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Holger Finke, Tutor der 9. Klasse

Groß ist die Frage nach dem Sinn des Lebens. Hören wir diese Frage, so nehmen unsere Gedanken leicht eine bestimmte Richtung an: Wir denken oder wünschen zumindest, im Leben läge ein versteckter Sinn, den es zu entdecken gilt. Wir sehnen uns nach Sinn. Daher hängt vom Finden des versteckten Sinns viel ab, zum Beispiel, ob wir unser Leben als arm oder reich empfinden. Gedanken dieser Art, die hier dem Leben des einzelnen Menschen gelten, wurden oft umformatiert auf die Gesellschaft oder auf noch größere Gebilde: auf die Geschichte etwa. Immer wieder begegnet man Theorien, wonach es einen Sinn der Geschichte gibt, genauso wie man einen Sinn des Lebens annimmt. Vereinfacht gesagt, aber dennoch nicht ganz unzutreffend, vergleichen diese Theorien die Geschichte mit einem Bühnenwerk, welchem ein Drehbuch zugrunde liegt und somit ein Plan und ein Ziel, auf welches alles hinstrebt. Die Philosophie des 19. Jahrhunderts steht stark im Zeichen dieser Denkart, auf die sich selbst so diametrale Persönlichkeiten wie Hegel oder Marx einpendelten. Freilich können sich die verschiedenen Autoren nicht auf ein Drehbuch einigen, vielmehr schwört jeder auf ein anderes und gibt vor, es besser als die Kollegen zu wissen. Wenden wir jetzt den Blick von der Weltgeschichte auf etwas ganz Konkretes und Überschaubares wie Pi. Der Sinn von Pi ist noch nicht einmal verborgen, sondern jedem Waldorfschüler ab der 9. Klasse und natürlich vielen Millionen anderen Menschen weltweit vertraut. Pi ist das Verhältnis von Kreisumfang zu Kreisdurchmesser:

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Kreisumfang Kreisdurchmesser

Blickt man auf Pi, so schaut man geradewegs in die Unendlichkeit, denn die Stellen nach dem Komma reißen nicht ab. Das ist es, was Pi uns sagt! Was aber können wir Pi sagen? Ein Schüler der 9. Klasse prägte folgende Formel:

„Die Zahl Pi steht für die unendlichen guten Sachen, die man machen kann.“

Wer so spricht, bricht mit obigem Paradigma, welches sich darauf beschränkt, einen Sinn in den „Dingen“ vorauszusetzen, den es zu erkennen gilt. Ein bemerkenswerter Vorgang. Was ist geschehen? Jener Schüler hat Pi einen Sinn gegeben! Eine ganz andere Denkart kommt hier zum Zuge, eine, die den Schwerpunkt verlagert von der Sinnfindung zur Sinnsetzung. Jener Schüler hat sich erst von Pi etwas sagen lassen und dann Pi etwas gesagt, nämlich, wofür es stehen soll. Der Mensch erscheint nicht nur in der Rolle des homo sapiens, sondern ergreift auch die des homo creator

Die 9. Klasse gründete als Folge dieses Aktes der Sinnsetzung den Club of Pi. Der Club of Pi sammelt Geld, um Kinder und Jugendliche in ärmeren Ländern zu unterstützen – in der MoMent-Ausgabe vom Herbst 2018 wurde darüber berichtet. Dem Einsatz der Finanz- und des IT-Experten der 9. Klasse ist es zu verdanken, dass jetzt über die Erste Bank eine Crowdfunding-Plattform freigeschaltet wurde, die interessierten Menschen die Möglichkeit des Spendens gibt. Auf der Homepage des Club of Pi www.club-of-pi.org finden Sie den Link zum Crowdfunding. 30 % der gespendeten Gelder sind der Förderung von ausgewählten Schulprojekten (in ärmeren Ländern) gewidmet, 70 % unterstützen das Projekt Notfallpädagogik der Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners: www.freunde-waldorf.de/notfallpaedagogik

Die Notfallpädagogik hilft psycho-traumatisierten Kindern und Jugendlichen in Kriegs- und Katastrophengebieten. Weiters gibt die 9. Klasse im Namen des club of Pi zusammen mit der 1. Klasse, ihrer Patenklasse, am 10. April 2019 um 18 Uhr ein Benefizkonzert im großen Festsaal der Rudolf Steiner-Schule Wien-Mauer.

Vom Sinn des Lebens und der Geschichte schritten wir zu Pi. Kehren wir jetzt von Pi zurück zum Sinn des Lebens und der Geschichte. Der in Wien geborene Philosoph Karl Popper (1902 - 1994) entwickelte 1961 in einem Vortrag den Gedanken, „dass der Sinn des Lebens nicht etwas Verborgenes ist, das wir im Leben finden oder entdecken können, sondern etwas, das wir selbst unserem Leben geben können. Wir können durch unser Tun und Lassen, durch unsere Arbeit und unser Wirken, durch unsere Einstellung zum Leben, zu anderen Menschen und zur Welt unser Leben sinnvoll machen. (...) Mit dem Ausdruck „der Sinn der Geschichte“ steht es ganz ähnlich. Hier hat man auch oft an einen geheimen, verborgenen Sinn des Ablaufs der Weltgeschichte gedacht; oder an eine verborgene, der Geschichte innewohnende Entwicklungstendenz; (...) Anstatt nach einem verborgenen Sinn der Geschichte zu fragen, müssen wir der Geschichte einen Sinn geben.“

Der Appell lautet: Wir als Gesellschaft mögen so handeln, dass die Geschichte Sinn bekommt. Popper spricht sich für eine sogenannte offene Gesellschaft aus. Eine offene Gesellschaft ist pluralistisch angelegt, das heißt, sie achtet die Freiheit und die Meinungen verschiedener Menschen mit verschiedenen Zielen, sie verweigert sich jedem Dogma und betrachtet die Zukunft als offene, plastische Größe. Durch ständige kritische Reflexion und Nachjustierung gilt es, die Lebensbedingungen aller ihrer Mitglieder auf ein Niveau zu bringen, das menschenwürdig ist und sich an den aktuellen Bedürfnissen orientiert.

Obwohl Rudolf Steiner (1861 - 1925) von seinen Lebensdaten her weit mehr im 19. als im 20. Jahrhundert steht, dachte er ungewöhnlich „modern“. Wie für Popper ist für ihn die Zukunft offen – offen nicht nur in dem Sinn, dass es kein verbindliches Drehbuch gibt, sondern auch in dem Sinn, dass sie offen ist für Sinngebungsprozesse durch den Menschen.

2019 ist das Jahr des 100-jährigen Bestehens der Waldorfschulbewegung. Schnell wurde diese Bewegung international, was für ihre Pluralität spricht. Derzeit gibt es 1150 Schulen und 2000 Kindergärten in 80 Ländern. Oberstufenschüler haben die Möglichkeit, einige Monate im Ausland rund um die Welt zu verbringen, um in andere Sprachen und Kulturen einzutauchen.

Anlässlich des Jubiläumsjahres finden internationale Kongresse in Berlin, Stuttgart, Kassel, Dornach, Buenos Aires und Bangkok statt, um voneinander zu lernen und die Waldorfpädagogik Grenzen übergreifend weiterzuentwickeln. Im April 2019 werden im Zuge dieser Aktivitäten thailändische Waldorflehrer die Rudolf SteinerSchule Wien-Mauer besuchen.

Das alles sind konkrete Schritte einer Sinnschöpfung in der Gegenwart für die Zukunft, die wir im Rückblick als Geschichte bezeichnen. Für Operationen dieser Art hat sich die 9. Klasse, vom Großen ganz ins Kleine und Leistbare herunterformatiert, im Rahmen ihrer Möglichkeiten also, Pi als Symbol gewählt.

Auf dem Benefizkonzert führen Schülerinnen und Schüler durch den Abend. Das musikalische Programm wird ergänzt um Informationen und kurze Präsentationen. Ein köstliches Buffet stellt den durch den Gesang junger Stimmen gestifteten himmlischen Freuden die irdischen zur Seite. Unser Dank gilt Frau Bosch und Herrn Albrecht für die liebevolle Begleitung und kompetente Einstudierung der Werke.

*) nähere Auskunft beim Benefizkonzert, Einladung Seite 40

Benefizkonzert der 9. Klasse unter Mitwirkung der 1. Klasse!

Mittwoch 10. April 2019 um 18 Uhr im großen Festsaal der Rudolf Steiner-Schule Wien-Mauer

Freuen Sie sich auf Kleine Chorstücke Instrumentales / Vokales Präsentationen zum Club of Pi Gourmet-Buffet mit Tafelmusik

Der Club of Pi ist eine Initiative der 9. Klasse. Wir sammeln Geld, um Schulprojekte in ärmeren Ländern zu unterstützen und die Notfallpädagogik der Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners zu fördern. Die Notfallpädagogik hilft Kindern und Jugendlichen in Kriegs- und Katastrophengebieten.

Mehr über uns auf www.club-of-pi.org

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