Dr. Jürg Meister (Hrsg.)
Erich Liechti
Die Geschichte der Schifffahrt auf dem Thunerund Brienzersee
Erich Liechti
Dr. Jürg Meister (Hrsg.)
Das vorliegende Werk will mit aktualisierten Texten und sehr vielen neuen, meist unbekannten und nie publizierten Bildern die Flotte von Thuner- und Brienzersee sorgsam, aber auch unterhaltend porträtieren. Neben den klassischen Schiffsbildern vermitteln historische und aktuelle Aufnahmen aus den Innenräumen und Bordszenen aus der Zeit seit 1835 die faszinierende Atmosphäre der Schifffahrt. Pläne und Rekonstruktionen, diverse davon besonders wertvoll, ergänzen die Fotografien bei jedem Schiff. Die auch für jede Einheit mit viel Aufwand wieder neu recherchierten technischen Daten bilden einen weiteren festen Bestandteil des Werks.
Die Geschichte der Schifffahrt auf dem Thuner- und Brienzersee
DIE GESCHICHTE DER SCHIFFFAHRT AUF DEM THUNER- UND BRIENZERSEE
neutral Drucksache
ISBN 978-3-03818-340-2
No. 01-12-409142 – www.myclimate.org © myclimate – The Climate Protection Partnership
Werd & Weber Verlag AG, CH-3645 Thun / Gwatt www.weberverlag.ch
umschlag.indd Alle Seiten
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Herausgeber: Jürg Meister Autoren: Erich Liechti | Jürg Meister
Die Geschichte der Schifffahrt auf dem Thunerund Brienzersee
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Herausgeber: Jürg Meister Autoren: Erich Liechti | Jürg Meister
Die Geschichte der Schifffahrt auf dem Thunerund Brienzersee
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INHALTSVERZEICHNIS
Inhaltsverzeichnis Weshalb ein neues Buch über die Schiffe der Oberländer Seen
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Dankadresse
7
Schiffsregister
9
Bemerkungen zum Bildmaterial
10
Hinweise zu den technischen Daten
12
Geschichtlicher Abriss der Schifffahrt auf Thuner- und Brienzersee
14
1. Thunersee
23
2. Brienzersee
330
Thunersee 23 Nr. 1 Raddampfschiff «Bellevue», später «Faulhorn» Nr. 2
Raddampfschiff «Helvetia» I (ex «Giessbach» I)
24 30
Nr. 3 Raddampfschiff «Niesen» I
36
Nr. 4 Raddampfschiff «Stadt Thun» I
48
Raddampfschiff «Stadt Bern» I
58
Nr. 5
Nr. 6 Raddampfschiff «Neptun» I
78
Nr. 7 Raddampfschiff «Beatus» I
84
Nr. 8
Raddampfschiff «Bubenberg» I
104
Nr. 9
Raddampfschiff «Helvetia» II
122
Nr. 10 Schraubendampfer «Neptun» II
138
Nr. 11 Schraubendampfer, später MS, später wieder Schraubendampfer «Spiez»
142
Nr. 12
Raddampfschiff «Blümlisalp» I
160
Nr. 13 Motorschiff «Gunten»
182
Nr. 14 Motorschiff «Morgarten»
192
Nr. 15 Motorboot «Iris»
198
Nr. 16 Motorschiff «Niesen» II
200
Nr. 17 Motorschiff «Thun», später «Kyburg»
210
Nr. 18 Motorschiff «Oberhofen» (ex «Ente», Landesausstellung 1939)
218
Nr. 19 Motorschiff «Jungfrau» II
228
Nr. 20 Motorschiff «Stadt Bern» II
242
Nr. 21 Motorschiff «Niederhorn»
254
Nr. 22 Motorschiff «Bubenberg» II
264
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INHALTSVERZEICHNIS
Nr. 23 Motorschiff «Beatus» II Nr. 24 Motorschiff
«Blümlisalp» II,
276 später «Stadt
Thun» II
286
Nr. 25 Motorschiff «Stockhorn»
298
Nr. 26 Motorschiff «Berner Oberland»
304
Nr. 27 Motorschiff «Schilthorn»
312
Die Trajektschifffahrt auf dem Thunersee
320
Von den Ländten an Thuner- und Brienzersee
324
Brienzersee
331
Nr. 101 Raddampfschiff
«Giessbach» I
332
Nr. 102 Raddampfschiff «Faulhorn»
336
Nr. 103 Schraubendampfer «Giessbach» II
342
Nr. 104 Raddampfschiff
«Interlaken» I
346
Nr. 105 Raddampfschiff
«Giessbach» III
358
Nr. 106 Raddampfschiff «Oberland»
374
Nr. 107 Raddampfschiff «Brienz» I
388
Nr. 108 Raddampfschiff
«Jungfrau» I
402
Nr. 109 Motorboot «Iris»
416
Nr. 110 Raddampfschiff «Lötschberg»
420
Nr. 111 Motorschiff
«Jseltwald» I
440
Nr. 112 Motorschiff «Harder»
446
Nr. 113 Motorschiff «Rothorn»
454
Nr. 114 Motorschiff
«Interlaken» II
462
Nr. 115 Motorschiff
«Iseltwald» II
472
Nr. 116 Motorschiff «Brienz» II Nr. 117 Motorschiff
«Jungfrau» II
480 488
Gütermotorschiff «Mercur»
498
Die Autoren
500
Literaturverzeichnis
502
Sponsoren
503
Abkürzungen
503
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WESHALB EIN NEUES BUCH ÜBER DIE SCHIFFFAHRT AUF DEN OBERLÄNDER SEEN?
Weshalb ein neues Buch über die Schifffahrt auf den Oberländer Seen? Es sind im Wesentlichen die nachfolgenden Motivationen, die uns für dieses anspruchsvolle Vorhaben – ein solches Unterfangen erheischt kritisches Hinterfragen des Bestehenden und fordert in Text, Bild und Gestaltung Verbesserungen ein – sehr angespornt haben: –
as Buch der Autorengruppe Liechti/Gwerder/Meister von 2002 ist vergriffen und zudem D in vielen Teilen überholt. Die Schifffahrt auf den Oberländer Seen hat sich weiterentwickelt!
–
er in der Zwischenzeit angesammelte Wissens- und Dokumentationszuwachs im histoD rischen Bereich ist beträchtlich. Die hinzugewonnenen Erkenntnisse und Dokumente haben es erlaubt, den bisherigen Stoff von Grund auf zu überarbeiten. In dieser Absicht konnten in den Texten und bei den Legenden Hunderte von Korrekturen, Ergänzungen und Präziwsierungen vorgenommen werden, die sich vielleicht nicht auf den ersten Blick erschliessen und somit zur vertieften Lektüre einladen.
–
leichzeitig ist es dank der hervorragenden Zusammenarbeit mit verschiedensten G Schifffahrtsfreunden, Archiven und Privatsammlungen auch möglich geworden, eine sehr grosse Anzahl von Bilddokumenten durch aussagefähigere, interessantere oder bessere Versionen zu ersetzen, viele davon bisher unveröffentlicht. Auf kleine Bildwiedergaben wurde bewusst weitestgehend verzichtet.
–
er Kreis der mitinvolvierten Schifffahrtsfreunde hat sich erweitert, was nicht nur den D Bildern und Texten inhaltlich sehr zugute kommt, sondern auch die Perspektiven und Sichtweisen erfreulich ergänzt hat.
Dieser neue Band ist zwar in der grossen Linie der gleichen Philosophie wie die bisherigen Publikationen des Autorenteams Liechti/Gwerder/Meister verpflichtet und lehnt sich deshalb in grossen Zügen – mit möglichst vielen Optimierungen – an diese an. Nach wie vor geht es darum, alle Schiffe in möglichst allen ihren Zuständen bildlich und textlich zu dokumentieren. Verstärkt wurde der Fokus aber auch auf Innenräume und «Bordszenen» gelegt. Gwatt bei Thun, September 2021 Verlag und Autoren
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DANKADRESSE
Dankadresse
Dieses Buch ist ein Gemeinschaftswerk! Ein Gemeinschaftswerk einer hoch motivierten und engagierten Autorengruppe mit einem ebenso engagierten Verlag! Der Werd & Weber Verlag in Thun unter der souveränen Führung von Frau Annette Weber hat es mit einer hochprofessionellen Leistung und dank eines tollen Mitarbeiterstabes ermöglicht, das eher komplexe Werk in hoher Qualität und in sehr kurzer Zeit zu realisieren. Grossrat, Historiker und Publizist Samuel Krähenbühl hat uns als Vertreter der Verlegerschaft unschätzbare Dienste sowohl als Türöffner als auch als Kenner der Schifffahrt und der heutigen Online-Arbeit geleistet. In der Form von grosszügigen Druckkostenbeiträgen haben die auf der letzten Seite aufgelisteten Gemeinden und Institutionen die Produktion dieses Bandes gefördert und erleichtert. Die Geschäftsleitung des BLS-Schiffsbetriebes unter der Führung von Herrn Claude Merlach hat unser Vorhaben nicht nur wohlwollend begleitet, sondern auch aktiv unterstützt. Der unbürokratische Zugriff zu Original-Unterlagen, eine unabdingbare Voraussetzung bei einem solchen Sachbuch, verdient einen ganz besonderen Dank. Das Autorenteam hat sich trotz der einschränkenden äusseren Bedingungen (Corona-Pandemie, örtliche Getrenntheiten) in sehr engem Austausch bemüht, mit möglichst vielen neuen, qualitativ guten und aussagefähigen Bildern und sorgfältig überarbeiteten und ergänzten Texten einen wirklich neuen Band zu erarbeiten. Innerhalb der Autorengruppe haben sich die Herren Peter Gondolf (D-Kamen), Lukas Reimann (Arth) in besonderer Weise um die älteren und ältesten Schiffe bemüht und gekümmert: Ganz herzlichen Dank für die riesige und höchst präzise Arbeit. Die privaten Sammlungen dieser Herren haben sich als äusserst wertvollen Fundus erwiesen, die Auswahlkriterien für das Buch waren mehr als nur streng. Peter Gondolf hat sich zudem als unbestechlicher interner Lektor und Korrektor bewährt, seinem scharfen Verstand und ebenso scharfen Augen blieb kaum etwas verborgen. Die neueren Schiffsgenerationen waren bei den Herren Bruno Schoog (D-Karlsruhe) und Markus Engemann (Thun-Gwatt), unterstützt von Ernst Mischler (Einigen), bestens aufgehoben. Den Spagat zwischen teilweise überbordendem Material unterschiedlicher Aussagekraft einerseits und schmerzlichen Lücken in diversen Beständen andererseits haben 7
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DANKADRESSE
sie unter grossem Zeitdruck souverän gemeistert. Auch hier ein ganz herzlicher Dank für die Mammutarbeit und last but not least für die unumgängliche, aber manchmal auch schmerzliche Konzentration auf das Wesentlichste. Beat Zumstein (Basel) hat seine schier unergründliche Sammlungs-Schatulle grosszügig geöffnet: Wir verdanken ihm an vielen Stellen dieser Publikation die so wertvolle Erhärtung und Validierung zahlreicher Daten und Fakten. Sein unerschöpfliches Wissen um die Archivalien der Herstellerfirmen und der Aufsichtsbehörden gab uns Sicherheit und erlöste uns von vielen Zeit und Energie konsumierenden neuen Recherchen. Mit Bildern und Archivalien haben uns überdies grosszügig und kompetent unterstützt. Institutionen:
Einzelpersonen:
BLS, Schiffsbetrieb Thuner- und Brienzersee
Kurt Hunziker, Luzern
BLS Historic, Burgdorf
Walter Jau, Bern
Bundesarchiv Bern
Robert Knöpfel, Bonstetten
Burgerarchiv Bern
Ernst Mischler, Einigen
ETH Zürich
Eric Teysseire, Vevey
Musée Gruérien, Bulle
Bernhard Willen, Samedan
Stadtarchiv Thun Stadtarchiv Zürich Staatsarchiv des Kantons Bern Ein abschliessender und kollektiver Dank gilt – last but not least – all den vielen hier ungenannten Personen, welche in irgendeiner Art dazu beigetragen haben, «Öl ins Getriebe» des ganzen Vorhabens zu leiten: Nur die Summe dieser Hilfen und Freundlichkeiten hat es möglich gemacht, das Projekt zügig und mit Freude durchzuziehen! Basel und Wimmis Jürg Meister und Erich Liechti
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SCHIFFSREGISTER
Schiffsregister
Thunersee 1. DS «BELLEVUE» 2. DS «HELVETIA» I DS «NIESEN» I 3. 4. DS «STADT THUN» I
Brienzersee 101. DS «GIESSBACH» I 102. DS «FAULHORN» 103. SrD «GIESSBACH» II 104. DS «INTERLAKEN» I
5. DS «STADT BERN» I 6. DS «NEPTUN» I 7. DS «BEATUS» I 8. DS «BUBENBERG» I 9. DS «HELVETIA» II 10. SrD «NEPTUN» II 11. SrD/MS/SrD «SPIEZ» 12. DS «BLÜMLISALP» I 13. MS «GUNTEN» 14. MS «MORGARTEN» 15. MB «IRIS» 16. MS «NIESEN» II 17. MS «THUN» / «KYBURG» 18. MS «OBERHOFEN» 19. MS «JUNGFRAU» II 20. MS «STADT BERN» II 21. MS «NIEDERHORN» 22. MS «BUBENBERG» II 23. MS «BEATUS» II 24. MS «BLÜMLISALP» II / «STADT THUN» II 25. MS «STOCKHORN» 26. MS «BERNER OBERLAND» 27. MS «SCHILTHORN»
105. DS «GIESSBACH» III 106. DS «OBERLAND» 107. DS «BRIENZ» I 108. DS «JUNGFRAU» I 109. MB «IRIS» 110. DS «LÖTSCHBERG» 111. MS «ISELTWALD» I 112. MS «HARDER» 113. MS «ROTHORN» 114. MS «INTERLAKEN» II 115. MS «ISELTWALD» II 116. MS «BRIENZ» II 117. MS «JUNGFRAU» II MS «MERCUR»
NB In den Texten und Legenden werden die Generationen-Indices aus Gründen der Lesbarkeit nur dann verwendet, wenn Verwechslungsgefahr besteht.
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BEMERKUNGEN ZUM BILDMATERIAL
Bemerkungen zum Bildmaterial
Auch dieser neue Band der Schifffahrtsgeschichte der Oberländer Seen lebt in wesentlichen Teilen von den wiedergegebenen Bildern. Die Autoren haben deshalb erneut versucht, durch eine sorgfältige Auswahl und eine angemessene fototechnische Aufarbeitung den hohen Erwartungen des Lesers und Betrachters entgegenzukommen. Bei den Auswahlkriterien stand der historische oder auch situative Aussagewert erneut an der Spitze. Gleichzeitig bemühten wir uns, so weit wie nur möglich neues, teilweise unpubliziertes Material zu präsentieren. Um bestimmte Bauzustände oder Ereignisse zu dokumentieren, musste deshalb in einzelnen Fällen auch auf Material zurückgegriffen werden, welches vom qualitativen Standpunkt aus nicht über alle Zweifel erhaben ist – dem Dokumentationswert zuliebe und im Sinne unseres Anspruches, möglichst jeden einigermassen wichtigen Zustand jedes Schiffes bildlich zu dokumentieren, wurde aber dieses Risiko bewusst eingegangen. Der Dokumentationswert von Situationen und von Innenbildern war aber auch bei den Motorschiffen vielfach ein Kriterium, das die Fotoqualität übersteuert hat. Diese Neubearbeitung enthält zwar einen unverzichtbaren Kern von «klassischen» Bilddokumenten aus früheren Publikationen – in der Zwischenzeit erschlossene Quellen haben es aber erlaubt, eine Grosszahl von Bildern zu ersetzen und die bisherige Auswahl reichlich zu ergänzen. Die Anzahl der Bilder hat denn auch substanziell zugenommen! Die zahlreichen neu eruierten Fotodokumente haben es uns zudem ermöglicht, im Textteil viele Korrekturen oder Präzisierungen anzubringen. Gleiches gilt für die Pläne und Rekonstruktionen. Wir haben uns, vor allem im historischen Teil, auch bemüht, im Rahmen der Schiffsbeschreibungen der Lokalhistorie und der nautischen Atmosphäre einen gewissen Platz einzuräumen, dies kommt in der Bildauswahl und vor allem in den Legenden zum Ausdruck. Im Weiteren hat es eine gewisse Anzahl von Fotografien vor allem dank raffinierter Aufnahmetechnik, dank vielleicht eines speziellen Winkels oder dank einer Liebe zu spezifischen Details in die Auswahl geschafft – dies zu Handen der Kenner der Geschichte und der Hintergründe der Fotografie. Bei den Motorschiffen ist es uns vor allem dank der Fotografien von Markus Engemann gelungen, auch die Innen-Ausstattungen inkl. der wertvollen künstlerischen Ausschmückungen verschiedener Einheiten bildlich darzustellen; die in diesem Buch notwendige Konzentration auf die typischsten Ausgestaltungen macht Lust auf eine breitere Darstellung dieses Aspektes. 10
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BEMERKUNGEN ZUM BILDMATERIAL
Ein weiteres Element bei der Bildauswahl war der Einbezug eines relativ weiten Kreises von Sammlungen, obschon eine grössere Konzentration möglich gewesen wäre. Wenn aber einzelne Namen öfter als Bildlieferanten auftauchen als andere, hat das meist damit zu tun, dass der genannte Sammler innerhalb der Autorengemeinschaft über die fototechnisch beste Vorlage verfügt, obschon sie anderswo auch verfügbar gewesen wäre. Gerade P. Gondolf hat seine profunde Sammlung immer auch noch so professionell aufgearbeitet, dass die bestmöglichen Scans den Weg ins Manuskript gefunden haben, sein Name erscheint in den Quellvermerken deshalb relativ oft. Wie üblich sind alle Fotografien konsequent mit Quellenangaben versehen. Wir möchten auch an dieser Stelle allen beteiligten Amts- und Privatpersonen für ihre konstruktive und geduldige Mithilfe herzlich danken. Manche Institutionen haben über die Jahre ihren Namen gewechselt oder sind umplatziert worden. Die Bildquellen sind in diesem Werk in der Regel entsprechend der Namensgebung zum oft länger zurückliegenden Übernahmezeitpunkt vermerkt, bspw. mit «Landesbibliothek» anstelle von heute «Nationalbibliothek». Wo dies gewünscht wurde (vor allem von professionellen Institutionen), sind die Quellen zusätzlich mit den spezifischen Signaturen vermerkt. Bei der BLS liegen die Verhältnisse so, dass das Bildmaterial früher auf diverseste Standorte verteilt war. Den Autoren in jener Epoche zugänglich gemachte Dokumente werden pauschal mit «Archiv BLS» zitiert. In neuerer Zeit ist ein Grossteil des BLS-Bildmaterials ans Staatsarchiv des Kantons Bern übergeben worden, ein Teil aber auch an die Stiftung BLS Historic in Burgdorf. Die übrigen Quellen sind mit aussagefähigen Stichworten angegeben.
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HINWEISE ZU DEN TECHNISCHEN DATEN
Hinweise zu den technischen Daten Der Leser wird – aus verständlichen Gründen – geneigt sein, die in den Tabellen zusammengefassten technischen Daten und Fakten als absolute Grössen zu sehen. Wir möchten aber an dieser Stelle eindringlich darauf hinweisen, dass viele Werte nur eine relative Aussagekraft haben und immer wieder grösseren oder kleineren Änderungen unterworfen sein können. Wir illustrieren dies nachstehend anhand von einigen Werten, die man gerne als gegebene Grössen hinnimmt, die aber in Wirklichkeit ausgesprochen «weich» und variabel sind.
Leer-Déplacement (Verdrängung) Dieser dem Schiffsgewicht im unbeladenen, aber voll ausgerüsteten Zustand entsprechende Wert widerspiegelt jede infinitesimale Veränderung am Schiff. Jeder Ein- und jeder Ausbau, jede Änderung am Inventar, jeder kleinste Umbau findet seinen Niederschlag in der Wasserverdrängung. Wo nichts anderes angegeben ist, stehen in unseren Tabellen die Schiffsgewichte für den Ursprungszustand bei Inbetriebnahme und für den End- resp. den heutigen Zustand. Der Leser mag aus Publikationen, Hinweistafeln etc. andere Werte kennen oder ersehen – unsere Quellen sind die Eintragungen in den so genannten Schiffbüchern, welche eine Art «Identitätskarte» der Schiffe darstellen und somit amtlichen Charakter haben. Aber auch diese Dokumentationen werden nur periodisch nachgeführt und zahlreiche Zwischenwerte erscheinen so nicht in den offiziellen Akten. Noch häufiger als bei den Dampfschiffen finden sich in den Déplacement-Werten der Motorschiffe solche Änderungen, welche in jüngerer Zeit besonders oft bei Umbauten im Gastronomiebereich oder bei Neumotorisierungen eingetreten sind. Zur Optimierung der Trimmlage oder des nautischen Verhaltens wird nicht selten mit Ballast resp. mit Ballaständerungen optimiert – jedes Mal mit den erwähnten Auswirkungen auf das Schiffsgewicht und in der Folge auch auf die Tiefgänge.
Probefahrts-Maximalgeschwindigkeit In der Dampfschiff-Ära wurde mit jedem Schiff in relativ kurzen Zeitabständen (beispielsweise alle drei oder vier Jahre) eine relativ lange Probestrecke abgefahren und die Maschine mit der von der Kesselgrenzleistung her maximal möglichen Füllung betrieben: Die 12
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HINWEISE ZU DEN TECHNISCHEN DATEN
resultierende Geschwindigkeit durfte mit Fug und Recht als Probefahrts-Vmax bezeichnet werden. Aus dem EWZ-Archiv konnten für verschiedene Schiffe sehr präzise Angaben zu offiziell erhobenen Maschinen, Kessel- und Geschwindigkeitswerten ermittelt werden. Es sei aber nicht verschwiegen, dass auch diese Werte von Fahrt zu Fahrt oft erheblich streuten, es sei nur an unterschiedliche meteorologische Bedingungen, an den Heizwert der Kohle, den Schalenzustand u. a. erinnert. Selbstverständlich fanden und finden auch bei Motorschiffen Abnahmefahrten statt – auf systematisierte Probefahrten zum Ausreizen der Maximalgeschwindigkeit wird jedoch heute in der Regel verzichtet. Die meisten der heute auf den Oberländer Seen zirkulierenden Motorschiffe sind in der letzten Zeit mit neuen, effizienteren Motoren ausgerüstet worden. Die daraus resultierenden und in unseren Tabellen festgehaltenen Höchstgeschwindigkeiten sind betrieblicher Natur – rein technisch wären bei bestimmten Schiffen deutlich höhere Geschwindigkeiten möglich.
Tragkraft Die maximale Tragkraft wurde in den Anfangszeiten der Dampfschifffahrt eher als Richtgrösse verstanden. Die Aufsicht oblag den Kantonen. Über Jahrzehnte wurde auch nach dem Übergang der Aufsicht auf den Bund (nicht nur auf den Oberländer Seen) versucht, eine möglichst hohe Fahrgastzahl zu erreichen, um Doppel- oder gar Dreifachführung von Kursen möglichst zu vermeiden. In den dreissiger Jahren hat die Aufsichtsbehörde sogar gesamtschweizerisch Untersuchungen darüber angestellt, welchen Schiffen man eine Überlast von 10 % zumuten könnte. Heute richtet sich diese Zahl nach wesentlich strengeren Bestimmungen, dem Komfort wird wesentlich mehr Gewicht zugemessen und es besteht auch eine Abhängigkeit zu den mitgeführten Rettungsmitteln.
Abmessungen/Dimensionen Wo immer möglich, wurden die überlieferten Werte durch die inzwischen zugänglich gewordenen Original-Unterlagen verifiziert und gegebenenfalls gegenüber früheren Darstellungen korrigiert.
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GESCHICHTLICHER ABRISS DER SCHIFFFAHRT AUF THUNER- UND BRIENZERSEE
Geschichtlicher Abriss der Schifffahrt auf Thunerund Brienzersee 1. Thunersee 1.1 Die Initiative Knechtenhofer: DS «Bellevue» In Thun-Hofstetten, einem östlich der Altstadt an der Aare liegenden Aussenquartier, betrieb Oberst und «Negotiant» Johann Jakob Knechtenhofer (1790–1867) bereits in den zwanziger Jahren des vorletzten Jahrhunderts einen bekannten und bestrenommierten Gasthof unter dem Namen Bellevue. Gegen 1830 entbrannte in der Region ein heftiger Streit um den Ausbau der um den Thunersee führenden ungenügenden Strassen. Nach heftigen Kämpfen wurde schliesslich beschlossen, die linksufrige Strasse über Spiez in erster Priorität auf einen höheren Standard auszubauen. Knechtenhofer, am rechten Ufer domiziliert und als Absolvent von einigen Semestern Jurisprudenz an der Universität Bern mit den Strömungen der «grossen Welt» wohl vertraut, fürchtete in dieser Ausgangslage, vom Verkehr und insbesondere vom immer grösser werdenden Touristenstrom abgeschnitten zu werden. Er kam deshalb auf die zugleich brillante und mutige Idee, auf dem Thunersee zur schnelleren Verbindung mit lnterlaken einen Dampfschiffsdienst einzurichten. Zusammen mit seinen zwei Brüdern – Johann Knechtenhofer (1793–1865, von Beruf Bäcker, Tuchhändler und Reserveoffizier), welcher später auch als Kapitän der «Bellevue» fungieren sollte, und Hauptmann und ebenfalls Tuchhändler Johann Friedrich Knechtenhofer (1796–1871) – formierte er den Kern einer Aktiengesellschaft. Dabei war die Anzahl Knechtenhofer-Aktien nicht durch drei teilbar. Als potentester Minderheitsaktionär war – wichtig – Philippe Suchard in Neuchâtel beteiligt. Suchards Bruder war in Paris tätig und hatte mancherlei Bezüge zu progressiven Kreisen, wahrscheinlich sogar zu Louis-Napoléon Bonaparte, dem späteren Kaiser Napoléon III, der 1829 die Artillerieschule in Thun besucht hatte. In diesem Sinne erstaunt es nicht, dass die Firma Knechtenhofer gewissermassen im Fahrwasser der Suchard’schen «Industriel» auf dem Neuenburgersee im Jahre 1834 bei der Maschinenfabrik Cavé in Faubourg Saint-Denis bei Paris ein eisernes Dampfschiff in Auftrag gab. François Cavé persönlich war seinerseits mit zwei Aktien am Unternehmen beteiligt. Details zu diesem Schiff sind dem entsprechenden Lebenslauf zu entnehmen. Sowohl die Transporte von Paris ins Berner Oberland als auch die Inbetriebnahme und die ersten Dienstjahre sind relativ problemlos über die Bühne gegangen. Berühmt wurde die «Bellevue» vor allem durch die von Uhrmacher Leuenberger in Sumiswald erstellte Trompetenmechanik, welche die Schiffspassagiere mit einer Reihe von populären Weisen erfreuen konnte. Dieses ursprünglich pedalbetriebene Unikum ist heute noch im historischen 14
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GESCHICHTLICHER ABRISS DER SCHIFFFAHRT AUF THUNER- UND BRIENZERSEE
Schlossmuseum Thun aufgestellt. Wie bei den meisten frühen Schiffsverbindungen auf Schweizer Seen ging auch das Monopol der Postbeförderung auf dieser Strecke im Interesse eines beschleunigten Dienstes sehr bald auf die neue Dampfschifffahrtsgesellschaft über: Bereits am 15. Mai 1836 konnten die Herren Knechtenhofer die entsprechenden Privilegien in Anspruch nehmen. Es sei hier aber daran erinnert, dass in diesen allerersten Zeiten nur im Sommerhalbjahr gefahren wurde; die Frequenzen bewegten sich bei durchschnittlich rund 25’000 beförderten Personen pro Jahr. 1.2 DS «Niesen» I und seine Folgen Angeregt durch die Erfolge der Gebrüder Knechtenhofer, konstituierte sich im Jahre 1842 in Thun eine neue Aktiengesellschaft mit dem Zweck, die Stadt Thun selbst zum Ausgangspunkt der Schifffahrt zu machen und damit den Nachteil wettzumachen, dass die «Bellevue» nur vor dem Hotel der Knechtenhofer mit gleichem Namen anlegte. Noch bevor diese Gesellschaft in aller Form gegründet war, begaben sich ihre Vertreter nach Zürich, um bei der Firma Escher Wyss & Cie über den Bau des neuen Dampfschiffes zu verhandeln. Im Kontor des Herrn Kaspar Escher trafen sie jedoch mit einem der Herren Knechtenhofer zusammen, der ihnen mit der Bestellung eines zweiten Thunersee-Dampfschiffes um eine Nasenlänge zuvorgekommen war. Dank intensiver Verhandlungsbemühungen des Herrn Escher einigten sich die beiden Abordnungen noch am selben Tag, nämlich am 10. November 1842, und schlossen in der Folge einen Fusionsvertrag, aus welchem die «Dampfschifffahrts-Gesellschaft für den Thuner- und Brienzersee» (DGTB) hervorging. Mit dieser Firmenbezeichnung stand von Anfang an fest, dass man sich nicht mit der Schifffahrt auf dem Thunersee begnügen wollte. In der Tat liess die neu gegründete Gesellschaft noch vor Fertigstellung des nun im Bau begriffenen neuen DS «Niesen» die bisherige «Bellevue» auf den Brienzersee versetzen, wo sie den Namen «Faulhorn» erhalten sollte. Das Ziel, die Stadt Thun mit einer Station am Freienhof selbst zum Ausgangspunkt zu machen, erwies sich bei einer Probefahrt mit der «Niesen» zwar als prinzipiell machbar, jedoch wegen der unzureichenden Maschinenkraft beim gefährlichen Passieren der Aareschleuse auf die Dauer als doch zu riskant, weshalb zu Knechtenhofers Freude darauf zunächst verzichtet werden musste. Mit dem Bestand von zwei Schiffen, d. h. mit je einem Boot auf dem Thuner- und Brienzersee, operierte die neu gegründete Gesellschaft drei Jahre lang mit recht gutem Erfolg, wobei aber das Geschäftsjahr 1845 einen gewissen Rückschlag brachte. 1.3 DS «Helvetia» des «Generalunternehmers» Matti Der Initiant der Brienzersee-Schifffahrt, der Dragoner-Offizier, Weinhändler und später in Brienz auch Hotelier David Gottlieb Matti (eigenhändige Unterschrift Matty), gebürtig von Saanen und ursprünglich wohnhaft in Vevey, hatte nach dem Transfer der «Bellevue» auf den oberen See klar eingesehen, dass der Brienzersee im Jahre 1843 nicht genügend Passagieraufkommen für zwei Dampfschiffe begründen konnte. Er liess deshalb sein Schiff «Giessbach» (siehe Kapitel 2.1) auf den Thunersee versetzen, wo es am 9. Mai 1843 unter dem Namen «Helvetia» in Betrieb kam und auf eigene Rechnung den See befuhr. Die Bezeichnung «Schiff Matti» lässt sich nach neueren Forschungen nicht aufrechterhalten; es 15
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wird am See und in der Stadt Thun wohl mundartlich oft von «em Matti sys Schiff» die Rede gewesen sein. Matti liess sein Schiff zeitweise schon zur Winterzeit verkehren, wenn der Einsatz der grösseren «Niesen» unrentabel und er dann zudem konkurrenzlos war. Bei der geringen Winterströmung der Aare konnte sogar die Fahrt bis zum Freienhof gewagt werden. Dieser Zustand sollte allerdings nicht lange dauern, denn bereits im Jahre 1846 erwarb die DGTB das Schiff von Matti käuflich, es blieb beim Namen «Helvetia». 1.4 Die «Dampfschifffahrts-Gesellschaft für den Thuner- und Brienzersee» (DGTB) Wie in Kapitel 1 .2 beschrieben, entstand diese Gesellschaft in ihrem Kern bereits anlässlich der Bestellung des DS «Niesen» durch Vermittlung von Herrn Kaspar Escher in Zürich. Nach der käuflichen Übernahme der Matti’schen Konkurrenzgesellschaft im Jahre 1846 wurde für die DGTB eine relativ ruhige Epoche eingeleitet. Mit dem Bestand von zwei Schiffen auf dem Thunersee («Niesen» und «Helvetia») und einem Schiff auf dem Brienzersee («Faulhorn», ex «Bellevue») sollte während etwa zehn Jahren recht und schlecht operiert werden können. Im Zeichen eines sich nun doch immer stärker bemerkbar machenden Verkehrsaufschwungs und auch zur Gewährleistung des nun ganzjährig vorgehaltenen Dienstes wurde auf dem Thunersee im Jahre 1856 die kleine und baufällige «Helvetia» durch das neue und leistungsfähige DS «Stadt Thun» ersetzt. Gleichzeitig wurde auf dem Brienzersee der Abgang der altersschwach gewordenen «Faulhorn» durch ein neues Schiff Realität (vgl. auch 2.3). Eine schlagartige Verkehrszunahme ergab sich durch die Eröffnung der Bahnlinie Bern–Thun der Schweizerischen Centralbahn. Die Station Thun (alter Bahnhof) wurde am 1. Juli 1859 eröffnet, die Verlängerung nach Scherzligen, welche einen direkten Anschluss an die Schiffe gewährleistete, konnte am 1. Juni 1861 für Güter und zwei Jahre später für den Personentransport in Betrieb genommen werden. Rechtzeitig auf diesen Zeitpunkt wurde das neue, grössere DS «Stadt Bern» fertiggestellt. Dennoch blieb der Schiffsbestand wieder für mehrere Jahre stabil. Auch an der Route Thun–Neuhaus änderte sich, abgesehen von der Eröffnung der Stationen Oberhofen, Gunten und Spiez, welche zunächst mit Stationskähnen bedient wurden, so gut wie nichts. 1.5 Die «Oberländische Dampfschifffahrts-Gesellschaft» (siehe auch 2.4) Zum Verständnis der weiteren Entwicklungen muss kurz auf den Brienzersee geblendet werden: Unzufrieden mit dem allzu sparsamen Verkehr und im Zeichen eines stark aufblühenden Tourismus, wurde in lnterlaken im Jahre 1869 ein Konkurrenzunternehmen zur DGTB für den Brienzersee gegründet. Es warf der Thuner Gesellschaft vor, notwendige Verbesserungen wegen kurzsichtiger eigener Rentabilitätsinteressen zu unterlassen und damit den Interessen vor allem des aufstrebenden Interlaken nicht gerecht zu werden. Diese von grossem Optimismus beflügelte Gesellschaft bestellte bei der im Schiffbau erst gerade neu in Erscheinung tretenden Firma Sulzer in Winterthur ein in jeder Beziehung ungewöhnliches Schiff mit dem Namen «Oberland».
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1.6 Die «Vereinigte Dampfschifffahrts-Gesellschaft für den Thuner- und Brienzersee» (VDGTB) Noch vor Inbetriebnahme des neuen Salonbootes «Oberland» gelang, allerdings nach zähen Verhandlungen, die Fusion dieses neuen auf dem Bödeli domizilierten Unternehmens mit der angestammten Gesellschaft unter dem illustrativen Namen «Vereinigte Dampfschifffahrts-Gesellschaft für den Thuner- und Brienzersee». Die DGTB hatte noch vor ihrer Fusion sowohl für den Thuner- als auch für den Brienzersee je ein grosses Schiff zur Bewältigung des zusätzlichen Verkehr bestellt. Die politische Lage war allerdings 1870 sehr labil, und der Deutsch-Französische Krieg führte zu einem starken Fahrgastrückgang in diesem Jahr. Das führte dahin, dass man den für den Brienzersee im Bau befindlichen Salondampfer «Brienz» am liebsten auf dem Thunersee einsetzen und den Bau des für den Thunersee vorgesehenen DS «Beatus» zeitlich erstrecken wollte. Schliesslich wurden aber beide Schiffe ungefähr gleichzeitig für die ursprünglich vorgesehenen Seen fertiggestellt. Für den Thunersee wurde gar eine Option für ein Schwesterschiff des vorbildlich gelungenen «Beatus» unterzeichnet. Die VDGTB sollte nun den Verkehr auf den beiden Oberländer Seen lange Jahre hindurch zur Zufriedenheit der Anwohner und der immer zahlreicher werdenden Touristen durchführen. Die Schiffe wurden gut unterhalten und laufend modernisiert. Auf dem Thunersee wurde im Jahre 1874 die erwähnte Option eingelöst und ein Schwesterschiff des «Beatus», das DS «Bubenberg», in Fahrt gesetzt. Im Jahre 1889 wurde im Zusammenhang mit der Eröffnung der Beatenbergbahn im Sommer der Einsatz eines dritten Dampfers nötig und daher ein weiteres neues Schiff (DS «Helvetia» II) in Betrieb genommen. Trotz dieser an sich idyllisch erscheinenden Verhältnisse waren hinter den Kulissen lebhafte verkehrspolitische Grundsatzdiskussionen im Gange. Von den grossartigen Ideen gewisser vom euphorischen Bahnbau in ganz Europa angesteckter Initianten blieben nach vielen internen Querelen nur noch Fragmente übrig: In den Jahren 1872 resp. 1874 wurde in Teilstücken die so genannte Bödelibahn von Därligen über lnterlaken nach Bönigen eröffnet. Diese normalspurige Kurzlinie – zunächst als Kernstück einer nationalen Transitlinie von Bern nach Luzern gedacht – verhinderte zwar mit ihrem zweimaligen Aare-Übergang definitiv die durchgehende Schifffahrt zwischen den beiden Oberländer Seen, rief aber auf dem Thunersee den Trajektbetrieb ins Leben. Von 1873 bis zum 1. Juni 1893 wurde deshalb auf dem Thunersee ein lebhafter Fährverkehr unterhalten, und zwar zunächst mit einem einzigen, ab 1886 mit zwei Trajekt-Schraubendampfern. Mit dem genannten Datum vom 1. Juni 1893 wurde die Bahnverbindung von Thun über Spiez nach Därligen (und somit nach lnterlaken und Bönigen) eröffnet. Damit verlor die VDGTB ihr bisheriges Transportmonopol auf einen Schlag. Zudem musste sie, um Interlaken ebenso wie die Bahn erreichen zu können mit hohen Kosten den heute noch bestehenden Schiffskanal bauen. Gewiss bedeutete die neue Konkurrenzganz erhebliche Verkehrseinbussen, doch fiel dieser Zeitpunkt mit einem ungeahnten Aufschwung des Tourismus zeitlich zusammen: Die Frequenzeinbussen waren nur vorübergehend, doch war der erste Schritt zum Sommer-Saisonunternehmen eindeutig getan. Noch blieb aber das rechte Thunerseeufer ohne schienengebundenes Verkehrsmittel, so dass wenigstens auf dieser Seeseite und für Querverbindungen die Schifffahrt für zwanzig weitere Jahre eine existentielle Bedeutung hatte. Diese Epoche war geprägt durch die Inbetriebnahme des Schraubendampfers «Spiez» und vor allem durch den Bau des 17
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neuen Flaggschiffes der Flotte, des Salondampfers «Blümlisalp», im Jahre 1906. Zu erwähnen ist noch, dass der Firmenname im Jahr 1895 auf «Dampfschiff-Gesellschaft Thuner- & Brienzersee» vereinfacht wurde. (DGTB) 1.7 Die Thunerseebahn und der Übergang zur Berner Alpenbahn BLS Im Jahre 1912 ging die DGTB in der Thunerseebahn-Gesellschaft auf. Fast 20 Jahre Konkurrenz hatten gezeigt, dass trotz Hochkonjunktur das Verkehrsaufkommen nicht reichte, um zwei Unternehmen ausreichend rentabel zu betreiben. Deren Rechtsnachfolgerin wurde bereits ein Jahr später die ebenfalls 1913 eröffnete Alpenbahn Bern–Lötschberg– Simplon, deren ältestes Teilstück somit das Trassee der ehemaligen Bödelibahn wurde. Seit diesem Zeitpunkt wird die Schifffahrt auf dem Thuner- und Brienzersee somit von der BLS betrieben. Diese musste in ihrer allerersten Zeit als Reeder zunächst die dramatischen Rückschläge des Ersten Weltkrieges und der darauf folgenden Krisenjahre bewältigen. In den zwanziger Jahren liess sie allerdings die arg vernachlässigten Dampfschiffe ausnahmslos sorgfältig aufarbeiten; verschiedene stillgelegte Schiffe wurden wieder aktiviert. Seit 1914 hatte die Schifffahrt mit der Rechtsufrigen Thunerseebahn eine weitere Konkurrentin. Das verlangte einen kostengünstig zu bewältigenden Lokalverkehr insbesondere auf dem unteren Thunerseeteil. Die BLS begann deshalb die im Zeichen des Dieselmotors und des Schraubenantriebs stehende Neuzeit mit zwei kleinen, gebrauchten Schraubenschiffen für Lokaldienste, welche aber den gesteigerten Bedürfnissen entsprechend vergrössert und umgebaut werden mussten. Wenige Jahre danach wurde dieser Park durch das erste relativ moderne und komfortable MS «Niesen», ergänzt. Die zu Kriegsbeginn mit den Motorschiffen «Thun» und «Oberhofen» fortgesetzte Modernisierung fand dann für einige Zeit vorübergehend einen Abschluss. Anders als nach dem Ersten Weltkrieg erholte sich der Tourismus nach dem Zweiten Weltkrieg sehr rasch und trat in die Hochkonjunkturphase ein in der die Schiffe so viele Fahrgäste beförderten wie nie zuvor und wie auch seitdem nicht mehr. Noch bis und mit 1953 waren die Dampfschiffe auf dem Thunersee absolut vorherrschend und wurden für sämtliche Hauptkurse fast ausschliesslich eingesetzt. Mit dem Bau und der Inbetriebnahme des damals Aufsehen erregenden Motorschiffes «Jungfrau» im Frühjahr 1954 wurde aber eine radikale Modernisierungswelle eingeläutet, welche innert siebzehn Jahren zum (vorläufig) völligen Ersatz sämtlicher Dampfschiffe führen sollte. In den folgenden Jahren wurde die bestehende stolze Motorschiffflotte laufend verbessert, den gestiegenen Komfortbedürfnissen angepasst und in jeder Beziehung unterhalts- und bedienungsfreundlicher gestaltet. Das 1971 in Betrieb genommene neue Flaggschiff MS «Blümlisalp» beendigte bis auf weiteres die Epoche der dampfbetriebenen Schifffahrt auf dem Thunersee. Das 1974 in Betrieb genommene kleinere Motorschiff «Stockhorn» bildete komfortmässig einen Quantensprung in der Kategorie der kleineren Schiffe. Die etwa ab jenem Zeitpunkt in Fluss gekommene Rettungsaktion für die alte «Blümlisalp» ist gewissermassen eine «Jahrhundertaktion», deren Beschrieb hier den Rahmen völlig sprengen würde. Die lange Zeit als reine Utopie betrachtete Wiederinbetriebnahme 18
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der «Blümlisalp» im Frühjahr 1992 gehört zu den absoluten Höhepunkten der Thunersee-Geschichte. Kurz darauf ist der Schiffspark durch die unkonventionelle und auf die stark gestiegenen und veränderten Ansprüche der Kundschaft zugeschnittene «Berner Oberland» und das 2002 in Betrieb genommene MS «Schilthorn» ergänzt worden. Seither beschäftigten die Rückkehr des MS «Oberhofen», die Stilllegung und schliesslich der Rückbau des MS «Stadt Bern» und der originelle Retrofit der «Spiez» die Verantwortlichen des Schiffsbetriebs und die Gemüter des Publikums – dies vor dem Hintergrund einer neuen Flottenpolitik.
2. Brienzersee 2. 1 David Gottlieb Matti und DS «Giessbach» I Angeregt durch die Erfolge der ersten Schiffe auf den meisten übrigen Schweizer Seen, beschaffte sich der in Thun geborene, in Saanen beheimatete und meist in Vevey wohnhafte rührige Dragoner-Offizier und Weinhändler David Gottlieb Matti (auch Matty geschrieben) vom Genfersee her das bisherige Privatschiff «Echo» des Lausanner Philanthropen W. Haldimand und liess dieses mit grossem Aufwand auf den Brienzersee überführen, wo er es bereits im Mai 1839 in Betrieb setzte. Es ist nicht mehr genau festzustellen, ob Matti mit seiner Schifffahrt Geld verdiente. Fest steht jedenfalls, dass er im Winter 1842/43, als die DGTB ihre ehemalige «Bellevue» unter dem Namen «Faulhorn» auf den Brienzersee versetzen liess, sofort und klar sah: Genügend Passagieraufkommen für zwei Dampfschiffe war auf dem oberen See nicht vorhanden. Er liess sein Schiff deshalb auf den Thunersee versetzen, wo er es noch drei Jahre lang in eigener Regie betrieb (vgl. Abschnitt 1.3 des Kapitels über den Thunersee). 2.2 Herren von Rappard, Schraubendampfer «Giessbach» II (vgl. Schiffslebenslauf Nr. 103) Auch die DGTB blieb mit ihrer «Faulhorn» nicht ohne Konkurrenz, denn bereits 1856 liessen sich die Herren von Rappard – die damaligen Besitzer der aufstrebenden GiessbachHotels – für den Zubringerdienst ein eigenes kleines Schraubenboot bauen. Zwei Jahre später übernahm aber die DGTB die Giessbachbesitzungen und damit den Schraubendampfer, welcher auf Grund von Konstruktionsmängeln wie zu grossem Tiefgang und schlechter Manövrierbarkeit bald ausser Betrieb gesetzt wurde. 2.3 Die DGTB Wie erwähnt trat die DGTB bereits im Jahre 1843 mit der «Faulhorn» in Erscheinung und veranlasste Matti, seine «Giessbach» auf den Thunersee einzusetzen. Die unter 2.2 beschriebene Episode des Rappard’schen Schraubendampfers dauerte nicht einmal zwei Jahre, und ab 1858 war die DGTB wiederum alleinige Herrin auf dem oberen Gewässer. Sie ersetzte die auf den Thunersee zurückversetzte «Faulhorn» durch den Neubau «lnterlaken» I und ergänzte den Schiffspark bald darauf durch das noch leistungsfähigere DS «Giessbach» III.
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2.4 Die «Oberländische Dampfschifffahrts-Gesellschaft» Nach rund zehn Jahren relativ klaglosen, aber auch nicht besonders üppigen Betriebes regte sich die Konkurrenz und es konstituierte sich in lnterlaken unter der Führung einiger besonders initiativer und zukunftsgläubiger Hoteliers die «Oberländische DampfschifffahrtsGesellschaft», welche bei der für den Schiffbau gerade neu in Erscheinung tretenden Firma Gebrüder Sulzer in Winterthur einen äusserst komfortablen Salondampfer in Auftrag gab. Das in Aussicht genommene Geschäftsfeld der ODG war sowohl auf den Rundfahrten- und Genussverkehr der Hotelgäste als auch auf den Transit mit Brienz ausgerichtet. 2.5 Die «Vereinigte Dampfschifffahrts-Gesellschaft für den Thuner- und Brienzersee» (VDGTB) Die angestammte DGTB wurde durch die Aktivitäten der «Oberländischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft» aus einer gewissen Lethargie gerüttelt und konnte sich nach intensiven Verhandlungen mit dem neuen und unliebsamen Konkurrenten auf eine Fusion einigen. Die so gegründete «Vereinigte Dampfschifffahrts-Gesellschaft» wurde von neuen Initiativen durchströmt, so dass gleichzeitig für den Thuner- und Brienzersee je ein neues grosses Schiff in Auftrag gegeben wurde. Für den oberen See handelte es sich um ein zweites stattliches Salonschiff und für den Thunersee um einen grossen Halbsalondampfer. Wie unter 1.6 beschrieben, verdüsterte sich aber 1870 der wirtschaftliche und politische Horizont kurz wegen des deutsch-französischen Krieges, so dass eine Zeit lang sogar damit geliebäugelt wurde, das neue Brienzersee-Schiff auf dem Thunersee einzusetzen und die für den unteren See platzierte Bestellung zeitlich zu erstrecken oder gar zu stornieren. Schliesslich kam das neue Salonboot «Brienz» aber doch auf dem Brienzersee zum Einsatz, und auch auf dem Thunersee entwickelte sich der Schiffbau gemäss ursprünglichem Plan. Für einige Jahre kehrte nun Ruhe auf dem mit zwei Salondampfern sehr grosszügig versehenen Brienzersee ein. Die Bödelibahn brachte zusätzliche Frequenzen; Anlass für Flottenerweiterungen war jedoch nicht gegeben. Die neu erbaute Brünigbahn von Alpnachstad nach Brienz verursachte jedoch ab dem 14. Juni 1888 zunehmende Frequenzen. Gut acht Jahre später wurde deshalb der Bau eines neuen leistungsfähigen Schiffes unumgänglich: Das Dampfschiff «Jungfrau» legt beredtes Zeugnis davon ab. 2.6 Thunerseebahn und BLS Der Übergang der Schifffahrtsinteressen auf den beiden Oberländer Seen von der VDGTB auf die Thunerseebahn im Jahre 1912 machte sich auf dem Brienzersee durch nochmals verstärkte Aktivitäten bemerkbar: Als Krönung des Schiffsparkes wurde im Folgejahr das schönste und grösste Schiff für den oberen See, das DS «Lötschberg», in Auftrag gegeben. Der ausbrechende Erste Weltkrieg bereitete jedoch der angebrochenen erfreulichen Entwicklung ein abruptes Ende. Und mit der Aufnahme der durchgehenden Bahnverbindung bis nach lnterlaken am 23. August 1916 erlitt die Brienzersee-Schifffahrt beinahe den Todesstoss. Ab diesem Zeitpunkt wurde sie mit Ausnahme des Lokalverkehrs nach lseltwald zum reinen Saisongeschäft. Sie vegetierte in der Folge bis Mitte der zwanziger Jahre dahin, konnte sich jedoch im Zeichen des wiederauflebenden Fremdenverkehrs relativ rasch 20
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eingermassen erholen. Die Krise der dreissiger Jahre und der Zweite Weltkrieg spielten aber der Schifffahrt auf dem oberen See wieder stärker mit als der offenbar krisenfesteren Schifffahrt auf dem Thunersee. Nur durch die Beschaffung eines weiteren Motorbootes vom Thunersee her für den Lokaldienst im Winter und für Rand- und Zusatzkurse sowie den Bau des MS «Rothorn» im Jahr 1950 rettete man die Brienzersee-Schifffahrt in der Kriegs- und Nachkriegszeit über eine fast fatale Flaute hinweg, wurde doch während einiger Jahre die totale Betriebseinstellung ernstlich erwogen. Die sich nach 1950 immer stärker profilierende Hochkonjunktur brachte es mit sich, dass auch auf dem Brienzersee wieder erfreulich steigende Frequenzen ausgewiesen werden konnten. Trotz Ausmusterung von zwei bewährten Dampfveteranen im Jahre 1956 konnten die Fahrleistungen dank dem neuen und leistungsfähigen MS «Interlaken» markant gesteigert werden – eine Entwicklung, welche im Jahre 1981 durch das prächtige MS «Brienz» noch erweitert und gekrönt wurde. Die Verlegung des MS «Jungfrau» vom Thuner- auf den Brienzersee und die Totalrevision des Dampfveteranen «Lötschberg» zeigt den Stellenwert, welcher der Brienzersee auch heute mit Fug und Recht verdient.
Im Rahmen der neuen Flottenpolitik stehen sowohl Bereinigungen als auch Erweiterungen der Flotte auf beiden Seen zur Diskussion. Die neue Strategie steht auch im Zusammenhang mit der Gründung einer eigenständigen Schiffstochtergesellschaft innerhalb der BLS AG. Damit wird ein neues Kapitel in der bewegten Geschichte der Schifffahrt im Berner Oberland aufgeschlagen. Die bestehende Flotte soll verkleinert und die verbleibenden Schiffe sukzessive erneuert werden. Ebenso soll ein neues Schiff mit wenig Tiefgang beschafft werden, damit u. a. auch die Winterschifffahrt ausgebaut werden kann.
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Thunersee
Bild: Samuel Krähenbühl
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NR. 1 RADDAMPFSCHIFF «BELLEVUE», SPÄTER «FAULHORN»
Nr. 1 Raddampfschiff «Bellevue», später «Faulhorn» Baufirma des Schiffkörpers
Cavé, Paris (Faubourg St-Denis)
Länge über Perpendikel
ca. 30,50 m*
(100’)
Länge insgesamt (auch bewegliche Teile)
ca. 39,50 m*
(130’)
Breite im Hauptspant
ca. 4,10 m
(13½’)
Breite über alles
ca. 7,62 m
(25’)
Seitenhöhe
ca. 2,14 m
(7’)
Mittlerer Tiefgang leer
ca. 0,76 m
(2½’)
Mittlerer Tiefgang beladen
?
Anzahl Schotten
?
Hersteller der Maschine Maschinenbauart
Cavé, Paris Stehende Niederdruck-Balancieranlage mit zwei Zylindern
Kolbenhub
?
Kolbendurchmesser
?
Leistung
Kesselhersteller Anzahl Kessel x Flammrohre Betriebsdruck Durchschnittl. Brennstoffverbrauch Druckkreisdurchmesser der Räder Anzahl Schaufeln Höhe x Länge der Schaufeln Durchschnittliche Probefahrts-Vmax Leerverdrängung Tragkraft Besatzung
16 PSnom (ca. 65 PSi) 1. Kessel:
2. Kessel, 1847:
Cavé, Paris
Escher Wyss & Cie
2×?
2×?
½ atü 1½ Klafter Holz für 38 km ? 10, Holz beweglich ? 19,3 km/h ? 200 Personen ?
* Die Längenangaben für die «Bellevue» sind widersprüchlich. Am sichersten erscheint uns das für den Transport auf den Brienzersee offiziell festgehaltene Mass von 130 Fuss, gerechnet über sämtliche (d. h. auch die beweglichen) Schiffsteile wie Bugspriet und Heckflaggenstock.
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NR. 1 RADDAMPFSCHIFF «BELLEVUE», SPÄTER «FAULHORN»
1834
ie von den Gebrüdern Knechtenhofer in Thun ins Leben gerufene AktiengeD sellschaft für die Einführung einer Schiffsverbindung zwischen Thun und Neuhaus bestellt, wohl durch die Vermittlung des Mitaktionärs Philippe Suchard, bei der Maschinenfabrik Cavé in Paris ein eisernes Dampfschiff in ähnlicher Ausführung wie das DS «lndustriel» auf dem Neuenburgersee. Die beweglichen Schaufeln waren eine Spezialität von François Cavé (1794–1875), der ein eigenes System geschaffen hatte, kurz bevor William Morgan ein anderes Konzept entwickelte, das bis heute in perfektionierten Formen weiterlebt.
1835
in Fuhrwerk mit letzten Bauteilen verlässt den Faubourg Saint-Denis bei Paris E am 26. Juni. Da offensichtlich grössere Komponenten und die Maschinen- und Kesselanlagen schon vorher spediert worden sind, ist es unter Aufbietung aller Kräfte möglich, das Schiff in Thun-Hofstetten sehr rasch zusammenzubauen: Bereits am 26. Juli findet nämlich der vielbestaunte Stapellauf und fünf Tage später, also am 31. Juli, die umjubelte Jungfernfahrt statt. Bereits im ersten Jahr sind 77 Einsatztage zu verzeichnen. Fest steht zudem, dass die berühmte, heute im Schlossmuseum Thun noch zu besichtigende (ursprünglich pedalbetriebene) Trompetenmechanik von allem Anfang an auf dem Schiff aufgestellt war.
1836
egelmässiger Fahrplandienst vom 15. Mai bis 15. Oktober. Das Schiff legt in R diesem Jahr 13’480 km zurück und befördert dabei 24’657 Personen.
1837
DS «Bellevue» erhält am 15. Mai das Monopol der Postbeförderung.
1843
I m Hinblick auf die zu erwartende Indienststellung des neuen DS «Niesen» wird die «Bellevue» im Januar auf dem Landweg auf den Brienzersee verbracht. Ein an sich logisch erscheinender Transport auf der weitestgehend noch natürlich fliessenden Aare wurde nach längerem Hin und Her verworfen. Das Schiff wird im Frühjahr sozusagen unverändert auf dem oberen See in Betrieb gesetzt; es trägt nun den Namen «Faulhorn».
1843–1856 Im Dienst auf dem Brienzersee: siehe Schiffslebenslauf Nr. 102. 1857
ach dem Beschluss, das DS «Faulhorn» wieder nach Thun zu transferieren, N wird es dort auf Stapel genau untersucht.
1857/58
er Transport und der anschliessende Stapelgang finden in diesem Winter D statt. Nach Erneuerung des Holzbaus wird entschieden, das Schiff als Reserve voll betriebstüchtig zu erhalten. Für die Sommermonate wird der Einsatz als Güterschiff erwogen.
1858/59
Als Winterschiff
im Jahr 1858 an 131 Tagen und 1859 an 142 Tagen auf dem Thunersee im Einsatz. 25
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NR. 1 RADDAMPFSCHIFF «BELLEVUE», SPÄTER «FAULHORN»
1860
weitere Verwendung als Passagierschiff wird untragbar – die Antriebselemente werden zur Versteigerung ausgeschrieben. Ein Mechaniker Aeschlimann aus Thun ersteigert am 28. Mai Kessel und Maschine für 900 Fr. Die Aggregate werden wahrscheinlich in seiner Werkstätte weiterverwendet. Am 19. November beschliesst der VR, die Schale des «Faulhorn» als Schleppschiff zu verwenden und entsprechend anzupassen.
1861
Die
1863
Reparatur
1864
Am
2. April kurz nach Mittag wird auf der Kursfahrt Thun ab 11.55 Uhr ein aus dem schleppenden «Neptun» und den Kähnen «Helvetia» und «Faulhorn» bestehender Konvoi vor Oberhofen von einem äusserst heftigen Sturm überrascht. Die Wellen bringen die zuhinterst eingereihte «Faulhorn» zufolge ihrer Topplastigkeit – die Ladung lag auf dem Deck des sonst leeren Schiffes – ins Rollen, wodurch die Deckladung verrutschte und das Schiff danach in kürzester Zeit kenterte. Glücklicherweise kann die Schleppverbindung hinter der «Helvetia» gekappt werden, so dass wenigstens die beiden vorderen Boote nicht in zusätzliche Gefahr geraten. Entschlossene Retter aus Oberhofen können zwei Matrosen und einen Teil der Fracht (Wein, Öl, Kaffee, Seife) in Sicherheit bringen. Die wichtigste Ladung, nämlich 330 Fässer und Säcke Salz, versinken in den Fluten, wofür der Kanton Bern als Inhaber des Salzregals einen Schadenersatz von 1186,35 Fr. einfordert. Leider findet auch Steuermann Glatthard den Tod in den Fluten.
Seither
Das Wrack der «Bellevue»/«Faulhorn» liegt heute noch in 120 Metern Tiefe und ist nach zahlreichen Versuchen am 27. Juli 2002 geortet worden. Die zugänglich gewordenen Bildfragmente zeigen nur kleine Teile des Schiffs, so bspw. die Stelle, wo das Bugspriet beim Umbau zum Schleppschiff abgesägt wurde.
Die
Pfahlgruppe in der Aare wird zum Liegeplatz des Schleppschiffes erklärt. von Schale und Holzbau.
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Zu den Fahrzeiten der «Bellevue» gab es praktisch noch keine Fotografie; die Bilddarstellungen des ersten Thunersee-Schiffes waren demnach etwa Kupferstiche, Lithografien oder Ölgemälde, deren Détailtreue meistens eher bescheiden war. Diese bekannte Aquatinta von Heinrich Siegfried vermittelt einen guten Einblick ins Aarebecken und eine etwas pauschalierte Wiedergabe des Dampfers. Sammlung J. Meister
Oberst Luternau, Kommandant der Eidg. Central-Militärschule in Thun, hat in seiner Freizeit einige recht präzise Tuschezeichnungen der «Bellevue» angefertigt. Hier das Schiff von achtern mit dem typischen Kugelheck. Gut sichtbar auch das gegen aussen nicht abgedeckte Schaufelrad. Sammlung E. Liechti
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Ebenfalls von Luternau die gut nachempfundene «Bellevue» in einer idyllischen Szene. Stadtarchiv Thun, SAT_3_16_S_15-17
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Aktualisierte Rekonstruktionszeichnung von Erich Liechti. Erich Liechti
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