Anästhesie Journal / Journal d'anesthésie 3/2021

Page 46

46

Anästhesie Journal 32 (4) 2021 Studie

Lärm als Stressfaktor im OP

Sammeln Sie e-log-Punkte Fragen zu diesem Artikel auf www.siga-fsia.ch/ fragen

Vorstellung und Analyse einer Querschnittstudie

Benjamin Albiez

Lärmbedingte Ablenkung während einer Operation kann die ­Patientensicherheit gefährden. Die Konzentration des OP-Teams lässt nach und die Performance sinkt. Im Fokus der folgenden Analyse steht eine Studie mit der Leitfrage: Inwiefern wirkt sich der Lärmpegel auf die Arbeitsbelastung und das Stresserleben des OP-Personals aus? Hintergrund Chirurgische Bohrtechnik, Absauggeräte, Lüftungsgeräusche oder Telefongespräche im Hintergrund tragen zu hoher Lärmbelastung im OP bei. Zeitweise kann die Lautstärke Werte über 117.4 Dezibel (dB) erreichen (1). Lärm als Stressfaktor wirkt sich negativ auf die Patientensicherheit aus. Die Konzentrationsfähigkeit im OP-Team verringert sich. Lärmbedingte Ablenkung kann zu chirurgischen Wundinfektionen führen, da aseptische Handlungen nicht sorgfältig erfolgen (2). Zudem wirkt sich intraoperativer Lärm auf das Denkvermögen und die klinische Entscheidungsfindung der Anästhesist*innen aus. Ihre Performance verschlechtert sich unter Lärmbelastung. Auch die effiziente Kommunikation im interprofessionellen Team ist beeinträchtigt (3). Ineffiziente Kommunikation kann zu «unerwünschten Ereignissen» («adverse events») führen. Gefahr besteht auch für die Gesundheit des OP-Personals. Lärmbelastung löst akuten Stress aus und führt zu erhöhter subjektiv wahrgenommener Arbeitsbelastung sowie Müdigkeit (4). Ziel und Forschungsfrage Vor diesem Hintergrund untersuchten Arabacı und Önler (5) welchen Effekt Lärm im OP auf den Stresspegel und die Arbeitsbelastung des OP-Personals hat. Sie formulierten folgende Fragestellungen: 1. Unterscheidet sich der Lärmpegel je nach chirurgischer Disziplin (Allge-

meinchirurgie, orthopädische bzw. urologische Chirurgie)? 2. Hat der Lärmpegel Auswirkungen auf den Stresspegel des OP-Personals? 3. Beeinflusst der Lärmpegel die Arbeitsbelastung des OP-Personals? Methode Die Studie fand in einem Spital mit sechs Operationssälen in Istanbul statt. Sie hatte ein prospektives, beschreibendes Querschnittsdesign und basierte auf einer geschichteten Stichprobe («stratified sampling») (6). Um eine statistische Schätzung mit einem 95-%-Konfidenzintervall und einem Alpha-Wert von 0.05 durchzuführen, waren 365 Operationen notwendig. Deshalb randomisierten die Autorinnen 403 Operationen (167 allgemeinchirurgische, 125 orthopädische, 111 urologische). Details zum Randomisierungsverfahren sowie weitere Ein- oder Ausschlusskriterien sind nicht beschrieben.

Dieser Fragebogen ermöglicht, situative Angst («state anxiety») und Angst als Persönlichkeitsmerkmal («trait anxiety») zu ermitteln. Warum die Autorinnen dieses Instrument wählten, ist unklar. Die Forschungsfrage bezieht sich auf den Stress­ pegel, nicht auf den Angstpegel. Um die Arbeitsbelastung zu messen, kam der «NASA Task Load Index» (NASA TLX) zum Einsatz. Hart und Staveland (7) haben diese multidimensionale Skala entwickelt, um die Arbeitsbelastung unmittelbar nach dem Fertigstellen einer Aufgabe zu messen. Zu den Operationen erhoben die Autorinnen folgende Daten: Operationsbereich, Name der OP, Datum und Dauer der Operation, Startzeiten der chirurgischen Phasen, Lärmpegel (Maximum, Minimum, Mittelwert), Art der Operation, Anästhesieverfahren und ASA-Klassifikation. Demographische Angaben ermittelten sie ebenfalls (Alter, Geschlecht und Profession des OP-Personals).

Um die Umgebungsgeräusche zu messen, kam ein Schallpegel-Prüfgerät mit einer Messgenauigkeit von ±1.5 Dezibel (dB) und einem Range zwischen 30 und 130 dB zum Einsatz. Wie und wann das Gerät kalibriert wird und wie genau die Messungen mit Vergleichsgeräten sind, ist nicht beschrieben.

Das Schallpegel-Prüfgerät war zwei Meter entfernt vom Anästhesiearbeitsplatz in Richtung Operationsgebiet platziert und befand sich in eineinhalb Meter Höhe. Ein Beobachter begleitete jede Messung und positionierte sich so, dass er das Team nicht störte. Die Messungen waren in drei Phasen unterteilt:  Phase I: Ankunft der Patientin/des Patienten, Einleitung der Anästhesie, Vorbereitung der Patientin/des Patienten bis zum Start der OP  Phase II: Vom Schnitt bis zum Anbringen des Verbandes  Phase III: Vom Anbringen des Verbandes bis zur Abgabe der Patientin/des Patienten.

Um den Stress des OP-Personals zu messen, nutzten Arabacı und Önler (5) das «State Trait Anxiety Inventory» (STAI).

Das OP-Personal füllte unmittelbar nach dem Beenden einer OP den STAI und den NASA TLX aus, um einen Erinnerungs­


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.