2 minute read
Famileinromane
We are Family!
Knapp vor Mitternacht, ein Roofgarden mitten in Frankfurt. Ein großes Fest meines Verlages, die einzige Buchmessenparty 2018. Da die Leute nicht mehr so viele Bücher kaufen, müssen die Verlage sparen und feiern weniger. Alle halten Drinks mit fancy Namen, umarmen und begrüßen einander, es wird getanzt, getrunken und geraucht, als gäbe es kein Morgen. Alexa Hennig von Lange sieht noch immer aus wie das durchgeknallte Mädchen von vor zwanzig Jahren, doch der Schein trügt. Inzwischen ist sie erwachsen, verheiratet und hat fünf Kinder. Wir reden über ihr neues Buch Kampfsterne, in dem die Protagonistin ein durchgeknalltes Mädchen vor vierzig Jahren ist, das zufällig Lexchen gerufen wird. Ich bekunde ihr meinen Respekt für dieses Buch, frage, wie sie es gewagt hat, über ihre Familie zu schreiben.
Advertisement
„Ha“, lacht sie, „meine Mutter war zunächst ein bisschen nervös, aber dann hat sie es gelesen und war sehr amüsiert und erleichtert, das hätte ja nichts mit uns zu tun, meinte sie.“ Und schon befinden wir uns mitten in einer angeregten Diskussion über Familie. Unsere Kinder, unsere Eltern, unsere Geschwister – und was das alles mit uns macht – dieses „Wo-komm-ich-eigentlich-her-Gefühl“. Egal, ob du ein Mann bist oder eine Frau, jung oder alt, völlig welt offen oder erzkonservativ, ob du Frauen liebst oder Männer, Familie ist für alle der Dreh- und Angelpunkt im Leben. Egal, welchen Beruf du ergreifst, ob du Karriere machst oder einfach nur ein gutes Leben haben willst, ob du arm bist oder reich – dem Thema Familie entkommst du nicht. Deswegen sind es auch die sogenannten Familienromane, die bei uns im Laden immer wieder das Rennen um die beliebtesten Bücher gewinnen. Geschichten, die uns irgendwie dabei helfen, das komplexe Thema „Familie“ aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten, die uns vielleicht einen Hinweis darauf geben können, warum wir so oft nach den immer selben Mustern handeln oder warum wir es partout anders machen wollen als unsere Eltern. Dazu brauchen wir Geschichten über andere Familien, Familiengeschichten, die in den Köpfen der SchriftstellerInnen entstanden sind. Und doch haben wir alle schon oft beim Lesen gedacht: Warum schreibt der/die über mich? Literatur kann Therapie nicht ersetzen, aber uns vielleicht ein bisschen dabei helfen zu verstehen, warum wir so sind, wie wir eben sind. –––– von Petra Hartlieb
---------------------------------------------------------
---------------------------------------------------------
ALEXA HENNIG VON LANGE
Kampfsterne
Die Autorin beschreibt schonungslos und mitreißend das chaotische Miteinander dreier Familien in den Achtzigern, die an ihren eigenen Idealen zu zerbrechen drohen. Hemmungslos werden Ehemänner gehasst und Nachbarskinder süßer und begabter gefunden als die eigenen ... Eine bitterböse Abrechnung mit Familienstrukturen der damaligen Zeit. Witzig und tragisch zugleich!
DuMont, 224 S., € 20,60
---------------------------------------------------------
TOM RACHMAN
Die Gesichter
Das Leben ist nicht leicht, wenn man der Sohn eines berühmten und exzentrischen Künstlers ist. Das bekommt Pinch von Kindesbeinen an zu spüren. Wie gerne würde er selbst Maler werden, schillernd wie sein berühmter und geliebter Vater. Doch mit einer beiläufigen Bemerkung macht dieser alles zunichte, und so bleibt Pinch sein ganzes Leben der unbegabte Sohn. Bis er einen Plan schmiedet, der sie beide als Künstler unsterblich machen soll. Ein berührender Vater-Sohn-Roman, nicht nur für kunstinteressierte LeserInnen. dtv, 416 S., € 22,70
---------------------------------------------------------
JULI ZEH
Neujahr
Auf knapp 200 Seiten einen Familienroman, eine Gesellschaftsanalyse und einen Thriller zu schreiben, das kann nur Juli Zeh. Alles fängt gut an, ein Familienurlaub auf Lanzerote, Henning bricht zu einer Fahrradtour auf, ohne Ausrüstung und Proviant fährt er viel zu weit und erleidet einen Zusammenbruch. Doch nicht nur körperlich ist er am Ende auch psychisch – und plötzlich erinnert er sich: Er war schon einmal da ...
Luchterhand, 192 S., € 15,99
---------------------------------------------------------
ASTRID ROSENFELD
Kinder des Zufalls
Zwei Menschen treffen aufeinander: der abgehalfterte Fernseh-Cowboy Maxwell und die ehemalige Tänzerin Elisabeth. Mit filmischer Meisterhaftigkeit erzählt Astrid Rosenfeld nicht nur die Geschichte der beiden, sondern auch die ihrer Eltern – und führt vor Augen, wie manchmal eine zufällige Begegnung über das Entstehen von Beziehungen und Menschenleben entscheiden kann.
Kampa, 272 S., € 22,60