas, die gleichermaßen fantastisch und funktionslos sind.

Magazin 020 social design … ist eines der großen Designthemen

dieser Zeit. Es geht dabei schlicht darum, Dinge zu erfinden, die nicht nur gut aussehen, sondern vor allem einen lang­ fristigen Zweck haben. 024 golden frame: Katleen Vermeirs und Ronny Heiremans Eine Kuratorin läuft geschäftig durch leere Ausstellungshallen. »The Good Life« zeigt als Kurzfilm Gentrifizierung mit luxuriösem Kunstanspruch. 026 d as böse Vier Bücher beschäftigen sich auf ganz unter­ schiedliche Weise mit dem Bösen. Von der Lust am Mord über Kannibalismus, die Rechtfertigung des Bösen und Amokläufer hat sich Christian Köllerer durchgelesen. 028 Viennale: Harry Bel afonte Harry Belafonte, bekannt für seine Calypso-Pop-Hits, ist nicht nur Musiker, sondern auch Schauspieler und seit 60 Jahren Kämpfer für soziale Gerechtigkeit. 030 Elevate: Mark Stevenson Auch wenn es nicht so aussieht: Die Zukunft wird glänzend. Der Mensch hat einen unbändigen Überlebenswillen und Erfindungsgeist – meint Mark Stevenson, der beim Grazer Elevate zu Gast sein wird.

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Aktuelle Raiffeisen Club­Eventtipps: GASOMETER

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032 harpune Der Harpune Verlag präsentiert sein erstes

Basislogo-Anwendun

Programm auf der Art Book Fair in New York: Literatur für Kunstsinnige. 033 Rise Of Nightmares Sega macht es vor: Dank Kinect-Bewegungssteuerung wird das übliche HorrorSurvival-Spiel zur (noch) außergewöhnlichen Spiel-Erfahrung. 034 vhils Der portugiesische Street Artist Vhils hat einen Weg gefunden, damit sich seine Kunstwerke nicht so leicht entfer­ nen lassen: Er sprengt sie in die Oberfläche. Kaboomchen. 039 Vienna StartUp Week Die StartUp Week richtet sich an die Akteure der Szenen und will die Besten mit internatio­ nalen Investoren, aber auch Interessierten zusammenbringen. 036 flying bach Johann Sebastian Bach und Breakdance: Was sich wie eine ziemlich bescheuerte Idee anhört, entpuppt sich durch die Musik-Bearbeitungen von Ketan und Vivan Bhatti als ein gelungenes Experiment. 038 gl askleider Die Kreationen von Lida Marinkova bewe­ gen sich am Rand von Kunst, Design und Mode. Durch das Ma­ terial Glas sind die Träger gleichzeitig angezogen und nackt.

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STA DTH ALL E WIE N

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GASOMETER

P ARUENNLER KALKB

08.12.2011


Editorial

b i l d d e r au s ga b e Kurz vor unserem Waves Vienna Festival stand da plötzlich ein elektrisches Tuk-Tuk vor der Türe. Andere Festivals bekommen limitierte und frisierte CO2Schleudern von ihren Sponsoren gestellt, das Waves Vienna fährt mit genügend Ladefläche aber lieber auf Gehsteigen, in schmale Gassen, in Hauseinfahrten oder auf Schiffe, und das auch noch mit der Steckdose. Swag!

Rubriken 005 Leitarti k e l 007 E ditoria l 008 Porträts  / I m p r ess u m 011 Fondue 012 Fabul a R a sa 013 Unbezah lt e r A n z e i g e r 014 Ch arts / Sp l i t t e r 040 Wort wech s e l : W i e kö n n e n s i ch

Was wir rausgefunden haben: Der Grund, warum Der Spiegel oft so beschissene Covers hat, ist, dass die Themen zwar durchaus interessant sind, sich aber schwer entsprechend visualisieren lassen. Umso besser, dass wir für unsere Titelgeschichte »Social Design – Weltverbesserungswaffen« dann doch ein durchschlagendes Cover gefunden haben. Was waren wir froh, dass wir nicht mit grinsenden Kindern (pfui!), Ingenieursskizzen (laaaangweilig!) oder schwer erklärbaren Gegenständen (fetzt nicht!) covern mussten. Stattdessen fallen dort jetzt Weapons of Mass Sustainability. Noch dazu hatte unser heimlicher Coverstar, der Wiener Social DesignPionier Victor Papanek, bereits etwas Ähnliches erfunden. Da schloss sich ein Kreis. Sein Samen­ fallschirm war in den 60ern wohl nicht der Kracher. Aus einer Reihe von Gründen hat soziales Design aber heute viel bessere Chancen, sich durchzusetzen (s.20). Lösungen sucht auch Berufs-Optimist und Zukunftsforscher Mark Stevenson, der beim Elevate in Graz zu Gast sein wird (s.30). Weniger Lösungen gibt es für das Böse in der Welt, aber immerhin vier Bücher dazu (s.26). Und andere Lösungen braucht es auch für die Versicherung von Selbstständigen in Österreich (s.40). Wenn dieses Magazin ausgeliefert ist, wird außer­ dem unser erstes Waves Vienna Festival vorüber sein. Ui, da haben wir uns als Veranstalter aber ziemlich viel vorgenommen und wie das öster­ reichische Fußball-National-Team »richtig viel gelernt«. Mit dem Unterschied, dass wir schon vor­ her wussten, dass beim allerersten Mal nicht alles perfekt sein wird, dafür aber im kommenden Jahr. Womit wir eigentlich schon wieder bei sozialem Design wären. ¶

ngen (Abfallend+Satzspiegel) 042 044 057 066 074

S elbststä n d i g e s i n nvo l l ve r s i che r n ? Prosa: G e rh i l d St e i n b u ch wor kstat i o n : M at th i a s H o m bau e r Re vie ws Introdu c i n g : J o sh Sa n d ova l Termine

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Kolumnen 018 Zah len B i t t e 082 Know N oth i n g

Stefan Niederwieser niederwieser@thegap.at

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DIE ÄRZTE

GASOMETER


Historiker, Street Artist, Schauspieler, Manager, aufstrebender Jungfotograf Wenn Helge Schneider oder Dieter Nuhr bei David Kreytenberg übernachtet haben, schlief David im Bett seiner Mutter. Die arbeitete al­ leinerziehend in einer bekannten Theaterkneipe. David schlief dann neben seiner Mutter. Wäh­ rend der Besuch in seinem Bett geschlafen hat, versteht sich. Seit Anfang der 80er wuchs er im Münchner Ghetto Sendling 70 auf und hat sich dort als Rapper, Sprayer und Veranstalter ver­ dingt, war mit 19 einer der jüngsten ProductManager Deutschlands für Rockstar Games, dann Zivildiener an einer Grundschule für Kin­ der mit Handicap. An die darauffolgende Zeit in Berlin kann David sich hingegen kaum noch er­ innern. Dort hat er ganz offiziell das Leben stu­ diert. Party halt. Offenbar hat er das aber irgend­ wie erfolgreich getan. Denn wenn man ihn nicht einbremst, wird man schnell verbal eingecremt, massiert, abgeduscht und frottiert. Diese Art der zwischenmenschlichen Rundum-Pflege fällt na­ türlich besonders leicht, wenn man sie mit Berli­ ner Schmäh erlernt hat. Und damit fällt es auch leichter, Sneakers, Eis, Games, Fashion oder Kunst unter die Leu­ te bringen. David sieht sich nämlich als Netz­ werker. Und als Schauspieler. Das wollte er lan­ ge Zeit werden. Oder auch als Historiker. Denn nach Wien kam er dann wegen eines GeschichteStudiums. Hier hat David dann als Kreativer beim Fleisch-Magazin, bei Snipcard (immer mit klei­ nem »S«!) oder beim Feschmarkt kreiert. Anfang 2011 hat er uns auf Partys angequatscht und seit­ dem ist er für Super-Fi und Monopol tätig. Als Social Media-Dings, Event-Schupfer und dau­ erfeuernder Ideen-Spucker — wer das schlicht Sales nennt, hat David noch nicht live erlebt. Hallo, du Multitalent. ¶ TEXT Stefan Niederwieser ► 0 0 6 / AUSGABE 120

Geburtshelfer und beinharter Weltverbesserer Stefan Kluger hat mit seinen 32 Jahren schon einiges gemacht und sich dabei gleichzeitig noch alle Möglichkeiten offen lassen. Nach WaldorfSchule – »War schon auch gut. Irgendwie.« – und Zivildienst, hat er »ein bisschen« Sozio­ logie studiert, um dann auf Rechtswissenschaf­ ten umzusatteln. Sein derzeitiges Ziel, Disser­ tation mit Schwerpunkt Fremdenrecht, kommt seinem Ziel, die Welt zu verändern (»Der Plan fehlt noch«) deutlich entgegen. Große Aben­ teuer, gern intensiv bis »beinhart«, mag Ste­ fan auch in Sachen Freizeitgestaltung: ScienceFiction (Philipp K. Dick) oder Episches (»The Lord Of Rings«, »A Song Of Ice And Fire«) gehört hier genauso dazu wie Rollenspiele und Filme. Wenn’s ums Lesen geht, greift er sonst gern zu Scott F. Fitzgerald, Raymond Chandler oder Friedrich Schillers »Die Bürgschaft« – die Sache mit der Freundschaft und so. Dass ihm diese wichtig ist, hat er kürzlich gezeigt, als er seiner besten Freundin bei der Geburt ihres Kin­ des beistand. Das sich der Wiener für einfalls­ reich und beredt hält, kommt ihm bei seinen Jobs zu Gute: Er schreibt beim Falter über Film und Medien, macht Interviews und Porträts. Und ja, seit rund einem Jahr verstärkt er bei The Gap vor allem die Games-, aber auch die DVD-Redaktion und das zu unserer Freude immer mehr. Für das aktuelle Heft hat er sich etwa das hoch gelob­ te Rollenspiel »Dark Souls« (Seite 073) genau­ er angesehen. Ein Spiel, das viele Zeitgenossen für eher schwierig halten. Arbeit findet er dabei wichtig, Müßiggang aber auch ziemlich unter­ schätzt. Ob er seine sportlichen Freizeitakti­ vitäten – Tennis, Tischtennis und Volleyball – zum Müßiggang dazuzählt, ist uns leider nicht bekannt. ¶ TEXT Martin Mühl

Impressum

David Kreytenberg STEFAN KLUGER

HERAUSgeber Thomas Weber chefredaktION Martin Mühl, Stefan Niederwieser Redaktion Katharina Abpurg, Gregor Almassy, Michael Aniser, Matthias Balgavy, Claire Benedikt, Josef Berner, Sandra Bernhofer, David Bogner, Klaus Buchholz, Johannes Busching, Ivo Brodnik, Stephan Bruckner, Ann Cotten, Lisa Dittlbacher, Margit Emesz, Juliane Fischer, Holger Fleischmann, Daniel Garcia, Lisa Gotthard, Manfred Gram, Dominique Gromes, Benedikt Guschlbauer, Jan Hestmann, Christoph Hofer, Sebastian Hofer, Peter Hoffmann, Konstantin Jakabb, Reiner Kapeller, Iris Kern, Markus Keuschnigg, Hubert Kickinger, Michael Kirchdorfer, Stefan Kluger, Michaela Knapp, Katrin Kneissl, Markus Köhle, Christian Köllerer, Michael Bela Kurz, Philipp L’Heritier, Gunnar Landsgesell, Artemis Linhart, Johannes Luxner, Julia Melcher, Christiane Murer, Nuri Nurbachsch, Florian Obkicher, Michael Ortner, Ritchie Pettauer, Stefan Pichler, Johannes Piller, Stefanie Platzgummer, Karoline Podolecka, Christian Prenger, Teresa Reiter, Werner Reiter, Georg Russegger, Joachim Schätz, Barbara Schellner, Lukas Schmid, Bernhard Schmidt, Johann Scholz, Werner Schröttner, Richard Schwarz, Katharina Seidler, Wolfgang Smejkal, Cornelia Stastny, Gerald C. Stocker, Johanna Stögmüller, Peter Stuiber, Asha Taruvinga, Martin Tschiderer, Hanna Thiele, Horst Thiele, Raphaela Valentini, Jonas Vogt, Ursula Winterauer, Imre Withalm, Maximilian Zeller, Martin Zellhofer, Barbara Zeman PRAKTIKUM Andreea Dosa, Philippa Grob, Volker Müller, Nicole Nestler, Jonas Vogt termine Stefan Niederwieser AUTOREN Georg Cracked, Michaela Knapp, Michael Lanner, Moriz Piffl-Percevic, Stefan Tasch, Jürgen Wallner, Martin G. Wanko fotografie Florian Auer, Lukas Beck, Stephan Doleschal, Andreas Jakwerth, Georg Molterer, Ingo Pertramer, Karin Wasner, Michael Winkelmann Illbilly-illustration Jakob Kirchmayr COVERBILD Hwang Jinwook WORKSTATION-FOTOstrecke Matthias Hombauer Giroud DESIGN Monopol, Super-Fi Lektorat Wolfgang Smejkal, Adalbert Gratzer web Super-Fi, Codeon, m-otion anzeigen Herwig Bauer, Thomas Heher, Micky Klemsch, David Kreytenberg, Martin Mühl, Christoph Ullmann, Thomas Weber (Leitung) Distribution Martin Mühl druck Ferdinand Berger & Söhne GmbH, Pulverturmgasse 3, 1090 Wien geschäftsFÜHRung Bernhard Schmidt PRODuktion & MedieninhabERin Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6/III, 1040 Wien kontakt The Gap c/o Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6/III, 1040 Wien; Tel. +43 1 9076766-41; wien@thegap.at, www.thegap.at, www.monopol.at, office@thegap.at bankverbindung Monopol GmbH, easybank, Kontonummer 20010710457, BLZ 14200 abonnement 10 Ausgaben; Inland EUR 15, Europa EUR 35, Rest der Welt EUR 42; HEFTPREIS EUR 2.00 erscheinungsweise 10 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1040 Wien Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Für den Inhalt von Inseraten haftet ausschließlich der Inserent. Für unaufgefordert zugesandtes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung.

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Kontributoren


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29.11.2011

> Großer Sendesaal – 20:00 Uhr Eintritt: EUR 15,– / 17,– Mit RadioKulturhaus-Vorteilskarte 10% bzw. 30% Ermäßigung.

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20.12.2011

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KARTEN UND INFOS: http://radiokulturhaus.ORF.at

Sir Tralala © David Murobi

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Ogris Debris © Andreas Waldschütz

AFFINE RECORDS NIgHT:


THANK YOU! »I DIDN’T SEE A SINGLE BAND THAT WASN’T AT LEAST VERY GOOD – THAT’S FRUSTRATING, HOW DID YOU DO THAT?« MARIJE BROUWER (EUROSONIC BOOKING, GRÖNINGEN, NL) »I HONESTLY BELIEVE YOU PUT THE BASE FOR A GREAT FESTIVAL WITH A FIRM DATE IN THE EUROPEAN CONFERENCE AND FESTIVAL CALENDAR.« JARO SLAVIK (MINISTRY OF CULTURE OF THE SLOVAK REPUBLIK, BRATISLAVA, SK) »THE FESTIVAL WAS EXCELLENT AND ENTERTAINING, THE MUSIC GREAT AND THE CITY MAGNIFICENT. […] A TRULY INTERNATIONAL SLANT TO THE FESTIVAL WITH THE AUSTRIAN BANDS ACQUITTING THEMSELVES WELL.« ARNI MATTHIASSON (MURGUNBLADID, REYKJAVIK, IS) »WAVES OPENED MY EYES A LITTLE MORE TO POSSIBLE WAYS OF NOT ONLY COLLABORATING WITH LOCAL MUSIC VENTURES BUT REALLY HELPING AS A GATEWAY IN AND OUT OF THE UK FOR AUSTRIAN / VIENNESE MUSIC BUSINESSES.« IAN SMITH (FRUSION, LONDON, GB)

»WAVES VIENNA IS PROOF POSITIVE THAT KICK-ASS ROCK ’N’ ROLL EXISTS WELL BEYOND THE INDUSTRY’S ANGLO-AMERICAN FOCUS. HOMETOWN HEROES JOIN FORCES WITH ONES-TO-WATCH FROM ALL CORNERS OF EUROPE – IF THE FIRST YEAR CAN ATTRACT A LINE-UP THIS GOOD (AND AN ATMOSPHERE THIS POSITIVE) THEN YOU’VE GOTTA BE EXCITED BY HOW MUCH BETTER WAVES IS INEVITABLY GONNA BECOME.« WILL FITZPATRICK (THE FLY, LONDON, GB) »THIS PUTS VIENNA ON THE INTERNATIONAL MUSIC MAP. IT’S GREAT AND WORTH TO COME.« MAARTEN DECOCK (GLIMPS FESTIVAL, GHENT, BE) »ANYONE WHO THINKS THAT AUSTRIA’S CAPITAL ISN’T A ROCK ’N’ ROLL TOWN SHOULD VISIT WAVES NEXT YEAR. VENUES ON BOATS WITH A GREAT VIEW OF THE CUTTING-EDGE NEW VIENNA SKYLINE, IMPRESSIVE LOCAL TALENT THAT NONE OF US FOREIGNERS PREVIOUSLY KNEW ANYTHING ABOUT, PLUS A WELLCRAFTED BILL OF BIG NAMES AND NEWCOMERS FROM AS FAR AFIELD AS MONTREAL, BRATISLAVA AND BRIGHTON. GREAT CITY. GREAT FESTIVAL.« SI HAWKINS (CLASH MAGAZINE, LONDON, GB)

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Fondue.

Zusendungen an fondue

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thegap.at

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Hast auch du einen Blick für das Bemerkenswerte da draußen? Dann halte deine Handycam stets im Anschlag, fang die Stil­blüten und optischen Querschläger ein, und schick sie uns per MMS oder E-Mail an fondue@thegap.at BILD Jürgen Hatzenbichler, Caroline Hochfeiner, Andy Korg, Christian Köllerer, Ralph Lemoch, Michael Ortner

Soup for sluts. Cheap, fast & easy! As well is the soup. Happy finish your meal!

Austausch über die Zunftsgrenzen hinweg. Workshop 1 – »Unterschiede und Gemeinsamkeiten: Selchroller und Oma Habichts Gichthaxe.«

Bevor’s in nur mehr wenigen Jahrhunderten endgültig erodiert – minus 50%! Ware aber noch in Ordnung.

Das Chi muss im Raum fließen können – weg mit den verstockten Energien! Gerne auch mittels 4.6 Megajoule pro Kilogramm tragende Wand.

Warnung für Allergiker: In seltenen Fällen können massiver Harndrang, Levitation oder Ausspeiungen auftreten. Fragen Sie Ihren Exorzisten.

Inspiriert von zwei Teilen »Men In Black« versucht Herr P. mit dieser Idee selbst Fuß zu fassen. Heller Lack und provinziell anmutende Beklebungsstilistik sollen den Kunden die Angst vor dem Unbekannten nehmen.

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Foto © BORIS+NATASCHA

Have a look: Weitere Höhe- und Tiefstpunkte sowie Upload-Möglichkeiten für neue Fotofundstücke, gefischt aus dem Eintopf des Alltags — www.thegap.at inserat_nite_25_10:Layout 1 22.09.2011 17:54 Seite 2


The City – Networking with Things Smart living im Jahr 2020 – Mehr Lebensqualität für alle? Keynote Prof. Rudolf Giffinger (TU Wien), Stadtentwicklungsexperte: „Die Balance zwischen Innovationsdruck, Wettbewerbsfähigkeit und sozialer Kohäsion“

19.10.2011 – 19.00 Uhr The Hub Vienna, vienna.the-hub.net Wien 7., Lindengasse 56 / Top18–19 Laut Cisco werden 2020 50 Milliarden Dinge über das Internet vernetzt sein. Das „Internet of Things“ bedeutet weitaus mehr: Wenn alle Geräte mit einer eigenen IP-Adresse ausgestattet sind, können sie über Sensoren eine Vielzahl von Daten aus der Umgebung melden und diese werden wiederum für die Steuerung komplexer Prozesse verwendet. Smart Technologies werden eingesetzt, um Verkehr und Energie zu managen oder Informationen und Services punktgenau und kontextbezogen zur Verfügung zu stellen. Bei der sechsten Veranstaltung der Reihe twenty.twenty stellen wir uns die Frage, wie die Menschen 2020 in Smart Cities, Smart Environments bzw. dem Internet of Things leben werden und wie faire Rahmenbedingen aussehen sollen, damit möglichst Alle von diesen Entwicklungen profitieren.

Die Veranstaltungsreihe twenty.twenty widmet sich als offene Diskussionsplattform Zukunftsszenarien einer Welt 2020. Denn: Zukunft kann nicht gepredigt oder verordnet werden. Sie gehört diskutiert und gestaltet.

FABULA RASA KOLUMNE GEORG CR ACKED

»Cher« ist französisch und heißt so viel wie »lieb« oder »teuer«. Das macht Sinn. Mir ist Cher auch lieber als bisher, seit ich ihre Coverversion von Dr. Johns »Walk On Gilded Splinters« gehört habe. Denn Goldsplitter sind teuer. Und dann war da dieses Mädchen mit der Tätowierung, die aussah wie das Porträt dieses Zeichentrick-Helden aus »Avatar«. Aber bei näherem Hinsehen sah es eher aus wie Patrick Swayze, also sagte ich zu ihr: »Hey, schönes Tattoo von Patrick Swayze!« Worauf sie mich entgeistert ansah und sagte »Spinnst du, das ist Justin Timberlake.« Und ich darauf: »Sieht eigentlich aus wie der Typ aus ›Avatar‹«. Und das war’s dann auch schon, wie man sich gut denken kann, aber Tätowierungen sind so, dass man sich nicht gut darüber unterhalten kann. Man kann ja jemanden, der sich einen gekreuzigten Jesus mit Slayer-Schriftzug auf den Hals oder einen Tweety auf die Fußsohle hat tätowieren lassen nicht sagen, dass es wirklich Scheiße aussieht wie er jetzt aussieht. Also bleibt nur falsches Lob übrig, das man, da das Gegenüber das ja auch weiß, nicht bringen kann, da es einem das Gegenüber ja ohnehin nicht glaubt, weil er oder sie ja auch weiß, wie es um die Sache steht. Und dann redet man über Tätowierungen heutzutage ja nur in technischen Maßstäben der Ausführung, es gibt da kei­ ne ästhetische Kritik oder Diskussion wie bei Malerei oder Kunst. Oder man beschwert sich über die langen Warte­ zeiten bei so manchem Star-Tätowierer. Aber so eine Ge­ schichte wie die von Kurti gibt es heutzutage nicht mehr. Denn Kurti war ein Kollege bei einem meiner Studenten­ jobs, der sich im Gefängnis als Mutprobe selbst die Eichel tätowiert hat und das Werk, wenn er gut drauf war, auch gerne mal hergezeigt hat. Ich glaube nicht, dass Kurti heu­ te oder irgendwann Star-Tätowierer mit Warteliste war. Er hätte dir auch eher einen Kühlschrank aufs Hirn tätowiert als einen Gefallen zu tun. »Mach mir eine Biene Maja auf den Oberarm, bitte« hätte wahrscheinlich mit einer expli­ ziten Darstellung des allzu Menschlichen geendet und da rede ich nicht von Sex. Nicht nur. Genug davon hier. Dazu gibt es eine Fortsetzung am Ende dieses Hefts. ¶ cracked69@hotmail.com

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Unbezahlter Anzeiger

Alle Waren und Dienstleistungen dieser Welt sind gleich gut. Die scheinbaren Unterschiede werden nur im Kopf der Konsumentinnen erzeugt, u.a. bzw. v.a. mit Werbung, d.h. z.B. mit bezahlten Anzeigen. Auch in diesem Heft gibt es davon welche, und nur die bewusste Verknappung vermag dem Impact noch ein zu­ sätzliches Momentum zu verleihen. Um einer drohenden Branchenmonopolisierung eine angemessene Blockade entgegenzustellen, finden sich an dieser Stelle einige unbezahlte Anzeigen – Segnungen des Konsumiversuns.

VITAVIN

Wahrlich kein Saft-Heckenklescher. Von Chardonnay bis Zweigelt die Rebsorten, von der Thermenregion Mödling bis zu den Gärten der päpstlichen Lateran-Universität die Lagen. Vitavin ist der Lagentraubensaft für die leberbewusste Reblaus. Egal ob Süd- oder Nordhang: Stets ohne Hang-Over. Und dabei 100% Bio. Weil Zucker und Konservierungsstoffe sind fürs Kröpfchen, sämtliche Vitalstoffe hingegen im Tröpfchen – der Direktpressung und Sofortabfüllung sei’s vollgedankt. Die wertvollen Rebensäfte sind übrigens auch zeitgemäß per Abo beziehbar. www.vitavin.eu ▪▪

LION

Der letzte Wurf des Großkatzenklinikums Cupertino. Oberflächlich gewohnt apfelschniek, mit sinnvollen Features und verbesserter Usability. Aber: Safari produziert Semmeln wie eine psychedelische Feinbäckerei, iCal schaut aus wie Omi’s Gotteslob (und ist genauso tattrig beim Umblättern), ohne telefonische Vorreservierung findet man kaum einen freien Platz im Hauptspeicher. Sinnlose Animatiönchen sind letztlich der Funke, der das feierliche Gilles de la Tourette-Gedenk-Feuerwerk des gestressten Powerusers zum Entzünden bringt. www.apple.com/macosx ▪▪

FEIN ESSEN

Support your Nahversorgung! Seit bald mal einem Jahr kochen, backen und schmoren die »fein essen«-Mädels in ihrem Startup-Lokal bei der Wiedner Hauptstrasse, der Hauptschlagader des 4. Wiener Bezirkes. Solide, häusliche Küche, sympathische Menschen, moderate Preise sowie immer wieder wechselnde Tages- und Wochengerichte aus aller Herren Rezeptbücher halten die Essbestecke der Lebenslust hoch, und verschiedene Salate den Cholesterinspiegel niedrig. www.feinessen.at ▪▪

EINE AUSSTELLUNG DES »100 BESTE PLAKATE E.V.« IN ZUSAMMENARBEIT MIT DEM DESIGNFORUM VORARLBERG UND DER FH VORARLBERG.

ch Schweiz i e r r e t s Ö d n a l h c s t u e D PU S DO RN BI RN ) rlberg RA RL BE RG (C AM g und FH Vora Vorarlber SI GN FO RU M VO Designforum 18 :3 0 UH R IM DE — R BE TO OK 6. AU SS TE LL UN G: R ER ÖF FN UN G DE R AU S DE M PO OL CA UN D GE TR ÄN KE N E AN ’L DE DJ T MI

1 1 ' r e b o t k O . 2« 7 s i b . 6 : g n u l l e » TOU R DER PL AKA TE Ausst DORNB IRN TREFF PUNKT : 6. OKTOB ER — 18 UHR, MARKT PL ATZ ZUR ERÖFF NUNG DER AUSST ELLUN G AUF DIE ERSTE N 100 RADFA HRER, DIE AN DER TOUR ER-SH IRT. TEILNE HMEN, WARTE T EIN EXKLU SIVES DESIGN

ISCHER FONDS EU (EFRE — EUROPÄ D DURCH MITTEL DER VORARLBERG WIR KOFINANZIERT. G BER ARL DAS DESIGNFORUM VOR LANDES WICKLUNG) UND DES FÜR REGIONALE ENT


Ella Brandis (The Loud Minority)

TOP 10

COOLE LIEBLINGSMUSIK, AUCH FÜR DIE DISKO (GEHEIMWAFFEN BLEIBEN GEHEIM)

TOP 05

SCHLECHTE LAUNE KILLER 01 We Bandits 02 Adriano Celentano 03 Der Fluxus Kompensator 04 Tom Waits 05 Slo Amazin

AUCH NICHT SCHLECHT: TLM 7"-Serie

Christian Köllerer

(The Gap und Blogger unter koellerer.net)

TOP 10 KLASSIKER

01 02 03 04 05 06 07 08 09 10

Thukydides: Geschichte des peloponnesischen Kriegs Dante: Göttliche Komödie Montaigne: Essais Shakespeare: Tragödien Cervantes: Don Quijote Moritz: Anton Reiser Goethe: Briefwechsel mit Schiller Joyce: Ulysses Musil: Mann ohne Eigenschaften Doderer: Strudlhofstiege

TOP 05

BESTE REISEN 01 Zentralchina 02 Turkmenistan 03 Jerusalem 04 Nordindien 05 New York

AUCH NICHT SCHLECHT: Wien

► 0 1 4 / AUSGABE 120

Subotron Pro Games

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Computerspielexperte Jogi Neufeld erweitert seine Vortragsreihe im Wiener Subotron um Wirtschafts- und Ausbildungsthemen. Uns erzählt er von seinen Erfahrungen und Erwartungen. Du hast im Herbst deine Lecture-Reihe umgestellt. Was ist neu? Die Vortragsreihe wurde nicht umgestellt, sondern erweitert. Die seit 2005 exi­ stierende Vortragsreihe »SUBOTRON electric meetings« zur Theorie von Compu­ terspielen wird wie gehabt weitergeführt. Der dortige Fokus auf wissenschaftliche, künstlerische und soziale Themen wird aber seit September durch die neue wö­ chentliche Reihe »SUBOTRON pro games« ergänzt, die rein wirtschaftliche, pra­ xisbezogene Inhalte vermittelt und die lokale Branche und Akademie sicht – und erlebbar machen will. Viele Gespräche mit Vertretern von Spieleentwicklern und Ausbildungsstätten haben gezeigt, dass akut elementares Know-how über die Spie­ leindustrie sowie Networking-Möglichkeiten fehlen. Mit Unterstützung der Wirt­ schaftskammer Wien stellen österreichische Spielefirmen und Ausbildungsstätten detailliert ihr Werken und Wirken vor, ergänzt durch internationale Keyplayer. Hat sich für dich durch das neue Format eine neue Zielgruppe ergeben? Grundsätzlich ist das Ziel bei beiden Vortragsreihen das gleiche, nämlich digitale Spiele als Kulturgut zu etablieren. Die Theorieschiene will den wissenschaftlichen und künstlerischen Diskurs fördern und mitgestalten, dementsprechend finden sich im Publikum Studenten mit Interesse an interdisziplinärem Austausch. »Pro Games« hat durch die praxisbezogene Ausrichtung eine klarer definierte Zielgruppe, nämlich Auszubildende, potenzielle Selbständige, Unternehmer und nicht zuletzt Vertreter von Medien und Politik. Und diese füllen den Raum D im Quartier 21 bisher jede Woche bis auf den letzten Platz. Games sind ganz klar ein Wirtschaftsfaktor. Im Handel ist dies einfach nachzuvollziehen. Überall anders (Ausbildung, Start-ups, ...) sind die Zusammenhänge komplexer. Was können Lectures hier vermitteln oder was soll vermittelt werden? Das globale Umsatzwettrennen mit der Filmindustrie ist inzwischen jährliches Ritual und klassischer Aufhänger medialer Rezeption von Games. Abseits davon machen erst Veröffentlichungen wie der Kreativwirtschaftsbericht der Wirtschafts­ kammer Wien bewusst, dass es auch bei uns vergleichbare Zahlen gibt. Wenn bei unseren Vorträgen CEOs von international erfolgreichen heimischen Developern wie Sproing oder Greentube ihre Erfahrungen und Einschätzungen des Zukunftsmarkts teilen oder EPUs und KMUs Einblicke in Werdegang und Herausforderungen geben, inspirieren sie Jungunternehmer. Wie kann die Zusammenarbeit von Wirtschaft, Wissenschaft und Community noch verbessert werden? Ausbildungsstätten arbeiten immer mehr auch jenseits der angesprochenen Be­ reitstellung von international konkurrenzfähigen Mitarbeitern mit der Industrie zusammen. Es wird gemeinsam geforscht und entwickelt. Ein weiterführendes Ver­ ständnis für Zusammenhänge jenseits wirtschaftlicher Interessen im Bezug auf die Wissenschaften findet man im Vergleich zu Deutschland, Holland oder Skandinavi­ en allerdings kaum. Wir wollen in bester Super-Mario-Tradition die Prinzessin be­ freien! ¶ Alle Termine unter subotron.com/pro-games. Eine längere Version des Interviews findet sich auf auf www.thegap.at

bild Heribert Corn

01 Gil Scott Heron & Jamie XX 02 Cubic Zirconia – F**k Work 03 Gonjasufi – Kowboyz & Indians 04 The Doors – Peace Frog 05 Tiger & Woods – Curb My Heart 06 Hud Mo – Pleasure EP 07 James Pants – New Tropical EP 08 HipHopPopTop40RNBUrbanContemporary EasyListeningFunkLove 09 Thundercat – The Golden Age Of Apocalypse LP 10 Africa Hitech – Glangslap


The City – Networking with Things

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bild florian auer

Mit der kommenden twenty.twenty-Veranstaltung geht unser erster Zyklus zu Ende. Inhaltlich geht es um den Zusammenhang von Smart Cities und Web Of Things. Laut Cisco werden 2020 50 Milliarden Dinge über das Internet vernetzt sein. Es sind längst nicht nur Men­ schen, die über das Netz miteinander kommunizieren. Es ist auch nicht nur der vielbeschworene Kühlschrank, der meldet, womit er gefüllt werden will. Das »Internet of Things« bedeutet weitaus mehr: Wenn alle Geräte mit einer eigenen IP-Adresse ausgestattet sind, kön­ nen sie über Sensoren eine Vielzahl von Daten aus der Umgebung melden und diese werden wiederum für die Steuerung komplexer Prozesse verwendet. Smart Tech­ nologies werden eingesetzt, um Verkehr und Energie zu managen oder Informationen und Services punktgenau und kontextbezogen zur Verfügung zu stellen. Bei der sechsten Veranstaltung der Reihe twenty.twenty stel­ len wir uns die Frage, wie die Menschen 2020 in Smart Cities, Smart Environments bzw. dem Internet of Things leben werden und wie faire Rahmenbedingen aussehen sollen, damit möglichst alle von diesen Ent­ wicklungen profitieren. Die Keynote-Speech wird Prof. Rudolf Giffinger von der TU Wien halten. Das Thema des Stadtentwick­ lungsexperten ist »Die Balance zwischen Innovations­ druck, Wettbewerbsfähigkeit und sozialer Kohäsion«. Außerdem am Podium: Theresia Vogel, Geschäftfüh­ rerin des Klima- und Energiefonds, Christian Köllerer, Philosoph und Verfechter des Urbanen Lebens, sowie Künstler und Publizist Johannes Grenzfurthner. ¶ Das nächste twenty.twenty findet am 19. Oktober 2011 ab 18.30 Uhr im The Hub Vienna (vienna.the-hub.net) statt. Auf www.twentytwenty.at sind alle Details sowie die Blog-Parade zum Thema zu finden.


03

05

04

Juliane Fischer (The Gap)

TOP 10

NEW YORK SONGS (10 OUT OF A THOUSAND GOOD ONES)

06

01 Death Cab For Cutie – Marching Bands Of Manhattan 02 The National – Little Faith 03 Tomte – New York 04 Bright Eyes – Train Under Water 05 PJ Harvey & Thom Yorke – This Mess We’re In 06 Nada Surf – Paper Boats 07 Cat Power – New York 08 The Ataris – So Long Astoria 09 Doves – New York 10 The Coast – Nueva York

01

TOP 05

02

DINOSAURIERBANDS 01 Totally Enormous Extinct Dinosaurs 02 Dinosaur Jr. 03 Dinosaur Pile Up 04 Dinosaur Bones 05 T Rex

AUCH NICHT SCHLECHT:

Kings Of Leon – Manhattan / The Kills – What New York Used To Be / Yeah Yeah Yeahs – Yeah! New York!

www.thegap.at / gewinnen

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Logitech Gamer’s Pack 01

Logitech, einer der erfolgreichsten Hardware-Hersteller, erfreut Gamer regelmäßig mit Spezial-Produkten für die anspruchsvolle Zielgruppe. Wir verlosen anlässlich der »Game City« im Wiener Rathaus ein Paket bestehend aus G400 Gaming Mouse, G330 Gaming Headset und G110 Gaming Headset. Betreff: 120 Spielstunden ohne Verschleißerscheinungen

»Resistance 3« Survivor edition02

Tulga Beyerle

(Managing Director Vienna Design Week)

TOP 10

GAUMENFREUNDE

01 02 03 04 05 06 07 08 09 10

Fried Fresh Chickpeas Inzimo di Ceci Minestrone Estivo Rindfleisch Pho Maiale al Latte Roasted Spring Leg Of Lamb Paprikahendl Krautfleckerl Lemon Tart Mohntorte à la Knöpfli

TOP 05 LITERATUR

01 Siri Hustvedt 02 Jane Austen 03 Jonathan Franzen 04 Sebastian Faulks 05 Heimito von Doderer

AUCH NICHT SCHLECHT: Die Bretagne

► 0 1 6 / AUSGABE 120

»Resistance 3« ist der aktuelle Parade-Shooter für die PS3. In einer alternativen Ge­ schichtsschreibung gilt es, die Erde in den 50er Jahren gegen die außerirdische Invasion zu verteidigen. Beklemmende Atmosphäre und intensive Massenschlachten haben hier gleichermaßen Platz. Wir verlosen 1 × die »Resistance 3 Survivor Edition« inkl. T-Shirt und Give-aways. Betreff: Alienangriffe zurückgeschlagen

»Dark Souls« Limited Edition 03

Der Nachfolger von »Demon’s Souls« erfreut Fans mit hartem, aber auch intensivem und motivierendem Gameplay. Eine seltene Rollenspiel-Großtat. Wir verlosen die Limi­ ted Edition inkl. umfangreichem Gameguide 2 × für PlayStation 3 und 1 × für Xbox 360. Betreff: 120 dunkle Seelen zu retten.

Björk »Crystalline« Remix EP 04

Anfang Oktober erscheint Björks neues Album »Biophilia«. Zur ersten Single »Crystal­ line« gibt’s eine feine Remix-EP nicht nur digital, sondern auch ganz rar als Vinyl. Da­ rauf befinden sich 3 Tracks und wir verlosen 3 Stück dieser Vinylversion. Betreff: 120 Umdrehungen für Björk

»Territories« DVD und Blu-ray 05

Die Grenze zwischen Kanada und den USA ist diesmal der spannungsgeladene Ort eines Psychokrimis der härteren Gangart. Fünf junge Leute begegnen nach einer Party auf ihrer Heimreise in die USA dem personifizierten Grauen. Wir verlosen 2 DVDs und eine Blu-ray Betreff: 120 Grenzüberschreitungen

»Source Code« Pack 06

»Source Code« ist der zweite Film von »Moon«-Macher Duncan Jones. Ein verschach­ telter Thriller, in dem Jake Gyllenhaal eine Explosion in einem fahrenden Zug verhindern muss. Wir verlosen 1 Paket aus Blu-Ray, Feuerzeug und einer Projektionsuhr. Betreff: 120 Chancen gegen die Explosion ¶


www.brandeins.de brand eins 13. Jahrgang Heft 10 Oktober 2011 7,60 Euro C 50777

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13. Jahrgang Heft 10 Oktober 2011

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Die Suche nach dem Sinn

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►KOLU M NE / Z a h l en , b i t t e ! ►Von Thomas Edlinger

018

ie einen jammern über Parallelgesellschaften, die anderen jammern über Parallelaktionen innerhalb unserer postkakanischen Regierung, und beim Steirischen Herbst begeistern sie sich dieses Jahr für Parallelwelten. Ein eigen­ tümlicher Bewohner dieser Paralleluniversen ist die fiktive Künstlerfigur. Nehmen wir zum Beispiel einen gewissen Darko Maver. Er ist eine Erfindung der selbst anonymisierten, 2003 auch durch den Hoax der Umbenennung des Wiener Karls­ platzes zum Nikeground bekannt gewordenen italienischen Künstlergruppe 0100101110101101.org. Maver fungierte als ein Stresstest für die Öffentlichkeit. In seinem Namen wurden blu­ tige und realistische Mordszenarien mit Schaufensterpuppen an öffentlichen Orten inszeniert, während die Dokumentation dieser Performances wiederum aus echten Verbrechensfotos gespeist wurde und im Internet kursiert. Aufgrund antipatri­ otischer Umtriebe wurde Maver dann im Kosovo verhaftet und später, am Höhepunkt seiner zweifelhaften Popularität als Pro­ vokateur, im Gefängnis ermordet. Der Narr hatte seine Schul­ digkeit getan. Der Anspruch auf die »Wahrhaftigkeit« dessen, was hier als Aporie einer Mediengesellschaft zwischen Schein und Sein demonstriert werden sollte, konnte und wollte sich paradoxerweise nur über den Umweg einer erratischen Fikti­ onalität erweisen.

Konzeptioneller SpaSSismus

Auch das österreichisch-deutsche »Bastelkollektiv« Mo­ nochrom hatte seinen medienkritischen Karl mit erfundenen Schwadroneuren. Georg Paul Thomann hieß deren fiktiver Tausendsassa, eine bauernschlaue Kreuzung von Martin Kippenberger mal Peter Weibel hoch drei plus den sieben Le­ ben einer copycat. Diese »zentralste aller öffentlichen Rand­ erscheinungen« wurde auf Einladung von Monochrom (und natürlich unter Mitwisserschaft der damaligen Kuratorin Zdenka Badovinac) als Phantom zur Biennale 2002 nach Sao Paulo eingeladen. Dorthin wiederum »schickte« Thomann re­ ale Künstlerkollegen aus dem Monochrom-Umfeld, die Werke in seinem Auftrag hinklatschten. Thomann freute sich als gro­ ßer Abwesender wohl wie ein Schneekönig über das eigent­ liche Kunstwerk, den massiven Katalogziegel, mit dem man ihn zum Leben erweckt hatte. Mit Thomann im Gepäck konnte Monochrom nicht nur eine Art kritische Revision der neue­ ren Kunstgeschichte in Umlauf bringen; zudem eignete sich die Figur auch hervorragend als komisches Korrektiv in den Diskursrevierkämpfen der Gegenwart. Übermalen nach Zah­ len – aber bitte sehr! Ein »diminituvistisches Manifest« zur Verniedlichung der Wirklichkeit – schon da! Ein Techno-Poem mit Sven Väth – danke sehr, noch ein Bier! Oder, Mitte Januar 2002, am Höhepunkt der tschechisch-österreichischen Aus­ einandersetzungen rund um das von der FPÖ initiierte Anti► 0 1 8 / AUSGABE 120

Temelin-Volksbegehren, die Affichierung eines Anti-TemelinPlakats über dem Eingang eines Wiener Bordells, betitelt mit einem Buchtitel des Ex-FPÖ-Parteiobmanns Jörg Haider. »Die Freiheit, die wir meinen«, dazu in Klammer »aber bitte mit Gummi«. Lässt sich aus solchen Bocksprüngen so etwas wie eine künstlerische Handschrift klassifizieren? Offensichtlich ver­ hielt es sich bei Thomann so: Je behender er sich Festschrei­ bungen entzog, desto wurschter wurde die Fluchtrichtung. Been there, done that. Dabei sein ist alles, Dagegensein noch mehr – weshalb auch Thomann 2005 leider sein Leben ver­ wirkt hatte und nur mehr als (allerdings ganz schön fette) Fußnote des konzeptionellen Spaßismus mit institutionskri­ tischen Geschmackverstärkern weiter existiert. Momentan ist in der »Animismus«-Ausstellung in der Wiener Generali-Foundation eine mit abgründigem Humor gesegnete Gouachenserie eines fiktiven russischen Künstlers namens Maxim Komar-Myschkin zu sehen. Dessen Biogra­ fie hat’s auch in sich: Der Mann wird nicht nur als Alter Ego eines zweiten erfundenen Künstlers vorgestellt. ER fühlt sich auch von Wladimir Putin höchstpersönlich bis in den Schlaf verfolgt – besonders, seitdem »Maxim« als immigrierter rus­ sischer Jude in Israel lebt und dort den elitären und hyperkri­ tischen Künstlerzirkel Buried Alive Group gegründet hat. An­ geblich, sagt Maxims Erfinder, der israelische Künstler Roee Rosen, habe er den Russen 2009 knapp vor dessen Selbstmord kennengelernt. Auch in diesem dritten Beispiel muss also die Fiktion sterben, damit die Idee eines komplexen Kommentars zur historischen Undergroundkunst der Sowjetunion und zum Spielraum des Unheimlichen gedeihen kann. Rosen hatte üb­ rigens schon einmal ein ähnliches Spiel gespielt: Als »Justine Frank« (1900-1943) setzte er eine Provokation der männ­ lichen Surrealisten wie auch des zionistischen Selbstbilds durch sexuell offensive Malerei und Pamphlete in Gang. Diese Frau, rein sprachlich eine Verballhornung von De Sades Justi­ ne und Anne Frank, porträtierte sich beispielsweise selbst als schwarze Frau oder als weibliche Version von Fantomas und warf so das verdrängte Bild der sexuell aggressiven, dege­ nierten Frau auf den Betrachter im Hier und Jetzt zurück. Und so wurden die Maxims und die Justines, zumindest im Rück­ spiegel Roee Rosens, zu vielschichtigen Projektionen nicht nur über die Geschichten von Formen und Kanonisierungen, sondern über die Möglichkeiten von Dissidenz und Identitäts­ verwerfungen schlechthin. Ja, es ist wahr: Eine andere Welt ist möglich. ¶

Die Qual der Zahl – 9 wie »Revolution Nr. 9« oder 99 wie in »99 Luftballons«? Schreibt uns eure Vorschläge, um welche Zahl zwischen 0 und unendlich es nächstes Mal gehen soll. zahlenbitte@thegap.at

bild Ingo Pertramer

Nennt sich eine Künstlergruppe, die am binären Code einen Narren gefressen hat, aber selbst ganz gern vorgebliche Künstler aus Fleisch und Blut ins Rennen um Aufmerksamkeit schickt. Über den Reiz erfundener Biografien.


die vielen seiten des ö1 club. diesmal:

die

ö1 Viennale

nur Für

FrühstücksFilme. ausgeschlaFene.

»le havre« – dienstag, 25. 10. 2011, 6.30 uhr (regie: aki kaurismäki, Fi/F/d 2011, 93 min., Fin. Omdu)

»hesher« – mittwOch, 2. 11. 2011, 6.30 uhr (regie: spencer susser, usa 2010, 106 min., OF)

im künstlerhaus kinO, akademiestrasse 13, 1010 wien. m i t e i n e m g r at i s - F r ü h s t ü c k . t i c k e t s F ü r d i e ö 1 v i e n n a l e - F r ü h s t ü c k s F i l m e e r h a lt e n s i e a b 1 5 . 1 0 . 2 0 1 1 i n w w w. v i e n n a l e . at, a n v O r v e r k a u F s s t e l l e n und unter der a1-Freeline 0800 664 011. ö1 club-mitglieder b e s u c h e n a l l e F i l m e d e r v i e n n a l e u m 1 0 % e r m ä s s i g t.

→ o e 1 . o r f. a t → w w w . v i e n n a l e . a t

dynamowien | Foto: Viennale

»hesher«


► soc i a l d es i gn ► Design für eine bessere Welt

Seed Bombing

Victor Papanek begann in den 60ern mit seinen Studenten an der Purdue University Pflanzenstrukturen zu untersuchen und entwickelte daraus künstliche Samenträger, um entlegene und verödete Landstriche wieder fruchtbar zu machen. Der »Samen-Fallschirm« ähnelte von der Gestalt her Kletten und war also einer natürlichen und bewährten Form nachemp­ funden. Ein Paket ist mit 144 kleineren Päckchen und einer Nährlösung ausgestattet, das Plastik dafür hatte eine Abbauzeit von sechs bis acht Jahren. Aus all dem sollten kleine, zusammenhängende Vegetationsdäm­ me wachsen können, um eine weitere Erosion zu verhindern oder sogar umzukehren. Auf demselben Prinzip baut auch die Seed Bomb der Südkoreaner Hwang Jin Wook, Kim Ji Myoung, Jeon Yoo Ho und Han Kuk Il auf, die 2009 entwickelt wurde. Der Sprengkopf wird dabei durch eine Kapsel ersetzt, die neues Leben in sich trägt. Sowohl die Samen selbst wie auch der Nährboden für das erste Wachstum sind darin erhalten. Die Trägerkapsel verrottet einfach. Ein Flächenbombardement schafft so die Grundlage für neue Fruchtbarmachung von Land. Mit der Umdeutung von Symbolen der Zerstörung sind die Seed Bombs aber auch ein treffendes Symbol von Social Design überhaupt: Egal, ob man es will oder nicht, sie tragen eine Ideologie in die Welt hinaus – statt Kontrolle der Staatsmacht sind Seed Bombs Waffen der Nachhaltigkeit. ▪▪


text peter stuiber

BILD hwang jinwook, JANSENBERGER, index award, Helen Hamlyn Centre for Design

Beim Social Design ist verantwortliches Handeln gefragt. Von der Architektur bis zum nachhaltig hergestellten Produkt betrifft das beinahe unseren gesamten Alltag. Der Weg dorthin ist manchmal allerdings mühsam und verschlungen. em Begriff »Social Design« droht das gleiche Schicksal wie dem Begriff »Design«: Er ver­ schwimmt in alle Richtungen, zugleich können die wenigsten damit überhaupt etwas anfan­ gen. Außerdem ist er eine Verdoppelung – denn welche Art von Gestaltung gibt es, die nicht in irgendeiner Form soziale Auswirkungen hätte? Entstanden ist die Disziplin »Social Design«, weil Design – nicht immer zu un­ recht – einen schalen Beigeschmack hat. Man stellt sich darun­ ter etwa unbequeme Bauhaus-Möbel vor, unpraktische Häuser von sich selbst verwirklichenden Architekten oder unlesbare Schriften. Im besten Fall traut man Gestaltern zu, die Umwelt zu verschönern. Aber sie zu verbessern? Social Design meint aber genau das: verantwortungsvolles Gestalten mit Rücksicht auf menschliche Bedürfnisse und die Natur. Das betrifft Produkte, Serviceleistungen, das Internet, Leitsysteme, den öffentlichen Raum, Architektur – mit einem Wort: alles. Bereits vor 40 Jahren trat ein Austro-Amerikaner an, den De­ signern die Leviten zu lesen. Der gebürtige Wiener Victor Pa­ panek, der 1939 vor den Nazis mit seiner Mutter in die USA geflüchtet war, rechnete in seinem Buch »Design for the Real World: Human Ecology and Social Change« (1971) mit den Ober­ flächen-Verschönerern ab. Er proklamierte lautstark, es gebe nur einen noch verkommeneren Beruf als denjenigen des Designers, nämlich den des Werbers, und führte zugleich vor Augen, was echtes Design alles bewirken könnte. Sein Bestseller, der in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt wurde, strotzt nur so vor Welt­ verbesserungsideen, vom idealen Schwimmgerät für körper­ lich beeinträchtigte Kinder bis zum künstlichen Samenträger»Fallschirm« für Gegenden in der »Dritten Welt«, in denen kein Gras wächst. Ein zentrales Thema ist der behutsame Umgang mit Ressourcen, womit Papanek auch gleich zum grünen Guru avancierte. Ganz abgesehen davon, dass er so hochaktuelle Phänomene wie Open Source vorwegnahm, indem er forderte, Gestalter müssten auf Patente verzichten und gemeinsam an Lösungen arbeiten. Es ist mit Sicherheit kein Zufall, dass Papa­ nek gerade in einer Zeit, die von Klimaerwärmung, Ressourcen­ knappheit, Börsencrash und sozialen Spannungen geprägt ist, wieder ausgegraben wurde. Und mittlerweile hat man sich auch in seiner Heimatstadt des großen Sohnes erinnert: Die Ange­ wandte ruft demnächst die Victor Papanek-Foundation ins Leben, nachdem der Nachlass des Designers nach Wien geholt wurde.

Eigene Produkte für Pensionisten? Bitte nicht!

Es gibt aber noch andere Gründe für die aktuelle Konjunktur des sozialen Designs. So etwa das Unbehagen der Konsumenten mit Produkten, die ganze Gruppen ausschließen. Und damit sind nicht nur Randgruppen wie zum Beispiel Menschen mit Behinderungen gemeint, sondern auch einfach ältere Personen, denen etwa der Umgang mit elektronischen Geräten möglichst schwer gemacht wird. Soll man also Produkte nur für Pensio­ nisten gestalten? Eher nicht. Denn »Inclusive Design« heißt das Zauberwort, womit gemeint ist, dass Gestaltung von vornherein alle potenziellen Adressaten berücksichtigen sollte und nicht nur eine abstrakte Norm. Das hat unter anderem den positiven Effekt, dass einzelne Gruppen nicht durch spezielle Produkte

Klug & cool: Gebrauchsinformation für den Planeten Erde von Angie Rattay. Neben ihrer Tätigkeit als Grafikerin hat Rattay die »Erdgespräche« initiiert, die seit 2008 in Wien stattfinden. AU S GA B E 1 2 0 / 0 2 1 ◄


Um Social Design in der Öffentlichkeit bekannt zu machen, wurde vor vielen Jahren der dänische Index-Award ins Leben gerufen. Zwei Siegerprojekte 2011: Verbesserung des öffentlichen Raums in Seoul (links), Airbag für Fahrradfahrer(innen), die keinen Helm mögen (Design: Swedish Hövding).

Finally in Vienna Spät, aber doch hat die Wiener Kunstuniversität den Ökopionier Victor Papanek entdeckt. Social Design soll an der Angewandten in Zukunft eine groSSe Rolle spielen. Victor Papanek, Öko-Pionier und Design-Rebell, wurde 1923 in Wien geboren und floh 1939 vor den Nazis in die USA. Anfang der 70er Jahre düpierte er mit seinem polemischen Bestseller »Design for the real world« seine Designerkol­ legen, denen er Willfährigkeit gegenüber einem hemmungslosen Kapitalismus vorwarf. Papanek war für die UNESCO tätig, entwarf unter anderem das berühmte »Tin Can Radio« um 9 Cent für die »Dritte Welt« und hatte in Amerika zahlreiche Professuren inne. Einen Lehrauftrag in seinem Heimatland erhielt er jedoch nie, obwohl er angeblich nicht abgeneigt gewesen wäre. Papanek starb 1998. Ein Glücksfall war es, dass sich zwei junge Forscher, Martina Fineder und Thomas Geisler, bereits vor einigen Jahren auf die Spuren des Designers begeben haben. Ihren Bemühungen ist es zu verdanken, dass der Werke-Nachlass an die Angewandte nach Wien geholt werden konnte und es außerdem eine deutsche Neuausgabe von »Design for the real world« gibt (die leider schon wieder vergriffen ist). Die Angewandte setzt jedenfalls voll auf Papanek: Neben einem Institut für Social Design und angewandte Urbanismusforschung soll ein Social Design-Masterstudium die Studenten fürs 21. Jahrhundert ausbilden. Au­ ßerdem wird am 9. November eine Papanek-Foundation ins Leben gerufen (Leitung: Alison Clarke), die den Nachlass des Pioniers aufarbeiten soll. Zeitgleich mit dem Auftakt gibt es von 10. bis 11. November eine internati­ onale Social Design-Konferenz in Wien, außerdem wurde der Wettbewerb »Design for the Real World Redux« ausgeschrieben, dessen Finalisten- und Siegerprojekte in einer eigenen Ausstellung präsentiert werden. Ganz schön viel auf einmal – hoffentlich sind die Bemühungen ebenso nachhaltig. www.dieangewandte.at

für spezielle Bedürfnisse stigmatisiert werden. Wo­ bei speziell auch bedeuten kann, dass jemand »nur« Linkshänder ist. Aber selbst eine derartig geringe Abweichung von der Norm kann bei manchem Haus­ haltsprodukt zu gehörigen Nutzungsproblemen füh­ ren (Klassiker: Kartoffelschäler). Die Bereitschaft der Unternehmen, sich darauf einzulassen, ist al­ lerdings derzeit gering. Inclusive Design ist eben nicht so sexy wie Öko-Design. Noch ist es ein Ni­ schenthema, doch Vorreiter können damit ordentlich Geld verdienen: Oxo International etwa, ein Herstel­ ler von Küchenutensilien mit dem sinnigen Namen »Good Grips«, freut sich über jährlich zweistellige Umsatzzuwächse. Der Schritt zum Mainstream, der im Bereich Bio-Lebensmittel oder »grüner« Kleidung (siehe H&M’s Linie mit Organic Cotton) bereits getan wurde, steht bei der Benutzerfreundlichkeit etwa von Haushaltsgeräten noch aus. Zugleich ist das Thema in der Öffentlichkeit kaum präsent, weshalb es wenig Zugkraft in der Werbung hat. Ist dieser Teufelskreis mal durchbrochen, kann man sich auf eine neue Ge­ neration von »sozialeren« Produkten freuen. Zumindest grüner geworden ist die Warenwelt in manchen Segmenten schon jetzt, wenn auch nicht immer freiwillig. Die Wirtschaftskrise hat zum Beispiel der Möbelbranche ordentliche Einbußen beschert. Da traf es sich gut, dass ressourcenscho­ nende Produktion für die Unternehmen kostengün­ stiger ist und ökologisch intelligentes Design zu­ gleich ein wunderbares Verkaufsargument darstellt. Eine Edel-Marke wie Walter Knoll wirbt nun damit, dass ein 1.000-Euro-Stuhl am Ende der Lebensdau­ er problemlos zerleg- und recyclebar sei. Auch erste Schritte in Richtung Massenmarkt sind zu beobach­ ten: So propagiert Ikea Möbel aus wiederverwertetem Kunststoff. Ein Öko-Schmäh, meinen Skeptiker. Das Beste, was passieren kann, meinen andere, denn das Thema sei damit im Mainstream angekommen.

Was bitte kann ein Grafiker AEndern?

Bei Social Design darf man allerdings nicht nur an Produktdesign denken. Die junge Wienerin An­ gie Rattay hat vorgezeigt, wie man auch als Grafi­ kerin gesellschaftliche Verantwortung leben kann. Nach der Lektüre von Papaneks »Design for the Real World« entschloss sie sich zu einem Diplomprojekt, das die Beipackzettel von Arzneimittel zum Vorbild nahm: Angelehnt an die »Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde« des Papanek-Freundes und Öko-Visionärs Richard Buckminster Fuller entwi­ ckelte sie 2005 eine grafisch lustvoll aufbereitete, inhaltlich brisante »Gebrauchsanweisung« für den richtigen Umgang mit unserem Planeten. Zunächst schien sich dafür kaum jemand zu interessieren, doch als Der Standard darüber berichtete, war die Re­


aktion überwältigend: »Ich habe über 350 E-Mails bekommen, darunter eines von Alexander van der Bellen, aber auch eines von einem Punk, der die Ge­ brauchsanweisung bei Konzerten verteilen wollte«, erinnert sich Rattay. Innerhalb eines Monats war die Startauflage von 10.000 Stück vergriffen, heute ver­ Raumgestaltung und nachhaltiges Entwerfen an treibt sie das kompakte Weltverbesserungswerk über der TU Wien leitet. 2009 hat sie den vielbeachteten den eigens gegründeten Verein Neongreen Network Blue Award initiiert, um Studierende und Lehrende kostenlos bzw. gegen eine Spende. Dass sie das Ding auszuzeichnen, die sich auf das Thema eingeschwo­ nicht verkauft, gehört für sie zum Berufsethos frei ren haben. »Und seit zehn Jahren gibt es das Unter­ nach Papanek: »Der schreibt ja auch, dass es doch richtsmodul BIOS«, erklärt Günter Pichler, Lehrbe­ nicht sein kann, dass jemand einen innovativen Roll­ auftragter am Department. »Am Anfang hatten wir stuhl entwirft und dann mit einem Patent verhindert, 10 Leute pro Semester, heute sind es über 100.« Sein dass bedürftige Leute ihn sich leisten können«. Was Kollege Anton Kottbauer, ebenfalls Lehrbeauftragter, aber nicht heißt, dass Rattay als Grafik-Designerin ergänzt: »Nachhaltigkeit ist in der Architektur ein nicht Geld verdienen würde. Das gestiegene Interesse weites Feld, das von Energieeffizienz bis zum Master­ an Social Design bringt ihr mehr Aufträge, allerdings plan für städtische Räume reicht. Wir wollen die Stu­ auch ein Mehr an Konkurrenz, die im schlechtesten dierenden dafür sensibilisieren, dass es bei Architek­ Fall »nur auf grün tut«. »Der entscheidende Punkt tur immer um eine lebenswerte Umwelt geht.« Was für mich ist, dass man sich als Grafikerin bewusst genau nachhaltig und sozial sei, darüber gibt es kla­ wird, welche Einflussmöglichkeiten man hat. Es rerweise gehörige Auffassungsunterschiede. »Neh­ stellen sich ja unglaublich viel Fragen: Ist das Pa­ men wir zum Beispiel die thermische Sanierung, die pier, auf dem man druckt, klimaneutral? Wird bei von der Stadt Wien vorangetrieben wird«, so Günter der Druckfarbe Mineralöl als Bindemittel verwen­ Pichler. »Dabei wird das Material EPS verwendet, det oder Pflanzenöl? Brauche ich unbedingt einen das in einigen Jahrzehnten zur Altlast werden wird.« UV-Lack und super-glossy Papier? Wie viel Auflage Auch andere Mythen gelte es zu hinterfragen, so den braucht man tatsächlich? Wie viel Verschnitt gibt es ökologischen Neubau. „Es ist immer viel effizienter, aufgrund des Formates? Man hat viel mehr Einfluss, vorhandene Bausubstanz, etwa die wenig geliebte als man denkt.« Besonders stört Rattay, dass öko­ Architektur aus den 60er Jahren, zu verwenden statt soziales Agieren oft als Einschränkung betrachtet einfach abzureißen. Das Problem ist aber, dass die werde: »Dabei sind die anderen eingeschränkt, nicht Architekturwelt auf den Neubau fixiert ist.« Nicht ich.« Was auch an der Power liegen mag, mit der zuletzt sei Verdichtung im städtischen Kernbereich Rattay ihre Ziele verfolgt. So hat sie 2008 erstmals immer nachhaltiger und sozialer als das berühmte die Erdgespräche ins Leben gerufen, die mittlerweile Bauen auf der grünen Wiese und die Zersiedelung zur größten grünen Vortragsveranstaltung Österrei­ ganzer Landstriche. Die Diskussion darüber, wie man chs geworden sind und bei der internationale Öko- unter dem Aspekt des Social Design eine Stadt sinn­ Pioniere wie Michael Braungart auftreten. Letzterer voll planen kann, ist wieder einmal voll entbrannt. propagiert seit vielen Jahren sein »Cradle-to-Cradle- Nicht weniger brisant ist die Frage, wie verantwor­ Prinzip«, bei dem ein Produktzyklus – vereinfach ge­ tungsvolles Agieren im globalen Kontext aussehen sagt – von vornherein festgelegt wird: Entweder man kann. Nützliches Design und Architektur in unter­ produziert so, dass das Produkt später biologisch entwickelten Ländern ist längst Thema geworden, abbaubar entsorgt werden kann. Oder man sorgt da­ ähnlich wie Corporate Social Responsibility. Der Grat für, dass das verwendete Material am Ende der Le­ zwischen neokolonialem Agieren und sinnvoller Hilfe bensdauer wieder recycelt wird. Mit seinem Zugang ist schmal. Vielleicht war noch nie die Bereitschaft so groß wie konnte Braungart auch so manchen designaffinen Unternehmer überzeugen, etwa das österreichische heute, verantwortliche Gestaltung tatsächlich groß­ Textil-Unternehmen Backhausen, das Cradle-to- flächig in die Tat umzusetzen. Doch wie lange das Thema zieht, kann niemand abschätzen. Ein Blick Cradle-zertifizierte Stoffe anbietet. zurück macht skeptisch: Nach Papaneks »DesignHippies« und dem Öl-Schock kamen die hedoni­ Wärmedämmung, die stischen 80er Jahre. Berufsoptimisten lassen sich nicht nachhaltig ist ¶ In besonders großem Maß betrifft Social Design davon trotzdem nicht abschrecken. die Architekten. Der Bausektor verbrauche schließ­ lich rund 40 Prozent der Materialressourcen und sei Ein Artikel zu »Design und die ›dritte Welt‹« für etwa 30 Prozent der Treibhausgase verantwort­ findet sich unter www.thegap.at. lich, so Françoise-Hélène Jourda, eine international — www.neongreen.net — www.indexaward.dk renommierte Expertin, die seit 1999 die Abteilung — www.raumgestaltung.tuwien.ac.at

Das Helen Hamlyn Centre for Design am Londoner Royal College of Art wurde bereits vor 20 Jahren gegründet und ist federführend bei sozialem Design. Hier ein Entwurf für ein Rettungsauto, das herkömmlichen Modellen in punkto Sicherheit und Praxistauglichkeit weit voraus ist. Design: Ed Matthews und Gianpaolo Fusari.

Bild links unten: Finalist beim ersten Papanek-Award, der im November verliehen wird: Algenkraftwerk des österreichischen Studio EOOS, das CO2-neutrale Energieproduktion möglich macht. AU S GA B E 1 2 0 / 0 2 3 ◄


In der Arbeit »The Good Life« durchschreitet einen Kuratorin leere Ausstellungsräume. Der Kunstbertrieb wird in dem Kurzfilm zur inhaltsleeren Farce.


► Golde n Fra me ► »The Good Life« von Katleen Vermeirs und Ronny Heiremans TE X T Margit Emesz BILD K atleen Vermeirs und Ronny Heiremans

A Good Life? Ein Ausstellungsraum ohne Kunst, ein Wohnraum ohne Möbel, Appartements, die leere Hallen sind. »A Good Life (guided tour)« bietet Raum-Visionen, die in die Irre führen. »The Good Life (guided tour)« erinnert ein wenig an die Wohnraum­ inszenierungen von Elmgreen & Dragset für den nordischen Pavillon bei der Biennale in Venedig 2009. Damals wurden die Besucher durch fiktive private Wohnsituationen geführt. Bei Katleen Vermeirs und Ronny Heire­ mans filmischem Projekt besichtigt man ein leeres Gebäude, weiße Wän­ de, schmucklose Stiegenhäuser, verspiegelte Aufzüge. Langsam fährt die Kamera über kahle Architektur, begleitet eine Gruppe von Besuchern, ge­ führt von einer seriös gekleideten Frau. An den Wänden lehnen verpackte Bilder, ab und zu auch Kisten, in denen sich vermutlich Kunstwerke be­ finden. Ist die smarte Lady eine Galeristin, Museumsdirektorin oder Im­ mobilienmaklerin? Aalglatt und sachlich spricht sie über Kunst und deren Präsentation, preist die Vorzüge der architektonischen Gegebenheiten an, die Lage der Immobilie innerhalb des Stadtgefüges. Hier sollen demnächst Upper-Class-Luxusappartements entstehen. Der Komplex soll dann stän­ dig überwacht werden, der Sicherheit wegen. Die feine Gesellschaft wird in dem entstehenden Luxusgebäude ein blauäugiges Leben führen: eine Gen­ trifizierung mit stylischem Kunstanspruch.

Fiktive Immobilien-Welt

Die kahlen Räumlichkeiten spiegeln das oberflächliche, inhaltsleere Ge­ rede der Maklerin wider, ihr übertriebener Businesstalk, der von der Wer­ tigkeit von Kunst und Kreativität im passenden (elitären) Kontext handelt, gipfelt in einer geläufigen bornierten Vernissagensituation, bei der ein Mo­ dell des Bauvorhabens präsentiert wird. Zwischen den Sequenzen der Füh­ rung, die den Raum, seine Funktion und Bestimmung infrage stellt, passie­ ren beklemmende Kurzepisoden. Die Immobilienmaklerin bleibt im Aufzug stecken, irrt verfolgt durch einen dunklen Lagerraum, plötzlich ein Schuss – woher und warum? Der Kurzfilm gehört zum Gesamtprojekt »The Good Life«, mit dem die beiden Belgier zusammen mit einem Architekturbüro eine fiktive Immo­ bilien-Entwicklung erstellt haben, die im Rahmen einer großen Solo-Aus­ stellung 2009 im Arnolfini in Bristol (UK) gezeigt wurde. Der Film ist als Marketing für die Präsentation des opulenten Gebäudevorhabens gedacht, das (Kunst)Räume beherbergt und sich nicht zuletzt auch gesellschaftkri­ tisch mit dem institutionellen Aspekt der Kunstwelt auseinandersetzt. ¶ »The Good Life (guided tour)« wird im Rahmen der Viennale im Spezialprogramm »Between Inner and Outer Space« gezeigt. AU S GA B E 1 2 0 / 0 2 5 ◄


► da s b ö s e ► Definitionsversuche menschlicher Abgründe

mords lust Warum ist das Böse so verabscheuungswürdig und besitzt dennoch so eine Faszination? Vier neue Bücher beschreiben Ursachen, ohne dem wahren Bösen wirklich auf den Grund zu gehen. TEXT Christian Köllerer

as Böse fasziniert die Menschen seit sie began­ schildert etwa minutiös eine von Stalin produzierte Hunger­ nen, über ihre Rolle im Universum nachzuden­ katastrophe in der Ukraine und spart auch das tabuisierte The­ ken. Wirft man einen Blick auf den aktuellen ma des Kannibalismus nicht aus. 2,5 Millionen Menschen ver­ Buchmarkt, so scheint diese Faszination un­ hungerten. Zahlreiche Belege zeigen, dass Familien eigene Kinder gebrochen. Eine Fülle von Neuerscheinungen »opferten«, sie also kochten und gemeinsam aßen, um später zum Thema füllen die Regale. Der marxistische trotzdem zu verhungern. Bekannter ist das Wüten der deutschen Literaturtheoretiker Terry Eagleton etwa behandelt das Böse Einsatzgruppen in Osteuropa, wo viele die von ihren Vorgesetz­ philosophisch und kulturgeschichtlich. Eugen Sorg nähert sich ten vorgegeben Mordquoten ebenso überragen wollten wie heute von der anderen Seite: Als Vertreter des Roten Kreuzes wäh­ übermotivierte Angestellte die Zielvorgaben ihrer Firma. rend des Balkankriegs war er handfest mit den dort begangenen Natürlich drängt sich hier die Frage nach dem Warum auf. Je Gräueltaten konfrontiert und leitet aus diesen Erlebnissen schrecklicher die Taten, desto bohrender die Frage. Jede Religion provokante Thesen ab. Zwei weitere Neuerscheinungen schil­ versucht etwa, das Problem des Bösen auf ihre Weise zu lösen, dern sehr eindringlich die Praxis des Bösen: Der amerikanische gerne auch mit personifizierten bösen Gottheiten. Satan wur­ Historiker Timothy Snyder beschreibt in »Bloodlands« ausführ­ de im Christentum mit dieser Aufgabe betraut, unterstützt vom lich die Massenmorde an Zivilisten, welche die Schergen Sta­ Konzept der Erbsünde. Über das berühmte philosophische Pro­ lins und Hitlers mit erschreckendem Enthusiasmus ausführten. blem, wie ein allgütiger und allmächtiger Gott mit der Existenz Reichlich Anschauungsmaterial liefert »Soldaten«, die von des Bösen logisch kompatibel sein könne, streiten sich Theolo­ Sönke Nietzel und Harald Welzer herausgegebenen und kom­ gen und Philosophen seit Jahrhunderten. Die wichtigste Frage mentierten Protokolle abgehörter deutscher Wehrmachtsoldaten. wird in aktuellen Debatten aber kaum gestellt: Ist der Begriff des Bösen überhaupt erkenntnisrelevant? Betrachtet man das Phä­ nomen aus geschichtlicher Perspektive, kann die Antwort nur Kannibalismus und Sonderkommandos nein sein. Es gibt nämlich keinen vernünftigen Grund anzuneh­ Liest man im Detail über Taten, die man gemeinhin als »böse« men, dass das böse als Abstraktum existiert. Hier wird ein reli­ bezeichnet, stellt sich schnell Fassungslosigkeit ein. Snyder giöses Konzept unkritisch in eine säkulare Debatte übertragen.


27 Ergebnis sind substanzlose Spekulationen, die nicht widerlegbar sind, und damit keinen Erkenntniswert besitzen. Wer auf der Suche nach einer aktuellen Antwort zu Terry Eagletons Abhand­ lung über »Das Böse« greift, wird enttäuscht werden. Weder die Analyse noch die Methode kann überzeugen. Inhaltlich hält der Marxist Eagleton das Böse für eine metaphysische Angelegen­ heit und nähert sich dem Begriff mit einem kulturwissenschaft­ lichen Parforce-Ritt durch die Weltliteratur, um schließlich bei Freuds Todestrieb erschöpft abzusteigen. Am überzeugendsten ist Eagleton, wenn er den aktuellen Sprachgebrauch rund um das Böse untersucht. Am Ende freilich steht der Leser bei schlechter Sicht im Nebel des kulturwissenschaftlichen Jargons und ist um kaum eine Erkenntnis reicher.

Der Mensch – ein böses Wesen?

Neue Denkanstöße liefert dagegen Eugen Sorgs polemischprovokantes Buch »Die Lust am Bösen«. Die Hauptthese verrät bereits der Untertitel: »Warum Gewalt nicht heilbar ist«. Sorg hält den aktuellen Umgang der Öffentlichkeit mit dem Thema für hochgradig naiv. Bei jeder abscheulichen Tat werde sofort nach externen Ursachen gesucht. Wenn die klassischen Erklä­ rungsmuster (schwere Kindheit, Missbrauch, Armut …) aber ver­ sagen, etwa wenn Amokläufer oder Terroristen aus geordneten Verhältnissen an ihr gut geplantes Werk schreiten, herrsche Rat­ losigkeit. Laut Sorg wolle die Gesellschaft nicht wahrhaben, dass es beim Menschen eine Veranlagung zum Bösen gäbe. Zahlreiche Untersuchungen belegten dies ebenso wie die im Fall der Versu­ chung völlig unterschiedlichen Reaktionen von Nachbarn aus ähnlichen Verhältnissen. Der eine werde ohne Zwang zum Fol­ terknecht, der andere riskiere sein Leben, um selbst »Feinden« zu helfen. Beispiele aus den Kriegen am Balkan zu Beginn der 90er Jahre machen diese Behauptung plausibel. Im letzten Drittel des Buches widerspricht Sorg aber implizit seiner eigenen These über die Autonomie des Bösen: Er wendet sich einer Diffamierung des Islams zu. Zwar halte auch ich es für sehr aufschlussreich, die Rolle von Religionen als Gewaltkatalysator zu untersuchen, aber wenn Sorg nun die islamische Welt ebenso undifferenziert wie wutentbrannt der Gewaltverherrlichung zeiht, sucht er damit selbst nach genau den externen Ursachen für das Böse, die er kurz zuvor als Erklärungsversuche noch scharf zurück weist.

Die unerfreuliche anthropologische Hypothese, dass Men­ schen immer wieder gerne aus Spaß quälen und töten, belegen auch die Abhörprotokolle von Wehrmachtsoldaten in dem Buch »Soldaten«. So meinte bereits im Juli 1940 ein Oberleutnant der Luftwaffe: »Es ist mir ein Bedürfnis geworden, Bomben zu wer­ fen. Das prickelt ordentlich, das ist ein feines Gefühl. Das ist ebenso schön wie einen abzuschießen.« Nur eines von vielen Beispielen aus der Dokumentation. Falsch scheint auch die An­ nahme zu sein, die Verrohung eines Soldaten brauche viel Zeit. Ein Aufklärer bei der Luftwaffe empfand bereits nach vier Tagen sein Mordhandwerk als »Vorfrühstücksvergnügen«.

Ideologie ist fehl am Platz

Verteilt man weltanschauliche Zensuren, so steckt man die­ se Auffassung natürlich schnell ins konservative Eck. Wie die Beispiele zeigen, gibt es aber jede Menge Fakten, welche die Existenz von Gewalt um der Gewalt willen belegen. Der reakti­ onärer Umtriebe unverdächtige Jan Philipp Reemtsma hat sich ausführlich mit diesem Phänomen beschäftigt. Statt jeden Täter automatisch als Opfer seiner Umstände zu entschuldigen, sollte die Frage nach der individuellen Verantwortung nie reflexartig ausgeblendet werden. Die Idee von der Freiheit und Autonomie des Individuums war und ist eine fortschrittliche. Die in konser­ vativen Kreisen beliebte Forderung, unverbesserlich böse Men­ schen gehörten möglichst hart bestraft, ist ebenfalls durch Fak­ ten schnell als Kurzschluss überführt. In den USA etwa ist die Kriminalitätsrate trotz drakonischer Strafen signifikant höher als in EU-Staaten mit liberalem Strafrechtssystem. Das rich­ tige Rezept ist hier, den anthropologischen Tatsachen ins Auge zu sehen, aber darauf gesellschaftspolitisch pragmatisch statt ideologisch zu reagieren. ¶ 01 — Terry Eagleton »Das Böse« (Ullstein) 02 — S. Neitzel / H. Welzer »Soldaten. Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben« (Fischer) 03 — T imothy Snyder »Bloodlands. Europa zwischen Hitler und Stalin« (C.H. Beck) 04 — E ugen Sorg »Die Lust am Bösen. Warum Gewalt nicht heilbar ist« (Nagel und Kimche)

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► Ha r ry Be l a font e ► Pop-Ikone, Hollywood-Star und Polit-Aktivist


text Klaus Buchholz bild Viennale

Seit er in den 50ern die Bananenarbeiter Jamaikas besang, ist Harry Belafonte eine Zentralgestalt afroamerikanischer Popkulturgeschichte – und schon lange vor Bono der Inbegriff des Popstars als Politsprachrohr. Die Viennale widmet dem 84-jährigen Aktivisten, Entertainer und Schauspieler ein Tribute. arry Belafonte hat einen dieser Songs gesungen, den jeder kennt und von denen mindestens ge­ nauso viele meinen, sie im Wortlaut mitsingen zu können. In seinem Fall handelt es sich um »Day-O«, besser bekannt als »The Banana Boat Song«. »Day-o, day-ay-ay-o / Daylight come and he wan’ go home / Day, he say day, he say day, he say day, he say day, he say / day-ay-ay-o / Daylight come and he wan’ go home«. Ursprünglich stammt der Song aus der jamaikanischen Folklore, entstand nach dem Zweiten Weltkrieg und erzählt von Arbeitern, die nächtelang Bananen auf ihre Körper laden, um sie zu den Schiffen im Hafen zu schleppen (»Lift six-foot, sevenfoot, eight-foot bunch«). Dort zählt der Chef die Bananen ab und errechnet entsprechend den Lohn – »Come, Mr. Tally Man, tally me banana; daylight come and me wan’ go home«.

König des Calypso

Harry Belafonte wächst erst in Jamaika, dann in Harlem auf und kommt selbst aus einer Familie von Feldarbeitern. Der Song ist nicht zufällig gewählt. Belafonte, dem Entertainer, sind Soli­ darität und die Forderung nach Gerechtigkeit schon früh ein An­ liegen. Als er den Song Mitte der 50er Jahre interpretiert, setzt er auf eine tropisch-beschwingte Verbindung von Melodie und Rhythmus, welche die erdrückenden Arbeitsumstände verges­ sen machen soll. Empowerment verpackt in einer musikalischen Metapher, die überraschenden Erfolg verspricht: In seiner Ver­ sion vermischt er das afro-karibische Genre Calypso mit Folk, Jazz und Pop. Sein Album »Calypso« (1956) begründet das Gen­ re für die Massen, führt es in die Popkultur der 50er Jahre ein und macht Belafonte weltberühmt. Es erobert die US-Charts im Sturm und wird die erste Langspielplatte der Musikgeschich­ te, die sich über eine Million Mal verkauft. Zuvor steht Harry Belafonte bereits mit Charlie Parker und Miles Davis auf den Bühnen der New Yorker Clubs. Doch nun ist er plötzlich eine Pop-Ikone, der ruhmreiche »King of Calypso«. Songs wie »Ja­ maica Farewell«, das 1955 veröffentlichte »Matilda« oder eben »Day-O« werden zu weltweiten Schlagern. Zuletzt blitzte »The Banana Boat Song« übrigens 2010 als Sample in der wuchtigen Rap-Hymne »6 Foot 7 Foot« von US-Rapstar Lil Wayne durch die Charts. Der Ruf des mittlerweile 84-jährigen Königs findet also auch in zeitgenössischem HipHop seinen Widerhall.

Mit Hollywood gegen Rassismus

Die neue Doku »Sing Your Song« verfolgt den Musiker Bel­ afonte und sein ausdrückliches politisches Engagement durch sechs bewegte Jahrzehnte. Im Mittelpunkt des Viennale-Tribute steht aber Belafontes Nebenkarriere als Schauspieler (und ge­ legentlicher Filmproduzent). Als solcher hat er auch an einigen politisch besonders bewegten Passagen des US-Kinos teilge­ habt, zuvorderst am liberalen Hollywood-Problemfilm der 50er und dem Blaxploitation-Boom der frühen 70er Jahre. Begon­ nen hat die Schauspielerlaufbahn parallel zur musikalischen:

Nach dem Einsatz bei der US-Navy im Zweiten Weltkrieg stößt der junge Handwerker Belafonte in Harlem auf das American Negro Theatre. Mit späteren Kollegen wie Marlon Brando, Wal­ ter Matthau oder Tony Curtis nimmt er Schauspielunterricht. Gleichzeitig mit der Jazz-Karriere in den frühen 50ern beginnt sein Aufstieg am Broadway und in Hollywood. Schon vor dem Durchbruch mit »Calypso« spielt er in Otto Premingers opu­ lenter Musical-Tragödie »Carmen Jones« (1954) die männliche Hauptrolle neben der afroamerikanischen Schauspielerlegende Dorothy Dandridge. Sein wachsender Star-Status erlaubt ihm in der Folge auch kontroversiellere Filmrollen. Zwei von ihm produzierte Genrefilme buchstabieren die alltägliche Erfahrung von Rassismus ungewöhnlich explizit aus: In »Odds Against Tomorrow« (1959) spielt Belafonte einen Bankräuber mit rassi­ stischem Komplizen und verkörpert den ersten schwarzen Pro­ tagonisten in einem Film Noir. In »The World, The Flesh And The Devil« (1959) ist er als einer von drei Überlebenden einer weltweiten Nuklearkatastrophe immer noch rassistischer Aus­ grenzung ausgesetzt. »I am an artist and I am not a politician. But like most Americans I have a great interest in the political and the economical destiny of my country. […] As a negro and as an American I have many questions.« In den 60er Jahren wirbt Harry Belafonte für den damaligen Präsidentschaftskandidaten Kennedy, der die afroamerikanische Wählerschaft mit der Vision eines gerechteren Amerika für sich gewinnen will. Belafonte lässt Hollywood hinter sich und nutzt seine Popularität für die Bürgerrechtsbewegung. Er engagiert sich zunehmend und wird bis zu dessen Ermordung 1968 ein enger Freund von Martin Luther King. In die Kinos kehrt er erst in den 70ern wieder zurück, dafür umso effektvoller: In »Buck And The Preacher« (1972) reitet er als schießender Priester an der Seite von Sidney Poitier durch einen der wenigen Western mit schwarzen Protagonisten. Seinen Freund Marlon Bran­ do parodiert er zwei Jahre später als Ghetto-Godfather in der Blaxploitation-Komödie »Uptown Saturday Night« (1974). 1984 produzierte er den legendären HipHop-Film »Beat Street«, ein Jahr später initiierte er gemeinsam mit Michael Jackson, Stevie Wonder und anderen Popstars das Benefiz-Projekt »We Are the World«. Daneben tritt er unter anderem laut gegen die Apartheid in Südafrika auf, engagiert sich für die Menschenrechte und ge­ gen Hunger in Afrika, von der Unicef wird er zum Botschafter des guten Willens ernannt. Es dauert abermals zehn Jahre, bis er wieder in Hollywood in Erscheinung tritt. Nach der 30er-JahreGangster-Jazz-Hommage »Kansas City« (1996) von Robert Alt­ man, wo Belafonte nocheinmal den bösen Boss gibt, wird es um seine Schauspielkarriere ruhiger.

Gehör verschaffen

In der Öffentlichkeit macht Harry Belafonte nun vor allem als scharfer Kritiker von sich reden. Die Sicherheitspolitik der Bush-Administration setzt er mit Gestapo-Methoden gleich, den Präsidenten nennt er den größten Terroristen, dessen Politik 9/11 erst provoziert hätte; die beiden schwarzen Minister Colin Powell und Condoleezza Rice bezeichnet er als Sklaven. 2011 tritt Harry Belafonte wieder in Erscheinung, um seine Berühmt­ heit in den Dienst der guten Sache zu stellen. Der Tod seines Freundes Marlon Brando, welcher sich ebenfalls stark politisch engagierte, veranlasste den engagierten Weltbürger Belafonte dazu, entlang seiner eigenen Biografie die Geschichte vieler Kämpfer für globalen sozialen Wandel zu erzählen. Das Ergeb­ nis ist die Dokumentation »Sing Your Song« (Regie: Susanne Rostock), die nicht nur das Leben des Entertainment-Aktivisten Belafonte zusammenfasst, sondern in Rückschau auf mehr als 60 Jahre politischen Protest auch Bewusstsein beim Publikum schaffen will. Denn der Anfang kann manchmal so simpel sein wie ein Song über Bananen. ¶ Die Viennale 2011 (20. Oktober bis 2. November) würdigt Harry Belafonte mit einer Schau ausgewählter Filme, einschließlich der neuen Dokumentation »Sing Your Song«. AU S GA B E 1 2 0 / 0 2 9 ◄


► ELE VATE : M a r k St eve n son ► Optimistische Zukunft beim Elevate Festival

text Michael Kirchdorfer bild ELEVATE FESTIVAL

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Mark Stevenson ist ein Mann mit vielen Facetten: Der 40-jährige britische Autor verfolgt nicht nur eine multiple Kar­ riere als Komiker, Kryptographie-Experte und Sänger der Pop­ band Clear, sondern streckt als wissenschaftlich-empirischer Futurologe seinen Kopf auch weit hinaus aus dem Seitenfenster der Gegenwart. In seinem Buch »An Optimist’s Tour Of The Fu­ ture« stellt er eine Sammlung von Thesen und Theoremen vor, die einen ungewohnt positiven Blick auf das werfen, was sein könnte. Neben kontroversiellen Themen wie die Verlängerung der menschlichen Lebensspanne durch DNA-Manipulation, die Erschaffung von künstlicher Intelligenz und der gesellschaft­ lichen Eingliederung von Mensch-Maschinen geht es in seinen Überlegungen auch immer wieder um Möglichkeiten, ökolo­ gische Katastrophen abzuwenden und dem Klimawandel Herr zu werden – oder sich diesen zumindest zunutze zu machen, wie zum Beispiel durch artifiziell erschaffene Mikroorganismen, die aus CO2-Emissionen Biotreibstoff produzieren. Im Unterschied zum allgegenwärtigen Zukunftspessimismus begegnet Steven­ son der potenziellen Zukunft mit feiner britischer Ironie und einem hoffnungsvollen, humanistischen Wohlwollen. Es geht um Was-wäre-wenn-Szenarien, die jedes für sich einen Quanten­ sprung für das menschliche Leben auslösen würden – so bedeu­ tungsvoll, wie es die Erfindung des Penicillins oder die Nutzung der Atomenergie für das 20. Jahrhundert waren.

What’s next?

Der in London lebende Futurologe präsentiert mit lakonischem Humor mögliche Zukunftsszenarien, die ausnahmsweise nicht im kollektiven Weltuntergang münden. aut Mayakalender ist das Jahr 2012 das Ende der Zeit. Und 2012 nähert sich – doch die Apokalyp­ se lässt immer noch auf sich warten. Fest steht: Trotz Klimawandel, Börsencrash, Kriegen, nu­ klearer Verseuchung, Massenvernichtungswaf­ fen, vergifteten Meeren und gerodeten Urwäldern fristen an die sieben Milliarden Menschen ihr Dasein auf diesem Planeten und vermehren sich dabei auch noch prächtigst weiter. Apokalypse hin, Maya-Kalender her, auch wenn die Welt in naher Zukunft nicht untergeht, ist den meisten, die sich mit den globalen ge­ opolitischen Verhältnissen näher beschäftigen, eines klar: Um weiterhin in Frieden, Gesundheit und Gerechtigkeit existieren zu können, müssen sich einige Dinge in möglichst naher Zukunft möglichst drastisch ändern. ► 0 3 0 / AUSGABE 120

Zur gegenwärtigen Verortung der Zukunft traf sich Steven­ son für sein Buch mit Cutting-Edge-Wissenschaftlern wie dem Alterungsforscher Aubrey de Grey, dem Artifical IntelligenceExperten Ray Kurzweil oder dem Experimentalbiologen Eric Drexler, um mit ihnen lakonisch und enthusiastisch über die bevorstehenden Innovationen der nächsten hundert Jahre zu dis­ kutieren. Biotechnologie, Infotechnologie und Nanotechnologie sind die Schlagwörter dieser Zukunft, die zudem auch eine postkapitalistische sein wird, da – zumindest so Drexler – durch die unlimitierte, synthetische Produktion von biologischen Gütern so gut wie alle Lebenserhaltungskosten gegen Null sinken wer­ den. Auch über den Sinn des Lebens wird man sich womöglich keine Sorgen mehr machen müssen, da es keinen Tod mehr gibt. Mit genmanipulierten Zellen, die sich selbstständig erneuern, können Körper in ihren Originalzustand zurückversetzt werden, so Aubrey de Grey. Die Unsterblichkeit müsste der Mensch dann auch nicht mit einer 40-Stunden-Arbeitswoche verbringen, da zwischenzeitlich intelligente Roboter diese für ihn übernommen haben werden. Schöne neue Welt also? Ja und Nein. Denn Ste­ venson ist sich sicher, dass die bevorstehenden technologischen Revolutionen auch ein großes Potenzial an Gefahren mit sich bringen werden. Denn die Probleme, die bereits heute von Be­ lang sind, werden auch in der Welt des morgen nicht geringer. Die Zukunft, so Stevenson, wird großartig, wenn wir alles richtig machen. Und darin sind wir bekanntlich ja am besten. ¶ Unter dem Motto »Elevate the 21st Century« wird Mark Stevenson die Eröffnung des Elevate-Festivals in Graz (20. bis 26. Oktober) moderieren. Sein Buch »An Optimist’s Tour Of The Future« ist bereits via Profile Books erschienen.


DYNAMOWIEN

FM4 UNLIMITED EINE NACHT DER OSTERREICHISCHEN CLUBKULTUR IM WIENER RATHAUS FR, 4.11.2011 / EINLASS: 22:00 UHR

BASSRUNNER MONKEYBREAKS FUNCTIONIST PHYSICALLY F!T PATRICK PULSINGER BEWARE TYROLEAN DYNAMITE JOE-JOE ELECTRO-NIX BEBOP RODEO KRISTIAN DAVIDEK

CRAZY PRATEREI KLUB SIR3NE JOYCE MUNIZ DISKO404 THE LOUD MINORITY MAKOSSA & SUGAR B AFFINE/FLUXUSKOMPENSATOR ADDICTION BOUNCE

TICKETS GIBT’S AB 15.9. BEI WIENXTRA – JUGENDINFO (BABENBERGERSTR.), IN JEDER ERSTE FILIALE MIT SPARK7-ERMASSIGUNG UND UBER WWW.OETICKET.COM ODER UNTER +43 1 96 0 96. VVK EURO 12,- / AK EURO 14,-.

VISUAL CONCEPT BY

FM4.ORF.AT


► H ar pune V e r l ag ► Literatur und Kunst für Sammler und Connaisseure

blei fürs regal

Anspruchsvoll und ambitioniert, streng limitiert und kuratiert: Der junge Wiener Kunstbuchverlag Harpune präsentiert sein erstes Programm auf der Art Book Fair in New York.

www.mobydickfilet.com — www.harpune.at Die beiden Verlagsgründer im Interview: www.thegap.at/harpune ► 0 3 2 / AUSGABE 120

Das erste Verlagsprogramm, nummeriert und sammelbar: »Am Abend sollte ich die Nacht ertragen / In the Evening I was to Bear the Night« von Andy Hope 1930 & Schorsch Kamerun 16 × 24 cm, 64 Seiten, Deutsch und Englisch; Bleisatz mit 9 Abbildungen in braunem Buchdruck und 17 Vierfarbabbildungen in Offsetdruck, gebunden in gelbem Leinen mit Buchdruck-Schuber in einer Auflage von 350 Stück. »Diabelli« – ein Text von Hermann Burger (1942–1989) mit Zeichnungen von Moussa Kone 17 × 21 cm, 112 Seiten, 50 Zeichnungen im Buchdruck, Bleisatz, mit schwarzem Faden gebunden, mit Schutzumschlag im Buchdruck in einer Auflage von 250 Stück. »Moby Dick Filet« – der große weiße Wal kapitelweise filetiert und monatlich serviert – u.a. von Constantin Luser und Olaf Breuning Herman Melvilles Meisterwerk vom weißen Wal und seinem unerbitt­ lichen Jäger Kapitän Ahab in allen 137 Kapiteln als illustrierte Fortset­ zungsserie je 12 Seiten, 14.8 × 19.9 cm, Duplex, ungebunden, gefaltet, in einer transparenten Buchdruckhülle, nummeriert von 1 bis 460 Exemplaren.

text thomas weber BILD HARPUNE VERLAG

ielleicht sieht sie so aus, die Zukunft des ge­ druckten Buchs: limitierte Sammlerstücke in edlen Ausführungen für eine genau umrissene Zielgruppe. Im Falle des jungen Wiener Klein­ verlags Harpune ist das der oder die litera­ risch bewanderte Bibliophile mit Kunstsinn und ein wenig Freude am Ungewissen. Denn wer weiß schon so genau, was da noch kommt, wenn einem ein weltliterarisches Schwergewicht wie »Moby Dick« Kapitel für Kapitel in Filet­ form serviert wird? Wobei der Kitzel vermutlich deutlich grö­ ßer ist als beim Sammeln von Fußballerpickerln, wo der Kader steht und neben dem Tausch vor allem die Komplettheit der Kollektion reizt. Scheibe für Scheibe wird Herman Melvilles Geschichte vom weißen Wal und seinem Jäger von grafischen Künstlern interpretiert. Im ersten Herbstprogramm zum Bei­ spiel von Constantin Luser und Olaf Breuning. Sicher ist für den Sammler also nur, dass der ideelle Wert des Werks mit ho­ her Wahrscheinlichkeit steigen wird. Denn erstens handelt es sich durchwegs um Künstler, von denen für die Zukunft einiges zu erwarten ist, und zweitens ist jede Scheibe von »Moby Dick Filet« auf 460 Stück limitiert. Man sieht gleich: Josef Zekoff und Sarah Bogner, die beiden Gründer des Verlags, wissen die Stärken des Gedruckten ma­ ximal zu nutzen. Haptik, edles Papier und Bleisatz, insgesamt eine aufwendige Gestaltung samt dem gekonnten Einsatz von Typographie geben einem sofort das Gefühl, etwas Besonderes in Händen zu halten. Mit der Neuen Satz Wien hat Sarah Bo­ gner sogar eine eigene Setzerei im Hintergrund. Was ebenfalls nicht schadet: Die beiden Verleger sind gut vernetzt. Nicht nur in der deutschsprachigen Kunstszene. Sie denken auch inter­ national. Ihr erstes Programm stellen sie nicht etwa auf der Frankfurter Buchmesse oder gar der Buch Wien vor, und auch nicht auf Kunstmessen wie der Vienna Fair, sondern auf der Art Book Fair in New York. Die Harpune ist spitz, sie trifft und sticht zielgenau. Auch die Verlagsarbeit geht bei Zekoff und Bogner – allein schon ob des künstlerischen Anspruchs – weit über die bran­ chenüblichen Abläufe hinaus. Nicht nur ein langfristig ange­ legtes Projekt wie »Moby Dick Filet« wird kuratiert. Wobei Kunst durchaus im Sinne von Kunst-Kunst zu verstehen ist. Das erste Programm hat »den Artisten als einsamen Darbie­ tenden und Magier, als Künstler und monologisierenden Su­ perhelden vor wechselndem Publikum« im Mittelpunkt. Neben einem Text des verstorbenen Autors Hermann Burger, dem der Künstler Moussa Kone zeichnerisch zusätzliches Leben verleiht, manifestiert sich das in der Zusammenarbeit zweier guter Bekannter: Der Künstler Andy Hope 1930 hat mit dem Autor und Sänger Schorsch Kamerun einen zweisprachigen 64-Seiter erarbeitet: »Am Abend sollte ich die Nacht ertragen / In the Evening I was to Bear the Night«. Die davon aufgelegten 350 Stück dürften trotz Bleisatz nicht allzu lange liegen blei­ ben. ¶


► R i s e Of N i g h t m a r es ► Survival-Horror mit Bewegungszwang

D zukunft und realität von spielen

complexity and relationships between art and design 01.10. bis 20.11.2011 täglich 10 bis 19 Uhr freiraum quartier21 INTERNATIONAL MuseumsQuartier Wien www.totemandtaboo.net EINTRITT FREI

text MARTIN MÜHL BILD SEGA

»Rise Of Nightmares« erzählt eine handelsübliche Survival-HorrorStory mit angemessen viel Gore. Neu: In dem Spiel kann man sich – komplett über die Bewegungssteuerung Kinect spielbar – tatsächlich frei bewegen. Spielenswert. he Future And Reality Of Ga­ ming« lautet das Thema der jährlichen FROG-Konferenz. Ge­ nau dies trifft auch auf Segas »Rise Of Nightmares« zu. Das Spiel zeigt eine Möglichkeit (neben anderen), wie Spiele bald schon sein können, aber auch die Schwierigkeiten, die Entwickler damit der­ zeit noch haben. Bisher konnte man sich in Spielen mit Bewegungssteuerung nicht frei bewegen, sondern das Spiel gab die Bewegung vor und man hatte zu bestimmten Zeitpunk­ ten bestimmte Aufgaben zu lösen. Die große und nicht zu unterschätzende Neuerung an »Rise Of Nightmares« ist, dass genau dies nun möglich ist. Stellt der Spieler einen Fuß nach vorne, geht die Figur vorwärts, stellt er ihn zurück, geht die Figur rückwärts und dreht er die Schulter, dreht sich die Figur im Spiel. Das ist eigentlich naheliegend und erinnert nicht zufällig an die Virtual Reality-Überlegungen der frühen 90er Jahre oder manch Gedanken­ spiel, als Sony EyeToy erstmals auf den Markt brachte. Nur hat es eben bisher niemand um­ gesetzt. Sega ist dies für Kinect für Xbox 360 nun gelungen – und es funktioniert großteils prächtig.

Es funktioniert!

TOTEM AND TABOO

Für die erste Hälfte des Spiels fällt dies an­ genehm action-lastig, aber auch ein wenig monoton aus. Danach aber gewinnt das Spiel dank neuer Waffengattungen an Fahrt. Die Hände werden benutzt, um mit Gegenständen zu interagieren und mit Waffen, Gegner anzu­ greifen; ein Tritt verschafft Raum. Die Story um einen verrückten Professor und seine Kre­ aturen lässt sich dann auf die Unsicherheit Joshs im Zusammenhang mit der Schwanger­ schaft zurückführen – ein okayer, wenn auch nicht origineller Schmäh. Wichtiger ist aber eben die Steuerung, die das Gameplay gehörig aufmischt. Genau diese macht aber auch ihre Schwierigkeiten, ist nicht immer so präzi­ se wie gewünscht und vom direkten Feedback eines Controllersticks oder Buttons weit ent­ fernt. Hier ist noch einiges zu tun. In »Rise Of Nightmares« wird aber schon spürbar, dass der Ganzkörper-Einsatz durchaus hilft, sich auch emotional vom Spiel einbinden zu lassen und auf unbekannt intensive Weise mitzufiebern. Bleibt zu hoffen, dass sich die Entwickler nicht von den langweilig-steifen und negativen Kri­ tiken der Fachpresse abschrecken lassen, son­ dern bald ein neues Game mit dieser Technik entwickeln. Vielleicht eines ganz ohne Blut und abgetrennte Körperteile. Und hoffentlich insgesamt einfach noch besser in beinahe je­ dem Belang. Game-Interessierte (ab 18, blabla­ bla) sollten an »Rise Of Nightmares« trotzdem nicht vorbeikommen. ¶

Weniger außergewöhnlich hingegen ist die Story des Spiels: Josh, die Haupt-Figur, strei­ tet auf einer Bahnfahrt durch Ost-Europa mit seiner wohl schwangeren Freundin, weil er das Trinken nicht sein lassen kann. Darauf­ hin wird es blutig und Josh muss sich in einer »Rise Of Nightmares« (Sega) ist bereits Parallelwelt gegen allerlei Zombies wehren. für Kinect für Xbox 360 erschienen.


► vh i l s ► Gesprengte Graffitis

Diese Graffiti lässt sich nicht so leicht entfernen. Vhils sprengt sich in seinen Untergrund hinein.

der sprengmeister Wenn Alexandre Farto alias Vhils reist, dann sammelt er Gesichter. Die Menschen der Städte sind die Basis für seine explosive Arbeit. s knallt, Putzteile fliegen durch die Luft, Rauch steigt auf. Als sich dieser langsam legt, er­ scheint ein Gesicht, gesprengt in die Wand des Abrisshauses. Der Street-Art Künstler Vhils nutzt die Kraft der Zerstörung für seine Reliefs. Begonnen hat alles in Lissabon, Alexandres Heimatstadt. Inspiriert von den mit Werbung überklebten Wandmalereien der 70er Jahre fertigte er Collagen an, tauchte in die Sprayer-Szene ein. Doch das Besprühen der Hauswände reichte ihm bald nicht mehr. Er wollte mehr Menschen erreichen, als es mit Tags möglich war, die von der Öffentlichkeit kaum oder negativ wahrgenommen werden. Laut einem Interview mit Die Zeit kam der 24-Jährige über das Schablonieren zum Spren­ gen. Dazu meißelt er eine Zeichnung in die Wand, bringt Spreng­ stoff auf, verputzt die Fläche und sprengt sie auf.

Geliebter Vandalismus

Seine überlebensgroßen Porträts und poetischen Schriftzü­ ge mussten nicht lange auf Aufmerksamkeit warten. Nach der Teilnahme am Urban-Art-Event »Cans Festival« präsentierte er mit Galerist Steve Lazaride, der auch Street-Art-Legende Banksy vertritt, seine erste Soloshow »Scratching the Surface«. Die portugiesische Band Orelha Negra setzte für das Video zu m.i.r.i.a.m. auf seine Sprengkünste, die dazu in Slow-MotionAufnahmen sehenswert eingefangen wurden. Auch die Times klopfte bei Alexandre an: 2008 schaffte es seine Arbeit neben der von Banksy auf die Titelseite. Der Überraschungseffekt, den seine Wandarbeiten bieten, kommt auch bei der Werbewirtschaft gut an. Sowohl für einen Spot der Levi’s Marketing-Kampagne »Go Fourth« wie für die

Spielberg-Serie »Falling Skies« sprengte er Slogans. Diverse Ga­ lerien stellen dazu seine in Stein, Holz und Metall gemeißelten, geschnitzten und gekratzten Portäts sowie die zusätzlich gefer­ tigten Collagen aus. Ein Problem zwischen der Arbeit als unab­ hängiger Künstler und Auftragnehmer großer Geldgeber sieht er bisher nicht. Für ihn zählt die bestmögliche Präsentation seiner Performance, weniger das Endprodukt.

Suche nach Identität

Die Weiterentwicklung der Street Art hat mit Vhils einen neu­ en Streckenabschnitt erreicht. Anders als beim Scratching oder Etching, wo mit spitzen Gegenständen oder Säure Botschaften in die Oberfläche gebracht werden, steht für ihn nicht die Kom­ munikation mit anderen Artists oder das schlichte Aufzeigen der eigenen Existenz im Vordergrund. Vhils mythische Sprengbilder beziehen ihre Form aus dem Leben, wirken dreidimensional. Sei­ ne Zerstörung hat künstlerischen Anspruch und ist ästhetisch wie ein gutes Piece. Zudem spiegeln die detailreichen Arbeiten wie ein Menetekel das zentrale Thema in der Anonymität der Metropolen: Die Su­ che nach Identität. Vhils will den Großstädten ein Gesicht geben und gleichzeitig ihre Bewohner ermutigen mehr sein zu wollen, als nur einer unter vielen. Die zufällig gewählten Porträts, die stumm von seinen Häuserwänden blicken, werfen die zentrale Frage nach dem eigenen Ich zurück auf den Betrachter. Ihre Le­ bensdauer ist so flüchtig wie die Aufmerksamkeit der reizüber­ fluteten Stadtmenschen, dennoch bietet der produktive Abbruch ihnen für einen Moment die Chance, aus dem Alltag aufzuwa­ chen.


Interview mit Alexandre Farto aka Vhils Ist die Anerkennung der Street Artists wichtig für dich? Nun, es ist natürlich wichtig für mich, von den Leuten, die ich bewundere, Respekt zu bekommen. Ich höre mir viele Meinungen an und respektiere sie, egal ob es Street Artists, Galerie-Besitzer, Kuratoren oder meine Familie und Freunde sind. Aber die Anerkennung ist nicht hauptsächlich das, was mich antreibt. Wie gehst du mit deiner wachsenden Bekanntheit um? Ich konzentriere mich nicht wirklich darauf, sehe Dinge nicht aus dieser Perspektive. Ich konzentriere mich auf meine Arbeit und darauf, dass die Dinge fertig werden. Es ist toll, dass Leute meine Arbeit mögen und die Anstrengung wahrnehmen, die ich investiere. Aber ich werde nicht von meiner Bekanntheit gesteuert, sie beeinflusst mich nicht besonders. Ich bin immer noch die gleiche Person und mein Leben ist so ziemlich dassel­ be, das es vorher war. Bekommst du mit deinen Wandarbeiten mehr positive Reaktionen von der Bevölkerung als mit Graffitis und Collagen? Ich würde sagen, es verursacht eine größere Wirkung. Aber das liegt vielleicht auch daran, dass die Wandarbeiten mehr ausgestellt sind und ein größeres Publikum erreichen, weil sie in der Öffentlichkeit sind und einen großen Maßstab haben. Persönlich finde ich die Arbeit in den Straßen wichtiger, sie ist interessanter vom Standpunkt des kreativen Prozesses und seiner Ausfertigung. Diese Arbeit ist definitiv anspruchsvoller und das Ausmaß macht es lohnender. Das heißt aber nicht, dass ich meinen anderen Werken weniger Bedeutung beimesse, unabhängig vom Medium. Hast du deine Identität in der Street Art gefunden? Jede Identität ist in Bewegung, ein fortlaufendes Projekt … Ich bin nicht wirklich derjenige, der über mich richtet. Ich habe

TEXT Anna Moldenhauer BILD Alexandre Farto

Ideen, was ich versuche zu vermitteln, aber verschiedene Men­ schen sehen die Dinge auf unterschiedliche Weise, so ist alles offen für Interpretationen. Jede Künstleridentität findet sich wohl im visuellen Ausdruck der Arbeit, im eigenen Stil, wenn du so willst. Jede Überrationalisierung führt da zur Rationali­ sierung der Identität und nicht zur Identität selbst. In welche Richtung wird sich die Street Art-Szene deiner Meinung nach entwickeln? Ich habe keine Idee. Das Phänomen ist so vielfältig und voller Vitalität, dass ich ehrlich denke, dass es sich in eine Vielzahl von Richtungen entwickeln kann. Und auch in verschiedene Richtungen zur selben Zeit. Jede Möglichkeit ist spannend zu diesem Zeitpunkt. Es wird neue Ansätze und neue Richtungen geben – einige davon werden im institutionellen Bereich (Gale­ rien, Museen usw.) und andere in den Straßen weiterentwickelt werden. Was ist dein nächstes Ziel? Zu versuchen, Dinge so gut ich kann voranzutreiben. Die Gren­ zen aller Prozesse innerhalb meiner Lebensspanne (ohne jetzt dramatisch klingen zu wollen) zu verschieben. Ich bin immer interessiert am Experimentieren mit neuen Werkzeugen und Materialien, auf der Suche nach neuen Ideen, neuen Ansätzen. Ich kann nie wirklich sicher sein, wann ich mich selbst führe und wann mich meine Arbeit leitet. Ich mag diese Unberechen­ barkeit. ¶ Alexandre Farto aka Vhils (geboren 1987) hat am Central Saint Martins Collage of Art and Design in London studiert und lebt seither dort, wenn er nicht gerade irgendwo auf der Welt Bilder in Hauswände sprengt. —www.alexandrefarto.com

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► f ly in g bac h ► Barockmusik im multisensorischen Remix

wohltemperierte breaks etan Bhatti ist wirklich kein großer Fan von Pop- haupt mit HipHop zusammenbringen? Die Bassstimme mit Klassik-Mischkulanzen. Zu oft geht es nur um einem HipHop-typischen Bass-Synth-Sound spielen, während erlauchten Gestus und einen gefälligen Stilmix, die höchste Stimme von einem elektronischen Klavinett über­ Kulturauftrag für das leitende Management, aber nommen wird, unmittelbares Übersetzen, war da eine der ein­ keine gegenseitige Annäherung. Und eigentlich fachsten Lösungen. Aber auch eigene Bach-Neueinspielungen beschäftigt sich Ketan Bhatti nicht einmal sonderlich intensiv wurden gesampelt oder verfremdet, wurden gecuttet, gemixt damit … sagt er. Das ist erstaunlich, arbeitet er doch laufend oder mit analogem Vinyl-Kratzen angereichert – also mit ganz an einer Synthese von zwei sehr unterschiedlichen Stilen. Als charakteristischen Techniken und Sounds aus dem HipHop be­ Stipendiat an der Kunst-Uni Berlin beschäftigt sich der mehr­ arbeitet. Für die Arbeit an »Flying Bach« haben Ketan und Vivan fache Preisträger, so seine Website, »mit dem ästhetischen Innovationspotenzial von mimetischen Prozessen zwischen Bhatti 2010 den Echo-Klassik Sonderpreis bekommen. Verdien­ einander fremden Ausdrucksformen«. Oha. Im persönlichen termaßen, denn ihre Remixe sind klar der herausragendste Teil Gespräch spricht er dann von der »Bruchstelle zwischen E-Mu­ des Werks –sie schaffen punktgenau den Brückenschlag zwi­ sik und Street-Kultur«. Mit sechs hat er mit Klavier begonnen, schen wertiger Barockmusik und hip-cooler Jugendkultur fast mit zwölf Schlagzeug, später spielte er HipHop, Soul und Jazz ohne Imageverluste. Die anderen zentralen Elemente der Perfor­ und kann dadurch sowohl einem Theater, einem Komponisten mance – Breakdance und originale Bach-Live-Interpretationen oder auch Breakdancern das richtige Werk abliefern, also eine auf Klavier und Cembalo – spielen sich hingegen nebeneinander Partitur, eine CD oder auch eine Partitur mit CD-Playbacks. Er ab. Die technisch einwandfreien Figuren der B-Boys der Flying kennt die Arbeitsweisen und ist in den verschiedenen Welten zu Steps passen nur so irgendwie auf die Musik drauf, die getanzte Geschichte ist nicht immer nachvollziehbar, die Bach-Interpre­ Hause, weil ihn Fachidiotie nie interessierte. Für die multimediale Dance-Performance »Flying Bach« tationen nicht allererste Schaumware. Im Zusammenspiel aber musste Ketan Bhatti gemeinsam mit seinem Bruder Vivan ver­ ist »Flying Bach« mindestens ein sehr gelungenes Experiment: suchen, die barocke Polyphonie der Stimmen von Johann Seba­ was bei der leicht bemüht wirkenden Mischung aus Barockmu­ stian Bach und deren ständige, fließende Progression mit den in sik, Bach-Remixen, Visualisierung und Breakdance so ja kaum sich kreisenden Beatschleifen von HipHop zu verschränken. Sie zu erwarten war. Wer’s braucht – hmm – fragt sich bei anderen mussten immer wieder neue Wege finden, diese laufenden Wei­ crossmedialen Kunstformen wie Ballett, VJing oder postmoder­ ¶ terentwicklungen der Vorlage – das Wohltemperierte Klavier – nem Regietheater ja auch niemand. nachzuahmen, abzubilden oder zu variieren. Es gab aber zumin­ dest ein sehr präzises Rhythmus-Korsett. Die Fuge in D-Dur sei in dieser Hinsicht relativ einfach mit HipHop-Sounds zu »Flying Bach« mit Breakdance der Flying Steps und Musik von instrumentieren gewesen, während das bei der fast elegischen Johann Sebastian Bach sowie Ketan und Vivan Bhatti gastiert am Fuge in Es-Moll schon komplizierter geriet. Vor allem aber 5., 6., 12. und 13. November 2011 im Burgtheater Wien. Ermöglicht stellte sich die Frage: Wie kann man eine barocke Fuge über­ wurde das Projekt von Red Bull.

text STEFAN NIEDERWIESER BILD DEAN TREML / RED BULL CONTENT POOL

Die Brüder Ketan und Vivan Bhatti haben Johann Sebastian Bach remixt. Gähn. Viel spannender ist das Wie.


Du willst etwas bewegen. Eine Geschichte schreiben, die womöglich Geschichte schreibt. ,,Die Presse” gibt dir die Möglichkeit, zwei Wochen als Reporter an der Seite von Thomas Seifert zu arbeiten und von einem aufregenden Ort dieser Welt zu berichten.

Mehr Infos dazu - und zum Zusatzbewerb Reporter’12-Ost mit Wieland Schneider unter: DiePresse.com/reporter12

In Kooperation mit


► Lida M a r i nkova ► K leidung aus Glas

die glasschneiderin Kleider aus Glas und Keramik – Crossover-Design jenseits von Konventionen und Kuschelstoffen.

ine junge Modekünstlerin aus Österreich setzt bei ih­ rer Abschlussarbeit an der Modeschule Hetzendorf auf eine alternative Ästhetik. Ihre Kollektion basiert auf für Mode eher ungewöhnlichen Stoffen. Sie bestehen aus Glas, Keramik und Acryl. Durch die Verwendung starrer Materialien wirken die Kleider in einem neuen Kontext. Die einzelnen Stücke sind nicht mehr bloße Verzierung eines Körpers, sondern unabhän­ gige Kunstwerke, denen der Körper bloß als Gerüst dient. Die Abwesenheit von Funktionalität und der Möglichkeit, den Kör­ per auf herkömmliche Weise zu bedecken, verschafft der Kol­ lektion ein gewisses Fragezeichen: Geht es hier überhaupt noch um »Bekleidung«?

Warum hast du dir für deine Abschlussarbeit etwas so Ausgefallenes wie eine ganze Kollektion aus Glas, Keramik und Acryl ausgedacht? Für mich war klar, dass ich mich von den Konventionen der Mode lösen muss, um etwas Neuartiges zu schaffen. Mode lebt von Fusionen, andernfalls wäre ein Stillstand vorprogrammiert. Es ging mir bei meiner Kollektion nicht nur darum, ausgefallene Materialien zu verwenden, sondern vor allem auch um den fach­ gemäßen und außergewöhnlichen Umgang mit denselbigen. Es mussten also, neben der handwerklich hochwertigen Verarbei­ tung der Werkstoffe, auch vor allem der Entwurf und das Design anspruchsvoll sein. Mit neuen Methoden und Techniken wollte ich den Modebegriff ein Stückchen erweitern. Konntest du die Teile allein produzieren, oder hattest du Hilfe von Handwerkern? War es einfach, jemanden zu finden, der dich bei diesem Projekt unterstützt? Um meine Entwürfe umzusetzen, habe ich mit Leuten aus diversen Bereichen zusammengearbeitet. Die Vernetzung ver­ schiedener Disziplinen macht einen wichtigen Teil meiner Ar­ beit aus. Für Dinge wie die Glasbläserei musste ich mit Leuten zusammenarbeiten, die dieses Handwerk beherrschen. Es war nicht immer leicht jemanden zu finden, der mir letztendlich bei der Umsetzung bei diesem sehr aufwendigen Projekt helfen konnte, da ich am Anfang oft auf Unverständnis gestoßen bin.


text teresa reiter

Fotograf / Video Juergen Hammerschmid Model Martina Dimitrova / wienermodels Haare & MakeUp Patrick Glatthaar Styling Marcos Valenzuela Designer Lida Marinkova

Was sind die Schwierigkeiten bei der Arbeit mit diesen für Mode eher un­typischen Materialien? Was reizt dich an dieser Arbeit? Die größte Herausforderung dabei war es, eine Brücke zwi­ schen der Beschaffenheit des Materials und meinem ästhe­ tischen Empfinden zu schaffen. Es war wichtig, eine Kom­ munikation mit dem Material herzustellen, um es in seiner natürlichsten, jedoch trotzdem sehr persönlichen Art und Wei­ se zu verarbeiten. Die Faszination des Glases zum Beispiel be­ steht darin, dass ihm so viele unterschiedliche Attribute zuge­ ordnet werden. Es wirkt durch seine Transparenz vor allem rein und klar, jedoch ist es durch seine Fragilität auch zerbrechlich. Indem man das Glas nun an den Körper bringt, ist man einer­ seits geschützt, weil man bedeckt ist, andererseits, aufgrund seiner Brüchigkeit, gleichzeitig gefährdet. Außerdem ist man zugleich angezogen, durch die Transparenz aber auch nackt. Di­ ese Zweideutigkeit macht den Reiz des Glases aus. Kann man diese Kleider auch tragen? Soll man sie überhaupt tragen oder sind sie eher Skulpturen? Die Teile sind nicht als funktionale Kleidungsstücke gedacht, sondern der Körper dient vielmehr als Träger der Objekte, die durch ihre Einzigartigkeit wie Kunst am Körper wirken können. Steife Materialien sind im Gegensatz zu weichen autonom, das heißt, sie behalten auch in der Abwesenheit der Körpers ihre

ursprüngliche Form. Die menschlichen Formen, die in dem Ob­ jekt erkennbar sind, weisen auf den Körper hin, auch wenn das jeweilige Stück alleine ausgestellt ist. Wie schätzt du die Chance ein, dass deine Objekte einen Abnehmer finden? Gibt es eine potenzielle Zielgruppe? Es gibt immer eine Zielgruppe für außergewöhnliches Design. Es ist schade, dass die Kreativität unter dem saisonalen Druck der Mode so einbüßen muss. Nur wenige Designer nehmen sich ausreichend Zeit, um etwas Innovatives zu entwickeln. Ich fin­ de aber, dass genau das in unserer Zeit benötigt wird. Es sollte nicht nur um schnellen Konsum gehen, sondern vor allem um hochwertiges, gut durchdachtes und zeitloses Design. ¶

Lida Marinkova wurde 1988 in Sofia geboren und wuchs in Österreich auf. Sie studierte Modedesign am Instituto Marangoni in London, bevor sie in Wien ihren Abschluss an der Modeschule Hetzendorf in Kooperation mit der Kunstuniversität Linz machte. Sie absolvierte Praktika bei den Modedesignern Ada Zanditon und Giles in London und sammelte Erfahrungen bei dem Schneider Aziz Rahmans, der unter anderem für Burberry arbeitet. AU S GA B E 1 2 0 / 0 3 9 ◄


► SVA- D e bat t e ► W ie könnten Selbstständige sinnvoll, fair und zeitgemäß versichert werden?

solidarität 1.0 versus realität 2011

www.thegap.at/wortwechsel

Tausende Selbstständige machen im Netz gegen die existenzgefährdenden Ungerechtigkeiten im Sozialversicherungssystem mobil. Gehört die SVA zerschlagen? Wie lässt sich ein offensichtlich überholtes System für alle Betroffenen fair und zeitgemäß umgestalten?

»Sozialversicherung nicht für alle sozial«

Brachte eine längst fällige Debatte in Gang: die Datum-Coverstory von Benedikt Narodoslawsky.

Das Bild des Unternehmers hat sich ver­ ändert: Führte der Selbstständige früher einen Betrieb, in dem er Arbeiter beschäf­ tigte, so ist er heute in der Regel Allein­ unternehmer – der Betrieb ist er selbst. Fällt der klassische Unternehmer krank­ heitsbedingt aus, so läuft der Betrieb dank der Angestellten weiter. Fällt ein Alleinunternehmer aus, steht der gan­ ze Betrieb. Er ist dann nicht nur krank, sondern kommt in Geldnot. Alleinunter­ nehmer gehören im Krankheitsfall ge­ schützt; die Politik hat dafür noch nicht genug getan. Derzeit bekommen nur Ar­ beitnehmer Krankengeld – Selbstständige müssen sich dafür zusätzlich versichern. Überspitzt formuliert: Der angestellte Top-Manager ist abgesichert, der selbst­ ständige, prekär lebende Friseur nicht. Dabei sollte eine Sozialversicherung für alle sozial sein. ¶ Benedikt Narodoslawsky, 27, ist Redakteur und selbst SVA-Versicherter. Seine Coverstory für das Monatsmagazin Datum war ein maßgeblicher Impuls der Protestbewegung gegen die SVA. Ein ausführliches Interview mit Naradoslawsky gibt es auf www.thegap.at

DOKUMENTATION Andreas P. Jagersberger BILD BENNY LINECKER, ROLAND UNGER, PAUL FEUERSÄNGER, SVA

elbstständig zu sein ist heut­ zutage nicht einfach. Die SVA zu sein aber auch nicht. In Österreich gibt es über 300.000 Personen, die aus­ schließlich selbstständig tätig sind. Versi­ chert sind sie bei der SVA (Sozialversiche­ rungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft) und die gerät zunehmend in Kritik. Vor allem der Vorwurf, die Sozialversicherung sei alles andere als sozial, zieht sich quer durch die Medien. Betrachtet man, dass alleine 2010 über 10 Prozent der SVA-Ver­ sicherten, das sind immerhin über 30.000 Personen, Besuch vom Exekutor bekamen, weil sie ihre Beiträge nicht zahlen konn­ ten, wird dies verständlich. Mittlerwei­ le haben sich auf Facebook und anderen sozialen Netzwerken tausende Menschen gefunden, um lautstark gegen die Unge­ rechtigkeiten im System und die SVA zu protestieren. Angeprangert werden vor allem unsoziale Beitragsforderungen von Kleinstverdienern, die prozentuell mehr von ihrem Einkommen an die SVA geben müssen als die 15 Prozent der Höchstver­ diener sowie das unübersichtliche Vor­ aus- und Nachzahlungssystem und die unzureichende Absicherung im Falle lang­ fristiger Krankheiten und Arbeitslosig­ keit. All diese Probleme gehören definitiv gelöst, Protest ist angebracht. In der Kri­ tik steht die SVA. Viele Betroffene sehen in ihr den ungerechten Eintreiber, der sie an den Rand der Existenznot drängt. Dass die SVA selbst aber »nur« ein ausführendes Organ ist und durch die Gesetzgebung im Sozialversicherungsrecht in ihrem Han­ deln nur wenig Spielraum hat, das wird in diesen durchaus emotional geführten Pro­ testen übersehen oder vergessen. Wirklich gefordert ist die Politik, die bis­ weilen nur zugesehen und/oder ignoriert hat, wie es um die Lage der heimischen Selbstständigen eigentlich steht. Sie gibt die Spielregeln für das Sozialversiche­ rungssystem vor und die sind momentan – wie so vieles in diesem Land – reformbe­ dürftig und alles andere als sozial. ¶


»SVA muss Dienstleister werden« »Politik muss Rahmenbedingungen ändern«

»Höchstverdiener aus der Solidarität entlassen« Die derzeitige SVA-Debatte ist die Kehr­ seite des Rückgangs des Normalarbeits­ verhältnisses und der damit verbunde­ nen Gründerwelle, die viele Klein- und Kleinstunternehmer hervorgebracht hat. Diese sehen weniger den durch die Sozi­ alversicherung vermittelten Schutz, der ja zumeist erwünscht ist, als Problem, sondern die Beitragspflicht, die rund 27 Prozent des Einkommens ausmacht. Ver­ schärfend kommt gerade am Beginn der Selbstständigkeit dazu, dass die Abgaben häufig erst im Nachhinein bezahlt werden und dies – kombiniert mit der Vorschrei­ bung für das laufende Jahr – die finanzielle Leistungsfähigkeit oft übersteigt. Das ist ein Problem der Kostenplanung, das der SVA nicht vorgeworfen werden kann. Setzt man am Grundsätzlichen an, so geht es um die Frage, von wem und wie soziale Absicherung finanziert werden soll. Im Wesentlichen kann zwischen steuer- oder beitragsfinanzierten Syste­ men unterschieden werden. Österreich ist zweiteren Weg gegangen, wobei der Unterschied neben den höheren Geldleis­ tungen für den Einzelnen sowie der stär­ keren Individualisierung von Beitrag und Leistung vor allem in der Höchstbeitrags­ grundlage liegt – vom darüber liegenden Einkommen werden keine Beiträge mehr bezahlt. Damit sinkt die Abgabenquote ab dieser Grenze für höhere Einkommen, die so aus der Solidarität mit den Geringer­ verdienenden entlassen werden. Gerade für die Krankenversicherung ist fraglich, wie lange diese noch aufrecht erhalten werden kann. ¶ Martin Risak, 41, ist am Wiener Juridicum Professor für Arbeits- und Sozialrecht sowie Autor und Schriftleiter der Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht (ZAS)

60 Prozent der SVA-Versicherten zahlen von der Mindestbeitragsgrundlage So­ zialversicherung. Das führt dazu, dass Kleinstverdiener höhere SV-Beiträge zah­ len müssen als Gutverdienende. So muss beispielsweise jemand, der monatlich 600 Euro verdient, 33 Prozent (200 Euro) So­ zialversicherung bezahlen, jemand der im Monat 10.000 Euro verdient nur 12 Prozent. Die Versicherungsbeiträge sind also wenig sozial gestaltet. Im Sinne der Fairness muss die Mindestbeitragsgrundlage gänzlich ab­ geschafft werden. Auch dass Selbständige 20 Prozent der Arztkosten zahlen, die durchschnittlich deutlich besser verdienenden Angestellten aber nicht, ist ungerecht und unzeitgemäß. Historisch mag es gerechtfertigt gewesen sein, den »reichen Unternehmern« einen Selbstbehalt zu verrechnen, die aktuelle Einkommenssituation der Mehrheit der Selbstständigen rechtfertigt das allerdings keineswegs mehr. Eine wirkliche Verbesserung für armuts­ gefährdete Selbstständige wäre eine Lö­ sung ähnlich der Einkommenssteuer: die ersten 11.000 Euro gänzlich beitragsfrei zu stellen und trotzdem eine medizinische Grundversorgung zu gewähren. Polizei und Feuerwehr darf schließlich auch jeder Bür­ ger anrufen, selbst wenn er oder sie keine Einkommensteuer bezahlt. Gäbe es eine solche Lösung, müsste die SVA auch nicht die Beiträge von rund 10 Prozent der Ver­ sicherten (ca. 33.000) per Exekution bzw. Ratenzahlungen eintreiben. Man muss sich vor Augen halten, dass Selbständige, – überspitzt formuliert – bevor sie Nahrung für ihre Kinder kaufen können, SVA-Bei­ träge bezahlen müssen, das vermeintliche soziale Netz zum Armutstreiber wird. Denn durch Mahnspesen und Gerichtsgebühren wird alles noch teurer und es bildet sich eine Abwärtsspirale. Die SVA muss nach den bestehenden Ge­ setzen agieren. Diese gehören geändert! Wenn die Mehrheit der Selbstständigen von ihrer Arbeit nicht leben kann, dann ist die Politik gefordert, die Rahmenbedingungen zu verbessern. ¶ Martina Schubert, 46, ist Autorin des Buchs »Ausreichend verdienen im Ein-PersonenUnternehmen« und Geschäftsführerin des FO.FO.S – Forum zur Förderung der Selbständigkeit. www.fofos.at

Ich habe großes Verständnis für die oft schwierige Situation unserer Versicherten, den Selbstständigen. Gerade in wirtschaft­ lich schwierigen Zeiten haben wir vielen unserer Versicherten z.B. durch Stundung ihrer Versichertenprämie helfen können. Mir ist es wichtig, die Anliegen ernst zu nehmen, alle Vorwürfe zu analysieren und als SVA in einen konstruktiven Dialog mit unseren Versicherten zu treten. In den letz­ ten Jahren haben Wirtschaftskammer und SVA viel erreicht um das Versicherungssy­ stem für Selbstständige zu verbessern und die Beiträge möglichst zu senken. So wurde 2005 der Mindestbeitrag der Krankenver­ sicherung halbiert und beträgt nun 1,50 Euro pro Tag, 2008 konnten alle Beiträge um 15 Prozent gesenkt werden. Bei geringen Einkünften ist auch für Gewerbetreibende die Ausnahme von der Pflichtversicherung möglich. Selbstständige behalten die An­ sprüche auf Arbeitslosengeld von einer früheren unselbständigen Tätigkeit oder haben die Möglichkeit, eine Arbeitslosen­ versicherung und eine Zusatzversicherung für den Krankheitsfall abzuschließen. Auch eine Beitragsreduktion bei Umsatzrück­ gängen kann erwirkt werden. All das sind Entwicklungen der letzten Monate und Jah­ re und die nächsten Schritte sind schon in Verhandlung – etwa Verbesserungen beim Wochengeld-Bezug, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Unserer Ansicht nach gibt es noch einige Situationen, wo Handlungsbedarf besteht und wo wir versuchen, das Sozialministe­ rium und den Gesetzgeber zu überzeugen. Dann nämlich, wenn Versicherte bei langer Krankheit ausfallen. Der Staat springt in solchen Fällen bei Arbeitnehmern ein, ge­ rade hier bedarf es auch für Selbstständige unterstützende Absicherungsmaßnahmen. Das haben SVA und Wirtschaftskammer beim Sozialministerium bereits eingefor­ dert, bisher allerdings – in dieser Sache – erfolglos. Modernisierungen, Verbesserungen und Weiterentwicklungen finden in der SVA laufend statt, denn auch die Unternehmer­ schaft ist in einem ständigen Wandel. Man darf aber nicht vergessen, dass den Rahmen der Gesetzgeber vorgibt. Wir bringen uns immer wieder mit Verbesserungen ein und die SVA beschreitet immer stärker einen Weg vom Amt zum Dienstleister. ¶ Peter McDonald, 38, ist stellvertretender Obmann der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA). AU S GA B E 1 2 0/ 0 4 1 ◄


► pr o sa ► Gerhild Steinbuch

SCHÖNHEIT UND VERGÄNGLICHKEIT 05.10.2011 – 22.01.2012 Zoran Mušič Porträt, 1991 Öl auf Leinwand 162 × 130 cm © VBK, Wien, 2011 Fotonachweis: Zoran Mušič / Privat

Leben im Zeitraffer • Das Gelbe von allem •

Vorm Spiegel kann man schon mal den Nachdenkschleudergang einlegen. Ein rasanter Text übers Leben in Listen. Spiegelverkehrtheit zum Rückspulen.

Beginnen wir am Anfang: Die Betrach­ tung des eigenen Spiegelbilds. Diese Unschärfe! Der Bezug muss weg. Hier sehen Sie, sagt die Person und tritt einen Schritt von ihrem Spiegelbild zurück, hier sehen Sie eine jämmerliche Gestalt: Haltung jämmerlich, Blick jämmerlich, Gang jämmerlich, Lächeln jämmer­ lich, Haarwuchs jämmerlich, Ärmchen jämmerlich, runder Rücken jämmerlich, Bauchnabel jämmerlich, Vasenform jämmerlich, Männlichkeit jämmerlich, Hautbild jämmerlich, Hemd jämmerlich, Gestik jämmerlich, Zucken jämmerlich, Wutausbruch jämmerlich, Muskulatur jämmerlich, Angst jämmerlich; hier spu­ len Sie vor, hier zurück, Sie sehen eine Aufzeichnung, mehr nicht. Schönheit ist Klarheit in der Form. Das Leben wird in Listen notiert. Men­ schen werden in Listen notiert, Häuser werden in Listen notiert, Verkehrsmittel werden in Listen notiert, Kennzeichen werden in Listen notiert, Straßen werden in Listen notiert, Städte werden in Listen notiert, Läden werden in Listen notiert, Hobbies werden in Listen notiert. Arbeit wird in Listen notiert. Unaushaltbare Dinge werden in Listen notiert. Aus­ haltbare Dinge werden in Listen notiert. Messerscharfe Dinge werden in Listen notiert. Messerscharfe Gedanken werden in Listen notiert. Messerscharfe Tage werden in Listen notiert. Heute ist ein messerscharfer Tag: Aus dem morgend­ lichen Wasserbad erwächst ein Mann von trauriger Gestalt. Zu ihm gehört der runde Rücken; der mächtige Rumpf, der zierliche Gang, alles seins. Er tastet sich durch die Welt, die von einer so großen Klarheit ist, dass sie durch Unachtsamund Unbedachtsamkeit zu zerbrechen droht. Mit dem Wissen um die Brüchig­ keit, die in jeden Gedanken hineinkalku­ liert werden muss, hält er immer wieder inne, steht windschief zwischen den Menschen und den Läden und den Autos

und dem Lärm, und wenn er aus der Bahn geworfen wird und einen Schrei ausstößt und sich die Hand auf den Mund schlägt hintennach, hat er ein Gefühl, dass alles aus Papier ist in Wirklichkeit, und es be­ fällt ihn Angst. Um die Welt, einmal um die Welt herum, ein Netz, das nun zu­ sammengezogen wird, der Gesamtinhalt quillt ihm entgegen: Gebrüll, tausend­ händiges Schulterklopfen, Wangenknei­ fen, Zureden, Diskutieren, Überzeugen, Entern, Anrempeln, Anhauchen, Ausdün­ sten, Blockieren, Verwirren, Verlassen, Verwerfen, Angst, Angst, Angst, du meine Güte. Listen ordnen Kopf und Leben wieder, formulieren Anspruch, Listen schaffen Abgrenzung, Listen als Lan­ dungsbrücken. Zumeist befindet er sich im Versorgungstunnel, den er sich selbst herbeigeschrieben hat. Der ist eine dicke Haut, durch die weder etwas hinein noch etwas rauskommt. Papiernes Dasein in der papiernen Welt, Beobachterdasein, Listen als Brückengeländer, Haltegriffe, Zebrastreifen. Aber trotz listiger Genauigkeit wird der wuchtige Körper dieses Menschen von gegensätzlichen Zuständen gebeutelt, die er sich nicht zu erklären vermag. Da ist zum einen diese absolute Klarheit, unter der jedes Gefühl verschütt geht, ist zum anderen trotzdem: Panik. Kribbelt, beißt, bohrt, drängt, egal, wie acht- und sorg­ sam er den Tunnel vorwärtstreibt und -schreibt. Und jetzt ist da diese Einladung, zum Beispiel. Dinge, die sich nicht aus­ halten lassen: Denkstopp, zum Beispiel. Aber Menschen lassen sich aushalten, Zusammenkünfte lassen sich aushalten, Partys lassen sich aushalten, Geburtstage lassen sich aushalten, Reden lässt sich aushalten, Trinken lässt sich aushalten, Rumstehen lässt sich aushalten, und hier, genau hier, wo er nun herumsteht, findet man zueinander zum geselligen Beisam­ mensein. Es herrscht Einigkeit über die bereits jetzt vorhandene Qualität des


43 Ad Personam hauptsächlich bevorstehenden Abends. Und unser klobiger Mensch: großer Auftritt. Durch den Türrahmen drücken, unauffällig, den Türrahmen versperren: unvermeidlich. Gelächter auf sich bezie­ hen, alles auf sich beziehen, unterhalten, abwarten, aushalten. Nettes, zum Bei­ spiel. Nettes lässt sich aushalten; nette Wohnungen lassen sich aushalten, nette Menschen lassen sich aushalten, nette Sätze lassen sich aushalten, nette Haare lassen sich aushalten, nette Schuhe lassen sich aushalten, nette Blicke lassen sich aushalten, nette Lügen lassen sich aushalten, nett dazugehören lässt sich ganz gut aushalten, zum Beispiel, aber der Körper passt ihm nicht mit der Spra­ che zusammen, Sprache passt nicht mit Kopf zusammen, Kopf passt nicht mit Körper zusammen, du meine Güte. Jetzt kommt was ins Stocken. Alles falsch. Abend beenden, Aushalten beenden, Bezug beenden, Lügen beenden, nette Gespräche beenden durch das Entleeren der Bierflasche ins Gesicht des anderen. Gesichter zerfließen, formen sich neu, da hat er schon wieder den Notizblock unter der Nasenspitze und notiert emsig, um zurück zu einer Klarheit zu gelan­ gen, weg von Zusammenrottung, Körper, Lärm, Geruch, Gehören; Angreifen gleich: bauchstreicheln, seitenkneifen, arm­ berühren, blickwerfen; Sprache gleich: kokettieren, imitieren, verbinden, ver­ haften. Igitt. Nicht erklären, und durch nichts in der Welt davon abzubringen, nicht sprechen, wenn sich ohnehin nichts aussprechen lässt: runterbrechen. Spra­ che runterbrechen. Gefühl runterbrechen. Körper runterbrechen. Leben runter­ brechen. Alles runterbrechen. Alles auf Liste. Schönheit ist Klarheit in der Form: Nicht zerrissen zwischen jämmerlichen Versuchen an ein Leben ranzukommen, nicht Trottelgefühl in jeder Faser, Welt runterbrechen, hier zurückspulen. ¶

Gerhild Steinbuch, geboren 1983 in Mödling, aufge­ wachsen am Semmering, studierte Szenisches Schrei­ ben in Graz. Der literarische Durchbruch stellte sich bei der passionierten Schlagzeug- und Klavierspielerin recht schnell ein, etwa mit dem Retzhofer Literaturpreis 2003 oder der Teilnahme am Bachmann-Preis 2005. Dazwischen Stipendien und Aufenthalte als Schreibe­ rin in Theaterhäusern, wie vor zwei Jahren als Haus­ autorin im Wiener Schauspielhaus. Derzeit schreibt die 28-Jährige an ihrem ersten Roman »Berge und Täler mit Männern und Frauen«. Ihr Text »Am Schönsten ist das was bereits verschwunden ist«, ein Mix aus Perfor­ mance und Audiowalk, wird beim Steirischen Herbst am 7. Oktober in Graz uraufgeführt. ▪

Gerhild Steinbuchs Text und Zoran Musics Porträt erschienen im Kunst-Lesebuch zur Ausstellung »SCHÖNHEIT UND VERGÄNGLICHKEIT« im Essl Museum.

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► wo r kstat ion ► Menschen am Arbeitsplatz bild MATTHIAS HOMBAUER doku JOHANNES PILLER

Sarah Jungreithmayr, 23, gelernte Kunststoff-Formgeberin — Shopmanagerin im Impossible Project Space Vienna Als Sarah im Familienfotoalbum ihrer Eltern ein Polaroid von sich als Kind entdeckte, war sie davon so begeistert, dass sie sich fort an nur mehr für den Moment und das analoge Sofortbild interessierte. 2008 drohte der Polaroid-Fotografie das Aus und die Firma verkündete, die Produktion des Sofortbildfilms völlig einzustellen. In letzter Minute rettete Florian Kaps die letzte intakte Polaroid-Fabrik vor dem Abriss. Bereits 2006 eröffnet er seiner ersten Laden in Wien, der sich ausschließlich mit der Polaroid-Fotografie beschäftigt. Sarah hat sich einfach bei ihm beworben und ist nun Teil des Impossible Project. Mit diesem wollen sie das Analoge, Einmalige, Haptische und Echte in einer digitalen Welt am Leben halten und feiern. Besonders gefällt Sarah, dass sie Menschen in einer digitalen Welt, deren Fotos auf Festplatten verschwinden oder im Daten-Nirvana landen, die Sofortbildfotografie näher bringen darf. Den Shop in der Westbahnstraße 38 gibt es seit Sommer 2011, wo sie anlässlich der Polaroid [Im]Possible-Ausstellung in der Galerie Westlicht einzogen. Ihr privates Lieblingsstück ist die Polaroid SX70, eine Spiegelreflex-Sofortbildkamera aus den 70er Jahren. — www.shop.the-impossible-project.com



Daniel Müller, 31, Fahrradmechaniker

Wer von Kindheit an durch die Eltern von einem bestimmten Thema durch und durch geprägt wird, schlägt später eine komplett andere Laufbahn ein oder lebt diese zumindest voll und ganz aus. Zweiteres war bei Daniel »Danny« Müller der Fall. Sein Vater war Radrennfahrer auf Bahn und Straße. Somit war der Weg zum Fahrradmechaniker nicht allzu weit. Seit acht Jahren ist der 31-jährige nun bei dem äußerst beliebten Leihradsystem Citybike Wien tätig. Zur selben Zeit etwa hatte Daniel sich sein erstes Fixie zusammengebaut. Seitdem ist er nicht mehr davon wegzubekommen und hat mehrere tausende Kilometer mit starrem Antrieb hinter sich gebracht; auch als Fahrradbote. Im April 2010 eröffnete er die »FixDich Track Bike Boutique«, wo Custom-Bikes nach individuellen Wünschen der Kunden zusammengebaut werden. Kommendes Jahr will er zu 100 Prozent davon leben können. Wenig überraschend ist er der Ansicht, dass die zu überwindenden Distanzen innerhalb der Stadt meist so gering sind, dass sich das Starten des Autos gar nicht erst auszahlt. Die Stadtregierung dürfte laut ihm ruhig einen mutigen Schritt wagen und Autos aus der Stadt so weit wie möglich verbannen, um mehr Lebensraum für alle zu schaffen. — www.fixdich.at



â–ş Lida M a r i nkova â–ş K leidung aus Glas


text teresa reiter bild ###

ine junge Modekünstlerin aus Österreich setzt bei ihrer Ab­ schlussarbeit an der Modeschule Hetzendorf auf eine alter­ native Ästhetik. Ihre Kollektion basiert auf für Mode eher ungewöhnlichen Stoffen. Sie bestehen aus Glas, Keramik und Acryl. Durch die Verwendung starrer Materialien wirken die Kleider in einem neuen Kontext. Die einzelnen Stücke sind nicht mehr bloße Verzierung eines Körpers, sondern unabhängige Kunstwerke, denen der Körper bloß als Gerüst dient. Die Abwesenheit von Funktiona­ lität und der Möglichkeit, den Körper auf herkömmliche Weise zu bedecken, verschafft der Kollektion ein gewisses Fragezeichen: Geht es hier überhaupt noch um »Bekleidung«? Warum hast du dir für deine Abschlussarbeit etwas so Ausgefallenes wie eine ganze Kollektion aus Glas, Keramik und Acryl ausgedacht? Für mich war klar, dass ich mich von den Konventionen der Mode lösen muss, um etwas Neuartiges zu schaffen. Mode lebt von Fusionen, andernfalls wäre ein Stillstand vorprogrammiert. Es ging mir bei meiner Kollektion nicht nur da­ rum, ausgefallene Materialien zu verwenden, sondern vor allem auch um den fachgemäßen und außergewöhnlichen Umgang mit denselbigen. Es mussten also, neben der handwerklich hochwertigen Verarbeitung der Werkstoffe, auch vor allem der Entwurf und das Design anspruchsvoll sein. Mit neuen Methoden und Techniken wollte ich den Modebegriff ein Stückchen erweitern. Konntest du die Teile allein produzieren, oder hattest du Hilfe von Handwerkern? War es einfach, jemanden zu finden, der dich bei diesem Projekt unterstützt? Um meine Entwürfe umzusetzen, habe ich mit Leuten aus diversen Be­ reichen zusammengearbeitet. Die Vernetzung verschiedener Disziplinen macht einen wichtigen Teil meiner Arbeit aus. Für Dinge wie die Glasbläserei musste ich mit Leuten zusammenarbeiten, die dieses Handwerk beherrschen. Es war nicht immer leicht jemanden zu finden, der mir letztendlich bei der Umsetzung bei diesem sehr aufwendigen Projekt helfen konnte, da ich am An­ fang oft auf Unverständnis gestoßen bin. Was sind die Schwierigkeiten bei der Arbeit mit diesen für Mode eher un­ typischen Materialien? Was reizt dich an dieser Arbeit? Die größte Herausforderung dabei war es, eine Brücke zwischen der Be­ schaffenheit des Materials und meinem ästhetischen Empfinden zu schaf­ fen. Es war wichtig, eine Kommunikation mit dem Material herzustellen, um es in seiner natürlichsten, jedoch trotzdem sehr persönlichen Art und Weise zu verarbeiten. Die Faszination des Glases zum Beispiel besteht darin, dass ihm so viele unterschiedliche Attribute zugeordnet werden. Es wirkt durch seine Transparenz vor allem rein und klar, jedoch ist es durch seine Fragilität auch zerbrechlich. Indem man das Glas nun an den Körper bringt, ist man einerseits geschützt, weil man bedeckt ist, andererseits, aufgrund seiner Brü­ chigkeit, gleichzeitig gefährdet. Außerdem ist man zugleich angezogen, durch die Transparenz aber auch nackt. Diese Zweideutigkeit macht den Reiz des Glases aus. Kann man diese Kleider auch tragen? Soll man sie überhaupt tragen oder sind sie eher Skulpturen? Die Teile sind nicht als funktionale Kleidungsstücke gedacht, sondern der Körper dient vielmehr als Träger der Objekte, die durch ihre Einzigartigkeit wie Kunst am Körper wirken können. Steife Materialien sind im Gegensatz zu weichen autonom, das heißt, sie behalten auch in der Abwesenheit der Kör­ pers ihre ursprüngliche Form. Die menschlichen Formen, die in dem Objekt erkennbar sind, weisen auf den Körper hin, auch wenn das jeweilige Stück al­ leine ausgestellt ist. Wie schätzt du die Chance ein, dass deine Objekte einen Abnehmer finden? Gibt es eine potenzielle Zielgruppe? Es gibt immer eine Zielgruppe für außergewöhnliches Design. Es ist schade, dass die Kreativität unter dem saisonalen Druck der Mode so einbüßen muss. Nur wenige Designer nehmen sich ausreichend Zeit, um etwas Innovatives zu entwickeln. Ich finde aber, dass genau das in unserer Zeit benötigt wird. Es sollte nicht nur um schnellen Konsum gehen, sondern vor allem um hochwer­ tiges, gut durchdachtes und zeitloses Design. ¶ Lida Marinkova wurde 1988 in Sofia geboren und wuchs in Österreich auf. Sie studierte Modedesign am Instituto Marangoni in London, bevor sie in Wien ihren Abschluss an der Modeschule Hetzendorf in Kooperation mit der Kunstuniversität Linz machte. Sie absolvierte Praktika bei den Modedesignern Ada Zanditon und Giles in London und sammelte Erfahrungen bei dem Schneider Aziz Rahmans, der unter anderem für Burberry arbeitet. AU S GA B E 1 2 0/ 0 4 9 ◄


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„ Mein Arbeitsplatz ist ein green job, weil ich dafür sorge, dass aus Wind umweltfreundlicher Strom wird.“


JOHANNA SCHARINGER WINDKRAFTTECHNIKERIN


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„ Mein Arbeitsplatz ist ein green job, weil ich Turbinen montiere, die mit der Kraft des Wassers saubere Energie erzeugen.“

THOMAS LEHNER TURBINENMONTEUR


„Unser Weg in Richtung Energieautarkie bringt nicht nur für Umwelt und Klima positive Effekte. Zusätzliche 100.000 green jobs sind bis 2020 möglich. Davon profitieren Arbeitsmarkt und Wirtschaft. So rechnet sich öko!“ Niki Berlakovich, Umweltminister

green jobs sind die Jobs der Zukunft

Was alle green jobs gemeinsam haben: Sie haben den Schutz unserer Umwelt zum Hauptzweck. Die Herausforderungen im Umweltbereich machen diesen Sektor zur einem der größten Wachstumsmärkte. green jobs vereinen Umwelt- und Klimaschutz mit Wirtschaftswachstum. Für junge Menschen bieten sie gleich in mehrfacher Hinsicht eine Perspektive. Erneuerbare Energien als größter Jobmotor Der Bereich Ressourcenmanagement – das heißt die Bereitstellung von erneuerbaren Energien sowie Leistungen im Bereich Energieeinsparung – ist mit knapp 40 % aller Umweltbeschäftigten und 52,8 % des gesamten Umweltumsatzes maßgeblich am Wachstum in diesem Sektor beteiligt. Bereits jetzt erwirtschaften 70.000 Menschen mit der Erzeugung und Bereitstellung von erneuerbarer Energie, der Errichtung von Passivund Niedrigenergiehäusern, sowie Dienstleistungen wie etwa thermischer Sanierung rund 16,6 Milliarden Euro. Energieautarkie green jobs wie Solar- oder WindkrafttechnikerIn, FacharbeiterIn für Biomasse oder WasserkrafttechnikerIn bringen uns dem Ziel der Energieautarkie einen großen Schritt näher. Studien bestätigen, dass Österreich bis 2050 energieautark sein könnte und aus heimischen Ressourcen so viel Energie erzeugt werden kann, wie wir selbst verbrauchen. Die Voraussetzungen in Österreich sind nahezu ideal: Neben den notwendigen erneuerbaren Ressourcen Wind, Sonne, Wasser und Biomasse verfügen wir über hervorragendes und international gefragtes Know-how im Bereich der Umwelt- und Effizienztechnologien. Die hundertprozentige Selbstversorgung mit sauberer, sicherer Energie bringt nicht nur für Umwelt und Klima positive Effekte, sondern auch für die Wirtschaft. All das schafft wiederum neue green jobs. www.green-jobs.at: Dieses einschlägige Karriereportal bietet allen Jobsuchenden einen umfassenden Einblick in die Umweltwirtschaft und listet offenen Stellen. Neben Jobprofilen und Unternehmensporträts präsentiert sich hier die österreichische Umweltbranche.


Advertorial — powered by impulse

_ Werbung zum Reinsetzen Die Idee der Kartonsitzmöbel ist im Prinzip nicht neu. Falthocker werden seit Jahrzehnten hergestellt und auch von renommierten Künstlern wie Frank O’Ghery gestaltet. In Australien werden sie seit einigen Jahren auch vereinzelt als Werbeflächen genutzt. »Bei diesen Modellen waren mehr oder weniger alle Anforderungen dabei, die ich auch bei meiner Idee durchsetzen wollte«, erklärt Agnes Topolai, Geschäftsführerin von picKsit. »Bis auf einen Punkt: die Australier mögen es casual und sitzen auf Bodenhöhe.« Topolai erstellte daraufhin die Vorgaben für den europäischen Markt: Der Branding Chair sollte eine Standardsitzhöhe von 40–42 cm ausweisen, über eine Rückenlehne verfügen und leicht zu Tragen, Stapeln und auf- und zuklappbar sein. Außerdem wichtig: Der picKsit-Sessel sollte bei einem geringen Eigengewicht eine Tragkraft von über 100 kg haben. Ausgestattet mit diesen Vorgaben fand Topolai mithilfe der TU Wien den jungen Industriedesigner Sergio Suchomel. Zusammen mit ihm und der Firma Neupack (Mayr-Melnhof Packaging) begann sie im Juni 2010 mit der Entwicklung. Ein Jahr später war das erste Modell (picKsit-indoor) fertig, das zweite Modell (picKsit-kid) folgte Ende August 2011. Die Kosten liegen, je nach Bestellmenge, zwischen 3 und 11 Euro. Das Kindermodell kann auch einzeln von Privatpersonen erworben werden. Die Kartonmöbel von picKsit verbinden Marketing- und Umweltgedanken. Die Sitzmodelle werden aus Recyclingkarton und Wellpappe hergestellt. Die Basis ist Altpapier, welches in Österreich bzw. in der EU gesammelt wird. Alle Modelle sind 100 % recyclebar. www.picksit.com

»Ich sage unseren Kunden immer scherzhaft, dass es mit uns nicht schlimm ist, wenn sie auf ihrer Werbung sitzen bleiben.« (Agnes Topolai, Geschäftsführerin picKsit)

Fotos: picKsit

Eine Wiener Firma liefert Werbesessel aus umweltfreundlichem Karton, die Eyecatcher, Marketinginstrument und bequemes Möbelstück zugleich sind.


picKsit in Aktion: Sergio Suchomel und Agnes Topolai benutzen ihre Produkte.

AGNES TOPOLAI über impulse Ich kann jedem kreativen Unternehmer empfehlen, sich bei impulse messen zu lassen. Die Fragebögen sind sehr logisch und gut strukturiert aufgebaut. Sie dienen auch als Hilfe, in seinem Projekt voranzukommen und selbst zu überprüfen: Wie gut ist mein Geschäftsmodell wirklich?

Wer hatte eigentlich die Idee für die picKsit-Sessel? Die Idee stammt von mir persönlich. Mich hat es einfach geärgert, immer nur Schlüsselanhänger, Trinkflaschen und Handtücher zu bekommen. Ich wusste schon vorher, dass Verpackungsmaterialien natürliche Werbeträger sind. Außerdem stand ich ständig auf Empfängen und Veranstaltungen herum, ohne einen Sitzplatz zu finden. Dann kam mir die Idee: Spontane Sitzmöglichkeiten plus die Funktion »Sponsoring Tool«.

erfordert weniger Kapital und wenig Personal. Praktisch bin ich alleine als geschäftsführende Gesellschafterin meiner GmbH und arbeite wie eine Drehscheibe für alle, die an meinem Projekt beteiligt sind: Industriedesigner, Grafiker, Produktionsstätten, Vertriebspartner. Mit Musterschutz und Markenrecht habe ich mich auch persönlich auseinandergesetzt. Aber ich habe einen Anwalt, der sein juristisches Know-how einbringt und zumindest alle Verträge prüft.

Wie reagieren die Leute auf picKsit? Müssen Sie viel Überzeugungsarbeit leisten? Die Fachjurys und Experten sind schon einmal begeistert. Die Vermarktung hat gerade angefangen und die ersten konkreten Angebote für das indoor-Modell, also die Werbesessel, sind draußen. Es haben sich schon eine ganze Reihe von Firmen interessiert gezeigt: Eventmanager, die ein Fest von mehreren Firmen in einem Wiener Bürokomplex und ein Mitarbeiterevent für eine Großbank planen, eine Werbeagentur für eine Versicherungsgesellschaft und Firmen aus der Telekommunikationsbranche. Das kid-Modell zum Selbstbemalen liegt bereits in mehreren Shops in Österreich auf und kann auch einzeln von Privatpersonen erworben werden. In welchen, kann man auf unserer Facebook-Seite erfahren.

Was planen Sie als nächstes? Kurz gesagt: Vertrieb, Vertrieb, Vertrieb! Egal wie gut bisher alles gelaufen ist, wenn der Markt davon nicht in Kenntnis gesetzt wird und das Produkt nicht aufnimmt, stirbt jede gute Idee. Und da muss man noch einmal Geld in die Hand nehmen! Henry Ford hat einmal gesagt: Wenn du einen Dollar in ein Produkt investiert hast, halte noch mal einen Dollar für die Bekanntmachung parat. Das Förderprogramm impulse unterstützt picKsit im Rahmen von impulse XL. www.impulse-awsg.at

Was ist Ihre Rolle in dem Prozess? Ich bin Unternehmerin, Projektentwicklerin, Auftraggeberin und Koordinatorin für allen benötigten Funktionen und Tätigkeiten – alles gleichzeitig. Spannend finde ich vor allem, Designer mit der produzierenden Industrie kurzzuschließen und dabei die Bedingungen für die Zusammenarbeit zu sichern. Wie läuft die Arbeit bei picKsit konkret ab? Mein Geschäftsmodell basiert auf Auslagerung. Dieses Modell

kreativwirtschaft in österreich by


►Grün d e r s e r i e Vo l . 2 ►Garmz / Lookk #16: Customer Driven Development / The Lean Startup

TEXT Andreas Klinger

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BILD Garmz.com / lookk.com

customer driven Andreas Klinger, Co-Founder von LOOKK.com, über eine der wichtigsten Strömungen der letzten Jahre – Lean Startups bzw. Customer Driven Development. Kaum ein Managementhype verbreitet so naheliegende Thesen, die derart wahr und notwendig sind. LOOKK musste umdenken, junge Startups machen hier vom Fleck weg einiges richtig. Schritt 1: Wir gründen ein Startup

Huch, auf einmal ist ein Geistesblitz da. Die Lösung für ein Problem, das seit Jahren offensichtlich war, eine Tätigkeit, die tausende Menschen tun, aber ohne ein eigenes Online-Service hierfür, die Weiterentwicklung der Technologien und die An­ wendung eines Best-Practice auf einen neuen Bereich. Wir machen das Groupon-Spezialangebote-Service für Meer­ schweinchenbesitzer. Nein, doch eine Social Mobile App für Pensionistenvereine und deren typische Big Data-Probleme. Das ist es! Wir haben den Facebook-Film von David Fincher gesehen, haben brav mitgeschrieben und sowieso grundsätz­ lich alles verstanden. Also legen wir los: Den Bruder vom be­ sten Freund hat man schnell überredet und die nächsten fünf Monate Development-Roadmap sind aufgezeichnet. Wir brau­ chen die Social Features. Ohne Social geht heute gar nichts mehr. Wir wollen klarerweise sicher gehen, dass niemand unsere Idee stiehlt und wir mit einem großen WOW auf den Markt treten können. Also behalten wir unsere coole »Some­ thing big will happen« Warte-Page und machen mysteriös auf Stealth-Mode. Peter kennt da einen deutschen Investor. Der hat zwar Schwerpunkt Schwermetallindustrie, aber gute Ge­ schäftsmänner lassen sicher keine Gelegenheit aus. Jetzt fünf Monate eingraben und dann geht es ab.

Schritt 2: Wir sind Idioten. ZurUEck zum Anfang

Jeder, der den Fehler im oberen Paragraphen nicht findet, gehört mit Steve Blanks Buch »Four Steps to Epiphany« geschlagen, bis die Birne weich ist. It’s the customer, stupid! Das Beispiel oben ist aber leider so normal und häufig in Mitteleuropa, dass es schmerzt. Und ich wünschte, wir von LOOKK wären selbst kein Paradebeispiel dafür gewesen. Denn es gibt keine größere Ineffizienz, als nicht zu 100 Prozent das zu bauen, was Kun­ den wollen. Aber wie kann ich systematisch herausfinden, was Kunden wirklich wollen? Hier und jetzt kommen die Methoden von Customer Driven Development und Lean Startup ins Spiel.

Schritt 3: Kunden-Feedback und Experimente

Dass frühe Kundeninterviews der Eckpfeiler jeden Unterneh­ mens sein sollten, ist so logisch wie wenig beachtet. Qualita­

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tive und Quantitative Experimente und die Analyse der Resul­ tate in Form von Metrics ist einer der Grundpfeiler von Lean Startups. Metrics sind nichts anderes als (relative oder abso­ lute) Zahlen, die den Erfolg des Unternehmens abbilden kön­ nen (bzw. sollen). Das Schwierige ist die Auswahl der Metrics, die einem Einsicht in neue Aktionen bieten. Der größte Feh­ ler, den wir bis vor Kurzen gemacht haben, ist, dass wir New Users und Verkaufszahlen als Indikator für Erfolg genommen haben. Beide Werte sind naheliegend, sagen aber nichts über den Erfolg eines neuen vermeintlichen Killer-Features aus. Der Prozentsatz der User, der seit Feature-Launch wiederkommt, jedoch schon. Je nachdem, ob ein neues Feature in Tests bereits diese Erwartungen validiert oder nicht bestätigt, wird weiter entwickelt bzw. das Feature wieder entfernt. Denn subjektive Perfektion (aus unserer Sicht) und objektive Perfektion (aus Marktsicht) können viele Meilen auseinander liegen. Nackte runtergebrochene Zahlen können sehr kalt und sehr schmerz­ haft sein. Wir mussten erst lernen, dass es nichts gibt, was einen weniger lieb hat als die eigene wöchentliche »Cohert Matrix«: jener Prozentsatz an Usern, die wirklich wieder­ kommen und wieder aktiv sind. Gleichzeitig hilft aber nichts anderes besser und schneller zu erkennen, welche Schritte notwendig sind. Und so verfolgt nun das gesamte Team eine Handvoll wichtiger Metrics und validiert durch Zahlen und di­ rektes Kundenfeedback jede Woche.

Schritt 4: Vernetzen und Lernen

Dank Eric Ries hyped das »Lean Startup Movement« und bei LOOKK ist hier in den letzten Monaten einiges intern passiert, um dem Hype gerecht zu werden. Wir lernen wiedermal auf die harte Tour, aber können diesmal auf Know-how von nachkom­ menden Teams zurückgreifen. Denn Europa hat mittlerweile einige neue Experten in diesem Bereich, und auch ein paar der Besseren hiervon sitzen in Wien: die Jungs von EfficientCloud. com und Blossom.io. Beide Teams sind gerne bereit, bei Fragen zu helfen. Sie sind z.B. im Wiener Startup Coworking Space (www.Sektor5.at) persönlich anzutreffen. ¶ LOOKK.com ist ein österreichisches Startup, das auf der internationalen Bühne die Modewelt verändern will. Andreas Klinger schreibt monatlich über Lessons Learned, Erfolge und andere schmerzhafte Erfahrungen.


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Wer damit rechnet, dass folkige Harfen und Violinen wie Joanna Newsom und Owen Pallett klingen müssen, wird hier in die hippiesken Freundschaftsbändchen-Schranken gewiesen. Stattdessen setzt es eine volle Popdröhnung. Teletextile Glass (L ili I s P i)

Was ist nur in Brooklyn los? Ein Überangebot an Macbooks Pro und billigen Proberäumen dürf­ te für das nicht enden wollende Output an innovativen Musik-Acts ausschlaggebend sein. Auch Teletextile, die schon mit ihrem Namen auf die unausweichliche Zuordnung von Technologie und Handgewebtem, von digital und analog verweisen, knüpfen ihren Klangteppich aus famos zurecht­ geschnittenen Soundfossilien in Brooklyns dunklen Souterrainstudios. Zunächst als Soloprojekt von Pamela Martinez angedacht, schlagen Teletextile mit ihrem Sound eigenwillige Brücken zwi­ schen Weirdo-Folk und Indierock, verbinden ihre irren Songkonstrukte mit klassischen Instru­ menten wie Violine oder Harfe. Dabei hat das Ganze allerdings wenig mit der Verschrobenheit einer Joanna Newsom oder der Klassikinfiltration eines Owen Pallet (früher Final Fantasy) zu tun, viel mehr mit der Gegenüberstellung von In-sich-Gekehrtheit und einem alles überschreibenden Pop-Appeal. Durch ein vordergründiges Blendwerk von unglaublich guten Arrangements, vielschichtigen Über­ lagerungen der bereits erwähnten Instrumente, zwischen Gitarren und elektronischen Elementen hindurch sucht sich Pamela Martinez’ wunderbare Stimme den Weg nach draußen, steht stets im Zentrum der Songs und verhilft ihnen zu ihrer magischen Anziehung. Dieses umspinnende Blendwerk ist dabei nicht bloßer Anschein, sondern ergibt vielmehr ein tadellos aufeinander abge­ stimmtes Soundgebilde. Immer darauf bedacht, trotz der vielen musikalischen Schichten nicht zu überladen zu wirken, lassen die Songs auf Teletextiles Debüt viel Spielraum für erdachte Pausen, erheben selten Anspruch auf Bombast. Dreist wechseln Sie zwischen intimer Gedankenverloren­ heit und drastischer Manie, die sich hauptsächlich in den Schlagzeugrhythmen bemerkbar macht, wie sie etwa bei »I Don't Know How To Act Here« zu finden ist. Jeder Song steht für sich selbst und tastet ein Spektrum von musikalischen Möglichkeiten ab, jongliert dabei mit den Genrebällen in fast schon entmutigender Versiertheit. Konsequenterweise ist auf »Glass« dann außerdem noch einer der schönsten Bassläufe seit der letzten Low-Veröffentlichung zu finden. ¶ 8/10 Ursula Winterauer

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Abt. Musik

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a. 120/ Rezensi one n

Buraka Som Sistema Komba

M83 Hurry Up We’re Dreaming!

( E nchufada)

( Naive)

Die fremden Zungen schnalzen wieder

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Die Soundsysteme spucken wieder Feuer in fremden Zungen – Buraka Som Sistema sind zurück. Ihr zweites Album »Komba« lässt Kuduro noch tiefer in der Mitte Londoner Clubmusik umherwirbeln. Hypnose und harte Bassbretter müssen kein Gegensatz sein. Buraka Som Sistema ohrfeigen schon wieder mit voller Härte ihre tanzwütigen Zuhö­ rer und wir halten ungeduldig alle anderen Backen hin. »Komba« heißt der Nachfolger von »Black Diamond«, und während ihr Debüt seinem Ti­ tel sehr gerecht wurde, also wie ein Diamant geheimnisvoll funkelte und mit seinen vermeintlich neuartigen Einflüssen aus angolesischen Clubs überraschte, erklärt sich ihr zweiter großer Wurf schon wie von selbst. Hinhören, hingeben und auf drei lostanzen! So einfach kann das sein, so vielfältig es auch wieder bei der Zusammensetzung ausfällt. 2011 ist Kuduro kein Geheimnis mehr, besonders nicht nach dem be­ sagten Debüt oder den Veröffentlichungen rund um das Label Man Re­ cordings bzw. von Schlachthofbronx, M.I.A. (die auf »Black Diamond« auch auf dem Song »Sound Of Kuduro« vertreten war) und anderen Produzenten von Global-Bass-Spielwiesen. Die frenetische Mischung aus Angola, die Tribal House, Techno-Beats mit Semba und Soca zu Ku­ duro werden lässt, haben Buraka Som Sistema seit jeher mit deftigem Electro aufgefettet. Dieses Konzept eines »progressiven« Kuduro wird auf »Komba« fortgesetzt und um ein paar schielende Augen Richtung London erweitert. House, UK Funky, Breakbeat und – wie könnte es an­ ders sein – auch ein zarter Hauch von Dubstep runden die zwölf neuen Nummern insgesamt etwas ab. Die Härte und Rohheit ist leicht aus den Produktionen gewichen, dafür hat sich das Augenmerk insgesamt mehr auf eine Atmosphäre verlagert, die fließende Übergänge und Dramatur­ gie eher zulassen. »Candonga« ist eine dieser Nummern, die den Hang zu Wellenbewegungen verdeutlichen. Oder auch »Hangover (Bababa)«, das zwar mit energetischen Vocals und hämmernden Synthesizern den Marsch bläst, sich gleichzeitig aber auch nicht vom rastlosen Beat da­ vontragen lässt. Monotonie kann Buraka Som Sistema nicht vorgewor­ fen werden, sie wissen mittlerweile sehr gut, wann es Verschnaufpausen braucht und platzieren diese zwischen ihren massiven Disco-Brettern. Am Mikrofon geben Afrikan Boy, Terry Lynn, Blaya und viele andere ihr Bestes, um zeitgenössischen HipHop im Vergleich zu »Komba« alt aus­ sehen zu lassen. Die fremden Zungen schnalzen wieder und wir tanzen in ihrem Bann. ¶ 8/10 Klaus Buchholz

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Überdosis Ecstasy

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Wurde langsam Zeit, dass uns Anthony Gonzales mit einem neuen Album beehrt. Vor gut drei Jahren hatte er durchdekliniert, dass es möglich ist, nicht älter zu werden und für immer in einer postadoleszenten Schwebe zu verharren. Jetzt also gleich ein Doppelalbum, um das nochmal ordentlich zu un­ terstreichen. Schon im Intro wird klar, wohin die Reise geht. Da werden Soundflächen über sphärisches Zola Jesus-Klagen geschichtet, dass es einem ganz shoegazig ums Herz wird. Doch wie wir wissen, ist das nicht Slowdive und Zurückhaltung eher fehl am Platz. M83 heißt Übertrei­ bung, Zierart und Pathos. Die Kooperation mit Zola Jesus leuchtet ein, wenn sich die Sounds am Ende klebrig-bombastisch immer weiter auf­ türmen und man schon gar nicht mehr weiß wo man hinhören soll, bie­ tet ihre Stimme zumindest noch ein wenig weltlichen Ballast, um nicht ganz abzuheben. Irgendwann aber, nach etwa einer halben Stunde fragt man sich dann doch, wohin das alles führen soll. Barock ist cool, keine Frage und Pop funktioniert nicht ohne Übertreibung. Aber warum gleich ein Doppel-Album? Es ist löblich, 70er-Psychedelic-Referenzen auf 90erSounds treffen zu lassen, das Ganze einmal quer durchzumischen um so­ wohl zeitlich als auch referenziell irgendwo zwischen Disneys »König der Löwen« und Pink Floyd zu landen. Leider krankt es aber an allen Ecken und Enden, und das Rezept M83 ist inzwischen, wenn nicht abgenutzt, dann zumindest soweit bekannt, dass es lohnt, sich woanders umzuse­ hen und sich nicht doppelt in den eigenen Standpunkt einzuzementie­ ren. Emeralds beispielsweise schichten die Referenzen länger schon weit spannender und selbst die Fuck Buttons schaffen es, in einem zehn-Mi­ nuten-Track mehr Teenage Angst unterzubringen als M83. Eine Platte wie eine viel zu lange Ecstasy-Abfahrt, ständig werden die Synapsen an unmöglichen Stellen gekitzelt und man will sofort alle seine Freunde anrufen, umarmen oder küssen: Wow, Wahnsinn, diese Gefüh­ le, ich kann nicht mehr. Doch dann schleicht auch schon der Kater um die Ecke und man schämt sich ein bisschen. Meint: M83 kann uneinge­ schränkt jedem empfohlen werden, auf die richtige Dosis müsst ihr aber selber achten. ¶ 6/10 Michael Aniser


Trackspotting

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12-Inch, Singles und Kleinformatiges für große Aufmerksamkeitsspanner TEXT Florian Obkircher

Was kommt als nächstes? Was kommt, wenn Post-Dubstep verbraucht und selbst Future-Bass abgelaufen ist? Wir haben jenen britischen Youngster gefragt, der die Elektronikszene derzeit mit seinem Label Hessle Audio, das er mit Ramadanman und Pangea betreibt, aus den Angeln hebt: Ben UFO. »Kode9 hat kürzlich gemeint, dass sich UK-Bass-Music in einer Sackgasse befindet, jeder wartet auf das nächste Ding«, sagt er. »2009 gab’s Funky, das viele Produzenten beeinflusst hat. Aber dieses Garage-Sub-Genre ist den Erwartungen nie gerecht geworden, weder in kreativer noch in kommerzi­ eller Hinsicht. Viele junge Musiker sind dadurch auf House gestoßen, was wichtig war. Auf der anderen Seite haben sich dadurch viele Funky-Helden wie Marcus Nasty einfach zu House-DJs entwickelt. Derzeit fehlt der Blick nach vorne, das futuristische Moment, für das die Londoner Elektronikszene seit über 20 Jahren bekannt ist. Schwer zu sagen, wo die Reise hingeht. Aber einen Track, den ich heuer wegweisend finde, stammt vom niederländischen Produzenten 2562 und heißt ›Winamp Melodrama‹. Ein gebrochener, housy Disco-Track – ohne Beats, aber extrem elektrisierend. Mehr davon, bitte!«

e gap h t × 0 1 : r e h ic s t is soviel mit etwas glück: 14 × pink Floyd

Kevin McPhee – Sleep (Idle Hands)

Gut, die Bassdrum erfindet dieser Knabe aus Toronto auch nicht neu. Aber auf dem Radar haben wir McPhee schon seit seinem großen Debüt auf dem [NakedLunch]-Label. Jetzt legt er ein elegisches Meisterwerk nach, das die Brücke zwischen Emo-Step á la James Blake und den Dub-Wolken von Basic Channel schlägt. Durch die Cut-Up-Vocals schwingt außerdem ein charmant angestaubtes Strictly-Rhythm-Flair mit, was »Sleep« nur noch aufgeweckter wirken lässt.

Marcel Dettmann – Translation EP (Ostgut Ton)

Nach einem Jahr Release-Absenz meldet sich der Hardwax-Veteran zurück. Diesmal wollten wir ihn eigentlich mal ausklammern, weil er hier sonst Stammgast ist. Aber die Translation-EP ist in Rillen gepresster Wahnsinn. Genauso muss Techno klingen: Der Opener »Barrier« hält den Puls in spätem Platikman-Style noch niedrig. Dann eröffnet Dettmann das Feuer. »Translati­ on One« und »Two« sind harte, raue, reduzierte Berghain-Bretter, die klingen, als hätte sie ein junger Robert Hood zusammengeschraubt.

Gescom – Skull Snap (Skullsnap)

Nach gar dreijähriger Abwesenheit melden sich die alten Geheimniskrä­ mer von Gescom zurück. Wer genau hinter dem Pseudonym steckt, weiß man nicht genau, fest steht nur, dass Autechre und die Skam-Menschen ihre Produzenten-Finger mit im Spiel haben. Und das würde auch passen, sind die Stücke der 5-Track EP »Skull Snap« durch die Sound-Bank wieder einmal herrlich bekifft, verstolperte IDM-Leftfield-Amokläufe, diesmal mit halluzinogener Hiphop-Breitseite, vermutlich als Hommage an Dabrye oder das Brainfeeder-Camp.

Joe Goddard ft. Valencia – Gabriel (Greco- Roman)

Wenn's einen Track gibt, der uns in fünf Jahren an den Sommer 2011 erin­ nern wird, dann ist das »Gabriel« aus dem Mischpult von Hot-Chipster und 2-Bear-Beau Joe Goddard. Auch wenn Valencias Stimme manchmal gar in Richtung The-Cranberries-Röhre driftet, ist »Gabriel« ein ziemlich perfekter Dance-Pop-Song. Mit einem entspannten, dezent verstiegenen House-Beat, Eurythmics-Stakkato-Sythnies und Valenicias herzzerreißendem »Gabrieee­ eel« als Refrain. Unbedingt auch den Remix des Londoner Newcomers Ossie auschecken – denn auch das melancholische Future-Bass-Kleidchen steht Goddards Grundgerüst unfassbar gut.

Mark E – Call Me (Merc Music )

Da denkt man, ein Producer hat alle Karten ausgespielt, und dann kommt ein Endorphin-Epos, das die Liebe zu dem Slow-Disco-Restaurateur Mark E neu entfacht. Im Prinzip ist »Call Me« ein simpler, verrauschter House-Track der alten Schule mit TB-303-Wimmerln und angezogener Handbremse. Aber über die Distanz von fast sieben Minuten zieht einen die hypnotisch-krautige Melodie in seinen Bann, die süße Frauenstimme lullt ein, das Glück kennt keine Grenzen. Remixer Tensnake zerrt das Ding dann auf den Dancefloor und modelt es zum sanftmütigen 2-Step-Riesen um. Nicht uninteressant, die Richtung, die der Hamburger da – wie auch schon letztens bei seinem LittleDragon-Mix – einschlägt.

The Gap haut dir Pink Floyd um die Ohren. Die britische Band ist nämlich vollkommen zu Unrecht als Musik für deine Großeltern verschrieen. In den Sechzigern haben sie angefangen die psychedelische Revolution einzuleiten, haben Rock ein riesiges Experimentierfeld eröffnet. Sie sind der Grund warum Popmusik heute nicht nur Musik für Boxer und Proleten ist, Pink Floyd haben vollkommen neue Skalen und Geräusche in den Pop gebracht. Ihr Cover zu »Dark Side Of The Moon« ist legendär. Wir verlosen ein Monster-14-Alben-Paket unter allen Neu-Abonnenten. the gap im jahresabo um € 16,50. unter allen neuabonnenten verlosen wir alle 14 studioalben von pink Floyd! www.monomarkt.at

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Abt. Musik

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a. 120/ Rezensi one n

Class Actress Rapprocher

Blood Orange Coastal Grooves

( Carpark)

( Domino)

Im Stroboskop-Regen

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Als ob Madonna in einen Jungbrunnen voll mit GlamPop gefallen wäre und dabei ihre Antidepressiva verloren hätte: Class Actress entführen uns in ein melancholisches Discokugel-Hausen.

Auf der sonnigen Seite

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Die vielen Leben des Dev Hynes: Der Tausendsassa spiegelt alle Farben des Musikgenre-Regenbogens in seiner Karriere. Die Parade zieht diesmal back to the 80ies.

Das Brooklyner Trio Class Actress lotst uns mit seinem new-wavigen Ambient-Elektro ohne Umwege zurück in die 80er. Das war nicht immer so, denn Frontfrau Elizabeth Harper startete mit Singer/Songwritertum und wandte sich futuristisch-kalten Pop-Sounds erst zu, nachdem sie die Produzenten Mark Richardson und Scott Rosenthal ins Boot ge­ holt hatte. Zusammen kreieren die drei aufgekratzte Tunes aus hypno­ tischen Beats, die durch die Lyrics eine trübsinnig-romantische Note erhalten. Der Opener »Keep You« wird dominiert von der verführerischgebietenden Stimme der Sängerin und schließt damit nahtlos an die EP »Journal Of Ardency« aus dem Vorjahr an. »Need To Know« ist ein Stück Musik wie aus einer anderen Welt, mit Handclap-Beats und BassWirbeln à la John Carpenter. »All The Saints« verbindet sinnige Lyrics (»God forbid an altercation making you regret«) mit gehauchten Vocals und – zugegebenermaßen – grenzwertigem Plastik-Pop. Der heimliche Höhepunkt des Albums kommt mit dem dunkel schimmernden »Let Me In«, das ein 43-minütiges Schmachten und Posieren im StroboskopRegen beschließt. Class Actress haben den Dreh raus, wie man launige Electronica mit tragisch-romantischen Gesängen verbindet. Dominierendes Sujet: Lie­ be, die der holprigeren Gangart: Machtspielchen, brechende Herzen und ein Nicht-loslassen-können sind zentral. »So I’ll let you wait and think of me (…) / I hear you calling / I’ll let it ring ring ring / you’re gonna miss me so bad« singt Harper etwa in »Missed«, in »Love Me Like You Used To« vertont sie die Qualen einer verschmähten Geliebten. Dazu ertönen gekonnte Minimal-Elektro-Beats, die beinahe an The XX erinnern und zum Tanzen animieren. Aber nicht etwa zu einem extatischen Tanzen, sondern zu einem, bei dem man sich, den Kopf dem Boden zugewandt, nur leicht hin- und herwiegt, ein Tanzen, das etwa in »Twin Peaks« die gute Audrey Horne, auf ihre schwarz-weißen Budapester starrend, perfektioniert hat. Auch wenn Class Actress eine Atmosphäre irgendwo zwischen Trübsal und einer »Ich-bin-zu-cool-für-diese-Welt«-Attitü­ de vermitteln, hat sich selten, aber doch ein Lied auf die Platte verirrt, das voll und ganz durchtränkt von Sonnenschein ist: das bezaubernde »Bienvenue« etwa. ¶

Dev Hynes ist ein musikalisches Chamäleon. Wie sonst könnte er vom Elektropunk der Test Icicles auf den Indie-Surf-Pop seiner Lightspeed Champion-Periode gewechselt sein und gleichzeitig noch für unter­ schiedlichste Musiker wie Florence & The Machine, Beyonces Schwester Solange Knowles und die R’n’B-Nudel Cassie produzieren. Die FacebookDiskussionsgruppe Lightspeed Champion vs. Test Icicles braucht sich nun nicht mehr länger den Kopf über den besseren Dev Hynes zu zer­ brechen, er tanzt nämlich schon mit dem nächsten Projekt daher. Das Wechseln der Musikrichtung scheint er wie Insel-Hopping zu betreiben. Die neue Insel nennt sich Blood Orange und debütiert mit Coastal Groo­ ves für alle Liebhaber der 80er Jahre. Beeinflusst von der New Yorker Nachtluft gestaltet sich Hynes den Tranquilizer-Soundtrack für nächt­ liche Reisen durch die quirlige City. Zu sagen, er hätte sich dafür auf die goldenen 80er zurückbesonnen wäre weit untertrieben. Direkt aus den 80ies durch die Elektroorgel geschwappt und mit Hynes Art zu Singen und zu Hauchen verstärkt, fühlt man sich zu Billy Idol zurückgebeamt. Die Songs wandern aus dem New Yorker Schlafzimmer an die West­ küste, wo die Küstenluft zu Leichtigkeit und Chill-Out Effekt verhilft. Eigentlich kommt einem dabei auch eher ein blutoranger Sonnenunter­ gang in Los Angeles in den Sinn als das New Yorker Nachtleben. »Toshito« beginnt mit einem Intro, das an »König der Löwen« erinnert, es folgen stimmungsvoll steigernde »Ooohs« und »Aaahs«, nach einem Summen dann genau nach einer Minute »Sun« als erstes Wort. Dabei bleibt es auch. Das Wichtigste ist gesagt und entschwindet in synthe­ tische Parallelwelten. Doch was das pulsierende Nachtleben angeht, so passen die Coastal Grooves ideal in die After-Work-Loungen; und das nicht nur in Los Angeles. Das Transgender-Phänomen findet sich ebenfalls im Referenzrahmen von Coastal Grooves und als Resultat von Hynes Songwriting für die weibliche Stimme. Die eigene Falsettstim­ me passt sich den Lyrics an, hat aber vor allem auch etwas mit Hynes Halsoperation zu tun. Dev scheint seine eigene Stimme erst gefunden zu haben und das ist nicht nur wörtlich zu verstehen: Im besten Sinne klingt das nämlich nun androgyn und erinnert an niemand Geringeren als Prince. Dev Hynes’ Wandlung ins Blutorange bedeutet hypnotische Gleichmäßigkeit, androgyne Harmonie und langer Atem. Dem Chamä­ leon steht die neue Farbe ausgesprochen gut. ¶

8/10 Sandra Bernhofer

7/10 Juliane Fischer


Abt. Musik

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a. 120/ Rezensi onen

Sleep Party People Sleep Party People

I Break Horses Hearts

(S iluh)

( Bella Union)

Elfenchöre und Glockenspiel _ Zieh die Hasenmaske über und mal den Mond blau an: Die Sleep Party People aus Dänemark demonstrieren auf ihrem Debüt die feine Kunst des transzendenten Traumlieds.

Diffuses Licht

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Mit »Hearts« kommt ein solches Kaliber von Dream-Pop auf uns zu, dass es einem schwerfällt, das Album bis zum Schluss durchzuhören, ohne dabei einzuschlafen.

Es ist ein wunderliches, hypnotisches Album, das die Grenzen zwischen innen und außen neu auslotet – und dabei jenen Herzenszustand er­ zeugt, bei dem man ernsthaft ins Zweifeln kommt, ob Realität das einzig Echte im Leben ist. Brian Batz, Multiinstrumentalist, Komponist und kreativer Häuptling der Gruppe, hat die Platte mehr oder weniger im Alleingang zuhause im Schlafzimmer eingespielt. Hören tut man das allerdings nicht: Bereits der Opener »In The Morning Sun We Stand« erzeugt mit spärlicher Instrumentalisierung einen bestechend vollen und komplexen Klangkosmos. Elfenchöre, Glockenspiel und akzentuier­ te Akustikharmonien treffen auf eine zerbrechlich-fragile Stimme, bei der man sich nie ganz sicher ist, ob sie einem Mann oder einer Frau ent­ stammt. »Our Falling Snow« erinnert an einen psychedelischen Gospel: Rätselhafte Verse, die manchmal ganz nah und vertraut, dann wieder fern und fremdartig klingen, verschmelzen mit verquerer Freakfolk-Gi­ tarre, Klavier und Drumcomputer zu einem bewusstseinserweiternden Mantra. Brachial wird es trotz aller ätherischen Ruhe in »Notes To You«: Hier singen die modifizierten Vocoder-Vocals regelrecht gegen sich selbst. Die minimalistische Herangehensweise der Sleep Party People hebt dabei jede noch so stille Note hervor, alles schwingt, schwebt und harmoniert. Was dabei entsteht, sind Melodien, die schöner gar nicht sein könnten. »The Dwarf And The Horse« und »A Sweet Song About Love« erinnern mit ihrem Pendelspiel zwischen manischer Melancholie und depressiver Euphorie an die Musik von Animal Collective, mit denen die Sleep Party People nicht nur ein Faible für Tierkostüme teilen. Groß­ artig ist auch die Single »I’m Not Human At All«: Spätestens, wenn sich der elfische Gesang von Brian Batz zur Computer-Stimme wandelt, ist der Titel zum Programm geworden und alle Pragmatik entflogen. Was am Ende bleibt, ist ein wunderbares Debütalbum mit jeder Menge Liedgut für den Soundtrack zum Traum im Traum: Es ist verschroben, mythisch, verrückt, liebevoll, warm, erhaben und rein – oder mit anderen Worten: große Popmusik. ¶

Spaß bei Seite – Maria Lindén und Fredrick Balck aka I Break Horses verstehen ihr Handwerk und Dream-Pop kann einen ja schon auch ein wenig schläfrig machen. I Break Horses erweisen sich als wahre Meister in ihrem Genre und fast könnte man meinen, sie seien alte Hasen im Geschäft. Ein ganzes Meer an Glöckchen, hypnotischen Synthsounds, fragil-aspirierten Stimmen in diffusem Licht (das mit dem Licht stellt man sich zumindest vor) und funkelnden Soundlandschaften, soweit die Vorstellungskraft reicht. Diesem Duett wohnt eine besondere Weichheit und Sensibilität inne und das Album ist derart meditativ, dass man gar nicht anders kann als sich dem Genre nach allen Regeln der Kunst hin­ zugeben. Der erste Track geht auch sofort in medias res: Mit einer be­ ruhigenden, sich stetig erhebenden und zunehmenden Elektronikwolke, deren Kern ein sich fortwährend wiederholender Akkord bildet, werden wir widerstandslos hypnotisiert. Man denkt an Cocteau Twins. Wäh­ rend man gemächlich zwischen Konfusion, Ekstase und Tiefenrausch in Richtung anderer Dimension und (Tag-)Traumverfassung gleitet, trifft man auf »I Kill Your Love, Baby« – ein Stück, das uns in den ersten Mi­ nuten ein und dasselbe, summend-betörende Geräusch um die Ohren fetzt. Im Hintergrund setzt ein Akkord ein, Lindéns luftig-weiche So­ pranstimme haucht uns fortwährend »Do You Know« ins Ohr. Schön. Zum Schluss erinnert einen das gute Stück dann jedoch erstaunlich stark an den Song »Don’t Fear« von The Honey Trees. Frech. Trotz dieses – heutzutage fast unvermeidlichen – Hauchs von Plagiat präsentiert sich »Hearts« als ein überaus gelungenes Album. Träume­ rische Stimmen, elektronische Arpeggios und Tracks, die sich – so wie es schon die Fuck Buttons perfektioniert hatten – sich immer weiter aufschaukeln, Melodien und Sounds so lange wiederholen und inten­ sivieren, variieren und intensivieren, mit wenigen Spuren zu einer auf­ gekratzten Leuchtkraft führen, wie das seit geraumer Zeit im noisigen Dream-Pop nicht mehr geschehen ist. ¶

9/10 Michael Kirchdorfer

8/10 Rainer Voggenberger

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Die Welt auf Scheibe – erklärt in 140 Zeichen zum Angeben in der Disco. Ausführlicheres auf www.thegap.at

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Tori Amos Night of Hunters deutsche grammoDie amerikanische Singer-Songwriterin ist in den letzten Jahren vom unberechenbaren, exzen­ trischen Huhn zur klassischen Popgröße gereift. 7/10 gerald c. stocker ▪ Black Shampoo Whipped Cream just50.at Der gute alte 60s-Rock begibt sich auf eine Zeit­ reise und landet gut konserviert im Wien des 21. ▪ Jahrhunderts. 6/10 gerald c. stocker Blueneck Repetitions denovali records »You will burn alone this time«: Blueneck zelebrie­ ren die hohe Kunst der emotionalen Tragödien. Melancholische Emo-Pianomusik für Freunde des ▪ dramatischen Leidens. 5/10 michael kirchdorfer John Cale Extra Playful double six/domino John Cale meldet sich mit einer 5-Song EP, die im künst­ lerischen Kanon der musikalischen Legende nicht mal als durchschnittliches Werk zu bezeichnen ist. 4/10 michael kirchdorfer ▪

Lenny Kravitz Black and White America warner Ein Liebling der Reichen und Schönen ver­ sucht, sich abermals dem musikalischen Fußvolk ▪ anzunähern. 4/10 gerald c. stocker Charlie Alex March Home/Hidden lo recordings/k7 So würden Air klingen, hätten sie ihre Sounds mit Akustik-Instrumenten eingespielt: Folk/ Electronica-Hybrid mit Hang zum Orchesterpop. ▪ Delightful. 6/10 michael kirchdorfer Mimas Lifejackets rough trade Gut gemacht und catchy, jedoch wenig individuell: Mimas stammen aus Dänemark, klingen aber nach US-SuburbIndierock der Marke Modest Mouse oder Built To ▪ Spill. 6/10 michael kirchdorfer Mister Heavenly Out Of Love sub pop Ein Klas­ sen­­treffen der Indie Rock-Prototypen wird zum Ver­ such, ein neues Genre zu erschaffen und bewirkt ▪ einen Erdrutsch in die 50er. 5/10 juliane fischer

Collections Of Colonies Of Bees Giving home»Giving« ist vor Kraft strotzend, dabei höchst reduziert und vor allem: hochgradige Instrumen­ tenbeherrschung. Und wenn es dazu noch Lyrics ▪ gäbe ... 6/10 sandra bernhofer Dalot Minutestatic n5md Von Klaustrophobie über Morgenstimmung und zurück: Zehn persön­ liche Statements zwischen Ambient und Postrock. 6/10 werner reiter ▪ Firefox AK Color The Trees razzia Dieses char­ mante Album ist eine weitere Kostprobe, wie sich perfekt gemachter, schwedischer Pop ohne großen ▪ Tiefgang anzuhören hat. 6/10 gerald c. stocker Nik Freitas Saturday Night Underwater affairs of the heart / indigo Leichtfüßiger Singer/ Songwriter-Pop aus L.A.: Klavier, Drum-Machine und Analog-Synthesizer kreieren ein luftiges Son­ nenbad ohne Schwermut und Tiefsinnigkeit. 6/10 michael kirchdorfer ▪

Gary Numan Dead Son Rising mortal records Gary Numan besingt auf seinem neuen Album seine eigene Wiederauferstehung. In diesem Fall sollte man die Toten lieber ruhen lassen. 3/10 jonas vogt ▪ Plaid Scintilli warp In 20 Jahren hat sich bei Plaid rein historisch viel getan. Am Kopfbahnhof angelangt, wissen sie selbst wohl nicht wohin mit ▪ ihnen. 3/10 johannes piller PS I Love You Meet Me At The Muster Station paperbag / rough trade Ein Debüt voller flirrender Gitarren, dessen Motor es ist, Herzensangele­ genheiten Luft zu machen. Aber Aufpassen: Beim Mitgrölen könnte man heiser werden. 7/10 sandra bernhofer ▪ Qluster Rufen bureau b Qluster betätigen sich als einsame Klangforscher: Musikalischer Impressio­ ▪ nismus aus Terra Incognita. 6/10 werner reiter

The Horrible Crowes Elsie sideonedummy Düsterer, poppiger aber auch bekannter Sound prägt das Nebenprojekt von Gaslight Anthem Frontman Brian Fallon mit seinem Kollegen Ian ▪ Perkins. 7/10 kirin kohlhauser I Heart Sharks Summer adp / laserlaser Sympathisch unfertig und rastlos: Hier können wir endlich zu Indietronic tanzen, ohne dass es atzig ▪ wird. 7/10 sandra bernhofer Iceage New Brigade abeano Keine 20Jahre alt und schon mit Vorschusslorbeeren überhäuft: Vier Dänen sollen den Post-Punk retten. 8/10 reiner kapeller ▪ Kammerflimmer Kollektief Teufelskamin staubgold Das Trio aus Karlsruhe schafft atmo­ sphärisch dichte Soundlandschaften von seltsam ▪ bizarrer Schönheit. 7/10 werner reiter

Rodriguez Jr. Bittersweet mobilee records Rod­ riguez Jr. mischt einen vielseitigen House-Cocktail zusammen, vergisst am Ende aber, dass zu viele Zutaten meist einen fahlen Nachgeschmack hinter­ ▪ lassen. 6/10 kevin reiterer Roedelius Schneider Stunden bureau b Zwei Menschen verwenden Maschinen, um im Dialog luftige Räume zu durchmessen. 7/10 werner reiter ▪ Roger Rekless Manifest EP free download Roger Rekless bleibt ein bemerkenswerter MC, leider geht der Pädagoge zu oft mit ihm durch, so auch auf seiner neuen EP »Manifest«. 6/10 klaus buchholz ▪ Stereo MCs Emperor's Nightingale !k7/alive Die ewig jung wirkenden Groovedinosaurier wollten sich komplett neu einrichten, sind dann aber doch nur in den Keller gegangen, um die alten Möbel ▪ zurückzuholen. 5/10 kevin reiterer

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a. 120/ Rezensi one n

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Abt. Twitter-Reviews

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The Subways Money And Celebrity warner Die Werbewelt hat die Songs der Subways schon vor Jahren für sich entdeckt, und ihnen eine breite ▪ Öffentlichkeit beschert.6/10 gerald c. stocker The Field Looping State Of Mind kompakt The Fields dritter Streich schwebt in Raum und Zeit umher und lässt die Umgebung des Hörers mit Hilfe des langsamsten Warp-Antriebes des Univer­ ▪ sums verschwimmen. 7/10 kevin reiterer Yann Tiersen Skyline mute Der französische Multiinstrumentalist demonstriert auch diesmal wieder, was er am besten kann: sphärische Klang­ welten. Auch nicht schlimm. 5/10 gerald c. stocker ▪ To Destroy A City To Destroy A City n5music Post-Rock mit verspielt-ambitionierten AmbientTüpfelchen und Elektronik-Gezirpe. Eine Platte, deren höchste Errungenschaft es ist, nicht so zu ▪ nerven wie befürchtet. 5/10 michael kirchdorfer

Toro Y Moi Freaking Out (EP) carpark Toro Y Moi huscht unbekümmert durch die Genres. Auf seiner neuen EP besinnt er sich wieder vermehrt auf seine ▪ Wurzeln. 7/10 sandra bernhofer Tropics Parodia Flare planet mu Dieses spiritu­ elle Chillwave-Werk entführt uns in die feuchttropischen Gefilde raffinierter Synthiepopmelodien und psychedelische Niemandsländer. 6/10 raphaela valentini ▪ Various Artists Johnny Boy Would Love This – A Tribute to John Martyn hole in the rain Künstler aus allen Musiksparten erweisen dem großen britischen Musiker John Martyn spät, aber persönlich und charmant die Ehre. 6/10 gerald c. stocker ▪ Waters Out In The Light city slang / universal Van Pierszalowski liefert seinen Beitrag zum GrungeRevival mit US-Indierock alter Schule. Unerwartet, ▪ aber gut. 7/10 sandra bernhofer

presents

Eristoff_Tracks_Logo_CMYK_4c Wenn technisch möglich, sollte immer diese Logovariante zum Einsatz kommen! Druckart: Hauptsächlich Offset

We Were Promised Jetpacks In The Pit Of The Stomach fat cat Nach ihrem erfolgreichen Debüt vor zwei Jahren, setzt das schottische Quartett den eingeschlagenen Indie-Rock-Weg konsequent fort. Das reicht gerade noch so. 4/10 gerald c. stocker ▪ White Denim D downtown Das vorliegende Revival des Garagenrocks ist weit weg von Ausgewaschen­ heit und Durchschnitt. Experimentierfreude haucht ▪ den 70ies Leben ein. 6/10 juliane fischer Kim Wilde Snapshots columbia sevenone In den 80er Jahren galt sie als überbordende Popikone mit Hang zur Indie-Disco. Heute versucht sie sich ▪ an Coverversionen. 3/10 gerald c. stocker Youth Lagoon The Year Of Hibernation lefse Plüschiges aus dem mit Keyboard und Gitarre bestückten Jugendzimmer: Hoffnungsfroher Heart­ break, bei dem tradierte musikalische Schönheiten Regie führen. 6/10 ursula winterauer ▪

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Abt. Film

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a. 120/ Rezensi one n

Mr. Nice

(von Bernard Rose; mit Rhys Ifans, Chloë Sevigny, David Thewlis) Verbrecher-Biografien fordern Film­ konventionen oft heraus, mit ihren wahnwitzigen Verstrickungen, ihrer konfrontativen Wucht oder ihrer dubiosen Faktenlage. Die Geschichte des Dro­ gengroßhändlers Howard Marks alias Mr. Nice hat ihrerseits genug absurde Wendungen für zwei, drei Paranoia-Extravaganzen: An seinen transatlanti­ schen Cannabis-Geschäften sollen MI6 und IRA im Hintergrund beteiligt gewesen sein. Die Verfilmung von Marks’ Bestseller-Autobiografie zeigt sein Le­ ben aber als arglos-solides Schelmenstück mit fer­ nen Echos von »GoodFellas«. Nice trifft es ziemlich gut, vom wabernden Philip Glass-Score bis zum gutgelaunten Ensemble. 6/10 Joachim Schätz

Adams Ende

(von Richard Wilhelmer; mit Robert Stadlober, Paula Kalenberg, David Winter, Eva-Maria May) Gedan­ kenexperiment: Wie sähe ein Claude Chabrol-Krimi aus, in dem nicht die Abgründe des saturierten Bürgertums beleuchtet würden, sondern die des zeitgenössischen Kreativarbeiter-Milieus mit seinen eigenen Pathologien zwischen Dauerjugendlichkeit und Leistungsdruck? Der Steirer Richard Wilhelmer macht die Probe aufs Exempel mit diesem Vierecks­ drama: Die Beziehung zu Anna und die Freundschaft zu Conrad geben Adams Leben einen Rahmen. An­ nas Freundin Carmen bringt dann manches aus dem Lot. Wilhelmer beweist Einfallsreichtum im Visuel­ len wie als Erzähler, die zweite Hälfte des Films ver­ flacht aber zum dramaturgischen Hütchenspiel: Wer hat sich da an der Gartenschere vergriffen? 6/10 Joachim Schätz

Wie ausgewechsel

(von David Dobkin; mit Jason Bateman, Ryan Reynolds, Olivia Wilde) Body Switch-Komödien sind an sich ja ein alter Hut. Das Ganze mit einem R-Rating zu überziehen und mit einem Jason Bateman zu be­ setzen, verspricht hingegen Abwechslung innerhalb des Genres. Familienpapa Dave (Bateman) tauscht also sein Leben mit dem Hallodri und MöchtegernSchauspieler Mitch (Reynolds) und Leslie Mann ist nach »17 Again« einmal mehr die Frau eines Kör­ pergetauschten. Was durchaus gute Unterhaltung hätte sein können, artet allerdings in einem Über­ maß an derbem Humor aus und endet erwartungs­ gemäß schmalzig. Einzig Jason Bateman, der sicht­ lich Spaß daran hat, mal nicht (nur) den spießigen Jedermann zu geben, ist zuverlässig charmant und wertet den Film ein wenig auf. 4/10 Artemis Linhart

► 0 6 4 / AUSGABE 120

Hot Spot

(von Sabine Derflinger)

Steherqualitäten

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Im Lokal Michl’s beim Wiener Rathaus sollen Erwerbslose auf den »primären Arbeitsmarkt« vorbereitet werden. Mit ungekünstelter Sympathie folgt »Hot Spot« den dort Betreuten auf dem schmalen Grat zwischen Fürsorge und Kontrolle. Andere Zeiten, andere Themen: Nach Angela Summereders feinem »Jobcenter« im Vorjahr kommt mit »Hot Spot« die nächste österreichische Dokumentation in die Kinos, die sich einer Instituti­ on zur Schulung und Vermittlung Arbeitsloser widmet. Wie Summereders Film setzen auch die Beobachtungen von Derflinger (Regie) und Michael Seeber (Idee und Buch) dort an, wo es den journalistischen Medien an langem Atem gebricht. Diese Differenz wird in »Hot Spot« explizit thematisiert, wenn zum 5-Jahresjubiläum des Michl’s die Nachrichtenkameras anrücken, um Na­ mensgeber Michael Häupl abzulichten anstatt der Arbeitskräfte in Küche und Service, deretwegen dieser gemeinnützige Betrieb überhaupt existiert. Pro Jahr werden im Michl’s durchschnittlich 27 schwer vermittelbare Personen betreut, viele von ihnen haben Einschneidendes hinter sich wie der Kellner Christian, dem nach einer Krebserkrankung auch seine guten Zeugnisse nicht zurück in den Beruf helfen, oder Peter, der erst einmal seine Post der letzten drei Jahre wird öffnen müssen, um seinen genauen Schuldenstand kennenzulernen. Ihnen und dem zwischen Zuversicht und Re­ signation schwankenden Andreas folgt Derflinger auch über die achtmonatige Betreuungszeit im Michl’s hinaus. Einige andere lernt man in prägnanten Szenen zwischen Küchenalltag und Bera­ tungsgesprächen kennen. So deutlich das Bemühen der Betreuer um individuelle Hilfestellung ist, so zwiespältig bleibt die Haltung von »Hot Spot« zu derlei »arbeitseingliedernden« Institutionen: Die Grenze zwischen Fürsorge und Bevormundung ist hier oft kaum mehr zu greifen. Es gilt, den Wert der eigenen Arbeit kennenzulernen. Aber wer diesen allzu selbstbewusst veranschlagt wie Peter, der partout nicht als Küchenhilfe beim Abwasch landen will, muss erst recht wieder auf den Boden der prekären Arbeits­ marktsituation geholt werden. (Umgekehrt räumt Derflinger auch der frustrierenden Arbeitserfah­ rung der Betreuer eine aufschlussreiche Szene beim internen Meeting ein.) Da helfen manchmal nur eine dicke Haut und ein bisschen Möglichkeitssinn: »Ich hab eh keine Zeit, dass ich länger arbeitslos bin«, murmelt Peter am Ende. Während der Abspann läuft, hört man ihn am Computer Stellenangebote durchgehen. ¶ 7/10 Joachim Schätz


Abt. Film

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AB 14.10. IM KINO

065

Melancholia

(von Lars von Trier; mit Kirsten Dunst, Kiefer Sutherland, Charlotte Gainsbourg)

Planet Tristesse

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Lars von Triers neuestes Werk »Melancholia« funktioniert die Abgründe des menschlichen Gemüts zum Schutzschild gegen die Realität um. Wer vom Schlimmsten ausgeht, hat zwar Recht, bleibt aber cool. Nach Willem Dafoe (in »Antichrist«) und Bryce Dallas Howard (in »Manderlay«) holt sich Lars von Trier zum dritten Mal jemand aus der »Spider-Man«-Franchise in die Hauptrolle eines Films. Kirsten Dunst spielt die schwer depressive Justine, deren Melancholie sie auffrisst, ebenso wie der titelgebende Planet allegorisch auch die Erde. Die Zerstörung scheint unausweichlich, ein jähes Ende ist absehbar, vielleicht sogar erwünscht. Kapitel eins: Justines Hochzeitsfeier zieht sich mühselig und problembeladen dahin. Die Unmög­ lichkeit zur Freude hindert sie am Funktionieren und erschwert ihr die Rituale der Feierlichkeit. Ihren neuen Gatten (Kiefer Sutherland) muss sie schließlich noch am gleichen Abend einbüßen. Kapitel zwei: Claire (Charlotte Gainsbourg), die ihre mittlerweile gänzlich außer Gefecht gesetz­ te Schwester Justine fürsorglich zu sich nimmt, kämpft mit der Angst vor dem Weltuntergang. Der blau leuchtende Planet Melancholia umkreist die Erde in einem Todestanz und raubt der Menschheit buchstäblich den Atem. Die Kollision ist imperativ und Melancholia verschlingt die ganze Welt. Dieser kosmischen Perspektive scheinbar zuwider beschränkt sich »Melancholia« auf die hermetisch abgeschlossene Welt von Claires Anwesen: Leere und Stille herrschen hier vor und beschweren dumpf den Alltag. Synchron dazu wächst die undurchdringliche Blase der Depression, in der Justine sich befindet, und die zugleich zum Schutzschild vor den Widrigkeiten der Realität wird. »Melancholia« ist nicht als Gegenentwurf zu Apokalypse-Filmen zu sehen, sondern skizziert vielmehr das Menschliche selbst als Katastrophe. Von Triers Perspektive auf die Depression ist die der Innenansicht: Seine Maßnahme zur Bewältigung der eigenen Krankheit und Aufarbeitung eigener Angstzustände durch magische Rituale sind ebenso Teil des Films wie die Frage, wo die Grenze zwischen Depression und Realismus liegt. Das finale Bild trifft in seiner Ikonografie übri­ gens durchaus den Hipster-Zeitgeist: Ein indianisch angehauchtes Dreieck vor der Kulisse eines riesigen, funkelnden Planeten. Na bitte. ¶ 6/10 Artemis Linhart

Grosses, dichtes und Genreübergreifendes Erzählkino. KLEINE ZEITUNG


Introducing

_ Abt. DVD

127 Hours (2 0 th Century Fox)

von Danny Boyle; mit James Franco, Kate Mara, Amber Tamblyn auf DVD und Blu-ray

Flip Tricks und Flip Cameras »Dragonslayer« ist ein intimes, dokumentarisches Porträt des 23-jährigen Skaters Josh Sandoval und seiner Dunstglocke aus Sport, Drogen und Müßiggang in den SoCal-Suburbs.

Die Österreichpremiere von »Dragonslayer« findet im Programm der Viennale statt.

► 0 6 6 / AUSGABE 120

»127 Hours« schildert jenes Drama, in dem Aron Ralson (James Franco) 2003 in eine scheinbar ausweglose Lage gerät: Blue John Canyon im US-Bundesstaat Utah ist sein Ziel, fern jegli­ cher Zivilisation. Nachdem ihm zwei attraktive Frauen über den Weg laufen, er mit ihnen unterhaltsame Stunden beim Klettern und Schwimmen verbringt, zieht der Einzelgänger alleine weiter. Doch schon bald wird ihm ein herabstürzender Felsbrocken zum Verhängnis, der seinen rechten Arm einklemmt. Ralson, geplagt von Durst und Schmerzen, träumt und fantasiert von Tag zu Tag mehr; jeder Versuch, sich aus der misslichen Lage zu befreien, scheitert. Es ist erwartungsgemäß eine One-Man-Show, die uns »127 Hours« bietet. Dabei agiert James Franco absolut eindring­ lich und glaubwürdig – seine Euphorie, später auch Angst und Verzweiflung sind jederzeit spürbar. Ganz ohne der Notwendigkeit einen theoretischen Überbau zu konstruieren, führt Boyle sein Verständnis für Pop und Komposition vor und zeigt einen Mann in einer Grenzsituation, der unbedingt leben möchte – koste es, was es wolle. 8/10 Stefan Kluger

text Artemis Linhart

Für Regisseur Tristan Patterson ist Josh »Skreech« Sandoval ein Held. Ein De Niro. Doch in seiner Welt ist er ein ganz normaler Kerl und ein nicht beson­ ders sympathischer. Einzigartig macht ihn seine Authentizität. Die Faszination Pattersons für den Freigeist aus Fullerton, Orange County, schlägt sich in »Dragonslayer« deutlich nieder. Der szenepromi­ nente Skreech verkörpert hier nicht pauschal eine körnig-trübe Atmosphäre aus verlassenen Swim­ ming Pools, Skate Park Crowds und dem Lebensge­ fühl südkalifornischer Punks. Vielmehr ist Sandoval Dreh- und Angelpunkt eines Films, der unbedarft in ein Milieu eintaucht und dessen Facettenreichtum wie dessen Trott glaubwürdig aufbereitet. Dass hier ein Einzelner im Zentrum steht, unterscheidet »Dra­ gonslayer« von manch anderem Film über die von Gemeinschaft geprägte Skater-Subkultur. Ein kaputtes Zuhause prägt Sandovals Leben in mehrfachem Sinn: Während er selbst zu seiner Familie kaum Kontakt hat und die Gründung einer eigenen gescheitert ist, findet er in der SkaterCommunity ein neues zuhause. Diese wiederum macht sich verlassene Einfamilienhäuser zunutze, um leerstehende Swimming Pools mit ihren Decks für neue Zwecke auszurichten. Trotz weitgehender Popularität in diesem Mikrokosmos scheint eine ge­ wisse Isolation Skreechs Dasein zu prägen. Im Laufe des Films entwickelt er eine innige Romanze mit der 19-jährigen Leslie. Im Film zwar mehr oder minder als sein Anhängsel gehandelt, ist sie eine Protago­ nistin für sich. Während Sandoval zwar den Mann von Welt gibt, der zu Competitions nach Schweden reist, ist sie tatsächlich die weltläufige der beiden. Ihr Weitblick und ihre Klarheit stehen Joshs noma­ dischem Chaos antithetisch gegenüber. »Dragonslayer« reiht sich ein in eine visuelle Ge­ genwartskultur zwischen Reality-TV und Youtube, die das Medium Film angreift oder zumindest um­ krempelt: Patterson drückte seinen Protagonisten Flip-Cameras in die Hand und überließ es ihnen, ihre Welt selbst miteinzufangen. Die dabei entstan­ denen Bilder rahmen den Film und tragen bei zur originellen Visualisierung einer Mentalität, auf die der Film Lust macht.

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a. 120/ Rezensi one n

Das Hausmädchen ( Alamode)

Das Hausmädchen (Alamode) von Im Sang-soo; mit Jeon Do-Yeon, Lee Jung-jae, Seo Woo auf DVD und Blu-Ray

Ich bin Nummer 4 ( Disney)

von D.J. Caruso; mit Alex Pettyfer, Dianna Agron, Timothy Olyphant auf DVD und Blu-ray

In seiner konsequenten, bis zur Perfektion getriebenen Ästhetisie­ rung offenbart der südkoreanische Thriller »Das Hausmädchen« die Lächerlichkeit und Grausamkeit dekadenter Herrschaftsver­ hältnisse. Dass der Film aus Südkorea stammt und sich das the­ matisierte Herrenhaus, mitsamt seinen intriganten Frauenfiguren, mit Reichtum und Prestige westlicher Handschrift schmückt, ist die satirische Draufgabe in diesem absurden Kammerspiel von Im Sang-soo. Die verspielte Inszenierung ist eine konsequente Komposition mit Tiefe – von Beethoven am Klavier, erlesenem Rotwein im Glas und geometrischer Kunst an den Wänden, den Kostümen der Dienstboten, bis hin zu den Edelmöbeln und dem hierarchischen Sex. Die Schauspieler sind begeisternd, nur die Spannung nimmt im letzten Drittel leicht ab, was aber das feurige und bizarre Ende wieder vergessen macht. 7/10 Klaus Buchholz

Regisseur D.J. Caruso verwandelt bekannte Filmstoffe in JungTeenager-taugliche Leinwand-Abenteuer. In »Disturbia«, nach Hitchcocks »Das Fenster zum Hof« und »Eagle-Eye«, nach Hitchcocks »Der Mann, der zu viel wusste« und »All The Trou­ bles Of The World« geschrieben von Isaac Asimov, war ihm Shia LaBeouf ein dankbarer Hauptdarsteller zwischen glattem Aller­ welts-Youngster und aufblitzendem Charakter. Carusos dritter Streifen, produziert von Steven Spielberg und Michael Bay, hält hier nicht mit und Alex Pettyfer bleibt als Hauptdarsteller über­ fordert. Remixed werden bei der Buchverfilmung viele AlienStories: Es geht um den auserwählten Alien Nummer 4, der auf der Erde lebt und von anderen Außerirdischen bedroht wird. Das erinnert nicht nur von ungefähr an »Terminator« trifft »Faculty«. Die Auseinandersetzung der Außerirdischen wird durch eine zarte Liebes-Geschichte und typische Highschool- und Teen AngstElemente deutlich verlangsamt. Leider ohne – wie in »Faculty« – gekonnt zueinander zu finden. In »Ich Bin Nummer 4« bleibt alles glatter und langweiliger – erst in den letzten 20 Minuten gewinnt wenigstens die Action an Fahrt. Wer nicht per se Freude daran hat, wenn im Showdown Schule und Sport zerlegt werden oder den auch hier großartigen Timohy Olyphant – als Mentor – in jeder Rolle sehen will, kann diesen Caruso auslassen. 4/10 Martin Mühl

Viridiana ( Alamode)

von Luis Buñuel; mit Silvia Pinal, Fernando Rey, auf DVD

Wenn Luis Buñuel einen Heidenspaß macht, dann ist der auch als solcher zu verstehen. »Viridiana« aus 1961 ist das beste Beispiel dafür. Der alte spanische Meister des surrealen und satirisch bit­ terbösen Kinos arbeitete sich hier ausgiebig an der Katholischen Kirche ab. Christliche Heilsversprechen und Bemühungen um Nächstenliebe treffen auf die Abgründe des unberechenbaren Menschen. Legendär sind die ausgiebig gezeigten langen Beine von Silvia Binal, die hier eine angehende Nonne spielt, oder das rauschende Finale, bei dem eine Horde Mittelloser das letzte Abendmahl nachstellt und in ein rauschendes Fest verwandelt. Zum Schluss brennt sogar eine Dornenkrone in Großaufnahme, während ein Chor Halleluja singt. »Viridiana« ist ein großer gro­ tesker Spaß der Filmgeschichte, nicht nur für Heiden. 8/10 Klaus Buchholz


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Abt. Buch Andreas Altmann Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend

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a. 120/ Rezensi one n

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( Piper ) Harte Bandagen: Altmann, renommierter Reisereporter, erzählt sein misshandlungsreiches Aufwachsen als Sohn eines Devotionalienhändlers und SS-Mannes im Gnadenort Altötting: Die ehelich gedemütigte Mutter will ihren jüngsten Sohn als Sinnbild männlicher Grausamkeit nach der Geburt ersticken, die Atemnot wird ihn ein ganzes Leben begleiten wie seine Mutter die Schulddepression; der Vater, janusköpfig zwischen honorigem Kirchen­ tenor und bigottem Sadisten pendelnd, züchtigt die gesamte Familie und stirbt letztlich verhasst einen einsamen Tod. Dazwischen sorgen problemlos im Schulbetrieb entnazifizierte Nazi-Lehrer, pädophi­ le Peitschenpfarrer und irre Internatsbetreuer für weitere Wunden, deren Aufarbeitung dem sensiblen Gelegenheitsarbeiter und Schauspieler dutzende Jahre verschiedenster Therapien kosten. Und den­ noch: Dieser schonungslose Schmerzensbericht zeigt, dass Freiheit möglich ist. Altmann erfährt sie buchstäblich, indem er – trotz aller Menschenge­ walt ein Philantrop geworden – Empathie und Of­ fenheit für (das) Fremde kombiniert und zum hoch­ geschätzten Reiseschriftsteller reift. 8/10 Roland Steiner

Tony Black Geopfert

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( Z solnay) Gus Dury musste erfunden werden:

Er hat im Leben eigentlich ziemlich viel falsch ge­ macht. Seine Ehe ging den Bach runter, von seiner Zeit als schottischer Starjournalist kann er nur noch träumen, seine Liebe zum Scotch erinnert an Humphrey Bogart und irgendwie passiert es immer wieder, dass dort, wohin ihn seine wuchtigen Doc Martens führen, auch die Fäuste fliegen. Ein Mann fürs Grobe also, der in Schottland schon längst als musikversierter Punk-Detektiv gefeiert wird. Wor­ um geht’s in »Geopfert«? Der Sohn eines Freundes wurde bestialisch zugerichtet, doch die Polizei legt den Fall als Selbstmord zu den Akten. Die Nachfor­ schungen bringen ihn schnell in die Unterwelt von Edinburgh, wo der Mädchenhandel blüht. Trotz aller Tragik könnte dies nun eine 08/15 Geschichte wer­ den, aber nein, Tony Black bleibt so stark am Limit, dass er zum einen die Dudelsack-Hauptstadt Edin­ burgh anständig entzaubert, der Politik die Leviten liest, und gegensätzlich dazu, sehr ergreifend, die Kindheit und Jugend von Gus Dury aufarbeitet. 8/10

Martin G. Wanko

Lydia Davis Formen der Verstörung

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( D roschl ) »Formen der Verstörung« ist eine Sammlung von Erzählungen der amerikanischen Autorin Lydia Davis, die bei einigen als postmoder­ ne Stilvirtuosin, grandiose Menschenbeobachterin und so weiter gilt. Die exemplarische dreiseitige Titelgeschichte musste ich mir viermal durchlesen, um endlich zu kapieren, dass es darum geht, dass zwei Telefongespräche zwischen vier Menschen eine wechselseitige wie allgemeine und übereinan­ der verkreuzte kleine Verstörung ausgelöst haben. Wenn einmal nicht übereinander gelagerte Rezi­ prozitäten das Thema und der Vortrag sind, lässt Davis zum Beispiel »Kafka selbst sprechen«. Das hört sich dann so an: »Ich liebe deutschen Kartof­ felsalat aus guten, alten Kartoffeln und Essig, ob­ wohl er schwer und ein solcher Hammer ist, dass es mir, bevor ich überhaupt noch davon gekostet habe, schon ein wenig schlecht wird.« Kafka selbst so sprechen zu lassen, ist freilich eine etwas eigenar­ tige, um nicht zu sagen, misslungene Art, etwas zu tun. »Wem es in der Literatur um eine Erforschung des Denkens geht, um eine Erkundung unserer Fan­ tasie- und Geistestätigkeiten, um den Imaginations­

► 0 6 8 / AUSGABE 120

Leif Randt Schimmernder Dunst über Coby County ( Berlin Verlag)

Gefühle sind ein Zeichen von Schwäche _ Leif Randt entwirft eine relativ angenehme Dystopie und beschreibt, wie die Wellness-Yuppie-Hipster-Welt emotional den Bach runter geht. Es mangelt nicht an Versuchen darin, mit härteren Spielarten von Ironie und dem alten Subversiondurch-Affirmation-Spiel verkorkste männliche adoleszente Ich-Erzähler durch die Meta-Hölle ge­ hen zu lassen. Hinter den perfekten Oberflächen ist nichts, die Post-irgendwas- und Zeichenhaftig­ keit aller Dinge fühlt sich wie Beliebigkeit an, erzählt wird meistens im Präsens – das zeitigte dank Huysmans, Salinger, Ellis und Kracht nicht nur einige Perlen, sondern führte die dann sogenannte Popliteratur in den 90ern auch in eine elende, fade Sackgasse. Um es kurz zu machen: Leif Randt hat mit »Schimmernder Dunst über Coby County« den gut ge­ launten Ausweg gefunden. Coby County ist eine fiebertraumhaft gedämpfte Mischung der jeweils verstörend perfekten Anteile der Touristenvorstellungen von Brighton und Berlin. Alle Leute arbei­ ten als Literaturagent/innen, Grafikdesigner/innen oder Erlebnisgastronom/innen, aber eigentlich auch nur, weil ihnen diese Jobs so viel Spaß machen, denn reich wären sie sowieso. Das Leben ist eine Reihe von Partys, selbstironischen Running Gags und Schaumbädern, alle sind tolerant, kreativ und abgeklärt. Nun ist es aber nicht so, dass in dieser leicht überkandidelten WellnessYuppie-Hipster-Welt die Leute keine Probleme haben. Die Probleme sind nur nicht so schlimm: Darüber nachdenken, ob man gerade eine angemessene Gestik hat, wenn die Freundin Schluss macht oder die Hochbahn beinahe entgleist und die richtige Abstimmung des Bewusstseins da­ zwischen finden, dass zwar alles (Liebesbeziehungen, Geschmack Anziehsachen, Partys oder Le­ bensentwürfe bestreffend) zur abgeschmackten leeren Geste verkommen ist, die man nur mehr auf irgendwelchen x-ten Ironieebenen nachmachen kann, dass es sich aber oft gut anfühlt, wenn man sich etwas vormacht und irgendeine beliebige Geste nachmacht. Umgekehrt misstraut unser Held Wim Endersson, 26, Literaturagent, wiederum all seinen inneren Regungen, denn die könnten ja auch nur von mangelnder Selbstkontrolle oder von irgendwelchen abgekauten Klischees kommen. Es ist eben alles perfekt und sogar, dass es so nichts mehr gibt, gegen das man sein könnte, ist nicht wirklich schlimm. Wim findet fast alles »relativ angenehm«, »total angemessen« oder »eigentlich schön« und wenn man sich ehrlich ist, ist Coby County das doch auch. Perfekter Stil, furchtbar lus­ tige Sexszenen und sanfter Spott über die Gegenwart und ihre Texte – Coby County ist der selbst­ reflexivste Damenspitz und das butterweichste schärfste Schwert der neueren deutschen Literatur. 10/10 Martin Fritz

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Abt. Buch

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raum, den jedes Erzählen zu öffnen in der Lage sein sollte, für den sind die Geschichten von Lydia Davis Schatzkammern literarischer Erfindung«, so der Klappentext. In der Geschichte »Einen fahren lassen« räsoniert die Erzählerin auf knapp zwei Seiten darüber, ob wohl der Hund oder der Ehemann eben ge­ furzt hat, und was das jeweils wohl für Konsequenzen nach sich ziehen würde, sollte das eine oder eben das andere zutreffen. 3/10 Philip Hautmann

Doris Dörrie Alles Inklusive

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(D iogenes ) Sommer 1976, am Hippiestrand in Spanien. Der FKK-Strand na­

türlich, denn den spießigen Normalostrand belächelt das Bilderbuchblumen­ kind Ingrid als einen Haufen bunter Smarties. Ihre Tochter Apple sehnt sich genau dorthin. Im klassischen, aber eher ungewöhnlichen also spiegelver­ kehrten Mutter-Tochter-Konflikt ist die Tochter die Reifere. Das Mädchen hat das Leben im heißen kleinen Zelt, das Verkaufen von zu Armreifen gebogenen Löffeln und die ganze Batikwelt satt und möchte ein konservatives bürgerli­ ches Leben wie das von Familie Birker aus Hannover. Der aparte Familienvater verliebt sich aber Hals über Kopf in die Hippieschönheit Ingrid, was folgen­ schwer die Geschichte auch noch 30 Jahre später beeinflusst. Nein, keiner ist schwanger. Das ist kein vorhersehbarer Roman, sondern hochklassige Unter­ haltung. Die mittlerweile erwachsene Apple taumelt von einem Beziehungs­ desaster ins nächste und fühlt sich von ihrem Hund »Freud« therapiert. Alles hat sich gewandelt, sogar das Geschlecht einer Romanfigur. Kein vorherseh­ barer Roman, wie gesagt.

Ar tDesign Feldkirch Messe fÜr design . kunst . Mode

04 | 05 | 06 nov 2011 Montforthaus täglich 10 –19 uhr

9/10 Juliane Fischer

Wilhelm Genazino Wenn wir Tiere wären

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(H anser ) Eigentlich schreibt Wilhelm Genazino seit Jahren an einem einzi­ gen großen Roman, von dem er regelmäßig Teile publiziert. In ihm durchwan­ dert die Hauptfigur als kritisch-melancholischer Beobachter eine Großstadt, unterbrochen von diversen alltäglichen Zumutungen und Krisen, nicht zuletzt sexueller Natur. In der aktuellen Folge ist es ein freier Architekt, der sich mit banalen Aufträgen eines Architekturbüros über Wasser hält. Freundin Maria unterbricht seinen Weltekel regelmäßig mit gutem Sex, nervt dafür mit un­ zumutbaren Alltagswünschen, wie dem nach einer Urlaubsreise. Sand in die­ ses gut eingespielte Getriebe bringt der überraschende Tod eines Bekannten und Kollegen … Bekannt wurde Genazino Ende der 70er Jahre durch seine Abschaffel-Trilogie, die das entfremdete Leben eines Büromenschen minutiös schildert. Das von Genazino in »Wenn wir Tiere wären« beschriebene Bürole­ ben ist noch das von vor 40 Jahren und wirkt angesichts seines sonst so präzi­ sen Realismus anachronistisch. Trotzdem verwöhnt Genazino auch in diesem kurzen Roman mit literarischer Beobachtungskunst auf hohem Niveau.

artdesignfeldkirch. at

7/10 Christian Köllerer

Einar Már Guðmundsson Vorübergehend nicht erreichbar

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(H anser ) »Love is the drug«, schalmeite Brian Ferry vor drei Jahrzehnten, als er auch anderen Drogen nicht abgeneigt war. Waren es zuerst Rauschmit­ tel, so schmiedete schlussendlich Liebe Einar Pór und Eva zusammen, Helden dieser dokumentarischen Briefgeschichte beider und selbstreflexiven Biogra­ fie ihres Herausgebers. Dass sich der einfühlsamer Porträts wegen gerühmte isländische Schriftsteller empfänglich zeigte für die Briefe eines inhaftierten Dealers und seiner Geliebten, die mit zwei Kindern nach dem Verlust ihres to­ ten ersten und geschiedenen zweiten Ehemanns dessen Freilassung brieflich erharrt, hängt mit seinem eigenen Suchtpotenzial zusammen. Gesegnet mit einer liebevollen Frau, Energie spendenden Kindern und literarischen Erfol­ gen wird Guðmundsson gleichwohl stärker der Volksdroge Alkohol anheim fallen, um sozial bestehen zu können. Effektiv glänzt diese Liebesgeschichte mit einer an Wunder grenzenden Empathie voller Hingabe an die Offenbarung zweier Begehrender, inklusive seiner nüchternen Selbstbespiegelung. 10/10 Roland Steiner

Irvine Welsh Crime

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(K iepenheuer & Witsch ) Für einen Altmeister ist er noch zu jung, aber auf

9/10 Martin G. Wanko

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dem besten Wege dazu ist der schottische Literat Irvine Welsh allemal. Vor rund 20 Jahren schrieb er mit »Trainspotting« englische Literaturgeschichte. Und: Der Mann ist stilistisch in Bombenform. In seinem neuen Roman mit dem schlichten Titel »Crime« führt er den Leser an das sensible Thema Kindes­ entführung heran. Dabei bleibt er inhaltlich wahnsinnig dicht, auch detailreich, und schafft es so, den Leser sehr stark an die Gestalt von Detective Ray Lenn­ ox zu binden. Und sonst? Wie üblich teilt Welsh aus. Seine Geburtsstadt Edin­ burgh kommt gar nicht gut weg. Ein Großteil des Romans spielt aber in den Vereinigten Staaten und die werden nun zu seinem Spielball. Er wirbelt sie durch die halbe Galaxie und zurück. Und dem Leser bleibt hierbei das Lachen im Hals stecken – die Vereinigten Staaten, ein Kulturtrauma.

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Abt. Comic Philippe Girard Killing Velazquez

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a. 120/ Rezensi one n

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( Conundrum P ress / BDang) Ab wann ist man ein Opfer und wie viel Mut braucht man, um es sich einzugestehen und schlussendlich darüber hinweg­ zukommen? Diesen Mut findet Philippe Girard in al­ ten Büchern und alten Kunstwerken. »Killing Velaz­ quez«, als autobiografische Darstellung, könnte für andere dieses Buch und Kunstwerk sein. Girard be­ richtet in dicken Linien, einfachen Formen und kraft­ vollem Schwarz von seiner Jugend, in der er Opfer sexuellen Missbrauchs war. In einer turbulenten Phase seines Lebens wird Philippe vom Charisma ei­ nes unkonventionellen Priesters überrannt. Verwirrt und verängstigt sucht er nach Stütze und findet sie in zwei unerwarteten Partnern: in Groschenheften und in den Bildern von Picasso und Velázquez. »Killing Velazquez« wird von einer emotionalen Dringlichkeit beherrscht, einer breitbeinigen Stellungnahme, die Konfrontation auf persönlicher Ebene fordert. Was Philippe Girard in seiner Jugend an Kraft durch Bü­ cher gewinnen konnte, versucht er in Form dieses Comics weiterzugeben. Ob dies gelungen ist, können nur Betroffene beurteilen, unzweifelhaft ist aber die essentielle Qualität von Girards Arbeit. 8/10 Nuri Nurbachsch

Nate Powell Any Empire

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( Top S helf Productions ) In einer kleinen Stadt irgendwo in der Mitte der USA treffen drei Kinder aufeinander. Alle drei hegen insgeheim Fantasien, die ihr Leben formen und bestimmen. Nichts Un­ gewöhnliches: Tagtraumheldentum, Rächerhirnge­ spinste, Aufdeckerwünsche. Doch sie führen zu Kon­ flikten: in ihren Familien, bei ihren Freunden und vor allem mit ihrer Identität. Später im Leben werden sie den gleichen Konflikten wieder begegnen. Nate Pow­ ells Stil schafft ein Flickwerk aus Realistischem und Cartoonhaftem, sammelt sich an manchen Stellen zu dichten Momenten, zerfließt an anderen in zarte Linien des Moments. Vergangenheit und Gegenwart überkreuzen sich, ohne auch nur einmal zu stolpern. Nate Powell hat sich mit »Swallow Me Whole« die Latte sensationell hoch gelegt, meistert sie aber mit »Any Empire« mit Leichtigkeit. Mit bestechend scharfer Einsicht zieht Powell Fäden um die weiten Ausläufer von Krieg und Gewalt, den Wurzeln und den Folgen. Geisterhaft schwirrt hier ein nüchterner Atem durch die Blätter und scheint sagen zu wol­ len, dass die Kriege, die uns später so wichtig und unvermeidlich erscheinen, genau die gleichen sind, die unsere Kinder führen und die wir als lächerlich und unreif abtun. Nate Powells Kunstfertigkeit in Wort und Bild ist auch bei »Any Empire« schlicht­ weg atemberaubend. 10/10 Nuri Nurbachsch

Charles Soule, Allen Gladfelter 03 Strongman

(SLG Publishing) Eine gründlich gelernte Lektion im Reifungsprozess der Comic-Protagonisten al­ ler Gangarten: Handlungen haben Konsequenzen. Dazu eine klassische Trope: der abgehalfterte Held. Plus: Lucha Libre. Ergibt: Strongman. Ganz so 08/15 liest sich »Strongman« dann doch auch wie­ der nicht, aber der Eindruck bleibt bestehen. Tigre findet Stolz, Lebenslust und Freundschaft wieder in einer unprätentiösen Story, die direkt Hommage an die 1960er Lucha Libre-Abenteuer und dem Mob Noir zollt, aber in den dichten Seiten geht einem oft der Atem aus. Zu treu dem Schema folgend verliert »Strongman« an Stellen etwas an Fahrt. Was fürch­ terlich schade ist, denn im Kern ist »Strongman« eines der sympathischsten Comics seines Genres, voll mit Klischees, aber im bestmöglich denkbaren Sinn des Wortes. Geduldige und Nostalgiker werden auf jeden Fall auf ihre Kosten kommen. 6/10 Nuri Nurbachsch

► 0 7 0 / AUSGABE 120

Joe Sacco Gaza ( Reprodukt)

Spurensuche

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Joe Sacco begibt sich auf Spurensuche in den Gazastreifen. Zwischen Vergangenheit und Gegenwart sucht er Antworten, findet Fragen und betreibt dabei auch noch Medienkritik. Der englische Originaltitel »Footnotes In Gaza« führt näher an die Intentionen des Zeichners und Autors heran als der verkürzte deutsche Titel. Joe Sacco versucht hier nicht, die Geschichte des Gazastreifens aufzuarbeiten, eher versucht er eine »unzeitgemäße Betrachtung« zu liefern, in­ dem er Ereignissen nachspürt, die sich in den 50er Jahren im Gazastreifen ereigneten. Der dazu notwendige monatelange Aufenthalt vor Ort brachte es allerdings mit sich, auch der Gegenwart im Gazastreifen Beachtung zu schenken. Die Beifügung »Footnotes« ist nicht nur dem Blick auf eine ganz bestimmte historische Episode geschuldet, sondern auch einer Medienkritik, die hier von Sacco stärker betrieben wird als in seinen anderen Werken, sich selbst nimmt er dabei nicht aus. Sacco beschäftigt sich mit zwei israelischen Übergriffen auf den Gazastreifen zur Zeit der Suez­ krise 1956, in der England und Frankreich gemeinsam mit Israel Ägypten zu einer militärischen Auseinandersetzung provozierten, die auch zur israelischen Besetzung des Gazastreifens führte. In beiden Fällen kam es laut Zeugenaussagen zur Ermordung einer großen Anzahl von Palästinen­ sern. Außer einigen spärlichen Zeilen in UN-Berichten scheinen beide Vorfälle jedoch kaum öf­ fentlich aufgearbeitet worden zu sein, sie gehören vielmehr zur ungeschriebenen Geschichte Gazas, einer Geschichte, der Sacco allerdings große Bedeutung für eine Annäherung an die Grundproble­ matik zwischen Israel und dem Gazastreifen zuschreibt: Der ewige Kreislauf von Aggression und Gegenaggression. Wo, wie und wann sind die Verletzungen und Demütigungen geschehen, die für Generationen nachwirken? Sacco rekonstruiert aus der Perspektive Gazas, er sucht mit Hilfe von Freunden, die oft als Türöffner fungieren, Augenzeugen der damaligen Ereignisse ausfindig zu ma­ chen und geht dabei mit sich selbst wie auch seinen Informanten teilweise hart ins Gericht. Penibel vergleicht er Zeugenaussagen, konfrontiert widersprüchliche Aussagen, rekonstruiert Tatbestände aus verschiedenen Perspektiven, ist unzufrieden über die Unzuverlässigkeit der Zeugen und sieht sich gleichzeitig dabei zu, wie er in seiner Rolle als Journalist diese Menschen instrumentalisiert, in dem sie für ihn nur unter dem Gesichtspunkt der Informationsbeschaffung relevant werden. Das Leid, das viele von ihnen augenscheinlich noch in sich tragen, wird dabei oft übergangen, ebenso ihre derzeitigen Problemlagen. Gaza ist eine in Wirklichkeit für uns unvorstellbare Situation, ein abgetrenntes, isoliertes, von Befestigungsanlagen umgebenes Gebiet, geteilt durch militärisch bewachte Straßen, Städte, die aus Flüchtlingslagern entstanden sind, die mit der Zeit einfach in die Höhe gewachsen sind, eine Bevölkerung, die von Hilfsorganisationen verwaltet wird. Manche Augenzeugen können noch von ihrer Angst sprechen, die sie nie ganz verwunden haben. Sacco gräbt diesmal tief und zeigt, ohne pauschale Schuldzuweisungen vorzunehmen, die katastrophalen Konsequenzen der militärischen Logik, die sich selbst als Pragmatik darstellt, als Problemlösung, aber sich tief und unauslöschlich in die Menschen einschreibt, die Feinde von morgen. 10/10 Alexander Kesselring

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Abt. Games

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a. 120/ Rezensi onen

Dark Souls (F rom S oftware /Namco Bandai); PS3 ( getestet ), Xbox 3 6 0 www. preparetodie .com

Ein Funken Hoffnung

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Tod und Verzweiflung als ständige Begleiter jener, die sich auf »Dark Souls« einlassen. Dafür bietet das bemerkenswerte Rollenspiel reichlich Tiefgang und einen Stil, der seinesgleichen sucht. Ein gigantischer Ritter fordert mich zum Duell – es gibt kein Entrinnen. Ich weiche zurück, versuche, ihn auf Abstand zu halten. Langsam umkreisen wir uns, auf einen Fehl­ tritt, eine mögliche Chance lauernd. Plötzlich prescht der Hüne vor: es klirrt und kracht, als Metall auf Metall trifft. Mein Schild hält stand. Wir umkreisen uns. Dann verlässt mich die Kraft, der Gegner bricht durch – und es ist vorbei. Doch war es nicht vergebens, seine Schwachstelle offenbarte sich mir. Beim siebten Versuch werde ich siegen, gewiss! »Dark Souls« ist ein unbarmherziges, raues Spiel – dabei aber niemals unfair. »Lerne aus deinen Fehlern und mache es beim nächsten Mal besser«, sagt Hidetaka Miyazaki, kre­ ativer Kopf und Produzent des Action-Rollenspiels. »Dark Souls« gelingt das, was auch den geistigen Vorgänger »Demon’s Souls« auszeichnete: trotz aller Frustration motiviert das Spielprinzip. Die unfassbar dichte Atmosphäre verursacht eine Neugier, die gestillt werden möchte. Nur noch bis zum nächsten Leuchtfeuer! An jenen Feuern darf geheilt und gelevelt, zudem die Verwandlung zum Menschsein durchgeführt werden. Nach jedem Tod streift man erneut als Untoter durch gewaltige Burgen, verwunschene Wälder und pechschwarze Höhlen, auf der Suche nach besserer Ausrüstung und Menschlich­ keit. In »Dark Souls« gibt es eine große, zusammenhängende Welt, die zu erkunden sich lohnt. Melancholie und Verderbnis prägen das Abenteuer; doch mit jeder genommenen Hürde wächst die Hoffnung. Neben Erkundung und Charakterentwicklung stehen nach wie vor Kämpfe im Mittel­ punkt, der Narration ist mit wenigen Worten und eindrucksvollen Bildern genüge getan. Langsam und betont realistisch gestaltet sich der Waffengang, wildes Button Mashing funktioniert ebenso wenig wie stures Blocken. Wer die intelligent agierenden Feinde nicht ausreichend studiert, läuft Gefahr, bereits gegen verhältnismäßig schwache Widersa­ cher unterzugehen. Geduld, Vorsicht und Mut zur rechten Zeit – so könnte die Erfolgs­ formel lauten. Sich daran zu halten, zerrt an den Nerven, ist doch so manch langwierige Passage immer und immer wieder aufs Neue zu meistern, bis man zur Stelle des Ab­ lebens gelangt; dort ruhen die gesammelten Seelen – Universalwährung für Ausrüstung und Level-ups. Rücksetzpunkte sind rar gesät und versteckte Shortcuts möglicherweise noch unentdeckt. Eine einzige Chance wird dem Spieler gewährt, um Seelen zu bergen, danach sind sie verloren. Nur frustresistente, neugierige und mutige Spieler werden belohnt und mit »Dark Souls« ihre Freude haben. 9/10 Stefan Kluger

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MEHR REVIEWS WWW.THEGAP.AT GROSSES ARCHIV

Dead Island

01

( T echland /Deepsilver ); X box 360 getestet, PS3; www.deadislandgame .com

In seinem Old-School-Zugang ist »Dead Island« eigentlich sympathisch. Auf einer Insel gilt es, aller­ lei Aufgaben zu erfüllen und auf dem Weg Punkte zu sammeln, indem man Zombies (er-)schlägt. Wobei Sammeln hier generell als Tugend bewertet wird. Das macht schon Spaß, die nicht gerade aktuelle Präsentation schmerzt nicht weiter und Freunde des gepflegten Online-Spiels treten gegenseitig ihren Spielsitzungen bei und den Horden gemeinsam entgegen. Techland, die etwa auch das letzte »Call Of Juarez« technisch in den Sand gesetzt haben, waren aber auch hier schleißig in der Entwicklung. Das führt zu kleinen Macken wie KI-Aussetzern oder zu unverzeihlichen Fehlern, von denen Spieler online in größerer Zahl berichten. Unklar, ob die Entwickler hier mit Updates eingreifen können – wenn nicht ist es schade, weil »Dead Island« einige Stunden simp­ len Zombie-Spaß verspricht. 5/10 Martin Mühl

The Gunstringer

02

( T wisted P ixel /Microsoft ); Kinect für X box 3 60; www. thegunstringer .com

Microsoft veröffentlicht im zweiten Halbjahr einige kleinere und mittelgroße Titel als Spiele-Nachschub für Kinect. Darunter auch »The Gunstringer« – einen verspielten Western-Shooter. Dieser wird durchaus gelungen und humorvoll präsentiert und das Spiel­ prinzip erschließt sich schnell: Mit der linken Hand wird der Western-Held als Marionette gesteuert (rechts, links springen), mit der rechten Hand wer­ den durch drüberwischen Gegner markiert und dann abgeschossen. Alles eher harmlos und keineswegs blutrünstig. Das Gameplay funktioniert, begeistert aber nicht vollständig. Klar, irgendwann geht es locker von der Hand – aber so richtig zwingend ein­ gängig wird es nicht. »The Gunstringer« bleibt damit ein nettes Spiel für zwischendurch, das nicht zuletzt durch seine Präsentation unterhält. Zentraler Kinect-Titel wird es aber keiner – im Gegensatz zum gratis mitgelieferten Xbox Live Arcade-Zusatz »Fruit Ninja Kinect«. 6/10 Martin Mühl

F1 2011 ( Codemasters /Koch M edia ); X box 360 getestet, PS3, PC; www. formula 1-game .com

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Codemasters entwickeln seit Jahren begeisternde Rennspiele. Nun hat das britische Team seit einiger Zeit die »Formel 1«-Lizenz und es gelingt ihnen, dem Thema Leben einzuhauchen und Fans wie Gelegenheitsraser gleichermaßen zu begeistern. Mit Spielen wie dem fantastischen »Grid« bewiesen

► 0 7 2 / AUSGABE 120

Codemasters, dass man die sonst oft technischsterilen Rennspiele mit Leidenschaft aufladen kann und dabei noch locker den Spagat zwischen Arcade-Feeling und Simulationsgenauigkeit mei­ stern. Genau dies gelingt nun auch mit »F1 2011«. Das Spiel enthält genügend Details aus dem Renn­ sport, ist weitgehend modifizierbar und bietet Fans Unmengen an Möglichkeiten und Anknüpfungspunk­ ten. Gleichzeitig haben Neulinge die Chance anzudo­ cken und werden nicht gleich ob Schwierigkeit oder strenger Rennregeln disqualifiziert. Einfach ist »F1 2011« trotzdem nicht gerade – das Ergebnis ist aber nicht frustrierend, sondern höchstgradig intensiv. Die Hoffnungen und Erwartungen an Codemasters waren bei diesem Spiel hoch – sie wurden erfüllt. 8/10 Martin Mühl

Fruit Ninja Kinect (Halfbrick /Microsoft) ; Xbox Live Aracde / K inect für Xbox 3 6 0 ; www. halfbrick .com

04

»Fruit Ninja« war bereits auf Smartphones und Tab­ lets ein Hit. Nun gibt es das Spiel für die Xbox 360 und deren Bewegungssteuerung Kinect. Worum es geht? Mittels handkantiger Ninja-Bewegungen Früchte auf dem Bildschirm teilen. Und ja, das hört sich nach Spaß an und macht auch genauso viel Freude. Allein, zu mehrt und immer wieder zwi­ schendurch. 8/10 Martin Mühl

Renegade Ops

(Avalanche Studios / Sega) ; P S 3 , getestet, X box 3 6 0 , P C ; www. sega .com /renegadeops

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Resistance 3

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(Insomniac/Sony); PS3; www.insomniacgames.com

Ego-Shooter sind ja nicht gerade bekannt für origi­ nelle Geschichten. Ausnahmen bestätigen die Re­ gel, so wie das bereits sieben Jahre alte »Half-Life 2«. Und interessanterweise erinnern Elemente aus »Resistance 3« an jenen Klassiker – vor allem das Design einiger Feinde, sowie der trostlos inszenierte Widerstandskampf gegen eine außerirdische Über­ macht. Die alternativen 1950er Jahre versprühen Endzeitstimmung, haben die feindlichen Chimera doch beinahe den gesamten Planeten unterjocht. Entwickler Insomniac Games kehrt im dritten Teil modernen Gameplay-Errungenschaften wie auto­ matischer Regeneration und Waffenbeschränkung den Rücken; vielmehr gibt es die guten alten Medi­ packs, während sämtliche Waffen im Gepäck Platz finden – das ist old-school und bietet interessante taktische Möglichkeiten. Besonders die Entschei­ dung für Medipacks sorgt für zusätzlichen Nerven­ kitzel und zwingt den Spieler immer wieder in die Offensive, anstelle stur in Deckung zu verharren. Gleichzeitig sind es die ruhigeren, teilweise sogar unheimlichen Passagen, in denen »Resistance 3« zur Höchstform anläuft. Intensiv auch so manche Massenschlacht – wobei es schon mal chaotisch werden kann. 8/10 Stefan Kluger

Warhammer 40,000: Space Marine

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( Relic Entertainment/ T H Q ) ; P S 3 getestet, Xbox 3 6 0 , P C ; www. spacemarine.com

»Renegade Ops« konzentriert sich auf das Wesent­ liche: Möglichst viel in die Luft jagen und dabei einfach Spaß haben – am Besten mit Freunden. Es gibt zwar eine Story, die im Comic-Stil auch ganz ansprechend erzählt wird; aber eigentlich ist sie nebensächlich. Die Action steht eindeutig im Vordergrund und davon gibt es eine ganze Menge. Mit einem von vier verschiedenen Fahrzeugen mit jeweils unterschiedlichen Spezialfähigkeiten gilt es, durch tropische Dschungellandschaften zu düsen, die Bevölkerung zu schützen und die Armee eines wahnsinnigen Terroristen zu bekämpfen. Das Fahr­ verhalten der Fahrzeuge ist extrem gut gelungen und so macht es auch Spaß, einfach mal durch die Gegend zu driften, wenn einmal kein Gegner in der Nähe ist. Die Gesamtdauer des Spiels ist zwar rela­ tiv kurz, dem Preis aber angemessen. Außerdem hat jedes Fahrzeug eigene Upgrades die man frei­ schalten kann und im Co-op-Modus mit bis zu vier Spielern macht das Ganze noch mehr Spaß. Es gibt also genug Gründe, es mehrmals durchzuspielen.

Wer »Gears Of War« kennt, könnte auf den ersten Blick an einen billigen Abklatsch denken. Musku­ löse Männer in klobigen Rüstungen bekämpfen mit Schußwaffen und Kettensägen blutrünstige Mon­ ster – und das ganze auch noch in wohl bekannter Third Person-Perspektive. Doch das »Warhammer 40,000«-Universum gibt es seit über 20 Jahren; es hat also den Begriff des Spacemarines mehr oder weniger erfunden. Fans finden im aktuellen Spiel eine überzeugende Umsetzung des Settings und der Atmosphäre. Aber auch ohne Vorkennt­ nisse ist »Warhammer 40.000: Space Marine« ein durchaus gelungenes Spiel, das im naheliegenden direkten Vergleich mit »Gears Of War« allerdings nicht ganz mithalten kann. Dazu ist das Gameplay ein wenig zu eintönig und der Schwierigkeitsgrad zu schwankend. Während die meisten Levelabschnitte eher einem Spaziergang ähneln, sind die größeren Kämpfe mit Horden von Gegnern oft frustrierend. Sound und Grafik sind technisch zwar nicht atem­ beraubend, setzen aber die Vorlagen des Grundma­ terials nahezu perfekt um.

8/10 Niko Acherer

7/10 Niko Acherer


c

LIVE @ RKH

ÖSTERREICHS CLUBSZENE IM RADIOKULTURHAUS

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18.10.2011

KARTEN UND INFOS: http://radiokulturhaus.ORF.at

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Musik-Festival 31.10. - 05.11.2011 Mo. 31.10.

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Saint Etienne / Sun Airway Marilies Jagsch & Band Di. 01.11.

The Subways / The Computers The Dancers Do. 03.11.

Friska Viljor / Yuck / Ginga Young Rebel Set / Black Shampoo Fr. 04.11.

Pantha du Prince / Soap & Skin Darkstar / Dorian Concept Sa. 05.11.

Jeans Team / Shit Robot Wolfram / Dorn Infos & Tickets: 0732/781800 | http://ahoi.posthof.at | www.posthof.at | Ö-Ticket 01/96096, Ticket Online 01/88088

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jeunesse jazz+ experimental

Termine Musik

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Porgy & Bess | Riemergasse 11 | 1010 Wien

11.10. Fujii

15.10. Fennesz

20.10. Lauer Large

11.10. Di | 20:00 : jazz : Satoko Fujii’s Yukar

Natsuki Tamura Trompete Kazuhisa Uchihashi E-Gitarre Satoko Fujii Klavier DD Kern Schlagzeug Premiere: die neue Formation der japanischen Jazz-Pianistin

15.10.

Sa | 20:00 : neue musik :

Fennesz | Fussenegger Hinteregger | Moser

Helge Hinteregger Saxophon, Stimme Christian Fennesz Elektronik, Gitarre Michael Moser Violoncello Uli Fussenegger Kontrabass Grenzüberschreitungen und Neufindung: zwischen komponierter und improvisierter, akustischer und elektronischer Musik.

20.10. Do | 20:00 : jazz : Lauer Large

Stephan Meinberg Trompete, Flügelhorn Johannes Lauer Posaune ed Partyka Posaune, Tuba Daniel Schröteler Schlagzeug u. a. Aktueller Big Band Sound: Kompositionen von Johannes Lauer für 16-köpfige Großformation 18:45 | Meet the artist: Ute Pinter im Gespräch mit den Künstlern

NICe PrICe! < 26 Jahre eur 10,– Vollpreis eur 17,–

saison

2011|12

Menschliche Beat-Rakete Zanshin singt normalerweise im House-Duo Ogris Debris. Solo gibt er sich nachdenklicher.

Jack by The Gap presENTS: Zanshin Album-Release

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Zanshin ist eine Hälfte von Ogris Debris und der neueste Release auf dem derzeit einzig wahren, international agierenden Elektronik-Label aus Österreich: Affine Records. Äh, das Label Editions Mego möchten wir dabei natürlich nicht vergessen. Denn das Debütalbum von Zanshin könnte sogar dort veröffentlicht werden. Analog knisternde Beats, aufgebrochene Flächen, elektronische Spalten und avantgardistische Sounds sind die Bauelemente dieses Releases. Zanshin wird sein Album in einem denkbar günstigen Ort, den verruchten Hallen, Nischen und Kammern des Wiener Morisson bei der The Gap-Clubserie Jack präsentieren. 29. Oktober Wien Morisson Club

klassik jazz world neue musik kinderkonzerte

78plus Mi | 20:00 Einlass | 20:30 Beginn EUR 12,– | 14,– (VVK | AK) GARAGE X, Petersplatz 1, 1010 Wien

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Dieser melancholisch Junge hat deutschen Rap umgekrempelt. The Gap präsentiert sein Konzert in Wien.

Casper

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Mit Geist, Emotion und Wortspielen lässt Casper eine Nische des Deutschrap wiederauferstehen, die viele bereits für tot erklärt haben. Sein aktuelles Album »X.O.X.O« erreichte sogar Platz Eins der deutschen Albumcharts. Egal ob Gangster-Rapper oder Emo-Teenie, der aus Bielefeld kommende Benjamin Griffey versteht es, sein Publikum zu überzeugen. 22. Oktober Wien, Szene 15. Dezember Innsbruck, Weekender Club 16. Dezember Gaz, PPC

bild katarina balgavy

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Yuck

Ahoi Pop!

Peter Rehberg & Stephen O’Malley

_ Kontraste Imaginary _ Landscapes

Linz will auch wieder, lange war es in der Stahlstadt etwas ruhiger, nun setzt der Posthof mit einem avan­ cierten und hochkarätigen Line-up ein Ausrufezeichen: Jeans Team, Pantha Du Prince, Yuck, Darkstar, Dorian Concept, Saint Etienne, Wolfram uvm. kommen nach Linz. Festival: 31. Oktober – 05. November

Tori Amos

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Die US-amerikanische Sängerin und Songwriterin erlangte ihre Bekanntheit durch ihre besonders ge­ fühlvollen, lyrischen Texte und einen emotionalen Ge­ sangsstil. Im Herbst ist sie mit neuem Album zu Gast in Wien. 25. Oktober Wien, Stadthalle

Bilderbuch

Mutter

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Entstanden aus dem Berliner Untergrund der früher 80er Jahre, zeichnet sich die Band durch einen brachi­ alen, schweren Stil, geradlinige Texte und ZweiakkordMusik aus. Livekonzerte sind eigentlich Mangelware. 19. Oktober Wien, Fluc Wanne

_ Festival Unlimited 25 _

Die ausgewiesenen Kunstfreunde von Bilderbuch spie­ len gern mit ihrem Publikum und fordern es noch lieber heraus. Nach ihrem erfolgreichen Debüt »Nelken & Schillinge« und dem Zweitling »Die Pest im Piemont« geht das Quartett auf ausgedehnte Deutschland-Tour mit einem Stop in Steyr. 21. Oktober Steyr, Röda

Kreisky

Imginary Landscapes bietet Kunst, die Sinne fordert und schärft, und sich oft nur einem Minimum an Mate­ rial bedient. Hier treffen hypnotisierende Nebelwelten auf raumgreifende Laserprojektionen und elektronische Musik von Pionieren auf neue Helden des Genres. 14.–16. Oktober Krems, Klangraum Minoritenkirche

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Ihre Auftritte sind energisch, die musikalische Wut der Nährboden ihres Schaffens. Jetzt ist die übellaunigste Band des Universums wieder auf Tour. 15. Oktober Linz, Posthof 21. Oktober Wien, Flex 22. Oktober München, FM4 Fest @Muffathalle 25. Oktober St. Pölten, VAZ 26. Oktober Dornbirn, Spielboden

Peter Brötzmann ist einer der wichtigsten europä­ ischen Free Jazz-Musiker, der auch Nicht-Jazzer in­ teressieren sollte. Neben der Ausstellung »Paintings & Objects« von Peter Brötzmann stehen auch seine Filme »Soldier Of The Road« und »Brötzmann« am hochkarätigen Festival-Programm in Wels. Festival: 03.–06. November Ausstellung: 03. November–06. Dezember Wels, Schlachthof

Keni Burke

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Mit bahnbrechenden, brillanten Basslinien schuf Keni Burke in den frühen 80ern einen Soundstandard, der sich in vielen R’n’B-Nummern wiederfinden lässt. Jetzt kommt der Meister des klassischen Soul zum ersten Mal nach Österreich. Unterstützt wird er vom Superfly Radio Orchestra und vom Haydn Orchestra. 28. Oktober Eisenstadt, Schloss Esterházy-Haydnsaal


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Termine Festivals

3 Fragen an das

Shnit-Team Shnit Festival

Shit findet in mehreren Städten statt. Was ist das Konzept dahinter? In der Tat, Shit findet immer und überall statt. Das Shnit Festival jedoch findet derzeit in sechs Städten gleichzeitig statt. Dieses Jahr sind drei neue Orte dazugekommen und Wien ist eine davon. Der Gedanke dahinter ist, dass die unzählig eingesandten Filme auch ein dementsprechend großes Publikum bekom­ men. Schließlich achtet die künstlerische Lei­ tung darauf, dass sowohl im Wettbewerb als auch in den wettbewerbsfreien Blöcken nur hochkarätige Filme gezeigt werden. Wie passiert bei euch die Film-Auswahl? Wir bekommen jedes Jahr zwischen 4.000– 4.500 Filme eingereicht. Die werden gesichtet und in stark reduzierter Form an eine inter­ nationale Jury weitergegeben. Die besteht national zum Beispiel aus Christian Clerici, Sabrina Reiter und einer Kollegin vom VIS. In der internationalen Jury sitzt für Österreich Peter Baminger vom ORF und der Uni Wien. Im nationalen Bewerb wurde die Auswahl auf acht österreichische Filme beschränkt und zusätzlich auf acht Wiener Filme. Was kann man sich als Besucher von Shnit erwarten? In allererster Linie hochkarätige Filme. Die bekommt man in einer wunderbaren, wohn­ zimmerähnlichen Atmosphäre geliefert. Wir versuchen den – und wir mögen das Wort eigentlich nicht – Spirit der Schweizer »Shnitter« hier nach Österreich zu bringen. Die haben natürlich schon viel mehr Flä­ che eingenommen in der Berner Innenstadt. Dafür brauchen wir wohl noch ein paar Jahre. Außerdem gibt es jeden Tag einen Zusam­ menschnitt mit Eindrücken aus den anderen Städten. Shnit Festival 05.–09. Oktober Wien, Burg Kino ► www.shnit.org

Die Filme von Bertrand Bonello (»L’Apollonide«), Pierre Schoeller (»L’Exercice de l’État«) und Nanni Moretti (»Habemus Papam«) haben eines gemeinsam: das Entstehungsland Frankreich sowie Sex und Macht.

Viennale

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Nach den eher plakativ wirkenden Plakat-Sujets in den letzten Jahren gibt es 2011 eine skizzenhafte Figur, welche die belgisch-französische Regisseurin Chantal Akerman zeigt, der eine große, gemeinsam mit dem Filmmuseum realisierte Werkschau in der Retrospektive gewidmet ist. Das Ziel des Festivals, einen punktuierten Überblick über das aktuelle Weltkino zu liefern, ist wie immer hochgesteckt. Die Aus­ wahl und Aufteilung zwischen Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilm liest sich ausgewogen und spannend zugleich. 2011 wird dem Bürgerrechtler und Calypso-Star Harry Belafonte sowie dem britischen Produ­ zenten Jeremy Thomas Tribut gezollt. Kommendes Jahr soll es zum 50. Jubiläum einen umfassenden Relaunch geben – heuer können sich alle Cineasten noch am Status quo erfreuen. 20. Oktober–02. November Wien, diverse Locations


number

So viel Euro kostete ein VIP-Tisch bei der 1. Wiener Wiesn. Auf der Kaiser-Wiese im Prater wurden Ende September mehrere Kubikmeter Burenwurst und einige Hektoliter Gösser vernichtet. Dafür gab es eine umfas­ sende Dröhnung der Elite der volkstümlichen Musik sowie Riesenradrundfahrten bis zum Erbrechen. Wenn einem nicht vorher schon wegen der Musik, der Burenwurst oder dem vielen Bier schlecht war. Tingel Tangel, hier mit ihrem Ape, das zur mobilen Disko umfunktioniert wurde.

bild Christian Capurro, Courtesy of the artist and Anna Schwartz Gallery, Andreas Angerer

Wien Modern

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Liza Minelli meinte einst: »Das Wichtigste ist das Heute!« Das Terrain, auf dem sich Wien Modern Jahr für Jahr als Festival positioniert und dort für über einen Monat verweilt, ist gleichermaßen Zentrum für Musik der Gegenwart. Ganz nach dem Motto: Was war, kann nicht sein, also bleiben wir besser im Jetzt. Der Schwerpunkt 2011 liegt beim Musikschaffen Großbritanniens. Österreichische Komponisten wie Friedrich Cerha, Wolfgang Mitterer und Gerald Resch werden mit Werken von Brian Ferneyhough, Rebecca Saunders oder Harrison Birtwistle konfrontiert. Vier Wochen in 14 Spielstätten, über die ein Klangbogen der aktu­ ellen musikalischen Entwicklung gespannt wird. Einen Höhepunkt des Programms bildet Wolfgang Mitterers neuestes Bühnenwerk, die Comic-Oper »Baron Münchhausen«. Im Café Heumarkt finden die »Studio Nächte« statt, die für den partytauglichen Part des Festivals stehen. Eine musikalische Abbildung des Pop-Mutterlands wird dabei vom DJ-Trio Tingel Tangel an vier Abenden abgehalten. Heimliches Highlight: ein Klingelton von Patrick Pulsin­ ger, eine einminütige Symphonie.

Wohndesign Hofburg

Zum 16. Mal findet in den barocken Räumen der Wiener Hofburg Österreichs führende LifestyleMesse für hochwertiges Design und Wohnen statt. Von Badewannen über Bücherregale bis hin zu So­ fas wird es diverse Österreich-Premieren geben. 13.–16. Oktober Wien, Hofburg

Another Festival

28. Oktober – 20. November Wien, diverse Locations

01

02

Die Internationale Gesellschaft für Neue Musik schafft mit einem jungen und unkonventionellen Festival im Rahmen ihrer Konzertreihe »StromMusik« in Kooperation mit dem Palais Kabelwerk eine genre- und stilübergreifende Plattform für neue Ausdrucksformen. 15. September–15. Oktober Wien, Palais Kabelwerk

Klezmore Festival

03

Zum 8. Mal bereits finden sich Klezmer-Musiker in Wien auf diversen Bühnen zusammen, um ihre künstlerischen Auseinandersetzungen mit diesem Genre in ihrer ganzen Bandbreite dem Publikum vorzuführen. 07. bis 23. November Wien, diverse Locations

Steirischer Herbst 2011

Eine einzigartige Mixtur aus Blues, World Music, Folk und Jazz präsentiert die französisch-marokkanische Sängerin Hindi Zahra.

Salam.Orient

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2001 erblickte »Salam.Orient. Musik, Tanz und Poesie« das Festivallicht. Im zehnten Jahr gibt es ein breitgefächertes Programm mit 26 Einzelevents in Wien sowie Konzerten in den Bundesländern und im slowenischen Maribor. Udo Steinbach thematisiert den politischen Umbruch in Nordafrika, den der tunesische Musiker El Général in Form von HipHop Aus­ druck verleiht. Einen Schwerpunkt des Festivals bildet diesmal die Berber-Musik: Die Singer/ Songwriterin Souad Massi verbindet traditionelle Klänge mit Flamenco und amerikanischem Folkrock und das tunesische Ensemble Fawzi Chekilis ist als Orchester zu hören. Dazwi­ schen gibt es zahlreiche Auszüge von Kunst aus dem gesamten Orient, wodurch einem erst so richtig klar wird, wie reich und vielfältig diese Region ist und wie groß ihr Einfluss auf die restliche Welt: Salam alaikum! 13. Oktober–5. November Österreich, diverse Locations

04

Multidisziplinär seit über 40 Jahren. 2011 rücken die Parallelwelten ins Zentrum des Interesses der zeitgenössischen Kunst und deren Interakteuren, Protagonisten und Liebhabern. 23. September–16. Oktober Graz, diverse Locations

Blickfang

05

140 Designer präsentieren auf 3.500 m² Ausstel­ lungsfläche ihre Innovationen aus den Bereichen Möbel, Mode, Schmuck, Licht und Accessoires. Kuratiert von Saskia und Stefan Diez. 14. –16. Oktober Wien, MAK


Termine Kultur

Looking Up. Vertical Public Space _ Die stadtplanerische Vision des Wiener Architekten Michael Wallraff richtet sich seit Jahren nach oben. Die aktuelle MAK-Ausstellung »Looking up. Vertical Public Space«, als raumgreifende Installation entwickelt, untersucht die Dimension der Vertikalität im öffentlichen Raum und skiz­ ziert Szenarien zukunftsweisender Stadtplanung. Eröffnung: 04. Oktober, 19.00 Uhr Ausstellung: 05. Oktober 2011–04. März 2012 Wien, MAK, Stubenring 5; www.mak.at

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Termine Kultur Künstler im Fokus #11: Walter Pichler

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Ein Grenzgänger zwischen Skulptur, Architektur und Zeichnung, blieb Walter Pichler bis heute minimalistischen Gestaltungskriterien treu. Eine der seltenen Gelegenheiten zur Aus­ einandersetzung mit Pichlers Werkgruppen bietet sich in der Ausstellung »Künstler im Fokus #11. Walter Pichler. Skulpturen, Modelle, Zeichnungen« im MAK. Eröffnung: 27. September, 10.30 Uhr Ausstellung: 27. September 2011–26. Februar 2012 Wien, MAK, Stubenring 5; www.mak.at

Baselitz & Rainer: Lustspiel

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Das Arnulf Rainer Museum bringt zwei große Namen der Malerei, Georg Baselitz und Arnulf Rainer, zusammen. Die Ausstellung »Lustspiel« zeigt ihre jüngst entstandenen Arbeiten, die direkt aus dem Atelier kommen. Obwohl die künstlerische Geschichte von Baselitz und Rainer unterschiedlich ist, zeigt sich eine Ähnlichkeit in der erstaunlichen Freiheit ihrer Pro­ duktionen. Eröffnung: 14. Oktober, 10.30 Uhr Ausstellung: 15. Oktober 2011–16. April 2012 Baden, Arnulf Rainer Museum, Josefsplatz 5; www.arnulf-rainer-museum.at

DV8 Physical Theatre: Can we talk about this? Die neue Produktion von Regisseur Lloyd Newson ist ein Mix aus Tanz, Theater und Doku­ mentation und behandelt Themen wie Pressefreiheit, künstlerische Zensur und Islam. Die Erstaufführung im deutschsprachigen Raum findet im Tanzquartier Wien statt. Tanzquartier Wien / Halle E, 21. und 22 Oktober, 20.30 Uhr Wien, Tanzquartier Wien; www.tqw.at

NÖ Tage der offenen Ateliers

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Unter dem Motto »Vorhang auf für 1000 niederösterreichische Kunstschaffende« öffnen Ateliers, Galerien, Studios und Handwerksstätten in Niederösterreich ihre Pforten, um sich der Öffentlichkeit vorzustellen. Zusätzlich werden Kreativworkshops, Konzerte, Lesungen und Weinverkostungen angeboten. 15.–16. Oktober www.kulturvernetzung.at

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Hip-Hop-WM

Die größte HipHop- und Breakdance-Veranstaltung Europas findet heuer bereits zum dritten Mal in Graz statt. Etwa 4.500 Teilnehmern aus der ganzen Welt werden erwartet. Um 30 WM Titel wird getanzt, denn in mehr als 30 Jahren Geschichte sind nicht nur diverse Stile, son­ dern in Solo-, Duo- und Gruppenbewerben die verschiedensten Disziplinen dazu gekommen. 12.–16. Oktober 2011 Graz, Stadthalle Graz; www.streetdance.at

jeunesse »semesterticket« 4 x ins Konzert um nur eur 24,–

19.10. Mi | 20:30 | GARAGE X 78plus

Gilt für alle unter 26!

(egal ob Studenten oder nicht)

Schellacksound plus Elektronik, Chanson plus Drum’n’Bass

19.11. Sa | 20:00 | Porgy & Bess Elliott Sharp | Studio Dan

Elliott Sharp, der New Yorker Visionär des Jazz, zu Gast mit neuen Projekten

04.12. So | 19:30 | Wiener Konzerthaus Ute Lemper singt Astor Piazzolla 19.10. 78Plus

19.11. Sharp

04.12. Lemper

feat. Original Astor Piazzolla Band Piazzollas Tangos sowie Songs von Kurt Weill und Jacques Brel

24.01. Lugansky

24.01. saison

2011|12

Di | 19:30 | Wiener Konzerthaus

Orchestre de la Suisse Romande

Nikolai Lugansky Klavier | Marek Janowski Dirigent Schumann: Klavierkonzert a-Moll op. 54 | Bruckner: Symphonie Nr. 4 Es-Dur

klassik jazz world neue musik kinderkonzerte Karten & Infos

(01) 505 63 56 www.jeunesse.at

jeunesse kartenbüro Bösendorferstraße 12, 1010 Wien (im Musikvereinsgebäude) öffnungszeiten Mo – Fr, 09:00 – 19:30 Uhr | tel (01) 505 63 56 | e-mail tickets@jeunesse.at online-tickets unter www.jeunesse.at


JACK BY THE GAP PRESENTS:

Zanshin

(Affine Records) Rain Are In Clouds — Album Release AUCH GUT:

Laminat (Bebop Rodeo/Schönbrunner Techno) Moogle (Comfortzone Rec./Bebop Rodeo)

28.10.11 morisson club EACH AND EVERY LAST FRIDAY

RECHTE WIENZEILE 2A, WIEN, AUSTRIA, 1050 WWW.FACEBOOK.COM / MORISSONCLUB — NEXT DATES: 25.11. • 30.12.

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ein vogel kommt selten allein!

Die NDU ist eine Studieninitiative des WIFI und der Wirtschafskammer NÖ.


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Termine Galerien REDAktion Stefan Tasch

HIGHLIGHTS

OKTOBER / NOVEMBER MI. 12.10. 20:00 | COMEDY

GESCHWISTER PFISTER: SERVUS PETER – OH LÀ LÀ MIREILLE

»Epiphanie an Stühlen«, 2011, Skulptur: Stahl, »O.T.«, 2011, MDF, lackierte RAL 3020, RAL 9003 Styropor, Gaze, Lack; Durchmesser 165 cm, 6 und NCS S 1050-R40B; 60 × 62 × 30 cm, courtesy Arme je ca. 105 × 25 × 25 cm / Stühle: Stahl, Holz, Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg Leinen je ca. 85 (H) × 45 × 55 cm, courtesy Galerie Meyer Kainer, Wien

Franz West

Gerwald Rockenschaub

Bekannt wurde Franz West, dem heuer der Goldene Löwe von Venedig überreicht wurde, mit seinen ab 1979 entwickelten »Passstücken«. Bestehend aus Polyester, Alltagsgegenständen, Papier-Maché und Gipsbandagen entwickeln diese Objekte erst im Gebrauch ihre Funktion als Mittler zwischen Kunst und körperlicher Betätigung. Wests Ziel war es, Neurosen Plastizität zu verleihen: »Ich behaupte, wenn man Neurosen sehen könnte, sähen sie so aus …«. In seiner aktuellen Ausstellung zeigt West neben vier Skulpturen im Hauptraum eine schwebende Sputnik-förmige Installation mit zwei Stühlen. Die »Epi­ phanie«, zugleich Titel der Ausstellung, bezieht sich hier weniger auf Gotteserscheinungen im katholischen Sinn sondern auf den plötzlichen, emphatischen Aufschwung eines Individuums, dem kreieren eines neuen Glück­s­ typus.

Gerwald Rockenschaubs Ausstellungen können als De­ stillation dessen gesehen werden, was uns Kunst, Design, Medien und Architektur in teils überbordender Formen­ sprache anbieten. In ihrer konzentrierten Form sind seine Arbeiten immer für einen spezifischen Ort konzipiert und definieren architektonische Gegebenheiten neu. In seiner aktuellen Einzelausstellung zeigt Rockenschaub 2011 entstandene Arbeiten aus den Werkblöcken »Pralinen« und »Intarsien«, eine Reihe von Skulpturen und Wand­ objekten. Mit »Pralinen« bezeichnet Rockenschaub eine Serie von kleinformatigen, lackierten Holzobjekten qua­ dratischen Formats, die in Ihrer Fassung an das Design gehobener Konfiserie-Produkte erinnern. Rockenschaubs Skulpturen sieht man in ihrer geometrischen Ästhetik einerseits den Entwurfprozess durch das bei AppleNutzern populäre CAD-Programm Vectorworks an, sie erinnern aber auch an die Modelle russisch-konstrukti­ vistischer Architekturfantasien.

GALERIE MEYER KAINER Eschenbachgasse 9, 1010 Wien Bis 29. Oktober

GALERIE THADDAEUS ROPAC Mirabellplatz 2, 5020 Salzburg Bis 26. November

WIEN CHARIM GALERIE Dorotheergasse 12/1, 1010 Wien Bis 11. November Via Lewandowsky

Niederösterreich GALERIE JÜNGER Pfarrgasse 1, 2500 Baden Bis 30. Oktober Karl-Heinz Ströhle

GALERIE ANDREAS HUBER Schleifmühlgasse 6-8, 1040 Wien Bis 05. November Florian Schmidt

Oberösterreich GALERIE AM STEIN MONIKA PERZL Lamprechtstrasse 16, 4780 Schärding Bis 30. Dezember Josef Hofer. Art Brut

GALERIE GRITA INSAM An der Hülben 3, 1010 Wien Bis 05. November Art & Language GEORG KARGL FINE ARTS Schleifmühlgasse 5, 1040 Wien Bis 05. November David Maljkovic. Temporary Projections Box Bis 12. November Bernhard Leitner. The Saving of the Wittgenstein House CHRISTINE KÖNIG GALERIE Schleifmühlgasse 1A, 1040 Wien Bis 22. Oktober G.R.A.M.. Hohes Haus GALERIE KRINZINGER Seilerstätte 16, 1010 Wien Bis 29. Oktober Nader Ahriman. Die Hegelmaschine trifft die Weltseele GALERIE KROBATH Eschenbachgasse 9, 1010 Wien Bis 29. Oktober Otto Zitko GALERIE HUBERT WINTER Breite Gasse 17, 1070 Wien Bis 05. November Marcia Hafif. Orange and Green. splash Paintings

Salzburg GALERIE NIKOLAUS RUZICSKA Faistauergasse 12, 5020 Salzburg Bis 29. Oktober Maurizio Nannucci Tirol GALERIE ELISABETH & KLAUS THOMAN Maria-Theresien-StraSSe 34, 6020 Innsbruck Bis 31. Oktober Michael Kienzer. double bind Vorarlberg GALERIE FEURSTEIN Johannitergasse 6, 6800 Feldkirch Bis 29. Oktober Frank Piasta. Out Of Focus Steiermark GALERIE GLACIS Glacisstrasse 55/Maiffredygasse 1, 8010 Graz Bis 29. Oktober Klaus Wanker Kärnten GALERIE 3 Alter Platz 25 / 2. Stock, 9020 Klagenfurt Bis 29. Oktober Alois Mosbacher

SA. 15.10. 20:00 | INDIE-ROCK

KREISKY / M185 / BÖHMISCHER WIND MI. 19.10. 20:00 | ROCK

ROYAL REPUBLIC

DO. 20.10. 20:00 | KABARETT

LUKAS RESETARITS: OSTERREICH – EIN WARIETEE 2.0 FR. 21.10. 20:00 | OI / PUNK

BROILERS / THE KING BLUES DO. 27.10. 20:00 | LITERATURSALO

N

FRIEDRICH ACHLEITNER: IWAHAUBBD. DIALEKTGEDICHTE SA. 29.10. 20:00 | KABARETT

PIGOR & EICHHORN: VOL. 7 MO. 31.10. 20:00 | AHOI POP!

SAINT ETIENNE / SUN AIRWAY / MARILIES JAGSCH & BAND

MI. 02.11. 20:00 | LITERATURSALO

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FRANZ SCHUH: DER KRÜCKENKAKTUS MI. 02.–FR. 04.11. 20:00 | KABA

ALFRED DORFER: BISJETZT

RETT

DO. 03.11. 20:00 | AHOI POP!

FRISKA VILJOR / YUCK / GINGA / YOUNG REBEL SET / BLACK SHAMPOO FR. 04.11. 20:00 | AHOI POP!

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► KOLU M NE /  k now- not h i n g - g es e l l s c h aft ► Von Illbilly The K.I.T.T.

er Weg ins Herz einer Dame führt vom Klo über den Kühlschrank zum Badezimmer«, antwor­ tete ich, als ein frisch verliebter Freund verwirrt bei mir um Rat anklopfte und wissen wollte, was denn zu tun sei, damit ihm die aktuell Angebetete nicht abhold wird. Und weil ich ein netter Mensch bin, fuhren wir gleich zum Ikea, um gemeinsam Produkte auszuwählen, auf dass seine Garconniere muschifit wer­ de. Du kannst nämlich der beste Schleckomat aller Zeiten sein, du kannst deine stramme Gurke noch so gut nach al­ len Regeln der Kunst versenken, es hilft alles nichts, wenn dein Häusl gammelt, die Dusche schimmelt und der Kühl­ schrank teilweise lebt. »Da rennt sie weg und rinnt nicht aus, mein Lieber!«, war meine oberflächliche Diagnose. Dann kassierte ich einen schmerzhaften Schlag auf den Ober­ arm, denn die meisten Frischverliebten reagieren auf kleinere Obszönitäten das Objekt ihrer Begierde betreffend oft sehr gereizt. Ich jaulte hoch auf und auch ein bisschen Kreischen war dabei. Gleichzeitig wurde dieser Übergriff für Außenste­ hende als vertraute Geste interpretiert. Deswegen hielt uns auch das Pärchen, das zur gleichen Zeit den Ikea betrat und uns noch wie ein Schatten folgen sollte, nach kurzem Beäugen wohl für homosexuell. Sie schauten uns, vor allem aber mich, sehr musternd und grimmig an. Zwei Typen mit einem Ein­ kaufswagen im Möbelhaus, die sich scheinbar auch noch ge­ rade zanken, sind zwar nur kleine, klischeebehaftete Indizen für gleichgeschlechtliche Vorlieben, es reicht aber wohl aus zur Vorurteilsbildung. Wobei, ich bin am Vortag auf einer ziem­ lich lustigen Party untergegangen und an meinem Hals und dem rechten Ohr klebten trotzt ausgiebiger Dusche immer noch grüner und goldener Glitter. Keine Ahnung, wo ich war und wie der dort hinkam. Aber das verschärfte wohl das Bild. Das Pärchen vom Eingang, dessen bin ich sicher, glaubte je­ denfalls, dass mein Hilfe suchender Freund und ich verpart­ nert sind. Solch grimmig verwunderte Blicke richtig einzu­ schätzen ist mir nämlich ein Leichtes. Die kenn ich, weil ich nach rund sieben Krügerl manchmal kurz bierschwul werde und zu schalkhaften, homophilen Attacken neige. Es kann dann schon mal vorkommen, dass ich guten Freunden, wenn sie irgendwo unbedarft herumlehnen, im Vorbeigehen zum Spaß in die Eichel zwick’. Das kommt übrigens nicht immer gut an, wenn ich das mal so sagen darf. So oder so, entschul­ dige ich mich dann förmlich für die bereiteten Schmerzen und zahle ein Versöhnungsbier. Bier Numero acht ist das üblicherweise und das macht mich dann wieder straight. Soll heißen: Ich lege mich bevorzugt auf gepolstertes Mobi­ liar, das noch spürbar von Damenhintern gewärmt ist und stelle mich schlafend. In Wirklichkeit schnuppere ich aber daran und denke mir Synonyme für primäre und sekundäre

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weibliche Geschlechtsmerkmale aus. Manche sind gut, man­ che sind schlecht, viele schlicht und völlig zu Recht von mir bereits am nächsten Tag wieder in Vergessenheit geraten. Egal, wir starteten unsere Ikea-Tour, schließlich gab es eine Mission zu erfüllen und ich muss schon sagen, dass ich mich nicht ungern in die blaugelbe Vorhölle begebe. Ich bin näm­ lich von der Natur mit einer guten Portion Konsensgeilheit ausgestattet worden. Soll heißen: Streit und Zank sind mit mir beim Interieurkauf nur schwer möglich. Lediglich eine heftigere Auseinandersetzung hab ich diesbezüglich in Er­ innerung. Es ging damals ums Bett. Ich wollte, weil ich gra­ de für griechische Heldensagen schwärmte, Eiche, um so Odysseus nahe zu sein. Sie schwärmte für Rattan, wegen der schlichten Exotik. Ich lenkte schließlich ein und ließ in zorniger Selbstgerechtigkeit ein lautes »Nimm dein Bett und gehe heim!« gen Himmel fahren. Ewige Lächerlich­ keit, im Angesicht halbherzig furnierter Pressspanplatten. Aber sonst – keine Konflikte. Wenn ich Maßbänder aus Papier kriege, bin ich schon zufrieden. Ich nehme übri­ gens immer gleich zwei davon. Eines verarbeite ich so­ fort in der Jackentasche zu kleinen Kügelchen – das hält mich ruhig. Mit dem anderen vermesse ich zu Hau­ se dann meinen Schwanz. Nach jedem Besuch. Immer. Deswegen empfinde ich jetzt die oben gewählte Bezeichnung blaugelbe Vorhölle auch ein wenig ungerecht von mir. Aber es ist nicht immer einfach, Synonyme zu finden und bei aller Liebe zur Designdemokratisierung, Vorhölle ist ja trotzdem nicht ganz verkehrt, weil es letztendlich kein hochsensibles Sensorium braucht, um auch die Aggressionen zu spüren, die dort durch die Halle flirren. Vor allem, wenn sie einem entgegen gebracht wird, wie mir vom Eingangs-Pärchen, das dummerweise seinen Einkaufswagen immer so däm­ lich zwischenparkte, dass man ihn de facto rammen musste. Die Situation eskalierte dann durch ein Missgeschick meiner­ seits auch noch fürchterlich. Ich habe nämlich die Angewohn­ heit, eigentlich ist es aber eine Grille, mit der Hand auf die Schaustücke draufzuklopfen, wenn ich sie passiere. Zwei, drei Tätschler aufs Holz oder die Couch oder das Regal. Das geht mehr automatisch, als dass ich schau, wo ich eigentlich hin­ lange. Was ich aber künftig wohl besser tun werde. Denn wie ich so durchmarschiere, setz ich zwei ordentliche Klapse auf den Popsch vom männlichen Part des Pärchens, der extrem blöd zwischen zwei Couches zu stehen gekommen war. Der brüllt wie irre, beschimpft mich unflätig. Als er mir eine zim­ mern will, geht seine Freundin dazwischen und beschimpft mich auch noch, aber irgendwie freundlicher. »Du, die haben jetzt schon ein bisschen überreagiert oder?« – »Ja, aber ist dir aufgefallen, die hatte den gleichen Glitter wie du am Hals.« – »Ha, und ich dachte noch, dass ich die von wo kenn …« ¶

ILLUSTRATION JAKOB KIRCHMAYR

date mit ikea


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