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Deltaseglerabsturz im Stockhorngebiet
Es war ein wunderschöner Sommertag. Schon frühmorgens mussten wir auf der Basis der Bohag sein, um noch die letzten Vorbereitungen für die Bergbauernhilfe zu tätigen. Die Rega hatte der Bohag eine Lama für Rettungen zur Verfügung gestellt. Betrieben wurde dieser Helikopter durch das Personal der Bohag, nur das Rettungsmaterial, die Ärzte und ihre Ablösungen sowie ich selber waren durch die Rega angestellt. Sollte es zu einem Rettungsflug für in Not geratene Menschen kommen, wurde alles fallen gelassen und dieser Rettungseinsatz ausgeführt. Nach Abschluss der Rettung ging der Weg zurück zu den Transportern. Es begleitete uns nämlich stets ein Transporter mit einem Flughelfer, technischem Transportmaterial und ein paar Fässern Kerosin zum Nachtanken. An solchen Tagen dauerte es oft zwölf Stunden, bis alle Aufträge erledigt worden waren, und entsprechend müde waren wir abends. Zu diesen Einsätzen gehörten ebenfalls Tiertransporte von verletzten, akut erkrankten oder toten Kühen auf den Sömmerungsalpen. Diese Tiertransporte liefen unter dem Einsatznamen Contadino. Ehrlich gesagt, waren das nicht meine Lieblingsaufgaben, des Öfteren kamen sie mir vor wie ein Alpenrodeo. Tote Kühe waren mir lieber, weil die weder Angst noch Schmerzen hatten. Ganz schwierig war einmal die Bergung eines Pferdes, das auf einer Holzbrücke eingebrochen war und auf den Eisenträgern lag. Für solche Situationen war der mitfliegende Mechaniker für mich mehr als Gold wert. Die immensen Transporterfahrung dieser Kollegen machten mir so vieles leichter. Andererseits war ich dann etwas mehr auf mich gestellt bei medizinischen Problemen. Für das Pferd nahm das Ganze ein gutes Ende, der Mechaniker bastelte ein «Gstältli», und so konnte es mit einem Lama-Heli der Bohag aus seiner ungemütlichen Lage befreit werden. An besagtem Sommertag erhielten wir per Funk die Meldung über den möglichen Absturz eines Deltaseglers im Gebiet des Stockhorns in der Nähe von Erlenbach. Noch schnell auftanken, alles Transportmaterial aus dem Helikopter aus- und das mitgeführte Rettungsmaterial einladen, und ab ging der Flug Richtung Stockhorn. Auf dem Überflug wurde uns mitgeteilt, dass aus dem Tal ein Deltasegler gesehen worden war, der ins Strudeln geraten und dann nicht mehr aufgetaucht war. Es gab nur ungefähre Gebietsangaben, und wir begaben uns auf einen Suchflug. Nach etwa fünfzehnminütigem Suchen sahen wir einen Deltasegler unterhalb eines grossen Felsens im oberen Teil eines auslaufenden Cou-
loirs liegen. Von einem Deltapiloten war weit und breit nichts zu sehen. Unser Pilot machte uns auf die grosse Gefahr aufmerksam, die der Helikopter für den Segler darstellen konnte, sollte dieser vom Abwind der Rotoren erfasst werden. Nach einem weiteren Überflug der Unfallstelle sollte ich mit so viel Abstand wie nötig aus den genannten Abwindgründen mit der Winde abgesetzt werden, um mir ein Bild vor Ort zu machen. Wir wussten immer noch nicht, wo sich der Pilot befand. Beim Anflug zu meinem Absetzplatz entdeckten wir etwa 100 Meter unterhalb des Deltaseglers eine liegende Person. Ich wurde wieder hochgezogen, und über Funk wurde mir mitgeteilt, dass ich in der Nähe dieser gesichteten Person abgesetzt werden sollte. Nach einer weiteren geflogenen Schlaufe wurde wiederum das Windenseil ausgefahren, das mich in unmittelbarer Nähe des Verunglückten absetzen würde. Kurz vor meiner Ankunft am Boden richtete sich die Person, aufgeschreckt durch den Helikopterlärm, etwas auf. In diesem Moment wurde durch den Abwind der Notfallschirm des Deltapiloten, der sich unter seinem Kopf befand, erfasst, mit Luft gefüllt und riss den Mann etwa 20 Meter den Abhang hinunter. Mein Windenmann erkannte das Problem sofort und meldete dem Piloten, dass er sofort aufsteigen musste. Genau das, was wir weiter oben hatten vermeiden wollen, war uns jetzt passiert. Mit einem Notschirm hatten wir nicht gerechnet. Beim nächsten Anflug wurde ich deutlich weiter vom Verunglückten entfernt abgesetzt und konnte problemlos zu ihm gelangen. Der Mann war ansprechbar und als Erstes musste ich ihn vom Notschirm befreien. Er war erheblich verletzt und ich konnte nicht beurteilen, was vor und was nach dem zusätzlichen Absturz entstanden war. Der Mann war jetzt bei Bewusstsein, hatte jedoch keine Ahnung, was hier vor sich ging. Damit stand einmal fest, dass er eine erhebliche Hirnerschütterung hatte. In diesem steilen Gelände und ohne weitere Helfer habe ich auf medizinische Massnahmen verzichtet und eine rasche, möglichst schonende Horizontalnetzbergung vorbereitet. Dafür brauchte ich etwa zehn Minuten und schon kam die rote Alouette namens FOX FOX, um uns mit der Winde auszufliegen. Am Seil hängend, flogen wir direkt zum Spital Erlenbach, wo wir beide nach ein paar Minuten abgesetzt wurden. Zur weiteren Untersuchung bereiteten wir den Verunglückten für den Transport ins Inselspital vor und flogen ihn direkt nach Bern. Nach der Übergabe im Inselspital führte uns der Weg zum nächsten Materialtransport.