The Gap 134

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134 »Ich hab da einen Typen. Sein Papa ist ein Minister in Afghanistan mit Privatarmee. Der braucht fürs Fluc zwei VIP-Tickets.« – Mail-Anfrage aus dem Büroteam.

Austria Unchained —— Film in Österreich Soldate Jeannette / r’n’b / Corporate Media 134 Magazin für Glamour und Diskurs. MONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1040 WIEN, P.B.B. GZ 05Z036212 M, Nº 134, MÄRZ 2013

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Design neuer Parteien. Nägel mit Köpfen. Rhye. Autre Ne Veut. Social Media × Politik. Chakuza. Clara Luzia. Tino Sehgal. Woodkid. Kunst und Community. Gelernte Österreicher. Ni No Kuni. Im Wortwechsel: Was bringt Kundenaktionismus?

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KULTKULT-UND UND kulturbeitrag. kulturbeitrag.

DER DER NEUE NEUE MINI MINI PACEMAN. PACEMAN. DESIGN DESIGN WITH WITH BITE. BITE.

EineEine eigenständige eigenständige Linienführung, Linienführung, die sich die sich überüber den den eleganten eleganten Körper Körper bis zu bisden zu den athletischen athletischen Schultern Schultern ziehtzieht – der– neue der neue MINIMINI Paceman Paceman zeigtzeigt seinen seinen sportlichsportlichurbanen urbanen Charakter. Charakter. UndUnd beimbeim Tritt Tritt aufsaufs Gaspedal Gaspedal zeigtzeigt er, was er, was in ihm in ihm steckt: steckt: unbeunbegrenzter grenzter Fahrspaß. Fahrspaß. UndUnd für Ausfl für Ausfl üge üge gibt gibt es optional es optional nochnoch den den Allradantrieb Allradantrieb ALL4. ALL4. MINIMINI Paceman: Paceman: von von 82 kW 82(112 kW (112 PS) bis PS)135 bis 135 kW (184 kW (184 PS), Kraftstoffverbrauch PS), Kraftstoffverbrauch gesamt gesamt von von 4,4 l/100 4,4 l/100 km bis km7,7 bisl/100 7,7 l/100 km, km, CO2-Emission CO2-Emission von von 115 g/km 115 g/km bis 180 bis g/km. 180 g/km.

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Leitartikel von Thomas Weber.

DNU -TLUK .gmal, ar tiebrutluk   Mahn Geschichte!   Nach Protesten bleibt die »East Side Gallery«, der längste erhaltene und durch seine Graffitis bekannte Teilabschnitt der Berliner Mauer, also doch erhalten. Vorerst. Was uns auch nicht erspart bleiben wird: darüber zu diskutieren, welche Monumente aus der NS-Zeit wir erhalten sollen.

schon bald nicht darum umhinkommen ie Zeit vergeht. Die Zeitzeugen zu diskutieren, was wir für uns und die sterben und die Geschichte schreitet uns nachfolgende Generationen zu pflevoran, wie es so schön heißt. In Deutschgen und zu erhalten bereit sind. Das gilt land diskutieren Historiker anlässlich des freilich auch für sakrale Bauten. Natürlich Jahrestags von Hitlers Machtergreifung, trägt die Gesellschaft, tragen wir alle auch ob es – 80 Jahre danach – überhaupt noch eine kunsthistorische Verantwortung. korrekt sei, die Zeit des NationalsozialisDoch wie viele Kirchen sollen wirklich mus der sogenannten »Zeitgeschichte« erhalten, wenn sie für immer weitere Teile zuzuzählen. Dieselbe Frage kann man sich der Bevölkerung kaum noch von realer 75 Jahre nach dem Anschluss Österreichs Was gedenken wir zu erhalten? Bedeutung sind. Alle eher nicht. Sonst ans Deutsche Reich stellen. Jede Generation schreibt ihre Geschichherrschen bei uns irgendwann wirklich Das mögen akademische Detailprote neu. Deshalb müssen (und dürfen!) wir die oft heraufbeschworenen »italienischen bleme sein. Doch hinter dieser großen uns auch fragen, wie und wem wir künftig Verhältnisse«: Wir erhalten Bauten, wir Geschichte steckten bislang erlebte oder gedenken wollen? Der 13,3 Millionen Toschützen das Erbe, doch für kulturelles erzählbare persönliche Schicksale. Doch ten oder der persönlichen Lebensgeschich- Leben in der Gegenwart bleibt kaum noch – ob Opfer, Täter, Mitläufer oder Widerten, die hinter ermordeten Juden, Roma, Geld übrig. standskämpfer – kaum jemand, der diese Schwulen, Zeugen Jehovas oder politisch Zeit bereits bewusst erlebt hat, kann Andersdenkenden stecken. Gehörten nicht 100 Jahre Erster Weltkrieg heute auch noch bei vollem Bewusstsein Ein möglicher Anlass für eine breite auch diejenigen gewürdigt, die damals davon berichten. Mit der persönlichen Diskussion bietet sich allerspätestens aktiv Widerstand geleistet haben, die Betroffenheit wächst auch die Distanz zur aber – wie Alfred Goubran in seinem Essay 2018. Dann werden wir, von 2014 an, fünf größten Zäsur der europäischen GeschichJahre lang ausführlich »100 Jahre Erster »Der gelernte Österreicher« ausführt (siehe te (die immerhin mit einem Weltkrieg Weltkrieg« gedacht haben. Hundert Jahre Seite 040) – in Österreich besonders aktiv endete und einen »Kalten Krieg« zur Folge nach dessen Ende – das ist länger als jedes vergessen und verdrängt wurden, weil es hatte). Waldheim und Wiesenthal, auch Menschenleben – wird der dann zwar der bequemen Selbststilisierung ÖsterOma und Opa sind lange tot. »Niemals reichs als »erstes Opfer« Nazi-Deutschlands besser aufgearbeitet sein. Was uns aber vergessen!«, der Slogan der Nachkriegswomöglich erschrecken wird: dass er danicht genehm war. Antifaschisten, ist als historische Chiffre mit für jeden von uns plötzlich unfassbar Auch daran, dass es in Niederösterreich selbst fast schon in Vergessenheit geraten. Für viele Europäer mit außereuropäischem einmal lebendige jüdische Gemeinden gab, weit weg ist. erinnern heute nur mehr verwildernde, Migrationshintergrund fehlen zudem die abgelegene Friedhöfe, auf denen einmal persönlichen Bezüge, sie bringen ihre im Jahr symbolisch das Gras gemäht wird. eigene Geschichte mit. ned uz sib repröK netnagele ned rebü hcis eid ,gnurhüfneinThomas iL egidnWeber ätsnegie eniE Ist das nicht eigentlich viel zu wenig? GeDeshalb war es so wichtig, die RestitutiHerausgeber h c i l t r o p s n e n i e s t g i e z n a m e c a P I N I M e u e n r e d – t h e i z n retluhcS nehcsitelhta hörte das nicht ordentlich aufgearbeitet? on von in dieser Zeit gestohlenem Kunst-ebWeil nu :tgleichzeitig kcets mhi ndas i saGeld, w ,re das tgieeine z ladepsaG sfua ttirT mieb dnweber@thegap.at U .retkarahC nenabru und Kulturgut als späte Wiedergutma@th_weber .solche 4LLA bGedächtniskultur eirtnadarllA ned nötig hcon hat lano itpo se tbig egüflsuA rüf dn U .ßapsrhaF retznerg oder chung noch vor der Jahrtausendwende zu hätte, nicht eben mehr wird, werden wir regeln. Andernfalls hätte es, das war klar,

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Bild Michael winkelmann

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irgendwann nur mehr geheißen: Verjährt, Schwamm drüber! Denn mit den persönlichen Bezügen sinkt – naturgemäß – auch die Bereitschaft der Nachgeborenen, Verantwortung zu nehmen und, ganz konkret, die Gedächtniskultur zu finanzieren. Niemand wird ernsthaft auf die Idee kommen, nichts mehr erhalten zu wollen. Die Geschichte Europas wird für immer untrennbar mit diesem Ereignis verknüpft bleiben. Doch schon jetzt verfallen manche Konzentrationslager und können nur unter dem größten Einsatz der letzten Überlebenden oder, schon weniger, dank des Engagements von deren Nachkommen erhalten werden. Irgendwann werden auch die Kindeskinder gestorben sein.

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Film in Österreich Man kann nicht so viel weg sein, wie man aus dem Häuschen sein möchte. Das letzte Jahr brachte für Filme aus Österreich einen noch nie dagewesenen Preisregen. Oder, besser gesagt: Filme mit wesentlicher Beteiligung von Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in Österreich haben oder hatten – Hurra, Hurra! Wir haben versucht, dem Phänomen mit einem Schwerpunkt in Ansätzen gerecht zu werden. Fündig sind wir unter andem im Genrekino geworden, wie links: Tobias Moretti am Set von Andreas Prochaskas »Das finstere Tal«.

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018 Magazin Film in Österreich 018 —— Wir sind Wunder. Oder wie? Wir versuchen, dem Phänomen in seiner ganzen Bandbreite auf den Grund zu gehen. Am Ende bietet der Horrorfilm eben doch die größten Lichtblicke. Golden Frame: Katharina Gruzei 022 —— Der Kurzfilm »Die ArbeiterInnen verlassen zum letzten Mal die Fabrik« zitiert nicht nur Filmgeschichte, sondern auch eine Industrie, die es so heute nicht mehr gibt. Nägel mit Köpfen 024 —— Eine Generation wird älter und bekommt Kinder. Marko Doringer ist mit der Kamera dabei. Soldate Jeannette 026 —— Eine Frau der Oberschicht geht sich ein luxuriöses Kleid kaufen und wirft es hinterher in den Müll. Dieses Filmintro sorgte nicht nur beim Sundance Festival für Aufregung. Corporate Content Media 028 —— Medienkrise? Ein paar Konzernen wie MSN, Siemens und Red Bull ist das egal, sie versorgen die Menschen mit News, Bildern, Ideen und Videos. Das ist lustig, aber nicht nur. R’n’B – Autre Ne Veut 032 —— Liebe und Angst liegen bei diesem Existenzialisten aus Brooklyn ganz nah beisammen. Daraus entsteht große Pop-Art. R’n’B – Rhye 033 —— Wenn man von R’n’B den Beat wegnimmt, landet man idealerweise bei so viel Gefühl und Intensität und Sex wie das Debütalbum von Rhye.

Rap aus Österreich – Monobrother 034 —— »Ich probier, so philanthrop wie möglich zu sein«, sagt Monobrother. Gelingt ihm überhaupt nicht, zum Glück. Rap aus Österreich – Chakuza 035 —— Chakuza ist heute so weit von der Straße entfernt wie das Dachgeschoss-Hotelzimmer, in dem er zu seinem gewandelten Image Interviews gibt. Sound:frame – Kunst und Community 036 —— Kollektive, Kollaborationen und Communities sind gerade die Dauerbrenner auf Festivals wie Sound:frame, Documenta und Wiener Festwochen. Donaufestival – Tino Sehgal 038 —— Tino Sehgal könnte deinen Abend retten. Er schafft mit seinem Publikum einmalige Situationen und stellt intuitiv einige wichtige Fragen. Alfred Goubran: der Gelernte Österreicher 040 —— Alfred Goubrans Essay über den »gelernten« Österreicher rechnet mit seinen identitätslosen Landsleuten ab. Politometer 042 —— Social Media und politische Parteien sind in Österreich noch nicht miteinander warm geworden. Wir haben die fünf größten Baustellen besichtigt. Parteiendesign 044 —— »Ja, wir wollen die Welt mit neuen Ideen aus den Angeln heben und eine besseres Morgen schaffen. Äh wie, wir brauchen ein Logo dafür?«

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Corporate Content Media Wenn Konzerne sich heute in der Öffentlichkeit bewegen, erkennt man das oft gar nicht mehr als Werbung – wie etwa hier bei der Eröffnung des Burn Lab Vienna. Sie treten gern als Mäzene auf, denen an Mehr gelegen ist als nur der Gewinnmaximierung und verändern mit eigenen Inhalten auch die Medienlandschaft. Spätestens, wenn es an kritische Berichterstattung geht, wird es aber problematisch. Werner Reiter führt ins Zukunftsthema ein.

028 Rubriken Leitartikel Inhalt Editorial Porträts / Impressum Fondue Unbezahlter Anzeiger Splitter Wortwechsel: Was bringt Kundenaktionismus? Workstation: Arnold Pöschl Prosa: Wolfgang Pollanz Blow-up: Was ist im Filmland förderwürdig? Reviews Introducing: Athina Rachel Tsangaris Termine

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Bild der Ausgabe Am 1. März wurde Kompakt Records 20 Jahre alt. Die Fanboys in der Redaktion suchten aus dem Labelkatalog 20 Platten für die Ewigkeit heraus. Die Kölner bekamen das mit und platzierten unsere Kollektion auf ihre Startseite. Und wir dann so: Yeah Yeah Yeah!

Kolumnen Fabula Rasa Zahlen, bitte Know-Nothing-Gesellschaft

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Austrian Artists Festival

MADE IN AUSTRIA APRIL 2013

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Import Export — Dem österreichischen Film eine Ausgabe zu widmen ist natürlich aufgelegt. Das Filmland ist am Zenith angekommen: Oscars. Baftas. Césars. Golden Globes. Venedig. Max Opühls Preis. Was soll da noch kommen? Am ehesten ein ordentlicher Kater. Bevor es aber soweit ist, versuchen wir eine Bestandsaufnahme von dem, was gut läuft und was weniger gut läuft (Seite 018). Währenddessen macht sich Kolumnist Gunnar Landsgesell Gedanken, was eigentlich international für förderungswürdig befunden wird (Seite 054). Als Bonusmaterial gibt es neue Storys zu österreichischen Genreklassikern: eine Doku (Seite 024), ein AvantgardeKurzfilm (Seite 022), ein schwieriger Spielfilm (Seite 026). Bei alldem Jubel wäre es natürlich schlimm, wenn man in einigen Jahren erkennen würde, dass das vermeintliche Wunder wirklich nur Talent gewesen ist. Wenn auch die besten Voraussetzungen und die größten Fördertöpfe nichts helfen, um bahnbrechende Kunst zu produzieren. Wenn ohne das individuelle Können die letzten zwei Schritte zur Großartigkeit fehlen. In der Musik ist ja – bis auf einzelne Ausnahmeerscheinungen in Nischen (Soap & Skin, Parov Stelar, Fennesz) – immer noch nichts von derselben Strahlkraft der Wiener Schule von Kruder und Dorfmeister nachgekommen. Dann würde es bei den zweifelsohne großartigen Ehrungen für »Soldate Jeannette« von Daniel Hoesl, »Der Glanz des Tages« von Tizza Covi und Rainer Frimmel oder »Hypercrisis« von Josef Dabernig bleiben. Auch super. Den Debattenjammer um höhere Filmförderungen möchte man sich dann allerdings erst gar nicht ausdenken.  Stefan Niederwieser niederwieser@thegap.at @the_gap

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Andreas Hagenauer

Christoph Prenner

Babo, z.Zt. vereinslos — Eine Sache merkt man relativ schnell, wenn man ein bisschen mit Andreas um die Häuser zieht: Bei ihm handelt es sich um den größten Rihanna-Fan auf der ganzen weiten Welt. Damit gehört er auch zu den wenigen Menschen, die aus tiefstem Herzen neidisch auf Chris Brown sind. Wenn er das gerade nicht macht, raucht er und hört dabei Haftbefehl oder Kendrick Lamar. Andreas ist mit Rap aufgewachsen. Stattgefunden hat das Ganze in Graz, heuer feiert er aber sein zehnjähriges Wien-Jubiläum. Schreiben hat er ursprünglich mal beim Ballesterer gelernt, seit 2010 hat er einen Stammplatz in der Sportredaktion von standard.at. Dort tickert er u.a. auch Spiele mit Deutschland-Beteiligung, was für ein stahlhartes Nervenkostüm spricht. Allerdings existiert Fußball für Andreas seit der Auflösung des GAK nicht mehr. Seither unterstützt er Mannschaften, die gegen die Teams seiner Freunde spielen. Oder interviewt für uns Chakuza. Auflegen will er eigentlich nur noch R’n’B. Da trifft es sich gut, dass er seit Kurzem mit Freunden die grandiose Partyreihe Vihanna macht. 

Über-Like — Den Prenner, den kennt man von Facebook. Da postet er immer als erster über diese neue Serie, den Film oder diese neue Platte. Aber nicht nur so irgendwie. Man erfährt präzise und oft sehr lustig, wie das ist, warum man das gut findet, oder sogar übergut. Das geht sich neben dem Skip-Magazin aus, wo er nicht nur über Film und Musik schreibt, sondern teilweise den Wochenableger schupft. Wenn man den Prenner gelegentlich im echten Leben trifft, landet man schnell wieder genau dort: diese Serie, das Konzert. Für Nerds ist das super. Über ernste Themen wird ohnehin viel zu viel geredet, und wer gerade heiratet oder verlassen wird. Der Prenner ist dagegen Fleisch gewordener Kulturdiskurs, hat den früher beim Magazin Wiener sowie als Chefredakteur von IQ Style und Evolver geführt und tut das gerade sehr gekonnt in unserer aktuellen Coverstory zum österreichischen Film (Seite 018). Auf Facebook findet man in seiner Biografie natürlich nichts, obwohl dort stehen könnte: Magister in Soziologie (Diplomarbeit: Männlichkeitsbilder in der Gegenwartsliteratur), als Polariot Nummer Eins auf Hypem, Clubs machen und ein paar Jahre Modetexte schönschreiben. Aber über all das redet er nie. Voll untypisch für jemanden eigentlich, der dauernd auf Facebook ist. Like, Über-Like sogar. 

TEXT Jonas Vogt BILD Privat

TEXT Stefan Niederwieser BILD Lukas Beck

Impressum

HERAUSgeber Thomas Weber chefredaktION Martin Mühl, Stefan Niederwieser Redaktion Ranya Abd El Shafy, Niko Acherer, Sarah Al-Hashimi, Gregor Almassy, Michael Aniser, Matthias Balgavy, Claire Benedikt, Josef Berner, Sandra Bernhofer, Liliane Blaha, David Bogner, Manuel Bovio, Ivo Brodnik, Stephan Bruckner, Klaus Buchholz, Johannes Busching, Ann Cotten, Lisa Dittlbacher, Andreea Dosa, Margit Emesz, Juliane Fischer, Holger Fleischmann, Philipp Forthuber, Manuel Fronhofer, Daniel Garcia, Yannick Gotthardt, Manfred Gram, Dominique Gromes, Julia Gschmeidler, Benedikt Guschlbauer, Andreas Hagenauer, Jan Hestmann, Christoph Hofer, Sebastian Hofer, Lukas Hoffmann, Peter Hoffmann, Michael Huber, Konstantin Jakabb, Reiner Kapeller, Iris Kern, Markus Keuschnigg, Hubert Kickinger, Michael Kirchdorfer, Stefan Kluger, Michaela Knapp, Katrin Kneissl, Markus Köhle, Christian Köllerer, Rainer Krispel, Michael Bela Kurz, Philipp L’Heritier, Gunnar Landsgesell, Ali Mahlodji, David Mochida Krispel, Christiane Murer, Nuri Nurbachsch, Ritchie Pettauer, Stefan Pichler, Johannes Piller, Stefanie Platzgummer, Christoph Prenner, Mahdi Rahimi, Teresa Reiter, Werner Reiter, Kevin Reiterer, Tobias Riedl, Georg Russegger, Joachim Schätz, Barbara Schellner, Bernhard Schmidt, Nicole Schöndorfer, Werner Schröttner, Richard Schwarz, Katharina Seidler, Wolfgang Smejkal, Lisa Stadler, Cornelia Stastny, Roland Steiner, Gerald C. Stocker, Johanna Stögmüller, Peter Stuiber, Denise Helene Sumi, Asha Taruvinga, Martin Tschiderer, Hanna Thiele, Horst Thiele, Raphaela Valentini, Jonas Vogt, Ursula Winterauer, Imre Withalm, Maximilian Zeller, Martin Zellhofer, Barbara Zeman PRAKTIKUM Sarah Al-Hashimi, Thomas Stollenwerk, Teresa Sutter termine Manuel Fronhofer, Stefan Niederwieser AUTOREN Georg Cracked, Michaela Knapp, Michael Lanner, Moriz Piffl-Percevic, Stefan Tasch, Jürgen Wallner, Martin G. Wanko fotografie Florian Auer, Lukas Beck, Stephan Doleschal, Andreas Jakwerth, Georg Molterer, Ingo Pertramer, Karin Wasner, Michael Winkelmann Illbilly-illustration Jakob Kirchmayr COVER Pedro Domenigg / Allegro Film WORKSTATIONFOTOstrecke Arnold Pöschl ART DIRECTION Sig Ganhoer DESIGN Elisabeth Els, Manuel Fronhofer Lektorat Wolfgang Smejkal, Adalbert Gratzer web Super-Fi, m-otion anzeigen Herwig Bauer, Thomas Heher, Wolfgang Hoffer, Micky Klemsch, David Kreytenberg, Martin Mühl, Thomas Weber (Leitung) Distribution Martin Mühl druck Ferdinand Berger & Söhne GmbH, Pulverturmgasse 3, 1090 Wien geschäftsFÜHRung Martin Mühl PRODuktion & MedieninhabERin Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6 / III, 1040 Wien kontakt The Gap c/o Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6/III, 1040 Wien; Tel. +43 1 9076766-41; wien@thegap.at, www.thegap.at, www.monopol.at, office@thegap.at bankverbindung Monopol GmbH, easybank, Kontonummer 20010710457, BLZ 14200 abonnement 10 Ausgaben; Inland EUR 15, Europa EUR 35, Rest der Welt EUR 42; HEFTPREIS EUR 2,— erscheinungsweise 8 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1040 Wien Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Für den Inhalt von Inseraten haftet ausschließlich der Inserent. Für unaufgefordert zugesandtes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung.

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Da seht ihr mal, was euer Brandweinmonopolverlag ein paar Jahre vor The Gap noch für Drucksorten herausgegeben hat.

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Und nach dem Essen rüber auf einen schönen Latte ins Café Blausiegel.

Ok, hier also wieder mal so ein StänderFirmenlogo. Der Firmenname setzt aber durchaus noch ein klein wenig drauf.

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»der erhobnen hauptes zum himmel du mit der stirne aufschaust, trag die seele auf zum erhabenen, dass nicht wieder schwere tiefer als den aufrechten körper deine seele ziehe.« (boethius) — Und jetzt die Nachrichten: gesellschaft:: Der Fußballgott Diego Maradona hat ganz gerechtfertigterweise seine eigene Kirche in Argentinien. Und zwar mit allem Drum und Dran, wie Gottesdiensten, einem eigenen Gebet (»Diego Unser, unser tägliches Tor gib uns heute«), Ministranten und Hochzeitsfeiern. Dass die meisten Anhänger gleichzeitig Katholiken sind, scheint niemanden zu stören. Soviel zu religiösen Dogmen. Dass der Gott seit Jahren nur noch durch Drogen oder Mafiakontakte auffällt, scheint auch keinen zu stören. Soviel zu Doppelmoral. Aber das passt ja auch wieder gut zu Kirchen. wirtschaft: Der Vorschlag, statt des Bruttoinlandsproduktes besser Bruttoinlandsglückspunkte zu messen und die Staaten der Europäischen Union daran zu messen, wurde abgelehnt, nachdem eine Studie herausfand, dass über 80 Prozent aller Menschen lieber nicht mit Glücksteddys entlohnt werden wollen. Ganz abgesehen davon, dass eine erste Kommission keine klare Entscheidung darüber finden konnte, ob Glück besser in der Anzahl der Lachmomente gemessen wird oder in der Dauer der im Land stattfindenden Spontanpartys. Die Kommission brach endgültig auseinander, nachdem ein Mitglied Kinder unter 14 Jahren nicht mitbewerten wollte, da diese ohnehin so leicht glücklich zu machen sind. werbepause: Die USA haben die drittgrößte Staatsverschuldung aller Staaten weltweit, eine negative Sparquote und AppleProdukte machen alleine 20 Prozent der Konsumausgaben im Bereich Technologie aus. kultur: Eine aktuelle Studie ergibt, dass »Sleep Texting«, also das halbbewusste SMS-Versenden beim Einschlafen, bei Teenagern weit verbreitet ist, aber neben sozialen Problemen auch Gesundheitsrisiken wie Übergewicht, Diabetes oder auch Herzprobleme in sich birgt. Für viele ist es auch eine Einstiegsdroge zum adoleszenten »Drunk Calling«. Die Schlaf-SMS bestechen vor allem durch ihre semantische Sinnlosigkeit und diese wurde nun von einer Lyrik-Jury aufgrund ihrer surrealen semantischen Leere zu einer neuen, jungen Poesie-Form erhoben und ein eigener Wettbewerb ist geplant. Subskriptionen werden demnächst entgegengenommen; Verlautbarung über Twitter. aussenpolitik: »Crysis 3« ist erschienen.  Powered By Nick Cave, dessen neues Album ein wahrer Geniestreich ist (egal, was so mancher Profischlechtfinder sich selbst weißmachen will).

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TOP 10

FRÜHLINGSGEFÜHLE

01 Schmusen 02 10 Grad plus 03 Schanigarten mit Decken 04 Haubenspliss 05 Bärlauchaufstrich 06 Bundesbad Saisoneröffnung 07 Osterferien 08 Nackte Knöchel in neuen Schuhen 09 Schneeglöckchen pflücken 10 Spring / Summer 13 Shopping (mit Stof)

TOP 5

BIKRAM YOGA ASANAS

01 Dead Body 02 Standing Bow 03 Balancing Stick 04 Fixed Firm 05 Standing Head to Knee

auch nicht schlecht: Leihmöpse

A bissl tiaf, oba he Seine Schmähs gehen runter wie Kürbiskernöl. Oder wie Jakob selbst sagen würde: Kiabiskeenöul. Die Steira Memes sind nicht mehr aus der Facebook-Welt wegzudenken. Jedenfalls nicht für die, die ihren Dialekt auch verstehen. »Deppat, sogoa fetzndeppat, maunksmol a gaunz gern a bissl tiaf, oba he – wir sogns eich ehrlich, is uns derort blunzn … die Hossa wern hossn!« Ahm, ok, das ist also die Beschreibung auf Jakobs FacebookSeite. Verstehen kann die aber nur, wer auch aus der Steiermark kommt oder des Steirischen mächtig ist. Und genau das ist dem 25-jährigen Studenten, der hinter der Seite steht, auch wichtig. 78.000 Likes und mehr hat die Page, auf der Memes in Steirisch gepostet werden. Politisch, kritisch, lustig. Wie es so ist, als gefühlter F-Prominenter, erzählt er uns im Interview.

Thomas Stollenwerk (Biorama / The Gap)

TOP 10

01 Im Angesicht des Verbrechens (D, 2010) 02 Kir Royal (BRD, 1985) 03 Spuk im Hochhaus (DDR, 1982) 04 Sonne, Wein und harte Nüsse (BRD, 1977–1980) 05 Hamburg Transit (BRD, 1970–1974) 06 Kottan ermittelt (Ö, 1976–1983) 07 Fußballtrainer Wulff (BRD, 1972–1973) 08 Der letzte Zeuge (D, 1998–2007) 09 Braunschlag (Ö, 2012) 10 Weissensee (D, 2010)

TOP 5

DIE FÜNF ABGEDROSCHENSTEN 08 / 15-ETHNO-GERICHTE

01 Couscous-Salat 02 Thai Curry 03 Bulgur-Burger 04 Dal mit Linsen 05 Wiener Schnitzel

auch nicht schlecht: Die türkische Stadt namens Batman

TEXT Bernadette Krenn BILD Steira memes

ZEHN AUSNAHMSWEISE SEHENSWERTE DEUTSCHSPRACHIGE FERNSEHSERIEN

Wie immer diese eine Frage: Wie bist du auf die Idee zu Steira Memes gekommen? In der Tat, die Frage kommt immer. Die Idee kommt daher, dass ich immer schon ein großer Fan der original englischsprachigen Memes war. Die deutschsprachigen waren, zumindest für mich, einfach nicht komisch. Und dann dachte ich mir, der steirische Dialekt hat starkes humoristisches Potenzial und könnte zu dieser Form von Humor sehr gut passen – und so war es dann ja auch. Kannst du das überhaupt auf Hochdeutsch übersetzen? Haha, naja, ich bin froh behaupten zu können, dass ich Dialekt und Hochsprache sehr strikt trennen kann. Ich bin überzeugter Dialektsprecher. Dennoch gibt es Situationen, wo man halt die Hochsprache ebenfalls beherrschen muss. Wie geht es weiter mit den Steira Memes? Wir sind gerade dabei, die ganze Sache weiter zu professionalisieren, eine eigene Homepage ist einmal angedacht, Kontakte werden geknüpft. Ich hab bei den Admins da glücklicherweise sehr motivierte, tolle Leute mit guten Kontakten.  Das vollständige Interview gibt es auf www.thegap.at/steiramemes

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Woo


DIVE AND RUN

The Ten Commandments © Costantino Ciervo

07.03. bis 24.04.2013 // Di bis So 13 bis 19 Uhr freiraum quartier21 INTERNATIONAL MuseumsQuartier Wien www.quartier21.at // Eintritt frei

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Costantino Ciervo (ITA), Matthias Deumlich* (GER), Robert Jacobsen (GER), Ingolf Keiner (GER), Edgar Leciejewski (GER), Ingeborg Lüscher (GER/SUI), Alexandra Ranner (GER), Vassiliea Stylianidou (GRC), Una Szeemann* (SUI), Bohdan Stehlik* (SUI), and Timm Ulrichs (GER) * quartier21 Artists-in-Residence

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Thomas Weber (The Gap)

TOP 10

LIEBLINGSVERLAGE (UND WOFÜR ICH SIE LIEBE)

01 Haymon – Wagemut und junge österreichische Literatur 02 Wagenbach – Vielleicht der Verlag überhaupt. 03 Folio – Wilde Balkan-Prosa 04 Picus – Wien und die Welt 05 Czernin – Politik, Zeitgeist und Gedichte 06 Edition Nautilus – Dada und Flugschrift-Reihe 07 Residenz – Klassiker und Kinderbücher 08 Kein & Aber – Hält das Gesamtwerk von Gerhard Polt 09 Edition Luftschacht – Graphic Novels 10 Jung & Jung – Nichts als Literatur

TOP 5

PROVINZPRESSE PRO WEITBLICK

01 »Kultur«-Zeitschrift Vorarlberg 02 »Die Versorgerin« 03 KUPF Zeitschrift 04 »KunstStoff« (Kulturvernetzung NÖ) 05 Steiermark-»Falter«

auch nicht schlecht: Die Facebook-Gruppe »A Sanctuary for forgotten bands«

www.thegap.at/gewinnen »Trotzdem« – Das Oscar Bronner-Buch

Katharina Riedler

(Crossing Europe – Leitung Produktion; Filmemacherin)

TOP 10

CROSSING EUROPE SPIELFILME 2004–2012

01 Dogtooth 02 Ordinary People 03 Innocence 04 La Meute 05 Home 06 Involuntary 07 How I Ended This Summer 08 Bronson 09 Stella 10 Wolfy

TOP 5

MOMENTANE LIEBLINGSWÖRTER

01 Schwarmdemenz 02 Knödeln 03 Erkenntnistheorie 04 Philatelie 05 Pappmachee

auch nicht schlecht: In der Küche tanzen

Die Lebensgeschichte des bedeutendsten Mediengründers Österreichs, unzensiert und aktualisiert. Oscar Bronner baute Anfang der 70er Profil und Trend zu den führenden Printmedien des Landes auf – bis er sie unter dem Druck der Mächtigen verkaufen musste und nach New York zog, um ein neues Leben als Künstler anzufangen. Ende der 80er kehrte er nach Wien zurück, um den Standard zu gründen, der 1995 gestartete »Online-Standard« wuchs unter seiner Führung zu einem der größten und erfolgreichsten News-Portale in deutscher Sprache. Wir verlosen 3 Exemplare.

»Der gelernte Österreicher« Alfred Goubran widmet sein neues Idiotikon »Der gelernte Österreicher« dem Österreicher an sich. Er ist dabei nicht grobschlächtig , natürlich wird aber auch nicht mit Kritik gespart und so ist eine seiner Hauptthesen, der Österreicher habe immer gelernt, mit Neuem, von außen Kommendem umzugehen, aber selten aktiv gestaltet. Wir verlosen 3 Exemplare.

»Justified« – Season 2 Mit der zweiten Staffel spielen die Macher von »Justified« ihr ganzes Können aus. Die Folgen sind weniger abgeschlossen und der große Bogen gewinnt an Bedeutung. Und wieder stehen nicht die Pistolen-Duelle von Marshall Raylan Givens im Vordergrund, sondern die ebenso präzisen Dialoge. Wir verlosen 1 DVD-Box der zweiten Staffel.

Woodkid Yoann Lemoine ist gerade einmal 30 und hat mit Woodkid bereits sein zweites Künstler-Ich erschaffen. Davor war er als Musikvideokünstler erfolgreich, nun übersetzt er seine visuellen Fähigkeiten in Over-The-Top-Orchester-Pop. »The Golden Age« will nie zu wenig. Wir verlosen 10 Alben.

The Sheepdogs Mit dem selbstbetitelten Album »The Sheepdogs« konnten die Kanadier schon daheim Erfolge einheimsen, nun folgt der Rest der Welt. Rock der Klasse 1974 wird auf das natürlichste und ohne viel aufgesetzte Retro-Attitüde gefeiert. Wir verlosen 10 Alben.

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Der neue

OPEL ADAM

Otto, sei kein Normalverbraucher! Das individuellste Auto aller Zeiten ist da – und wie: mit der riesigen Auswahl an frei kombinierbaren Dekoren, Farben, Designelementen und Ausstattungsvarianten konfigurierst du ganz einfach einen ADAM, dem kein anderer gleicht: deinen ADAM.

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Kolumne: Zahlen, bitte! von Thomas Edlinger

Clocks hieß einmal eine Band aus Hannover. Muss man die kennen? Über cooles Wissen und Sophistication als Strategie der Selbstdarstellung.

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rrogant, besserwisserisch, elitär. Die Kulturwissenschaftlerin Nadja Geer fährt in ihrem Buch »Sophistication. Zwischen Denkstil und Pose« mit schweren Geschützen gegen die deutsche Popintelligenzija auf. Gemeint ist ein in den 80er Jahren eingeführter Ton, dessen politischer Anspruch in den Höhen der Subversion beginnt und in den Mühen der realpolitischen Ebene versandet. Das wären eigentlich olle Kamellen. Bloß stößt sich Geer dabei, und das unterscheidet sie von der altbekannten Kritik an der Poplinken der 90er Jahre, weniger am nicht eingelösten Inhalt als an der Form. Die antihierarchische Stoßrichtung der Popkultur werde durch eine Redeweise, die ihre Referenzen nicht offenlegt, sondern das komplizenhafte being in the know voraussetzt, tendenziell entdemokratisiert. Die auf ihr Changieren zwischen legitimen und illegitimen Wissensformen untersuchten Texte von Diedrich Diederichsen, Rainald Goetz, Max Goldt, Christian Kracht und Thomas Meinecke seien der Eisenbeschlag für die »harte Tür des Pop«, wie Letzterer das Exklusionsverfahren der Auskenner einmal ganz enthusiastisch genannt hat. Das coole Wissen habe sich als Kurzschluss zwischen High and Low, zwischen Kant und The Slits formiert und eine alternative Elitenselbstvergewisserung vorangetrieben. Diese Methode der ästhetischen Verfeinerung nennt Geer Sophistication – Vorsprung durch Diskurstechnik. Menschen, die noch in Plattenläden gehen, kennen bis heute den abschätzigen Blick der Feinkostverkäufer, wenn man zum falschen Produkt greift. Nadja Geer sitzt nicht nur als Mitherausgeberin in der Redaktion der neuen Zeitschrift Pop. Kultur und Kritik, die die Fanperspektive gegen den professoralen TÜV-Blick der Geisteswissenschaft getauscht hat. Sie hat der Popkritik in einem Artikel auch einmal attestiert, keine Eier zu haben – eine Formulierung, die

sie heute bereut. Ihren Vorwurf, dass es dem Popintellektualismus weniger um Kommunikation als um die Performance, die Selbstdarstellung gehe, nimmt sie aber nicht zurück. Im Interview in Berlin ereifert sich die Autorin über »Jungs, die vor dem Spiegel ihre Tanzposen einüben«: »Das habe ich ja selbst als Teenagerin erlebt!« Auch das Popdandytum von Tocotronic, das immerzu von einem Ich handelt, das kein Ich mehr sein will und so seine Nische am Identifikationsmarkt besetzt, bekommt sein Fett ab: »Wenn schon deutsche Sophistication, dann lieber Ludwig Amadeus Horzon.«

Ursuppe der Sophistication Das Posing-Modell als (nahezu ausschließlich männlicher) »Denkstil«: Diesen begreift Geer in einem historischen Zusammenhang mit der »literarischen Kultiviertheitspflege der konservativen Revolutionäre« der Zwischenkriegszeit, wobei da ästhetisch und vor allem politisch doch Äpfel mit Birnen verglichen werden. Schlüssig hingegen erscheint Geers Hinweis auf die Ablösung des snobistischen Eremitendaseins im modernen Popintellektualismus. Auch der elitärste Geschmackspolizist braucht nämlich ein Publikum. Der Fanzuspruch ist den genannten fünf Popautoren auch bis heute nicht abzusprechen. Was dann doch vermuten lässt, das hier sehr wohl etwas kommuniziert wird, das mehr ist als narzisstische Distinktionshuberei und sich längst auch in der sich nicht als Pop verstehenden Literatur als selbstverständliche kulturelle Referenz ablagert. Clemens J. Setz etwa schreibt in seinem gefeierten Roman »Indigo« ganz ohne penetrantes Avantgardegefuchtel von Batman und Elfriede Jelinek, von Arvo Pärts Meditationen über die Stille und dem extremistischen Noise-Album »Great White Death«, einem »Meisterwerk« der Industrialband Whitehouse. Es ist daher wohl kein Zufall, dass Geer sich in ihren Stilanalysen auf die heiße Ursuppe der Sophistication in den wilden 80er Jahren konzentriert. Dort gab es halt noch die Kippfiguren zwischen Feuilleton und Boheme, zwischen bürgerlichem Bildungskanon und subkulturellem Geheimcode. Je näher sie an das Heute heranzoomt, desto unplausibler wird das

Unterfangen – nicht nur, weil Pop mittlerweile eine Lingua Franca ist, die auch in den Ruinen der Hochkultur gesprochen wird. Die Kritik wird auch der Weiterentwicklung der Autoren nicht mehr gerecht. Der einst mit »Neger«-Texten provozierende Thomas Meinecke zelebriert heute Critical Whiteness und mustergültigen Genderdekonstruktivismus. Rainald Goetz rebellierte in den 90er Jahren selbst gegen den leerlaufenden Avantgardepopgestus, tauchte auf Massenraves in Ibiza unter und recherchiert als Romancier penibel über Wirtschaft, Politik und Massenmedien. Und Diedrich Diederichsen ist schon lange nicht mehr selbsternannter Pop-Professor an der Bar, sondern fremdernannter, wirklicher Professor an der Wiener Kunstakademie. Daneben schreibt er eine Kolumne über entlegene Antipopmusik in der Berliner Spex. Die hat heute bestens in den Theaterhäusern etablierte (und trotzdem als sophisticated geltende) Popgrößen wie Nick Cave oder Tocotronic am Cover. Der Radioveteran Klaus Walter hat Geers Kritik am »undemokratischen«, Referenzen verschleiernden Jargon der Popschreibe mangelndes Verständnis für den Postpunk und dessen Spiel mit dem Feuer vorgeworfen. Dafür fühlen sich vor allem jüngere Frauen nach der Lektüre ihres Buches bestätigt, erzählt die sonst auf Migrations- und Feminismusthemen spezialisierte Autorin. Die übrigens gegen Sophistication, vor allem in der Musik selbst, an sich gar nichts hat. Nur: »Sophistication ist per se nicht links«.

Thomas Edlinger Journalist und Kurator

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dynamowien | Foto: © Filmverleih

Technisches Museum Wien und »ray Filmmagazin« präsentieren:

Ö1 Filmnacht 2013 »roboter. maschine und mensch?« Freitag, 22. März 2013, ab 18.00 Uhr Im Rahmen der Ausstellung »roboter. maschine und mensch?« im Technischen Museum Wien, Mariahilferstraße 212, 1140 Wien Eintritt frei!

18.00 Uhr: »der gigant aus dem all« (usa, 1999 | Regie: Brad Bird | df, 86 Min.)

20.00 Uhr: »the forbidden planet« (usa, 1956 | Regie: Fred M. Wilcox | of, 99 Min.)

22.15 Uhr: »per anhalter durch die galaxis« (usa/uk, 2005 | Regie: Garth Jennings | OmU, 109 Min.)

00.30 Uhr: »terminator 1« (usa, 1984 | Regie: James Cameron | of, 107 Min.) Tickets → www.technischesmuseum.at → Reservierte Karten bis 30 Minuten vor Filmbeginn → Restkarten (nach Verfügbarkeit) ab 30 Minuten vor Filmbeginn → Pro Person max. zwei Karten → oe1.orf.at/filmnacht → www.technischesmuseum.at

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»Paradies: Hoffnung« war der Abschluss von Ulrich Seidls Filmtrilogie, die auf eine furiose Tour zu den europäischen Premiumfestivals in Venedig, Cannes und Berlin ging. Vorher schon galt Seidl mit seinem Großen Preis der Jury in Venedig für »Hundstage« (2001) als wesentlicher Teil der Lichtspiel-Hausse in Österreich.

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film in österreich

Film vs. Filmförderung

LichtspielHausse Der Bundespräsident war hörbar aus dem Häuschen, sah ihn erbracht, den »Beweis dafür, dass Österreich in den letzten Jahren zu einem weltweit anerkannten Filmland geworden ist«. Kulturministerin Claudia Schmied wollte da Heinz Fischer in nichts nachstehen und sah in den Oscars für Michael Hanekes »Liebe (Amour)« und Christoph Waltz als Bester Nebendarsteller neben einer »herausragenden Leistung unter den Weltbesten« gleichfalls einen Beweis erbracht – nämlich jenen, »dass Qualität sich durchsetzt«. In den Stunden nach der Academy-Awards-Verleihung funkelten die Augen der kulturpolitischen Entscheidungsträger des Landes wieder einmal ausgesucht filmpatriotisch ob des wiederholten Preisregens für österreichische Filme. Jene der Boulevard-Presse wurden gleich gar nicht mehr trocken vor lauter vaterländischer Verzückung. Wir sind Oscar, erneut. Wir sind Filmnation, selbstredend. Wenn man das ohnehin schon fortgesetzte Auszeichungs- und Festivalfurioso miteinbezieht, das da neben Preishamsterer Haneke (u.a. mit Goldener Palme, Golden Globe, BAFTA Awards und Césars dekoriert) insbesondere ja auch Ulrich Seidl mit seiner »Paradies«-Trilogie und einem Cannes-Venedig-Berlin-Wettbewerbsteilnahme-Hattrick hinzulegen wusste, lässt sich leicht ein weiteres Jahr des so gern beschworenen »Österreichischen Filmwunders« feiern. Relativiert wird das selbstgestrickte Bild vom Vorzeigefilmland aber schon bei der genaueren Aufdröselung der eingesetzten finanziellen Mittel von Hanekes »Liebe (Amour)«, das überall östlich von Wien und westlich von Feldkirch primär als eine französisch-deutsch-österreichische Koproduktion gilt – bei der die Austro-Geldquellen letztlich noch nicht mal 20 Prozent des Produktionsbudgets ausmachten. Und freilich war auch Stefan Ruzowitzkys »Die Fälscher«, der heimische Sieger-Vorgänger in der Oscars-Kategorie Bester fremdsprachiger Film, erst auf Basis einer breit aufgestellten internationalen Finanzierung

Text christoph prenner Bild ulrich seidl film produktion, allegro film

Nicht zuletzt Michael Hanekes OscarTriumph hat es wieder einmal bewiesen: Österreichische Filmemacher sind international gefragt wie schon lange nicht mehr. Aber sind sie es wegen oder trotz der heimischen Filmförderpolitik?

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denk- und realisierbar. Karl Markovics, Schauspieler, Präsident der Akademie des Österreichischen Films und Regisseur (des vielprämierten »Atmen«), konstatierte zwar vor der Oscar-Verleihung in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Profil, dass es »normal« sei, wenn man sich nun »auf diese Erfolge stürzt und sie in gewisser Weise auch vereinnahmt«, wollte aber auch festgestellt haben, dass dies auch »positive Seiten« haben könne, wenn »dadurch der österreichische Film im Allgemeinen profitiert.«

In Marvin Krens »Blutgletscher« mutieren die Tiere im rauen Gebirge. Genrefilme wie diese sind vielversprechende Lichtblicke im heimischen Filmschaffen, abseits von historischen Schinken für Touristen.

Visionen vs. Klassensprecherkunst Dennoch könnte man ob diesem Zustand eine zugespitzte Vermutung in den Raum werfen: Ist weltweite Anerkennung für heimische Filmemacher also erst möglich, wenn sie sich wie weiland Billy Wilder oder Fred Zinnemann (aus gänzlich anderen Gründen selbstverständlich) von Österreich – zumindest sanft – abzunabeln vermögen? Sind international relevante Austro-Filme letztlich also als Errungenschaft einiger begnadeter Einzelkämpfer zu betrachten, die es sich erst über den Weg guter internationaler Vernetzungen ermöglichen konnten, ihre Visionen umzusetzen? Könnten deren Erfolge also nicht eine Initialzündung für eine konsequent verfolgte filmpolitische Agenda bedeuten? Für ein zukunftsgewandtes Förderwesen, das eine institutionelle Basis schaffen könnte für ein weiteres prächtiges Gedeihen des heimischen Kinos? Eines aufregenden heimischen Kinos, das auf Augenhöhe mit einem Publikum agiert, das dies nicht nur ebenso fördert, sondern gar fordert? »Film war hierzulande ein über Jahrzehnte komplett ignoriertes Medium. Jetzt, wo der österreichische Film international einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hat, wollen natürlich alle mitreden – inklusive derer, die keine Ahnung haben«, bremst mit Paul Poet einer, der es leider besser wissen muss, allzu vorschnell aufkommende Vorfreude. Als Filmemacher – zuletzt lief seine Gegengesellschaften-Doku »Empire Me« im Kino – und als einstiger Obmann des Regieverbandes ADA – Austrian Directors’ Association – kann er aus erster und auch zweiter Hand von einschlägigen Erfahrungen aus dem kräftezehrenden Abklappern der maßgeblichen Fördereinrichtungen berichten: Österreichisches Filminstitut ÖFI, Filmfonds Wien und ORF (im Rahmen des Film- / Fernseh-Abkommens). »Die Kommissionen sind von Grund auf auf den kleinsten gemeinsamen Nenner aus«, so Poet. »Das mag man als basisdemokratischen Prozess interpretieren wollen. In Wirklichkeit ist es der Erzfeind jeder Kultur. Denn dieser Entscheidungsprozess vernichtet das Außergewöhnliche, das Spektakuläre, das Mutige, das, was aus der Reihe tanzt und damit das Atemberaubende, was Kino ja von Grund auf ausmachen sollte. Fördert das Durchschnittliche, die Klassensprecherkunst sozusagen. Und geht vor allem jeglicher Kontroverse und jeglichem Experiment komplett aus dem Weg. Da gibt es einfach eine wahnsinnige Angst davor, großteils aus vorauseilendem Gehorsam, sei er politisch oder gegenüber der Branche.«

Auf der Suche nach dem verlorenen Zuschauer Diese Angst vor allem, was potenziell als aufsehenerregend, womöglich gar als kontrovers aufgefasst werden und damit dem gar nicht so unausgesprochenen Gebot einer TV-Hauptabendtauglichkeit zuwiderlaufen könnte, dürfte eindeutig mit der Katerstimmung zu tun haben, die derzeit ob der Zahlen an den Kinokassen herrscht. Es geht nämlich ein Gespenst um in der heimischen Filmbranche – es heißt: Zuschauerschwund. Mehr als halbiert hat sich der Marktanteil des österreichischen Films von 2009 auf 2011 – auf nunmehr nur noch knapp über drei Prozent, auch 2012 kam kein Aufschwung. Trotz immer mehr Kinostarts von Austro-Produktionen – im Schnitt war es im Jahr 2012 jede Woche einer – finden sich immer weniger Arbeiten, die tatsächlich auch breiten Publikumsanklang finden. Mit Hanekes »Liebe (Amour)«, den beiden Literaturadaptionen »Die Wand« und »Die Vermessung der Welt« sowie dem Kinderfilm »Yoko« konnten sich die vier Jahrgangsbesten gerade mal so im Bereich von je 80.000 verkauften Tickets einpendeln. Gut möglich, dass die beobachtete Entwicklung damit zu tun hat, dass nach dem Abdanken des gern mit einer eigenen Austro-Komödienschule verwechselten Kabarett-Kinos im letzten Jahr auch die von Filmemachern wie Erwin Wagenhofer, Hubert Sauper oder Michael Glawogger so zugkräftig gepushte Dokumentarfilm-Hausse deutlich zum Erliegen kam – offenbar hat sich das Interesse des heimischen

Publikums nach dem investigativen Dauerfeuer zu so unterschiedlichen Themen wie Nahrungsmittelproduktion, Plastikverpackungen oder Lichtessen schlichtweg erschöpft. Aber liegt es überhaupt ausschließlich an deren Qualität, dass so viele Arbeiten auch aus ganz anderen filmischen Ecken ihren Weg zum Publikum nicht finden? »Viele österreichischen Filmproduzenten streben es auch gar nicht unbedingt an, dass ihre Filme erfolgreicher als nötig werden«, führt Poet hierzu ernüchtert ins Treffen, »denn das macht sonst nur mehr Arbeit beim Abrechnen und nächsten Einreichen, da ja Erfolge auch Rückflüsse in die Fördertöpfe bedeuten würden. Da reicht es oft schon, dass der Film unfallfrei im Kino anläuft und ein wenig drüber berichtet wird. Dass ein bisserl wer reingeht und die TV-Ausstrahlungen gewährleistet sind.« Nur wenige, darunter klar auch die großen Firmen wie Dor, Wega und Allegro, wären grade deswegen so erfolgreich, weil sie sich damit nicht zufriedengeben. Dabei wäre mit dem internationalen Preisregen die Zeit günstig wie nie, damit sich auch Kleine ähnlich große Schuhe anziehen und weltweit andocken könnten.

Reaktion auf die Resonanz: Populismus Auf diese nackten Zahlen, die ein sehr relativer Maßstab der Bewertung von Filmen sind, besonders im Lichte der in den vergangenen Jahren nicht nur von Haneke, Seidl und Ruzowitzky erzielten enormen internationalen Resonanz, sondern eben auch von Götz Spielmann, Jessica Hausner, Barbara Albert, Josef Dabernig, durch die Kamerarbeit von Markus Schleinzer oder zuletzt Daniel Hoesl (dessen avantgardistisches Spielfilmdebüt »Soldate Jeannette« bei den Filmfestivals von Sundance und Rotterdam zuletzt für Furore sorgte), wird derzeit jedenfalls mit ebenso nackter Panik, mitunter gar Populismus reagiert. Und so wird dieser Tage gerne mal vieles gefördert, was zwischen Komödien aus der trivial-eskapistischen Til-Schweiger-FeelGood-Ecke, Skispektakel-Dokus und restaurativem »Weißes Rössl«Provinzialismus irgendwo seinen mitunter miefigen Platz zu finden gedenkt. Eine starke Regionalismus-Fixierung wird dahingehend auch der seit Ende 2011 neuen Filmfonds-Wien-Geschäftsführerin Gerlinde Seitner nachgesagt. Die befand in einem Interview mit der Aus-

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Kinostart trian Film Commission, dass »für das Publikum Filme gemacht werden [müssen], die es sehen will« – wofür es freilich angezeigt wäre, hellseherische Fähigkeiten zu entwickeln, die man nicht einmal im Hollywood-Studiosystem besitzt. Zudem wollte sie dort mit den rund 11,5 Mio. Euro Budget verstärkt Projekte mit Schauplatz Wien gefördert haben. Es darf also davon ausgegangen werden, dass dort auch in Zukunft auf Postkartenkino gesetzt werden wird, das Touristen anlocken und das Stadtbild behübschen soll, wie man es etwa in Fernando »City Of God« Meirelles’ globetrottendem Hochglanz-Episodenfilm »360« schon so prototypisch vorgeführt bekam.

Glück im Genrekino Und dennoch, es gibt sie, die Silberstreifen am Horizont – und sie tun sich bevorzugt im Zusammenhang mit dem heimischen Genrekinos auf. Poet selbst versucht weiter, seine finanz- und vertriebstechnisch bereits auf internationalen Beinen stehende Aufbereitung von Heinz Sobotas Zuhälter-Memoiren »Der Minus-Mann«, einer räudigen Charakterstudie im Milieu, durchzuboxen. Und dann sollen da heuer ja auch noch zwei weitere Kino-Konquistatoren mit vielversprechenden neuen Arbeiten aufwarten. Zum einen wird Marvin Kren nach dem schon sehr beachtlichen Zombie-Abenteuer »Rammbock« seine Schauder-Expertise in größerem Maßstab unter Beweis stellen dürfen: Im Hochgebirgs-Horror »Blutgletscher« (vormals »Glazius« betitelt) lässt eine aus einem schmelzenden Gletscher austretende rote Flüssigkeit die Tierwelt unerbittlich mutieren und darob die Crew einer Wetterstation in Schrecken und Panik versinken. Zum anderen darf derzeit Andreas Prochaska eine der bislang teuersten heimischen Filmproduktionen überhaupt stemmen. Er gilt nach dem Komödien-Hit »Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott« und seinen beiden »In 3 Tagen bist du tot«-Teilen als ein von Kassa und Kritik gleichermaßen geschätzter Teufelskerl des Gegenwartskinos made in A. In seiner gern als Alpenwestern bezeichneten Bestseller-Bearbeitung »Das finstere Tal« wagt Prochaska ebenfalls einen Ausflug in ungemütliche Alpinwelten. Das für österreichische Verhältnisse üppige Budget von rund 6,5 Mio. Euro sollte neben der für Austro-Produktionen seltenen internationalen Schauspielprominenz (für die Hauptrolle konnte Sam »Control« Riley gewonnen werden) auch gebührende und konkurrenzfähige Schauwerte garantieren. Womöglich sind es auch solche Genrekino-Abenteu(r)er, die der österreichischen Filmlandschaft eine Frischzellenkur und eine Fährte in die Zukunft legen könnten. Vorbei an der unter dem Schutzmantel der Festivalerfolge und Preisregen von Arthouse-Aushängeschildern wie Seidl oder Haneke viel zu eifrig geförderten biederen Hausmannskost. Und auch vorbei an dem zum Event-Kino aufgeblasenen TV-Movie-Tand, von dem man annimmt, dass es der Steuerzahler so und nicht anders wünschen würde. Es wäre dies eine Fährte hin zu einem heimischen Kino, das zu brennen und zu beglücken, das zu glänzen und aufzureiben weiß, das dabei gern den wilden Ritt ins Unbekannte wagt. Das lieber im Saft des Spektakels steht, statt im Sud des Kalküls. Schockierend. Schön. Schillernd. Wünschenswert. Und nicht zuletzt realisierbar: Insbesondere auch mit dem neuerdings endlich erhöhten Budget (um 3,43 Mio. Euro auf insgesamt 20 Mio. Euro) des Österreichischen Filminstituts. Versprochen und im Regierungsprogramm festgehalten wurde selbige Aufstockung ja bereits 2008 – richtig: im Zuge der bislang letzten Oscar-Euphorie rund um Stefan Ruzowitzkys »Die Fälscher«.

Österreichischer Film ist demnächst bei der »Diagonale – Festival des österreichischen Films« von 12. bis 17. März zu sehen. Das »Crossing Europe – Filmfestival Linz« zeigt im Schwerpunkt »Local Artists« und zwei Programmkooperationen ebenfalls schwerpunktmäßig regelmäßig heimische Filme. Die Viennale dagegen hat ein bekannt kompliziertes Verhältnis zu diesen. Mit »Zweisitzrakete« (Hans Hofer), »Paradies: Hoffnung« (Ulrich Seidl), »Nerven Bruch Zusammen« (Arash T. Riahi), »Kern« (Veronika Franz, Severin Fiala) laufen derzeit außerdem vier Filme aus der ungefähren Bandbreite heimischen Filmschaffens an.

film

Liebe (Amour) — Michael Haneke Die Wand — Julian Roman Pölsler Yoko — Franziska Buch Die Vermessung der Welt — Detlev Buck More Than Honey — Markus Imhoof Paradies: Liebe — Ulrich Seidl 360 — Fernando Meirelles 4 Models für den Teufel — Pierre Deville Heil Hitler die Russen kommen — Simon Wieland Ludwig II — Marie Noëlle, Peter Sehr Das Pferd auf dem Balkon — Hüseyin Tabak What Happiness Is — Harald Friedl Sisi … und ich erzähle euch die Wahrheit — Kurt Mündl Friday Night Horror — Barbara Gräftner Mama Illegal — Ed Moschitz Kuma — Umut Dag Grenzgänger — Florian Flicker Stoff der Heimat — Othmar Schmiderer Spanien — Anja Salomonowitz Stillleben — Sebastian Meise Outing — Sebastian Meise, Thomas Reider Griffen – Auf den Spuren von Peter Handke — B. Liepold-Mosser Empire Me — Paul Poet Die Lebenden — Barbara Albert Oh Yeah, She Performs! — Mirjam Unger The Forgotten Space — Allan Sekula, Noël Burch The Brussels Business — Friedrich Moser Museums Hours — Jem Cohen Los Refrigeradores — Thomas Lehner Ruhm — Isabel Kleefeld Harodim – Nichts als die Wahrheit — Paul Finelli See You Soon Again — Lukas Stepanik, Bernadette Wegenstein What is Love — Ruth Mader The Futures Past – Creating Cambodia — Susanne Brandstätter Tabu - Es ist die Seele eine Fremdes auf Erden — Christoph Stark 1 + 1 = 100 oder die Schule des Lebens — Doris Kittler Evolution der Gewalt — Fritz Ofner Sommer 1972 — Wilma Calisir Richtung Nowa Huta — Dariusz Kowalski Sahara in mir — Erika Pluhar Nr. 7 — Michael Schindegger Slatin Pascha - im Auftrag ihrer Majestät — Thomas Macho Low Definition Control — Michael Palm Tom und Hacke — Norbert Lechner Ibiza Occident — Günter Schwaiger Life Size Memories — Klaus Reisinger, Frédérique Lengaigne Der letzte Jude von Drohobytsch — Paul Rosdy Nachtschichten — Ivette Löcker Six Million And One — David Fischer Trains Of Thoughts — Timo Novotny Endlich Weltuntergang — Barbara Gräftner

Kinostart film

Hexe Lilli – Die Reise nach Mandolan — Harald Sicheritz Atmen — Karl Markovics One Way Trip (3D) — Markus Welter Anfang 80 — Sabine Hiebler, Gerhard Ertl Black Brown White — Erwin Wagenhofer Wie man leben soll — David Schalko Die Vaterlosen — Marie Kreutzer Am Ende des Tages — Peter Payer Mein bester Feind — Wolfgang Murnberger Whore’s Glory — Michael Glawogger Powder Girl — Phil Traill

91.437 82.766 79.530 76.533 44.329 43.008 24.227 14.704 12.615 12.172 10.846 10.821 8.752 7.420 5.939 5.923 5.211 4.168 3.867 3.794 3.776 2.739 2.669 2.301 2.124 2.088 1.994 1.951 1.900 1.857 1.647 1.566 1.515 1.413 1.407 1.366 1.331 1.224 1.110 1.023 885 853 787 748 654 552 547 371 362 293 123

2011 besucher / verkaufte tickets

115.670 78.370 48.034 47.624 36.640 33.111 18.113 13.462 13.359 12.787 11.461

Top 10 der letzten Jahre

film Poppitz — Harald Sicheritz Echte Wiener — Kurt Ockermüller MA 2412 - Die Staatsdiener — Harald Sicheritz Der Knochenmann — Wolfgang Murnberger Komm, süßer Tod — Wolfgang Murnberger Unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott — A. Prochaska Silentium — Wolfgang Murnberger We Feed The World — Erwin Wagenhofer Let’s Make Money — Erwin Wagenhofer Die Fälscher — Stefan Ruzowitzky

quelle edi nielsen

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2012 besucher / verkaufte tickets

besucher / verkaufte tickets

441.017 370.761 272.849 266.531 230.578 217.191 204.997 201.826 197.321 190.027

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Katharina Gruzeis Kurzfilm ist eines von vielen hervorragenden Beispielen Üsterreichischer Film-Avantgarde. Als Kunstform existieren diese allerdings weitgehend unabhängig vom restlichen heimischen Filmschaffen. 022

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golden frame — Katharina Gruzei – »Die ArbeiterInnen verlassen zum letzten Mal die Fabrik«

Shock Corridor Das Szenario erinnert an einen Horrorfilm: Ein endlos wirkender, tunnelartiger Korridor, kahle Wände, kaltes Neonlicht, das mit hartnäckig flirrendem Geräusch immerzu aufflackert. Dazwischen gespenstische Dunkelheit, die unangenehm an den Nerven zehrt. Aus der Finsternis schälen sich nach und nach einige Gestalten. Es werden immer mehr, Männer und Frauen, mit Rucksäcken und Handtaschen, die sich in zügigen Schritten nicht auf das Licht am Ende des Tunnels, sondern auf das Ungewisse des Korridorverlaufs zubewegen. Zu hören ist nur das Schnarren der Neonröhren und ein undefinierbares Rauschen, das zusammen mit den nackten Wänden eine durchdringende Leere vermittelt. Und später, plötzlich stehen sie da, in Blickkontakt mit dem Zuschauer, zum Gruppenbild versammelt. Die Arbeiterinnen und Arbeiter der Fabrik. Starren in die Kamera, stumm, ungerührt – vorwurfsvoll? Das Licht zuckt gerade so kurz auf, dass der Anblick der Gesichter dieser Versammlung zwischen Anonymität und Identität schwankt – beispielgebend für die Masse an Menschen, die in einer Fabrik arbeiten. Schließlich wechselt die Einstellung zur titelgebenden, letzten Sequenz. Das elektrische Tor fährt hoch und entlässt die Männer und Frauen in die Nacht. »La Sortie de l’Usine Lumière à Lyon«, diese Szene wird als eine der wichtigsten der Filmgeschichte häufig von Filmschaffenden, Künstlern und Experimentalfilmern zitiert. Damals, 1895, war es eine Sensation: zum ersten Mal bewegte Bilder, die öffentlich vor Publikum projiziert wurden. Die Brüder Lumière haben bei der Durchführung ihres Experiments mit der ersten Filmaufnahme ein Stück Zeitgeschichte gebannt, das nicht nur der Filmgeschichte, sondern auch der Arbeiterklasse ein Denkmal gesetzt hat. Und sie findet in Gruzeis Film ein abermaliges Zitat, gleichsam als eine Hommage an die ehemals bedeutende Industriestätte Tabakfabrik Linz, die 2009 ihre Pforten schließen musste. Mehrere hundert Menschen wurden in die existenzielle Ungewissheit entlassen. Katharina Gruzei kreiert im Geiste der Lumières ein Szenario, das vom reinen Dokumentationscharakter abweicht und mehrere Interpretationsansätze zulässt: die Problematik der Arbeiterklasse, das Zusperren traditionsträchtiger lokaler Betriebsstätten, die Frau im Kontext der Fabrikarbeit, die Masse der Werksarbeiter, deren Existenz durch den maschinellen Fortschritt und die Privatisierung bzw. die Auslagerung von Produktionsstätten verdrängt wird oder das Verschwinden produzierender Industrie in Mitteleuropa. Wer sind diese Leute und welches Schicksal blüht ihnen, nachdem sie die Fabrik verlassen mussten? Die Fabrik jedenfalls wurde zum Kulturareal umfunktioniert, auf dem auch Filme gezeigt werden. »Die ArbeiterInnen verlassen zum letzten Mal die Fabrik« der 1983 in Klagenfurt geborenen Katharina Gruzei wurde erstmals bei der Diagonale 2012 gezeigt. Eine DVD ist beim Zentralorgan für österreichischen Kunstfilm, Sixpack Film, erhältlich.

Text Margit Emesz Bild sixpack film

Die Schließung der Linzer Tabakwerke im Jahr 2009 ist die Grundlage für Katharina Gruzeis Experimentalfilm »Die ArbeiterInnen verlassen zum letzten Mal die Fabrik«. Ein verwaister Korridor – am Ende fällt der letzte Rollbalken.

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Nägel mit Köpfen — Auf der Suche nach Freiheit und Paarbeziehung

Generation haltlos 024

Text Sarah Al-Hashimi, Klaus Buchholz Bild Polyfilm

Regisseur Marko Doringer versucht wieder das Bild einer Generation zu zeichnen. »Nägel mit Köpfen« ist die Fortsetzung seines autobiografisch dokumentierten Lebens. Wir haben mit dem Regisseur über sein verfilmtes Dasein gesprochen. Was macht mehr Angst: erwachsen werden, zusammenziehen oder Kinder kriegen? In seinem Dokumentardebüt »Mein halbes Leben« (2009) porträtierte Marko Doringer schonungslos sein Single-Leben Anfang 30. Hauptsächlich aus der Point-of-View-Perspektive gefilmt, gewährte er intime und amüsante Einblicke in sein Dasein als verunsicherter Zweifler. Damals war er noch Single. Außerdem waren seine Lebensumstände als Filmemacher prekär und seine Altersvorsorge nicht einmal ansatzweise greifbar. Nebenbei porträtierte er auch seinen Freundeskreis. Daraus wurde ein überraschendes Zeitdokument. »Mein halbes Leben« dokumentiert eine deregulierte Generation höherer Bildung, die Selbstverwirklichung und Existenzsicherheit für sich sucht. Ein paar Jahre später lebt der Regisseur in einer Beziehung und zieht mit seiner Freundin Marlene in eine gemeinsame Wohnung. Jetzt wird es noch ernster. Die Fortsetzungsdoku »Nägel mit Köpfen« (2013) hinterfragt nun die Paarbeziehungen dieser Altersklasse auf ihre Tauglichkeit als Lebensanker. Doringer hat wieder aus der eigenen Biografie geschöpft, sich und seine Freunde begleitet. Im Interview erklärt er, warum sein Film über den tiefen Einblick in sein Beziehungsleben hinausgeht. Abermals soll eine Generation abgebildet werden – ein paar Jahre später und ein wenig erwachsener. Wäre »Nägel mit Köpfen« (NMK) auch entstanden, wenn du deine Freundin Marlene nicht kennengelernt hättest? Ich wollte schon wieder einen autobiografischen Film machen, aber nicht unbedingt eine Fortsetzung zu »Mein halbes Leben« (MHL). Mit 35 hatte ich mich zum ersten Mal dazu entschlossen, mit einer Frau in eine gemeinsame Wohnung zu ziehen. Also ist NMK schon irgendwie wegen Marlene entstanden. Dass es aber wirklich eine Fortsetzung wird, ergab sich erst im Schneideraum. Welche Generation sprichst du mit deinem neuen Film an? Die 30- bis 40-Jährigen der oberen Mittelschicht. Vor allem den Frauen geht der Film sehr nahe, wegen dem Thema Kinderkriegen in diesem Alter. Es ist aber natürlich nur eine Momentaufnahme meiner

Generation. Es sind bestimmte Lebensphasen. Für viele haben beide Filme insofern eine Allgemeingültigkeit, die zeitlos ist. Was hat sich zwischen der Elterngeneration und dieser verändert? Die Freiheiten sind größer. Wir sind zu einer viel mobileren Gesellschaft geworden. Im Unterschied zu unseren Eltern wechseln wir viel öfter die Wohnorte. Was aber auch ein positiver Aspekt ist. Negativ ist, dass viele Freundschaften verlorengehen. Das hat den Effekt, dass unsere Generation sich alleine gelassen fühlt, einsam ist in der Welt und sich fragt: wo ist mein Zuhause? Fixe Partnerbeziehungen sind daher vielleicht ein Anker. Man hat Sehnsucht nach Beständigkeit, die man in einer Partnerschaft findet. Was aber nicht heißt, dass sie auch funktioniert. Gab es Situationen, wo die Protagonisten nicht wollten, dass du filmst? Natürlich. Nicht nur für sie waren manche Situationen zu emotional, teilweise war es mir auch zu viel. Dann bin ich gegangen. Ich habe mich oft gefragt, wann ich filmen soll und wann nicht. Auch das ist ein Vertrauensding: Nicht alles filmen zu müssen, nur weil es cool ist. Als Regisseur ist es nicht immer einfach, dabei zu sein. Wie hast du es geschafft, dass die Paare ihre Beziehungen so intim und offen mit dir teilen? Das gehört zu meinem beruflichen Werkzeug. Außerdem habe ich zwei Jahre lang mit ihnen gedreht. Es ist nicht nur so, dass ich als Regisseur die Protagonisten beobachte, sie beobachten mich auch. Sie schauen, wie ich meine Arbeit mache, wie wichtig mir das ist und wie seriös. Sie stellen Fragen. Ich gab ihnen das Gefühl, sie und das Thema ernst zu nehmen und sie nicht nur zu verwenden. Als Dokumentarfilmer filme ich nun mal private Lebensgeschichten realer Menschen. NMK zeigt aber nicht nur private Geschichten, sondern auch einen übergeordneten Kontext, der eine gewisse Allgemeingültigkeit hat. Das Bild einer Generation, das über das Private hinausgeht. »Nägel mit Köpfen« startet am 8. März in den österreichischen Kinos (via Polyfilm) und wird bei der Diagonale Graz (12. bis 17. März) präsentiert. Das vollständige Interview gibt es auf www.thegap.at.

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T S L L O S U D N E H E G H.I-N l I R P A . 22 15

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Soldate Jeannette — Prämiertes Autorenkino mit Arthouse-Ästhetik

Kafkaeske Realsatire 026

Text klaus buchholz Bild a european film conspiracy, premium films

Daniel Hoesl plädiert für ein unabhängiges, progressives und amüsantes Autorenkino, das mit wenig Mitteln viel erreicht. Noch bevor Haneke und Waltz ihren Oscar-Schatten werfen konnten, hat der Österreicher mit seinem Debütfilm »Soldate Jeannette« die USA begeistert. Daniel Hoesl ist vom europäischen Autorenkino gelangweilt, solange es keine Position bezieht. Sein »Soldate Jeannette« ist ein politisches wie künstlerisches Statement gegen Herrschaft und die Macht des Geldes. Nachgelesen hat Hoesl bei den französischen Intellektuellen Gilles Deleuze und Jean Baudrillard. Die Philosophie des Kinos von Deleuze hat ihn zu Jean-Luc Godard, Robert Bresson und vor allem Alain Resnais geführt. »Das sind alles Filme, die vor meiner Zeit gemacht wurden, aber ästhetisch viel progressiver sind als heutiges Autorenkino«, ist der 30-Jährige überzeugt. Anfang des Jahres feierte Hoesls »Soldate Jeannette« Premiere auf dem begehrten Filmfestival in Sundance. Es dorthin zu schaffen, ist eine bedeutungsvolle Ausnahme für Österreich. Wer in Utah präsentiert, ist auf einmal im internationalen Independent-Film angekommen. Genau das ist ihm gelungen. »Die Leute waren regelrecht euphorisch«, berichtet er. Kontakte wurden geknüpft und vertieft – »Sundance war eine extreme Hilfe für unseren Film«. Nur wenige Wochen danach wurde ihm beim Filmfestival Rotterdam der Tiger Award verliehen. Weitere Festivaltermine folgen, weitere Auszeichnungen sind absehbar. Das Produktionsbudget umfasste rund 65.000 Euro, Drehbuch gab es laut Hoesl keines. Die Story sei peu à peu um die Biografien der Akteurinnen herum entwickelt worden. Dokumentarisch durchdringen diese die Handlung: Schauspielerin Johanna Orsini-Rosenberg hat adelige Wurzeln und verkörpert in »Soldate Jeannette« die großbürgerliche Fanni. Sie beginnt, radikal aus ihrem Alltag auszubrechen, der von ihrem Wohlstand diktiert wird. Christina Reichsthaler spielt die auf einem Bauernhof arbeitende Anna. Nach ihrem Studium der Multimedialen Künste hat sie selbst auf einem Biohof gejobbt. Auch ihre Figur will aus den Zwängen ihrer Provenienz ausbrechen. Die beiden treffen aufeinander, nachdem Fanni aus Wien flüchtet, einen Jaguar klaut und damit im niederösterreichischen Hinterland strandet. Sie arbeitet am Hof von Anna, bis beide sich solidarisieren und ausbrechen. »Soldate Jeannette« ist durchtrieben, emanzipatorisch, bildgewaltig und sehr amüsant. Der Hang zum französischen Autorenkino ist

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manchmal etwas überdeutlich erkennbar. Auch die Grenze zwischen Sujets und Klischees verschwimmt bei Hoesl gelegentlich (wenn etwa tausende Euros im Lagerfeuer brennen). Doch eindrucksvoll bleiben die absurden Handlungen und romantisierten Bilder dennoch. Kameramann Gerald Kerkletz leistet außergewöhnliche Arbeit. Er macht »Soldate Jeannette« zu einem aufregenden Tableau-Mix aus rauschender Fabel und schmuckloser Realsatire. Der meinungsstarke Soundtrack von Bettina Köster und Gustav verzerrt die Kinoillusion und passt zur scharfsinnigen Montage. Der Film ist der künstlerisch und humoristisch anspruchsvolle Kommentar auf ein Patriarchat im Hamsterrad. Diesen frischen Tritt in die Hoden kann dieses – auch im Blitzlicht der österreichischen Oscars – sehr gut gebrauchen.

Jenseits von Ulrich Seidl Hoesl war zuvor Regie-Assistent von Benjamin Heisenberg (»Der Räuber«) und Ulrich Seidl (»Paradies-Trilogie«). Er will gegen den Status Quo aufbegehren: »Einen Film zu machen, ist nicht so schwierig. Das Schwierige ist das kafkaeske Schloss, das einem gegenübersteht, wenn man die Rahmenbedingungen anerkennt.« Dramaturgen, Jurys und Fernsehsender würden einen zu Kleinholz machen wollen. Ein solches System »zerstört natürlich jede Kunst und jede Position und jeden frechen Kommentar«. Er und seine European Film Conspiracy wollen sich von diesen Bedingungen weiterhin freimachen. »Soldate Jeannette« sei erst der Anfang. Er will auch in Zukunft kleine Filme mit großem Effekt machen. Wären nicht kopierrechtlich geschützte Filmausschnitte wie die Referenz zu »Vivre sa vie« (1962) von Godard im Film, gäbe es »Soldate Jeannette« auch über Creative Commons frei im Internet, so der Regisseur. Denn um das »lächerliche Geld« gehe es ihm nicht. Daniel Hoesl will Unabhängigkeit und ein breites, kritisches Publikum, das sein Autorenkino zu schätzen weiß und mit ihm lacht.

»Soldate Jeannette« wird bei der Diagonale in Graz (12.–17. März) zu sehen sein.

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corporate media — Medienkrise und neue journalistische Betätigungsfelder

»Verlegerische Primärstrategien« 029 Content Strategy, Content Marketing und Storytelling sind die neuen Zauberworte der Kommunikationsbranche. Was damit gemeint ist, zeigt Red Bull am besten vor. Der Energy-Drink-Produzent ist längst auch ein großes Medienhaus mit Fernsehsender, Printmagazinen, Online-Plattformen, Musikverlag und so weiter und so fort. Vor allem schafft es Red Bull, seine Geschichten und Storys in anderen Medien unterzubringen: Der Stratosphären-Sprung von Felix Baumgartner war wohl das größte Medienevent, das ein einzelnes Unternehmen jemals realisiert hat. Und wozu das alles? Die Rechnung ist einfach: Den Projektkosten von 50 Millionen Euro steht ein geschätzter Medienwert von etwa 6 Milliarden Euro gegenüber. Red Bull hat die Menschen mit einer Geschichte erreicht und nicht mit Marketingslogans – besser, effizienter, auf allen Kanälen und mit mehr Emotion. Coca-Cola verfolgt eine ganz ähnliche Strategie. Mit dem Konzept »Content 2020« will der Konzern von einer »kreativen« zu einer »Inhalts-Exzellenz« kommen. Die Kernelemente dieser Strategie sind »liquid and linked content development«. Die von Coca-Cola entwickelten Ideen und Inhalte sollen so stark sein, dass sie eine Eigendynamik entfalten und dafür müssen sie möglichst so aufbereitet sein, dass sie sich über soziale Medien verbreiten lassen. Zentraler Hub dafür ist die Coca-Cola-Website, die als Newsroom betrieben wird, für den derzeit vier Vollzeitredakteure und dutzende freie Autoren Inhalte erstellen und kuratieren. Alle Geschichten dort stehen in einem mehr oder weniger direkten Zusammenhang mit dem Kerngeschäft und den Produkten. Mit Beiträgen wie etwa dem des US-Kongressabgeordneten John Lewis über Menschenhandel und moderne Sklaverei zeigt Coca-

Als Red Bull in der Wüste von New Mexico, da wo früher Außerirdische gelandet sein sollen, einen Heliumballon zündete, war das ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein großer Schritt in Sachen Bespaßung durch internationale Konzerne. Diese übernehmen immer häufiger Funktionen klassischer Medien.

Text Werner Reiter Bild red bull media house, burn lab, siemens, electronic beats

Seit Jahren werden die Medienkrise und das Zeitungssterben lautstark beklagt. Parallel dazu boomt ein neues Mediensegment: Der Markt für Unternehmensmedien wächst. Handwerklich gesehen geht das in Richtung Qualitätsjournalismus. Auf die Frage nach inhaltlicher Qualität und Meinungspluralismus gelten die gleichen Antworten wie eh und je.

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Cola aber auch inhaltliche Breite und greift Themen auf, mit denen ein weltweit tätiger Konzern sich auch beschäftigen muss.

Geschichten schaffen Nähe Nicht nur die ganz Großen haben erkannt, dass gut produzierte Inhalte und spannende Geschichten besser geeignet sind ein Publikum zu finden als klassisches Marketing. Die Produktions- und Distributionskosten für Inhalte betragen im digitalen Zeitalter nur mehr einen Bruchteil dessen, was Unternehmen früher für ihre Publikationen ausgeben mussten. Damit rechnet sich das auch für die Kleinen. Heinz Wittenbrink, der am Studiengang Journalismus und PR an der FH Joanneum forscht und lehrt, betont, dass eine Content Strategy nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie eng an die Wertschöpfung des Unternehmens gekoppelt ist. Natürlich kann und soll jedes Unternehmen auch selbst Verleger sein, allerdings muss es dabei eine »verlegerische Primärstrategie« verfolgen. Ein Beispiel für erfolgreiche Umsetzung einer Content Strategy im Kleinen ist der twitternde und bloggende Maler Deck aus Deutschland, der es mittlerweile zu medialer Berühmtheit gebracht hat. Auch die Social Media-Aktivitäten der Wiener Linien sind ein Beispiel, wie gut erzählte Geschichten die Beziehung zwischen Unternehmen und Kunden intensivieren können.

Wo Licht ist, ist auch Schatten und ein Schirrmacher Die Content-Produktion wird zunehmend professionalisiert: In Unternehmen werden Newsrooms eingerichtet und mit Menschen besetzt, die das journalistische Handwerk verstehen. Inhalte werden geplant, professionell und medienspezifisch aufbereitet. Sie werden auch entsprechend vermarktet; ganz so, wie Medienhäuser das auch tun. Manche Anbieter gehen da durchaus in die Richtung einer »Vollberichterstattung«. Frank Schirrmacher, der streitbare Mitherausgeber der FAZ, wies Ende vergangenen Jahres in einem viel beachteten und diskutierten Artikel über die »Zukunft des Journalismus« auf die blinden Flecken hin, die die Betreiber solcher Medienangebote naturgemäß haben werden: »Wir freuen uns schon, wenn Apple über die Arbeitsbedingungen in China berichtet oder Coca-Cola über die Segnungen der Globalisierung.« Wer Schirrmacher dazu applaudieren möchte, sollte erst einen Blick in die Vergangenheit werfen. Der Zeitungsmarkt war immer schon geprägt von »Corporate Media«. Parteizeitungen oder kirchennahe Publikationen haben und hatten – ebenso wie die Unternehmensmedien – ihre blinden Flecken. In Österreich werden diese Medien teilweise auch mit Medienförderung bedacht. So erhielt etwa die Neue freie Zeitung, das publizistische Organ der FPÖ, im Jahr 2012 »Vertriebsförderung« in der Höhe von 46.067,60 Euro.

drei Jahre. So wurde etwa das Technologieportal Futurezone 1999 als gemeinsames Projekt von Siemens und dem ORF gestartet. Ob gut gemachtes Kundenmagazin traditioneller Machart oder umfassende Content Strategy neuerer Prägung: Im Grunde geht es immer darum, gute Geschichten zu erzählen. Isabella Hofmann macht seit etlichen Jahren das Nivea-Magazin für Beiersdorf. Für die ehemalige Journalistin ist das Magazin ganz klar ein Teil der Marke, aber deswegen noch lange kein Werbemedium. »Ausgangspunkt für die Beiträge sind natürlich die Produkte. Um die bauen wir dann Geschichten, von denen wir glauben, dass die Menschen sie auch lesen wollen«, so Hofmann. Der neue Schlauch für den alten Wein nennt sich dann Storytelling. Es gibt zwei Dinge, durch die sich die neuen Schläuche auszeichnen. Erstens werden sie immer fester in der Kernstrategie der Unternehmen verankert und nicht mehr bloß als Add-on gesehen. Wittenbrink spricht in dem Zusammenhang von Content Strategy als »Designdisziplin«. Die Inhalte werden passend zum Unternehmen entwickelt und fügen sich in das Gesamtimage ein. Somit ist davon auszugehen, dass die Maßnahmen, die aus den Content Strategies resultieren, eine längere Halbwertszeit haben als etwa das seinerzeit viel gelobte Zukunftsmagazin .copy Magazin der Telekom Austria.

Neue Berufsbilder Der andere bemerkenswerte Aspekt liegt in der Professionalisierung. An der Universität Leipzig kann man seit 2005 Unternehmenspublizistik studieren und auch an den österreichischen Universitäten und Ausbildungsstätten gewinnt das Thema immer mehr an Bedeutung. Das Web Literacy Lab an der FH Joanneum ist da besonders aktiv. Der Betrieb eines eigenen Newsrooms ist sicherlich die Königsklasse der Disziplin. Jedenfalls bieten immer mehr Unternehmen Jobs für Menschen, die journalistisch arbeiten wollen. Entweder sie beauftragen Verlage, das in ihrem Auftrag zu tun oder sie beschäftigen die Leute direkt. Für klassische Verlage wird das immer mehr zum lukrativen Business. Der deutsche Burda Verlag hat mit der Burda Creative Group einen Anbieter geschaffen, der seinem Selbstverständnis nach »journalistische Medienformate und Kampagnenideen für Unternehmensund Produktmarken« entwickelt. In Österreich gehen der Falter-Verlag und auch Monopol, der Verlag, der dieses Magazin herausgibt, einen ähnlichen Weg. Handwerkliche Qualität und Kreativität gewinnt in diesem Metier jedenfalls immer mehr an Bedeutung. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist, dass es nach wie vor zu wenig Geld für kritischen und unabhängigen Journalismus gibt.

Die Schere im Kopf wird sichtbarer Schirrmacher wurde von Martin Weigert zu seiner Aussage inspiriert. Der hatte auf Netzwertig.com argumentiert, dass bei Corporate Media die Interessenslage der Anbieter viel offensichtlicher sei als bei traditionellen werbefinanzierten Medien. Dort bringen Redakteure aus Rücksicht auf große Anzeigenkunden die eine oder andere Geschichte nicht, oder sie schreiben sie zumindest nicht so, wie sie es tun würden, müssten sie nicht auch auf die wirtschaftliche Situation ihres Arbeitgebers achten. »Anders als bei den verlagsgeführten Medien würde immerhin Klarheit über die existierenden Interessenkonflikte bestehen«, so Weigert. Ob es sich nun um neue Unternehmensmedien oder traditionelle Parteizeitungen handelt, die Antwort auf die Frage, wie sich Menschen ihre Meinung bilden sollen, ist heute wie damals die gleiche: Medienvielfalt. Wittenbrink weist etwa darauf hin, dass auch NGOs ihre Content Strategies entwickeln und sich als Verleger betätigen können. Auch Crowdfunding für journalistische Projekte kann zu eben jener Vielfalt der Angebote führen, die es für einen öffentlichen Diskurs braucht. Seit Kurzem gibt es mit Krautreporter.de eine derartige Finanzierungs-Plattform für den deutschsprachigen Raum.

Alter Wein in neuen Schläuchen Nicht nur die Antwort auf die Frage nach der Rolle der Medien für Meinungspluralismus ist schon seit vielen Jahren die gleiche, auch die Idee der Unternehmensmedien selbst ist alles andere als neu. Kunden- und Mitarbeiterzeitschriften gibt es schon eine ganze Weile und selbst unternehmensfinanzierte Online-Medien mit breiter Berichterstattung sind nicht unbedingt eine Erfindung der letzten zwei bis

Eckdaten Corporate Publishing Im deutschsprachigen Raum setzen 85 % der Unternehmen gedruckte oder digitale Medien für ihre Kommunikation ein. Das Investitionsvolumen betrug im Jahr 2012 4,7 Milliarden Euro. Das bedeutet ein Plus von über sechs Prozent im Vergleich zu 2010. Der überwiegende Teil (69 %) nutzt Printmedien und digitale Medien in Kombination. Etwa 9 % setzen ausschließlich auf digitale Kommunikation. Vier von zehn Unternehmen haben bereits Budgets aus klassischer Werbung in Richtung Corporate Publishing umgeschichtet – für die Zukunft zeichnen sich weitere Verschiebungen ab. (Quelle: »Corporate Publishing Basisstudie 03 – Unternehmensmedien im Raum DACH« des Forum Corporate Publishing)

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Das Innovationsmagazin

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Ökostrom weiterbringen Energiewende braucht den Ausbau der Stromnetze

Schiffe auf Effizienzkurs Neue Antriebstechnik als Vorteil für Betreiber und Umwelt

smart mobil

Mehr Verkehr ohne Klimabelastung ist möglich – wenn wir die Verkehrsmittel intelligent kombinieren

Eröffnung Burn Lab Vienna mit Nychos, Red Bull Thre3style Event in Miami Beach

Neue Zeit Während Tageszeitungen weiter ihre inhaltlichen Stärken am Markt beweisen müssen, bauen Konzerne ihre eigenen Info- und Contentplattformen aus – fünf Beispiele im Kurzporträt.

Red Bull Red Bull ist nicht Corporate Media. Corporate Media ist Red Bull. Bei so circa allem, was man sich so unter dem Begriff vorstellt, kann Red Bull ein Beispiel zeigen. So veröffentlicht das Red Bull Media House etwa in alter Papiertradition Red Bulletin (Sport, Kultur, Lifestyle), Servus Magazin (Heimaterde), Speedweek (schnelle Autos), Ende 2012 (Weltuntergang) oder Terra Mater (Naturwunder). Gleich drei davon haben ihren eigenen TV-Kanal. Es gibt Apps, Websites, Online-TV und sogar Red Bull Records und eine Filmproduktionsfirma. Was die Marke auf Facebook macht, geht über das normale Posten von lustigen Bildern weit hinaus. So nützt Red Bull alle verfügbaren Medienkanäle, um immer irgendwo sein Logo darunterzuschummeln. Was das mit dem klebrigen Wachrüttler in der Dose zu tun hat, weiß eigentlich keiner so genau. Aber es wirkt.

Deutsche Telekom – Electronic Beats

Burn

T-Mobile versucht seit nun schon 13 Jahren, die Marke mit Kunst und Popkultur zu verjüngen und mit cooler Bedeutung aufzuladen. Dass das besonders leicht mit Musik geht, dürfte sehr vielen klar sein. Dabei auf elektronische Musik zu setzen, war vor dem EDM-Boom nicht ganz einleuchtend. T-Mobile tut das mit dem vierteljährlich erscheinenden Musikmagazin Electronic Beats, der Slices-DVD-Reihe und der Electronic Beats-Eventreihe, die ihr Geld je nach Wachstumsmarkt gerade in einem jeweils anderen Land ausgibt. In den Hausmedien wird großteils interessensneutral und fundiert über die neuen Konsensstars aus dem Bereich elektronischer Musik berichtet. Eigentlich ein gutes Konzept. Durchschnittsleser werden nicht mit T-MobileLogos bombardiert und bekommen günstig nerdige Informationen.

Burn ist der Heimmarkt von Red Bull erwartungsgemäß besonders wichtig. Mit Coca-Cola als Konzermutter gibt es aber genügend Finanzkraft und globales Marketing-Wissen. Nach dem sich Red Bull in den letzten Jahren mehr um Sport zu kümmern scheint, setzt Burn weiter auf das Mäzenatentum für Kreative. Dazu gehören dann kostenlose DJ-Software, DJ-Contests, Orte für Kreative und natürlich Events. Bei der jährlichen Burn Studios Residency müssen DJs aus der ganzen Welt um einige Plätze auf einer Art Sommerakademie für Partyexperten kämpfen. Bei »Save Our Spot« restauriert Burn, nach Einsenden eines überzeugenden Videos, einen Lieblingsspot. Und wer nicht nur im Internet aktiv sein will, kann seit Anfang März in Wien Neubau auch das Burn Lab besuchen, ein Kreativlabor mit frei zugänglichen Studios: Street-Art, Musik oder auch Fotografie zum Mit- und vor allem Selbermachen.

Hi!Tech Siemens

msn.at

Handys mit fühlbaren Icons am Touchscreen oder Roboter, die riechen können. Über solche Innovationen berichtet Hi!Tech, das Magazin und der Blog von Siemens. Zur Auswahl im medialen Köcher stehen ein Blog, eine gut verwaltete Facebook-Page, das Printprodukt und gleich auch ein Hörbuch. Bei Hi!Tech Siemens schlägt man noch ein zweites Ziel mit demselben Heft: Corporate Social Responsibility. So widmet man sich regelmäßig Themen der Nachhaltigkeit im üblichen Spezialistensprech: Green Solutions, Klimaschutz oder Öko-Electronics. Weniger stark als bei ähnlichen Medien ist die Verbindung mit dem Mutterunternehmen Siemens selbst sichtbar. Auch wenn man das blaue Logo gelegentlich im Augenwinkel sieht, in den Artikeln geht es primär um die Innovation und inhaltliche Qualität.

MSN kennt jeder. Genutzt wird es auch. Anfangs war es nur ein reiner Internetanbieter für die, die das damals neue Windows 95 gekauft hatten, heute ist es eines der führenden Nachrichtenportale im Internet. Das Budget ist schließlich da, dank Microsoft, der Marke, die hinter dem Microsoft Network steht. msn.at ist dabei eines von cirka 50 Länderportalen, mit dem Microsoft versucht, seine Kunden in einem unterhaltsamen, firmennahen Umfeld zu halten. Das tut man dort mit allem, was ein klassisches Rundum-Medienunternehmen auch bietet: Sport, Wetter, Flirts, Auto, magnetische Bilder und auch echte Nachrichten.

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Autre Ne Veut — R’n’B-Gefühlsexpressionismus-Opus

Amour. Liebe. 032 Text Stefan Niederwieser Bild Last Night In Paris, Digital Music PR, Advanced Alternative Media

Autre Ne Veut bringen Gefühlsexpressionismus in eine kühle Form und vertonen theatralische Konstellationen von Schuld und Sühne. So geht Pop Art. Bei Autre Ne Veut ist das, was gerade gern R’n’B genannt wird, der direkteste Weg, um etwas Größeres zu sagen, nicht nur, um ans andere Geschlecht zu kommen und das ganze Drama hinauszureihern – gefangen allein im Wandschrank, Alkohol, unbeantwortete Anrufe –, ja, auch das, aber sein Hauptthema ist grundsätzlicher: Liebe als Angst um den anderen. Für das Zwischenmenschgedings muss an einer Stelle nichts weniger als ein Weltkrieg her. Oder die letzte Ohnmacht, der Tod nämlich. Die Gewissheit zu sterben verhindert nicht, dass man sich ins Gesicht lügt. Das ist die Ebene, auf der Autre Ne Veut – Arthur Ashin aus Brooklyn – sich Gefühlen nähert, in ihren dunkelgrauen Kern hineinbohrt, vielleicht, weil er in Psychoanalyse war.

Drive Autre Ne Veut verwendet dafür die klingenden Träger von Kitsch und Cholera aus den 80ern: schlimmer Falsett, metallische Sounds und elektrische Trommeln werden auf »Anxiety« aber zu purem Expressionismus. Egal, wie billig das Midi-Schlagwerk und die Zuckerwatte-Synths früher einmal geklungen haben mögen, hier dienen sie ganz dem Ausdruck, Amour und Angst. Gespickt wird das Album mit abrupten Dissonanzen. Wer »Drive« gesehen hat, sollte sich genau jetzt ein inneres Bild davon machen können. Beide, Album und Film, suchen im kalten Schauer der 80er ein Maximum an Gefühl. Sie lassen die Ironie hinter sich, auf der schmerzvollen Suche nach einem richtigen Gegenüber. Im Video zum erschreckend-großartigen »Play By Play« ist dieses Gegenüber schon gegangen. Ein Monitor, der wie in einer Karaoke-Bar zuerst die Sekunden des Intros zählt, strahlt später den Songtext auf den Betrachter zurück, ohne Party, ohne billigen Tequila oder Gäste. Es ist klar die Klimax des Albums, in einer Reihe von potenziellen Monstersingles. Was man dafür kaum findet, sind die

ruhigen, entspannten Kontrapunkte. Nach drei kompletten Durchläufen braucht man spätestens eine Atempause, Walgesänge oder Enya vielleicht. Das ist auch schon die einzige offensichtliche Schwäche des Albums – begründete Allergien gegen die Standardsounds der 80er ausgenommen.

Wall Street Therapie, Katharsis, Rorschach-Test, das sei das Album für ihn, meint Autre Ne Veut in Interviews. Auf dem Albumcover sah man im leeren Rahmen ursprünglich »Der Schrei« von Edvard Munch, die vielleicht berühmteste Verbildlichung von Tod, Grauen und Liebe. Das Gemälde im kapitalistischen Kontext einer Kunstauktion wäre – so Autre Ne Veut – wohl noch beklemmender als das Bild selbst. »Anxiety« könnte also vielleicht noch mehr meinen, nehmen wir einfach mal an, die Gesellschaft um uns herum und wie wichtig ihr Geld ist. Dass Labelchef Oneohtrix Point Never in genau diesem Themenbecken daheim ist, wäre ein weiteres Indiz dafür, mehr aber auch nicht. Dabei schwamm Drake vor zwei Jahren mit »Take Care« noch eindeutig auf dem Oberwasser des Kapitalismus. Mit seinem Album hatte sich spätestens der Tonfall im R’n’B geändert, hatte sich entschleunigt und abgekühlt. The Weeknd, Frank Ocean, Miguel. Man kennt das. Aus diversen Kammern im Netz sprudeln seither mit Gefühl schwangere Beats hervor, gerade etwa von Last Night In Paris, Jody oder SZA. Jai Paul schafft sein sicher fantastisches Album vielleicht noch heuer. Ein blasser Magister der Psychologie aus Brooklyn gibt dem Emo-Klimbim nun existenzielles Gewicht.

»Anxiety« von Autre Ne Veut ist bereits via Mexican Summer / Software erschienen. In Sachen Liebe außerdem empfehlenswert: »Roses« von Last Night In Paris, »Magique« von Jody und »See.SZA.Run« von SZA.

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Rhye — R’n’B, Soul und ganz viel Pop

Alles vergeht 033 Rhye zelebrieren auf ihrem Debütalbum die Endlichkeit der Dinge. Das Duo zeigt keine Angst vor großen Gesten. Seine Musik ist melancholisch, zerbrechlich und sinnlich zugleich. sein Gegenüber wirklich verletzen will. Sondern mehr der künstliche Panzer, den man sich zulegt, um sich selbst zu schützen. Denn bei Rhye geht es, genauso wie bei Autre Ne Veu, um Liebe. Und Angst. Und um die kleinen großen Lügen, die einem dabei helfen, mit dem Unvermeidlichen umzugehen: Die Liebe wird enden, das Glück vorüberziehen, der Moment vergehen. Aber warum heute schon an das Morgen denken, solange es noch einen Funken Hoffnung gibt? »Woman« schwankt zwischen Melancholie, Fatalismus und Verklärung. Es klingt wie die letzten Tage einer großen Liebe. Wenn beiden schon bewusst ist, dass es zu Ende geht, aber die verzweifelte Hoffnung die Leidenschaft noch einmal antreibt. »Make love to me. One more time, before you go away«, heißt es in »The Fall«. Auch »Open«, der vielleicht zarteste Song des jungen Jahres 2013, endet mit der zerbrechlichen Bitte »I know you’re faded. But stay, dont close your eyes«. Auf Rhyes Debütalbum ist jeder Tanz ein letzter. Und der Sommertag im wunderbaren »One Of Those Summerdays« ist kein heißer Juli-, sondern eher ein später Septembertag, am dem die Sonne schon wieder früh niedrig steht. »Woman« von Rhye ist bereits via Polydor Universal erschienen. Text Jonas Vogt Bild Universal

Man muss keineswegs den Kulturpessimismus eines Simon Reynolds teilen, um festzustellen, dass Popmusik im Jahr 2013 nicht ohne Bezug auf ihre Vergangenheit existieren kann. Man wirft schnell mit Worten wie »Retro« herum. Doch oft ist die Sache mit den Referenzpunkten komplizierter als man denkt. Beispiel gefällig? Da sich Modewellen wiederholen, bezieht sich der neueste Aufwasch oft nicht mehr auf das Original, sondern auf seinen Vorgänger. Die Kulturwissenschaft kennt dafür den Begriff des »Nostalgia Layering«: Die 50er Jahre mit den Augen der 70er Jahre sehen. Fest steht: Je größer Moden sind und je weiter ihre Entstehung zurückliegt, desto mehr verblassen sie. Sie sind dann kein abgeschlossener Kodex mehr, sondern werden zu verschwommenen Bezugspunkten. Sie leben weiter als »Influence«, als Widerhall, sind mehr Baukasten als Manifest. Der (Wieder-)Aufstieg des R’n’B in den letzten Jahren hat ihn zu solch einem Bezugspunkt gemacht. Es gibt sie weiterhin, die klassischen Alben wie Brandys mehr als respektables »Two Eleven«. Aber diverse andere Musiker – sei es Giraffage oder Purity Ring – nutzen R’n’B nur noch als Leuchtfeuer oder Wegkarte. Und nehmen sich von ihm, was sie gerade brauchen. Seine Beats. Oder seinen Sex, sein Gefühl, seine Intensität.

Die letzten Sommertage Das in Los Angeles ansässige Duo Rhye nähert sich dem Phänomen R’n’B jetzt von der Pop-Seite. Es raubt ihm den Beat, um ihn in Songs zu überführen. Falsett-Gesang, Streicher, Pianos und Prince-Gitarren strecken große Gefühle über die gesamte Breite des Sounds. Eine universelle, wunderschöne Mixtur aus R’n’B, Pop und Soul. An einigen Stellen wird der Begriff Sophisti Pop hervorgekramt. Und auch wenn Rhye tatsächlich an einigen Stellen die Kühle der 80er transportieren, ist es oft eine vorgetäuschte Kühle. Weniger die Kühle, mit der man 033

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Monobrother – »Unguru« — Grantiger Austropop im Rap-Format

Kein Rebell ohne Grund 034

Text Julia Gschmeidler Bild Hannes Buchinger

»Unguru« ist eine humorvolle Hommage an den inneren Revoluzzer und die ewige Suche nach der Menschenliebe, die Monobrother in der Pubertät abhanden gekommen ist. »Er ist wieder da« trällert Belinda Uhl herzerwärmend auf einem Schlager-Sample zu Beginn des neuen Monobrother-Albums. Damit ist allerdings nicht der satirische Debütroman von Timur Vermes gemeint, in dem Hitler nach Deutschland zurückkehrt. Vielmehr geht es um den Rapper Monobrother, der nach seinem ersten Album mit dem toxischen Namen »Haschgiftspritzer« erneut aufhorchen lässt, diesmal mit »Unguru«. Dieses Werk beschreibt schon im Titel die geistige Grundhaltung, es lässt einen Anti-Guru zu Wort kommen, der eben kein strahlender Volksheld sein will und die Gesellschaft um ihn herum ironisch und zynisch porträtiert – diese Art des Versagertums hat Kamp ja schon salonfähig gemacht. Immer wieder beschreibt Bruder Mono die Leichtgläubigkeit der durchschnittlichen Österreicher, bei denen das Interesse für politisches Engagement verschwindet, sobald sie sich beim Dschungelcamp-Sadismus abreagieren können. Im Interview erklärt Monobrother dann, dass diese TV-Formate ohnehin nichts weiter als getarnte Faschismusversuche im Mantel der Demokratie wären. Neben einer engen Verbundenheit zu den Bravo-Hits helfen Monobrother auch ein paar seiner Vorbilder dabei, diese Geisteshaltung zu perfektionieren: Die Melancholie Danzers, die zynisch bissige Art Qualtingers oder die brachiale Attitüde von Sigi Maron. Wobei für Monobrother sowieso Kurt Sowinetz der allergrößte Künstler ist, den dieses Land je hervorgebracht hat. Auf »Prinzessin G’spritzt« lässt er dann konsequent und mit sehr viel Witz seinen Grant über Kalkbrenner-Scheiße, Vapiano, streng-liberale Ansichten, Naschmarkt-Fraß und Guacamole-Dips ab – und schrammt dabei gekonnt an der delikaten Grenze zwischen reaktionärem Unmut und dessen parodistischer Überspitzung entlang. Zu all der giftigen Sozialkritik gesellt sich bei dem Wahlwiener eine sympathische Portion Altruismus. Verglichen mit seinem Debüt offenbart sich auf »Unguru« ein gereifter, nachdenklicher Mensch, der sich

ein Stück von seiner Verbissenheit distanziert hat. Vielmehr wurde der Fokus auf Technik, Inhalt und Unterhaltung gelegt. Präsentiert wird seine Entwicklung auf dem neu gegründeten Wiener Label Honigdachs, dessen Mitinitiator Monobrother selbst ist. Dort geht es darum, Strukturen in einen losen Haufen von Künstlern zu bringen und Potenzial zu bündeln. Man hält den Idealismus hoch, die Platte wird auf Vinyl releast. Zu den poetischen Veröffentlichungen gesellen sich einfallsreiche und qualitativ hochwertig produzierte Videos, um der schnellen Zeit etwas Nachhaltiges entgegenzusetzen. Wie viele andere lokale HipHop-Interpreten tut sich Monobrother dabei mit der Ignoranz heimischer Musikmedien schwer. FM4 verweist auf die gelegentlichen Schimpfwörter – ein für ihn lächerlicher Grund, ihn nicht zu spielen. Dabei hat doch ausgerechnet »Tribe Vibes«-Host Trishes ihn als Hoffnungsträger des österreichischen Rap bezeichnet. Da bleibt der Mostviertler im Zweifelsfall lieber seinen Antifa-Wurzeln treu. Man findet ihn oft auf Demos gegen Akademikerbälle oder bei Refugee-Protestmärschen. Dort tritt er gegen die Wiener Wurschtigkeitsgesellschaft auf, die einer Weltstadt nicht würdig sei. Sprachzensur, dem beugt er sich sowieso nicht. Denn Monobrother, das ist ein zwiderer Wutbürger mit reichlich gewitzten Dialektslogans am laufenden Band. »Unguru« von Monobrother ist der erste Release auf dem Wiener Independent-Label Honigdachs und auf seiner Bandcamp-Seite streambar.

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Chakuza – »Magnolia« — Straße wird erwachsen

Blumen der Straße 035 Chakuza bricht mit seiner Vergangenheit. Entgegen seinem Ruf als Straßen-Rapper und Bushido-Attaché ist der Linzer mit dem Album »Magnolia« in seiner musikalischen Wahlheimat angekommen. Und wurde ganz nebenbei erwachsen. Mit dem Rucksack aus Linz »Es war ein langer Weg für mich, erwachsen zu werden. Aber ich habe es endlich geschafft, die frühere Rolle abzulegen«, zeigt sich Chakuza mit seiner Position zufrieden. Das Reiseprotokoll seines Werdegangs liest sich wie aus Rap-Hollywood: Seit 2000 war er in Linz mit DJ Stickle aktiv, 2005 bekam Bushido eine Demo-CD des Duos in die Finger. Chakuza übersiedelte nach Berlin, unterzeichnete bei Bushidos Label, das Solo-Debütalbum »City Cobra« chartete in Deutschland auf Platz zehn. »In Österreich galt ich als Verräter, weil ich nach Deutschland gezogen war. Und ich reagierte auch noch trotzig.« Ein Zerwürfnis mit dem Label später drohte 2010 der absteigende Ast. Chakuza begann mit den Arbeiten zu »Magnolia«. 2012 kam er zu Four Music: »Ohne die Vorarbeiten zu ›Magnolia‹ hätten sie mich mit meinem Rucksack und meinem Ruf nie unter Vertrag genommen.«

Positiv angekommen Gegenwind aus der früheren Fanbasis spürt Chakuza nur leichten. Vielmehr überrasche es ihn, wie positiv seine Musik aufgenommen werde. Nicht nur die Künstler, sondern auch das Publikum würde reifen: »Die Genregrenzen sind einfach nicht mehr so strikt gezogen. Das tut der Musiklandschaft unheimlich gut«, ist Chakuza glücklich mit dem Wandel. Dass er dennoch gelegentlich in den Rucksack greift, zeigen seine zwei Produktionen auf dem Erfolgsalbum »Blockplatin« des Offenbacher Street-Rappers Haftbefehl. Doch Produzieren ist für die ehemalige »City Cobra« allenfalls ein Hobby. Vielmehr will sich Chakuza in der Endstation seiner musikalischen Entwicklung verwirklichen: »Ich bin endlich dort angekommen, wo ich immer hinwollte.« Magnolien wachsen eben nicht auf der Straße.

»Magnolia« von Chakuza erscheint am 8. März via Four Music.

Text Andreas Hagenauer Bild Lorenz Holder

Im Hotelzimmer stehen keine Magnolien. Das wäre des Guten wohl zu viel gewesen. Rapper Chakuza wirkt trotz des Pressemarathons entspannt. Vor allem, so sagt er, weil das Management ganze Arbeit geleistet hat und er sich auf die Interviews konzentrieren kann. »Früher war das alles viel mühsamer«, erinnert sich der 32-jährige Linzer. Jetzt sitzt Chakuza, eigentlich Peter Pangerl, auf der schicken Couch und ist mehr Peter Pangerl, als er sich das seit dem Beginn seiner Musikkarriere hätte denken können. Früher war Chakuza anders. Die New-Era-Caps mussten Beanie-Mützen weichen und die weißen Unterhemden sind jetzt langarmige Shirts. Früher machte Chakuza Straßenrap. Mit seinem neuen, vierten Soloalbum »Magnolia« hat Chakuza für Erstaunen im deutschsprachigen HipHop gesorgt. Und wie immer: Je radikaler der Imagewechsel, desto lauter das Raunen der Szene. »Magnolia« ist so weit von der Straße entfernt wie das DachgeschossHotelzimmer, in dem der Linzer an diesem Tag seine Interviews gibt. Chakuza bezeichnet sich und sein Album als erwachsen. Er erzählt auf »Magnolia« seine Geschichte und schafft es, dabei nur selten in den Pathos abzudriften. Er klingt ruhig, nachdenklich und melancholisch. Rundumschläge sucht man vergebens. Für das musikalische Grundkonzept ist das Produzentenduo Stickle und Steddy verantwortlich, das schon Casper zu seinem Durchbruchalbum »XOXO« verholfen hat. Ähnlichkeiten zwischen den beiden Künstlern sind dabei nicht ganz von der Hand zu weisen, Vergleiche scheitern aber spätestens bei den verschiedenen Zugangsweisen zu rappen. Auch ohne Chakuzas musikalische Vergangenheit zu kennen hat man das Gefühl, dass Street-Rap irgendwo im Rucksack des gelernten Kochs verstaut ist. Doch Schimpfen ist nicht mehr. Trotzdem gelingt ihm der Sprung über die Conscious-Rap-Kitschfalle. Als Erwachsener springt es sich eben leichter.

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Claire Fontaine ist das Alter Ego eines in Paris lebenden Künstlerkollektivs. Sie / Es steht für die Krise des (Künstler-)Subjekts und der Singularität. Die Neonschrift, das Video, der Text, die Skulptur könnten so auch von jedem anderen gemacht worden sein. Die Rolle des Autors und dessen Austauschbarkeit in der kühlen, kalkulierbaren Gegenwart waren auch Thema der Arbeit »Capitalism kills (love)«, Art Berlin Contemporary (2008).

Text Denise Helene Sumi Bild abc – art berlin contemporary, kunst-werke institute for contemporary art

»Facebook ist das, was uns mit anderen Menschen verbindet.« Aber tut es das immer, und so wie wir das möchten? Täglich sitzen wir vor unseren Medieninstrumenten, liken und verbinden uns mit der Community. Social Media hat dabei den Porn-Stream im Internet abgelöst. Doch weder das eine noch das andere ist sinnlich. Unsere Medieninstrumente wie Airbooks, Tablets und Smartphones täuschen uns eine taktile Nähe zu den Objekten und Menschen auf dem Retina-Bildschirm vor. Das unmittelbare Um-unsHerum verschwimmt dann gerne hinter den Dröhnungsfiltern. Stattdessen begegnen wir einem endlosen Strom aus banalen Egos, arbeiten als Volontäre gratis für Firmen wie Twitter und Facebook, indem wir tagtäglich große Daten für sie produzieren. Das Gemeinsame der Community verwandelt sich so zu den Werten einer individualisierten Leistungsgesellschaft. Das Internet sieht sich heute dem Problem gegenübergestellt, dass es keine Community-basierende Netzstruktur geschaffen hat, sondern Monolithen (siehe Kösch / Knoke, »Internet am Scheideweg: Die vier Reiter der Infokalypse«, in: De-Bug, 03.2013). Der Begriff der »Community« befindet sich so nicht mehr nur im Netz, sondern auch in der Kunst auf dem Prüfstand. Sie blickt kritisch auf das Projekt von Partizipation und Gemeinschaft und sucht dabei nach »künstlerischen Imaginationen eines politischen Subjekts in neuen Formen und Formaten«, so formuliert es zumindest das Programm der kommenden Wiener Festwochen.

Die politische Community der 90er Kunst und Community — Partizipation und Kollektiv bei Festivals

Die Enden der Community 036

Die Kunst ist auf der Suche nach einem neuen, sinnlichen wir. Es ist Zeit für den Rückzug des Subjekts und die Wertschätzung des Objekts. Zumindest legen das die Programme von Documenta, Sound:frame, Donaufestival und Wiener Festwochen nahe.

Wer kann sich eigentlich noch an die politische Kunst-Aktion »Ausländer Raus« von Christof Schlingensief erinnern? Das partizipatorische Projekt gastierte bei den Wiener Festwochen vor 13 Jahren. Im Livestream konnte die Bevölkerung Immigranten aus dem Big-BrotherContainer vor der Wiener Staatsoper wöchentlich rauswählen und somit zurück in das tatsächliche Auffanglager am Rande der Stadt abschieben. Die traurige Fußnote: Der Kunst-Container erhielt wesentlich mehr Aufmerksamkeit als das Immigrantenlager. In vielen Fällen kämpft die Sphäre der Kunst gegen die Sphäre der Realpolitik umsonst an. Dabei hat partizipatorische Kunst oft eine agitatorischepolitische Haltung. Es werden keine Kunstobjekte, sondern Situation geschaffen. Sie verlangt nach einer Community. Menschen selbst sind das Medium. Aber diese partizipatorischen Praktiken führten kaum zur politischen Ermächtigung der Community. Das Paradoxe an der Situation heute ist, dass der Inbegriff von künstlerischen Praktiken der Partizipation, wie sie seit den 90ern weltweit breit aufkam – also Mobilität, Flexibilität, Transparenz, Teamwork, Projekt- und Netzwerk-basiertes Arbeiten – im Wesentlichen gleichgesetzt werden kann mit Leistungswerten, wie sie heute das neoliberale Individuum zeigt und für sich nutzt: Produktivität, Flexibilität und das Können / Sollen bestimmen uns. Dieser selbst auferlegte Druck und das Zuviel führt irgendwann – wie es der Kulturwissenschaftler Byung Chul Han formuliert – zu Vereinsamung, Überarbeitung und Müdigkeit. Irgendwie muss unter dieser Ernüchterung über die Community das Verhältnis des Einzelnen dazu neu diskutiert werden. Ein neues wir muss her.

Der Rückzug der Vernunft Dafür muss man vor Ort sein. Eine Erfahrung des wir-Gefühls kann über die direkte Situation hinaus schwer vermittelt werden. Bisher wurden diese Kunstformen rund um Gemeinschaften vielfach nur fragmentiert in Bildern, Diskussionen, Panels und Endlosschleifen 036

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Cyprien Gaillard ließ die Community 2011 eine Bierpyramide leer trinken. Auch sinnlich.

von Foto-Dokumentationen abgebildet. Im Vordergrund stand das vernunftbasierte Vermitteln von Moral- und Ethikvorstellungen und Fehlschaltungen in Politik und Gesellschaft. Also eher eine anklagende Kunstform. Anders ist das bei Situationen, die etwa der Künstler Tino Sehgal schafft. Auch sie können nur vor Ort direkt erfahren werden. Es gibt keine Dokumentation. Die sinnliche Erfahrung zählt. Es ist keine anklagende Form im Sinne von »Wir partizipieren gemeinsam gegen etwas«. Seine Situationen wollen empfindsam für das andere machen: Es ist kein Gegen, sondern immer ein Mit. Sinne anregen, Geräusche wahrnehmbar machen, und somit ein starkes Gefühl für das Um-uns-Herum schaffen. Es ist ein bisschen vergleichbar mit einer fokussierten Clubnacht: Man nimmt Sounds wahr, bewegt sich

Kühlschrank steht. Irgendwie logisch. Mehrere Entitäten bestehen lose nebeneinander, gerne auch mal unabhängig vom menschlichen Dasein (das ist natürlich auch ernüchternd). Dieser Ansatz hinterfragt die instrumentelle Verfügungsgewalt des Menschen. Dieses Weltmodell kommt auch ganze ohne den Menschen aus, ist also auch in gewisser Weise ein »Antihumanismus«. Der Mensch steht dabei auf einer Ebene mit biologischen Systemen, anderen Lebewesen und Organismen. In seinem Video »A World Undone« von 2012 zeigt Nicholas Mangan sich rasant bewegende Staubpartikel des circa 4,404 Millionen Jahre alten Erdkrustenminerals Zirkon. Eine Welt im Entstehen.

Kontaktaufnahme Wenn nicht alles verbunden ist, dann müssen wir erst wieder Kontakt mit dieser Ökologie von Objekten, dem anderen aufnehmen. Und diese Begegnungen sind immer sinnlich! Sinnlich meint hier nicht nur Berührung oder die direkte Wahrnehmung. Sinnlich bedeutet immer auch, sich dem anderen und seinem unsichtbaren Kern anzunähern. So etwa, wie ich mich dem Geliebten oder der Geliebten annähere. Das andere (Geliebte) entzieht sich unseren Sinnen. Das Sichtbare wie Facebook, Bilddokumentationen und Agitation hingegen, das ist immer eine Form von Pornografie. Das mag zwar aufs Erste wirklichkeitsfremd klingen, dabei soll Kunst genau dorthin die Wahrnehmung öffnen und schärfen. Wäre es nicht verlockend, die Vernunft mal bei Seite zu lassen? Indem neue Kunstformate diese Sinnlichkeit für das andere vorführen, wird ein Wir-Gefühl, ein Gefühl für die Dinge um uns herum geschaffen. Ohne anzuklagen, ohne moralisierend zu wirken, kann so die Verantwortung für die Community steigen. Kunst muss nicht mehr sinnlos sein.

zwischen den anderen umher, man spürt sich und das andere und vielleicht sogar eine Verbundenheit. Obwohl dabei keinerlei Objekte verwendet werden und die Situationen nur von Subjekten bevölkert sind, können diese Ansätze im Zusammenhang mit neuen objektorientierten Ansätzen in der Kunst verstanden werden.

Sinnliche Begegnung mit Objekten In der kuratorischen Praxis und in Fachzeitschriften wird seit geraumer Zeit über eine neue Strömung in der Kunst gesprochen. Es sind objektorientierte Ansätze, die sich vor allem an den Schriften des letztjährigen Keynote-Speakers der Berliner Transmediale, Graham Harman, abmühen. Beim Philosophen Harman dreht sich viel um die Begegnung von Objekten. Dabei ist eine erste nüchterne Erkenntnis einfach und logisch nachvollziehbar. Everything ist not connected – also kein Schmetterlingseffekt. Zunächst habe ich keinerlei Einfluss auf umherirrende Asteroiden oder die Milch, die gerade in meinem

»Unruhe der Form. Entwürfe des politischen Subjekts«. Unter diesem Titel wird im Rahmen der Wiener Festwochen vom 10. Mai bis 16. Juni ein Ausstellungs- und Performancemarathon stattfinden. Namen wie Dora García, Tino Sehgal oder das Raqs Media Collective lassen vermuten, dass sich das Format in der Tradition der Partizipationskunst und den sogenannten social practices mit Community-basierenden Kunstformen auseinandersetzen wird. Tino Sehgal wird ebenfalls beim Donaufestival zu Gast sein (siehe nächste Doppelseite). Auch das Sound:frame-Festival beschäftigt sich von 4. bis 21. April unter dem diesjährigen Leitthema »Collective« mit Formen der Kollaboration, mit dabei sind Projekte wie das Up High Collective, Supafly Collective oder Node Forum Collective. Außerdem feiert The Gap-Februar-Coverstar Sohn seine Live-Premiere in Österreich. Die Sound:frame-Konferenz wird dabei in Kooperation mit departure präsentiert. — www.soundframe.at — www.festwochen.at 037

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Tino Sehgal — »Constructed Situations« beim Donaufestival 2013

Tino Sehgal könnte deinen Abend retten. Er schafft mit seinem Publikum einmalige Situationen und stellt ganz intuitiv einige wichtige Fragen. So nebenbei befreit er uns von dieser albernen Lattenkunst.

Das klinische Kunstlicht einer Galerienvernissage enthüllt jede Hautunreinheit, immer. Schade, unpraktisch, verunsichernd und ein grundsätzlicher Konzeptionsfehler von Galerien im Vergleich zu Bars. Um sich nämlich die Lattenkunst 01 von heute anzuschauen, wirft sich ohnehin niemand wirklich in Ausstellungsräume, die Stimmung dort wird durch das Licht in der Regel noch deutlich unromantischer. In solchen Ausnahmesituationen helfen meistens nur noch Sätze wie: »Also, diese Intervention kontextualisiert den Raum sicherlich machtvoll und drückend neu – aber das Einzige, was bei mir momentan noch wirklich etwas auslöst, ist zeitgenössischer Tanz!« Der zweite Teil des Satzes ist dabei besonders wichtig, denn er macht dem Gegenüber klar, dass man irgendwas fundamental Wichtiges an der zeitgenössischen Kunst- und Kulturproduktion kapiert hat, wenn auch nicht ganz klar ist, was das genau sein könnte.

Ästhetische Erfahrung overruled Lattenkonzept Aber natürlich gibt es auch gute Gründe, warum zeitgenössischer Tanz einen unsagbar treffenden und angesagten Ebenenwechsel darstellt. Der Kunstdiskurs gibt sich in den letzten Jahrzehnten gerne und häufig damit zufrieden, einen Halbsatz von Bourdieu oder Baudrillard (jedenfalls einem der mit »B« beginnenden Franzosen) durch die Neigung eines Brettes an einer Wand zu visualisieren. Anders gesagt: Es ist zunehmend mehr Leuten zunehmend egal, ob irgendwer irgendwo irgendwelches Zeug in einer Galerie abgestellt hat (falls es das nicht immer schon war). Am allerbesten wäre es aber natürlich, es wieder einmal mit mehr Unmittelbarkeit, mit körperlichem Empfinden zu versuchen. Unter anderem das Donaufestival versucht eine Brücke zwischen Popmusikfestival und hauptsächlich performativen, theatralen Kunstformen zu finden. Es bewegt sich dabei phasenweise auf neuem Terrain und scheitert daran auch gelegentlich. Im letzten Jahr

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manchmal sogar kläglich, so bei der enervierend langweiligen, zwar verkopften, aber ästhetisch irrelevanten Performance »The End of Feminism as we know it« als Wrestlingshow von Dolce After Ghana 02. Dieses Jahr schickt sich das Festival in Krems an, es besser zu machen. Es besteht aller Grund zur Hoffnung: Tino Sehgal wird die Kunsthalle in Krems 03 bespielen. Er steht dabei gegen alle oben geschilderten Probleme der zeitgenössischen Kunstproduktion.

Tino Sehgals konstruierte Überraschungen Segal arbeitet an constructed situations. Er lässt spielende Akteure – er nennt sie Interpreten – vorbereitete Anweisungen ausführen. Oft gehen sie rhythmisch durch den Raum, sagen mantra-artig Sätze auf, schnalzen, klatschen, singen, versuchen den Zuschauer miteinzubeziehen. Es entstehen magische Situationen, oft etwas bedrückend, oft den Raum öffnend. Es kommt im besten Fall zu einer Auflösung des Einzelnen in der Gruppe und im Augenblick, unmittelbar und unverkopft. Von seinen konstruierten Situationen will Sehgal keine Aufzeichnungen, Kataloge, oder sonstige Übertragungen in andere Medienformen, als den Raum und den Moment selbst. Tanz und Theater integriert er unter dem etwas leblos institutionalisierten Begriff »Kunst« und gibt ihm wieder etwas Glanz und Sentiment zurück. Das Publikum erlebt dabei Intimität, peinliche Berührtheit und Gruppendynamiken. Gleichzeitig lässt erst das Publikum die »künstlerische Aussage« in seiner Interaktion und Reaktion entstehen. Die Interaktionssituationen zwischen Darstellern und Publikum und der Besucher untereinander sind zwar künstlich hervorgerufen, entwickeln aber trotzdem, oder gerade deshalb eine nur für den Moment einmalige Authentizität. Das ist dem einzelnen Beobachter im Publikum wiederum klar, vor allem auch, weil er sich in einem artifiziellen Museums- bzw. Galerieraum bewegt. So werden Zusammenhänge und soziale Praktiken in der Auseinandersetzung mit Themen wie Kunstproduktion, Marktwirtschaft und Gesellschaft offengelegt.

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Tino Sehgal Tino Sehgal wurde 1976 in London geboren und lebt in Berlin. Sehgal ist Sohn einer Deutschen und eines Inders. Seine Schulzeit verbrachte er in Böblingen bei Stuttgart. Mit politischer Ökonomie, Tanz und Choreografie hat er recht gegensätzliche Fächer studiert, Bildende Kunst war nicht dabei. Er selbst ist der Meinung, sowohl beim Tanz als auch in der Ökonomie sich naheliegender Weise mit verschiedenen Formen immaterieller Produktion beschäftigt zu haben. 2005 hat er Deutschland bei der Biennale in Venedig vertreten und dabei als Museumswärter verkleidete Akteure »This is so contemporary, contemporary, contemporary« singen lassen. Danach wurden seine Arbeiten zunehmend komplexer, die Situationen diffuser und die Akteure zahlreicher. Im New Yorker Guggenheim Museum war er mit »This Progress« zu sehen: Während sie den spiralförmigen Gang des Foyers hinaufgingen, führten die Besucher damals Gespräche mit nach oben hin zunehmend älter werdenden Menschen darüber, was Fortschritt sein könnte. In der Turbinenhalle der Tate Modern in London (Bild) war er 2012 mit »These Associations« vertreten. 250 Interpretatoren summten, sangen, bewegten sich synchron und spielten »Spiele« dort mit den Besuchern. Bei der Documente13 in Kassel wurden Sehgals Besucher in einer Black Box ebenfalls in eine singende und tanzende Menge hineingezogen. Vom 25. bis 27. April bespielt Tino Sehgal täglich von 10.00 bis 20.00 Uhr die Kunsthalle Krems im Rahmen des Donaufestivals. Bei den Wiener Festwochen wird er zwischen 11. Mai und 16. Juni ebenfalls mit einer noch unbekannten Arbeit vertreten sein.

Vermutlich hat Kunst keine moralische Verpflichtung, sich um sein Publikum zu scheren. Wenn man aber selbst Publikum ist, dann lohnt sich die Kunsterfahrung vor allem dann, wenn jene, die sie konzipiert haben, sich um die Zuseher bemühen. Sehgal tut das. Er fokussiert, kanalisiert und konzentriert die einerseits wirre, andererseits immer gleiche Bewegung und Begegnung von Menschen bei Kunstausstellungen – und in anderen Situationen. Fragen wie »Was ist Fortschritt?« oder »Was ist Kunst?« stellt er, ohne etwas gegenständlich zu machen, in einen Raum voller Menschen hinein. Sehgal selbst erklärte im New Yorker: »Worum es in meiner Arbeit geht, ist: Kann etwas, das kein unbelebtes Objekt ist, als etwas von Wert betrachtet werden?« Was er in Krems vorhat, darüber gibt es keine konkreteren Informationen als Ort und Zeit. Zwar trägt er so zur Mythenbildung bei, ist andererseits aber auch nur konsequent, Momenterfahrungen auf den Moment der Erfahrung zu beschränken. Angenommen also, man lernt bei einem dieser Galerienrundgänge tatsächlich mit dem anfangs erläuterten Anmachspruch einen interessanten Menschen kennen, so ist man wohl gut beraten, diesen zu Tino Sehgal mitzunehmen. Die dort zu erwartende Erfahrung kann es mindestens damit aufnehmen, nachts Pizza am »Himmel Wien« zu bestellen. Nebenbei kann man beweisen, dass man durchaus im Bilde darüber ist, was derzeit der heiße Scheiß im Guggenheim, an der Tate Modern und bei der Documenta13 ist.

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lattenkunst.blogspot.co.at fm4.orf.at/stories/1698233 www.kunsthalle.at/de/kunsthalle-krems www.newyorker.com/reporting/2012/08/06/120806fa_fact_collins www.donaufestival.at/ www.festwochen.at/index.php?id=75

Text yannick gotthardt bild jonathan choo

Flirten in einem interessanten Raum

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Der gelernte Österreicher — Über einen Essay von Alfred Goubran

Survival of the Slickest 040 Provokant und ganz schön patriotisch: Alfred Goubrans Thesen über eine identitätslose Republik. Am »gelernten« Österreicher, Kreisky und den in den 90er Jahren angelernten Liberalen findet er wenig Gutes. Sein Ideal: der andere Österreicher.

Text thomas weber illustration nked

Gleich zu Beginn fühle ich mich ertappt. Im Nachwort – ich lese es in meiner Neugier zuerst – klärt einen Alfred Goubran darüber auf, was es mit dem »Idiotikon«, der Gattungszuschreibung seines Essays, so auf sich hat. Dass die Österreicher alle Idioten wären, das besagt seine Abhandlung über den gelernten Österreicher nämlich genau nicht. Früher verstand man unter einem Idiotikon schlicht ein Wörterbuch über die sprachlichen Eigentümlichkeiten eines Landes oder einer Region. Im griechischen Wortsinn bedeuten die idiotes zudem die »Nicht-Dazugehörigen«; wobei Goubrans Vorwurf der genau gegenteilige ist: dass der gelernte Österreicher bequem ist, gefährlich angepasst, mehrheitsfähig und mittlerweile mustergültig für eine globalisierte Welt, in der das Establishment und das Konstrukt der Mehrheit daran arbeiten, dem Einzelnen seine Eigenheiten, seinen Charakter und seine Identität zu nehmen, um ihn vereinzelt zu verwerten und das Funktionieren zu gewährleisten. »Hier in Österreich wie überall«, wie es so oft in diesem Buch heißt.

Gelernter statt gelebter Wandel Dass wir den Österreicher in diesem Sinn als globalen Vorreiter ansehen können, verdankt dieser dem historischen Sonderfall seines Landes, welches Goubran jeweils als verstümmeltes Überbleibsel der Geschichte beschreibt – sei es als Rest des Deutschen Reichs, des Kaiserreichs oder des Dritten Reichs. Anstatt sich allerdings der Geschichte zu stellen und daraus eine (lebendige) Identität zu entwickeln, so der Vorwurf, hätte der Österreicher immer bloß nach vorne geblickt, gelernt, sich an das jeweils Neue, von außen Kommende anzupassen. Veränderung habe er nie gelebt und verinnerlicht, sondern bloß gelehrig durch äußere Zwänge mitgemacht. So wurde er: »Nach dem

Anschluß: Zum Deutschösterreicher. Nach dem Krieg: Zum Parteiösterreicher. Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre: Zum modernen Österreicher (Modernisierung). Anfang der neunziger Jahre: Zum liberalen Österreicher (Liberalisierung).« Das vielleicht plakativste Beispiel für Goubrans These von der substanzlosen Orientierung am außen ist der Tourismus beziehungsweise das Bild, welches Österreich als Kulturtourismusnation transportiert. Klischees, sonst nichts; gelebte Kulturlosigkeit. Ist Goubran also ein Kulturpessimist spezifisch österreichischer Prägung? — In solch simplen Kategorien wird man den Autor nicht zu fassen bekommen. Er ist jedenfalls beharrlich, unverbesserlich, und, auch wenn man ihm mit dieser Zuschreibung wohl keinen Gefallen tut, weil man den angelernt Liberalen damit womöglich eine Kampfvokabel in die Hand gibt, ihn abzuschaßeln: Er ist letztlich ein wahrer Patriot – im Bernhard’schen Sinn. Er kann nicht anders als das, was ihm wichtig und ein Anliegen ist, zu kritisieren. Vielleicht sind Goubrans Forderungen – er postuliert den »Mut der Wenigen« und fordert die »Fähigen« auf, sich von allem Identitätslosen fernzuhalten, es kenntlich zu machen und sich von ihm zu distanzieren – vielleicht sind diese Forderungen neuromantisch. Sie sind es auf alle Fälle wert, gelesen und diskutiert zu werden. Dieses Buch gehört auf Matura-Leselisten, auszugsweise in Deutsch-Lesebüchern nachgedruckt und denen in die Hand gedrückt, die noch leidenschaftlich sind und nicht verdorben. Auf dass es sie inspiriert, die verdrängten und vergessenen Heldinnen und Helden des Widerstands und der Unangepasstheit auszugraben, sich diese als Vorbilder herzunehmen. »Der gelernte Österreicher« von Alfred Goubran ist im Braumüller Verlag erschienen. Buchpräsentation am 23. April im Wiener Phil.

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Polit Social Media Österreich — Politometer der Parteien

Partybook Politik auf Facebook ist in Österreich eine ziemlich große Baustelle, insbesondere Parteien fehlt eine erkennbare Strategie. Eine Analyse in fünf Akten.

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Die Strategie

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Der Inhalt

Fast allen fehlt der Masterplan. So viel kann nach Gesprächen mit den meisten Social-Media-Beauftragten der politischen Parteien festgestellt werden. Auf Facebook sind sie zwar alle, wer aber erreicht werden und was das vor allem bezwecken soll, kann niemand so genau sagen. Emotionalisierung? Themensetzung? Mobilisierung? Empowerment? Gratis-Sticker-Verteilaktionen? Oder etwa gar kurzweilige Postings mit ernstem Hintergrund? Parteien sind im sozialen Netz merkbar orientierungslos. Besonders im internationalen Vergleich wirkt Österreich noch wie ein Entwicklungsland.

Text Lisa Stadler Bild ###

Trotz der spürbar fehlenden Ziele lassen sich Tendenzen feststellen. Die Palette der Möglichkeiten wird nur ansatzweise ausgeschöpft. Viel wäre denkbar: Umfragen, Links zu bemerkenswerten Videos, Infografiken, alltagspolitische Videos, aktionistische Katzen oder herbe Kritik an den Regierungsparteien. Wir haben die einzelnen Parteien näher betrachtet: Welcher PostingTyp bist du?

fpö – der ausreisser: Die FPÖ fällt aus der Reihe. Die rechte Partei ist auf Facebook eine einzige Person: Heinz-Christian Strache. Joachim Stampfer, verantwortlich für die FPÖ-Bundeskommunikation, weilte 2008 im Urlaub, als sein Chef meinte, er brauche sofort eine Facebook-Seite. Fünf Jahre später ist man bei rund 126.000 Fans angelangt. »Strache wollte das von Anfang an selbst betreuen und das macht er auch«, erzählt Stampfer. Dass die Strache-Page so viele Fans hat, liegt nicht zuletzt am Inhalt: Der ist nämlich persönlich und authentisch, wie vor Kurzem auch Benedikt Narodoslawsky auf seinem Blog dernaro.at treffend analysiert hat. bzö – die unerhörten streber: Die Orangen warten mit jeder Menge Stoff auf einer »BZÖ Informationsseite«, auf regionalen Seiten und Josef Bucher-Channels auf: »Wir sehen Social Media nicht primär als absolutes Wahlkampfinstrument für die Massen, sondern auch als Mobilisierungsmittel für die eigenen Leute – diejenigen, die uns unterstützen«, so Bundespressesprecher Heimo Lepuschitz. Es wird fast stündlich gepostet, auf starke Bildsprache und Multimedialität gesetzt. Inhaltlich könnte man das durchaus vorbildhaft für eine Partei nennen. Wäre da nicht das Problem, dass das BZÖ kaum Fans hat.

spö – die braven: Von 19 Facebook-Posts der SPÖ in den ersten drei Februar-Wochen sind sechs Verlinkungen zu eigenen Artikeln auf spoe.at, acht Links zu externen Artikeln in österreichischen Medien, der Rest Fotos und ein Bashing in Richtung Kärntner Korruption. Der Tonfall ist sehr sachlich gehalten, Absender ist keiner erkennbar. Facebook wird hier eher als ein weiterer Sender für Parteimitteilungen verstanden denn als Sprachrohr in beide Richtungen. Erreichbar war übrigens auch keiner, der Zuständige, Oliver Wagner, war zu beschäftigt.

die grünen – die lustigen: Die Grünen versuchen die Like-Kultur von Facebook zu nutzen: »Wir wollen dem Publikum das bieten, was es haben mag, und das darf unter anderem ruhig auch lustig sein. Wir haben da in Social Media inhaltliche Freiheit«, erklärt Jan Autrieth von den Grünen. In der Praxis ist das dann auch mal ein Peter Pilz mit blonder Perücke oder Infografiken mit Servicecharakter. Dem Publikum gefällt das relativ oft.

övp – die faden: Ein Zeitungsartikel hier, eine Ankündigung eines TV-Auftritts eines Parteimitglieds da, Fotos von Spindelegger in Saudi Arabien. »Unsere Kommunikation in Social Media ist stark auf den Kanal ausgerichtet, wir setzen die Themen anhand des Echos, das von den Leuten kommt«, erklärt Gerhard Loub. Das ist aber noch Zukunftsmusik: Oft folgt eine unpersönliche Verlautbarung der nächsten. Man ist eben auf Facebook, mehr auch nicht.

piraten, neos, team stronach, kpö – die hurtigen quereinsteiger: Die kleineren Parteien versuchen engere, thematische Akzente zu setzen. Alexander Kühne, Piraten: »Wir posten hauptsächlich zu Themen wie Datenschutz und generellen Online-Debatten, weil die gerade im Netz ganz gut funktionieren«. Michael Horak, NEOS, meint: »Uns ist es wichtig, die anderen Parteien nicht anzuschwärzen. Das ist nicht unser Stil. Thematisch ist einer unserer Schwerpunkte Transparenz.«

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Wenn die Welt nur aus Facebook, Twitter und Google Plus bestünde, wie würde sie wählen? Eine Möglichkeit das herauszufinden, bietet das von The Gap unterstützte Politometer. Der Abstand von kleineren Parteien zu den großen fällt dort geringer aus. Vor allem aber konnten die, die am Ende einer Woche ganz oben steht, den größten Wirbel erzeugen. Und das sind derzeit HC Strache und Onkel Fränk. bzö — 10,71 politometerscore piraten — 30,10 politometerscore

neos — 26,08 politometerscore övp — 30,01 politometerscore team stronach — 42,96 politometerscore

die grünen — 33,93 politometerscore spö — 32,59 politometerscore

hc strache — 54,81 politometerscore

kpö — 16,43 politometerscore

Quereinsteiger Team Stronach fährt gut mit populistischen Postings in plakatähnlicher Form, stets ist Frank Stronach zu sehen. Damit hat die Page mehr Interaktion als die meisten. Die KPÖ rückt ihr Team in den Vordergrund, hat aber ein Reichweiten-Problem.

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Die Reichweite

Ja, Österreich ist klein. Das kann gerade in Social Media im Hinblick auf Fanzahlen ein Problem sein. Immer wieder lässt sich beobachten, dass Leute das Thema Politik aus dem Freundeskreis auf Facebook gezielt heraushalten wollen. Die Zahlen sind bei der Gesamtzahl an Menschen, die von Politik direkt betroffen werden (in Österreich: alle acht Millionen) dennoch enttäuschend. Jan Autrieth von den Grünen: »Wir versuchen natürlich, auf Facebook so viele Leute zu erreichen wie möglich.« Wenn man nicht gerade H.C. Strache heißt oder sich Fans kauft, ist das mit der Reichweite gar keine so leichte Sache. Die Parteien haben nämlich alle die goldenen Zeiten, in denen Fangenerierung auf Facebook noch etwas leichter war, verschlafen. Strache mit der persönlichen Page ausgenommen. »Viele Fans sind aber nicht das einzige«, meint Gerhard Loub (ÖVP). Und zumindest das Politometer gibt Loub recht: Das Team Stronach steht dort meistens auf der Eins, weil auf deren Seite viel Interaktion stattfindet. Ob gute oder schlechte Rückkopplungen, das sagt das Politometer nicht.

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taktpunkte geht, ob man sich diese Haltung als demokratische Partei leisten kann, darf allerdings ernsthaft bezweifelt werden.

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Die Organisation

Auffallend ist, wie unterschiedlich die Parteien mit der Konzentration auf Personen oder Parteien umgehen. Die Piraten etwa legen den Fokus auf regionale und überregionale Seiten (Piratenpartei Kärnten, Piratenpartei Österreich). Während am anderen Ende die FPÖ auf eine einzige Person setzt, haben allen anderen sowohl Personenseiten als auch regionale und überregionale Seiten. In Summe ergibt das zwar auch einige Fans, zersplittert aber die Kommunikation in kleine Teile. Ausschließlich für Facebook ist dabei niemand abgestellt. Stattdessen werden Teams auf Stundenbasis oder Kommunikationschefs eingesetzt.

Unterm Strich Vor allem die ehemaligen großen Volksparteien ÖVP und SPÖ sind auf Facebook noch weit von ihren Wählern entfernt. Während die anderen experimentieren (Piraten, BZÖ, KPÖ) und teilweise schon recht professionell agieren (Die Grünen, Team Stronach, Neos), holt sich Strache alle Likes. Der Kaiser von Facebook, Barack Obama, war mit dieser Ein-Personen-Strategie bereits zweimal höchst erfolgreich. Nur seinem parteiinternen Nachfolger wird das wenig bringen.

Die Interaktion

Interaktion auf Facebook ist mit Sicherheit eine der größten Baustellen heimischer Parteien. Für die Artikelrecherche sollte an einem Sonntagabend auf allen Partei-Pinnwänden eine simple Frage gestellt werden. Bei SPÖ und KPÖ ist diese Funktion deaktiviert, private Nachrichten waren immerhin möglich. Bei Strache ging nicht einmal das. Von den anderen antwortete nur Neos innerhalb der nächsten 15 Stunden. Nach Anrufen bei allen Parteien antworteten BZÖ, Piraten, KPÖ und ÖVP. Von SPÖ, Team Stronach und Grünen kam bis Abgabeschluss nichts. Eine Stichprobe wie diese kann zwar auch dem verlässlichsten Community-Manager ein Hackl ins Kreuz hauen, das Beispiel zeigt aber: Facebook wird hauptsächlich als Sendekanal gesehen. Mit seiner Personenseite beweist Strache zwar, dass es auch ohne diese Kon-

Das Politometer misst seit Ende 2012 den Eindruck, den die Politsphäre im sozialen Web hinterlässt, nach einem Algorithmus, der Fans, Followers, Einkreisungen und Interaktionen auswertet. Neben einer Gesamtübersicht kann dort nach Parteien, Politikern, NGOs, Medien, Journalisten und Bürgern gefiltert werden. Auf thegap.at werden diese Entwicklungen wöchentlich im neuen Politometer-Blog beobachtet. www.politometer.at www.thegap.at/politometer 043

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ELEMENT häkchen

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politisches design — Identitäten von Parteien entwerfen

»Ein Logo ist demokratisch 044 ein Wahnsinn«

Text peter stuiber Bild team stronach, neos, piratenpartei

Stronach, Neos, Piraten – im Superwahljahr betreten neue politische Gruppierungen österreichweit die Bühne. Welches Design sich die Gruppen verpasst haben, verrät einiges. Was hat Design mit Politik zu tun? Mehr, als manchem lieb oder bewusst ist. Dass Wolfgang Schüssel einst als Kanzler die damals lächerliche Fliege gegen die seriöse Krawatte getauscht hat, war ebenso kein Zufall wie das absurde Möbel, das die schwarzblaue Koalition für das Pressefoyer nach dem Ministerrat anfertigen ließ: Ein Monstrum, ähnlich einer Schutzmauer, hinter der sich der kleine Kanzler mit seinem FPÖ-Vize (war es Gorbach oder Riess-Passer? Egal!) verschanzte. Am sichtbarsten ist das Wechselspiel von Design und Politik im grafischen Bereich, sei es auf Plakaten oder im Web. Allerdings finden nur wenige Beispiele Eingang in den Designkanon (das Erlöserporträt Barack Obamas war in jüngster Zeit die prominente Ausnahme). Das hat wohl damit zu tun, dass grafische Identität und Wahlwerbung der meisten Parteien so aufregend ist wie Waschmittelwerbung. Während die Regierungsparteien vor lauter staatsmännischer Inszenierung inklusive Wohlfühlfarben fast austauschbar geworden sind, setzt die FPÖ noch immer auf ihren bewährten, von Haider erfundenen Look: Der Schriftenmix auf den freiheitlichen Plakaten spiegelt jene Mixtur aus kruden Ideen, die für die größte Oppositionspartei typisch ist. Beim unbefleckten weißen Hemd von Strache & Gudenus (derzeit in Wien zu sehen) sind wir wieder beim Waschmittel. Und die Grünen? Sind sicherlich meist grafisch interessanter, sollen hier aber nicht das

Thema sein. Denn das Superwahljahr bringt nicht nur das Altbekannte, sondern gleich drei neue Wahlgruppierungen.

Ungreifbarer Fränk Beginnen wir also beim Hoffnungsträger Frank Stronach. Wie wird er inszeniert? Welches Image vermitteln seine Wahlplakate oder die Website des »Teams«? Die jüngsten Inserate (u. a. in der Kronen-Zeitung) zur Landtagswahl in Niederösterreich erinnerten gestalterisch ziemlich an die FPÖ, allein schon aufgrund ihres Schriftenwildwuchses und der vielen Botschaften (»Erwin Pröll! Sei ein Mann und kein Feigling! Trau Dich mit mir öffentlich über die Zukunft Niederösterreichs zu diskutieren! Vor der Wahl – nicht nach der Wahl. Darum Frank. Der Wirtschaftsmann mit sozialem Gewissen. Wahrheit – Transparenz – Fairness. Team Frank Stronach«). Beim Webauftritt schaut das Ganze schon wesentlich staatsmännischer aus, sofort lächelt einem die Hauptperson entgegen, im Hintergrund das unvermeidliche Rot-Weiß-Rot. Das erinnert natürlich sofort an SPÖ und ÖVP, wie Uta Rußmann anmerkt, Professorin für Strategisches Kommunikationsmanagement und Neue Medien an der FH Wien und Expertin für Onlinekommunikation in der Politik. »Die Website hat klare Linien, sieht professionell aus, aber als innovativ würde ich sie keinesfalls bezeichnen. Die meisten Leute würden sie sofort als Seite einer Partei erkennen, andererseits erinnert sie auch ein bisschen an eine Unter-

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FONT ALLER TYPO BOLD / LIGHT FOUNDRY DALTON MAAG, UK

ist Zeit, vieles diesem Land verändern. nehmensseite.« In Sachen Kommunikationsdesign sei es erstaunlich, dass hier das vielzitierte Web 2.0 nur in rudimentären Ansätzen zu erkennen sei: Mitdiskutieren und mitgestalten? Fehlanzeige. Ein ähnliches Bild ergibt sich auf Facebook. »Stronach hat zwar viele Freunde, es gibt viele, auch negative, Kommentare, aber die Diskussion wird vom Team selbst nicht aufgenommen.« Außerdem habe man beim Twitter-Auftritt das grafisch Mögliche bei Weitem nicht ausgeschöpft, um die Corporate Identity rüberzubringen. Vielleicht ist man bei der bunt zusammengewürfelten Truppe des Austrokanadiers mit Wichtigerem beschäftigt. Eine The Gap-Anfrage zum grafischen Auftritt blieb jedenfalls unbeantwortet.

s ist unsere Zeit. Der lange Weg zum Logo der Neos

Schade, denn es wäre interessant gewesen zu erfahren, warum man sich etwa keine eindeutige Parteifarbe zugelegt hat. Womit wir schon bei einem besonders heiklen Punkt sind, der jeden neuen politischen Mitbewerber betrifft: Die meisten Farben sind schon vergeben, die verbliebenen heikel. Bestes Beispiel ist das Pink der Neos. Dazu Stefan Friedl von der Agentur Qarante, der bei der grafischen Gestaltung federführend war: »Lila ist Piraten, Gelb ist liberal, viel ist nicht über. Wir sind klein und unbekannt, wir brauchen eine Farbe, die nach Aufmerksamkeit kreischt und noch nicht besetzt ist. Wir haben gefunden: Die Stimmen, die nur durch die Farbe verloren gehen, sind ohnehin nicht unsere Stimmen.« Intern dürfte die Diskussion um die Farbe durchaus heftig gewesen sein, die Sicht der Kritiker teilt auch Kommunikationsfachfrau Uta Rußmann: »Ich habe zwar keine wissenschaftlichen Studien dazu gemacht, aber Pink ist wohl nicht gerade die Farbe, die man mit politischer Seriosität verbindet, sondern – ob man will oder nicht – mit Mädchenspielzeug und dem rosa Schweinchen, das man ja auch auf der Facebook-Seite der Neos findet.« In der »Taskforce Kommunikation« der Neos wurde laut Designer Friedl auch anderes heftig diskutiert, so etwa der Parteiname oder das Logo. Letzteres sei zunächst rund und bunt gewesen, als Symbol für die »neu gebildete Gruppe aus verschiedenen Teilen der Gesellschaft«. Der darauf folgende Kompromissvorschlag sei – so der Grafikdesigner – »wirklich übel« gewesen. »Gleichzeitig fummelten alle an Logoentwürfen herum, alles was kam, war zu trendy, zu verschachtelt, zu bunt, zu filigran.« Schließlich brachte jemand die Variante mit dem »O« als

NEUE KÖPFE. NEUER STIL. NEUE POLITIK.

Sprechblase ins Spiel, und das war’s schließlich. Bis dahin sei es aber ein durchaus mühsamer Weg gewesen, so Friedl. »Ein Logo ist halt demokratisch ein Wahnsinn.«

Wasserwelt-Piraten Wenn dem so ist, dann haben möglicherweise auch die Piraten einiges durchmachen müssen, stehen sie doch für das, was bei den Grünen einst als Basisdemokratie »erfunden« wurde und von den Piraten als Liquid Democracy bezeichnet wird. Doch Christopher Clay, einer der fünf Bundesvorstände der Gruppierung, winkt ab: »Was die Piraten demokratisch festlegen, sind grundsätzliche Entscheidungen, nicht jede einzelne Kommunikationsmaßnahme. Bei den Piraten tragen viele, darunter auch professionelle Grafiker, zur Entwicklung des Auftrittes bei.« Logisch war die grafische Umsetzung von »nautischen Metaphern«, etwa Schiff und Sonne, kombiniert mit einer modernen Schrift, um Zukunftstauglichkeit zu untermauern. »Was wir auf jeden Fall vermeiden werden, ist ein Design, das sich auf Gesichter von Personen konzentriert. Die Piraten werden immer ihre Themen in den Mittelpunkt stellen, das ist einer der wesentlichen Unterschiede zu anderen Parteien«, so Clay. Auf der Website der Piraten findet man daher auch viel Text, aber keine Köpfe, dafür viel Violett – die Farbe, die schon die erste Piratenpartei in Schweden 2006 verwendet hat. Wohlgemerkt: Es gibt in anderen Ländern auch Abweichungen, die deutschen Piraten präsentieren sich in Orange, aber das ist in Österreich bekanntlich bereits besetzt. »Bei Piraten wie bei den Neos vermittelt sich mir auf der Website jedenfalls ein wenig der Eindruck des Selbstgestrickten«, meint Uta Rußmann. Immerhin würden zumindest die Piraten ihren Anspruch auf Partizipation glaubwürdig umsetzen, während man bei den Neos – ähnlich wie beim Team Stronach – gerade halt mal seine E-Mail hinterlassen könne. »Die Macht’s-mit-Attitüde setzen die Neos, im Unterschied zu den Piraten, zumindest im Web meines Erachtens nicht um.« Mit den immer wieder als Vorbild genommenen Obama-Kampagnen könnten sich die meisten politischen Gruppierungen im Übrigen ohnehin nicht messen, so Expertin Rußmann. Die Nutzung von Facebook, Twitter & Co habe in den USA einen anderen Stellenwert: »Da sitzen ganze Apparate dahinter. In Österreich gibt es dazu weder das Geld noch die Ressourcen.« 045

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Teresa Reiter

Buchhändlerin

der wortwechsel. vier personen zur frage:

Was bringt Kundenaktionismus?

Die gemeine Schwedenbombe der Firma Niemetz aus Wien fristete lange Zeit das Schicksal vieler liebgewonner Kindheitserinnerungen: Man gedachte ihr mit freundlicher Verklärung und freute sich, wenn man ihr einmal zufällig über den Weg lief. Nur regelmäßig gekauft hat sie zuletzt kaum jemand. Als das Traditionsprodukt dann vor dem Aus stand, brach eine Welle von Solidarität aus. Facebook-Gruppen fanden rasanten Zuwachs, Schwedenbomben-Flashmobs wurden organisiert. Ganz ähnlich verlief die Aufmerksamkeitskurve nach der Veröffentlichung einer Doku über Amazon. Nachdem bekannt wurde, dass der Internethändler seine Zeitarbeiter mit grotesk niedrigen Stundenlöhnen abspeiste und ihre Wohnanlagen von einer rechtsextremen Sicherheitsfirma bewachen ließ, lief das Internet vor Boykottaufrufen geradezu über. Aufrufe zum Boykott oder Solidaritätskauf einer bestimmten Ware sind nicht neu. Doch vor allem soziale Netzwerke haben sie dramatisch vereinfacht. Niemand braucht mehr komplizierte Petitionen zu lesen oder sich in ein Thema einzuarbeiten. Auf Facebook ist die Unmutsäußerung nur einen Klick entfernt und das Gewissen schnell beruhigt. Zwar kann niemand wirklich voraussagen, wann der Protest die kritische Schwelle überspringt und zum Shitstorm wird – Unternehmen fürchten sich trotzdem davor. Und doch wird man den Eindruck nicht los, dass die Vereinfachung des Protests auch gleichzeitig eine Verflachung bedeutet. In einer beschleunigten Mediengesellschaft ist die öffentliche Aufmerksamkeit schnell gewonnen, verlagert sich aber auch genauso schnell wieder auf andere Themen. Die Empörung über den Schweizer Konzern Nestlé oder die Facebook-Seite des Museumsquartier Wien hatten jeweils nur eine relativ kurze Halbwertszeit. Und ob die Schwedenbombe durch die Impulskäufe dauerhaft gerettet wurde, kann zum jetzigen Zeitpunkt auch niemand sagen. Was kann Kundenaktionismus bringen? Und wie könnte man ihn nachhaltig gestalten, damit es nicht bei Einmaleffekten bleibt? The Gap wird das Thema auf www.thegap.at weiter verfolgen.

dokumentation Jonas Vogt, Stefan Niederwieser text Jonas Vogt

Boykottiert dies, rettet das: In Zeiten sozialer Netzwerke erreichen uns zahlreiche Aufrufe zum Aktionismus mit der Geldbörse. Können wir damit nachhaltig etwas verändern, oder bleibt es zwangsläufig bei Einmaleffekten?

»Kunden wollen überzeugt werden« — Die Buchbranche wettert gegen den OnlineRiesen Amazon. Lauscht man dem feuerspeienden Buchhändler-Mob, ist Eigentümer Jeff Bezos das personifizierte Böse, der seine Angestellten ausbeutet, keine Steuern zahlt und den kleinen Buchhändler zu Staub zertrampelt. Nicht, dass das keine guten Gründe wären, den Konzern zu boykottieren, aber Robin-Hood-Attitüde mal beiseite, worum geht es hier eigentlich wirklich? In Wahrheit wären wir Buchhändler auch keine Amazon-Fans, wenn es sich dabei um einen Musterbetrieb handelte. Hier geht es nicht um moralische Überlegenheit, sondern um Geld. Amazon casht im großen Stil ab, während wir – die kleinen Buchhändler – einen weinerlichen Feldzug führen, der nicht zu gewinnen ist. Um Firmen wie Amazon einen fühlbaren Schaden zuzufügen, bräuchte es Boykotte ganz anderer Dimensionen. Doch diese zu erreichen erscheint unwahrscheinlich. Den meisten Leuten könnte es nämlich egaler nicht sein, wie viel der Packer verdient, der ihr Produkt in ein Kuvert steckt. Für Bequemlichkeit wirft der Mensch seine Prinzipien über den Haufen. Mit welchem Argument beschweren sich eigentlich Unternehmer, die ihre Geschäftsstrategie von vor 25 Jahren beibehalten haben, während die Welt sich mit jedem Augenblick ändert? Homepage – zu teuer. Facebook – brauchen wir nicht. Setzt sich eh nicht durch, dieses Internet. Kaufen ist wie wählen. Durch unser Konsumverhalten bestimmen wir die Welt, in der wir leben, mit. Wie Wähler wollen auch Kunden überzeugt werden. Dafür genügt es im Jahr 2013 nicht mehr, sich auf seiner Laden-um-die-Ecke-Romantik auszuruhen und auf seine älteren Rechte zu pochen. Die Frage ist nicht, ob Großkonzerne das Böse sind, sondern, was wir aktiv tun, um uns besser zu vernetzen und um dem Kunden zu vermitteln, dass wir die bessere Alternative sind. Ein »Amazon? Nein, danke«-Schild in der Auslage wird dafür jedenfalls nicht ausreichen.  Teresa Reiter, 24, ist Buchhändlerin und Gründerin von »Eine Zukunft für die kleinen Buchhandlungen«.

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Johanna Stögmüller

Journalistin

Petra Baumgartner

Neo-Facebook-Aktivistin

Nardo Vogt

»Kategorien jenseits des guten Geschmacks« — Es hat ja noch niemand behauptet, dass es einfach wäre, ein Individuum zu sein: Man ist Bürger, Konsument, Wähler, Leser, Kritiker, Nutzer, Genießer und Steuerzahler in einem. Und ob man es will oder nicht, man ist Bindeglied zwischen zwei – manchmal scheinbar wertblinden – Systemen: der Politik und der Wirtschaft. Kundenaktionismus und Konsumentenprotest liefern in diesem Handlungsdreieck aus Wirtschaftsethik (moralische Bewertung wirtschaftlicher Systeme), Unternehmensethik (Corporate Social Responsibility) und Konsumentnethik (Consumer Social Responsibility) den Beweis dafür, dass durch politisch sensibilisierte Verbraucher, die soziale Verantwortung leben, einer ausufernden Marktwirtschaft ein reales Korrektiv gegenübergestellt werden kann. Praise the New Economy! Dank der sinnstiftenden Funktion des Konsums über eine reine Befriedigung der Güternachfrage hinaus haben Konsumenten die Bedeutung ihrer Kaufkraft entdeckt. Vereinfacht könnte die Feststellung lauten: »Ihr könnt uns nicht auf der einen Seite versprechen, dass uns euer Produkt glücklich macht, wenn auf der anderen Seite Menschen leiden und Ressourcen ausgebeutet werden.« Das Konzept des Consumer Citizen muss, um längerfristig wirksam zu sein, von einer Verbraucherpolitik unterstützt werden, die das traditionelle Leitbild der Konsumentensouveränität, bei dem Eigennutzen und Gemeinwohl konkurrieren, verabschiedet und nachhaltigen Konsum durch Verbraucherbildung und Verbraucherschutz fördert. Denn: Zuerst muss der Konsument wissen, welche Rechte ihm zustehen. Dann kann er es auf Facebook posten. 

»40.000 Konsumenten werden nicht überhört« — Die Idee, eine Facebook-Seite zur Rettung der Schwedenbomben zu gründen, kam mir im Juli letzten Jahres nach Berichten über grobe wirtschaftliche Probleme der Firma Niemetz. Anfangs schlossen sich bis zu einem Flashmob im August ca. 1.800 Leute unserer Gruppe an, ein paar kleine Berichte in einigen Medien waren die Folge. Vor circa vier Wochen wurde im Rahmen der Hiobsbotschaft des Niemetz-Konkurses auch die (mediale) Erinnerung an die Existenz dieser Gruppe geweckt. Ein nie erwarteter Ansturm an Beitrittsanfragen setzte ein. Der wiederum war wohl die Folge einer gegenseitigen Aufschaukelung von Berichten über unsere Initiative, gefolgt von neuen Rekordmitgliedszahlen, über die wieder in diversen Medien berichtet wurde usw. Dieser Effekt wäre wohl kaum möglich und vorstellbar gewesen ohne ein Produkt, das so die Herzen der Menschen berührt wie es offensichtlich bei den Schwedenbomben der Fall war und ist. Gute Erinnerungen an die eigene Vergangenheit triggern starke Emotionen, und die sind wohl notwendig, um (viele) Menschen zu mobilisieren. Die gemachten Erfahrungen zeigen, dass unter diesen Vorzeichen den virtuellen Fakten sehr rasch ganz reale Konsequenzen folgen können (Verdreifachung des Umsatzes, Einbruch der Konkurrenz). Die geeinte Stimme und das Engagement von mehr als 40.000 Konsumenten wurde nicht überhört und hat folgend bewirkt, dass die Firma Niemetz – oder das was noch von ihr über ist – wieder einiges an Wert gewonnen hat, für mögliche Investoren attraktiv und so die Wahrscheinlichkeit eines Fortbestehens unserer bombigen, süßen Köstlichkeit um einiges wahrscheinlicher geworden ist. Letzteres sehe ich auch als den nachhaltigsten Erfolg unserer Gruppe. 

»Lovestorm, Shitstorm, Mystorm« — Für einen Community-Manager sind es Momente der Panik. Ein Beitrag von einem User bekommt auf einen Schlag mehr als 30 Likes innerhalb wenigen Minuten, oder ein Thema wird mehrmals im eigenen Stream geteilt. Meist ist es negativ. Positiv überrascht zu werden, das passiert eher selten. Warum auch? Menschen schimpfen lieber, als Wildfremden Komplimente zu machen. Und: Es ist ja irgendwie selbstverständlich, dass ein Unternehmen seinen Job macht. Egal, wo es auftritt. Und das muss man auch mal loswerden. Vor allem auf die Großen, auf die kann man ja sowieso draufhauen. Die haben das Geld, die haben die Mittel, die können das aushalten, und wenn der Druck wächst, ändert sich vielleicht auch was. Schließlich sind die Medien mittlerweile auch auf das Thema Shitstorm eingeschossen (übrigens ein Begriff aus Deutschland – Englisch sprechende Personen schauen immer verdutzt, wenn der Begriff fällt). Für viele Unternehmen ist das auch ein Grund, nicht in Social Media mitzumischen. Wie man aber am Beispiel der Schwedenbomben sieht: Die Leute reden über einen, ob man nun da ist oder nicht. Gibt das Fans, Followern oder Usern nun mehr Macht über ein Unternehmen? Ja, aber es hängt vom jeweiligen Fall ab. Manche Unternehmen können mit einem frechen Spruch einen Shitstorm schnell aufhalten, vielleicht für sich gewinnen. Andere wiederum sind zu klein, damit eine Beschwerde eine kritische Masse erreicht – sie verpufft also »wirkungslos«. Es soll sogar Unternehmen geben, die Shitstorms als Marketing-Gag aufbauen und selbst auslösen. In vielen Fällen endet eine solche Aktion eher in einer Peinlichkeit. Für Unternehmen gilt daher: Ruhe bewahren. Nicht nur während eines Shitstorms, sondern immer. Gut vorbereitet sein, cool reagieren, Anschuldigungen hinterfragen, prüfen und Lob dankend entgegen nehmen – vielleicht kommt ja doch mal etwas Positives dabei heraus. 

» Zuerst muss der Konsument wissen, welche Rechte ihm zustehen. Dann kann er es auf Facebook posten.« (Johanna Stögmüller)

Johanna Stögmüller, 29, ist Chefredakteurin von Biorama – Magazin für nachhaltigen Lebensstil.

Petra Baumgartner, 36, ist Gründerin der Facebook-Gruppe »Rettet die Niemetz Schwedenbomben«. Hauptberuflich ist sie als Notärztin in Graz tätig und außerdem leidenschaftliche Musikerin.

Social Media Chief Editor

Nardo Vogt ist als Chief Editor Social Media bei Ambuzzador tätig. Er leitet seit 2011 das Social Media-Redaktionsteam. Er studierte an den Universitäten Erlangen und Wien Kommunikations- und Politikwissenschaft. 047

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bild Arnold Pรถschl dokumentation stefan kluger

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Workstation — MENSCHEN AM ARBEITSPLATZ

Christoph Abel, 35, Barbara Steiner, 27, Alpenpendler

Architekt ist sein absoluter Traumberuf, der Weg dorthin geschah aber auf Umwegen. Weil Christoph Abel in ländlicher Umgebung aufwuchs und dort nicht länger Buchungssätze in der HAK verschieben wollte, begann er seinen zweiten Bildungsweg: Maurerlehre und Karriere am Bau. Danach studierte er Architektur und gründete zusammen mit Barbara Steiner Alpenpendler. Die Vielfältigkeit der Aufgaben, gepaart mit all den erforderlichen individuellen Lösungen beschäftigt sie nicht selten bis spät abends. »Wir entwerfen einen Hocker, im nächsten Moment diskutieren wir über eine Messingfassade.« Ähm, da müsste man wohl einfach mal dabei sein, um dieser Faszination habhaft zu werden. Neue Inspiration schöpfen die beiden beim Pendeln über die Alpen: »Eine fünfstündige Zugfahrt gibt ein großes Spektrum von Österreich wieder.« Und so nebenbei entspannt sie das, wenn sie fertige Räume wie Wörthersee-, Alpen- und Vierkanterarchitektur an ihren Augen vorbeiziehen sehen.

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Workstation — MENSCHEN AM ARBEITSPLATZ

Patrick Vogel, 30, lyrischer Tenor

Es begann in einer Bar. Vor sieben Jahren machte Patrick Vogel dort eine folgenschwere Bekanntschaft mit seinem ersten Gesangslehrer. Ursprünglich wollte er ja Schauspieler werden, als Tenor hat er es jetzt auch so auf die Bühne geschafft. Vogel schätzt das Privileg seiner Tätigkeit, mit Musik Geld zu machen und dabei auf interessante Menschen zu treffen. Auch wenn es bei so vielen Persönlichkeiten im Theater schon mal knallen könne. Als professioneller Sänger sehnt er sich manchmal danach, seine Arbeit im Büro lassen zu können, wie bei einem Allerweltsberuf. Aber Fehlanzeige: »Es ist eben ein Herzblutjob.« Weil er und seine Kollegen ständig in der Diaspora leben, müssen sie manchmal über Skype in Kontakt bleiben. »Fragen Sie mal einen von uns, wo sein Zuhause ist.« Das klingt natürlich heimatlos, aber auch nach großer, weiter Welt. Wenn Patrick Vogel dann nicht gerade vagabundierend an J.S. Bachs Matthäuspassion übt, bastelt er an seinem VW Golf herum: »Ein Überbleibsel aus meiner Zeit als Mechaniker.«

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Prosa von Wolfgang Pollanz

der schriftsteller, publizist und musiker wolfgang pollanz hat für sein neues buch hoch subjektiv 33 musikalische kleinode der populärkultur zusammengetragen. beim nachdenken über pop und die welt schweift man zwangsläufig ab, wenn über kate bushs hommage an den sexualforscher und physiker wilhelm reich sinniert wird.

Der Regenmacher

k ate bush » c lo u d b u sting« (1985) ————— Um es gleich vorweg zu sagen: Es gibt sehr viele Songs, in deren Titel Regen, Sonnenschein oder der Wind eine Rolle spielen, doch handeln die meisten davon nicht wirklich vom Wetter; ob es jetzt um »Sunshine Of Your Love« geht, um »Riders On The Storm« oder um den »Misty Mountain Hop«, keiner, und da könnte man jetzt unzählige anführen, handelt wirklich von klimatischen Bedingungen. Regen, Sonne, Nebel, Wind und Stürme stehen in den Songtexten meist für Gefühlszustände, sind Bilder, keine Wetterberichte. In dem Song aber, den ich hier ausgesucht habe, geht es weder metaphorisch um Sinnesempfindungen, noch um Wetterzustände, auch nicht um das ewige Lamentieren wegen dem Wetter. Denn, so scheint es meist zu sein, nicht nur in den Songs, auch im realen Leben ist es immer entweder zu heiß, zu kalt, zu nass, zu trocken, regnet es ununterbrochen und man wird depressiv, und hat man einmal die Sonne im Herzen und lässt einen die laue Frühlingsluft glücklich sein, hat man gleich wieder Angst, dass dieser perfekte Zustand wie leider alles im Leben kein unendlicher ist. Nein, in diesem Song geht es um den Traum der Menschheit schlechthin, nämlich

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um die Beeinflussung des Wetters, um das Wettermachen. Und genau deswegen ist er perfekt, um über das Thema zu schreiben, deswegen habe ich ihn ausgesucht, auch wenn er nicht mein Lieblingssong von Kate Bush ist. Das ist eindeutig »Wuthering Heights«, der ja auch irgendwie das Wetter im Titel hat. Erst 2011 hat die Sängerin ein ganzes Album veröffentlicht, in dem es um Schnee geht. Im Titel gebenden Stück »50 Words for Snow« werden etwa fünfzig Synonyme für das Wort »Snow« rezitiert, und zwar vom englischen Schriftsteller und Schauspieler Stephen Fry, in einem Stück, das ein wenig an die Arbeiten Laurie Andersons erinnert. Gleich die erste Zeile im ersten Song des Albums aber weist die Richtung: »I was born in a cloud … now I am falling«. Es ist eine Musik der Stille, die vergeblich ankämpft gegen den Lärm der Welt, verurteilt ist zum Schmelzen. Auch im Song »Cloudbusting« wird gleich zu Beginn die Fährte gelegt: »I still dream of Orgonon«. Orgonon war seit 1942 das Refugium des österreichischen Psychoanalytikers und Sexualforschers Wilhelm Reich, der neben seinen Orgasmustheorien und Arbeiten über Triebunterdrückung sich unter anderem auch mit Biologie, Mikrobiologie und Paraphysik beschäftigte. Dabei postulierte er eine neue Art von kosmischer Energie, die er als Orgon bezeichnete. In sei-

nem Labor im amerikanischen Bundesstaat Maine baute er Apparaturen, die diese Energie verstärken sollten, um Menschen von Gefühlskälte, Impotenz und Krebs zu heilen, und eine weitere, die er Cloudbuster nannte. Dieses Gerät kann man sich in der Funktion wie einen Blitzableiter vorstellen, es sollte der Atmosphäre Orgon-Energie entziehen und dadurch die Entstehung von Wolken und Regen verursachen, ein Versuch, der ihm, engagiert von Farmern, 1953 angeblich wirklich gelungen ist. All diese Aktivitäten wurden über Jahre hinweg argwöhnisch von der FDA, der Food and Drug Administration, einer Abteilung des Gesundheitsministeriums der USA, beobachtet. 1955 wurden die Orgon-Akkumulatoren, von denen Reich mehrere hundert hergestellt und verkauft hatte, von einem Gericht verboten und alle Bücher Reichs zu Propagandaschriften für die Orgon-Energie erklärt. Die FDA bestand daraufhin auf der völligen Vernichtung aller Apparaturen und aller Bücher, in denen der Begriff Orgon vorkam. Weil er in den amerikanischen Ausgaben seiner psychoanalytischen Schriften aus der Zwischenkriegszeit auf seine neueste Entdeckung hinwies, zählten dazu etwa auch seine Bücher »Die sexuelle Revolution« oder »Die Massenpsychologie des Faschismus«. Am 23. August 1956 wurden daraufhin in einer öffentlichen Verbrennungsanlage in New York sechs

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Tonnen von Büchern, Zeitschriften und Manuskripten verbrannt. Weil Reich gegen eine gerichtliche Verfügung verstoßen hatte, die es ihm verbat, Orgon-Akkumulatoren über eine Bundesstaatengrenze zu bringen, wurde er sogar zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, wo er am 3. November 1957 starb. Aber was hatten die amerikanische Regierung und christlichen Moralapostel in den USA so sehr gegen den in Österreich-Ungarn geborenen Reich aufgebracht? Es waren wohl eher seine sexualpolitischen Schriften wie »Die Funktion des Orgasmus« und seine ehemalige Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei Österreichs als seine Experimente mit der Orgon-Energie, die man wohl nur vorgeschoben hatte, um einen unbequemen Denker und Kritiker loszuwerden, den man leicht für verrückt erklären konnte. Schon in seiner Auseinandersetzung mit Sigmund Freud war Reich als Verlierer hervorgegangen. Der deutsche Philosoph und Schriftsteller Bernd A. Laska hat im Übrigen darauf hingewiesen, dass es drei ähnliche Denker in der Geschichte der Philosophie gibt, deren Ideen von anderen zurückgedrängt und damit marginalisiert wurden. Zum einen Wilhelm Reich, daneben im 18. Jahrhundert der Aufklärer Julien Offray de la Mettrie, dessen Ideen völlig von Voltaire und Rousseau verdrängt wurden, sowie im 19. Jahrhundert die des Philosophen Max Stirner durch Marx und Nietzsche. Auch von La Mettrie wurden 1746 zwei Schriften auf gerichtlichen Beschluss hin verbrannt. Kate Bushs Song beruht auf dem Erinnerungsbuch »A Book of Dreams« von Wilhelm Reichs Sohn Peter, im dazugehörigen Video, in dem kein Geringerer als Terry Gilliam Regie führte, der kanadische Schauspieler Donald Sutherland Reich und Kate Bush dessen Sohn darstellt, kann man in einer Szene sehen, wie als Hinweis und Referenz die englische Ausgabe des Buches vom Film-Sohn aus der Tasche des Film-Vaters hervorgezogen wird. Natürlich ist die Geschichte stark verkürzt, es mussten ja das Regenmachen, der Cloudbuster und die FDAAgenten vorkommen, aber der fast siebenminütige Film ist aufwendig produziert und wurde 1985 in England sogar in den Kinos im Vorprogramm gezeigt. »And every time it rains / You’re here in my head / Like the sun coming out«, heißt es in einer Strophe, »Daddy always knew what people were doing and what they were thinking« in Peter Reichs Buch. Selbst wenn die Wissenschaft sich weigert, die Orgon-Theorie auch nur in Betracht zu ziehen und sie als pseudowissenschaftlich denunziert, sein Sohn und mit ihm eine Reihe von illustren Menschen glauben daran: Sean Connery, Allen Ginsberg, Jack Kerouac und J.D Salinger haben OrgonAkkumulatoren ausprobiert, Patti Smith hat ebenso einen Song über Reich geschrieben wie Robert Anton Wilson sein Theaterstück »Wilhelm Reich in Hell«; darin treten auch noch Marilyn Monroe und Uncle Sam persönlich auf. Das Wettermachen war nicht Reichs wichtigste wissenschaftliche Intention, aber

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die Vorstellung, das Wetter beeinflussen zu können, hat die Menschen wohl schon immer fasziniert. Das Wolkenimpfen ist dabei eine der ältesten modernen Techniken, die seit Jahrzehnten etwa im Kampf gegen Hagelunwetter eingesetzt werden. Es hat schon etwas Poetisches, wenn die winzigen, filigran wirkenden einmotorigen Flugzeuge der Hagelabwehr in meiner südösterreichischen Heimat anfliegen gegen die dunklen Wolkentürme von Sommergewittern. In meiner Kindheit wusste man, wenn sich der Himmel in einem seltsam gelblichen Licht färbte, dass man dann mit Hagel rechnen konnte, erlebt habe ich dabei schon alles von feinen Körnern bis zu wahren Geschossen in der Größe von Tischtennisbällen. Seit von der Hagelabwehr ein SilberiodidAceton-Gemisch in die Wolken gesprüht wird, verfärbt sich der Himmel noch immer, aber der Hagel bleibt meist aus oder ist stark abgeschwächt. Die Chinesen betreiben das Wolkenimpfen im großen Stil, tausende von Artilleriekanonen und Raketenwerfer sind dort ständig im Einsatz, um Regen in Gegenden zu erzeugen, wo Wasser fehlt. 2008, bei den Olympischen Spielen in Peking, wollte man genau das Gegenteil erreichen. Um die Inszenierung perfekt zu machen, verwendete man Cloudbuster, um heranziehende Wolken zum Abregnen zu bringen bevor sie Peking erreichten. Das alles ist nur auf lokales Wetter beschränkt. Geoengineering hingegen befasst sich mit den Möglichkeiten auf das Klima Einfluss zu nehmen. Eine erschreckende Vorstellung eigentlich, ist doch in der Geschichte der Menschheit kaum eine Erfindung nicht für kriegerische Zwecke eingesetzt worden. Unter den Verschwörungstheoretikern steht weltweit das mysteriöse HAARP im Verdacht, für seltsame Wetterphänomene und Unwetter zuständig zu sein. HAARP steht für High Frequency Active Auroral Research Program, die Anlage befindet sich in einem abgelegenen Gebiet Alaskas. In diversen Internetforen wird es immer wieder als Geheimprojekt bezeichnet und in Zusammenhang gebracht mit Erdbeben, Überschwemmungen und Vulkanausbrüchen, überhaupt mit der Beeinflussung der Atmosphäre und des Wetters. Das schwere Erdbeben in Haiti etwa geriet in gewissen Kreisen in den Verdacht, von Alaska aus ausgelöst worden zu sein. Noch skurriler ist allerdings die Theorie von den Chemtrails. Bestimmte Kondensstreifen von Flugzeugen seien, so heißt es, mit geheimnisvollen Chemikalien versetzt und dienten dem Climate Engineering, militärischen Zwecken oder gar der Bevölkerungsreduktion. 2007 stellten Abgeordnete der Freiheitlichen Partei im österreichischen Parlament eine Anfrage diesbezüglich, in MecklenburgVorpommern war es die NPD, die der Regierung auf diese Weise Wettermanipulationen nachweisen wollte. Menschen vom äußerst rechten politischen Rand sind, so scheint es, offensichtlich ganz besondern anfällig für solche Theorien. Wilhelm Reich oder Kate Bushs Song werden ihnen wahrscheinlich  gar nichts sagen.

Ad Personam: Wolfgang Pollanz Wolfgang Pollanz (1954) lebt im steirischen Wies. Von dort aus verlegt er seit mehr als 35 Jahren die Literaturzeitschrift Sterz. 1989 gründete er den Verlag Kürbis und seit 1998 betreibt er auch das CD-Label Pumpkin Records. In seinem neuen Buch »33 Songs« (Edition Keiper) widmet er sich völlig der Popmusik. Das haben vor ihm auch schon einige getan, doch selten hat man so intensiv gespürt, wie sich zwischen Lebens- und Lieblingsliedern die Welt abspielt. Manfred Gram

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Kolumne Blow-up: Film in Österreich von Gunnar Landsgesell

MELANCHOLIA

THE MASTER

Das mächtige Gebrüll   Was das Box Office zum kulturellen Erbe beiträgt. Und wem das Geld aus Förderungen zusteht.

H

as Hollywood murdered the movies?« fragte der US-Filmkritiker David Denby letztes Jahr im Politikmagazin The New Republic (das sich nach seiner Neocon-Schlagseite wieder liberaler positioniert). Die Sorge, die David Denby formuliert, gilt nicht dem finanziellen Wohl der Filmbranche. Mit immer noch zumindest 30 Millionen Kinobesuchern wöchentlich lässt sich am US-Heimmarkt allein gutes Geld verdienen. Film primär als Geschäft gesehen ist es, was Denby problematisiert. Die Studios, hinter denen wiederum großteils multinationale Mischkonzerne stehen, werden aus Denbys Sicht zu »Mördern« der Kreativität und Pluralität im Kino. Ausdruckslose Filme und Aufmerksamkeitshype schließen dabei eine unheimliche Allianz. Statt Narrative zu entgrenzen, filmische Erfahrungen zu schärfen, dem kulturellen Gedächtnis etwas hinzuzufügen, werden Filme konzipiert, deren Eindruck beim Zuschauer sich schon kurz nach dem Kinobesuch zerstäubt hat. War da was? »Film ist …« – um hier Gustav Deutschs Kinozyklus antithetisch mit Denbys Worten kurzzuschließen – »die sinnlose Wiederholung von Filmen, die mit einem

mächtigen Gebrüll von Publicity angeschwemmt werden und ein paar Wochen später mit Semi-Indifferenz abflauen. The Green Hornet? The Green Lantern? Habe ich wirklich beide gesehen?« Folgt man Denby, kann die Sorge um das Kino nicht von primär finanziellen Belangen angeleitet sein. Damit würde an dessen langsamer Abschaffung gearbeitet. Ihr Trägermedium wären symbolhaft die Multiplex-Komfortkinos, die Home Cinemas, beide technisch ausgefeilt, die ständig »neu geladen« werden müssen, weil sie den Betrachter nicht befeuern. Natürlich gibt es in den USA keinen geförderten Film, Europa ist aus dieser Perspektive tatsächlich »kommunistisch«, wie ExGouvernator Schwarzenegger einmal über die höhere staatliche Verteilungspräsenz urteilte. Das schützt aber auch bekannte Regisseure nicht davor, oft drei, fünf, sieben Jahre lang auf die Finanziers für den nächsten Film zu warten. Aus Denbys Sicht liegt das daran, dass die Kohle eben für formelhafte Filme gebunden ist. So entstünden immer neue Variationen der gleichen, erfolgsversprechenden Geschichten. Jene, die tatsächlich Erfolg bringen, legitimieren diese Kreisläufe und stärken die Ausgrenzung von alternativen Formen, oder wie immer man Filme wie »The Master« von Paul Thomas Anderson oder Kelly Reichardts »Meek’s Cutoff«, die neben dem Studiosystem entstehen, bezeichnen will. Aber auch in Europa bestimmt die Suche nach kommerziellen Erfolgen trotz staatlicher Filmförderung das Ringen um Mittel mit eher kleinen, randständigen, kreativen Formen. Wem steht das Geld zu? Jenen Produktionen, die ein großes

Publikum versprechen? Oder jenen, die eher kleine, qualifizierte Öffentlichkeiten herstellen? Selbst wenn die Förderer Druck verspüren sollten – im Sinn des »mächtigen Gebrülls«, wie Denby meint –, haben sie doch die Aufgabe, ein ausgewogenes Filmschaffen zu ermöglichen. Dass der Marktanteil nationaler Produktionen daheim (in Österreich ist er einstellig) allerdings finanzielle, nicht aber filmkulturelle Signifikanz hat, wird deutlich, wenn man auf das viel gerühmte dänische Filmmodell blickt. Bei 17 Prozent Marktanteil ruft man dort bereits Krise! Dänische Filme erreichen nicht selten bis zu 500.000 Kinobesucher. Welche Heimmacht – das allerdings mit Komödien, Komödien und abermals Komödien. In einer hat die Mutter mit dem Sohn lustige Probleme (»Max Embarrassing 2«), in einer anderen die Mutter mit der Tochter (»Frit fald«). Was wäre verloren, wenn es diese Art der Top-Scorer nicht gäbe? Nicht viel. Auch in Österreich würde es nicht weiter auffallen. Im Fall von Lars von Trier dagegen schon, hat er doch eine universelle und unverwechselbare Filmsprache entwickelt. Dabei hatte er jüngst mit »Melancholia« am Heimmarkt gerade einmal 60.000 Besucher. Krise?

Gunnar Landsgesell landsgesell@thegap.at

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Subtile Sexiness Suuns sind verstörend. Sie produzieren mit ihrer Musik seltsam deformierte Bilder, von denen man sich schwer abwenden kann und bestätigen damit erneut die Faszination des Devianten.

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BILD Joseph Yarmush

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Das war schon bei »Zeroes QC«, dem Debütalbum des kanadischen Quartetts ähnlich, das trotz teilweise spürbaren Hypes weitgehend unterschätzt blieb. »Images Du Futur« wirkt zwar weniger statisch und ungemütlich, wird aber nach wie vor am besten kalt und finster serviert. Wenn schon Licht, dann bitte abrupt blinkende Leuchtstoffröhren, wie in ihren Videos. Suuns sind nämlich immer noch viel zu cool für den Rest der Welt und dabei so unverschämt sexy wie sämtliche musikalische Anti-Helden der 90er. So, als würden sie gar nicht wissen, dass das so ist. Dieser aufregende Doppelstandard fängt schon beim Opener »Powers Of Ten« an. Industrial-Geschrammel, gebrochen von mit bissiger Wut aufgeladenem Gemurmel, bei dem man so gut wie kein Wort versteht. Aggressiv, progressiv, expressiv – es klingt ein bisschen nach den Kills, nur absonderlicher und verquerer. »2020« führt die entstandene heißkalte Atmosphäre ungebrochen weiter – schräge, fast lächerlich simple Gitarrenanschläge auf einem brodelnden Bassvulkan, die Vocals scheinen diesmal irgendwie sehnsüchtig. Man wartet angespannt auf den angedeuteten Ausbruch, der immer wieder nur mit der gebremsten Wucht von straighten Drums kommt. »Minor Work« gewährt endlich – ja, bereits nach zwei Songs – Entspannung. So geht es auch weiter: Suuns verzahnen Space-Rock mit einer vollen Packung psychedelischem Retro-Future-Charme, die sie im Kern durch reichlich Weirdness und Spannung anreichern. Fad wird einem jedenfalls nicht bei diesem ewigen Heiß und Kalt, das Suuns dem Hörer ganz bewusst zumuten. Die Songs werden, je abweichender, absurder und schiefer, desto besser. Der psychotische Dance-Track »Bambi« ist definitiv eine der ganz großen Nummern auf »Images Du Futur«, wirkt er doch herrlich anziehend in seiner geisterhaften Verschrobenheit. Genauso, wie der Abschluss mit dem sehr bizarren »Music Won’t Save You« – auch inhaltlich ein großartiges Statement. So blicken die Suuns mit den Augen der 60er und 70er in Richtung Zukunft. Unzeitgemäß und groß! 08/10 Nicole Schöndorfer 057

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Clara Luzia We Are Fish (Asinella)

m u si k

Fidlar Fidlar (Wichita / Pias)

Grätenreich

Nasenbluten

Greenpeace, Umweltschutz und die eigene Doppelmoral. Vorzeige-Liedermacherin Clara Luzia macht jetzt laute Hippie-Poesie abseits vom Lagerfeuer und nicht mehr so nah am Wasser.

Kaum lässt man den (Surf)-Rock aus den Augen, kommt so etwas daher. Fidlar haben da eine Platte ausgerotzt, die alles Unheilige feiert. Bis auf Satan, obwohl der sicher auch irgendwie seine Finger im Spiel hatte.

Clara Luzia Humpel zeigte bereits beim zerbrechlichschönen Vorgängeralbum »Falling Into Place«, dass sie kein Wässerchen trüben kann, trotz der persönlich schwierigen Zeit, wie sie in der Dokumentation »Oh Yeah, She Performs!« schildert. Das neue »We Are Fish« hingegen fühlt sich mit seinen elektrischen statt akustischen Akkorden an wie ein Sprung ins kalte Wasser. Für die Fisch ist das Album aber trotzdem ganz und gar nicht (aufgelegte Redewendung aus). Im Titelsong singt Clara Luzia tatsächlich verärgert über die Wasserverschmutzung. Da wirkt der Pathos des Faktischen, der aber mit den Songs selbst rückkoppelt. Man kann also mit der politischen Message motiviert mitgehen oder nicht, der Song mit der übermächtigen Drum-Coda am Ende steht ihr ausgesprochen gut. »A Presentiment« handelt von bösen Vorahnungen und der eigenen Vergänglichkeit und steht auch instrumental erfreulicherweise ganz im gewohnt unprätentiös-charmanten Zeichen der Humpel’schen Popmusik. Warum als erste Singleauskopplung »No One’s Watching« ausgewählt wurde, scheint hingegen weniger selbstverständlich. Vielleicht als Vorwarnung? Um die große Wandlung weg von leisem Folk hin zu verzerrtem Rock zu demonstrieren? Clara Luzia wurde nämlich ihre eigene Musik zu fad. Sie wollte mehr Lautstärke. Die musikalisch kraftvolleren Stücke bleiben paradoxerweise allerdings die faderen. Sobald es jedoch wieder poppiger wird (»Monster In You« oder »The Fall«) und Clara Luzia wieder diese beinah brüchige Wandelbarkeit ihrer Stimme zeigt, die einen immer so schön melancholisch gestimmt hat, ist alles wieder gut. Okay, die Veränderung des Sounds war wahrscheinlich notwendig und überfällig für die Musikerin selbst, aber trotzdem: Clara Luzia klingt immer noch am besten, wenn sie zärtlich-melodiös Höhen und Tiefen des Lebens reflektiert und dabei ganz – ’tschuldigung – mädchenhaft klingt. 06/10 Nicole Schöndorfer

Na gut, es hört sich nicht unbedingt nach Surf-Rock an, aber wen interessiert das schon. Die letzte nennenswerte Surf-Platte, die in breitere Indie-Gefilde vorgedrungen ist, hat schon ein paar Jahre auf dem Buckel – ich denke da an Surfer Blood – und die Black Lips werden auf ihre alten Tage auch weich (siehe letzte Platte). Eine Leere tut sich auf. Auftritt Fidlar. Blutjung, betrunken und mit einigen Riffs im Gepäck, die zwar zeitlos wirken, im Prinzip aber nur aus sehr gutem Recycling-Material bestehen. Macht nix. Fidlar steht für »Fuck it dog, life’s a risk«, und genau so hört sich das an. Die Vier aus L.A. greifen für ihr Debüt in alle Schubladen, die Spaß bedeuten – außer Elektronik. Raus kommt dabei ein rauer Mix aus harten Gitarren, vielen Ahs und Ohs und einem guten Sinn für Selbstironie. Langweilig wird es einem dabei nie. Gibt es ein Thema, das man dem Album unterstellen kann, ist es der Exzess. Wenn es nicht gerade um Bier und Koks geht, dann gröhlen sie von ihren »scheiß Freunden«, der Ex-Freundin – jetzt aber Hure – und wie wasted sie nicht sind. Hört sich abgedroschen an, wirkt aber erstaunlich frisch und vor allem nicht aufgezwungen – vielleicht, weil das komplette Jahrzehnt davor schmuddelige Bands meistens doch nur mit Werbung Geld machen wollten. Für die Unbeschwertheit sorgen Riffs, die das machen, wozu diese Musik am besten taugt: schnell ins Ohr und Bein gehen. Das Manko: Man muss in der Stimmung für die Musik sein. Hier gibt es nur Vollgas. Die eine oder andere langsamere Nummer hätte nicht geschadet. »Paycheck« geht am ehesten in diese Richtung und stampft gemächlich dahin, bis es sich am Schluss nicht mehr zusammenreißen kann und ebenfalls ausbricht. »Five to Nine« tanzt davor aber noch kurz mit seinem amerikanischen Punk-Rock aus der Reihe. Sowas muss nicht sein. Das Album lässt sich getrost mit »Musik, zu der man sich gerne die Nase bricht« beschreiben. Was man natürlich nur empfehlen kann. 08/10 Benjamin Agostini

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Ghost Capsules Ghost Capsules (O*Solo Recordings)

Marschkapelle für Clubs auf LSD

BILD Sarah Haas, Owen Richards, O*Solo Recordings

Kapseln für die Zeit zwischen Rausch und Kater: Ghost Capsules aus Wien machen dunklen Elektropop – beruhigend tanzbar. 2013 ist ein produktives Jahr für Tim Simenon aka Bomb The Bass, seines Zeichens schon als Aushängeschild von Acid House 1988 am Cover des NME. Gerade hat er sein Label O*Solo Recordings aus dem Boden gestampft. Neben den Releases von Ghost Capsules soll dort 2013 auch Neues von Bomb The Bass veröffentlicht werden. Simenon ist Zugpferd und Kuppler des Wiener Elektro-Vierers Ghost Capsules. Der Workaholic und Wunderwuzzi teilt sich dabei das Podest mit Georg Lichtenauer, der selbst als Mister Valesta äußerst umtriebig und in der Wiener Elektroniklandschaft kein Unbekannter ist. Bei einem Konzert in Wien haben Valesta – langjährig aufstrebende Band aus dem FM4-Abstellgleis namens Soundpark – Bomb The Bass supportet. Daraus entstanden die Ghost Capsules. Simenon verlegte seinen Lebenswohnsitz von Amsterdam nach Wien; rekrutierte neben Lichtenauer auch den Valesta-Drummer Roman Lugmayr und die Sängerin Laura Gomez. 2011 wurden erstmals kleine Vorboten und Soundbites gestreut, so steuerten »Ghost Capsules aka Bomb The Bass« noch weit vor dem offiziellen »Death of Bunny Lake« einen Remix für deren Single »Follow The Sun bei«. Die Klangwelt ist ein slicker, dumpf pulsierender Elektrosumpf, zeitlich irgendwo zwischen Afterparty und Morgengrauen. Nach dem Rausch, aber noch vor dem bitteren Erwachen und dem filzigen Geschmack. Getrieben wird das Elektropop-Gemenge von Laura Gomez’ seufzenden Schlafzimmer-Vocals, einer pulsierenden HerzschlagKickdrum und organisch wabernden Synthesizergewächsen. Ghost Capsules ist ein unaufhaltsamer Trip – wie eine Marschkapelle auf LSD pumpt sich die Platte durch die Nacht; funktioniert im Wohnzimmer genauso gut wie in einem kleinen, schwitzigen Klub. Bei ihnen kommen Simenons Erfahrungsreichtum an den Reglern mit einem Gespür für gegenwärtige Clubatmosphäre zusammen. Wogegen diese Geisterkapseln eigentlich helfen, ist unbekannt. Dass sie aber helfen, wird beim Hören sehr deutlich. 07/10 Martin Riedl

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HVOB Hervoiceoverboys (Stil vor Talent)

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Lapalux Nostalchic (Brainfeeder)

Pratersonne

Das bisschen Extra

HVOB gehen mit enormen Vorschusslorbeeren erstmals auf Albumlänge. Dafür fehlt zwar noch der Atem, das Können – packende Nokturnen für den Club zu schreiben, definitiv nicht.

Lapalux’ Debüt bietet sonnigen Chillwave. Dabei macht er überall mehr als Dienst nach Vorschrift. Das hebt ihn von anderen ab.

Es passiert selten, dass ein neuer Act mit nur zwei Songs zweimal in den De:Bug-Jahrescharts einschlägt. Der ganze Trubel rund um HVOB ist erfreulich genug. Aber bevor hier der Hype nachgezündet wird, bleiben wir doch vorerst beim Wesentlichen, der Musik. Das Wiener Duo HVOB macht Maschinenfunk, versetzt Synapsen in Elan. Ihren Klang haben sie leer geräumt, in die sture Wiederholung denkt der Körper mehr hinein als da ist, Groove vor allem. Oft treffen sich über der geraden Bassdrum nur Klavier, Stimme und eine kühle Melodie. Dabei drängt sich die Stimme nie in den Vordergrund, bleibt nur Textur und Fragment. Dazu lassen HVOB hin und wieder kleine Glocken, Marimbas oder einen Synth klöppeln, verdichten, filtern, bauen behutsam auf, ab, wieder auf. Richtig Wucht kriegt HVOB dabei durch formvollendeten Bass. Auf »Let’s Keep This Quiet« fährt der ganz kolossal in die Magengrube, die durchdringende Spannung wird allerdings nie ganz entladen. Dieses fragile Gerüst macht HVOB so besonders, gereizte Melancholie auf einem Beat, der Spaß verspricht. Das Debüt ist folglich keine klassische Clubmusik, auch wenn vieles darauf hindeutet. Es sind Songs für Leute, die mit der großen Basstrommel aufwachen und schlafen gehen. Ende Februar sind HVOB von einer großer Agentur zu Primary Booking gewechselt und damit jetzt quasi Kollegen von Patti Smith, Fever Ray, Azealia Banks und Lana Del Rey. Die Bühne haben sie in Paris für den Modedesigner Elie Saab bespielt, in Wien mit Nicolas Jaar und James Blake geteilt. Ja, noch vor dem ersten Album. Die Aufregung um das Duo wurde behutsam angefeuert, Fotos gibt es bisher natürlich nur verwaschen, grobkörnig, Infos bleiben rar. Das entspricht erstens dem Kodex elektronischer Musik, aber auch der Musik selbst als nächtliche Projektionsfläche. Bei all den Gründen für Jubel fehlt dem Album über die ganze Länge allerdings die Abwechslung. »The Last Song Ever Written« deutet an, dass man auch anders könnte. Trance! Buuuh! werden die selbsternannten Hüter der Clubkultur rufen. Was aber, wenn es sich so kristallin im Ohr einnistet wie hier? 06/10 Stefan niederwieser

Wenn man – wie hier in der Redaktion – viele Alben digital oder als Stream bekommt, entgehen einem manchmal leider die Vorzüge physischer Kopien. Zum Beispiel das Artwork. Bei Stuart Howards – aka Lapalux – Debütalbum wäre das traurig. Nicht, weil die bunte Fotocollage aus dünnen, vertikalen Streifen von alten Fotos wahnsinnig beeindruckend wäre. Sondern, weil es Lapalux’ Art Musik zu machen, perfekt visualisiert. »Nostalchic«, das die Tage auf Brainfeeder (ja, dem Flying Lotus-Label) erscheint, trägt die aus-Altem-Neues-machen-Technik auch bereits im Namen. Viele der benutzen Samples weisen in die Vergangenheit – trotzdem könnten Produktionsweise und Sound kaum moderner sein. Lapalux macht da weiter, wo er bei seinen EPs aufgehört hat. Seine Musik ist eine Mischung aus HipHop, House, R'n'B und Sample-Spielereien an allen Enden. Das würde man heute wohl am ehesten als Chillwave bezeichnen. Referenzpunkte anzugeben ist schwer, gehört Lapalux ja in diesem Bereich im Grunde selbst bereits zu den Großen, ist mehr Trendsetter als Nachahmer. Vielleicht würden einem noch Groundislava und der unvermeidliche Gold Panda einfallen. Mit aktuellen Überfliegern wie Giraffage teilt Lapalux die Leidenschaft, Geschwindigkeit und Vocals einfach mal dramatisch herunterzupitchen (»Straight Over My Head«, »Without You«). »Nostalchic« ist astrein produziert. Überhaupt: Dass Lapalux für seine 25 Jahre beeindruckende technische Fähigkeiten aufweist, konnte man sich bei seinem Boiler Room-Set überzeugen. Die Vocals – seien es von Gästen eingesungene Parts oder einzelne gesampelte Wortfetzen – fügen sich absolut harmonisch, fast fröhlich in das Soundbild ein. Wenn man so will, ist Lapalux die eher sonnige Spielart seiner Londoner Nachbarn von Tri Angle Records. Die Platte ist weiß Gott nicht die einzige Scheibe dieser Art, die in den letzten zwei Jahren erschien. Und es wird auch nicht die letzte sein. Und trotzdem schafft es Lapalux, immer den einen Loop, den einen Break, die eine Spielerei mehr einzufügen. Dieses Extra ist schwer zu fassen, hebt die Platte aber deutlich von anderen ab. 07/10 jonas vogt

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BILD Stil vor Talent, Brainfeeder, Shawn Brackbill, Mathieu Cesar

Kurt Vile Walking On A Pretty Daze (Matador)

m u si k

Woodkid The Golden Age (Universal / Green United Music)

Reverie

Marmor, Stein und Eisen

Wenn man sich so unverschämt bei Neil Young, CCR und Nick Drake bedient, muss man schon Kurt Vile heißen.

Wer mit dem Who’s Who der Branche auf du und du ist, kann leicht das Ziel aus den Augen verlieren. So geschehen bei High-End-Orchesterpop-Senkrechtstarter Woodkid.

Was muss dieser Kurt nicht für eine Sehnsucht haben. Kurt Viles Wohnsitz Philadelphia mag doch die immerhin sechsgrößte Stadt in den Vereinigten Staaten sein, trotzdem verdanken sich diese ausufernden Songs der Vorstellung von zeitlosen Stunden im ländlichen Herzen der Landes, hunderte Kilometer weit entfernt. Heartland Rock steht da bei Kurt Vile treffend auf Wikipedia. Drüben, am anderen Ende des Kontinents, schlug in San Francisco Sun Kil Moon vor fünf Jahren einen ähnlichen Weg ein, folkiger zwar, aber ebenfalls mit weichen, überlangen Songs, die mehr feinstoffliche Stimmung waren als eine bestimmte, wiederkehrende Melodie. Das fünfte Album von Kurt Vile macht dabei kaum etwas anders als der von NME, Popmatters und Spin gefeierte Vorgänger. Warpaint und Royal Trux sind Studiogäste, Street-Artist Steve Power aka ESPO hat das Cover gestaltet. »Walking On A Pretty Daze« bewegt sich im Delta von US-Mythen, ihrem Zitat und ihrer psychedelischen Verfremdung. »KV Crimes« schlägt zu einem abgebremsten Heavy Rock-Muckerriff noch halbironisch auf die Kuhglocke, während sich »Goldtone« mit seidigem Chor, opaker Pedal Steel und golden glänzendem Vibraphon über zehn Minuten lang zerdehnt, wie es Lambchop in den besten Zeiten nicht besser konnten, bis sich am Ende lichte Gitarren in die Richtung Unendlichkeit aufzwirbeln. Durch diese innere Spannung wirkt das Album gleichzeitig im Heute daheim und wie durch Schichten aus dünnem Milchglas gebrochen, wirkt wach und im selben Moment doch woanders, wie in einem Tagtraum. Ja, solche Zwischenzustände des menschlichen Bewusstseins waren in den letzten Jahren sehr oft hermeneutische Krücken für die Poptheorie. Traum und Schlafwandeln in Chillwave und Dream Pop, Einschlafen in hypnagogischem Pop, REM-Phasen überall. Im Unterschied zu diesen sind Tagträume steuerbar. Schon bei Rousseau können Erinnerung und Ekstase in ihnen zusammenfallen, bei Freud sind sie Vorstufen hysterischer Symptome. Kurt Vile verdichtet nichts weniger als das und fängt dabei milde Atmosphären ein, die das Kunststück schaffen, im selben Atemzug besonnen und fantastisch zu sein. 07/10 Stefan niederwieser

Als vor fast genau einem Jahr die EP »Iron« von Woodkid mitsamt bildgewaltigem Schwarz-WeißVideo erschien, war es zwar sein musikalisches Debüt, ein unbeschriebenes Blatt war er trotzdem keinesfalls. Wer Videos für Katy Perry, Lana Del Ray und Drake & Rihanna produziert, trifft zwangsweise die richtigen Leute im Business. Unter seinem bürgerlichen Namen Yoann Lemoine startete er als Musikvideo-Regisseur- und Produzent seine Karriere, arbeitete bald mit Gott und der Welt und verdiente sich mit abendfüllenden Spielilmen wie »Arthur und die Minimoys« und »Marie Antoinette« erste Lorbeeren. Jetzt, fast genau ein Jahr später, macht er mit »The Golden Age« sein erstes volles, musikalisches Statement. Nach eigener Aussage sollte es ein Soundtrack werden, ein Soundtrack für sein Leben. Bei einem visuell verankerten Artist wie Woodkid ist das wenig verwunderlich. Doch noch bevor sein Album erhältlich war, wurde seine Musik bereits für eine Dior Fashion-Show verwendet, verpasste einigen Assassin’s Creed-Spots von Ubisoft das richtige Surrounding und untermalte eine Nike-Werbekampagne im UK. Wenn man dann noch nebenbei in einem einzigen Jahr sechs MTV Video Music Awards-Nominierungen einstreift, kann man Woodkid also getrost als Senkrechtstarter bezeichnen. Das Album beginnt ruhig mit Piano und Streichern, ähnlich einem monumentalen Filmscore, bis sich schließlich der titelgebende Track zu einem pompösen Opener aufbauscht. Die Marschrichtung ist klar, überall soll es funkeln – High-End-Produktion und Pop, soweit das Ohr reicht. Lemoine zeigt jede seiner Facetten und viele verschiedene Klangbilder. Die zum Teil sehr persönlichen Songs folgen jedoch immer der gleichen Struktur. Stetig versucht Woodkid noch eins drauf zu setzen, noch ein Stückchen opulenter zu wirken. Dieses Korsett steht ihm zwar nicht schlecht – und er ist einer der wenigen Künstler der heutigen Zeit, der sich das zweifelsohne leisten kann – doch auf Dauer wirkt die orchestrale Inszenierung doch zu wulstig, anstrengend und aufgeblasen. Als inoffizieller »Game Of Thrones«-Soundtrack taugt das natürlich, als künstlerisches Statement nur teilweise. 06/10 kevin Reiterer 061

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!!! Thr!!!er (Warp) — Die New Yorker versuchen ein vielleicht letztes Mal den Indie-DiscoSound der Nullerjahre zu zelebrieren. Das gelingt leider nicht wirklich. 04/10

1773 � Trishes The Love Bug Variations (Duzz Down San) — »Gut abgehangen«, »groovig«, »smooth«. Vor diesen Worten gibt es bei dieser offensiv geschmackvollen Remix-Compi einfach kein Entkommen.

Jonas Vogt

06/10 Thomas Wieser

M u si k

Ellen Allien LISm (BPitch Control) — Berlins First Lady of Techno schlägt nach dem missglückten »Dust« einen experimentierfreudigeren Pfad ein und trifft dort auf Avantgarde und Emotionen. 06/10 Kevin Reiterer

British Sea Power Machineries Of Joy (Rough Trade) — Gut ge­zimmertes Best-of aus Konzept-EPs – zwischen Post-Brit-Pop und Filmmusik über Franziskanermönche und Bodybuilderinnen. 06/10 Gerald C. Stocker

Clipping Midcity (Bandcamp) — Hunde in Sicherheit bringen, Clipping rappen auf tödlichem Lärm, denn dieses Trio aus L.A. hängt den altmodischen Avantgarde-Gedanken in minimal-maximalem Rahmen in den Galerienraum.

Cosmin TRG Gordian (50 Weapons) — Rumäniens Aushängeschild in Sachen Futuristic Techno und erzählenden Musikstücken, hat sich mit »Gordian« sichtlich weiterentwickelt. 07/10 Kevin Reiterer

Adam Ant Adam Ant Is The Blueback Hussar In Marrying The Gunner’s Daughter (Blueback Hussar) — Erratische, aber willkommene Rückkehr des Stuart Leslie Goddard, der in den 80ern als Adam Ant aus Post-PunkIdeen Pop-Millionen zauberte. 05/10 Rainer Krispel

Attwenger Clubs (Trikont) — Eine rasant editierte Sammlung von LiveAufnahmen und anderen Materialien, viel davon nicht auf den regulären Alben. Plus Roadmovies-DVD in launigem No-Budget-Mobiltelefon-Style. Supere Sache!

Crime & The City Solution American Twilight (Mute) — Nick Cave kann einpacken, Simon Bonney ist zurück. Trotz amerikanischer Themen und Lokalität ein Blues- und Americana-freies Kunstlied-Meisterwerk ohne biedere Gefälligkeit.

DMX Undisputed (Seven Arts Music) — DMX setzt mit seinem neuen Album ein wichtiges Lebenszeichen für Fans von DMX in einer Rapwelt, in der es keine Gründe gibt, kein Fan von DMX zu sein.

09/10 David Mochida Krispel

07/10 Mahdi Rahimi

Indoor Life Indoor Life (Compost / Elaste) — Eine Schatztruhe voller PostPunk-, Disco- und NewWave-Hybriden: Compost veröffentlicht das Gesamtwerk der 80er-Jahre-SynthKultband Indoor Life.

Low The Invisible Way (Sub Pop) — Gediegene Übungen in meist schleichenden Melancholie-Americana, produziert von Jeff Tweedy von Wilco. Schon schön, aber auch ein bisserl fad. 06/10 Rainer Krispel

07/10 David Mochida Krispel

08/10 Stefan Niederwieser

Hurts Exile (Sony) — Die Boyband unter den 80er-Jahre-DüsternisJüngern legt nach drei Jahren einen Zweitling nach, der mehr Pose als Innovation ist.

I Am Kloot Let It All In (Pias) — Die Devise des Northern-Soul-Trios aus Manchester heißt Beständigkeit und Melodienreichtum. 07/10 Gerald C. Stocker

05/10 Sandra Bernhofer

IAMX The Unified Field (61 Seconds) — Die Rückkehr des Pathosapostels IAMX. Elektrorock mit zornigem Punkgeschrei. Das hat inzwischen fast schon etwas Klebriges und Spirituelles. 04/10 Martin Riedl

07/10 Martin Riedl

On An On Give In (Roll Call) — Mit rhythmischem Dream-Pop und funkensprühender Indietronic ist dieses Debüt der Soundtrack zum individuellen SlowMotion-Kopfkino geworden.

Lee »Scratch« Perry & ERM Humanicity (Rubis Management) — Grundsolider Dub/Reggae, nicht unbedingt aufgewertet durch die stimmlichen Beiträge eines mental nicht mehr so fitten älteren Herren.

07/10 Franziska Tschinderle

05/10 Thomas Wieser

Pissed Jeans Honeys (Sub Pop) — Album Nummer vier der schlecht­ gelaunten Band mit dem tollen Namen und dem gekonnten Sound-Update klassischen 80er US-Hardcores. 06/10 rainer krispel

Stephan Roiss + V.A. &&& (Zach) — Er hat sehr viel zu sagen, Blätter voll mit Galle, eine Höhle voll dunkler Kollaborateure, nur Groove, den hat er nicht. 06/10 Stefan Niederwieser

Stereophonics Graffiti On The Train (Stylus) — Zehn mit bombastischem Noise unterlegte Rockungetüme sind das Fundament für die kräftige Rockstimme des Waliser Energiebündels Kelly Jones. Nana naaaaaaa! 06/10 Gerald C. Stocker

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Biffy Clyro Opposites (Warner) — Keine andere Alternative-Rock-Band schreibt gleichermaßen kraftvolle und zärtliche Songs wie Biffy Clyro. Selbst ein Doppelalbum kann ihnen nicht viel anhaben. 07/10

Bilal A Love Surreal (Entertainment One / BBE) — Mit solchen Alben macht man sich in Jazzkreisen und beim Feuilleton beliebt. Dabei wäre Frank Ocean um die nächste Ecke. 07/10 Stefan Niederwieser

m u si k

Black Rebel Motorcycle Club Specter At The Feast (Abstract Dragon / Cooperative) — Sechstes Album der US-Band zwischen NeoHeavy-Blues und Psychedelic, gekonnt wie immer, durch persönlichen Verlust aufgeladen. 06/10 Rainer Krispel

Bloodgroup Tracing Echoes (ADP) — Bloodgroup schaffen es weiter weg von einem inoffiziellen TheKnife-Tribute-Ensemble hin zu einem eigenständigen und hochwertigen ElektroPop-Quartett. 06/10 Nicole

Blue Hawaii Untogether (Arbutus) — The Geklöppel continues, unter Wasser. Dieses Sehnsuchtsduo aus Montreal greift ein paar lose Enden von Chillwave auf und lässt sie ratlos wieder auf Grund sinken. 05/10 Stefan

Schöndorfer

Niederwieser

Frightened Rabbit Pedestrian Verse (Canvasback / Atlantic) — Der Angsthase schmälert seine Furcht und erzählt von den unheroischen Taten aus einem Abstand der Weisheit.

Giraffage Needs (Giraffage) — Giraffages Mischung aus UK Bass, Chillwave und R ’n’ B liegt absolut am Puls der Zeit. Von dem wird man noch viel hören.

08/10 Juliane Fischer

08/10 Jonas Vogt

Adam Green & Binki Shapiro Adam Green & Binki Shapiro (Concord) — Für dieses Debüt reist die schöne Binki Shapiro nach New York und treibt Adam Green den biestigen Anti-Folk aus: Zusammen kurieren sie ihren Herzschmerz im Duett.

Reiner Kapeller

Effi Closer (Arcadia) — Für sein zweites Album hat der Grazer PopBastler wieder einiges an Ideen aus dem Hut gezaubert. Deren signifikanteste Merkmale: Eingängigkeit, Wohlklang, Spielfreude.

Ernesty International Ernesty IV (Ernesty Music Group) — Zwölf Songs des schreibfreudigen Wiener Musikers Ernst Tiefenthaler. Während wahrscheinlich schon Album Nummer fünf entsteht lohnt das Eintauchen hier.

06/10 Manuel Fronhofer

07/10 Rainer Krispel

Matmos The Marriage Of True Minds (Thrill Jockey) — Mit konzeptkunstigen Vorgaben durch grenzwissenschaftliche Methoden ertüftelte Musik für … wen eigentlich? Wahrscheinlich Schabernack.

Me Even The Odd Ones Out (Lizard King) — Pompöser Orchesterrock, der keinen Hehl um seine Lehrmeister macht. Die Australier laden Queen, Muse und die Beatles zur Theaterpremiere. 06/10

07/10 Thomas Wieser

Reiner Kapeller

07/10 Franziska Tschinderle

Metaboman Ja / Noe (Musik Krause) — Die eine Hälfte des Krause Duos kommt einem selbst auf Albumlänge immer noch quer – und spielt sich mit Freunden quer durch Techno, Disco, House und ADS. 07/10 Johannes Piller

Subjected Zero (Vault Series) — Ein neuer Stern im Berliner Betonuntergrund, Subjected formuliert seine Version des steinharten Techno so punktgenau wie es seit Jahren niemandem gelungen ist. 08/10 Kevin Reiterer

Tegan & Sara Heartthrob (Warner) — Mit ironiefreiem 80er-Bubblegum-Pop stellen die beiden Schwestern ihr bisheriges Sound-Universum auf den Kopf. Ungewohnt, aber euphorisierend. 07/10 Sandra Bernhofer

The Pigeon Detectives We Met At Sea (Cooking Vinyl) — Dort, wo früher Franz Ferdinand und The Editors Beinchen in Röhrenjeans zum Zappeln brachten, pressen diese Briten nun neuen Saft in alte Schläuche. 06/10 Gerald C. Stocker

Night Beds Country Sleep (Dead Oceans) — Traurig, verträumt, melancholisch – Adjektive, die im Lexikon wohl unter dem klassischen Singer-Songwriter-Album stehen würden, klingen bei Winston Yellen viel gehaltvoller. 06/10 Nicole

Night Moves Colored Emotions (Domino) — Von den Fundstücken aus Papas Plattenkiste haben sie den Staub weggepustet und daraus frische, dringliche Songs mit Country-Einschlag gemacht. Die meisten davon taugen sogar etwas. 06/10 Sandra

Schöndorfer

Bernhofer

Various Artists Soul Jazz Records presents Acid – Mysterons Invade The Jackin’ Zone (Soul Jazz) — Nostalgietrip in die Zeit des säurehaltigen House. 909-Patterns, 303-Gezwitscher, Schwulst, Kitsch, religiös anmutendes Pathos. 06/10 Thomas Wieser

Wire Change Becomes Us (Pink Flag) — Zeitlos anmutender Rekurs auf unzulänglich dokumentiertes Material der Erstinkarnation ergibt voll ausformuliertes Spitzenalbum. 08/10 David Mochida Krispel

01/10 grottig 02/10 schlecht 03/10 naja 04/10 ok, passt eh 05/10 guter Durchschnitt 06/10 sehr gut 07/10 super 08/10 ein Top-Album des Jahres, Genre-Klassiker 09/10 absolutes Meisterwerk

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Kern von Veronika Franz und Severin Fiala, mit Peter Kern — »Wenn kein Applaus kommt, geh ich nirgendwo hin.« Der umstrittene Regisseur und Schauspieler Peter Kern erträgt keine Kritik. Cholerische Anfälle sind die Tagesordnung am Set oder bei Filmpremieren, wenn die erwartete Anerkennung ausbleibt. Die Filmemacher hatten es bei der Dokumentation über ihn nicht leicht. Hilflose Menschen würden konzeptlos mit der Kamera herumfuchteln, sagt Kern. Er wird vor allem dann nervös, wenn ihn seine Person selbst langweilt. So ist sein Hang zur Selbstinszenierung stark ausgeprägt und er lebt sie mit Provokation genüsslich aus. Eine ist beispielsweise, als er davon erzählt, wie ihn sein Onkel als Kind verführt hätte, er ihm aber keinen blasen konnte, weil dessen Schwanz zu groß war. Er erinnere sich gerne daran, möge als Schwuler seither aber keine großen Schwänze mehr. Am Anfang als auch am Ende des Films bleiben viele Fragen offen. Denn über den wahren Peter Kern werde man hier nichts erfahren, wie er selbst sagt. Über das Handwerk eines interessanten Dokumentarfilms jedoch einiges. 07/10 Sarah Al-Hashimi Sightseers von Ben Wheatley; mit Alice Lowe, Steve Oram — »Do you know what’s it like to be a woman?« – die schwarze Komödie »Sightseers« steckt voller sensibler Überraschungen. Dabei könnte die ausgestellte Gewalt anderes vermuten lassen. Ein niedliches wie schrulliges Pärchen fährt auf Wohnwagenurlaub durch England, doch bis zum Ende ihrer Ferien haben sie zahlreiche Leichen auf ihrem Weg zurückgelassen. Regisseur Ben Wheatley nimmt sich seiner Antihelden zärtlich an und sie in ihrem vermeintlich niederschwelligen sozialen Gefüge ernst. Skurrilitäten werden nicht überstrapaziert, sondern mit Respekt behandelt. Die wortwörtlich schlagende Komik liegt hinter der Oberfläche und offenbart ein starkes Drehbuch mit starken Charakteren. Nach dem großen Finale machen die Nebensätze und scheinbaren Herrenwitze plötzlich Sinn. Zurück bleibt große Begeisterung und eine Hymne auf die Liebe als Freiheit. Der Song »Tainted Love« macht selten so viel Sinn wie zum Abspann dieses außergewöhnlichen Films von Ben Wheatley. 09/10 klaus buchholz

Jagten von Thomas Vinterberg; mit Mads Mikkelsen, Thomas Lo Barsen, Annika Wederkopp, Lasse Fogelstrom — 15 Jahre nach »Festen« thematisiert Thomas Vinterberg (wir erinnern uns: Dogma 95) erneut Kindesmissbrauch. Wieder geht es intensiv um Gruppendynamik und Schuld, anders als damals untersucht der Däne in »Jagten« aber die sozialen Mechanismen und Zwänge bei der Schuldzuweisung – ohne dass eine nachweisbare Schuld vorliegt. Mads Mikkelsen beeindruckt als Kindergartenpädagoge, dem ein sexueller Übergriff auf die Tochter seines besten Freundes vorgeworfen wird. Einzelne Worte werden in der Überlieferung zu Handlungen und im engen Rahmen eines dänischen Dorfes zur Grundlage einer kruden Hetze. Nüchtern beleuchtet Vinterberg eine patriarchale Gemeinschaft, die auch trotz widerlegter Anschuldigungen an ihren eigenen Gesetzen festhält. Dazwischen versucht Mikkelsen, nicht zerrieben zu werden. »Jagten« ist erwartungsgemäß bedrängend. 07/10 klaus buchholz

Film

Paradies: Hoffnung von Ulrich Seidl; mit Melanie Lenz, Joseph Lorenz, Verena Lehbauer

Lolitas verlorene Unschuld Minderjährige liebt Erwachsenen. Nach »Lolita« und Romanzen zwischen Lehrer und Schüler nichts Außergewöhnliches. Ulrich Seidl zeigt das aber aus einer anderen Perspektive. Sextourismus, Fanatismus und jetzt Lolita im Diätcamp: Im letzten Teil der Paradies-Trilogie von Ulrich Seidl verliebt sich die 13-jährige Melanie in einen um 40 Jahre älteren Mann. Er ist ihr Arzt und Leiter des Diätcamps, in dem sie wegen ihres Übergewichts ist. Erwartungsgemäß kümmert sich Seidl nicht um Schönheitsideale. Stattdessen versucht er nackte Wahrheiten der Körper, mit all ihren Makeln, zu zeigen. Zwar gibt es Szenen, in denen die Jugendlichen wegen ihrer Fettleibigkeit ausgestellt werden. Als sie etwa singen müssen: »If you’re happy and you know it clap your fat« oder sich vom Coach anhören: »Wir werden trainieren bis die Schwarten krachen und die Kilos purzeln«. Doch der Film begnügt sich nicht mit den vermeintlichen Problemzonen. Das überwiegende Thema bleibt Melanies unschuldige erste Liebe, die sich während ärztlicher Untersuchungen im Behandlungszimmer entwickelt und auf prekäre Weise erwidert wird. Da drängt sich der Vergleich mit Vladimir Nabokovs »Lolita« unweigerlich auf, in dem ein Mann seine zwölfjährige Stieftochter entführt und eine sexuelle Beziehung mit ihr eingeht. In einem Interview bestätigt Seidl sogar, dass das die Grundidee zum Film war, es aber einen gravierenden Unterschied gebe: die Geschichte wird aus Sicht des Mädchens erzählt, die auch der ständig agierende Part in der Beziehung zum Arzt ist. Das gibt »Paradies: Hoffnung« eine eigenwillige, zärtliche Note, lässt aber Fragen zur Figur des Arztes offen. Melanie hingegen teilt ihre Gedanken mit der erfahreneren Zimmergenossin Verena. Ihre Gespräche drehen sich um Themen wie: »Du tust deinen Freund blasen?«. Bei Szenen wie diesen fragt man sich, wann die Grenze einer minderjährigen Schauspielerin überschritten ist. Denn während sie meistens im BH zu sehen ist, kommen sich Melanie und der Arzt eben näher. Gemeinsame Doktorspielchen und Waldspaziergänge erzeugen eine Spannung zwischen der völligen Ablehnung einer möglichen Pädo­ philie und dem Wunsch, dass Melanie nicht enttäuscht wird. Womöglich erwartet sich der Zuseher nach»Paradies: Liebe«, in dem sich ein Kenianer für mehrere Frauen gleichzeitig prostituiert oder nach Gewaltszenen in »Paradies: Glaube« Ähnliches. Seidl weiß hier aber genau, wie weit er gehen kann. 08/10 Sarah Al-Hashimi

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Film

Zweisitzrakete von Hans Hofer; mit Manuel Rubey, Alissa Jung, Simon Schwarz, Thomas Stipsits, Alexander Jagsch

Über die Ziele hinausgeschossen Regisseur Hans Hofer bemüht sich um eine originäre, romantische Indie-Komödie. »Zweisitzrakete« spielt bewusst mit Kitsch, verirrt sich aber im zu netten Drehbuch. Hans Hofer bemüht sich in seinem Kinodebüt »Zweisitzrakete« ganz offensichtlich darum, einen lustigen, ansehnlichen und märchenhaften Liebesfilm in die österreichischen Kinos zu bringen. Hausgemachte Romcoms sind auf den Leinwänden Österreichs selten anzutreffen und noch seltener fallen diese gehaltvoll aus. Die Bemühungen des 29-jährigen Nachwuchsregisseurs sind hoch anzurechnen. Er erhebt den Anspruch darauf, dem abgegrasten Komödienformat einen eigenen, originären Charme abzugewinnen. Es soll weder Hollywood noch österreichischer Fernsehfilm sein. Vielmehr will »Zweisitzrakete« cleveren Indie-Flair versprühen, noch ein bisschen vom Schmäh des (jüngeren) Kabarettfilms zehren und gleichzeitig niveauvolle Romantik verkörpern. All das geht sich leider – auf gut österreichisch - nicht aus. Bezeichnenderweise fällt das Drehbuch ganz nett aus: Manuel (Manuel Rubey) ist in seine langjährige beste Freundin Mia (Alissa Jung) verliebt, braucht aber natürlich seinen besten männlichen Freund Detlev (Simon Schwarz), um sich das auch endlich einzugestehen. Das Noch-nicht-Pärchen teilt gemeinsame Pläne, die absurd und komisch sein sollen – etwa eine Kokosnuss aus dem Supermarkt entwenden und zurück zur Palme bringen. Und sie wollen zu zweit ihr Glück in New York versuchen. Doch Mia lernt einen italienischen Piloten kennen und lieben, mit dem sie plötzlich nach Rom auswandern will. Eine skurrile Überzeugungstat muss geschehen, damit Rubey und Jung endlich zu ihrem Happy End kommen. Es bleibt vorhersehbar und kaum spannend. Dazwischen machen Simon Schwarz, Thomas Stipsits, Alexander Jagsch und andere ihre Faxen in einer Selbsthilfegruppe frisch Verlassener, um den klischeehaften Spaß am Köcheln zu halten. Michael Niavarani und Gerti Drassl kommentieren übrigens immer wieder mal als Synchronstimmen zweier Tauben das Geschehen. Dazu gibt es Indie-Pop-Songs, die Atmosphäre schaffen sollen, kitschige Sequenzen (z.B.: verliebtes Herumtollen am sonnigen Karlsplatz), leicht gestelzte Dialoge, flache Nebenfiguren und leider nur wenige, wirklich lustige Momente. »Zweisitzrakete« ist als ambitionierter Vorstoß sehenswert und dank geübter Humoristen (Rubey, Stipsits, Schwarz, Jagsch) manchmal auch überzeugend witzig. Insgesamt schießt der Film aber über seine Ziele hinaus. 05/10 Klaus Buchholz

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Introducing Athina Rachel Tsangaris

Eva – Gefühle kann man nicht programmieren (Universum) von Kike Maíllo; mit Daniel Brühl, Lluís Homar, Claudia Vega; auf DVD

Athina Rachel Tsangaris gehört zu den aussichtsreichen Radikalen der »Greek New Wave«. Zwei junge Frauen stecken sich gegenseitig ihre Zungen in den Hals. Die eine Frau erklärt, wie man sich beim Küssen zu verhalten hat, die andere würgt angekelt. Einerseits küssen sie sich wie Kinder, andererseits unterdrücken sie eine Aggression, die jeden Moment auszubrechen droht. Plötzlich werfen sich beide hin und fauchen einander wie Katzen an. Das Publikum bleibt irritiert und amüsiert zurück. Was hier passiert, ist verstörend und typisch für eine neue Bewegung junger Filmschaffender aus Griechenland, die auf internationalen Festivals bereits als »Greek New Wave« etikettiert werden. Die Regisseurin Athina Rachel Tsangaris gehört neben Yorgos Lanthimos (»Alps«, »Dogtooth«) zu den führenden Köpfen dieser Welle, die im Kollektiv produzieren und eine neue unabhängige Szene etablieren. Sie setzen außerdem auf ähnliche Formalia: Figuren, die zwischen apathischen und animalischen Charakterzügen pendeln, pathologische Gewalt, abstruse Sexszenen, bedrohliche Kameraeinstellungen, verunmöglichte Dialoge und düsterer Humor. Die Tabulosigkeit, die irritierende Latenz, das Scheitern, die omnipräsente Vergänglichkeit und das gleichzeitige Bedürfnis nach Geborgenheit sind wiederkehrende Störbilder dieses jungen Kinos. Genauso streng, wie es stilisiert und komponiert ist, genauso viel soll es Kritik an einem überholten Griechenland sein. So zeigt Athina Rachel Tsangaris in »Attenberg« eine junge misanthropische Frau, die erstmals körperliche Nähe erfährt, während ihr Vater an Krebs verstirbt. Der Regisseurin geht es dabei darum, den Menschen als Modell und seine Emotionen als Prozesse darzustellen. Ihre geisterhaften Szenen erzeugen eine Distanz, die schwer verunsichert. Dabei legt sie ihren analytischen Blick frei, der brutal ist – aber immer auch ein wenig zwinkert.  »Attenberg« ist bereits via Rapid Eye Movies (Alive) auf DVD erschienen. TEXT Klaus Buchholz BILD Stadtkino

God Bless America (Kino Kontrovers) Von Bobcat Goldthwait; mit Joel Murray, Tara Lynne Barr; auf DVD

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Der talentierte Cyber-Ingenieur Alex kehrt nach Jahren an seine ehemalige Universität zurück, um den perfekten Kinder-Roboter zu erschaffen. Er läuft der jungen Eva über den Weg und wird dabei gleichermaßen von Witz und Spontaneität der Schülerin begeistert. Fortan soll sie als Modell für seinen Roboter-Prototypen dienen. Dabei ist Eva nicht nur Inspirationsquelle für die Arbeit des Ingenieurs, sondern zugleich auch das Tor zu einer noch nicht abgeschlossenen Vergangenheit. Mit der spanischen Produktion »Eva« überrascht Regieneuling Kike Maíllo gleich mehrfach. Das Spezialeffekte-Team schuf mit geringen Mitteln eine technisierte Umgebung, die nicht nur dem Auge gefällt. Die Inszenierung des Jahres 2041 ist dabei weder dystopisch noch utopisch geraten, sondern orientiert sich in angenehm unspektakulärer Weise an einer weitgehend unveränderten Lebensrealität. Vielmehr umschwirren Themen wie die Annäherung von Mensch und Maschine und das Zusammenleben mit Maschinen dieses Familiendrama und legen so zumindest Fährten für anstehende Diskussionen. 08/10 Reiner Kapeller Sie ähneln einem eingetretenen Schiefer, diese Filme, die den Zorn, die Wut weißer Amerikaner über »ihr« Land, über den Zustand »ihrer« Gesellschaft befördern. Diesmal geht es um den AllerweltsTypen Frank. Geschieden, unverstanden, alleine, irgendwann auch arbeitslos und mit einem (vermeintlichen) Gehirntumor versehen: Wenn Frank zu Hause vor seinen sinnentleerten TV-Serien mit der Bierflasche sitzt, ballt sich das alles zu einem Rotzklumpen von Selbstmitleid und Wut zusammen. Vor dem Selbstmord rettet ihn die rotzige Göre Roxy (Tara Lynne Barr), mit der er in weiterer Folge ein Standgericht-Road-Movie startet. Ob im Kinosaal, im Motel, oder im Fernsehstudio – gemeinsam machen sie sich auf, all den Frechheiten, Ungerechtigkeiten, Obszönitäten, Erniedrigungen des Alltags mit ihren Waffen ein Ende zu bereiten. Eine »schwarze Komödie« kommt bei alldem kaum raus, die fast zärtlich zu nennende Vater-Tochter-Beziehung, die da zwischen den cholerischen Showdowns heranwächst, ändert daran nur wenig. 08/10 Hans-Christian Heintschel

Liebe (Warner) Von Michael Haneke; mit Emmanuelle Riva, Jean-Louis Trintignant; auf DVD und Blu-ray

Skyfall (Centfox) von Sam Mendes; mit Daniel Craig, Judi Dench, Javier Bardem; auf DVD und Blu-ray

»Liebe« ist die Geschichte eines großbürgerlichen Pariser Ehepaars, pensionierte Musiklehrer in ihren 80ern. Der Schlaganfall von Anna zerrüttet den beschaulichen Alltag. Fortan kümmert sich ihr Gatte Georg um sie, wird zum überlebensnotwendigen Begleiter für jeden Schritt. Der Film ist ein kompromissloses Horrorszenario. Er konfrontiert das Ehepaar mit einer Einsamkeit in Schüben, auf die sie sich trotz all der gemeinsamen Jahre nicht hatten vorbereiten können. Haneke spart einmal mehr explizite Gewalt aus. Die Spirale des menschlichen Zerfalls, die er inszeniert, schneidet umso tiefer ins Mark und erschüttert auf einer ganz persönlichen Ebene. Kraft schöpft die Inszenierung aus einem langsamen Schnitt. Passgenau gleicht sich der Film den neuen Lebensumständen von Georg und Anna durch seine tödliche Trägheit in den Einstellungen an. Der Schmerz, der beim Zuseher evoziert wird, ist echt und doch penibel geplant. Und Michael Haneke ist der Großmeister des subtilen Seelenzertrümmerns. 09/10 Martin Riedl »Skyfall« will mehr sein als ein übliches Bond-Abenteuer und versucht die Balance zwischen zu erfüllenden Erwartungen und einer Neuausrichtung, die Bond emotional erdet. Der Film geht soweit, in Bonds Kindheit zu kramen und den oft im Hintergrund agierenden MI6 zum wichtigen Schauplatz zu machen. Dieser wird angegriffen und der große Gegner scheint viel über die Funktionsweise des Dienstes zu wissen. Die Action kommt dabei bis auf wenige Szenen ein bisschen kurz und auch Bonds weibliche Bekanntschaften scheinen eher als Pflichtübung absolviert zu werden. Dafür kommt Bonds Rolle im Apparat MI6 eine wichtige Rolle zu und auch M rückt weiter in den Mittelpunkt. Besonders fein sind die Auftritte von Javier Bardem als großem Gegenspieler geraten. »Skyfall« ist solide und mit gewichtigem Auftritt, mitunter vermisst man aber fast ein wenig die Lockerheit vergangener Tage. 06/10 Martin Mühl Auf www.thegap.at außerdem Reviews von »388 Arletta Avenue« (Universum), »Aggression Scale – Der Killer in dir« (Sunfilm), Black’s Game« (Koch), »Cabin In The Woods« (Universum), »For Colored Girls« (Universum), »Happy Happy« (MFA+), »Hard Boiled Sweets« (Sunfilm), »Russendisko« (Paramount)«, …

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Hymne

Original-Tickets & Infos: www.mayday.de • Vorverkauf: EUR 56,-* Abendkasse: EUR 66,*zzgl. VVK-Gebühr • Vorverkauf auch über Ö-Ticket www.oeticket.com • Kostenlose Hin- & Rückreise: Mit der Eintrittskarte mit allen VRR--Verkehrsmitteln (2. Kl.) im VRR-Raum. www.vrr.de • Newsletter: Anmelden unter www.mayday.de

Compilation (VÖ 12.04.)

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R ez Christian David Mädchenauge 01 (Zsolnay) — Wien hat mit Christian David einen neuen Krimiautor. »Mädchenauge« heißt sein erster Roman, der eigentlich schon in die Kategorie »gehobener Thriller« fällt. Die Filmrechte sind bereits verkauft und der Schauspieler Paulus Manker streut Blumen. Aber halten die Vorschusslorbeeren? Ja, kann man mit ruhigem Gewissen behaupten. Schnell zum Inhalt: Ein Mädchenmörder geht in Wien um und hält nach einiger Geheimhaltung die Menschen in Atem. Die Tathandlungen sind klar, alle zwei Wochen wird eine ermordete junge Frau aufgefunden und wie für Serienmörder üblich, steigern sich die Morde in der Brutalität. Demgegenüber baut der Autor die Handlung wunderbar in das heutige Wien ein, durchleuchtet den Polizeiapparat, den Beamtenstaat, schickt die Politik in die Wüste und modelliert sich mit der Staatsanwältin genau jene Person, die in das Opferprofil des Täters passt. Der Autor weiß sich dabei sehr gut der Dramaturgie zu bedienen: Er verrät nie zu viel, gerät nie ins übertrieben Reißerische, hält den sonoren Tonfall und hat doch immer pro Kapitel einen Cliffhanger parat. Gelegentlich wird ein bisschen zu viel gequatscht, aber gut, es muss zu Beginn auch einiges erklärt werden. Ein sehr sauberes Debüt, mit einer erstaunlichen Abgeklärtheit sowie literarisch nicht uninteressant – Christian David sollte man gleich wieder in die Schreibstube schicken.

Heinz Strunk Junge rettet Freund aus Teich (Rowohlt)

Tragikomisches Vorspiel Heinz Strunk erzählt in seinem neuen Roman über die Kindheit von Mathias Halfpape. Das kann man durchaus als Prequel zu »Fleisch ist mein Gemüse« sehen. Eine schöne, aber nicht immer inspirierte Reise durch melancholische Gefilde. Heinz Strunk braucht man eigentlich nicht vorzustellen. Sein literarisches Debüt »Fleisch ist mein Gemüse« (2004) verkaufte sich 400.000 Mal, wurde verfilmt und der Buchtitel avancierte zu einem schönen geflügelten Wort. Es geht darin um den nicht ganz lebenstüchtigen, schwer suchtgefährdeten Musiker (Alkohol, Automatenglücksspiel, Masturbation etc.) Mathias Halfpape, der zwischen Auftritten bei Hochzeiten und Dorffeiern mit seinem Schicksal hadert und mit seiner schwer depressiven Mutter in einem Reihenhaus zusammenlebt. Das ist alles stark autobiografisch, Heinz Strunk heißt nämlich laut Reisepass ebenfalls Mathias Halfpape. Die literarische Figur Mathias Halfpape begegnet uns nun in Strunks fünften Roman »Junge rettet Freund aus Teich« wieder. Strunk erzählt darin die Geschichte einer Kindheit. Seiner eigenen? Vielleicht. Der Roman setzt im Spätsommer 1966 ein. Der sechsjährige Mathias lebt mit seiner Mutter, einer Musikschullehrerin und seinen Großeltern in Harburg bei Hamburg. Alles ist sehr unaufgeregt, vorörtlich und ein wenig reihenhausidyllisch. Ruhig lässt Strunk seinen sechsjährigen Ich-Erzähler diese sorglosen Tage beschwören. Die kindlich-naive Sichtweise wird dabei nicht immer konsequent durchgehalten. In entscheidenden Momenten schimmert der Komiker Strunk durch, der mit lakonischem Witz oder einer bissigen Bemerkung Situationen Stimmung verleiht und kommentiert. Das tut er auch in den restlichen beiden Romanblöcken, betitelt »1970« und »1974«. In denen wird die Idylle aber langsam gebrochen. Auch weil sich Mathias’ Mutter sehr verändert hat. Gefangen in der Tretmühle des Alltags und unzufrieden mit der Wohnsituation lässt sie ihren Launen und passiven Aggressionen freien Lauf. Dann geht es Schlag auf Schlag. 1974. Hölle Pubertät. Der Großvater ist im Heim. Die Großmutter rapide gealtert und gekrümmt. Mutter und Sohn leben nun in einer Hochhauswohnung und Mathias’ Mutter hat fast völlig den Boden unter den Füßen verloren. Mathias strauchelt in der Schule und im Zwischenmenschlichen. Das letzte Buchdrittel mit den ganzen Strunk’schen Masturbationssynonymen und dem latenten und offenen Mutter-Sohn-Konflikt erinnert stark an Strunks literarischen Wurf »Fleisch ist mein Gemüse«. Das kann man – wenn man will – als Kunstgriff interpretieren, als Präludium bereits bekannter Tragik. Man kann es aber auch fad finden. Zwar köpfelt Strunk elegant in die Sümpfe der Melancholie und viele seiner Beschreibungen funkeln grausig schön, trotzdem wirkt einiges am Buch reingepanscht und uninspiriert. 05/10 manfred gram

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Stephan Eibel Erzberg Licht aus 02 (Styria) — Über Stephan Eibel Erzberg könnte man ziemlich viele Geschichten erzählen. Allesamt sind so kurios, dass man glaubt, der Menschen dahinter sei ein Fantasiekonstrukt. Aber es gibt ihn doch, gleich wie den steirischen Erzberg. Der Lyriker ist auch gerne on stage und malträtiert dort die österreichische Seele. Seinen aktuellen Gedichtband »Licht aus« kann man zweifelsohne neben Wolfgang Bauers »Schlechte Gedichte« oder »Das Herz« reihen. »Die politische mitte Hat auch Einen großen Bauch«, oder »Die form der norm Will der geraden Schaden«. Hier steckt viel dahinter und denkt man nach, kann man auch lachen. Eibel Erzberg zerstört herkömmliche Lyrik und baut sie auf anderer Stelle wieder auf, denn »Heute ist was passiert / Viele wörter wurden eliminiert«. Wie in einem gedankenreichen Sandkasten kommt man sich hier vor, in dem Stephan Eibel Erzberg thront, König vom Erzberg, denn »Dort ist der erste kreis vom paradeis« und eben nicht vom Paradies. Jaja, was hier so leicht und locker klingt, hat doch viel mit Kopfarbeit zu tun, mit einer großen Klarheit. Aber auch zum Nachdenken regt dieser Gedichtband an. Des Dichters Not, könnte man fast sagen, dringt durch, wenn er den allgegenwärtigen Krieg gegen die Bürokratie anklagt: »Es ist fürchterlich, aber wahr / Ich habe angst vor jedem formular / Und ist es noch so ein kleins / Es wird nicht meins«. Da hilft nur noch ein mit Joe Berger geschriebenes Gedicht, oder das Mineralöl angereicherte »Horst Esso-Lied«, welches gleich nach Ernst Jandls »schtzngrmm« angestimmt werden darf. So ist das mit der Poesie und wie gesagt, ein bisschen Poesie schadet nie! Und eines vielleicht noch: »Licht aus« ist nix für den großelterlichen Sonntagskaffee, weil der Herr Dichter kann eine ziemliche Sau sein: »Mann mit Hut sucht Fut. / Findet kane, tuts allane.« Na dann! 09/10 Martin G. Wanko

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Martin Kolozs Lucky man, very lucky 03 (Bibliothek der Provinz) — Was ist der Mensch, was macht ihn aus – und ist Identität ohne Erinnerung überhaupt möglich? Um solch existenzielle Fragen kreist dieser Roman: Noah hat sein Gedächtnis ver068

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R ez loren und versucht mit Hilfe eines Therapeuten, seine Sprache wieder zu erlernen. Erst nach und nach erfahren wir einige Details der Vierecksbeziehung zwischen Noah, seiner Geliebten Lea, seiner Ehefrau Linda und ihrem besten Freund. Lea wurde von einem Unbekannten überfahren und getötet; Noah gilt als tatverdächtig. Die ohnehin schon mysteriöse Geschichte wird aber nicht aufgelöst, sondern eher noch verworrener. Geschickt ergänzen sich verschiedene Erzählperspektiven und Stilebenen vom Verhörprotokoll bis zum SMS-Dialog, allerdings sollte man nicht alle Informationen für bare Münze nehmen. Der Roman besticht durch seine knackigen Dialoge und eben jenes psychologisch raffiniert arrangierte Verwirrspiel – immer tiefer treibt es die Leser von der »Diagnose« über die »Anamnese« bis zur »Therapie«, die dann im »Epilog« ihr Ende findet, um zugleich wieder bei Null zu beginnen. Kolosz gelingt es virtuos, die Erzählstränge zu einer packenden Geschichte zu verweben, die mit jeder Zeile spannender wird. 10/10 Andreas Wiesinger

Sensibel und schüchtern, ihren Mitschülern an Wissbegier und Intelligenz voraus, trägt sie schwer an der Bürde der Gegenwart – sind die Gleichaltrigen doch fest im Durchleben jedes Moments der Gegenwart, wohingegen Judith ans Ende dieser zu glauben, es gar zu verkünden hat. Neil setzt ihr besonders zu, sie wehrt sich mit »Wundern“. Man schwankt zwischen der romantischen Vorstellung, sie selbst dominiere den Fortgang der Geschehnisse, und der rationalen Antithese, dass es bloß ihre Wunsch-, bald Alpträume sind. Erst lässt sie das Städtchen beschneien, dann nimmt der Schul-, bald Hausterror gegen sie und ihren den Fabrikstreik brechenden Vater zu, bis Gott bloß ihr das Ende der Welt verkündet. Poetischen Stils, dramatisch in der Handlungsführung, ist dieser ergreifende Entwicklungsroman ein bilderreicher Appell an die Imagination, das Bewahren des Kindseins in der ach so erwachsenen Rationalität. 10/10 Roland Steiner

Jean Rolin Einen toten Hund ihm nach 05 (Berlin) — Der wilde Hund als Sinnbild der Widerstandskraft und Anpassungsmacht steht im Zentrum dieser literarischen, in ihrem Anspruch einzigartigen Reportage – aber nicht nur. Von Rändern und Zentren Turkmenistans, Russlands, Chiles, Mexikos, Libyens, Australiens und anderen Ländern importiert der außergewöhnliche französische Romancier und hier Reporter ein Faszinosum in unseren überästhetisierten Blick. Auch er streut quasi, gewappnet mit relevanten Publikationen und Experten, durch Beobachtungen erhoffende Straßen, die kein Touristenführer aufzu-

blenden wagt, Mülldeponien und Grenzgebiete, auf der Suche nach wilden, streunenden oder verwilderten Hunden. Es sind aber nicht nur diese akribischen, geduldsamen, bisweilen gefährlichen Recherchezüge nach der Urspezies des Bello-Fuffi und LifestyleAccessoires, welche diese mal schattige, mal grelle Reportage auszeichnen: Milieus und Schichten, Untertanen und Autoritäten, Grenzerfahrungen und Zurückweisungen der Gattung Mensch leuchtet der vielfach ausgezeichnete Könner nebenbei ebenso aus. An Sebald, Kapuściński oder heute Stasiuk erinnernd, befragt er Involvierte, spinnt den Faden von der Vergangenheit in eine mögliche Zukunft, warum im Reglementierungswahn solch Archaisches überleben kann: Spannend, lehrreich, in der stilistischen Schilderungsgabe einzigartig. 08/10 Roland Steiner Kevin Wilson Die gesammelten Peinlichkeiten unserer Eltern in der Reihenfolge ihrer Erstaufführung 06 (Luchterhand) — Nicht scharf geschossen, aber dennoch nicht unspannend ist Kevin Wilsons Roman. Man stelle sich vor, ein Künstlerpaar spezialisiert sich auf Happenings, oder genauer gesagt, auf »Family Performances«. Diese Events sind systemkritisch aber unterhaltsam, gerade so, dass Medien gerne darüber berichten. Hört sich im Grunde spannend an, hat aber fatale Folgen: Die beiden Kinder werden durch den ganzen Inszenierungswahnsinn zumindest psychisch missbraucht. Die Schatten sind im ganzen weiteren Leben spürbar. Kevin Wilson schreibt einen treffsicheren Roman; im Grunde ein Anti-68er-Roman. 07/10 Martin G. Wanko

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Grace McCleen Wo Milch und Honig fließen 04 (DVA) — »Am Anfang war ein leeres Zimmer, ein bisschen Raum, ein bisschen Licht, ein bisschen Zeit.« Was daraus keimt, blüht und am Ende in die Realität gezogen wird, ist die Fantasiewelt der zehnjährigen Judith, Erzählerin dieses Romandebüts. In ihrem Zimmer im Haus, das sie mit ihrem Zeugen-Jehova-Vater bewohnt, erschafft sie aus Fundstücken und Handwerkszeug eine Stadt, die dem heruntergekommenen Fabriksnest draußen ein Gegenbild entgegenstemmt.

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Krent Able Krent Able’s Big Book Of Mischief 01 (Knockabout) — Wer schon mal das Magazin The StoolPigeon durchblättert hat, wird mit Krent Able vertraut sein. Respektlos ist schon der freundlichste Ausdruck, der auf Ables Popkultursatire zutreffen würde. Gewaltsam erniedrigend ist schon eine Spur näher dran. In seinen Comics wird Nick Cave zum widerlichen Onkel Nostalgiefetischdoktor, Kanye West vergeht sich am geklonten Mund von Jay-Z, Morrissey hält sich ein Nazi-Schwein mit Hitlerarsch und Justin Timberlake stolpert in Begleitung okkulter Sunn O)))-Zwerge durch die Monsterhöhle von Courtney Love. Das sind nur ein paar zarte Leckerbissen. Härtere Kost, natürlich jeder Bissen eine Delikatesse, wird als ausgewähltes Mehr-Gänge-Menü in »Big Book Of Mischief« serviert. Hämisches Kichern kann man bei diesem Genuss nicht unterdrücken. 08/10 Nuri Nurbachsch Anton van Hertbruggen Memoires Of A Suburban Utopia 02 (Rotopolpress) — Anton van Hertbruggen zeichnete dieses wunderschöne Leporello, das ausgeklappt etwa 2,50 m lang ist. Es zeigt das Panorama einer Vorstadtstraße kurz nach Sonnenuntergang auf der einen, und das weite, sternendurchsetzte, nächtliche Himmelszelt über den Dächern auf der anderen Seite. Das Format und das durchgehende Motiv suggerieren, dass hier eigentlich keine Geschichte erzählt wird, doch gerade weil sie nicht intendiert zu sein scheint, sucht man die Geschichte überall. Menschen gehen hier alltäglichen, aber auch außeralltäglichen Tätigkeiten nach. Alle sind im Moment eingefroren und über allem liegt eine seltsame Aura. Sie scheinen auf etwas zu warten, und wenn man so will, erfährt man in Panel 2, worauf sie warten: die Sternenkonstellationen, die am Nachthimmel sichtbar werden. »Memoires Of A Suburban Utopia« ist eine Meditation über das Transzendente im Alltäglichen der Vorstadt, die in ihrer Monotonie und Begrenztheit manchmal eines tut: Die Erwartung auf etwas Großes auszurichten. 08/10 Alexander Kesselring

Ron Regé Jr. Cartoon Utopia 03 (Fantagraphics Books) — Ein Gedankenexperiment: Beim Betrachten eines Bildes wirst du zunehmend von einem Gefühl der Leichtigkeit erfasst. Erst langsam, steigert es sich, bis du schließlich tatsächlich vermeinst zu spüren, wie sich deine Füße vom Boden lösen und dein Körper, nun zu ätherischer Schwerelosigkeit befähigt, aufwärts zu schweben beginnt. Zugleich scheint sich deine Sicht zu ändern, du nimmst Farben intensiver wahr, ab einem gewissen Zeitpunkt glaubst du sogar, völlig neue Farben sehen zu können. Irgendwann kannst du das vollständige elektromagnetische Spektrum erkennen und durch die Zeit blicken. Und dann blinzelst du und stehst vor dem Bild, so wie zuvor, nichts hat sich geändert. Die Frage dazu: Hat sich wirklich nichts geändert? Beantwortet man diese Frage hermetisch, dann ist eine mögliche Antwort »Cartoon Utopia«. Will sagen: Ron Regé Jr. hat zum Alchemismus gefunden und in »Cartoon Utopia« möchte er sein Wissen über Oben und Unten mit uns teilen. Seine Bilder werden von einer rohen Symmetrie getragen, die Milliarden Striche strahlen freundlich aus den Seiten. Die Nachricht von »Cartoon Utopia« ist Hermes Trismegistos nur lose treu. Regé trägt Alchemie als Verständnis von der Einigkeit von Allem voraus. Diesen Eindruck vermittelt »Cartoon Utopia« perfekt. Ein Band für meditative Momente.

Robert Crumb Nausea (Reprodukt)

Existenzielle Exkurse Eine Neuauflage von Robert Crumbs Werken zeigt seine Auseinandersetzung mit der Literatur. Das ist immer auch ein Geschichtsund Erinnerungsexkurs zwischen Erleuchtung und Ekel. »Nausea« versammelt Arbeiten Robert Crumbs, die sich insbesondere mit Literatur und so unterschiedlichen Autoren wie Philip K. Dick oder Jean Paul Sartre auseinandersetzen. Die Zusammenstellung liefert aber weit mehr als Adaptionen – sie verbindet wesentliche Fragmente der Undergroundkultur der 60er und 70er Jahre, die nicht zuletzt durch Crumbs Werk selbst ihre Betonung fanden: provozierende Sexualität, Patchwork-Spiritualismus und anti-konformistische Außenseiterfiguren. Seine rauen, üppigen und betont »physischen« Figuren scheinen ganz in die 60er und 70er zu gehören – und nicht in die kühl-distanzierten und sublimen 80er – und damit in eine Zeit vor jeder bewussten oder »unbewussten« Erinnerung eines jüngeren Comiclesers. Crumbs Werk mag jenen, die dieser Gruppe angehören und noch nicht auf vorauseilende Verherrlichung eingeschworen sind, wie eine Provokation aus einer anderen, vergessenen Welt erscheinen. Worum ging es dabei? Um Spaß? Satire? Sexuelle Befreiung? Gegenkultur? Selbsterkenntnis? Vermutlich um alles zusammen – aber nicht schön getrennt, sondern wie in einem Haufen schmutziger Wäsche einer ganzen Alternativ-Kommune zusammengeworfen, inklusive eingetrocknetem Schweiß, Bier und Sperma (ein Hauptmotiv Crumbs). Wir wissen nicht, ob sich Philip K. Dick oder Jean Paul Sartre in diesem Haufen wohlgefühlt hätten. Crumb hat sie jedenfalls reingesteckt. Philip K. Dick spricht darin autobiografisch über seine Erleuchtung, die offenbar mehrere interessante Erlebnisse umfasste: Seelenwanderung, Besessenheit, Verfolgungswahn, Schizophrenie, Hellsicht und einige weitere. Nicht nur fühlt er sich zurückversetzt in die Zeit der ersten Christenverfolgungen, auch Ur-Christen leben in ihm (!) in der Jetztzeit, wo sie hinter allem die mordenden Römer wahrnehmen und nicht wissen, wie man ein Lenkrad bedient – wohlgemerkt: Philip K. Dick wusste es nicht mehr. Die titelgebende Kurzgeschichte »Nausea« zeigt dann deutlich Sartre selbst als den Protagonisten seines gleichnamigen Romans – im Gespräch mit dem humanistischen »Autodidakten« erfasst Sartre jener Ekel, in dem sich die sinn- und zweckfreie Existenz der Dinge und der Menschen offenbart. Geradezu so, als würde man auf eine von Crumb illustrierte Sexszene zwischen einem Kater und einem Huhn starren (weiter hinten in diesem Band). Sartres Ekel scheint in einem Nahverhältnis zu Crumbs visueller Fantasie zu stehen. Ein Zusammenhang, der »Nausea« tatsächlich noch um einiges interessanter macht und die Aufmerksamkeit auf Crumbs eigenwilliges und originäres »Weltbild« richtet, das wir im Inneren dieses schmutzigen Haufens vermuten. 09/10 Alexander Kesselring 01

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Zwei Welten vereint Das beste JRPG seit Jahren ist nicht nur audiovisuell ein Meisterwerk. Was ist zu erwarten, wenn sich Experten aus Film- und Spielbranche zusammentun? Level 5 (»Professor Layton«, »Dark Cloud«, »Dragon Quest VIII«) und Studio Ghibli (»Prinzessin Mononoke«, »Mein Nachbar Totoru«, »Das wandelnde Schloss«) schufen mit »Ni Nu Kuni« einen spielbaren Anime, der weit mehr bietet als schöne Bilder und anmutige Melodien. Der kleine Oliver lebt in Motorville, einem kleinen Ort im 1950er-Jahre-Stil. Als seine Mutter unter tragischen Umständen stirbt, vergießt er unzählige Tränen – und benetzt damit Tröpfchen, sein Stofftier. Tröpfchen, der Großfürst der Feen, erwacht zum Leben und bittet Oliver, seine magische Welt vor dem Untergang zu retten, in der ein finsteres Wesen wütet. Und vielleicht kann der Bub ja seine Mutter wieder zum Leben erwecken? Ganz in Tradition japanischer Rollenspiele reisen die beiden Helden zwischen den Welten, gewinnen Mitstreiter und erleben fantastische Abenteuer. In der wohl schönsten Oberweltkarte, die das Genre je gesehen hat, wird die Welt frei durchquert, während Gegner sichtbar (und Kämpfe dadurch regelmäßig vermeidbar) sind; im späteren Verlauf erleichtern Schiff und sogar ein Drache das Fortkommen. Die zahlreichen Kämpfe sind so gut gelungen, dass gern die eine oder andere Stunde zum Aufleveln investiert wird. Ein gewagter Mix aus Echtzeit-Kämpfen (erinnert an die »Tales«-Serie) und dem Einsatz von Vertrauten (»Pokemon«) offenbart sich als taktisch raffiniert und sehr motivierend. Jeder der Helden verfügt über bis zu drei dieser süßen Wesen im Kampf; individuelle Fähigkeiten und deren Förderung ermöglichen ein Verhalten ganz nach persönlichem Geschmack: offensiv, defensiv oder doch lieber unterstützend? »Ni No Kuni« erlaubt es, offensive Aktionen vor Durchführung abzubrechen; gerade bei gegnerischen Überraschungsaktionen eine kleine aber sinnvolle Erweiterung. Während der Erkundung feuriger Vulkane, verwunschener Friedhöfe, geheimnisvoller Dörfer oder verwunschener Wälder zieht sich ein Thema durchs gesamte Spiel: Emotionen. Den Menschen (und den Wesen der magischen Parallelwelt) mangelt es regelmäßig an etwas, sei es nun Mut, Zuversicht oder Liebe. Um einen traurigen Jungen zu heilen, muss beispielsweise ein Drache zufriedengestellt werden, der sich als dessen Pendant herausstellt. Das recht lineare Abenteuer (dauert rund 30 Stunden) bietet abseits der ausgetretenen Pfade genug Nebenbeschäftigungen (nochmal gut 30 Stunden); verträumte Musik, detailverliebte Grafik und Zwischensequenzen sorgen für eine märchenhafte Stimmung. Dass Dialoge selten vertont sind und die Geschichte gelegentlich seine Durchhänger hat, schmälert den Gesamteindruck kaum. »Ni No Kuni« ist nicht nur ein hervorragendes Rollenspiel japanischer Machart, es ist zudem eine wunderbare Parabel aufs Erwachsenwerden. 09/10 stefan kluger

Ni No Kuni (Level 5 / Namco Bandai); PS3 getestet; www.ninokunigame.com 071

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SUBOTRON/WKW pro games Veranstaltungsreihe zur Praxis von digitalen Spielen im MuseumsQuartier / quartier21 / Raum D, 1070 Wien subotron.com/veranstaltungen/pro-games/

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SUBOTRON/WKW pro games global

Die rechtlichen Aspekte der Spieleindustrie Konstantin Ewald, Partner Osborne Clarke, Köln Alexander Schnider, Associate Baker & McKenzie, Wien Sebastian Kellermayr, Rechtsanwalt, KBL Kellermayr Business Law, Wien Gregor Eigner, Managing Director Mi’pu’mi Games, Wien

Do. 18.04.13, 19h

SUBOTRON/WKW pro games local

Game Jams – Theorie und Praxis kollaborativen Rapid Game Prototypings Jürgen Musil & Roland Moritz

Do. 02.05.13, 19h

SUBOTRON/WKW pro games global

Building a Multiplatform Game Business Tommy Palm, “mobile guru” game designer and entrepreneur, Stockholm

Do. 16.05.13, 19h

SUBOTRON/WKW pro games local

Projektanalyse: „Hitman: Absolution“ – Einblicke in die Entwicklung eines Blockbusters Hannes Seifert, Production Director & Executive Producer IO Interactive

Do. 06.06.13, 19h

SUBOTRON/WKW pro games local

Eine tolle (Spiele)Idee – und nun? Dr. Karoline Simonitsch, Expertin für digitale Medien & Geschäftsmodelle

Do. 20.06.13, 19h

SUBOTRON/WKW pro games global

Live-Pitch österreichischer Games #2 Die Vertreter der nominierten Games aus den Kategorien „Studentenprojekt“ und „Firma“ haben im Vorfeld der Veranstaltung einen PitchWorkshop der Wirtschaftskammer Wien absolviert. Jetzt müssen sie in 5 Minuten die internationale Expertenjury von ihrem Projekt überzeugen und bekommen umgehend direktes Feedback. Beurteilt werden sowohl die Präsentation als auch das Spiel selbst. Unterstützt von www.creativespace.at– Die Kreativplattform der Wirtschaftskammer Wien

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Aliens: Colonial Marines 01 (Gearbox / Sega); PS3 getestet, Xbox 360, PC; www.sega.de/alienscolonialmarines — Als Anknüpfungspunkt dient der Film »Aliens: Die Rückkehr«, dessen Handlung im Spiel ein anderes Ende nimmt: Ein Funkspruch von der USS Sulaco berichtet vom Scheitern der Mission; wir stellen die Verstärkung dar. Dort angekommen, versteht man entweder gar nichts (wer die Filme nicht kennt) oder ärgert sich ordentlich (weil deren Inhalt dreist ignoriert wird), zumal die Handlung von Anfang an keinen Sinn ergibt. Es stellt sich die Frage, was sich Entwickler Gearbox und Publisher Sega dabei gedacht haben. »Aliens: Colonial Marines« scheitert nicht nur auf narrativer Ebene, sondern ist auch technisch und spielerisch eine einzige Bruchlandung. Natürlich ist das Artdesign nach wie vor unverwüstlich gut – schließlich wurde wenigstens das der Filmvorlage entnommen. Schleichpassagen in der Kanalisation sorgen ansatzweise für unheimliche Atmosphäre, diese Momente sind aber viel zu selten. Und sogar der Koop-Modus enttäuscht: spielerisch schlecht in die Erzählstruktur der Geschichte eingebettet, wurde nicht einmal darauf geachtet, Gegner an die Spieleranzahl anzupassen. Eine Lachnummer! 03/10 Stefan Kluger Assassin’s Creed III: Die Tyrannei von König George Washington 02 (Ubisoft); Xbox 360 getestet, PS3, PC; www.ubisoft.de — Der erste Akt des dreiteiligen Alternativ-Story-DLCs hilft bei Entzugserscheinungen, haut aber – auch wegen des Umfangs – nicht vom Hocker. 06/10 Harald Koberg Dead Space 3 03 (EA); Xbox 360 getestet, PS3, PC; www.deadspace.com — »Dead Space« wartet auch in Teil drei mit hoher Intensität und einem Gespür für Härte auf. Als Isaac Clarke gilt es wieder im Weltall und auf zertrümmerten Raumschiffen gegen Mutanten zu kämpfen und dem Geheimnis des energiespendenden Markers auf die Spur zu kommen, um ihn vielleicht endgültig zu zerstören. Dabei ist Clarke merklich gealtert, haben die vergangenen Kämpfe Spuren hinterlassen und zu allem Überfluss muss das Abenteuer gemeinsam mit der Exfreundin und deren neuem Freund bestritten werden. Nicht nur in diesem Zugang bleibt »Dead Space« durchaus speziell – dafür hat sich das Gameplay ein wenig mehr am derzeitigen Mainstream orientiert. Zu Beginn ist es eine düstere urbane Umgebung, durch die man sich kämpfen muss und eine neue Cover-Mechanik soll Schutz bieten. Beides geht nicht wirklich auf, aber zum Glück ist man bald im Weltraum. Dort bietet das Spiel leider ein bisschen weniger Horror und Atmosphäre, dafür enttäuscht die gewohnt knackige Action nicht. Neu ist ein Koop-Mode, der einen jungen Kompagnon zur Seite stellt und zusätzliche Räume freispielt. »Dead Space 3« ist ein gelungener Titel, der sich vielleicht ein bisschen in die Länge zieht und im Gegensatz zu den Vorgängern etwas gewöhnlichere Action bietet. Groß auszusetzen gibt es daran aber wenig. 07/10 Martin Mühl Marvel Avengers – Kampf um die Erde 04 (Ubisoft); Wii U; www.ubisoft.de — Es gibt zwei Möglichkeiten, »Marvel Avengers: Kampf um die Erde« zu spielen: mit Remote und Nunchuk oder mit dem Gamepad der Wii U. Letztere ist die bessere Wahl; ein seltsam limitiertes Prügelspiel bleibt es dennoch. Das Problem ist nicht nur, dass ein erstaunlich kleines Repertoire an Moves verfügbar ist – auch die verschiedenen Kämpfer unterscheiden sich spielerisch praktisch nicht voneinander. Abwechslung? Fehlanzeige! Die Wurzel allen Übels ist offensichtlich der Ursprung des Titels: Kinect. So endet die Freude über die SuperheldenDuelle nach erschreckend kurzer Zeit. Immerhin sind die Figuren ordentlich modelliert und versprühen etwas Charme. Würde sich besser als Android- oder iOS-Game machen; Preis und Leistung passen schlichtweg nicht zusammen. 04/10 Stefan Kluger 01

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»An der Krümmung der Donau liegend«, das heißt das keltische Wort Lentos übersetzt. Und genau das Haus an der Krümmung gibt es nun schon seit zehn Jahren. Das Lentos widmet sich deswegen selbst eine Ausstellung: »Lentos – ständig in Bewegung« heißt das Projekt, bei dem zeitgenössische Künstler neue Hängungskonzepte der Werke aus dem 19. Jahrhundert bis heute entwickeln und sie ihrer eigenen Kunst gegenüberstellen. Eröffnung: 21. März; Ausstellung: 22. März bis 9. Juni Linz, Lentos Kunstmuseum

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BILD VBK, VBK, Maurizio Cattelan / Collezione Sandretto Re Rebaudengo, Still aus: Visum Electronicum (1956) / Regie: Wim Gerdes, Österreichisches Filmmuseum, Transformer, Laurent Ziegler

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Places To Be – Josef Dabernig

BILD VBK, VBK, Maurizio Cattelan / Collezione Sandretto Re Rebaudengo, Still aus: Visum Electronicum (1956) / Regie: Wim Gerdes, Österreichisches Filmmuseum, Transformer, Laurent Ziegler

In Kooperation mit der Diagonale 2013 lädt das Kunsthaus Graz zur neuen Ausstellung »Panorama« von Josef Dabernig ein. Der Filmkünstler sucht sich Plätze aus, die Orte von Versammlung, Niederlage und Siegen sind. Die Ausstellung erstreckt sich über drei Museen, das Kunsthaus Graz, das Needle und die Neue Galerie Graz. Eröffnung: 28. Februar; Ausstellung: 1. März bis 28. April Graz, Kunsthaus, Needle, Neue Galerie Graz

Große Gefühle in Krems Liebe, Zorn, Trauer, Hass. Die Kunsthalle Krems zeigt im März eine neue Ausstellung ganz unter dem Motto: Große Gefühle. Ein buntes Gemisch aus Malerei, Fotografie und zeitgenössischer Kunst. Unter anderen stellen Shirin Neshat und William Kentridge aus. Eröffnung: 9. März 2013, Ausstellung: 10. März bis 30. Juni Krems, Kunsthalle

Der Besucher als Prosumer Mit dem neuen Projekt »Play & Prosume« der Kunsthalle Wien und der Universität für Angewandte Kunst soll der Besucher spielerisch hinter die Kulissen der medialen Bilder blicken. Er soll zum »Prosumer« werden und Kunst gleichzeitig konsumieren und produzieren. Die Ausstellung zeigt Werbung in Film und Fernsehen und präsentiert Experimental- und Industriefilme. Ausstellung: 6. bis 17. März Wien, Kunsthalle

Robert Bresson im Filmmuseum Die Werke eines Großmeisters des Filmes, Robert Bresson nämlich, kann man sich im März im Filmmuseum Wien ansehen. Zum Stil des Filmemachers gehört die erzählerische Verknappung, die absichtliche Arbeit mit Nicht-Schauspielern und die Reduktion filmischer Mittel. Unter anderen wird am Eröffnungsabend Oscar-Preistäger Michael Haneke über Bresson sprechen. Eröffnung: 7. März; Ausstellung bzw. Filmscreenings: 8. März bis 4. April Wien, Filmmuseum

Transformer im Transporter Das Wiener Label Totally Wired Records hat sich wieder ein neues, geniales Konzept ausgedacht. Unter dem Motto: »Transform, Transport, Transcend« soll die Transporter-Bar in der Kettenbrückengasse tagsüber zum Plattenladen, Café und offenen Community-Space werden. Mit Transformermusik als subkultureller Knotenpunkt der Wiener DIY-Szene. Eröffnung: 13. März Wien, Transformer im Transporter

Redereihe im Tanzquartier Wien Diedrich Diederichsen, Professor an der Akademie für Bildende Künste Wien, analysiert gemeinsam mit Christine Gaigg, Choreografin, Regisseurin und Autorin, die Themen »Sexualität und Folter« und Gaiggs Arbeit »Auf der Mauer auf der Lauer«. Die Veranstaltung findet im Rahmen der Redereihe »Widerstand gegen die Theorie« im Tanzquartier Wien statt. 22. März Wien, Tanzquartier / Studios 075

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Roland Kodritsch, »Die Jahre sind nicht spurlos an uns vorübergegangen«, 2011; Öl auf Leinwand, 140 � 100 cm

G a lerien

Josephine Pryde, »Valerie«, Secession 2004

Ronald Kodritsch – Urlaub vom Hirn

Josephine Pryde

Ein wilder Hund, dieser Roland Kodritsch. Einen Querschnitt Verfahrensweisen in den Produktionstechniken von Kunst seiner Arbeiten seit den frühen 90ern zeigt derzeit die Grazer interessieren die Britin Josephine Pryde, die dieses InteGalerie Artepari. Vordergründiger Nonsens birgt nonkonfor- resse vornehmlich mittels Fotografien, aber auch in visuell mistische Gesellschaftsanalysen, denn »only the stupid can fesselnden Gesamtinstallationen umsetzt. In der Dunkelbe brilliant«. Es ist keine Auszeit vom Denken, sondern ein kammer etwa experimentiert sie mit unterschiedlichen Anstoß geradewegs hinein, den die ungestüme Pinselfüh- Techniken. Dem Zufall oder gar Irrtum räumt sie dabei einen rung in zahlreichen Assoziationen und Anspielungen auf großen Handlungsraum ein und treibt ein Spiel zwischen mehreren Un- und Bewusstseinsebenen des menschlichen konzeptueller Kunst und scheinbarer Amateurhaftigkeit. Daseins erfahren lässt. Grotesk, humorvoll, abgründig und Eröffnung: 17. April; bis 1. Juni Schwaz, Galerie der kritisch. bis 29. März Graz, Galerie Artepari Stadt Schwaz

Oberösterreich

Vorarlberg

Salzburg

Wien

Stefan Balkenhol. Universe Salzburg, Galerie Thaddeus Ropac Eröffnung: 23. März; bis 11. Juni Transparent Salzburg, Galerie Altnöder Eröffnung: 20. März; bis 11. Mai

Steiermark

Maßnahmen Zur Rettung Der Welt_Teil 1 Graz, Rotor Eröffnung 8. März; bis 25. Mai Billy and Hells Graz, Atelier Jungwirth Eröffnung: 11. März; bis 6. Juni

Tirol

Markus Lüppertz. Skulls Innsbruck, Galerie Rhomberg bis 16. März

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Martin Walde Dornbirn, Kunstraum Dornbirn Eröffnung: 11. April; bis 2. Juni

Marcus Guschelbauer. Solo VI Wien, Fotogalerie Wien bis 27. März Fine Sound. Keine Medienkunst Wien, Das Weisse Haus bis 30. März Martin Arnold. Elsewhere Wien, Galerie Martin Janda bis 30. März Stay Inside. Etti Abergel, Miriam Cahn, Marzena Nowak Wien, Galerie Mezzanin bis 4. April Julius Deutschbauer. Möbel, Topfpflanzen, Urlaubsreisen Wien, Galerie Steineck bis 4. April Amelie von Wulffen Wien, Galerie Meyer Kainer bis 30. März Michael Scoggins: Drawing The Line Wien, Galerie Hilger bis 29. März

WHAT WOULD THOMAS BERNHARD DO Festival 17/5 – 26/5 2013 Das internationale und inter­ disziplinäre Festival „WWTBD – What Would Thomas Bernhard Do“ positioniert sich in der Tradition des kritischen wie unbequemen Denkens des österreichischen Autors, erweitert dieses jedoch in die heutige Zeit. Täglich von 14 Uhr bis 2 Uhr nachts widmen sich mehr als hundert Akteure in Talks, Diskussionen, Filmen, Vorträgen, Lesungen, Performances, Konzerten und Partys zentralen Fragestellungen unserer Gesellschaft. Informationen zu Programm und Kartenvorverkauf ab 25. März unter www.kunsthallewien.at

HOMAS BE DT RN UL O

DO RD HA

TEXT Margit Emesz BILD Artepari, Matthias Herrmann

Patrick Schmierer und Robert Schuster Gmunden, Galerie 422 Eröffnung: 1. März; bis 7. April

#WWTBD

WHA TW

T ermine

Kunsthalle Wien Museumsplatz 1, 1070 Wien, Austria www.kunsthallewien.at www.facebook.com/KunsthalleWien www.twitter.com/KunsthalleWien

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TERMINE

FESTIVALS

4 Fragen an C. Wellmann (Nextcomic-Festival) Warum Nextcomic-Festival? Was wird da gesucht? Wir zeigen neue Tendenzen im sich stetig füllenden Comic-Ozean, unbewohnte Inseln – abseits von mit Pauschaltourismus und Lachszuchten verstopften Kanälen. Das nexte Ding. Wie können wir uns das Festival vorstellen? Das nunmehr 5. Festival unter dem Motto »NC goes Music« zeigt Ausstellungen an 18 Locations in Linz, viele eigens zum Thema, von (inter-) nationalen Comic-Zeichnern wie u. a. Jay Wright, Mikkel Sommer, Felix Pestemer, Elektrika, David Biskup, Jul Gordon, tonto – oder dem allseits bekannten Graffiti-Zeichner Skero von Texta. Zudem gibt es eine dreitägige Nightline (»Flip & Average: Tuesday Classics 2«, CommandyoursoulDJs im OK Mediendeck, Comic-Artists als DJs und Live-Acts), Live-Zeichnen, Vorträge, 3D-Graphics im Ars Electronica Center, Signierstunden, einen Kindernachmittag uvm. – alles bei freiem Eintritt. Das Nextcomic findet in Linz statt. Warum gerade dort und wie ist die Comicszene in Österreich vernetzt? Das erste NC wurde als Projekt des Linz09Kulturhauptstadtjahres initiiert. Der Status von Linz als de-facto Kleinstadt stellte sich als sehr dienlich zur Durchführung des einzigen Festivals dieser Art in Österreich dar, auch innerhalb des produktiven Dreiecks mit Graz (tonto) und Wien (Mahler, Kabinett, Atzgerei etc.), die laufend Gäste beim Festival sind. Für die Vernetzung ist natürlich der Comicstammtisch in Wien ein zuverlässiger Motor, wo z.B. das tisch14-Comic entstand, das auch für »NC goes Music« ein Musikspezialheft präsentieren wird. Wenn gerade kein Nextcomic stattfindet – wo muss ich in Linz hin, um die Szene kennenzulernen? Am besten zu den »Kitchen Drawings« von Unkraut Comics (via Homepage), oder den NC-Corner im OÖ-Kulturquartier besuchen, wo das ganze Jahr über Comic-Ausstellungen zu sehen sind. Oder die Fabriksarbeiter von Moff-Comics (Gerhard Hade rers feines Schundheftl) treffen. Nextcomic-Festival: NC Goes Music 21. bis 28. März Linz; www.nextcomic.org

Mitglieder der Bands Valina und Kurort haben historische Bilder mit Kommentaren aus der Regionalzeitung des Salzkammerguts und raren Beat- und Ambientaufnahmen zum Dokufilm »Innere Blutungen« arrangiert. Er wird das zehnte Crossing Europe-Festival eröffnen.

Crossing Europe Ein tanzender Fallschirmspringer in luftiger Sorglosigkeit – das zeigt der Festival-Trailer »Cinema Isn’t I See, It’s I Fly« der zehnten Ausgabe des Linzer Filmfestivals, der neugierig auf die etwa 150 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme macht. Zwei der vier Eröffnungsfilme – »Winterdieb« und die Dokumentation »Innere Blutungen« – sind hingegen ausgesprochen alpenländisch. Denn im schweizerischen Spielfilm, der 2012 mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde, stiehlt ein Junge die Ausrüstung von Skiurlaubern, während die Doku von Provinzgeschichten aus dem Salzkammergut erzählt. Damit versucht das Crossing Europe weiterhin, ober­ österreichischen Dokumentationen eine Bühne zu geben. Wie man sich überhaupt um österreichischen Film bemüht: gemeinsam mit der Diagonale im Rahmen von »Austrian Screenings« und auch über das Netzwerk Fresh Danube Films, das für Filmemacher aus dem ganzen Donaraum offensteht. Streifzüge durch das zeitgenössische und sozialpolitische Europa sind die logische Folge. 23. bis 28. April Linz, OÖ Kulturquartier

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TERMINE

FESTIVALS Das tote Einhorn ist nur eine von vielen skurrilen Illustrationen des spanischen Künstlers Bakea.

1.524 … soviele gleichgeschlechtliche Paare haben sich seit dem 2010 eingeführten Gesetz für Eingetragene Partnerschaft in ihrem Bezirksamt registrieren lassen. Tendenz fallend. Dafür gibt es heuer aber wieder das lesbisch-schwule Filmfest »Identities«, das ab 6. Juni im Wiener Filmcasino stattfindet.

TEXT Sarah Al-Hashimi BILD NEXTCOMIC-Festival / Jay Wright, Crossing europe, Retro Goldmine, Pictoplasma, Bakea, Poolinale, Discovery

Pictoplasma Was das Art-Festival Pictoplasma zu bieten hat – außer tiefen Einblicken in figürliche Gestaltung und Character Design? Einhorngedärme und Kriegspferdkeramik. Dazu Dummes und Absurdes aus Frankreich, Kunst aus Belgien, die tötet, weil sie so glücklich macht, Geschichtenerzähler aus Kanada und sogar einen WannabeRockstar aus Italien. Also recht viel. Idealerweise schaut man sich das natürlich vor Ort an – auch, weil es ein ähnliches Festival in ganz Österreich nicht gibt. 10. bis 14. April, Babylon und diverse Ausstellungsorte

Mumford & Sons auf Railroad-Tour quer durch amerikanische Landschaften im »Big Easy Express«.

Austrian Film Festival

Nix Haneke. Nix Waltz. Das Austrian Film Festival zeigt Filme von Unabhängigen und Newcomern. Und die sind nicht weniger sehenswert als das, was Österreich eh schon kennt, obwohl natürlich in dem einen oder anderen Film bekannte Gesichter zu sehen sind. Wie etwa Serge Falk oder Adele Neuhauser. Aber das nur so nebenbei. Ein Festival von Filmemachern für Filmemacher. 19. bis 21. April, Wien, Breitenseer Lichtspiele

Sound:frame

Vernetzung ist das diesjährige Thema des Sound Frame-Festivals für audiovisuelle Kunst. Nicht nur das MAK zeigt erneut die Ausstellungsreihe zum Event »The House Of Drift«, auch internationale DJs und VJs werden in Wien ihre Klangbilder und Bildklänge vorführen. Zärtliche Töne von Sohn oder Souliges von Fatima sowie außergalaktische Lichtkunst. 4. bis 21. April, Wien, diverse Locations

Poolinale Von ungewaschenen Stars und den letzten überlebenden Plattenläden in England erzählen die Musikfilme »Big Easy Express« und »Last Shop Standing«. Mumford & Sons oder Norman Cook werden so in Österreichpremieren bei der Poolinale auf Leinwand zu sehen sein – einem Festival, das sich Filmen mit und über Musik verschrieben hat. Reisen ist der diesjährige Themenschwerpunkt. Und von wegen Rundreise: Den großartigen Dokufilm »Searching For Sugarman« hat bis zum Start hoffentlich schon jeder gesehen. 18. bis 21. April, Wien, Topkino

Viennese Soulfood Festival

Klingt arg, ist aber so. Ein Musikmarkt, Konzerte und Diskussionen sollen den Wiener Musik-Hunger nach Neuem stillen. Zum Beispiel Regolith. Eine der heimischen Musikschaffenden, die das Viennese Soulfood Festival eröffnen. Independent-Labels feilschen am Markttag, tanzen und streiten bei Nacht. Ein Loch im Bauch wird danach für einige Tage mal keiner mehr haben. 26. bis 28. April, Wien, Brut 079

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jeunesse jazz+ experimental

TERMINE

MUSIK

Porgy & Bess | Riemergasse 11 | 1010 Wien

Kompost3 © Rania Moslam

12.3. Di | 20:30 | »All that Jazz«

kompost3 Martin Eberle Trompete

Benny Omerzell Hammondorgel, Rhodes, Klavier Manuel Mayr E-Bass, Kontrabass Lukas König Schlagzeug, Elektronik

15.3. Fr | 20:30 | »Jazz & beyond«

Kalifornia Kurt macht White-Trash-Tanzmusik.

topos quartet Evan Parker

Jack by The Gap – Kalifornia Kurt

Saxophon, Klarinette

Agustí Fernández Klavier Paul Lytton Schlagzeug Barry Guy Kontrabass

HudMo selbst meinte über ihn: »Vienna’s most annoying motherfucker«. Wenn so etwas vom schottischen Trap-Vordenker höchstpersönlich kommt, ist das wohl eine Empfehlung. Falls nicht, empfehlen wir ihn. Kalifornia Kurt ist Beatbastler aus Wien und hat eine Schwäche für abseitige Party-Locations: Minigolfplatz, Ateliers, Café Urania. Sein Mix aus Boogie, HipHop und Disco ist folglich auch immer eine Spur daneben und passt insofern hervorragend in den räudigen Morisson Club. Außerdem schon fix: Jack kommt am 26. April wieder. 29. März Wien, Morisson

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Ernesty International 13.3.

© Clemens Kogler

Vollpreis eur 18,–

Mi | 20:00 Einlass | 20:30 Beginn GARAGE X | EUR 12,– | 14,– (VVK | AK) Petersplatz 1, 1010 Wien

Die Young Dreams liefern den Kontrapunkt zum leisen Abschied vom Salzburger Yeah! Club.

Goodbye Yeah! Club saison

2012|13

klassik jazz world neue musik kinderkonzerte

Der Yeah! Club verabschiedet sich in den Ruhestand. Und wer das bunte Treiben der Veranstaltungsreihe – zwischen Gitarre und Elektronik, eher avanciert, in jedem Fall aber frisch – in den letzten sieben Jahren verfolgt hat, kann eigentlich nur zu einem Schluss kommen: ewig schad! Zum Abschied gastieren Young Dreams (Bild), Sun Glitters, Wolfram und DJ Philipp L’Heritier. Ein trauriger Abschied, aber ein würdevoller! 12. April Salzburg, Rockhouse

TEXT Stefan Niederwieser, Manuel Fronhofer BILD Kalifornia Kurt, Andrew Amorinmed, Haight-Ashbury, Free the Robots, Tom Cockram, Murat Aslan, Gilles Peterson

19:15 | Meet the artists: Ute Pinter im Gespräch mit den Künstlern

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TEXT Stefan Niederwieser, Manuel Fronhofer BILD Kalifornia Kurt, Andrew Amorinmed, Haight-Ashbury, Free the Robots, Tom Cockram, Murat Aslan, Gilles Peterson

TERMINE

MUSIK

highlights

Springbreak

Sa. 16.03. // 20:00 Kabarett

Dass Musik hier nicht nur museal aufbereitet, sondern tatsächlich erlebt werden soll, zeigt das Haus der Musik auch außerhalb seiner Ausstellungsräumlichkeiten: mit der Konzertreihe »Live On Stage« etwa, aber auch mit dem zum dritten Mal stattfindenden Mini-Festival Springbreak. Im glasüberdachten Innenhof des Klangmuseums sind diesmal Friska Viljor, Haight-Ashbury (Bild), Worth und Harlequin’s Glance zu sehen – und zwar für lau! 23. März Wien, Haus der Musik

Uta Köbernick (D): Auch nicht schlimmer

Mo. 18.03. // 20:00 LiteraturSalon

Joe R. Lansdale: Dunkle Gewässer

Mi. 20.03. // 20:00 Szenische Lesung

Thomas Maurer: Soldatenleben in Frieden

Free The Robots & Mono/Poly Harlem Shake. Da stand sie also im Flex, die aktuelle Nummer eins aus den USA. Ganz unverhofft. Baauer konnte sicher nicht ahnen, welche Ausmaße der Hype um ihn annehmen würde. Was das mit Free The Robots und Mono/Poly zu tun hat? Die Clubserie Canyoudigit holt sie alle nach Wien. Baauer noch lange vor dem Hype. Das zeigt, welch feines Naserl man bei Canyoudigit für Beat-Ware hat. 23. März Wien, Café Leopold

Peter Hook And The Light

Mi. 20.03. // 20:00 TanzTage 2013

Wayne McGregor | Random Dance (GB): FAR

Mit »Unknown Pleasures«, dem Debütalbum seiner früheren Band Joy Division, wird Peter Hook nichts weniger als einen Klassiker auf die Bühne des Wiener Flex bringen. Nach seiner nicht gerade amikalen Trennung von New Order betreibt »Hooky« die Nachlassverwaltung des musikalischen Erbes der Postpunk-Legenden Joy Division nun also unter eigener Flagge – und mit einer Begleitband, in der auch sein Sohn Jack Bates in die Saiten greift. 23. März Wien, Flex

Fr. 22.03. // 20:00 Indierock

Bushido

Fr. 05.04. // 20:00 TanzTage 2013

Naked Lunch / Bernhard Eder

Sa. 23.03. // 20:00 Szenische Lesung

Maria Hofstätter & Martina Spitzer: Fall Ich

Gallim Dance (USA):

Die Bambi-Jury erkannte in ihm ein Beispiel für gelungene Integration, für andere war die Auszeichnung angesichts manch frauen- und schwulenfeindlicher Texte des Rappers schlicht ein Affront. Dann war da noch das Argument vom Tabubruch als künstlerisches Stilmittel und schließlich des Scharfmachers Hinweis auf die eigene Lernfähigkeit. So oder so: Bürgerschreck Bushido gastiert wieder in Wien – vorsichtshalber schon mal die Kinder einsperren! 17. April Wien, Gasometer

Mama Call / Pupil Suite

Sa. 06.04. // 20:00 Russian Ska

Russkaja

Mi. 10.04. // 20:00 Indierock

Tocotronic: Wie wir leben wollen

Gilles Peterson So nach und nach lockt der Ruf der heimischen Clubkultur diverse Legenden der elektronischen Musik nach Wien. Dabei war Gilles Peterson – Erfinder von Acid Jazz – schon Ende der 80er regelmäßig im Volksgarten zu Gast und gilt als zündender Funke, der dann zu Downtempo führte. Mit seinen Worldwide Shows hat er seither Eklektizismus auf höchstem Niveau vorgeführt. Ja, eine Legende. 27. April Wien, Grelle Forelle

Fr. 12.04. // 20:00 Rock

Porn To Hula & Loten Namling: „The Long March“ Plattenpräsentation

So. 14.04. // 20:00 Doom-Metal

Pallbearer / Royal Thunder / Dirt Deflector

Naked Lunch

Teen

Eels

Mit dem überzeugenden neuen Album »All Is Fever« auf ausgedehnter Österreich-Tour: Naked Lunch. Die Herzen werden brennen! 14. März Graz, PPC — 15. März Innsbruck, Treibhaus — 16. März Dornbirn, Spielboden — 19. März Wien, Arena — 21. März Salzburg, ARGE Kultur — 22. März Linz, Posthof — 23. und 24. März Klagenfurt, Theaterhalle 11 — 6. April Aflenz, Sublime

Kristina Lieberson könnte einem schon als frühere Keyboarderin bei Here We Go Magic ein Begriff sein. Mit ihrer neuen Band Teen und auf dem Album »In Limbo« greift sie im Dienste des von ihr proklamierten Psychedelic Gospel auf den Sound der 60er und 70er Jahre zurück: The Velvet Underground und Girl-Group-Pop lassen entrückt grüßen. 11. April Kufstein, QWest — 12. April Wien, Chelsea

Alle Ermüdungserscheinungen sind vergessen – auf »Wonderful, Glorious«, Album Nummer zehn, bedient sich Mark Oliver Everett auf so frische und abwechslungsreiche Art in seinem musikalischen Fundus, dass es eine Freude ist. Ja, und live sind die Eels sowieso stets eine Bank. 14. April Salzburg, Republic — 19. April Graz, Orpheum — 20. April Linz, Posthof — 21. April Wien, Gasometer

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Sa. 27.04. // 20:00 Songwriter

Keller Steff / Jo Strauss

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Know-Nothing-Gesellschaft von Illbilly The K.I.T.T.

Jetzt wär es super,  einen Jubiläumstitel zu finden.

illustration Jakob Kirchmayr

E

s ist kein großes Geheimnis, wenn ich an dieser Stelle verrate, dass ich schon in allen möglichen Verfassungen Kolumnen fabriziert habe. Von A wie »ausgeschlafen« bis Z wie »zu wie ein Esel« reicht die Gemüts- und Bewusstseinszustandspalette. Wobei ich nicht mit der Erkenntnis hinterm Berg halten möchte, dass sowohl alles ausgeschlafen Formulierte als auch das in Trunkenheit zustande Gekommene eher nicht zu den ganz gelungenen Kolumnen zu zählen ist. Das nur zur Info. Ebenfalls zur Info soll erwähnt sein, dass ich bis dato drei Kolumnen pudelnackt tippte. Bei mindestens fünf Texten wärmte ich mir die Füße am Ladegerät vom Laptop. Eine Kolumne schrieb ich im Krankenhaus. Und eine am Berliner Flughafen. Das war lustig: Ich kaufte mir ein sehr, sehr billiges Ticket, stieg ein, flog hin, schrieb und flog wieder zurück. Ich dachte, es macht sich im Lebenslauf gut, wenn ich auch einmal im Ausland gearbeitet habe. Ich schreib das auch immer in mein CV hinein. »24. 5. 2007: Flughafenaufenthalt Berlin, Kolumne «Drei Spritzer bitte!«. Außerdem wollte ich mich gegen meine Flugangst immunisieren und war auf zwei Wodka und einem Valium. Jetzt trage ich übrigens gerade einen Anzug. Mit Krawatte. Guter Stoff gehört dazu, wenn es was zu feiern gibt. Ich habe nämlich festgestellt, dass ich seit mittlerweile zehn Jahren regelmäßig an dieser Stelle absenfen darf. Da ist es schon erlaubt, ein wenig zu bilanzieren. Wobei, schade eigentlich, denn so kann ich nicht über die Teilzeitclowns vom Leder ziehen, die sich ständig zu müden Pferdefleischwitzchen hinreißen lassen (mich eingenommen). Und zu Oscar Pistorius wollte ich ein wenig über fehlende Gliedmaßen sinnieren. Einen ekelig flutschigen Text über Leerstellen wollte ich hier reinschmieren. Über die Sehnsucht mancher Menschen nach Amputation. Heller & Qualtinger mit ihrem »Krüppellied« hätte ich erwähnt, Pungent Stench wären drinnen vorgekommen. Ebenso der Extremsportler Mike Schultz, der sich aus

Mountainbikes selbst eine Prothese zusammenschusterte. Irgendwann wäre ich dann über Red Bull bei Curling gelandet. Alles war schon fertig aufgescribbelt. Daraus wird jetzt nichts. Haha. Das nächste Mal vielleicht. Denn zehn Jahre sind auch kein schlechtes Thema. Nehmen wir etwa das Jahr 2003 her. Die Bauchige Windelschnecke ist Weichtier des Jahres. SARS hält die Welt in Atem. Die USA marschiert im Irak ein und sucht vergeblich nach Massenvernichtungswaffen. Zehn Jahre sind zudem eine schöne und lange Zeitspanne. Werde ich zum Beispiel hundert Jahre alt, könnte ich, bevor das Auge bricht, behaupten, dass ich ein Zehntel meines Lebens Kolumnist bei einer ursupergeilen Diskurs- und Glamourzeitschrift war. Wobei, das ist eher unwahrscheinlich. Denn erstens habe ich, auch wenn die Medizin unentwegt Fortschritte macht, nicht das Gefühl, hundert zu werden. Und zweitens, selbst wenn ich meinen hundertsten Geburtstag erleben würde, müsste ich noch heuer mit dem Kolumnenschreiben aufhören. Wenn ich nämlich ins elfte, oder zwölfte, oder dreizehnte, oder vierzehnte Kolumnenjahr gehe und am Ende hundert werde, kann ich nämlich nicht mehr so lässig behaupten, ein Zehntel meines Daseins so verbracht zu haben. Ich müsste ins Prozentuelle wechseln. Das ist schwierig, wobei, gerade wenn ich hundert werde, traute ich mir dieses extraordinäre Kunststück zu: »Hey!«, würde ich sagen, »hey, du hast elf, oder zwölf, oder dreizehn, oder vierzehn Prozent deiner Lebenszeit als Kolumnist für eine ursupergeile Diskurs- und Glamourzeitschrift gearbeitet. Respekt.« Ich habe also nicht vor aufzuhören, gegen höhere Fügungen kann ich aber natürlich nichts machen. Zum Beispiel könnte man dieses Blattl da einfach von heut auf morgen einstellen. Printprodukten werden ja jetzt nicht unbedingt rosige Zukunftsperspektiven prognostiziert. Alles ziemlich totitot, heißt es. Man könnte mich aber vielleicht auch raushauen. Gründe hab ich in den letzten zehn Jahren genügend geliefert. Sieben Feministinnen, vier ORF-Redakteure, zwei Pressesprecher (einmal Parteipolitik, einmal NGO), zwei Anzeigenkunden und ein Kabarettist haben sich beschwert. Unter

anderem mit diesen Worten, die mir weitergeleitet wurden: Also »Fut«, »Schwanz«, »pudern« waren ein wenig sehr inflationär gebraucht, ihr solltet den Burschen zurückpfeifen. Da musste ich schon sehr lachen, damals. Jetzt eigentlich auch noch und gerne würde ich alle mitlachen lassen, aber ich darf nicht sagen, wer sich da so echauffiert hat. Was ich schon sagen darf, ist, dass ich bei 89 Kolumnen, die ich in zehn Jahren schrieb, ein einziges Mal den Redaktionsschluss eingehalten habe. Für alle, die es genau wissen wollen: Das war am Montag, dem 7. September 2009 und wen es interessiert, welches Wetter damals in Wien war, bin ich diesbezüglich sehr auskunftsbereit. Ich muss halt das alte Notizbüchlein suchen, wo das vermerkt ist, oder bei der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik anrufen. Das mach ich gern. Und oft. Irgendwie muss man ja seine 1.000 Freiminuten am Handy verbrauchen. Aber bitte beeilen mit den Anfragen diesbezüglich, ich habe nämlich den leisen Verdacht, dass man mich aus wirtschaftlichen Gründen durchaus einsparen möchte. Vor zehn Jahren hatte ich nämlich den ebenso aberwitzigen wie hellsichtigen Vorschlag, dass sich mein Honorar jährlich um zehn Prozent erhöht und im zehnten Jahr verdoppelt. Man stimmte zu, auch weil niemand dachte, dass ich so super bin. Wie auch. Bei einem so deppaten Pseudonym. Mittlerweile haben die Controllerärsche aber geschnallt, dass sich mit meinem erklecklichen Honorarsümmchen locker vier Praktikanten ausgehen könnten, die dann flotte Online-Storys machen und lecker Partyabende organisieren. Ich weiß auch schon, welchen: »Zehn Jahre Know Nothing Gesellschaft«.

Illbilly The K.I.T.T. www.facebook.com/ illbilly

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