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Wiener Börse: Aufwind statt Schlusslicht

Das vergangene Jahr war für die Wiener Börse turbulent. Der Leitindex ATX verzeichnete ein Minus von 19 Prozent, wobei es mehrere Belastungsfaktoren gibt: Zahlreiche Unternehmen sind wirtschaftlich eng mit Osteuropa verflochten. Die ATX-Abhängigkeit vom CEE-Raum beträgt laut Berechnungen der Erste Group Bank AG 68 Prozent. Für viele internationale Anleger war der Start des Ukraine-Kriegs ein Grund, sich von österreichischen Aktien zu trennen. Heimische Konzerne setzten obendrein zum Rückzug aus Russland an: So verkaufte etwa der Papierproduzent Mayr-Melnhof Karton AG Ende 2022 sein Geschäft in der Region. Zudem belasteten hohe Energiepreise die Industrieunternehmen.

„Der österreichische Leitindex erwies sich aufgrund der geografischen Nähe zum Krieg, seiner Zusammensetzung und Größe volatiler als andere Märkte“, konstatiert Fritz Mostböck, Chefanalyst bei der Erste Group Bank AG. Dabei entfallen 36 Prozent des ATX auf Banken, wobei die Erste Group die größte ATXGewichtung einnimmt. Danach folgt der Öl- und Gassektor, die OMV AG nimmt dabei die zweitgrößte Gewichtung im Leitindex ein.

ATX historisch günstig

Zumindest aber haben sich die Bewertungen kräftig vergünstigt, ein Umstand, den Experten in diesem Ausmaß nicht nachvollziehen können: „Auf diesen Niveaus wird unterstellt, dass die Konzerne im Schnitt Verluste schreiben“, so Wolfgang Matejka, Geschäftsführer bei Matejka & Partner Asset Management. Mit solch einer dramatischen Entwicklung rechnet Matejka nicht.

TEXT RAJA KORINEK

Zuletzt lag das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des ATX auf Basis der Gewinnerwartungen für die kommenden zwölf Monate bei rund sieben. „Die Kennzahl liegt deutlich unter dem internationalen Durchschnitt“, fügt Alois Wögerbauer, Geschäftsführer der 3 Banken Generali Investment, hinzu. Sie liegt auch unter dem langjährigen ATX- teil war. Dies sollte sich 2023 als Vorteil erweisen.“ Der Grund? Den sieht der Marktexperte in der Zinswende der EZB. Sie gibt Finanzaktien mittelfristigen Rückenwind, wie er sagt. Banken lukrieren wieder höhere Margen am Kreditgeschäft, Versicherungen können attraktivere Konditionen auf Lebensversicherungen bieten. Wögerbauer hebt dabei die Erste Group Bank AG mit einem aktuellen KGV von rund sieben hervor. Auch die Dividendenrendite von über fünf Prozent findet Anklang bei dem Profi.

Sollte sich die Konjunktur eintrüben, könnte solch eine Entwicklung das Kreditgeschäft belasten, mahnt Matejka. Bei der Raiffeisen Bank International AG rät er Anlegern, die Entwicklungen rund um Russland gut im Auge zu behalten. Immerhin erzielt der Bankkonzern gut die Hälfte seiner Gewinne in der Region.

WOLFGANG

Durchschnitt von 13. Weitere Kennzahlen deuten ebenso auf eine günstige Bewertung: So liegt die aktuelle Dividendenrendite bei gut 4,4 Prozent.

Finanztitel sind Favoriten

Wögerbauer meint auch, „dass die große Übergewichtung der Finanztitel im ATX in den vergangenen Jahren oft ein Nach-

Matejka meint auch, dass Industrietitel wie Lenzing AG sowie Voestalpine AG von den gesunkenen Energiepreisen profitieren, ein Umstand, der jedoch in den jeweiligen Aktienkursen bereits teilweise eingepreist sei. Anders bei der OMV AG: Wögerbauer hält die Aktie für zu günstig. Mitte Februar notierte der Kurs bei rund 37 Euro. Wögerbauer hebt die Transformation der OMV AG in Richtung Chemiekonzern hervor sowie eine weitere Eigenschaft: „Gemeinsam mit der Sonderausschüttung wird die Dividendenrendite 2023 bei gut zehn Prozent liegen.“

Doch wohin wird der ATX insgesamt steuern? Bis Jahresende hält Mostböck einen Indexstand von rund 3.700 Punkten für möglich. Dies impliziere immer noch ein günstiges KGV von acht basierend auf prognostizierten Ergebnissen für 2023 „und lässt prinzipiell weiter Luft nach oben“. n

Peter Brezinschek

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