JOURNAL FÜR PHARMAKOLOGIE UND THERAPIE

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ISSN 1432-4334 JAHRGANG 30 HEFT 1 Februar 2021

FÜR PHARMAKOLOGIE UND THERAPIE

JOURNAL OF PHARMACOLOGY AND THERAPY

Lokalbehandlung des Herpes genitalis in der erosiven Phase: Offene zweiarmige Vergleichsstudie mit Creme und Lotion mit biologisch aktiven Wirkstoffen Sichelzellkrankheit: Symptome, Ursachen und Behandlung Allergieschutz vom Bauernhof Rezidiviertes multiples Myelom: Patienten profitieren von der Triplett-Therapie mit Isatuximab Colitis ulcerosa: Vollständige endoskopische Heilung bei ausreichend hoher Mesalazin-Konzentration IL-17A-Inhibitor Secukinumab: Umfassende Wirksamkeit bei axialer Spondyloarthritis

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EDITORIAL

Kaum zu glauben – Ende Januar jährte sich die Meldung, dass in Deutschland eine Infektion mit dem „neuartigen“ Coronavirus SARSCoV-2 nachgewiesen wurde. Kaum 6 Wochen später hatte uns das Virus im Griff. Mangels wirksamer Impfstoffe und/ oder antiviraler Medikamente war der Schutz vor Ansteckung schnell die einzige potenziell aussichtsreiche Strategie und die „AHA-Regel“, d.h. Abstand halten, Hygiene beachten und Alltagsmasken tragen, wurde eingeführt. Jeder Aspekt ist für sich gesehen irgendwie einleuchtend, als Strategie und in der Kommunikation allerdings von vorneherein eine Katastrophe [1], konzeptionell Kraut und Rüben. Abstand halten und Hände waschen schützen ja in allererster Linie den, der es tut („Selbstschutz“). Alltagsmasken hatten aber von Anfang an nur einen Zweck, nämlich den Schutz der anderen, obwohl wir mit gängigen Sammelbegriffen wie „Mund-Nasen-Schutz“ automatisch genau das Gegenteil, nämlich Selbstschutz verbinden. Klar, wo immer wir im täglichen Leben Gegenstände mit dem Wort Schutz kombinieren, dienen diese dem Selbstschutz (vgl. Schutzkleidung, Schutzhelm, Schutzbrille etc.). Alltagsmasken haben aber ein ganz anderes Primärziel: Sie sollen mit Viren beladene Tröpfchen „abfangen“, die nicht nur beim Husten und Niesen entstehen, sondern auch (was erst nach und nach wahrgenommen wurde) beim Sprechen, insbesondere beim lauten Sprechen. Diesen Zweck hat schon Opas „Sacktuch“ aus einlagigem Baumwollstoff zufriedenstellend erfüllt, und dies ist auch der originäre Zweck medizinischer oder OP-Masken. Sie sollen den Operationssitus vor einer „Mikrobendusche“ schützen, nicht aber Operateure und medizinisches Personal vor dem Operationssitus. Ein spezielles Lüftungssystem sorgt im OP ergänzend dafür, dass kleinere Tröpfchen, sog. Aerosole, sich nicht in der Raumluft anreichern. Wer jemals mit einem vorgebundenen Tuch, einem Windstopper oder einer OP-Maske einen staubigen

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Corona und die Maskenpflicht: ein Trauerspiel ohne Ende Keller aufgeräumt hat, weiß, dass sich eine dicke Schicht von Staubpartikeln in den Bereichen niederschlägt, die nicht absolut dicht schließen, also insbesondere um die Nase herum und an den Seiten. Charakteristisch für „normales“ Atmen sind ein geringeres Atemzugvolumen (typischerweise nur zwischen 0,5 und 1 Liter) und genügend Zeit für die Luft, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen – das Ein- und Ausatmen erfolgt zu einem Gutteil bis überwiegend durch Masken-Leckagen. Das passiert (unwissentlich!) auch bei SARS-CoV-2-Infizierten in den letzten Tagen vor dem Eintreten der ersten Symptome, in denen die Infektiosität am höchsten ist, und natürlich auch bei den 50 – 90 % der asymptomatisch Infektiösen, bei denen nie ein Coronatest gemacht wurde. Die Betroffenen husten nicht, niesen nicht, produzieren aber am laufenden Band Aerosole [2]. Für das AHA-Schutzkonzept bedeutet dies, dass das zweite A nur ausnahmsweise richtig funktioniert, nämlich beim Husten, Niesen und lauten Sprechen, nicht aber beim normalen Atmen, vor allem in Ruhe und damit assoziierter flacher Atmung (also in Schulen, Büros, im öffentlichen Verkehr etc.). Und dass Wunsch und Wirklichkeit umso weiter auseinanderklaffen, je schlechter die Passform einer solchen scheinbar Mund und Nase verhüllenden Mund-Nasen-Bedeckung ist. Unverändert ein kaum thematisiertes Riesenproblem ist das allenthalben zu beobachtende „Trageverhalten“. Da rutscht die Maske alle paar Sekunden von der Nase oder diese ist gleich weitgehend oder ganz unverhüllt. Unverständlicherweise hat bis heute meines Wissens niemand eine Untersuchung zum Anteil der korrekt getragenen Masken

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Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch

gemacht, obwohl das z.B. durch Auswerten eines Sendetages bei mehreren Fernsehsendern höchst einfach und sogar recht repräsentativ quantifiziert werden könnte. Alle als Argument bislang angeführten Studien und Reviews, auch der soeben im Deutschen Ärzteblatt erschienene Beitrag [3], fokussieren nicht auf diese Realbedingungen, sondern arbeiten sich ab an Labor­ untersuchungen unter definierten Tragebedingungen und mit standardisierter Tröpfchenproduktion, oder untersuchen ein professionelles Umfeld (z.B. medizinisches Personal) oder stammen aus Asien, wo seit vielen Jahren Masken regelhaft aus tauglichem Material sind und korrektes Tragen die Regel ist. Sogar ein Schwellenland wie Südafrika wirbt mit großflächigen Plakaten „wear your mask properly“, ein Appell, der in Deutschland bis heute bei Weitem nicht mit dem gebotenen Nachdruck und schon gar nicht mit der erforderlichen Penetranz kommuniziert wird. Bisher haben auch Anregungen und Forderungen, © VERLAG PERFUSION GMBH


INHALT

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z.B. im Rahmen von Anhörungen zum Entwurf von Coronaschutzverordnungen, nicht geholfen, fahrlässig falsch getragene Masken in der Öffentlichkeit als Verstoß gegen die Maskenpflicht genauso zu ahnden wie das Verweigern des Maskentragens. Ich plädiere auch für wirklich konsequentes Ahnden und wirklich empfindliche Bußgelder. Eine solche „Fahrlässigkeit“ ist nämlich kein Kavaliersdelikt, sie kann schnell Mitmenschen das Leben kosten! Sie konterkariert auch das erhebliche zusätzliche Schutzpotenzial, das mit der erst vor Kurzem eingeführten Pflicht zum Tragen von FFP2Masken mobilisiert werden könnte, wenn diese flächendeckend in allen geschlossenen Räumen obligatorisch wären, in denen sich mehrere Personen über längere Zeiträume und/oder regelmäßig aufhalten. FFP2-Masken sind nämlich das entscheidende „Missing Link“, das die AHA-Regel zu einem konsistenten Werkzeug der Corona-Prävention macht. Erst mit diesen Masken ist der AHA-Selbstschutz komplett und funktioniert zuverlässig, wann immer jemand die Regeln beherzigt, auch wenn andere sich nicht daran halten. Sie bieten Schutz gegen Anhusten und Anniesen, aber auch gegen schwebende infektiöse Aerosolpartikel. Und nebenbei sind alle anderen auch geschützt. Karl-Ludwig Resch, Nürnberg

Quellen 1 Resch KL. Maskenpflicht: Paradigmenwechsel überfällig! J Pharmakol Ther 2020;29:73-74 2 Resch KL. Aktueller Stand der Erkenntnis zu den Übertragungsmechanismen von SARS-CoV-2 und der Wirksamkeit präventiver Maßnahmen in geschlossenen Räumen mit besonderem Fokus auf Aerosole – ein systematischer Review. J Pharmakol Ther 2020;29:76-82 3 Hemmer CJ et al. Schutz vor COVID-19: Wirksamkeit des Mund-Nasen-Schutzes. Dtsch Arztebl Int 2021;118:59-65

ORIGINALARBEIT Lokalbehandlung des Herpes genitalis in der erosiven Phase: Offene zweiarmige Vergleichsstudie mit Creme und Lotion mit biologisch aktiven Wirkstoffen Simona Holcová, Marie Hladiková, Mathias Schmidt

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ÜBERSICHTSARBEIT Sichelzellkrankheit: Symptome, Ursachen und Behandlung Brigitte Söllner

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INTERVIEW Allergieschutz vom Bauernhof Interview mit Frau Professor Erika Jensen-Jarolim

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS Rezidiviertes multiples Myelom: Patienten profitieren von der Triplett-Therapie mit Isatuximab

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Colitis ulcerosa: Vollständige endoskopische Heilung bei ausreichend hoher Mesalazin-Konzentration

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL IL-17A-Inhibitor Secukinumab: Umfassende Wirksamkeit bei axialer Spondyloarthritis

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RUBRIKEN Wissenswertes 11, 16, 26 Kongresse 28

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ZUSAMMENFASSUNG Hintergrund: In einer früheren Studie wurde gezeigt, dass die Anwendung einer Lotion mit Bisabolol, α-Tocopherolacetat, Propolis-Spezialextrakt GH 2002 und Panthenol bei Episoden von Herpes genitalis eine Linderung von Schmerz und Juckreiz sowie eine rasche Abheilung der Haut­ läsionen unterstützt. Zielsetzung: In dieser Studie sollte der Einfluss der galenischen Zubereitungsform auf die klinischen Befunde bewertet werden; hierzu wurden eine Lotion und eine Creme mit den gleichen biologisch aktiven Wirkstoffen in identischer Menge appliziert. Material und Methoden: 60 Patienten mit akuten Episoden von Herpes genitalis in der erosiven Phase wurden offen entweder mit der Lotion oder der Creme behandelt (jeweils 30 Patienten pro Zubereitungsform). An den Tagen 3 oder 4, 7 ± 1, 14 ± 2 und 30 ± 2 wurden die Schmerzintensität, der Status der Abheilung der Hautläsionen und das Auftreten neuer Bläschen erfasst. Bei der Nachsorgeuntersuchung nach 90 ± 5 Tagen wurden rezidivierende Symptome dokumentiert. Ergebnisse und Diskussion: Die Beobachtungen in dieser Untersuchung waren denen bei der vorangegangen Studie sehr ähnlich. Es zeigte sich eine schnelle Schmerzreduktion mit einem 50- bis 70%igen Rückgang der Schmerzintensität auf der visuellen Analogskala am Tag 3 oder 4. Am Tag 7 ± 1 waren bei 50,0 % der Patienten, die die Lotion verwendet hatten, die Hautläsionen geschlossen. Bei den Patienten, die die Creme eingesetzt hatten, wurde dieser Befund bei 80,0 % der Patienten erhoben. Am Tag 14 ± 2 erreichten die Werte 96,7 %

Lokalbehandlung des Herpes genitalis in der erosiven Phase: Offene zweiarmige Vergleichsstudie mit Creme und Lotion mit biologisch aktiven Wirkstoffen Simona Holcová1, Marie Hladiková2, Mathias Schmidt3 Dermatologische Ambulanz, Brno, Tschechien Abteilung für Medizinische Informatik, Zweite Medizinische Fakultät, Karls-Universität Prag, Tschechien 3 Herbresearch Germany, Mattsies, Deutschland. 1

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B

ehandlungsempfehlungen bei Herpes genitalis beschränken sich weitgehend auf oral angewandte antivirale Arzneimittel [1, 2]. Topische Maßnahmen haben bislang keinen Eingang in die Therapieempfehlungen gefunden [3, 4]. Antinukleoside behindern die Virusreplikation, beeinflussen aber nicht die lokalen auftretenden Symptome Schmerz, Entzündung und Hautulzerationen – genau dies könnten aber topische Maßnahmen leisten. Trotz der steigenden Inzidenz [5, 6] ist das Thema in der medizinischen Forschung noch immer eher unterrepräsentiert. In einer vor Kurzem veröffentlichten Studie untersuchten wir das Potenzial einer topisch verabreichten Lotion mit Bisabolol, α-Tocopherol, Propolis-Spezialextrakt GH-2002 und Panthenol als lokal angewandte Maßnahmen zur Linderung von Schmerz und Hautulzerationen bei Patienten mit Herpes genitalis [7]. Diese Anwendungsbeobachtung war

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Teil einer systematischen Serie klinischer und pharmakologischer Untersuchungen: In vitro waren für den Propolis-Spezialextrakt GH-2002 viruzide Eigenschaften gegen die Herpes-Viren HSV-1 und HSV-2 nachgewiesen worden [8, 9]. Als physikalischer Wirkmechanismus wurde eine Fällung von Oberflächenproteinen der Epidermis und Mukosa durch die Polyphenole in Propolis angenommen, was zur Bildung einer Schutzmembran führen sollte, die das Eindringen der Viruspartikel in neue Wirtszellen erschweren sollte[10]. Das klinische Korrelat dieser Hypothese zeigte sich in der Beobachtung eines positiven Effektes bei Patienten mit Episoden von Herpes labialis [11–14], Herpes zoster [15, 16] und Herpes genitalis [7] nach Anwendung topischer Zubereitungen mit den genannten biologisch aktiven Wirkstoffen. In allen Studien kam es zu einer raschen Linderung von lokalen Schmerzen, Juckreiz und Entzündung sowie von Hautläsionen. © VERLAG PERFUSION GMBH


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bzw. 93,3 %. In beiden Gruppen war nach 2 Wochen keine Neubildung von Bläschen mehr zu beobachten. Diese Ergebnisse bestätigen den potenziellen Nutzen der Anwendung topischer Zubereitungen mit biologisch aktiven Wirkstoffen in der Behandlung von Herpesgenitalis-Episoden. Schlüsselwörter: Herpes genitalis, HSV-2, Propolisextrakt, Bisabolol, α-Tocopherol, Dexpanthenol

SUMMARY Background: In a previous study it was shown that a lotion containing bisabolol, α-tocopherol acetate, propolis special extract GH 2002 and panthenol supports a relief of pain and itching, as well as quick healing of skin lesions in episodes of herpes genitalis.

Objectives: The aim of this study was to assess the impact of the galenical form on the clinical observations, using lotion and creme with the same biologically active constituents in identical quantity. Material and methods: Sixty patients with acute episodes of genital herpes in the erosive phase were openly treated either by lotion or by cream (30 patients per galenical form). The progression of pain, the healing of skin lesions and the occurrence of new vesicles were rated by the physician on days 3 or 4, day 7 ± 1, day 14 ± 2 and day 30 ± 2. Recidivating symptoms were checked in a followup on day 90 ± 5. Results and discussion: The findings were well-comparable to those of the previous study.

Der beobachtete klinische Nutzen der topischen Kombination steht im Einklang mit den in Untersuchungen der einzelnen biologisch aktiven Substanzen beobachteten Wirkungen, insbesondere mit den antientzündlichen Effekten von Bisabolol [17, 18] und den antientzündlichen und hautregenerierenden Effekten von Panthenol [19, 20, 21]. α-Tocopherol hat antioxidative und antientzündliche Effekte von Relevanz für die Haut [22, 23]. Propolis-Spezialextrakt hat nicht nur antivirale Effekte [8, 9], sondern auch antibakterielle [25, 25, 26] und antientzündliche Eigenschaften [27]. In der vorliegenden Studie verwendeten wir dasselbe Untersuchungsprotokoll wie in der vorangegangen Anwendungsbeobachtung von Zelenkova et al. [7], mit einer Ausnahme: Um die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse zu überprüfen, erhielt eine Gruppe von Patienten die identische Lotion wie in der Vorstudie. Nach Abschluss dieser Untersuchung wurde diese mit einer weiteren Zubereitungsform wiederholt: Diese zweite Gruppe erhielt anstelle der Lotion eine Creme-Zubereitung mit der gleichen Menge und Konzentration der biologisch aktiven Stoffe. Ziel dieser zweiten Phase war es, herauszufinden, ob die Zubereitungsform einen Einfluss auf die beobachteten Effekte hat. Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Studiendesign Die Studie war als offene Anwendungsbeobachtung mit einer geplanten Zahl von 30 Teilnehmern konzipiert, die mit der Lotion behandelt werden sollten. Ihr folgte

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eine identisch aufgebaute, aber unabhängig durchgeführte Studie mit ebenfalls 30 Patienten, die mit der Creme behandelt wurden. Eingeschlossen werden konnten Patienten im Alter von 18 – 70 Jahren mit einer Episode von Herpes genitalis in der erosiven Phase. Die Studie wurde entsprechend den ethischen Standards der Deklaration von Helsinki/Edinburgh durchgeführt und hielt die Vorgaben der „Guten klinischen Praxis“ (GCP) nach den Definitionen der „International Convention on Harmonization“ (ICH) für Arzneimittel ein. Von allen Studienteilnehmern wurde eine schriftliche Einverständniserklärung eingeholt. Da die Studienzubereitungen als Medizinprodukte im Entwicklungsstadium klassifiziert sind, war weder ein Ethikvotum noch eine Registrierung in einem Studienregister anwendbar. Wie in der vorangegangenen Studie wurden nur Patienten eingeschlossen, die eine orale antivirale Therapie entweder ablehnten oder nicht vertrugen [7]. Die Verwendung anderer topischer Zubereitungen war nicht erlaubt. Ausschlusskriterien waren eine Überempfindlichkeit gegen Inhaltstoffe der Zubereitungen, ein paralleles Auftreten von Herpes zoster sowie Erkrankungen mit einem Einfluss auf die Funktion des Immunsystems (z.B. Karzinome, Infektionen oder Immundefizienzsyndrom). Auch der Konsum von Drogen und Alkoholabusus waren Ausschlusskriterien, ebenso die Einnahme von Analgetika oder von Entzündungshemmern im Zeitraum von weniger als 6 Stunden vor den Visiten. Bedingung für den Einschluss in die Studie war das Vorliegen erster erosiver Symptome nach der Phase der Bläschenbildung. Als Stu© VERLAG PERFUSION GMBH


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dienendpunkt war der Zeitpunkt definiert, zu dem alle Läsionen entweder verkrustet oder abgeheilt waren und keine offenen Wunden mehr vorlagen. Der Status der Episode wurde beim Einschluss in die Studie dokumentiert und dann bei den Visiten an den Tagen 3 oder 4, 7 ± 1, 14 ± 2 und 30 ± 2 nachverfolgt. Eine Nachsorgevisite am Tag 90 ± 5 diente der Überprüfung auf rezidivierende Symptome. Studienparameter Die Schmerzintensität wurde als Primärparameter auf einer 100 mm visuellen Analogskala (VAS) erfasst. Weitere Parameter waren die Zeit bis zur kompletten Verkrustung aller Läsionen, die Entwicklung neuer Bläschen nach Einschluss in die Studie und die globale klinische Bewertung des Effektes auf einer 5-Punkte-Skala (sehr schlecht, schlecht, moderat, gut und sehr gut). Unterwünschte Wirkungen wurden bei jeder Visite dokumentiert. Prüfpräparate Zum Einsatz kamen in den beiden Studienphasen zwei verschiedene galenische Formen mit derselben Zusammensetzung biologisch aktiver Substanzen: In der ersten Phase der Untersuchung erhielten die Patienten die bereits in der vorangegangenen Studie [7] verwendete Lotion (Gynoviral®, Gehrlicher Pharmazeutische Extrakte, Eurasburg/Obb., Deutschland). Nach Abschluss dieser Phase bekam eine zweite Gruppe eine experimentelle Creme-Zubereitung, hergestellt vom selben Hersteller. Lotion und Creme unterschieden sich nur in der Zusammensetzung der Hilfs-

stoffe. Beide Produkte enthielten die identische Menge an Bisabolol, Dexpanthenol, α-Tocopherolacetat, Propolis-Spezialextrakt GH 2002, Jojobaöl (Oleum Simmondsiae chinensis) und Mandelöl (Oleum Pruni amygdali). Die Hilfsstoffe der Lotion nach INCI-Deklaration (International Nomenclature of Cosmetic Ingredients) waren gereinigtes Wasser, Propylenglykol, Nachtkerzenöl (Onenonthera biennis), Natriumpyrrolidoncarboxylat, Cetyl/Stearylalkohol, Octyldodecanol, Ceteareth-30, Stearinsäure, Dimethicon, Phenoxyethanol, Carbomer, Natriumhydroxid und Zitronensäure (Lotion Chargennummer 1509). Bei den in der Creme enthaltenen Hilfsstoffen handelte es sich um gereinigtes Wasser, Xylitol, Sheabutter (Butyrospermum parkii), hydrogeniertes Polybutylen, Propylglyceryl-4-isostearat und Cetyl-polyethylen/polypropylen-glycol 10:1, Dimethicon, Hexyllaurat, Carbomer, Natriumhydroxid und Zitronensäure (Creme Chargennummer 01). Beide Zubereitungen wurden zweimal täglich auf die betroffenen Hautregionen aufgetragen.

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Pain relief was quick, with 50 – 70 % reduction on the visual analogue scale on day 3 or 4. Skin lesions were closed on day 7 ± 1 in 50.0 % and 80.0 % of patients with lotion and cream, and on day 14 ± 2 in 96.7 % and 93.3 % of patients. In both groups there was no further occurrence of vesicles after 2 weeks. These results re-confirm potential benefits of the application of dermatic preparations with biologically active natural ingredients in the treatment of episodes of genital herpes. Key words: herpes genitalis, HSV-2, propolis extract, bisabolol, α-tocopherol, panthenol

Statistische Methoden Die Studienergebnisse wurden deskriptiv analysiert. Zum Einsatz kam die statistische Software SPSS v21.0.0 (IBM-SPSS Inc., Armonk, NY). Die Untersuchungen in den beiden Behandlungsgruppen wurden unabhängig voneinander durchgeführt und separat ausgewertet. Darüber hinaus wurden statistische Vergleiche mit den Ergebnissen der Vorgängerstudie zur Anwendung der Lotion [7], mit gepoolten Daten und mit den Ergebnissen der Creme-Behandlung durchgeführt.

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100 90

Schmerzeinschätzung in mm VAS

80 70,8 70,3

70 60 50 45,3

40 33,5

30

23,5

20

23,1

20,2

10

12,2 3,8

p ≤ 0,007 in allen Gruppen gegenüber dem Ausgangswert

0 Studienbeginn

5,0 0,2

Tag 3 oder 4 Lotion

10,4

Tag 7 ± 1 Creme

Tag 14 ± 2

3,9 3,5 0,0 Tag 30 ± 2

Zelenkova et al. (2019)

Abbildung 1: Schmerzentwicklung in mm VAS (Mittelwerte ± Standardabweichung); p-Werte für den Vergleich mit den Ausgangswerten (Friedman-Test). Die in der Vorgängerstudie von Zelekova et al. [7] mit der Lotion erhaltenen Ergebnisse wurden zum Vergleich in die Grafik eingefügt.

Ergebnisse

Jeweils 30 Patienten wurden mit der Creme und der Lotion behandelt. Kein Teilnehmer schied vorzeitig aus der Studie aus und es gab keine Ausschlüsse wegen Verletzung der Einschlusskriterien. Für alle Teilnehmer lagen vollständige Datensätze einschließlich der Nachsorgeuntersuchung am Tag 90 ± 5 vor. Das Durchschnittsalter der Patienten in der Lotion-Gruppe betrug 34,8 ± 10,9 Jahre, 93,3 % waren weiblich. 18 der 30 Teilnehmer (60 %) berichteten vorangegangene Episoden von Herpes genitalis. In der Creme-Gruppe war das Durchschnittsalter 43,6 ± 14,9 Jahre, bei 70 % weiblichen Teilnehmern.

Beim statistischen Vergleich der Ergebnisse mit denen der Vorgängerstudie zur Anwendung der Lotion [7] zeigten sich Unterschiede in der Gruppenzusammensetzung: Bei der Vorgängerstudie waren mit 63,3 % versus 93,0 % signifikant weniger weibliche Patienten eingeschlossen (p = 0,005). Zudem waren in der Vorgängerstudie signifikant weniger Teilnehmer mit einer vorangegangenen Episode von Herpes genitalis vertreten (16,7 % versus 60,0%, p = 0,001). Vor allem letzterer Aspekt hat einen möglichen Einfluss auf die Dauer der Episode. Schmerz Die Angaben zur Schmerzintensität auf der VAS waren zu Studien-

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beginn in beiden Gruppen nahezu identisch. Ebenso war in beiden Gruppen bereits an Tag 3/4 eine signifikante Schmerzreduktion zu beobachten (Friedmann-Test, p ≤ 0,007 für Lotion und Creme), die sich bis Tag 7 ± 1 noch weiter verbesserte (Friedmann-Test, p < 0,0005 im Vergleich zum Ausgangswert für Lotion und Creme). An Tag 30 ± 2 war der Schmerz nahezu vollständig verschwunden (Abb. 1). Im Vergleich zur Vorgängerstudie von Zelenkova et al. [7] waren die Ausgangswerte für die Schmerzintensität in den aktuellen Untersuchungen mit Lotion und Creme deutlich höher: Sie betrugen im Durchschnitt 70,8  mm auf der VAS für die Lotion und 70,3 mm © VERLAG PERFUSION GMBH


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für die Creme versus 45,3 mm in der Vorgängerstudie [7] (KruskalWallis-Test, p < 0,0001 für Lotion und Creme versus Vorgängerstudie). Im Verlauf der Studie waren die Unterschiede zwischen den 3 Gruppen aber nicht mehr signifikant (Kruskal-Wallis-Test, p = 0,06 an Tag 3/4). In der Vorgängerstudie [7] erreichte der Rückgang der Schmerzen an Tag 3/4 knapp nicht das definierte Signifikanzniveau von 5 % (Friedman-Test, p = 0,06), ab Tag 7 ± 1 waren die Unterschiede gegenüber dem Ausgangswert dagegen hochsignifikant (Friedman-Test, p < 0,0005). Wurden die Lotion-Gruppen aus der aktuellen Studie und der Studie von Zelenkova et al. [7] zu einem Kollektiv vereinigt (n = 60), ­zeig­ten sich keine signifikanten Unterschiede im schmerzlindernden Effekt zwischen Creme und Lotion.

Creme (n = 30)

Lotion (n = 30)

Abgeheilt oder vollständig verkrustet

Visite

n

%

Kumulativ (%)

Tag 3 oder 4

0

0,0

0,0

Tag 7 ± 1

15

50,0

50,0

n

%

7

23,3

17

56,7

4

13,3

2

6,7

10

33,3

Tag 14 ± 2

14

46,7

96,7

Tag 30 ± 2

1

3,3

100

Tag 3 oder 4

0

0,0

Tag 7 ± 1

14

43,3

5

16,7

Tag 14 ± 2 Tag 30 ± 2

0 0

0,0 0,0

1

3,3

0

0,0

Auftreten neuer Bläschen

Kumulativ (%) 23,3 80,0 93,3 100

Tabelle 1: Wundheilung und Bläschenbildung im Studienverlauf.

Verlauf der Wundheilung Nach 1 Woche Behandlung hatten 50 % der Patienten in der LotionGruppe (n  =  15) und 80  % der mit Creme behandelten Patienten (n = 24) keine offenen Wunden

100 %

mehr (p = 0,015 für Creme versus Lotion). Nach 2 Wochen waren die Läsionen bei 29 von 30 Patienten der Lotion-Gruppe und bei 28 von 30 Patienten der CremeGruppe vollständig abgeheilt oder verkrustet (Tab. 1, Abb. 2). Die 100,0 % 100,0 %

96,7 %

Anteil der Patienten mit verkrusteten oder abgeheilten Wunden

93,3 %

90 % 80,0 %

80 % 70 % 60 % 50,0 %

50 % 40 % 30 %

23,3 %

20 % 10 % 0 %

0,0 % 0,0 %

Studienbeginn

0,0 %

Tag 3 oder 4

Tag 7 ± 1 Lotion

Tag 30 ± 2

Tag 14 ± 2

Creme

Abbildung 2: Kumulativer Prozentsatz von Patienten mit vollständig verkrusteten oder epithelialisierten Läsionen. JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2021 · 30. JAHRGANG

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Bildung neuer Bläschen war nur bis Tag 7 ± 1 zu beobachten, mit einer Ausnahme in der CremeGruppe (Tab. 1). Die Ergebnisse entsprachen auch den Beobachtungen in der Vorgängerstudie von Zelenkova et al. [7]: Dort waren bei 63,3 % der Patienten an Tag 7 ± 1 und bei 93,3 % an Tag 14 ± 2 die Läsionen vollständig geschlossen. Daraus errechnet sich, dass zwischen der vorangegangen und dieser Studie kein signifikanter Unterschied bestand (Fishers Exact Test, p = 0,3 an Tag 7 ± 1 und 1,0 an Tag 14 ± 2). Bei gepoolter Untersuchung der Lotion-Gruppen (n = 60) errechnet sich mit einem Anteil von 56,7 % Patienten mit am Tag 7 ± 1 bereits geschlossenen Läsionen ein robusteres Ergebnis von p = 0,03 für den

Unterschied zwischen Creme und Lotion.

gut“, am Studienende waren es 93,4 % (p = 0,004).

Globale Beurteilung der Effekte durch den Arzt

Rezidive

Die Wirkung der Lotion wurde ärztlicherseits an Tag 3/4 in 66,7 % der Fälle als „gut“ bis „sehr gut“ bewertet. Dieses Urteil nahm bis Studienende auf 93,7 % zu. Die Verbesserung war für den Vergleich von Tag 3/4 und Tag 30 ± 2 statistisch signifikant (FriedmanTest, p = 0,028; Abb. 3). Die Beurteilung durch die Patienten fiel ähnlich aus (Daten nicht dargestellt). In der Creme-Gruppe ergaben sich initial an Tag 3/4 noch bessere Werte: 80,0 % beurteilten die Wirkung als „gut“ bis „sehr

Bei der Nachsorgeuntersuchung an Tag 90 ± 5 berichteten 8 Patienten der Lotion-Gruppe (26,7 %) und 7 der Creme-Gruppe (23,3 %) über ein Rezidiv des Herpes genitalis nach Studienende. Die Rezidive traten in der Lotion- und der Creme-Gruppe nach durchschnittlich 57 ± 11,9 bzw. 50 ± 10 Tagen auf (Spanne: 41 – 73 bzw. 36 – 62 Tage). Anwendungssicherheit In beiden Behandlungsgruppen traten keinerlei unerwünschte Er-

Anteil der Patienten mit verkrusteten oder abgeheilten Wunden

100 % 90 % 80 %

36,7 %

40,0 %

43,3 %

43,3 %

53,3 %

50,0 %

70 %

66,7 % 76,6 %

60 % 50 %

30,0 %

40 %

40,0 % 43,3 %

20 %

43,3 % 23,3 %

33,3 % 16,7 %

20,0 %

10 % 0 %

46,7 %

33,3 %

30 %

13,3 %

Lotion Tag 3/4

Creme Tag 3/4

Lotion Tag 7±1

Sehr schlecht

13,3 %

10,0 %

10,0 %

Creme Tag 7±1

Lotion Tag 14±2

Creme Tag 14±2

Schlecht

Moderat

Gut

Sehr gut

6,7 %

6,7 %

Lotion Tag 30±2

Creme Tag 30±2

Abbildung 3: Globale Einschätzung des therapeutischen Effektes durch den Arzt.

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eignisse auf. Bei den Visiten wurde explizit auf Hinweise von Überempfindlichkeit und Hautirritation geachtet. Diskussion und Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse dieser Studie stimmen mit denen unserer zuvor veröffentlichten Studie zur Anwendung der Lotion [7] gut überein. Damit bestätigen die aktuellen Untersuchungen zur Lotion die Beobachtungen der letzten Studie (beide mit identischem Design), allerdings mit einem für die Praxis relevanten Unterschied: Der Rückgang der Schmerzen war in der aktuellen Studie stärker ausgeprägt als in der Vorgängerstudie, was offenbar daraus resultiert, dass in der aktuellen Studie die Schmerzintensität bereits zu Studienbeginn höher war. Das deutet darauf hin, dass Patienten mit schwereren Symptomen von der topischen Behandlung mehr profitieren als Patienten mit einer geringeren Symptomausprägung. Dies zeigt sich insbesondere in der Frühphase der Episode, wo, anders als in der Vorläuferstudie, ein statistisch signifikanter Unterschied gegenüber dem Ausgangswert bereits am dritten Studientag erreicht wurde. Das Ansprechen auf die Lokalbehandlung folgte auch bei Verwendung der Creme demselben Muster. Die Ergebnisse weisen zwar zu Beginn der Studie auf statistisch signifikante, aber nicht notwendigerweise auf klinisch relevante Unterschiede zwischen den beiden, unabhängig voneinander bewerteten galenischen Zubereitungsformen hin. Die errechnete statistische Signifikanz zwischen Lotion und Creme an Tag 7 ± 1 schwächte

sich bei Zusammenlegung der Lotion-Gruppe mit den Patienten der Vorgängerstudie ab, was vor allem auf die unterschiedliche Verteilung der Ausprägung der Episoden zu Beginn der Studie zurückzuführen ist. Die gepoolte Analyse reflektiert eher die klinischen Realitäten in der Praxis, sodass nicht unbedingt von einem klinisch relevanten Unterschied zwischen Lotion und Creme auszugehen wäre. Mit der Creme kann eine etwas dickere Schicht auf das betroffene Hautareal aufgetragen werden als mit der Lotion. Dies könnte insbesondere in den ersten Behandlungstagen von Vorteil sein und auch eine mögliche Erklärung für die etwas besseren Effekte auf Schmerz und Wundheilung in der ersten Woche liefern. Andererseits ist zu erwarten, dass die Anwendung der Lotion auf einer schmerzhaft gereizten Haut für die Patienten angenehmer ist. Letztlich führten beide Formulierungen zum gleichen klinischen Ergebnis, was für einen klinischen Nutzen spricht. Ein Nutzen einer topischen Behandlung lokaler Symptome des Herpes genitalis zeigte sich auch in der von Vynograd et al. im Jahr 2000 veröffentlichten, randomisierten, einfach verblindeten, dreiarmigen Studie, in der kanadisches Propolis gegen Aciclovir-Creme und gegen Placebo getestet wurde [28]. Pro Behandlungsgruppe wurden 30 Patienten eingeschlossen. Die Ergebnisse dieser Studie stimmen gut überein mit den Befunden der hier vorgestellten Anwendungsbeobachtung sowie mit denen unserer Vorläuferstudie [7]. Vynograd et al. hatten die 3 Studienzubereitungen viermal täglich angewandt. An Tag 10 der Studie fanden sie eine Heilung der Läsionen bei 24 von 30 Patienten der

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Propolis-Gruppe, aber nur bei 14 von 30 der Aciclovir-Gruppe und bei 12 von 30 der Placebo-Gruppe [28]. Die Beobachtungen in unseren Studien müssen in den Kontext des üblichen Krankheitsverlaufs gestellt werden. Das rasche Abklingen der Bildung neuer Bläschen unter dem Einfluss der beiden untersuchten Zubereitungen unterstützt die Ableitung eines therapeutischen Nutzens. Nach den Angaben in der Behandlungsleitlinie der WHO ist das Auftreten neuer Bläschen typisch für die ersten 2 – 3 Wochen einer unbehandelten Episode des Herpes genitalis [2]. In der hier vorgestellten Studie waren in beiden Gruppen nach 2 Wochen keine neuen Bläschen mehr aufgetreten, der Zeitraum ist damit deutlich kürzer als bei einem unbehandelten Verlauf zu erwarten wäre. Die WHO empfiehlt in ihren Behandlungsleitlinien als medikamentöse Option den Einsatz oraler Antinukleoside wie Aciclovir, Valaciclovir oder Famciclovir, jeweils über den Zeitraum von maximal 10 Tagen [2]. Genau genommen zielt dies aber nur auf die Vermehrung der Viren ab und stellt keine unmittelbare Maßnahme gegen die lokalen Symptome dar. Der topische Einsatz von Antinukleosiden wurde in der jüngeren Vergangenheit von Fachgesellschaften sehr skeptisch beurteilt [29, 30]. Hingewiesen wurde insbesondere auf den geringen Vorteil topischer Antinukleoside bei der Abheilungsdauer von nur einem halben Tag im Vergleich zu Placebo [30]. Aufschlussreich ist auch der Vergleich mit Lippenherpes, bei dem der Verlauf der Episoden praktisch identisch ist mit dem bei Genitalherpes. In einer Metaanalyse wurden Verkürzungen der Dauer bis © VERLAG PERFUSION GMBH


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zur vollständigen Epithelisierung der Lippenläsionen von 0,5 – 1,5 Tagen im Vergleich zu Placebo bestätigt [31]. In einer vor Kurzem veröffentlichten klinischen Studie wurde die durchschnittliche Abheilungsdauer von Herpes labialis unter dem Einfluss von topischem Aciclovir (5 % in einer Creme) mit 9,8 Tagen angegeben [32]. Das Studiendesign erlaubte allerdings den Einschluss von Patienten in verschiedenen Entwicklungsstadien der Herpes-Episode (von prodromal bis hin zur ulzerösen Phase), auch wenn die Einschlusskriterien auf eine Vorstellung beim Arzt innerhalb von 24 Stunden hinwiesen. Zudem wurde das Kriterium „abgeheilt“ nicht klar definiert [32]. Diese unterschiedlichen Kriterien erschweren einen direkten Vergleich von Studien. Im Falle unserer Studie wurde streng auf einen uniformen Zustand bei Einschluss der Patienten geachtet, und die Kriterien der vollen Abheilung waren genau definiert. Schmerzlinderung, die Unterdrückung der Bildung neuer Bläschen und die Abheilung der Läsionen setzten in unserer Studie frühzeitig ein. Es ist nicht überraschend, dass nach 30 Tagen kein Unterschied zwischen den Gruppen festzustellen war – dies war aufgrund des natürlichen Verlaufs der Episoden auch nicht zu erwarten. Bei klinischen Verlaufsdokumentationen sollte daher der Fokus auf die ersten Tage der Episode gelegt werden. Diese Studie hatte keine Kontrollgruppe, die Ergebnisse können aber den Erfahrungen mit unbehandelten Episoden und den Ergebnissen mit topischen Antinukleosiden gegenübergestellt werden. Speziell bei Herpes genitalis gibt es noch keinen direkten Vergleich mit der hier geprüften Zubereitung, dagegen wurde die

identische Creme-Zubereitung aber bei Herpes labialis gegen eine Creme mit 5 % Aciclovir geprüft [13]. Dabei ergab sich für die Abheilung im Median ein Tag Vorsprung mit der Propolis-haltigen Zubereitung gegenüber Aciclovir. Es gibt keinen Grund zur Vermutung, dass bei Herpes genitalis ein grundsätzlich anderes Ergebnis zu erwarten wäre. Fazit für die Praxis

Auch wenn die derzeitige Evidenzlage noch nicht für die Bewertung mit dem Evidenzgrad 1 ausreicht, beinhalten unsere Daten sowie die Studienergebnisse von Vynograd et al. [28] mit kanadischem Propolis bereits jetzt supportive Evidenz für die topische Anwendung biologisch aktiver Substanzen wie Propolis in der Behandlung von Episoden des Herpes genitalis, welche die Ergebnisse aus referenzkontrollierten Studien bei Herpes labialis bestätigen. Die Anwendung von topischen Maßnahmen steht nicht im Widerspruch zum Einsatz von Antinukleosiden und kann zu einer rascheren Linderung der für den Patienten besonders belastenden Symptome beitragen.

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JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2021 · 30. JAHRGANG

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ORIGINALARBEIT

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Neu: Triple-Kombination Formoterol/Glycopyrronium/ Budesonid für die COPDErhaltungstherapie

nid die Entzündung in der Lunge verringert. Die Fixkombination ist angezeigt zur Behandlung erwachsener Patienten mit moderater bis schwerer COPD, die mit einer Kombination aus ICS und LABA oder einer Kombination aus LABA und LAMA nicht ausreichend eingestellt sind. Die Gabe erfolgt per Dosier-Aerosol (MDI). Trixeo Aerosphere® wird voraussichtlich ab Anfang März 2021 verfügbar sein.

symptomatischen Patienten mit mittelschwerer bis sehr schwerer COPD und einer ExazerbationsVorgeschichte untersucht. Als Vergleichsmedikationen dienten die Zweifachkombinationen BEVESPI AEROSPHERE® (Formoterol/ Glycopyrronium) und LABA/ICS (Formoterol/Budesonid). Primärer Endpunkt war die Rate der mittelschweren oder schweren Exazerbationen. Im Verlauf der 52-wöchigen Therapie erreichte die Triple-Therapie eine statistisch signifikante Reduktion der Rate moderater oder schwerer Exazerbationen im Vergleich zu den beiden Zweifachkombinationen. Die Zulassung wird außerdem durch Wirksamkeits- und Sicherheitsdaten der Phase-III-Studie KRONOS unterstützt. S. M.

Im Dezember 2020 hat die Europäische Kommission der Dreifachkombination Trixeo Aeropshere® aus dem langwirksamen Beta-2-Mimetikum (LABA) Formoterol, dem langwirksamen Anticholinergikum (LAMA) Glycopyrronium und dem inhalativen Kortikosteroid (ICS) Budesonid die Zulassung für die Erhaltungstherapie bei chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) erteilt. Formoterol und Glykopyrronium bewirken eine Entspannung der glatten Muskulatur der Bronchien, was zur Erweiterung der Atemwege und zur Erleichterung der Atmung beiträgt, während Budeso-

Signifikante Reduktion der Exazerbationen

Die Zulassung beruht auf den positiven Ergebnissen der PhaseIII-Studie ETHOS. In der randomisierten, doppelblinden Studie wurden die Wirksamkeit und Sicherheit der Fixkombination bei

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2021 · 30. JAHRGANG

Für die Verfasser: Mag. Marie Hladiková Abteilung für Medizinische Informatik Zweite Medizinische Fakultät Karls-Universität Prag Úvalu 84 CZ-15006 Prag 5 Tschechien statistika.hladikova@seznam.cz

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ÜBERSICHTSARBEIT

D

Sichelzellkrankheit: Symptome, Ursachen und Behandlung

ie Sichelzellkrankheit (Sickle Cell Disease, SCD) ist eine autosomal-rezessiv vererbte Störung der Hämoglobinsynthese, bei der anstelle des physiologischen Hämoglobins (HbA) das Sichelzellhämoglobin (HbS) gebildet wird. HbS polymerisiert bei Sauerstoffmangel und zwingt die Erythrozyten in eine starre Sichelform. Die verformten Blutkörperchen verklumpen miteinander, Gefäßverschlüsse und starke Schmerzen in verschiedenen Organsystemen sind die Folge. Die Erkrankung ist nur bei homozygoten Trägern des Sichelzellgens (HbSS) voll ausgeprägt, heterozygote Träger bilden neben dem HbS auch HbA in ausreichender Menge, sodass sie selbst nicht erkranken, es sei denn, sie haben vom anderen Elternteil eine weitere Mutation geerbt, etwa für Hämoglobin-C (HbSC) oder Thalassämie (HbSβ) [1, 2]. Epidemiologie

Weltweit weisen etwa 4 % der Bevölkerung das Sichelzellmerkmal heterozygot auf. Die höchste Prävalenz findet sich in Afrika mit bis zu 25 % und die niedrigste in Europa mit unter 1 % [2]. Für heterozygote Merkmalsträger hat der Trägerstatus keinen Krankheitswert, sie geben die Genveränderung aber an ihre Nachkommen weiter. Rein statistisch gesehen hat ein Elternpaar aus zwei heterogenen Merkmalsträgern 25 % gesunde Nachkommen, 50 % Nachkommen mit heterozygotem Sichelzellmerkmal und 25 % Nachkommen, die das Merkmal homozygot besitzen und deshalb eine manifeste SCD erleiden [3]. Weltweit werden jährlich mindestens 300.000 Kinder mit einer

Brigitte Söllner, Erlangen

SCD geboren [4]. In Deutschland liegt die Inzidenz bei 1 – 2 : 10.000 Neugeborenen [5]. Durch Zuwanderung aus Gebieten mit hoher SCD-Prävalenz steigt die Anzahl der Patienten mit SCD seit Jahren kontinuierlich an, derzeit leben hierzulande etwa 2.000 – 3.000 SCD-Patienten [6]. Ursache und Pathophysiologie

Das normale Hämoglobinmolekül (HbA) des Erwachsenen besteht aus 2 α- und 2 βAminosäureketten. Bei der SCD ist die β-Hämoglobinkette durch eine Punktmutation im HBB-Gen auf dem kurzen Arm des Chromosoms 11 verändert, sodass an der Postion 6 der β-Globin-ProteinUntereinheit die Aminosäure Gluta­minsäure durch Valin ersetzt wird. Das daraus resultierende Sichelzellhämoglobin (HbS) polymerisiert im desoxygenierten Zustand, in dem eine hydrophobe Seitenkette frei liegt, zu langen Bündeln, wodurch die Eryzthrozyten die charakteristische Sichelform annehmen und außerdem einer vorzeitigen Hämolyse unterliegen [4]. Die starren, sperrrigen Erythrozyten blockieren vor allem kapilläre und postkapilläre Blutgefäße, zumal sich auch das Adhäsionsverhalten der Sichelzellen verändert

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2021 · 30. JAHRGANG

[7]: Durch das bei der Hämolyse freigesetzte ex­ trazelluläre Hämoglobin bildet sich ein proinflammatorisches Milieu, in dem auf Gefäßendothelzellen und Thrombozyten vermehrt Adhäsionsmoleküle wie das P-Selektin exprimiert werden. Dieses bindet an P-Selektin-Glyko-protein-Ligand-1 (PSGL-1) auf Leukozyten sowie an PSGL-1-like-Rezeptoren auf den Sichelzellen [8]. Die erhöhte Interaktion zwischen den Zellen untereinander und mit dem Endothel führt zu Gefäßverschlüssen, den vasookklusiven Krisen (VOC), die sehr schmerzhaft und komplikationsträchtig sind. Die Gefäßokklusionen können in allen Organen auftreten, dort zu einer dauerhaften Schädigung bis hin zum Tode führen [9]. Die am schwersten verlaufenden Formen der Sichelzellerkrankung sind die homozygote Erkrankung (HbSS, „Sichelzellanämie“) und die Sichelzell-β-Thalassämie (HbSβ). Diagnose

Eine frühe Diagnose ist die Voraussetzung für die rechtzeitige Implementierung lebensrettender therapeutischer Maßnahmen. Idealerweise wird die Diagnose durch das Neugeborenen-Screening gestellt; ein Neugeborenen-Screening per Trockenbluttest ist in © VERLAG PERFUSION GMBH


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ÜBERSICHTSARBEIT

Deutschland für 2021 in Planung [6]. Ist das Testergebnis positiv, folgen als zweiter Schritt eine venöse Blutentnahme und weitere Untersuchungen zur Bestätigung. Die derzeit am häufigsten angewendeten Diagnosemethoden sind: • Hochleistungsflüssigkeitschromatografie (HPLC) • Kapillarelektrophorese (CE) • Isoelektrische Fokussierung (IEF) • Tandem-Massenspektrometrie • Restriktionsfragment-Längenpolymorphismus • Polymerasekettenreaktion (PCR) • DNA-Sequenzierung Aus Kostengründen und wegen der einfachen Durchführung werden HPLC, CE und IEF bevorzugt eingesetzt [10, 11]. Wurde kein Neugeborenen-Screening durchgeführt, so erfolgt die Diagnose oftmals erst bei Auftreten schwerer Komplikationen im Kleinkindalter. Warnzeichen für eine SCD sind rezidivierende Schmerzen im Skelettsystem, unklare schmerzhafte Schwellungen von Händen und Füßen sowie eine ausgeprägte Anämie ohne Retikulozytose. Die Anämie kann mit Hämolyse oder Schock assoziiert sein. Gerade bei Patienten aus Regionen mit hoher Prävalenz ist an eine SCD zu denken. Angehörige ersten Grades von SCD-Patienten oder Merkmalsträger sollten immer auf das Vorliegen einer SCD und die Merkmalträgerschaft getestet werden. Akutkomplikationen

Die SCD ist mit akuten und chronischen Komplikationen vergesellschaftet, die sämtliche Or­gan­systeme, wie z.B. das HerzKreislauf-System, das Nervensys-

tem sowie das retikulohistiozytäre, muskuloskelettale, urogenitale und gastrointestinale System, betreffen können [12]. Häufige Akutkomplikationen sind: Vasooklusive Krisen (VOC): Infolge von Gefäßverschlüssen im blutbildenden Knochenmark und durch den Druck, den das resultierende Ödem auf die Knochenhaut ausübt, kommt es zu den charakteristischen Schmerzkrisen, die mehrere Tage dauern und Schmerzstärken von 9 bis 10 auf der von 0 bis 10 reichenden visuellen Analogskala (VAS) erreichen können. VOC verstärken die systemische Inflammation und befeuern damit das Risiko für weitere Komplikationen. Sie sind der Grund für 90 % der stationären Aufnahmen [13]. Ein Teil der Betroffenen erlebt mehrere schmerzhafte VOC pro Jahr und viele haben auch zwischen den VOC kein schmerzfreies Intervall, leiden daher an chronischen Schmerzen, oftmals mit Stärken von 5 bis 7 auf der VAS [14]. Akutes Thoraxsyndrom (ATS): Diese z.T. fulminant verlaufende pulmonale Komplikation ist gekennzeichnet durch Fieber, Husten, Tachypnoe, Thoraxschmerzen, Leukozytose und pulmonale Infil­ trate. Bakterielle Superinfektionen, Fettembolien, Gefäßthrombosen und respiratorisches Versagen können das ATS aggravieren. Es stellt die häufigste Todesursache bei SCD-Patienten dar [15]. Priapismus: Unter vollen oder teilweisen Erektionen über mindestens 4 Stunden ohne sexuelle Erregung, verbunden mit starken Schmerzen, leiden im Alter von 20 Jahren bereits etwa 89 % der männlichen SCD-Patienten [12].

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Milzinfarkt: Im Zuge der Vasooklusion wird auch die Milz geschädigt. Bereits im Alter von 12 Monaten wurde bei 86 % der Kinder eine Einschränkung der Milzfunktion nachgewiesen, etwa 10 % hatten keine Milzfunktion mehr [16]. Folge ist ein erhöhtes Risiko für lebensbedrohliche Infektionen, insbesondere Pneumokokken, Haemophilus influenzae und Meningokokken können sich rasant ausbreiten und zur Sepsis führen. Milzsequestration: Durch das „Versacken“ einer großen Menge von Erythrozyten in der Milz kommt es zu einem Hb-Abfall um meist mehr als 2 – 3 g/dl mit der Gefahr des hypovolämischen und hypoxischen Schocks. Von dieser lebensbedrohlichen Komplikation sind in der Regel Kinder im Alter von 3 Monaten bis 5 Jahren betroffen. Sie ist die zweithäufigste Todesursache von SCD-Patienten in der ersten Lebensdekade [12]. Schlaganfall: Ischämische Schlag­ anfälle bei SCD treffen vor allem Kinder und ältere Erwachsene ab 35 Jahren. Hämorrhagische Schlaganfälle kommen insbesondere bei jungen Erwachsenen zwischen 20 und 35 Jahren vor. Zu beachten ist das hohe Risiko für stumme Schlaganfälle [17]. Chronische Folgeschäden

Die Lebenserwartung von SCDPatienten hat sich in den Indus­ trieländern deutlich verbessert und beträgt heute im Median >60 Jahre [4]. Allerdings leiden die Patienten neben den Akutkomplikationen häufig auch unter chronischen Folgeschäden, so vor allem über [2]: © VERLAG PERFUSION GMBH


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ÜBERSICHTSARBEIT

Crizanlizumab Crizanlizumab (Adakveo®) ist ein selektiver monoklonaler Antikörper, der mit hoher Affinität an P-Selektin bindet und die Interaktion mit dessen Liganden, einschließlich P-Selektin-Glykoprotein-Ligand-1, blockiert. Bei P-Selektin handelt es sich um ein Adhäsionsmolekül, das auf aktivierten Endothelzellen und Thrombozyten exprimiert wird und eine entscheidende Rolle bei der initialen Rekrutierung von Leukozyten und der Aggregation von Thrombozyten am Ort einer Gefäßverletzung während einer Entzündung spielt. Bei Patienten mit Sichelzellkrankheit wird P-Selektin überexprimiert und zirkulierende Blutzellen sowie das Endothel werden aktiviert und hyperadhäsiv, sodass es infolge der multizellulären Adhäsion zum Gefäßverschluss kommt. Indem Crizanlizumab das P-Selektin auf der Oberfläche des aktivierten Endothels und der Thrombozyten blockiert, verhindert es die Interaktionen zwischen En12 dothelzellen, Thrombozyten, Erythrozyten und Leukozyten und damit die schmerzhafte Vasookklusion [21].

Indikation und Anwendung

Crizanlizumab ermöglichte Sic längere Phasen ohne VOCs

Crizanlizumab ist indiziert zur Prävention rezidivierender vasookklusiver Krisen bei Patienten mit Sichelzellkrankheit. Das Biologikum kann Patienten ab 16 Jahren zusätzlich zur Behandlung mit Hydroxyurea/Hydroxycarbamid (HU/HC) verordnet werden oder als Monotherapie, wenn HU/HC nicht geeignet ist oder unzureichend wirkt. Der Primäre Endpunkt wurde erreicht: Die mediane R Crizanlizumab wird als intravenöse Infusion in einer Dosierung von 5 mg/kg KG verabreicht. Die Anunter[21]. Crizanlizumab um 45,3% wendung erfolgt an Tag 0, Tag 14 und danach allesich 4 Wochen

Ergebnisse der Zulassungsstudie SUSTAIN

Mediane Rate an VOCs / Jahr

Die Zulassung von Crizanlizumab erfolgte auf 3,5 Basis der placebokontrollierten Phase-II-Studie Intention-to-treat (ITT) Population SUSTAIN [20]. Eingeschlossen waren 198 SCD3 2,98 -45,3% Patienten aller Genotypen im Alter von 16 – 65 2,5 Jährliche Rate an VOC Jahren, die in den 12 Monaten vor Studienbefast halbiert ginn 2 – 10 SCD-assoziierte vasookklusive Krisen (p = 0,01) 2 (VOC) erlitten hatten. Die Patienten erhielten Jährlic randomisiert Crizanlizumab 5,0 mg/kg oder Cri­ 1,5 me 1,63 zanlizumab 2,5 mg/kg oder Placebo. Die Infusi1 onen erfolgten an Tag 0, Tag 14 und weiter alle 4 Wochen bis Woche 50. 62,1 % bekamen eine 0,5 begleitende HU/HC-Therapie. 0 Primärer Endpunkt war die jährliche Anzahl Placebo Crizanlizumab SCD-assoziierter VOC in Woche 52, ebenso die (n = 65) (5 mg/kg; n = 67) Zeit bis zur ersten bzw. bis zur zweiten VOC. Der primäre Endpunkt wurde erreicht: Unter CrizanVOCs wurden definiert als akute Schmerzepisoden, welche eine medi lizumab 5,0 mg/kg verringerte sich die mediane jährliche VOC-Rate im Vergleich zu Placebo um 45,3 %: erforderten. Akutes Thoraxsyndrom, Leber-/ Milzsequestration oder Pr Sie sank von 2,98 auf 1,63 Ereignisse pro Jahr (p = 0,01). gezählt. Die mediane Zeit bis zur ersten VOC war unter Crizanlizumab 5,0 mg/kg mit 4,07 vs. 1,38 Monate fast Ataga KI et al. N EnglVOC J Med mit 2017;376:429–439. dreimal länger, der Zeitraum bis zum Auftreten einer zweiten 10,32 vs. 5,09 Monate fast doppelt so lang (p = 0,02). UNIVERSITÄTSMEDIZIN BERLIN 16,9 % der Kontrollpatienten und 35,8 % der Patienten unter Crizanlizumab 5,0 mg/kg blieben das ganze Jahr über frei von VOC. Der Vorteil für Crizanlizumab war unabhängig vom Genotyp der SCD und von einer begleitenden Therapie mit HU/HC. Die Anzahl unerwünschter Ereignisse war unter Crizanlizumab 5,0 mg/kg mit jener unter Placebo vergleichbar. Zu den häufigsten UE unter Crizanlizumab (>10 %) zählten Arthralgie, Übelkeit, Rückenschmerzen, Pyrexie und abdominale Schmerzen [20].

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ÜBERSICHTSARBEIT

• Chronische Schmerzen • Chronische avaskuläre Osteonekrosen • Nierenschädigung/-versagen • Hämolytische Anämie • Thrombophilie • Kardiomyopathie • Herzinsuffizienz • Myokardinfarkt • Herzrhythmusstörungen • Pulmonale Hypertonie • Cholezystolithiasis • Hyposthenurie • Enuresis • Erektile Dysfunktion • Einschränkung bzw. Verlust der Sehkraft • Konzentrationsstörungen Therapie

Die bisher verfügbaren Therapie­ op­tionen haben die Lebenserwartung von SCD-Patienten in den Industrienationen deutlich erhöht. Für die langfristige Behandlung werden insbesondere die folgenden Verfahren und Medikamente eingesetzt: Bluttransfusionen: Eine Transfusion von Erythrozytenkonzentraten kann erfolgen zur Akuttherapie anämischer Zustände, zur Anämieprävention vor operativen Eingriffen, bei akutem Thoraxsyndrom, bei transienten aplastischen Krisen und akuter Milzsequestration sowie zur Schlaganfallprävention. Da bei Transfusionen die Gefahr der Alloimunisierung, Hämosiderose und Übertragung von Infektionen besteht, sollte die Indikation zurückhaltend gestellt werden. Zur primären Behandlung von Schmerzkrisen sind Transfusionen nicht indiziert [4]. Hydroxycarbamid (HC; früher Hydroxyurea, HU): HC ist das

bislang einzige Medikament, das Komplikationen der SCD vorbeugen und die Mortalität senken kann, denn es induziert die Bildung von fetalem Hämoglobin (HbF), das den Krankheitsverlauf abmildert. Außerdem reduziert HC die Neutrophilenzahl, verändert die Membraneigenschaften von Retikulozyten, Leukozyten und Endothelzellen, verbessert die Hydratation von Erythrozyten und setzt Stickstoffmonoxid frei [18]. Daher sollte laut Leitlinie jeder Patient mit HC/HU behandelt werden; die Therapiedauer ist prinzipiell unbegrenzt [12]. Infektionsprophylaxe und Impfungen: Da Infektionen vasookklusive Krisen auslösen können, kommt der Infektionsprophylaxe sowie den Impfungen eine große Bedeutung zu [4, 12]. Für Kinder bis zu 5 Jahren werden eine prophylaktische Penicillingabe sowie die Einhaltung der von der STIKO empfohlenen Impfungen einschließlich der Impfungen gegen Meningokokken, Pneumokokken und Haemophilus influenzae b (Hib) empfohlen. Insbesondere sollten alle SCD-Patienten gegen Influenza immunisiert werden. Bei erwachsenen SCD-Patienten, die bisher nicht gegen Pneumokokken geimpft wurden oder PPSV-23 erhalten haben, soll eine einmalige Impfung mit PCV-13 erfolgen. Patienten mit einer invasiven Pneumokokkeninfektion in der Vorgeschichte und nach chirurgischer Splenektomie sollten über das 5. Lebensjahr hinaus eine Antibiotikaprophylaxe erhalten [4, 12]. Schmerztherapie: Zur Schmerzlinderung im ambulanten Bereich können Paracetamol, nichtsteroidale Antiphlogistika und Metamizol verordnet werden. Aufgrund

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der hohen Schmerzintensität benötigen viele Patienten jedoch Opioide, sodass die Medikation um Tramadol oder Tilidin erweitert und ggf. stationär erfolgen sollte [12]. Allogene hämatopoetische S t a m m­z e l l t r a n s p l a n t a t i o n (HSZT):­ Die allogene HSZT ist die einzige kurative Therapiestrategie bei SCD, denn die von HLAidenten Spendern transplantierten pluripotenten hämatopoetischen Stammzellen ermöglichen die Bildung physiologischer Erythrozyten mit HbA. Sie kommt insbesondere für Patienten mit signifikanten nicht infektiösen Komplikationen durch Vasookklusion infrage [19]. Prävention von vasooklusiven Krisen: Eine neue, im Oktober 2020 in der EU zugelassene Therapieoption ist der monoklonale Antikörper Crizanlizumab (Adakveo®), der speziell zur Prävention rezidivierender vasookklusiver Krisen bei Patienten mit Sichelzellkrankheit entwickelt wurde. Er richtet sich gegen P-Selektin und greift in die Pathophysiologie der Erkrankung ein (siehe Insert auf S. 14). Die Behandlung mit Crizan­ lizumab reduzierte in Studien signifikant die Zahl der Schmerzkrisen [20]. Crizanlizumab kann Patienten ab 16 Jahren zusätzlich zu einer Hydroxycarbamid-Therapie verordnet werden oder als Monotherapie, wenn Hydroxycarbamid ungeeignet ist oder unzureichend wirkt [21]. Literatur 1 Houwing ME, de Pagter PJ, van Beerset EJ et al. Sickle cell disease: Clinical presentation and management of a global health challenge. Blood Rev 2019;37: 100580 2 DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. © VERLAG PERFUSION GMBH


ÜBERSICHTSARBEIT

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Onkopedia-Leitlinie „Sichelzellkrankheiten“, im Internet: https://www.onkopedia. com/de/onkopedia/guidelines/sichelzellkrankheiten/@@guideline/html/index. html. Stand: September 2020 Gallo AM, Wilkie D, Suarez M et al. Reproductive decisions in people with sickle cell disease or sickle cell trait. West J Nurs Res 2010;32:1073-1090 Piel FB, Steinberg MH, Rees DC. Sickle cell disease. N Engl J Med 2017; 376:1561-1573 Lobitz S. Neugeborenenscreening auf Sichelzellkrankheiten in Deutschland. Kinder- und Jugendmedizin 2017;17: 82-86 Kunz JB, Lobitz S, Grosse R et al. Sickle cell disease in Germany: Results from a national registry. Pediatr Blood Cancer 2020;67:e28130 Kato GJ, Steinberg MH, Gladwin MT. Intravascular hemolysis and the pathophysiology of sickle cell disease. J Clin Invest 2017;127:750-760 Matsui NM, Borsig L, Rosen SD et al. Pselectin mediates the adhesion of sickle erythrocytes to the endothelium. Blood 2001;98:1955-1962 Sundd P, Gladwin MT, Novelli EM. Pathophysiology of sickle cell disease. Annu Rev Pathol 2019;14:263-292

10 Frömmel C. Newborn screening for sickle cell disease and other hemoglobinopathies: a short review on classical laboratory methods – isoelectric focusing, HPLC, and capillary electrophoresis. Int J Neonatal Screen 2018;4:39 11 Naik RP, Haywood C, Jr. Sickle cell trait diagnosis: clinical and social implications. Hematology Am Soc Hematol Educ Program 2015;2015:160-167 12 Cario H, Grosse R, Jarisch A et al. Sichelzellkrankheit: AWMF-S2k-Leitlinie 025/016, Gesellschaft für Pädiatrische Onkologe und Hämatologie. Im Internet: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ ll/025-016.html 13 Ballas SK, Gupta K, Adams-Graves P. Sickle cell pain: a critical reappraisal. Blood 2012;120:3647-3656 14 Smith WR, Penberthy LT, Bovbjerg VE et al. Daily assessment of pain in adults with sickle cell disease. Ann Intern Med 2008; 48:94-101 15 Howard J, Hart N, Roberts-Harewood M et al. Guideline on the management of acute chest syndrome in sickle cell dis­ ease. Br J Haematol 2015;169:492-505 16 Rogers ZR, Wang WC, Luo Z et al. Biomarkers of splenic function in infants with sickle cell anemia: baseline data

Indikationserweiterung für den PARP-Inhibitor Olaparib beim Ovarial- und Prostatakarzinom

BRCA1/2-Mutation. Mittlerweile kann der PARP-Inhibitor bei 4 unterschiedlichen Tumorentitäten und insgesamt 6 Indikationen angewendet werden. Beide Indikationserweiterungen basieren auf Biomarker-spezifischen Subgruppenanalysen der Phase-III-Studien PAOLA-1 und PROfound.

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4 5 6

7

8

9

Seit der ersten Zulassung von Olaparib (Lynparza®) für die Erhaltungstherapie des Platin-sensitiven rezidivierten Ovarialkarzinoms mit BRCA1/2-Mutation im Dezember 2014 hat sich das Indikationsspektrum des PARP-Inhibitors stetig erweitert. Am 3. November 2020 folgte ein weiterer bedeutender Meilenstein: die EU-Zulassung von Olaparib-Filmtabletten für die Erstlinien-Erhaltungstherapie in Kombination mit dem Angiogenesehemmer Bevacizumab beim primär fortgeschrittenen Ovarialkarzinom mit homologer Rekombinationsdefizienz (HRD-positiv) und als Monotherapie beim metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC) mit

PAOLA-1-Studie beim Ovarialkarzinom: Verlängerung des PFS auf mehr als 3 Jahre

In der Phase-III-Studie senkte die Therapie mit Olaparib in Kombination mit Bevacizumab als Erstlinien-Erhaltungstherapie bei Patientinnen mit einem fortgeschrittenen HRD-positiven Ovarialkarzinom das Risiko für Krankheitsprogression oder Tod um 67 % (HR = 0,33, 95%-KI: 0,25 – 0,45). Die zusätzli-

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from the BABY HUG Trial. Blood 2011;117:2614-2617 17 Ohene-Frempong K, Weiner SJ, Sleeper LA et al. Cerebrovascular accidents in sickle cell disease: rates and risk factors. Blood 1998;91:288-294 18 McGann PT, Ware RE. Hydroxyurea for sickle cell anemia: what have we learned and what questions still remain? Curr Opin Hematol 2011;18: 158-165 19 Shenoy S. Hematopoietic stem-cell transplantation for sickle cell disease: current evidence and opinions. Ther Adv Hematol 2013;4:335-344 20 Ataga KI, Kutlar A, Kanter J et al. Crizanlizumab for the prevention of pain crises in sickle cell disease. N Engl J Med 2017;376:429-439 21 Fachinformation Adakveo®; Stand: 10/ 2020

Anschrift der Verfasserin: Brigitte Söllner Medizinjournalistin und Wissenschaftliche Lektorin Lärchenweg 10 91058 Erlangen E-Mail: brigitte.soellner@online.de

che Gabe des PARP-Inhibitors verlängerte dabei das progressionsfreie Überleben (PFS) im Median auf 37,2 Monate gegenüber 17,7 Monaten unter Bevacizumab plus Placebo. Durch die Zulassung von Olaparib für HRD-positive Ovarialkarzinome können nun deutlich mehr Patientinnen mit dem Wirkprinzip der PARP-Inhibition behandelt werden, denn fast die Hälfte aller neu diagnostizierten Patientinnen mit fortgeschrittenem Eierstockkrebs haben einen HRD-positiven Tumor, was BRCA1/2-Mutationen miteinschließt. PROfound-Studie beim mCRPC: Signifikante Verlängerung von rPSF und OS

In der Phase-III-Studie senkte Olaparib bei Männern mit BRCA1/2positivem mCRPC, die unter einer © VERLAG PERFUSION GMBH


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WISSENSWERTES

vorherigen Behandlung mit Enzalutamid oder Abirateron progredient waren, das Risiko für Krankheitsprogression oder Tod um 78 % (HR: 0,22, 0,95%-KI: 0,15 – 0,32; nominaler p-Wert <0,0001). Unter Olaparib verlängerte sich das radiographische progressionsfreie Überleben (rPFS) im Median auf 9,8 Monate gegenüber 3,0 Monaten bei erneuter Gabe von Enzalutamid oder Abirateron. Das Sterberisiko sank um 37 % (HR: 0,63; 95%-KI: 0,42  –  0,95) bei einem medianen Gesamtüberleben (OS) von 20,1 Monaten gegenüber 14,4 Monaten bei erneuter Gabe von Enzalutamid oder Abirateron. Die Prognose für das mCRPC ist mit einer mittleren Überlebenszeit von 9 – 13 Monaten schlecht, eine kurative Therapie gibt es bislang nicht. Für die etwa 11 % der Betroffenen mit einer BRCA1/2-Mutation im Tumor steht mit Olaparib nun erstmals ein zielgerichteter Therapieansatz, zur Verfügung, der die Progression verzögert und das Gesamtüberleben verlängert. F. S.

Psoriasis-Arthritis: Secukinumab überzeugt durch schnelles Ansprechen Im Rahmen des virtuellen Kongresses des American College of Rheumatology (ACR) wurden neueste Studiendaten zur Therapie der Psoriasis-Arthritis (PsA) mit dem IL-17A-Inhibitor Secukinumab (Cosentyx®) präsentiert. So zeigen die Ergebnisse der ersten dezidierten Ultraschall-Phase-IIIbStudie ULTIMATE eine Verringerung der Synovitis in Woche 12. Dass der IL-17A-Inhibitor auch bei PsA mit axialer Beteiligung wirksam ist, bestätigen die Daten der MAXIMISE-Studie.

Psoriasis-Arthritis erkennen – Symptome im Überblick

1

Schuppige, juckende psoriatische Plaques

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Tüpfelnägel, Ölflecken, Splitterblutungen und Onycholyse (Prädiktor für PsA)

3

2

1

4 3

Periphere Arthritis mit Enthesitis, Daktylitis, Druckschmerz, Gelenksteifheit, Gelenkerosionen Wirbelsäulenbefall mit entzündlichem Rückenschmerz, -steifheit und Knochenneubildungen

4

Abbildung 1 (Quelle: Novartis Pharma GmbH).

Quellen: 1 Boehncke WH et al. Dtsch Arztebl. 2006; 103 (21): A–1455/B–1242/C–1193.; 2 Helliwell P et al. Ann Rheum Dis. 1998;57(3):135-140.

ULTIMATE-Studie

In der 52-wöchigen Phase-IIIbStudie ULTIMATE wurde erstmals die Wirksamkeit von Secukinumab auf die Synovitis bei Biologikanaiven PsA-Patienten mittels Ultraschall untersucht. Der primäre Endpunkt, die Überlegenheit von Secukinumab gegenüber Placebo hinsichtlich der Verbesserung des Global OMERACT-EULAR Synovitis Score (GLOESS) in Woche 12, wurde erreicht: Die Therapie mit dem IL-17A-Inhibitor führte zu einer gegenüber Placebo signifikanten Verbesserung im GLOESS und damit eine Reduktion der Synovitis in Woche 12 (–9,0 vs. –5,8; p = 0,004). Außerdem waren die ACR20- und ACR50-Ansprechraten signifikant höher: 68 % der mit Secukinumab behandelten Patienten erreichten ein ACR20-Ansprechen, unter Placebo waren es lediglich 34 % (p < 0,0001). 46 % der mit Secukinumab behandelten Patienten erreichten sogar ein ACR50-Ansprechen, in der Placebo-Gruppe waren es gerade einmal 9 % (p < 0,0001). MAXIMISE-Studie

Bei bis zu 70 % der PsA-Patienten ist neben der Haut, peripheren Ge-

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lenken, Sehnen und Nägeln auch die Wirbelsäule betroffen (Abb. 1). Die Wirksamkeit von Secukinumab speziell auf die axialen Komponenten der PsA untersuchte erstmals die doppelblinde, placebokontrollierte Phase-III-Studie MAXIMISE. Eingeschlossen wurden 498 PsA-Patienten mit klinisch diagnostizierter axialer Beteiligung, d.h. mit Rückenschmerzen bewertet als >40/100 auf einer visuellen Analogskala und mit einem BASDAI ≥4 trotz Behandlungsversuch mit mindestens 2 NSAR). Die Patienten erhielten 300  mg bzw. 150  mg Secukinumab s.c. oder Placebo. In Woche 12 erzielten 63,1 % der mit 300 mg und 66,3 % der mit 150 mg Secukinumab behandelten Patienten eine 20%ige Verbesserung der axialen Symptome gemäß den Klassifikationskriterien der Assessment of SpondyloArthritis international Society (ASAS20Ansprechen) (jeweils p < 0,0001). Unter Placebo waren es lediglich 31,3 % der Patienten. Eine Linderung der Beschwerden konnte unter Secukinumab bereits in Woche 4 beobachtet werden. Außerdem gingen die im MRT an der Wirbelsäule und den Sakroiliakalgelenken sichtbaren entzündlichen Läsionen zurück. F. S. © VERLAG PERFUSION GMBH


INTERVIEW

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Allergieschutz vom Bauernhof Interview mit Frau Professor Erika Jensen-Jarolim

Univ.-Prof. Dr. med. Erika Jensen-Jarolim Fachärztin für Klinische Immunologie, Allergieexpertin, Wien

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llergiebeschwerden wie ständiges Niesen, laufende Nase und juckende Augen sind eine Herausforderung für viele Menschen. Städter sind davon meist stärker betroffen als Menschen, die auf einem Bauernhof aufgewachsen sind. Warum das so ist, fand ein interdisziplinäres Wiener Forschungsteam um Frau Professor Erika Jensen-Jarolim heraus: Im Stallstaub von traditionellen Kuhställen wie auch in der unverarbeiteten Kuhmilch ist ein von den Kühen abgesondertes Protein, das Beta-Laktoglobulin, enthalten, das vor Allergien, Asthma und atopischen Sensibilisierungen schützen kann. Was es mit diesem „BauernhofSchutzfaktor“ auf sich hat und wie er sich für die Stärkung der Im­ munabwehr nutzen lässt, erläuterte Frau Professor Jensen-Jarolim in einem Gespräch. Frau Professor Jensen-Jarolim, Allergien sind auf dem Vormarsch. Besteht Grund zur Sorge? Prof. Jensen-Jarolim: Fast jeder vierte Deutsche leidet unter einer Allergie. Es gibt allerdings eine gute Nachricht: Kinder, die auf dem Bauernhof aufgewachsen

sind, sind vor Allergien, Asthma und Neurodermitis wesentlich besser geschützt. So beträgt das Heuschnupfen-Risiko bei Kindern, die im Kuhstall spielen und unverarbeitete Milch trinken, nur 3 %, bei Stadtkindern dagegen 13 % [1]. Zum einen wirkt der Aufenthalt auf dem Bauernhof, also das Einatmen der Bauernhof-Luft, als Schutzfaktor, zum anderen aber auch das Trinken von Rohmilch. Es gibt also einen „Bauernhof-Effekt“, der zum Allergieschutz beiträgt. Einen neuen Mechanismus, der dahinter steckt, haben Studien des Instituts für Pathophysiologie und Allergieforschung der MedUni Wien und des interuniversitären Messerli Forschungsinstituts aufgedeckt [2]. Was genau besagt der BauernhofEffekt? Prof. Jensen-Jarolim: Beim Bauernhof-Effekt stand bisher die Bakterienvielfalt (das Mikrobiom) als Schutzfaktor im Fokus. Wir haben jedoch festgestellt, dass das Protein Beta-Laktoglobulin, das in der Umgebungsluft von Bauernhöfen und auch in der Rohmilch zu finden ist, zentral für diesen Bauernhof-Effekt ist. Im Umkreis von etwa 300 Metern eines Bauernhofs mit einem „dampfenden“ Kuhstall zu leben, kann vor Allergien, Asthma und atopischen Sensibilisierungen schützen, während von hoch industrialisierten Tierhaltungen mit besonders reinen Ställen weniger bis gar kein Schutz ausgeht, da hier das Protein fast völlig fehlt.

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Was ist das Besondere an dem im Kuhstall entdeckten Protein? Prof. Jensen-Jarolim: Das im Stallstaub und in unbehandelter Rohmilch gefundene Beta-Laktoglobulin gehört zur Familie der Lipocaline. Wie alle Lipocaline ist auch das Beta-Laktoglobulin wie eine Tasche aufgebaut, in der es kleine Moleküle wie SiderophorEisen-Komplexe [2], Vitamin A [3, 4] oder Zink binden und zu den Immunzellen transportieren kann. Wie wir in Studien mit jedem einzelnen dieser Nährstoffe zeigen konnten, führt deren Kombination mit Beta-Laktoglobulin zu einem anti-allergischen Schutz. In placebokontrollierten Mausstudien haben wir nachgewiesen, dass nur das mit den 3 genannten Liganden beladene Beta-Laktoglobulin die allergische Immunantwort unterdrückt und die Tiere vor Sensibilisierung, aber auch vor Anaphylaxie schützt. Basierend auf Ihren wissenschaftlichen Untersuchungen und den daraus gewonnenen Erkenntnissen wurde die „Kuhstallpille“ immunoBON® entwickelt. Wie sind Sie dabei vorgegangen? Prof. Jensen-Jarolim: Das Protein Beta-Laktoglobulin mit korrekt ausgebildeter Tasche, das wir als Schutzfaktor vom Bauernhof identifiziert haben, kommt in der Kuhmilch-Molke hoch angereichert vor – es macht etwa 50 – 65 % der Molkeproteine aus. Wir haben es mit Eisen, Zink und Vitamin A kombiniert und in eine Lutschta© VERLAG PERFUSION GMBH


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INTERVIEW

blette „verpackt“. Wir können, basierend auf unseren Studien, davon ausgehen, dass durch das Lutschen der Schutzfaktor vom Bauernhof an die Immunzellen herangebracht wird und dort die Allergie-dämpfenden regulatorischen Zellen auf „Toleranz“ stellen kann. Unsere In-vitro-Daten belegen, dass wir mit immunoBON® ein Defizit an mehreren Mikronährstoffen bei Allergikern ausgleichen und entzündliche Prozesse inhibieren können. Dass immunoBON® auch in vivo die allergische Immunantwort verhindert, konnten wir mit unseren Studien am Mausmodell [5, 6] sowie durch eine doppelblinde, placebokontrollierte Pilotstudie mit Pollenallergikern nachweisen [7]. Man muss also nicht auf einem Bauernhof mit Kühen leben und ihnen nahe sein, um sich gegen Allergien gut schützen zu können. Warum unterstützt immunoBON® allgemein bei Allergien, also bei ganz unterschiedlichen Allergien wie Pollen- oder auch Hausstaubmilbenallergien? Prof. Jensen-Jarolim: immunoBON® zielt auf die angeborene, natürliche Immunabwehr ab und stärkt diese. Wir nennen das Phänomen Immun-Resilienz. Daher ist der Effekt unspezifisch, also gegen unterschiedliche Allergien wie Pollen-, Hausstaubmilben- und Tierhaarallergie gerichtet. Warum kann ich keinen Allergieschutz durch einen erhöhten Verzehr von handelsüblicher Supermarktmilch erzielen? Prof. Jensen-Jarolim: Es besteht ein erheblicher Unterschied zwischen Rohmilch und industriell verarbeiteter Milch aus dem Supermarkt. Durch die sehr komplexen industriellen Prozesse wird die Supermarktmilch in ihre Einzeltei-

le zerlegt und durch die Pasteurisierung verlieren die Proteine der Milch ihre Struktur. Das schützende Protein Beta-Laktoglobulin verliert seine „Taschen“ und damit seine Transportfähigkeit: Es kann die wertvollen Nährstoffe nicht mehr an die Immunzellen bringen. Frau Professor Jensen-Jarolim, wir bedanken uns vielmals für das informative Gespräch. Brigitte Söllner, Erlangen SIERRA LEONE: Wir helfen in einem Land, in dem viele Kinder bereits vor ihrem fünften Geburtstag an Krankheiten sterben. © Peter Bräunig

Literatur 1 Riedler J et al. Exposure to farming in early life and development of asthma and allergy: a cross-sectional survey. Lancet 2001;358:1129 2 Roth-Walter F et al. Cow’s milk protein β-lactoglobulin confers resilience against allergy by targeting complexed iron into immune cells. J Allergy Clin Immunol 2020. published May 30; DOI: https:// doi.org/10.1016/j.jaci.2020.05.023 3 Hufnagl K et al. Retinoic acid-loading of the major birch pollen allergen Bet v 1 may improve specific allergen immunotherapy: In silico, in vitro and in vivo data in BALB/c mice. Allergy 2020 Aug;75(8). doi: 10.1111/all.14259. Epub 2020 Apr 16 4 Hufnagl K et al. Retinoic acid prevents immunogenicity of milk lipocalin Bos d 5 through binding to its immunodominant T-cell epitope. Sci Rep 2018;8:1598 5 Afify et al. Dietary supplementation with a new immune tablet reduces antigen presentation and allergic symptoms in a poly-sensitization BALB/c model. EAACI poster #1414, 2020 6 Bartosik et al. Dietary supplementation with a new immune tablet ameliorates human symptom load during birch pollen season: lower B-cell numbers yet with higher intracellular iron. EAACI poster #1213, 2020 7 Afify MS et al. The protective farm effect against allergies in a lozenge confers immune resilience in mice and man. 2020 Manuscript in review

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

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ine Standardtherapie für Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem multiplem Myelom ist die Kombination aus dem Proteasom-Inhibitor Carfilzomib und Dexamethason. Wird zu diesem sog. Kd-Schema als 3. Komponente noch der CD38Antikörper Isatuximab (Sarclisa®) hinzugegeben, lässt sich das Risiko für Krankheitsprogression oder Tod um weitere 47 % senken und die Ansprechtiefe signifikant verbessern: Bei fast 30 % der Patienten mit rezidiviertem multiplem Myelom waren keine Myelomzellen mehr nachweisbar. Dies sind die überzeugenden Ergebnisse der ersten geplanten Zwischenanalyse der Phase-III-Studie IKEMA, die in einer Late-Breaking-Session auf dem virtuellen Kongress der European Hematology Association präsentiert wurden [1]. CD38 als Zielantigen

Isatuximab ist ein monoklonaler IgG1-Antikörper, der gegen das CD38-Molekül gerichtet ist [2]. Bei CD38 handelt es sich um ein auf den Tumorzellen des multiplen Myeloms durchgängig und in großen Mengen exprimiertes transmembranes Glykoprotein, das sowohl als Rezeptor als auch als Ektoenzym aktiv ist. Dadurch bietet sich das CD38-Molekül als Zielstruktur für Antikörper-basierte Therapieansätze beim multiplen Myelom an. Isatuximab bindet am CD38-Molekül an ein spezifisches Epitop, d.h. an einen definierten Molekülabschnitt, der eine spezifische Immunantwort triggern kann. Dadurch werden mehrere Folgereaktionen ausgelöst [2]: • die Induktion der Antikörperabhängigen zellulären Zytoto-

Rezidiviertes multiples Myelom: Patienten profitieren von der Triplett-Therapie mit Isatuximab xizität (ADCC), der Komplement-abhängigen Zytotoxizität (CDC) und der Antikörper-abhängigen zellulären Phagozytose (ADCP), • die Hemmung der ektoenzymatischen Aktivität von CD38, • eine Immunmodulation und • die direkte Induktion der Apoptose, d.h. des programmierten Tumorzelltodes (Abb. 1). ICARIA-MM-Studie: Signifikant verlängertes progressionsfreies Überleben

Dass durch die genannten Mechanismen ein starker antitumoraler Effekt mit einer ausgeprägten Reduktion der Tumorlast eingeleitet wird, belegten bereits die Ergebnisse der Zulassungsstudie ICARIA-MM [3], in der Isatuximab in Kombination mit Pomalidomid und Dexamethason (POM-DEX) im Vergleich zur alleinigen Gabe von POM-DEX das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) der Patienten mit refraktärem/ rezidiviertem multiplem Myelom signifikant verlängerte (11,53 Monate gegenüber 6,47 Monate) und das Risiko für Krankheitsprogression oder Tod signifikant um 40 % verbesserte [3]. Aufgrund dieser Therapievorteile erhielt Isatuximab im Juni 2020 die Zulassung

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zur Behandlung des rezidivierten und refraktären multiplen Myeloms bei Erwachsenen, die mindestens zwei vorausgegangene Therapien, darunter Lenalidomid und einen Proteasom-Inhibitor, erhalten haben und unter der letzten Therapie eine Krankheitsprogression zeigten [2]. IKEMA-Studie: Klinisch bedeutsames Ansprechen und geringeres Progressionsrisiko

Isatuximab wird derzeit in mehreren laufenden Phase-III-Studien in Kombination mit aktuellen Standardtherapien in den verschiedenen Behandlungsstadien des multiplen Myeloms untersucht, insbesondere bei vorbehandelten Patienten, die z.B. nach einem Rezidiv nicht mehr auf die Standardtherapien ansprechen. Vielversprechende Ergebnisse zeigt eine Zwischenanalyse der randomisierten, unverblindeten Phase-III-Studie IKEMA [1], die das in der Rezidivsituation häufig verwendete Therapieschema aus dem Proteasom-Inhibitor Carfilzomib plus Dexamethason (KdArm) mit der Triplett-Therapie mit zusätzlichem Isatuximab (Isatuximab/Kd-Arm) verglich. Eingeschlossen in die Studie wurden 302 Patienten mit refraktärem/ © VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

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Die multiplen Wirkmechanismen von Isatuximab ADCC

Aktivierung

Natürliche Killerzelle

Isatuxim der geg zytotoxische Granula

Aktivierung von natürlichen Killerzellen/ Monozyten

Apoptose

CD38 is überexp sowohl Damit b Antikörp Myelom

Hemmung der ektoenzymatischen Aktivität von CD38 Zytokine Myelomzelle

Monozyt

CDC

Komplementkaskade Differenzierung

Fc Makrophage

MAC

Membranangriffskomplex

Hemmung der Immunsuppression

regulatorische T-Zelle

Immunmodulation

ADCP

ADCC: antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität

1. Jiang H et al.; Leukemia 2016;30:399-408

Abbildung 1: Die multiplen Wirkmechanismen von 2.Isatuximab siehe Text. ADCP: antikörperabhängige zellvermittelte Phagozytose Lin P et al.; Am[2]. J ClinEinzelheiten Pathol 2004;121:482-488 CDC: komplementvermittelte Zytotoxizität 3. Angelopoulou MK et al.; Eur J Haematol 2002;68:12-21 ADCC: antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität, ADCP: antikörperabhängige zellvermittelte Phagozytose, CDC: komplementvermit(c)ADPR: (zyklische) Adenosindiphosphatribose 4. Schwonzen M et al.; Br J Haematol 1993;83:232-239 telteIg:Zytotoxizität, (c)ADPR: (zyklische) Adenosindiphosphatribose, Ig: Res Immunglobulin, Immunglobulin 5. Keyhani A et al.; Leukemia 2000; 24:153-159 MAC: Membranangriffskomplex, NAD: Nicotinamid­ MAC: Membranangriffskomplex 6. Domingo-Domenech E et al.; Haematologica 2002;87:1021-1027 adenindinukleotid (Quelle: Sanofi Genzyme). NAD: Nicotinamidadenindinukleotid 7. Deckert J et al.; Clin Cancer res 2014;20:4574-4583

rezidiviertem multiplem Myelom, die bereits 1 – 3 Behandlungen gegen ihr Myelom erhalten hatten. Mit wegweisenden Therapien Sie wurden 3 : 2 entweder auf den komplexen Erkrankungen begegnen. Isatuximab/Kd-Arm (n = 179) oder den Kd-Arm (n = 123) randomisiert, stratifiziert nach der Anzahl der Vortherapien und nach R-ISS (Revised Multiple Myeloma International Staging System). 44 %, 33 % und 23 % hatten 1, 2 und ≥3 Vortherapien bekommen; 90  % hatten zuvor einen ProteasomInhibitor und 78 % einen immunmodulierenden Wirkstoff erhalten; 24% hatten eine Hochrisiko-Zytogenetik. Im Prüfarm wurde Isatuximab als intravenöse Infusion in einer Dosis von 10 mg/kg verabreicht, und zwar in den ersten 4 Wochen einmal wöchentlich und anschließend

jede zweite Woche. Die Therapie erfolgte in Form von 28-tägigen Zyklen in Kombination mit Carfilzomib in einer Dosis von 20 mg/ m2 zweimal wöchentlich an den Tagen 1–2 und danach 56 mg/m2 Carfilzomib für 3 von 4 Wochen; außerdem erhielten alle Studienteilnehmer zweimal wöchentlich 20 mg Dexamethason in Standarddosierung. Als primärer Studienendpunkt wurde das PFS definiert, sekundäre Endpunkte waren das Gesamtansprechen (Overall Response Rate, ORR), eine vollständige Rückbildung des Myeloms (Complete Remission, CR,), sehr gute Teilremissionen (Very Good Partial Response, VGPR), eine Negativität in Bezug auf eine minimale Resterkrankung (Minimal Residu-

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al Disease, MRD), das Gesamtüberleben (Overall Survival, OS) und die Sicherheit [1]. Während der Median des PFS, der Zeit bis zur Krankheitsprogression oder bis zum Tod des Patienten, unter der Therapie mit dem Kd-Schema 19,15 Monate betrug, wurde er bei den mit der Isatuximab-Kombinationstherapie behandelten Patienten zum Zeitpunkt der vorab festgelegten Zwischenanalyse nach einem medianen Follow-up von 20,7 Monaten noch nicht erreicht (HR: 0,531; 99%-KI: 0,318 – 0,889; p = 0,0007). Das bedeutet, dass die Isatuximab-Kombination das Risiko für Krankheitsprogression oder Tod um 47 % verringerte Der PFSVorteil bestand über alle Subgruppen hinweg. © VERLAG PERFUSION GMBH

Isatuxim Epitop, eine spe Dadurc - die In Zytot toxiz Phag - die H von C - eine - die d prog

Durch d antitum Redukt


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

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Die Gesamtansprechrate (ORR) betrug 86,6 % unter Isatuximab-Kd und 82,9 % unter Kd (p = 0,193), die Rate des mindestens sehr guten Ansprechens (≥VGPR) 72,6 % im Isatuximab/Kd-Arm gegenüber 56,1 % im Kd-Arm (p = 0,0011). Die Rate an Komplettremissi­ onen (CR) lag bei 39,7 % unter Isatuximab-Kd versus 27,6 % unter Kd. Eine MRD-Negativität wurde in der Gesamtstudie (ITT-Population) bei 29,6 % der mit der Isatuximab-Kombinationstherapie und bei 13 % der mit dem Kd-Schema behandelten Patienten beobachtet (p = 0,0004). Das bedeutet, dass bei fast 30 % der mit der Isatuximab-Kombinationstherapie behandelten Patienten mittels Next Generation Sequencing (NGS) mit einer Sensitivität von 10-5 keine Myelomzellen mehr nachweisbar waren. Die Daten für das Gesamtüberleben (OS) waren zum Zeitpunkt der Zwischenanalyse noch nicht reif (17,3 % Ereignisse im Isatuximab/ Kd-Arm vs. 20,3 % im Kd-Arm). Bei 76,8 % der mit Isatuximab-Kd behandelten Patienten und 67,2 % unter der Kd-Behandlung traten unerwünschte Ereignisse (UE) vom Grad ≥3 auf, schwerwiegende UE und zum Tode führende UE waren in den beiden Behandlungsgruppen vergleichbar häufig: 59,3  % bzw. 3,4  % unter Isatuximab-Kd gegenüber 57,4 % bzw. 3,3 % unter Kd. Fazit

Für die Therapie des multiplen Myeloms wurde in den letzten Jahren eine Vielzahl neuer Medikamente wie Immunmodulatoren und Proteasom-Inhibitoren der nächsten Generation sowie mye-

lomspezifische Antikörper zugelassen. Diese Entwicklung hat zu einer deutlichen Verbesserung der Prognose und des Überlebens geführt, auch wenn das multiple Myelom bis heute nicht heilbar ist. Die Erweiterung des Therapiespektrums um den CD38-Antikörper Isatuximab, der in Kombination mit den bislang eingesetzten Standardtherapie-Schemata bereits in 2 Studien bessere Ergebnisse erzielt hat als die Standardtherapie alleine, erhöht die Chancen, die Prognose der refraktären bzw. rezidivierten Patienten weiter zu verbessern. Damit könnte sich ein neuer Standard für diese Patientengruppe ergeben. Brigitte Söllner,

Erlangen

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m bei leichter bis mittelschwerer Colitis ulcerosa (CU) die Remission einzuleiten und zu erhalten, empfehlen die Leitlinien Mesalazin (5-Aminosalicylsäure, 5-ASA) als Erstlinientherapie [1]. Wie eine neue Studie zeigt, korreliert dabei die Mesalazin-Konzentration in der Sigmoid-Schleimhaut signifikant mit der endoskopischen Remission [2]. Um das von der International Organization for the Study of Inflammatory Bowel Diseases (IOIBD) empfohlene Therapieziel [3] möglichst vollständig zu erreichen, entwickelte Tillotts eine neue Galenik. Asacol® 1600 mg ist die Tablette mit der höchsten Mesalazin-Einzeldosis am Markt. Ihr dualer Freisetzungsmechanismus verteilt 5-ASA gezielt im gesamten Kolon bis hin zum Rektum [4, 5]. Entscheidend ist die 5-ASAKonzentration in der Mukosa des Colon sigmoideum

Literatur 1 Moreau P et al. EHA 2020; Abstr LB2603; ClinicalTrials.gov. Kennung: NCT03275285 2 Fachinformation Sarclisa®. https://www. ema.europa.eu/en/documents/product-information/sarclisa-epar-product-information_de.pdf 3 Attal M, Richardson PG, Rajkumar SV et al.; ICARIA-MM study group. Isatuximab plus pomalidomide and low-dose dexamethasone versus pomalidomide and low-dose dexamethasone in patients with relapsed and refractory multiple myeloma (ICARIA-MM): a randomised, multicentre, open-label, phase 3 study. Lancet 2019;394:2096-2107

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Mesalazin entfaltet seine Wirkung vorwiegend topisch. Die Wirkstoff-Konzentration am Ort der Entzündung ist daher für den Therapieerfolg entscheidend. Dies wurde nun durch eine Studie bei 50 CU-Patienten bestätigt, die mit 5-ASA behandelt wurden [2]. Alle Patienten unterzogen sich einer Endoskopie, bei der auch Gewebeproben aus der Darmmukosa entnommen wurden. Bei CU-Patienten mit vollständiger Remission (Mayo Endoscopic Score MES  =  0 bzw. Ulcerative Colitis Endoscopic Index of Severity UCEIS ≤1) war eine signifikant höhere 5-ASA-Konzentration in der Mukosa des Colon sigmoideum nachweisbar (Median 17,3 ng/ © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Colitis ulcerosa: Vollständige endoskopische Heilung bei ausreichend hoher MesalazinKonzentration

mg) als bei Patienten mit noch aktivem Entzündungsgeschehen (Median 6,4 ng/mg) (p = 0,019). Die Studie bestätigt eindrucksvoll das exzellente Wirkungsprofil von Mesalazin bei der Behandlung der leichten bis mittelschweren Colitis ulcerosa. 5-ASA erzielt bei den Patienten nicht nur eine klinische Remission, sondern auch eine vollständige endoskopische Heilung der Darmmukosa – vorausgesetzt, es kommt ausreichend Mesalazin im Colon sigmoideum an. CU-Patienten mit einem MES von 0 haben deutlich seltener Rückfälle als jene mit einem MES ≤1,6 Daher empfiehlt die IOBD, die endoskopische Remission 3 – 6 Monate nach Behandlungsstart zu überprüfen und die Therapie bis zu einem MES von 0 fortzusetzen [3].

a) I ntakte Tablette im distalen Ileum

OPTICORETM-Technologie sorgt für vollständige Wirkstofffreisetzung

Mit der neuen Galenik von Asacol® 1600 mg unterstützt Tillotts dieses Ziel auf mehrfache Weise: Die Tablette enthält die höchste Mesalazin-Einzeldosis am Markt und ist zugleich gut verträglich. Die Zahl der täglich einzunehmenden Tabletten lässt sich damit reduzieren, was die Adhärenz fördert, die wesentlich für den Erfolg der Therapie ist [7]. Die OPTICORETMTechnologie (OPTImized COlonic RElease) mit dualem Freisetzungsmechanismus (getriggert ab pH7 und durch Enzyme der Darmbakterien, beschleunigt durch eine Booster-Schicht) sorgt dafür, dass der gesamte Wirkstoff vom aufsteigenden Kolon bis zum Rektum

b) Initiale Freisetzung von 5-ASA im Coecum/ Colon ascendens

schnell und vollständig freigesetzt wird [4, 5]. Dies wurde mithilfe der Gamma-Szintigraphie nachgewiesen (Abb. 1a–d). Elisabeth Wilhelmi, München Literatur 1 Kucharzik T et al. Aktualisierte S3-Leitlinie Colitis ulcerosa. Z Gastroenterol 2019;57:1321-1405 2 Fukuda T et al. J Gastroenterol Hepatol 2020 Apr 6; https://doi.org/10.1111/ jgh.15059 3 Peyrin-Biroulet L et al. Am J Gastroenterol 2015;110:1324-1338 4 Varum F et al. American Association of Pharmaceutical Scientists (AAPS) Annual Meeting 2016, Denver, USA: Poster 02W0200 5 Varum F at al. Int J Pharm 2020;583: 119372 6 Barreiro-de Acosta M et al. J Crohns Colitis 2016;10:13-19 7 Dignass AU et al. Clin Gastroenterol Hepatol 2009;7:762-769

c) Weitere Freisetzung im Colon ascendens und transversum

d) Weitere Freisetzung im Colon sigmoideum

Abbildung 1a–c: Gamma-Szintigraphie der Wirkstofffreisetzung bei der neuen 5-ASA-Tablette Asacol® 1600 mg: Die innovative OPTICORETMBeschichtung sorgt für eine gezielte Verteilung des Mesalazins im gesamten Dickdarm [4] (Quelle: Tillotts).

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

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D

as Krankheitsbild der axialen Spondyloarthritiden (axSpA) umfasst eine Bandbreite entzündlicher Erkrankungen der Wirbelsäule mit unterschiedlichen Symptomen und Verläufen [1]. Dazu gehören die klassische ankylosierende Spondylitis (AS, früher Morbus Bechterew, jetzt auch als röntgenologische axSpA bezeichnet) sowie die nicht-röntgenologische axSpA (nr-axSpA). Während bei der AS bereits entzündliche oder strukturelle Schäden in den Sakroiliakalgelenken im konventionellen Röntgenbild sichtbar sind, ist dies bei der nraxSpA noch nicht der Fall – allerdings fallen hier oft im MRT bereits entzündliche Läsionen auf. Chronische Rückenschmerzen, die im Bereich der unteren Wirbelsäule und des Kreuzbein-DarmbeinGelenks lokalisiert sind, dazu ein Erwachen mit starken Schmerzen in der zweiten Nachthälfte und morgens ausgeprägte Gelenksteifigkeit, die sich unter Bewegung bessert, sind Kardinalsymptome der axSpA (Abb. 1) [2]. Die

IL-17A-Inhibitor Secukinumab: Umfassende Wirksamkeit bei axialer Spondyloarthritis

Krankheitslast der Patienten ist gleichermaßen hoch, unabhängig davon, ob bereits röntgenologische Veränderungen nachweisbar sind [1]. Krankheitskontinuum mit fließendem Übergang

Die nr-axSpA und die AS haben gemeinsame epidemiologische, genetische und klinische Merkmale, die das Konzept der axSpA als eine Krankheit mit zwei Stadien unterstützen [3]. Es handelt sich also um ein Krankheitskontinuum,

bei dem Unterschiede nur hinsichtlich der Krankheitsdauer und des Ausmaßes zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehen. Auch die S3Leitlinie erkennt lediglich eine arbiträre Trennung zwischen nr-axSpA und AS und stützt sich hierbei auf die ASAS*-Klassifikationskriterien [1]. Konzeptionell beginnt die axSpA bei jedem Patienten zunächst nichtröntgenologisch [2]. Der Übergang zwischen beiden Ausprägungen ist fließend – auch die nicht-röntge* Assessment of SpondyloArthritis international Society

Differentialdiagnose der axialen Spondyloarthritis nr-axSpa (Nicht-röntgenologische Spondyloarthritis)

Frühes Stadium der AS: Bis zu 40 % der nr-axSpA Patienten entwickeln innerhalb von 10 Jahren eine AS

AS (Ankylosierende Spondylitis)

Vergleichbare Krankheitsbelastung und Symptome der nr-axSpa und AS

Verbesserung der Symptome unter Bewegung, aber nicht durch Ruhe

Wechselnder Gesäßschmerz

Chronische Rückenschmerzen > 3 Monate

Erwachen in der zweiten Nachthälfte durch Schmerzen

Morgensteifigkeit > 30 Minuten

Abgrenzung der nr-axSpA zur AS Keine röntgenologisch auffällige Sakroiliitis Kürzere Krankheitsdauer bei Diagnose Niedriger CRP-Spiegel Weniger strukturelle Veränderungen am Achsenskelett

CRP = C-reaktives Protein

Quellen:als 1 Deodhar A et al. Arthritis Rheumatol. 2016;68(7):1669-7. 2 Lockwood MM et al. Best Pract Res Clin Rheumatol.ist 2017;31(6):816-829. Abbildung 1: Die nr-axSpA und die AS gelten ein Krankheitskontinuum, der Übergang zwischen beiden Ausprägungen fließend [1, 2]. 3 Protopopov M et al. Expert Rev Clin Immunol. 2018;14:525-533. 4 Poddubnyy D et al. Ann Rheum Dis. 2012;71:1998-2001.

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nologische Erkrankung kann dabei einen progredienten Verlauf nehmen. Etwa 10 – 40 % der Patienten mit nr-axSpA entwickeln über einen Zeitraum von 2 – 10 Jahren eine AS [4]. Dabei kommt es zu den für die AS typischen strukturellen Veränderungen an den Sakroiliakalgelenken und im Verlauf zur irreversiblen Verknöcherung der Wirbelsäule. Erhöhte CRPWerte (C-Reaktives Protein) und eine aktive Sakroiliitis im MRT sind die stärksten Prädiktoren für diese Progression [5]. Therapie und Behandlungsbedarf

Für Patienten mit AS und nr-axSpA wird in der aktuellen S3-Leitlinie eine Kombination aus pharmakologischen und nicht pharmakologischen Maßnahmen (multimodales Behandlungskonzept) empfohlen [1]. Zur medikamentösen Therapie sind nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) als Mittel der ersten Wahl einzusetzen. Wichtige Ziele der medikamentösen Therapie sind: • Schmerzreduktion, • Verbesserung der Funktionsfähigkeit und der Steifheit, • Reduktion inflammatorischer Prozesse, • Hemmung der röntgenologischen Progression sowie • Erhaltung/Erhöhung der Lebensqualität. Patienten, die unter der Standardtherapie mit NSAR keine ausreichende Reduktion der entzündlichen Krankheitsaktivität erreichen, können mit Biologika behandelt werden. So sind seit einigen Jahren einige TNF-Blocker zur Behandlung der nr-axSpA zugelassen, wenn unter NSAR keine ausreichende Besserung der Beschwerden eintritt. Doch auf

diese Therapien sprechen bei Weitem nicht alle Patienten an; etwa 60 % erreichen zum Beispiel kein ASAS40-Ansprechen [6, 7]. Daher sind Wirkansätze jenseits der TNFHemmung notwendig, um Patienten mit nr-axSpA eine effektive Behandlung anbieten zu können. IL-17A-Hemmer für das gesamte axSpA-Spektrum

Eine neue Therapieoption zur Behandlung von axSpA-Patienten ist der IL-17A-Inhibitor Secukinumab (Cosentyx®). Das Biologikum ist bereits seit November 2015 zugelassen zur Behandlung von Patienten mit aktiver ankylosierender Spondylitis, die unzureichend auf eine konventionelle Therapie angesprochen haben. Im April 2020 erhielt Secukinumab die Zulassungserweiterung für die Behandlung erwachsener Patienten mit aktiver nicht-röntgenologischer Spondyloarthritis, die unzureichend auf NSAR angesprochen haben [8]. Damit kann der IL-17AInhibitor für alle Erkrankungen des Spondyloarthritiden-Spektrums eingesetzt werden**. Die Zulassung in der Indikation nr-axSpA basiert auf den Daten der randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten PhaseIII-Studie PREVENT, die aus einer 2-jährigen Kernphase und einer 2-jährigen Verlängerungsphase bestand [9, 10]. Untersucht wurden 555 erwachsene Patienten mit ak** Weitere Indikationen von Secukinomab (Cosentyx®) sind die mittelschwere bis schwere Plaque-Psoriasis bei erwachsenen Patienten, die für eine systemische Therapie infrage kommen, sowie die Psoriasis-Arthritis (PsA), wenn das Ansprechen auf eine vorhergehende Therapie mit krankheitsmodifizierenden Antirheumatika (DMARD) unzureichend gewesen ist [8].

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tiver nr-axSpA gemäß den ASASKlassifikationskriterien und erhöhtem hsCRP und/oder Sakroiliitis im MRT (aber ohne röntgenologische Veränderung der Sakroiliakalgelenke). Im Mittel waren die Studienteilnehmer etwa 39 Jahre alt mit einer Symptomdauer von fast 9 Jahren und einem BASDAIScore von circa 7. Von den randomisierten Patienten waren etwa 90 % anti-TNF-naiv. Die Teilnehmer wurden im Verhältnis 1 : 1 : 1 randomisiert auf Secukinumab s.c. 150 mg mit oder ohne Aufsättigung (Off-Label-Use) oder Placebo. Die Gruppe mit initialer Aufsättigung erhielt Secukinumab in den Wochen 0, 1, 2, 3 und 4 und anschließend im monatlichen Rhythmus bis Woche 52. Die Gruppe ohne initiale Aufsättigung erhielt Secukinumab in den Wochen 0 und 4 und anschließend im monatlichen Rhythmus bis Woche 52. Um die Verblindung aufrechtzuerhalten, wurde den Patienten dieser Gruppe an den Wochen 1, 2 und 3 jeweils ein Placebo verabreicht. Primärer Endpunkt war das ASAS40-Ansprechen unter Secukinumab 150 mg s.c. bei anti-TNFnaiven Patienten in Woche 16 (EU, mit Aufsättigung) und in Woche 52 (US, ohne Aufsättigung) – gemäß regulatorischer Anforderung [10]. Ab Woche 20 konnten Patienten aus jedem Studienarm in Absprache mit ihrem Arzt in einen OpenLabel-Secukinumab-Escape-Arm wechseln. Diese wurden für den primären Endpunkt an Woche 52 unabhängig vom bisherigen ASAS40-Ansprechen als Non-Responder gezählt. Der primäre Endpunkt in Woche 16 bzw. Woche 52 wurde erreicht [9, 10]: • 41,5 % der anti-TNF-naiven Patienten erzielten ein ASAS40© VERLAG PERFUSION GMBH


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Ansprechen in Woche 16. Das heißt, es konnte eine signifikante und klinisch relevante Symptomverbesserung gegenüber Placebo erreicht werden (29,2 %; p < 0,05). • Auch in der Gesamtpopulation verbesserte Secukinumab das ASAS40-Ansprechen bis in Woche 16 signifikant (40,0 % vs. 28,0 %; p < 0,05). • 39,8  % der anti-TNF-naiven Patienten erreichten auch in Woche 52 ein ASAS40-Ansprechen unter Secukinumab 150 mg s.c. (Verbesserung vs. Placebo 19,9 %; p<0,05). • Zudem kam es zu statistisch signifikanten Verbesserungen bei allen untersuchten sekundären Endpunkten, wie etwa Beweglichkeit und gesundheitsbezogener Lebensqualität. Mittlerweile liegen auch Studiendaten zur Verbesserung verschie-

dener Symptome der nr-axSpA vor, die auf dem ACR 2020 vorgestellt wurden [11]. Bei anti-TNF-naiven Patienten mit nr-axSpA führte das Biologikum sowohl in Woche 4 als auch in Woche 16 im Vergleich zu Placebo (p<0,05) zu eine höheren durchschnittlichen Reduktion der nächtlichen Rückenschmerzen sowie der Morgensteifigkeit im Vergleich zum Ausgangswert. Die Verbesserung dieser Symptome setzte sich bis in Woche 52 fort. Auch die Müdigkeit sowie körperlichen Funktionen verbesserten sich unter der Behandlung mit dem IL-17A-Inhibitor gegenüber Baseline in Woche 16 (vs. Placebo, p < 0,01) sowie 52 [11]. Das Sicherheitsprofil von Secukinumab stimmt mit früheren Berichten überein; es wurden keine neuen Sicherheitssignale erfasst. Fabian Sandner, Nürnberg

Diabetesmedikamente gegen die Herzinsuffizienz

Herzinsuffizienz erwiesen. In Studien wurde die Wirksamkeit dieser Präparate nun eindrucksvoll nachgewiesen.

Die chronische Herzinsuffizienz ist für mehr als 460.000 Krankenhauseinweisungen in Deutschland verantwortlich. Das sind so viele wie bei keiner anderen Krankheit. Erkrankte Patienten erleben außerdem eine enorme Einschränkung ihrer Lebensqualität und auch die Wahrscheinlichkeit, an der Krankheit zu versterben, ist enorm hoch. Doch eine überraschende Entwicklung macht Patienten und Ärzten seit Kurzem Hoffnung: Die beiden SGLT-2-Hemmer Dapagliflozin und Empagliflozin, die eigentlich zur Diabetes-Behandlung entwickelt wurden, haben sich als sehr wirksame Medikamente gegen die

SGLT-2-Hemmer überzeugen in Sicherheitsstudien zur Herzinsuffizienz

Zwar wurden in den letzten Jahren effiziente Medikamente zur Therapie der Herzinsuffizienz und vor allem der ihr zugrunde liegenden Erkrankungen entwickelt, trotzdem blieb die Sterblichkeit und die Zahl der Krankenhausaufnahmen hoch. Neue Studiendaten lenken das Augenmerk von Kardiologen nun auf die ursprünglich für Diabetes mel-

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Literatur 1 Kiltz U, Braun J. S3-Leitlinie Axiale Spondyloarthritis inklusive Morbus Bechterew und Frühformen; AWMF Leitlinien Register Nummer: 060/003, Version 2019 2 Lockwood MM et al. Res Clin Rheumatol 2017;31:816-829 3 Proft Fet al.Ther Adv Musculoskelet Dis 2018;10:129-139 4 Protopopov M et al. Expert Rev Clin Immunol 2018;14:525-533 5 Proft Fet al.Ther Adv Musculoskelet Dis 2018;10:129-139 6 Sieper J et al. Ann Rheum Dis 2013; 72:815-822 7 Dougados M et al. Arthritis Rheumatol 2014;66:2091-2102 8 Fachinformation Cosentyx®; Stand: September 2020 9 Deodhar A et al. Arthritis Rheumatol 2019;71(Suppl. 10) 10 Deodhar A et al. Oral Presentation at ACR/ARP Annual Meeting, Atlanta; 2019 11 Marzo-Ortega H et al. ACR 2020, Abstract 1340

litus entwickelten Medikamente Dapagliflozin und Empagliflozin aus der Gruppe der SGLT-2-Hemmer (Sodium-Glukose-Cotransporter-2-Inhibitoren). Nachdem einige orale Diabetesmedikamente – die Glitazone – in der Vergangenheit eine Erhöhung der Krankenhausaufnahme wegen einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz verursacht haben, hatte die amerikanische Zulassungsbehörde FDA Sicherheitsstudien für alle neu entwickelten Antidiabetika verpflichtend gemacht. So fiel bei Zulassungsstudien zu SGLT-2-Inhibitoren auf, dass sie nicht nur bei Diabetes helfen, sondern auch eine Verbesserung der Herzinsuffizienz zu bewirken scheinen. © VERLAG PERFUSION GMBH


NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Deutlich geringeres Risiko für kardiovaskuläre Todesfälle und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz

Die Substanzklasse der SGLT2-Inhibitoren hemmt die Wiederaufnahme von Glukose vom Primärharn zurück ins Blut. Dadurch kommt es zu einem Glukoseverlust und so zu einer Blutzuckersenkung. Die Substanzen führen jedoch nicht nur zu einem Glukoseverlust über die Niere, sondern auch zu einem Natriumverlust sowie zu Stoffwechselveränderungen, die energetisch günstig für das Herz sein könnten. Die Wirkung der beiden Medikamente auf die Herzinsuffizienz wurde daher in 2 großen Studien untersucht: Kurz nacheinander wurden die Ergebnisse der DAPA-HF-Studie mit Dapagliflozin und der EMPERORReduced-Studie mit Empagliflozin publiziert*. Dabei handelt es sich um große multizentrische Studien mit zusammen mehr als 8.000 Patienten, die doppelblind und randomisiert behandelt wurden. Eingeschlossen wurden Patienten mit chronischer Herzsuffizienz (NHYA-Stadien II–IV) und einer linksventrikulären Ejektionsfraktion ≤40 % mit und ohne Diabetes. Alle Studienteilnehmer wurden weiterhin mit einer optimalen Standardtherapie der Herzschwäche versorgt. Beide Studien zeigten übereinstimmend eine Abnahme des Risikos für kardiovaskuläre * McMurray JJV, Solomon SC, Inzucchi SE et al.; DAPA-HF Trial Committees and Investigators. Dapagliflozin in patients with heart failure and reduced ejection fraction. N Engl J Med 2019;381:19952008 Packer M, Anker SD, Butler J et al.; EMPEROR-Reduced Trial Investigators. Cardiovascular and renal outcomes with empagliflozin in heart failure. N Engl J Med 2020;383:1413-1424

Todesfälle und Krankenhausaufnahmen wegen Herzinsuffizienz um etwa 25 %. Die Effekte waren in beiden Studien unabhängig von einer modernen Begleittherapie und bei Patienten mit und ohne Diabetes mellitus vergleichbar. Dapagliflozin bereits für die Indikation Herzinsuffizienz zugelassen

In der randomisierten placebokontrollierten Phase-III-Studie DAPA-HF konnte Dapagliflozin zusätzlich zur Standardtherapie gegenüber Placebo das Risiko des kombinierten primären Endpunktes bestehend aus kardiovaskulär bedingtem Tod (CV-Tod) oder Verschlechterung der Herzinsuffizienz (definiert als Hospitalisierung oder notfallmäßiger Arztkontakt wegen Herzinsuffizienz) signifikant um relativ 26 % senken (16,3 % vs. 21,2 %; HR: 0,74; 95%-KI: 0,65 – 0,85; p < 0,001) – auch bei Patienten ohne Diabetes. Das Risiko für CV-Tod war unter Dapagliflozin versus Placebo um relativ 18 % reduziert (9,6 % vs. 11,5 %; HR: 0,82; 95%-KI: 0,69  –  0,98; p = 0,029). Des Weiteren ergab die Auswertung der Patient Reported Outcomes (PRO), ein etabliertes Messinstrument zur Erfassung der Wahrnehmung des Patienten, unter Dapagliflozin eine signifikante und klinisch relevante Verbesserung des wahrgenommenen Gesundheitszustands (gemessen mittels Gesamtsymptom-Score des Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire, KCCQ). Das Sicherheitsprofil von Dapagliflozin in der DAPA-HF-Studie entsprach dem bekannten Sicherheitsprofil des Medikaments. Auf Basis dieser Ergebnisse erhielt Dapagliflozin (Forxiga®) am 3.

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November 2020 von der Europäischen Kommission die Zulassung zur Behandlung symptomatischer chronischer Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion bei Erwachsenen mit und ohne Typ2-Diabetes. Damit steht nun in Deutschland eine neue Therapie­ option für HFrEF-Patienten mit nur einer Dosierung (1 × täglich) zur Verfügung. Auch Empagliflozin empfiehlt sich als Herzinsuffizienz-Therapie

Die entsprechende Zulassung steht im Fall von Empagliflozin (Jardiance®) zwar noch aus, die Ergebnisse der EMPEROR-Reduced-Studie bei symptomatischen Patienten mit HFrEF zeigen aber ebenfalls eine signifikante Senkung des kombinierten primären Endpunktes aus CV-Tod und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz um relativ 25 % (19,4 % vs. 24,7; HR: 0,75; 95%-KI: 0,65  –  0,86; p < 0,001). Treiber dieser Risikoreduktion war eine relative Reduktion von Krankenhausaufenthalten (Erstereignisse) wegen Herzinsuffizienz um 30 % (HR: 0,70; 95%KI: 0,58 – 0,85; p < 0,001). Bei der kardiovaskulären Mortalität ergab sich eine nicht signifikante relative Abnahme um 8 % unter Empagliflozin (10,0 % vs.10,8 %; HR: 0,92; 95%-KI: 0,75 – 1,12). Angesichts dieser Daten haben sich Herzexperten – quasi im Vorgriff auf ein künftiges LeitlinienUpdate – in einem Positionspapier der Heart Failure Association (HFA) der European Society of Cardiology (ESC) dafür ausgesprochen, beide SGLT-2-Hemmer in die Europäischen Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der Herzinsuffizienz aufzunehmen. DGK © VERLAG PERFUSION GMBH


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Teriflunomid: Etablierte MS-Therapie mit neuer Perspektive Der Wirkstoff Teriflunomid hat sich in Langzeitstudien wie auch in Real-World-Studien bei der Therapie der schubförmig-remittierenden Multiplen Sklerose (RRMS) etabliert und zeigt eine lang anhaltende Wirksamkeit bei guter Verträglichkeit und konsistent günstigem Sicherheitsprofil. Untersuchungen zu antiviralen Effekten zufolge kann Teriflunomid (Aubagio®) möglicherweise auch den Verlauf einer Covid-19-Erkrankung günstig beeinflussen, wie Professor Mark Obermann, Schildautal Seesen, bei einem virtuellen Pressegespräch von Sanofi Genzyme ausführte. So gibt es nach seiner Darstellung Berichte über selbstlimitierende Covid19-Erkrankungen bei auf Teriflunomid eingestellten MS-Patienten [1]. „Die Effekte werden derzeit eingehend untersucht“, erläuterte der Neurologe. Präferenzen des Patienten bei der Therapieplanung berücksichtigen

Infolge der in Studien wie auch im Praxisalltag beobachteten guten klinischen Wirksamkeit und guten Verträglichkeit sowie der einfachen Handhabung als einmal täglich einzunehmende Tablette ist Teriflunomid nach den Erfahrungen Obermanns eine gute Option für eine personalisierte Therapie der MS. Diese sollte generell die bei der Diagnosestellung zu erhebenden Prognosefaktoren wie beispielsweise den MRT-Befund und das mögliche Vorliegen von

Begleiterkrankungen berücksichtigen. „Eine wesentliche Rolle spielen bei der Therapieplanung darüber hinaus die Bedürfnisse und Präferenzen der Patienten“, betonte Obermann. Zu berücksichtigen sind daher auch die Risikotoleranz des Patienten, sein Sicherheitsbedürfnis sowie der gewünschte Einnahmemodus. Studien belegen ein konsistent günstiges Sicherheitsprofil

Dreh- und Angelpunkt ist für viele Patienten wie auch die behandelnden Ärzte die Therapiesicherheit. Dass sich Teriflunomid durch eine gute Verträglichkeit bei günstigem Sicherheitsprofil auszeichnet, belegen klinische Studiendaten mit Zeiträumen bis zu 13 Jahren [2]. Das Sicherheitsprofil war dabei konsistent: „Neue oder unerwartete Nebenwirkungen traten in den Langzeitstudien nicht auf“, so Obermann. Die günstigen Befunde werden durch die Ergebnisse der deutschen Real-World-Studie TAURUS-MS I [3] bestätigt. Als häufigste Nebenwirkungen sind eine leichte Erhöhung des ALT-Werts beschrieben, eine meist reversibel verminderte Haardichte* sowie Kopfschmerzen, Übelkeit und Diarrhöen [4]. Die meisten unerwünschten Wirkungen sind mild bis moderat ausgeprägt. Sie bilden sich laut Obermann in aller Regel unter der Therapie zurück und führen selten zum Therapieabbruch. Wie Privatdozent Dr. Karl Baum, Henningsdorf, ergänzte, wurde unter der Teriflunomid-Behandlung * 87,1  % der Fälle unter Teriflunomid 14 mg bildeten sich zurück. Bei 1,3 % der Fälle kam es zu einem Behandlungsabbruch [7].

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nur bei einer Minderheit der Patienten eine Lymphopenie 1. oder 2. Grades beobachtet, mehr als 90 % der Patienten unter Teriflunomid hatten keine Lymphopenie. Die auftretenden Fälle waren zudem nicht mit vermehrten Infektionen assoziiert [5]. Die Infektionsraten waren bei Patienten mit und ohne Lymphopenie vergleichbar. Es gab außerdem keine Fälle schwerwiegender Lymphopenien (Grad 3–4). Baum hob hervor, dass unter Teriflunomid eine adäquate Immun­ antwort bei der saisonalen Grippeschutzimpfung besteht, die den Vorgaben der Europäischen Leitlinien entspricht [6]. Bei der Impfung mit einem inaktiven Impfstoff kommt es zudem zu einer guten Immunantwort auf Neoantigene wie auch auf Recall-Antigene [7], sodass offenbar weder eine Beeinträchtigung der humoralen noch der zellulären Immunität besteht. Umfassende und anhaltende klinische Wirksamkeit

Teriflunomid zeichnet sich durch eine gute klinische Wirksamkeit aus, die sich laut Baum nicht nur in einer signifikanten Reduktion der Schubrate wie auch der Behinderungsprogression niederschlägt, sondern auch in einer Reduktion der bei der MS zu beobachtenden Hirnatrophie. Diese neuroprotektiven Effekte könnten dem Wirkstoff neue Perspektiven bei der Therapie eröffnen. Dies unterstreichen die neuen Erkenntnisse zum Wirkmechanismus. Wie Baum darlegte, handelt es sich bei Teriflunomid um einen Immunmodulator mit entzündungshemmenden Eigenschaften [4]. Der Wirkstoff inhibiert das Enzym Dihydroorotat-Dehydrogenase (DHODH), blockiert damit die © VERLAG PERFUSION GMBH


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Anderen oralen MS-Therapeutika vergleichbar gute Wirksamkeit

Die klinische Wirksamkeit von Teriflunomid ist mit der anderer oraler MS-Medikamente wie Dimethylfumarat (DMF) vergleich** Die hier dargestellten Effekte sind In-vitro-Ergebnisse aus Experimenten mit Zelllinien. In-vitro-Resultate lassen sich nicht bedingungslos auf in vivo übertragen und ersetzen nicht randomisierte, kontrollierte Studien.

bar. Das belegen nach Baum die Daten zur Number Needed to Treat (NNT) bei der Verhinderung eines MS-Schubs in den Zulassungsstudien. Für Teriflunomid ergab sich hierzu ein Wert von 5,9 und 5,6; bei DMF lagen die Werte bei 5,3 und 5,6 [11]. Hinsichtlich der Risikoreduktion einer Behinderungsprogression zeigten sich mit NNTWerten von 13,7 und 17,1 unter Teriflunomid sogar Vorteile gegenüber DMF (10,8 und 30,2) [11]. Die mindestens vergleichbare Wirksamkeit von Teriflunomid im Vergleich mit anderen oralen MSMedikamenten wie DMF belegen auch die Ergebnisse der amerikanischen Real-World-Studie TERI­ RADAR [12]. In dieser Studie war die Hirnvolumenänderung, insbesondere der lateralen Ventrikel, unter Teriflunomid signifikant geringer als unter DMF. In einer direkten Vergleichsstudie mit Oftamumab zeigte sich im Hinblick auf die Reduktion der Hirnatrophie kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Wirkstoffen [13]. Fazit für die Praxis

Wie die beiden Neurologen darlegten, gibt es inzwischen umfassende Daten zur guten Langzeitwirksamkeit und -sicherheit von Teriflunomid mit interessanten neuen Aspekten. Diese können auf weitere neue Perspektiven hinsichtlich der Anwendung des MS-Therapeutikums hindeuten. Das ist bei der Behandlung der RRMS zu berücksichtigen und es sollte stets eine frühe Evaluation des Ansprechens und ggf. bei Bedarf ein rechtzeitiger Therapiewechsel erfolgen. Für Teriflunomid spricht dabei nicht zuletzt auch die Tatsache, dass mittlerweile über 100.000 Patien-

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ten (Stand September 2019) mit dem Wirkstoff behandelt wurden, davon rund 16.000 Patienten in Deutschland. Sibylle Michna, Puschendorf

Quellen 1 Maghzi AH et al. J Neurol 2020;267: 2790-2796 2 Miller AE et al. Ther Adv Neurol Disord 2017;10:381-396 3 Kallmann BA et al. Ther Adv Neurol Dis 2019;12:1756286419835077 4 Fachinformation Aubagio®, Stand: September 2020 5 Comi G et al. Mult Scler Rel Disord 2016;5:97-104 6 Bar-Or A et al. Neurology 2013;81:552558 7 Bar-Or A et al. Mult Scler 2013;19(S1): 74-558, P622 8 Klotz L et al. Sci Transl Med 2019;11:117 9 Radue EW et al. Neurol Neuroimmunol Neuroinflamm 2017;4:e390 10 Freedman MS et al. Mult Scler J 2018;24(S2):530-737, P1233 11 Freedman MS et al. Mult Scler Relat Disord 2016;10:204-212 12 Zivadinov R et al. J Comp Eff Res 2019; 8:305-316 13 Hauser SL et al. N Engl J Med 2020; 383:546-557

Mit freundlicher Unterstützung der Sanofi-Aventis Deutschland GmbH © VERLAG PERFUSION GMBH

MAT-DE-2100254 v1.0 (01/2021)

De-novo-Pyrimidinsynthese und reduziert so selektiv und reversibel die Proliferation autoreaktiver T- und B-Lmphozyten [4]. Entsprechend den aktuellen Befunden der Studie TERIDYNAMIC** [8] bewirkt Teriflunomid auch eine Veränderung der T-LymphozytenZusammensetzung sowie des TLymphozyten-Rezeptorrepertoires und kann wahrscheinlich damit metabolische Störungen von TLymphozyten der MS-Patienten günstig beeinflussen [8]. „Dieser selektive Wirkmechanismus kann“, so Baum, „die gute und umfassende klinische Wirksamkeit einschließlich der neuroprotektiven Effekte von Teriflunomid erklären“. Der Wirkstoff reduzierte dabei signifikant den jährlichen Hirnvolumenverlust gegenüber Placebo über 2 Jahre um 36,9 % im ersten Jahr und um 30,6 % im zweiten Jahr der Studie [9]. Davon abgesehen resultiert unter der Therapie eine über 12 Jahre in Studien dokumentierte niedrige jährliche Schubrate bis zu einem Wert von 0,08 im Jahr 12 [10]. „Das entspricht weniger als einem Schub in 12 Jahren“, betonte Baum. Bemerkenswert war zudem der in den Langzeitstudien stabile EDSSVerlauf (Expanded Disability Status Scale) [10].


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Metastasiertes kastrationsresistentes Prostatakarzinom: Strategien für den klinischen Alltag In der Erstlinientherapie des nicht oder mild symptomatischen metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinoms (mCRPC) bei Patienten, die systemisch zuvor nur mit einer konventionellen Androgendeprivationstherapie (ADT) behandelt wurden, ist der Androgenbiosynthese-Inhibitor Abirateronacetat (Zytiga®) plus Prednison/Prednisolon (Abirateron/P) eine zentrale Säule. Auf einem digitalen Meet-the-Experts stellten PD Dr. Stefan Hinz, Chefarzt am Vivantes Prostatazentrum Berlin, und Professor Kurt Miller, Senior Consultant Professor Urologie an der Klinik für Urologie der Berliner Charité, aktuelle Herausforderungen und Strategien in der Behandlung des mCRPC in ihrem klinischen Alltag vor. Abirateron/P ist u.a. indiziert: • zur Behandlung des metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinoms (mCRPC) bei erwachsenen Männern mit asymptomatischem oder mild symptomatischem Verlauf der Erkrankung nach Versagen der Androgendeprivationstherapie, bei denen eine Chemotherapie noch nicht klinisch indiziert ist, sowie • zur Behandlung des mCRPC bei erwachsenen Männern, deren Erkrankung während oder nach einer Docetaxelhaltigen Chemotherapie progredient ist.

Wirksamkeit von Abirateron/P im Versorgungsalltag

„In der mCRPC-Erstlinientherapie können bestimmte Faktoren des Versorgungsalltags eine Herausforderung darstellen, darunter das Alter und bestimmte Komorbiditäten der Patienten sowie die Therapieadhärenz oder Compliance“, erklärte Hinz. „Daher können Real-World-Daten für uns hilfreich sein, weil sie den Therapiealltag unter Umständen besser reflektieren als Zulassungsstudien.“ Hinz stellte die multinationale retrospektive Beobachtungsstudie von Boegemann et al. vor, in der Abirateron/P bei Chemotherapienaiven Patienten mit nicht oder mild symptomatischem mCRPC (n = 481) ein medianes progressionsfreies Überleben von 10,8 Monaten erzielt hatte (sekundärer Endpunkt). Laut Hinz ergänzen diese Daten die Ergebnisse der Zulassungsstudie COU-AA-302, wobei unter Alltagsbedingungen ältere und kränkere Patienten eingeschlossen worden waren. Das mediane Alter bei Studieneinschluss betrug in der Beobachtungsstudie 75,0 Jahre gegenüber 71,0 Jahre in der Zulassungsstudie und 68,4 % der Patienten hatten mindestens eine Begleit­ erkrankung − zumeist eine kardiovaskuläre Erkrankung, einen Diabetes oder eine Nierenfunktionsstörung. Des Weiteren wurden in die Beobachtungsstudie Patienten mit einem ECOG-Status von ≥2 sowie Patienten mit Viszeralmetastasen eingeschlossen – beides Ausschlusskriterien der Zulassungsstudie. Die mediane Zeit bis zum Therapieversagen (primärer Endpunkt) lag bei 10,0 Monaten und ähnelte somit der in der COU-AA302-Studie ermittelten medianen

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Therapiedauer von 11,8 Monaten (Subgruppe ≥75 Jahre)*. Therapieadhärenz unter Abirateron/P im Praxisalltag

Hinz betonte, dass unter Alltagsbedingungen gerade bei oralen Therapien wie Abirateron/P auch die Adhärenz eine Herausforderung darstellen könne, weil die Patienten z.T. vom Therapieplan abweichen würden. In diesem Zusammenhang präsentierte er die finale Analyse der prospektiven Beobachtungsstudie von Suttmann et al., in der die Therapieabbruchrate** unter Abirateron/P bei 675 mCRPC-Patienten nach 3 bzw. 6 Monaten sowohl mit (n = 360) als auch ohne (n = 315) gezielte Adhärenz-Maßnahmen gering war (3 Monate [primärer Endpunkt]: 9,2 % bzw. 7,3 %; 6 Monate [sekundärer Endpunkt]: 14,4 % vs. 11,4 %). Zudem war die Adhärenz gemäß Morisky Medication Adherence Scale (MMAS-4) bei der weit überwiegenden Mehrheit der Patienten mit entsprechenden Angaben in beiden Armen auch nach 6 Monaten noch hoch, mit einer Tendenz zu höherer Adhärenz durch das Maßnahmen-Programm. Wirksamkeit von Abirateron/P in der Sequenz

Miller wies darauf hin, dass bei bis dahin systemisch nur mit einer ADT vorbehandelten nicht oder mild symptomatischen mCRPC-Patienten basierend auf den Empfehlungen der aktuellen S3* Cave: Eingeschränkte Vergleichbarkeit der Endpunkte bzw. Studien. ** Therapieabbruch aus anderen Gründen als Progress oder Therapiewechsel. © VERLAG PERFUSION GMBH


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Leitlinie neben Abirateron/P auch Enzalutamid zum Einsatz kommen kann. Obwohl eine Behandlung mit Docetaxel grundsätzlich ebenfalls möglich sei, gebe es für das Chemotherapeutikum nur eine Kann-Empfehlung. „Aufgrund der Verfügbarkeit unterschiedlicher Behandlungsoptionen stellt sich uns im Alltag oft die Frage, mit welcher Substanz wir die Therapie beginnen sollen. In diese Entscheidung kann unter anderem auch die Wirksamkeit von Folgetherapien einfließen, da die Patienten nicht nur von einer Therapielinie, sondern von der gesamten Therapiesequenz möglichst lange profitieren sollen“, so Miller weiter. Die Wirksamkeit der Sequenzen Abirateron/P gefolgt von Enzalutamid bzw. umgekehrt war bereits Gegenstand verschiedener Studien. So ergab die kürzlich von Chung et al. publizierte Meta-Analyse, in die mehrere, bereits zuvor veröffentlichte, retrospektive Studien eingeflossen waren, Hinweise auf einen Vorteil des Therapiebeginns mit Abirateron/P hinsichtlich des kombinierten progressionsfreien Überlebens (PFS; primärer Endpunkt#). Sowohl in der Chemotherapie-naiven (n = 403) als auch in der gemischten mCRPC-Population (n = 150), also bei Patienten, die entweder Chemotherapie-naiv oder -vorbehandelt waren, war das kombinierte PFS im Vergleich zur Therapiesequenz Enzalutamid ge Kombiniertes PFS definiert als Zeit zwi­ schen dem Beginn der Erstlinientherapie und dem Progress der Erkrankung unter der ersten Folgetherapie oder als Summe aus PFS1 und PFS2 (PFS in der ersten bzw. zweiten Therapielinie) unter der Sequenz Abirateron/P → Enzalutamid bzw. Enzalutamid → Abirateron/P. [Progress definiert als PSA-Progress und/ oder radiografischer Progress nach Prostate Cancer Working Group (PCWG) 2oder 3-Kriterien]

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folgt von Abirateron/P signifikant länger (HR: 0,57; p = 0,02 bzw. HR: 0,37; p < 0,0001). Damit ergänzt die Meta-Analyse die Ergebnisse der retrospektiven Einzelstudien. Auch eine randomisierte PhaseII-Studie von Khalaf et al., die die beiden antihormonellen Sequenzen erstmals prospektiv miteinander verglich, bestärkt diese Resultate: Beim Therapiestart mit Abirateron/P im Vergleich zum Therapiebeginn mit Enzalutamid wurde ein signifikant besseres bestätigtes PSA30-Ansprechen in der zweiten Therapielinie beobachtet (36 % vs. 4 %; p < 0,0001; koprimärer Endpunkt). Auch die mediane Zeit bis zum zweiten PSA-Progress (kombiniertes PSAPFS) unter Abirateron/P gefolgt von Enzalutamid vs. Enzalutamid gefolgt von Abirateron/P war signifikant länger (19,3 vs. 15,2 Monate; HR: 0,66; p = 0,036; koprimärer Endpunkt), ebenso das in einer Post-hoc-Analyse untersuchte kombinierte PFS## (median 15,0 vs. 10,3 Monate; HR: 0,69; p = 0,029). In die Studie waren Chemotherapie-naive Männer mit mCRPC eingeschlossen worden, die in der Erstlinie randomisiert Abirateron/P oder Enzalutamid erhalten hatten (je n = 101) und bei PSA-Progress oder inakzeptabler Toxizität auf die jeweils andere Therapie umgestellt worden waren (n = 73 bzw. 75). Miller gab abschließend allerdings zu bedenken, dass die Verfügbarkeit verschiedener neuer Therapieoptionen, die zusätzlich zur bis dahin üblichen alleinigen ADT in früheren Stadien des fortgeschrit Kombiniertes PFS definiert als Zeit zwi­ schen Beginn der Erstlinientherapie und Progress jedweder Art unter Zweitlinientherapie.

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tenen PCa − dem nicht metastasierten kastrationsresistenten PCa mit hohem Metastasierungsrisiko (Hochrisiko-M0CRPC, PSA-Verdopplungszeit ≤10 Monate) bzw. dem metastasierten hormonsensitiven Pca (mHSPC) − zum Einsatz kommen können, künftig unter Umständen einen Einfluss auf die Sequenztherapie im mCRPC haben könnte. Fazit für die Praxis

„Abirateron/P zeichnet sich nicht nur in klinischen, sondern auch in Beobachtungsstudien zum mCRPC durch gute Wirksamkeit und Verträglichkeit aus und wurde in diesen Beobachtungsstudien auch bei älteren und komorbiden Patienten eingesetzt. Die meisten typischen Komorbiditäten stellten keine generellen Kontraindikationen dar, sodass auch diese Patienten von einer Therapie mit Abirateron/P profitieren können“, resümierte Hinz. Die Adhärenz unter der Therapie war im Alltag ebenfalls gut. Miller ergänzte: „Hinsichtlich der antihormonellen mCRPCSequenztherapie nach Versagen einer konventionellen ADT weisen eine prospektive und mehrere retrospektive Studien sowie eine Meta-Analyse der retrospektiven Studien außerdem auf mögliche Vorteile eines Therapiebeginns mit Abirateron/P in Bezug auf bestimmte Endpunkte hin.“ Elisabeth Wilhelmi, München

Quelle: Meet-the-Experts online „Therapie des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms 2020 − Herausforderungen und Strategien im klinischen Alltag“; Veranstalter: JanssenCilag GmbH.

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Perampanel: Anfallskontrolle auch bei speziellen Patientengruppen „Umfangreiche Erfahrungen aus dem Praxisalltag und neue Studienergebnisse zeigen, dass es bei Einsatz geeigneter Antikonvulsiva im Rahmen einer individualisierten Epilepsietherapie möglich ist, die Anfallskontrolle nachhaltig zu verbessern“, konstatierte Professor Bernhard J. Steinhoff, Kehl-Kork, auf einem Symposium im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie (DGfE). Zu den häufigen Herausforderungen im Praxisalltag zählen die Behandlung von Epilepsiepatienten mit Schlafstörungen, idiopathisch generalisierten Epilepsien sowie die Therapieentscheidung bei Hirntumor-assoziierten epileptischen Anfällen. Epilepsie und Schlafstörungen – den Teufelskreis durchbrechen

Nächtliche Anfälle können den Schlaf von Menschen mit Epilepsie unterbrechen und die Schlafqualität beeinträchtigen. „Schlaffragmentierung, Insomnie und pathologische Arousals könnten wiederum die Anfallsschwelle herabsetzen, so dass sich ein Teufelskreis ausbildet“, erläuterte Dr. Berthold Voges, Hamburg. Die Folgen der Interaktion aus Schlafstörung und Epilepsie sind Tagesmüdigkeit, Leistungseinbrüche am Tage und psychische Komorbiditäten wie Depression. Zusätzlich wird die Problematik dadurch verschärft, dass viele Anti­ epileptika die Schlafarchitektur und objektive Schlafparameter beeinträchtigen können. „Bei der Auswahl der antikonvulsiven Medikation sollten wir darauf achten,

Schlafstörungen und Tagesschläfrigkeit zumindest nicht zu verstärken“, betonte Voges. Aktuelle Daten sprechen dafür, dass der Einsatz des AMPA-Rezeptor-Antagonisten Perampanel (Fycompa®) als Zusatztherapie bei fokalen Anfällen eine effektive Therapieoption darstellt und positive Effekte auf die Schlafqualität haben kann. In einer prospektiven, offenen Studie bei 72 Patienten mit fokaler Epilepsie wurde 3 Monate nach Beginn der Zusatztherapie mit Perampanel (mediane Dosis: 4 mg/d) eine signifikante Verbesserung der subjektiven Schlafqualität (Pittsburgh Schlafqualitätsindex, PSQI) festgestellt (p = 0,007 vs. Baseline). Bei den Patienten, die nach 6 Monaten noch auf Therapie mit Perampanel waren, kam es auch zu einer Verbesserung der Tagesschläfrigkeit (Epworth Schläfrigkeitsskala; ESS). Nach 3 Monaten zeigten 29,6 % und nach 6 Monaten 47,5 % der Patienten eine mindestens 50%ige Reduktion der Anfallsfrequenz. Zudem belegen die Ergebnisse einer Polysomnografie-Studie, dass Perampanel einmal täglich vor dem Schlafengehen die Anfallskontrolle verbessert und mit Verbesserungen der Schlafarchitektur verbunden sein kann. Die prospektive Open-Label-Studie untersuchte die Effekte von Perampanel bei 25 erwachsenen Patienten mit fokaler Epilepsie auf objektive Schlafparameter. Eine Woche vor und 12 Wochen nach Start der Zusatztherapie wurde eine Polysomnografie durchgeführt. Nahezu ein Drittel der Patienten wies zur Baseline-Untersuchung eine erhöhte Tagesmüdigkeit (ESS > 12) auf. Etwa jeder Zweite gab an, nachts schlecht zu schlafen. 4 Wochen nach Beginn der Zusatztherapie mit Perampanel (media-

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ne Dosis 6 mg/d) hatten sich alle Schlafparameter – einschließlich der Gesamtschlafdauer (p = 0,037), der Einschlaflatenz (p = 0,022), der Schlafeffizienz (p = 0,015), des Schlaferhaltungsindex (p = 0,005) und der Dauer der Tiefschlafphase (p = 0,026) – signifikant verbessert. Der Anteil der Patienten mit normaler Schlafeffizienz stieg von 52,9 % auf 82,4 % in Woche 12. 71 % erreichten eine Anfallsreduktion um mindestens 50  %; 3 der insgesamt 25 Patienten wurden sogar anfallsfrei. Gute Wirksamkeit bei idiopathisch generalisierter Epilepsie

Die Behandlung von Patienten mit idiopathischer generalisierter Epilepsie kann aufgrund reduzierter Therapieoptionen in dieser Indikation häufig eine Herausforderung darstellen. Dr. Stefan Stodieck, Hamburg, verdeutlichte anhand von Fallbeispielen, dass sich durch die frühzeitige Hinzunahme von Perampanel zur bestehenden Medikation bei primär generalisierten tonisch-klonischen Anfällen (pGTKA) auch im klinischen Alltag sehr gute Erfolge erzielen lassen und Perampanel vielfach eine sinnvolle Ergänzung und in Kombinationstherapien eine Alternative zu den am häufigsten eingesetzten Medikamenten wie Valproinsäure oder Lamotrigin darstellen kann. Diese Einschätzung deckt sich mit den Ergebnissen der GENERALStudie bei 149 Patienten ≥12 Jahre mit idiopathischer generalisierter Epilepsie, darunter eine Subgruppe von 51 ausschließlich von pGTKA betroffenen Patienten. In der Gesamtpopulation lag die 12-MonatsRetentionsrate bei 83 %. Nach 12 Monaten waren über alle Anfallsformen hinweg insgesamt 59 % der © VERLAG PERFUSION GMBH


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Patienten anfallsfrei. Die höchsten Retentions- und Anfallsfreiheitsraten zeigten sich bei frühem Einsatz als Zusatztherapie, d.h. nach einer vorausgegangenen Behandlung mit 1 oder 2 Antiepileptika. Hier betrugen die Anfallsfreiheitsraten für PGTKA nach 12 Monaten ≥65 %. Durch den frühzeitigen Start der Zusatztherapie mit Perampanel können demnach schon in geringen Dosierungen und bei guter Verträglichkeit hohe Retentionsund Anfallsfreiheitsraten erreicht werden.

Epilepsie bei Hirntumoren

Wie Prim. Priv.-Doz. Dr. Tim J. von Oertzen, Linz, berichtete, treten Tumor-assoziierte Epilepsien (TAE) bei mehr als 2 Drittel aller Gliome, insbesondere bei niedriggradigen, auf – meistens als Erstsymptom. Häufig werden die Patienten wegen eines erstmaligen generalisiert tonisch-klonischen Anfalls vorstellig. Bisher gibt es keine randomisierten kontrollierten Studien zur Epilepsietherapie bei TAE, daher orientieren sich die Therapieempfehlungen an denen zur Behand-

lung fokaler Anfälle aus den aktuellen DGN Leitlinien. Erste Daten aus kleineren Studien deuten darauf hin, dass Perampanel eine effektive Option für TAE-Patienten mit unkontrollierten Anfällen darstellt. Da Gliomzellen selbst Glutamat in den Extrazellularraum entlassen und in der Tumorumgebung die Aufnahme von Glutamat in Astrozyten reduziert ist, könnten antiglutamatergen Substanzen wie Perampanel in dieser Konstellation erhöhter Glu­ ta­matkonzentration eine besondere B­edeutung zukommen. Fabian Sandner, Nürnberg

Titelbild: Teriflunomid wirkt in Abhängigkeit von der Aktivierung der T-Zellen unterschiedlich auf die Lymphozyten. Vor allem die Pro­liferation von aktivierten hochaffinen T-Zellen wird unterdrückt, sodass Inflammation, Demyelinisierung und Neurodegeneration im ZNS reduziert werden. Schwach aktivierte Zellen sind kaum betroffen (Quelle: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH). Herausgeber: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Ossecker Str. 172, 95030 Hof Univ.-Prof. Dr. med. Hermann Eichstädt, Leiter Bereich Kardiologie RZP Potsdam und Geschäftsführer BBGK e.V. Berlin Konstanzer Straße 61 10707 Berlin Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. M. Alexander, Infektiologie, Berlin Prof. Dr. L. Beck, Gynäkologie, Düsseldorf Prof. Dr. Berndt, Innere Medizin, Berlin Prof. Dr. H.-K. Breddin, Innere Medizin, Frankfurt/Main Prof. Dr. K. M. Einhäupl, Neurologie, Berlin Prof. Dr. E. Erdmann, Kardiologie, Köln Prof. Dr. Dr. med. E. Ernst, University of Exeter, UK Prof. Dr. K. Falke, Anästhesiologie, Berlin Prof. Dr. K. Federlin, Innere Medizin, Gießen Prof. Dr. E. Gerlach, Physiologie, München Prof. Dr. H. Helge, Kinderheilkunde, Berlin Prof. Dr. R. Herrmann, Onkologie, Basel Prof. Dr. W. Jonat, Gynäkologie, Hamburg Prof. Dr. H. Kewitz, Klin. Pharmakol. Berlin

Prof. Dr. B. Lemmer, Pharmakologie, Mannheim/Heidelberg Prof. Dr. med. R. Lorenz, Neurochirurgie, Frankfurt Prof Dr. J. Mann, Nephrologie, München Dr. med. Veselin Mitrovic, Kardiologie, Klinische Pharmakologie, Bad Nauheim Prof. Dr. R. Nagel, Urologie, Berlin Prof. Dr. E.-A. Noack, Pharmakologie, Düsseldorf Prof. Dr. P. Ostendorf, Hämatologie, Hamburg Prof. Dr. Th. Philipp, Innere Medizin, Essen Priv.-Doz. Dr. med. B. Richter, Ernährung – Stoffwechsel, Düsseldorf Prof. Dr. H. Rieger, Angiologie, Aachen Prof. Dr. H. Roskamm, Kardiologie, Bad Krozingen Prof. Dr. E. Rüther, Psychiatrie, Göttingen Prof. Dr. med. A. Schrey, Pharmakologie, Düsseldorf Dr. Dr. med. C. Sieger, Gesundheitspolitik u. Gesundheitsökonomie, München Prof. Dr. E. Standl, Innere Medizin, München Prof. Dr. W. T. Ulmer, Pulmologie, Bochum Schriftleitung: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Ossecker Str. 172, 95030 Hof E-Mail: info@d-i-g.org E-Mail persönlich: k.l.resch@d-i-g.org

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www.ERLEADA.de * ERLEADA® ist in Kombination mit ADT (Androgendeprivationstherapie) zur Behandlung erwachsener Männer mit metastasiertem hormonsensitivem Prostatakarzinom (mHSPC) indiziert 2 1. Chi KN, et al. N Engl J Med. 2019 Jul 4;381(1):13-24. 2. Aktuelle Fachinformation ERLEADA®.  Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Daher ist es wichtig, jeden Verdacht auf Nebenwirkungen in Verbindung mit diesem Arzneimittel zu melden. ERLEADA® 60 mg Filmtabletten. Wirkstoff: Apalutamid. Zusammensetz.: Jede Filmtabl. enth. 60 mg Apalutamid. Sonst. Bestandt.: Tablettenkern: Hochdisperses Siliciumdioxid, CroscarmelloseNatrium, Hypromelloseacetatsuccinat, Magnesiumstearat, mikrokristalline Cellulose; mikrokristalline Cellulose, Siliciumdioxid-beschichtet. Filmüberzug: Eisen(II,III)-oxid (E172), Eisen(III)-hydroxid-oxid x H2O (E172), Macrogol, Poly(vinylalkohol) (teilw. hydrolisiert), Talkum u. Titandioxid (E171). Anw.geb.: Bhdlg. erw. Männer m. nicht-metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom (nm-CRPC), die e. hohes Risiko für d. Entwicklg. v. Metastasen aufweisen, Bhdlg. erw. Männer m. metastasiertem hormonsensitivem Prostatakarzinom (mHSPC) in Komb. m. ADT (Androgendeprivationstherapie). Gegenanz.: Überempfindl. gg. Apalutamid od. e. d. sonst. Bestandt.; Schwangersch. od. Frauen, d. schwang. werden könnten, Stillzeit. Nebenwirk.:Sehr häufig: Hitzewallung, Hypertonie, Diarrhö, Hautausschlag, Fraktur, Arthralgie, Ermüdung, Gewichtsverlust, Sturz. Häufig: Hypothyreose, Hypercholesterinämie, Hypertriglyzeridämie, Dysgeusie, ischämische Herzerkrankung, Pruritus, Muskelspasmen. Gelegentlich: Krampfanfall. Nicht bekannt: QT-Zeitverläng.. Warnhinw. u. Vorsichtsmaßn.: Nicht empf. b. Pat. m. Krampfanf. i. d. Anamn. od. entspr. Prädisposition (z.B. vorlieg. Hirnverletzg, Schlaganfall innerh. d. letzt. Jah., prim. Hirntumoren od. Hirnmetastasen); tritt Krampfanf. währ. d. Bhdlg. m. ERLEADA® auf, sollte d. Bhdlg. dauerh. abgebr. werd.; erhöht. Risiko f. Krampfanf. b. Pat., d. Beglt.-Medik. erh., die d. Krampfschwelle herabsetz.. Vors. b. Pat. m. schwerer Nierenfunkt.störg.; b. Pat. mit schwerer Leberfunkt.störg. nicht empf.; Pat. sollt. vor Beg. d. Bhdlg. m. ERLEADA® auf Fraktur- u. Sturzrisiko eval. werd.; bei m. Apalutamid beh. Pat. traten ischämische Herzerkr. auf, Pat. auf Anzeichen u. Sympt. e. ischämischen Herzerkr. monitorieren u. Bhdlg. kardialer Risikofakt. (wie Hypertonie, Diabetes od. Dyslipidämie) optimieren; Überprfg. d. Beglt.-Medik. wg. Verring. d. Wirksamk. v. häufig verw. Arzneim. zu Beg. d. Bhdlg.; gleichz. Anw. m. Warfarin u. Cumarin-ähnl. Antikoagulanzien sollte verm. werd.; Pat. m. klin. relev. kardiovask. Erkr. sind hins. Risikofakt. wie Hypercholesterinämie, Hypertriglyzeridämie od. and. kardio-metabol. Störg. zu überw.; b. Pat. m. QT-Zeitverläng. i. d. Anamn. od. m. Risikofakt. f. QT-Zeitverläng. u. b. Pat., d. begl. Arzneim. erhalten, die d. QT-Interv. verläng. können, sollten Ärzte vor Anw. v. ERLEADA® d. Nutzen-Risiko-Verh. abschätz. Arzneim. f. Kdr. unzugängl. aufbew.. Verschreibungspflichtig. Pharmazeut. Unternehmer: Janssen-Cilag International NV, Turnhoutseweg 30, B 2340 Beerse, Belgien. Örtl. Vertreter für Deutschland: Janssen-Cilag GmbH, Johnson & Johnson Platz 1, D-41470 Neuss. Stand d. Inform.: 01/2020.


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