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Anästhesie Journal 32 (4) 2021 Praxis
Ausbildung und Rolle der Anästhesiepflegefachpersonen in Frankreich
Guy Souttre «Die Schweiz ist wie Frankreich, nur besser!» An diese Aussage des Westschweizer Komikers Thomas Wiesel musste ich denken, als ich mit grossem Stolz die Herausforderung annahm: Unsere Präsidentin Michèle Giroud und Tobias Ries Gisler (SIGA/FSIA editorial board und SIGA/FSIA practice) hatten mich gebeten, einen Artikel über die Ausbildung und die Rolle der staatlich geprüften Anästhesiepflegenden (Infirmier anesthésiste diplômé d’État IADE) in Frankreich zu schreiben. Nach einem kurzen geschichtlichen Überblick werde ich darauf eingehen, wie die Kandidaten für die Ausbildung IADE ausgewählt werden, wo und wie sie ausgebildet werden und welche Rolle sie im heutigen Gesundheitssystem einnehmen. GESCHICHTLICHER ABRISS Im Zuge der Evolution des menschlichen Gehirns und der Entdeckung von neuen Hirnarealen vor einigen tausend Jahren erkannte der Mensch schliesslich, dass sein Körper, der bis dahin «als niederorganisch und aus Sternenstaub» galt, reparierbar war. Ein kleines Detail war dabei jedoch störend: Die Reparatur war schmerzhaft! Das bewog den französischen Chirurgen Ambroise Paré im 16. Jahrhundert zum Vorschlag, eine Mischung aus Opium und Alkohol in hoher Dosis zu verabreichen und die Wunde mit einem glühenden Eisen auszubrennen. 1937 gehörten der französischen Gesellschaft für Anästhesie und Analgesie sieben Ärzte an, 1951 waren es bereits 19. Bis in die späten 1940er Jahre wurde die
Seit 1993 koordiniert und verbessert das CEEIADE (Comité d'entente des écoles d'infirmier anesthésiste) die Ausbildung in den Schulen, definiert die Rolle der IADE (Infirmier anesthésiste diplômé d’État) im Gesundheitssystem, fördert den Austausch zwischen den Ausbildungsinstitutionen und vertritt diese vor Behörden sowie nationalen und internationalen Institutionen. AUSBILDUNG Anästhesie bzw. die Narkose unter der Verantwortung des Chirurgen von jeder beliebigen Person ohne jegliche medizinische Qualifikation durchgeführt. Viele Patienten kamen dabei ums Leben. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde im Krankenhaus von Saint-Germain-en-Laye die erste spezifische Ausbildung für Anästhesiefachpersonen eingeführt. Diese Weiterbildung wurde von Ärzten und Pflegenden gemeinsam absolviert. Mit der Schaffung von ersten medizinischen Abteilungen für Anästhesiologie im Jahr 1964 wurde es dem Fachgebiet möglich, sich als unabhängige Disziplin zu etablieren und kompetentes Personal zu rekrutieren. Ende der 1980er Jahre wurden in Frankreich 23 zivile und militärische Schulen für Krankenpflege gegründet, unterstützt und getragen von einer Gewerkschaft (SNIA) und Berufsverbänden, die für die Weiterbildung zuständig waren. In den 1990er Jahren wurde für die Arbeit in der Anästhesieabteilung eine Ausbildung mit staatlichem Diplom entwickelt, die für dieses Einsatzgebiet später obligatorisch wurde.
Aufnahmeverfahren Die Ausbildung an den IADE-Schulen steht diplomierten Pflegefachpersonen und Hebammen offen, die über ein staatliches Diplom verfügen (die dreijährige Ausbildung umfasst 2100 Std. theoretischen Unterricht, 2100 Std. Praktika und 900 Std. Selbststudium). Bewerbende müssen mindestens 2 Jahre Berufserfahrung als diplomierte Pflegefachperson oder Hebamme nachweisen (Berufserfahrung in Aufwach-, Überwachungsoder Intensivmedizinstationen sind von Vorteil!). Die Zulassung zur Aufnahmeprüfung setzt zudem das Einreichen eines vollständigen Bewerbungsdossiers (mit Motivationsschreiben, Lebenslauf, Nachweis der medizinischen Eignung etc.) voraus. Die Aufnahmeprüfung umfasst: eine zweistündige schriftliche Eignungsprüfung, in der die wissenschaftlichen und beruflichen Kenntnisse sowie die handlungsorientierten Kompetenzen beurteilt werden Bewerbende, die in der schriftlichen Prüfung den erforderlichen Noten-