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Fachbericht
Podologie Schweiz 6 | 2020
seiner bahnbrechenden k leinen Schrift «Die richtige Gestalt der Schuhe» angeregt hatte, für Militärschuhe in der Schweiz damit verbindlich eingeführt. Die Liebe zur neuen Form und die Bereitschaft sie zu tragen, liess sich im zivilen Leben allerdings nicht in gleicher Weise behördlich verordnen. Deshalb sollten weitere zwanzig Jahre vergehen, bis sich das Publikum daran gewöhnt hatte, von den ebenso ungesunden wie unbequemen symmetrischen, aber «schönen» Formen Abschied zu nehmen und zweckmässige Paarigkeit bei Schuhen zu akzeptieren. Nur von hygienisch und lebensreformerisch interessierten Personenkreisen, wie etwa den Mitgliedern der berühmten Vegetarier-Kolonie
«Monte Verità» am Lago Maggiore oder in naturheilkundlichen Sanatorien wie dem des «Sonnendoktor» Arnold Rikli wurden im späten 19. Jahrhundert auch die strikt rationell oder «naturgemäss» geformten Schuhe und Sandalen nicht nur theoretisch für richtig befunden, sondern auch im Alltag getragen. Vgl. Szeemann (1978); Buchholz, Latocha, Wolbert (2000); Breyer (2012). Wieder einmal spiegelten sich gewandelte gesellschaftliche Verhältnisse auch in einem neuen Auftritt der Akteure. Die aristo kratisch geprägte Eleganz symmetrischer Formen musste einem neuen bürgerlichen Verständnis von wissenschaftlich fundierter Zweckmässigkeit als neuer «Schönheit» wei-
Frage
chen. Einen massgeblichen Beitrag dazu, die neuen Ideen von einer rationellen Fussbekleidung populär zu machen, hat die Schweiz geleistet. Für vier Wochen verwandelte sich Bern im Sommer 1876 zur internationalen Drehscheibe für Vertreter und Verbreiter eines neuen Fuss- und Körperbewusstseins und wurde damit zur Wiege des modernen Schuhs. Aus dem Buch «Schritt für Schritt» der Autoren Nike U. Breyer, Anna Weltert und Philippe Müller. Mit freundlicher Genehmigung der Bibliothek am Guisanplatz in Bern. Erstabdruck in Fuss & Schuh.
Quiz
Wie könnte dieses Ulcus auf der Höhe des Sprunggelenks entstanden sein?
Auflösung siehe Seite 20.