Dimensions 3/2020

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WISSENSCHAF T

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DIMENSIONS 3 2020 | WISSENSCHAFT

Einfluss der Parodontitis auf Schwangerschaft und Geburt

Med. dent. Jasmina Opacic Bern

Einleitung Seit zwei Jahrzehnten beschäftigt man sich in der Parodontologie mit dem Einfluss von Paro­ dontitis auf die Schwangerschaft, dem vermin­ derten Geburtsgewicht oder der frühzeitigen Geburt. Die Raten von Frühgeburten und ver­ mindertem Geburtsgewicht steigen weltweit an und sind die Hauptursache für neonatale Mor­ bidität und Mortalität. Der Handlungsbedarf bezüglich Prävention, Aufklärung und medizini­ scher Betreuung schwangerer Frauen ist welt­ weit gegeben. In diesem Artikel wird zunächst ein Überblick in die Thematik gegeben und fer­ ner auf die notwendige interdisziplinär gynäko­ logisch-zahnmedizinische Therapie eingegangen. So kann das zahnmedizinische Personal in der Praxis auch in Zukunft einen kleinen, aber nicht unwesentlichen Teil zur Verbesserung der Situa­ tion betroffener Frauen und ihrer Kinder leisten. Parodontitis und systemische Erkrankungen Die Forschung hat sich in den letzten zwanzig Jahren mit den potentiellen Zusammenhängen von Parodontitis und systemischen Erkrankun­ gen auseinandergesetzt. Parodontitis wurde in Verbindung mit Diabetes, Rheumatoider Arthri­ tis, Demenz, Übergewicht, metabolischem Syn­ drom und Herzkreislauferkrankungen gebracht (LINDEN et al. 2013). Ebenso wird eine Assozia­ tion zu Frühgeburten und niedrigem Geburtsge­ wicht diskutiert (MADIANOS et al. 2013). Frühgeburten Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) defi­ niert die Frühgeburt als Geburt vor der 37. voll­ endeten Schwangerschaftswoche oder vor 259 Tagen, gerechnet vom ersten Tag der letzten Menstruationsperiode (WHO 2018). Als haupt­ sächliche Ursachen für spontane Frühgeburten

gelten urogenitale Entzündungen und Infektio­ nen (CHALLIS et al. 2009, GOLDENBERG et al. 2008). Jedoch verbleiben bis zu 50% aller spon­ tanen Frühgeburten unbekannter Ätiologie (GOLDENBERG et al. 2008, IAMS et al. 2008). Überlebende Kinder leiden häufiger an langfris­ tigen Behinderungen, Entwicklungsstörungen des Nervensystems, Atmungsproblemen und angeborenen Anomalien (CHRISTIANSON et al. 1981, HACK et al. 1983, MCCORMICK et al. 1993, YU 2000). Vermindertes Geburtsgewicht Vermindertes Geburtsgewicht wurde von der WHO als ein Geburtsgewicht unter 2500 g definiert (UNICEF 2004). Es gibt vielseitige ­ ­Ursachen, wie frühe Geburtseinleitung, Kaiser­ schnitte, multiple Schwangerschaften, Infek­ tionen, sowie chronische Erkrankungen der Mutter, wie Diabetes oder Bluthochdruck (LAR­ ROQUE et al. 2001). Als Konsequenz von vermin­ dertem Geburtsgewicht steigt das Risiko der fötalen und neonatalen Mortalität und Morbi­ dität, der eingeschränkten kognitiven Entwick­ lung sowie chronischer Krankheiten im späteren Lebensalter (RISNES et al. 2011). Die nachteiligen Schwangerschaftsausgänge, Frühgeburt und vermindertes Geburtsgewicht korrelieren häufig. Frühgeborene weisen eher ein vermindertes Gewicht auf, dennoch ist unklar, ob hier die gleichen pathologischen ­ ­Prozesse ablaufen (IDE & PAPAPANOU 2013). Schwangerschaft und parodontale ­Erkrankungen Das Risiko einer parodontalen Erkrankung ist während der Schwangerschaft erhöht (LAINE 2002). Sofern diese bereits vorhanden ist, tritt


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