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Vinschgerwind 3-22
10.02.22
Fossile Welt Michael Wunderer
von Erwin Bernhart
E
s geht drunter und drüber auf dem Strommarkt. Die Verbraucher in Südtirol (in Italien, in Europa) spüren das auf der Stromrechnung. Die Stromkosten sind im Laufe des vergangenen Jahres um rund 129 Prozent gestiegen. Seit dem 1. Jänner 2022 müssen für die Kilowattstunde Strom 46,03 Cent, einschließlich aller Steuern, gezahlt werden. Auch bei uns. Dabei wird in Südtirol doppelt so viel Strom erzeugt, wie im Lande verbraucht wird. Vor einem Jahr lag der Kilowattstundenpreis für den Endverbraucher noch bei 20.06 Cent. Was ist da los? Der Vinschgerwind hat beim Prader Michael Wunderer nachgefragt. Wunderer, seit 15 Jahren in der Energiewirtschaft tätig, ist Vizeobmann der E-Werk-Prad-Genossenschaft und seit 2015 Abteilungsleiter beim Südtiroler Energieverband (SEV) im Bereich Energiehandel und Geschäftsentwicklung.
Wunderer verweist zunächst auf die Geschichte des Energiemarktes und dort vor allem auf die von der EU angestoßene Liberalisierung. Der ehemalige italienische, staatliche Monopolbetrieb ENEL, in dessen Hand der Löwenanteil sowohl der Erzeugung, als auch der Übertragung und Verteilung und zudem der Verkauf von Strom lag, wurde ab 1999 sukzessive zerlegt und zerschlagen. Ziel war es unter anderem, neuen Marktteilnehmern, vor allem im erneuerbaren Bereich, einen diskriminierungsfreien Zugang zum Strommarkt zu ermöglichen. Im Schatten von ENEL überlebten nämlich nur einige wenige kommunale Unternehmen (etwa die Etschwerke) oder einige historische Genossenschaften (etwa die Energie-Werk-Prad Genossenschaft). Im Jahr 1999 wurde die Liberalisierung in Italien durch das Bersani-Dekret konkret in Gang gesetzt. Mit dem BersaniDekret wurde jener weitsichtige Passus im Autonomiestatut von 1972 wirksam und es
begann der Run zuerst auf das Stromverteilernetz und dann auf die Großableitungskonzessionen. Der Vinschger Stromkrieg mit dem Land war eine der Folgen, in dem es um die Frage der Beteiligung der Vinschger Gemeinden an den Konzessionen am Reschensee und später am Marteller Stausee gegangen ist. Auch ging es um die Frage der eigenständigen Verwaltung des Stromnetzes im Vinschgau, welches mittlerweile vom Vinschgauer Energeikonsortium umgesetzt ist. Das ist die Kurzfassung, wie sich die Liberalisierung des Strommarktes im Vinschgau ausgewirkt hat. Aus der damaligen SEL ist durch Fusion mit den Etschwerken Alperia entstanden und mit wenigen Ausnahmen sind die Südtiroler Großkraftwerke in der Hand von Alperia und die wiederum gehört der autonomen Provinz Bozen. Daneben sind neue Wasserkraftwerke entstanden, in Rojen, in Langtaufers, das Punikraftwerk in Plan-
Foto: Erwin Bernhart
Vinschgau/Südtirol - Explodierende Gas- und in der Folge davon Strompreise lassen auch in Südtirol, auch im Vinschgau Verbraucher zur Ader. Warum ist das so? Die Frage ist berechtigt, zumal Südtirol doppelt so viel Strom erzeugt als es verbraucht. Der Vinschgerwind hat bei Michael Wunderer nachgefragt.