11 minute read

HATTRICK FÜR PISTAUER

Next Article
WELTBLICK

WELTBLICK

Ausblick. Ein gutgelaunter Michael Pistauer auf der Dachterrasse des Varta-Hauses am Getreidemarkt mit Blick über die Dächer von Wien.

VITA

MICHAEL PISTAUER

Finanzvorstand Montana Aerospace AG

Der begeisterte Radfahrer (52) ist studierter und promovierter Betriebswirt und seit der Gründung der Montana Aerospace AG deren Finanzvorstand.

Er kennt mehr als 800 Investoren persönlich und ist Experte für strategische M&A-Transaktionen. Zur Arbeit fährt er von Purkersdorf mit dem Rad.

HATTRICK

FÜR PISTAUER

Finanzvorstand Michael Pistauer hat im Mai 2021 nach der Varta und Aluflexpack mit der Montana Aerospace das dritte Unternehmen innerhalb von vier Jahren erfolgreich an die Börse gebracht. Ein Alleinstellungsmerkmal und eine Teamleistung, wie er betont. Dem Börsianer hat er verraten, was ihn bei Börsengängen so erfolgreich macht.

INTERVIEW DOMINIK HOJAS, INGRID KRAWARIK FOTOS DIETER BRASCH

Das ist aber nicht alles für mich, oder?“, fragt Michael Pistauer, als er Leinwand, Scheinwerfer und Kameras sieht. Die Brille nimmt er sofort ab. Der Finanzvorstand der Montana Aerospace AG agiert normalerweise im Hintergrund. „Wer hochgelobt wird, kann tief fallen“, lautet sein Motto. Fürs Covershooting des Börsianer-Magazins wird er zum ersten Mal ins Licht gerückt. Zu Recht. Der Börsianer des Quartals weist mit drei erfolgreichen Börsengängen einen singulären sowie exzellenten Track-Record auf. Sein Chef, Investor Michael Tojner, nennt ihn das Mastermind hinter den IPOs der Varta AG, der Aluflexpack AG und der Montana Aerospace AG, alles Töchter von Tojners Montana Tech Components mit einer Marktkapitalisierung von 7,31 Mil-

Aus dem Nähkästchen. Ein freundschaftlicher Mentor sei vor Börsengängen für den Gedankenaustausch wichtig, sagt Michael Pistauer.

liarden Euro, mit einem unverzichtbaren persönlichen Draht zu mehr als 800 Investoren. Die Börsianer-Chefredaktion hat mit dem begeisterten Radfahrer und, wie er selbst sagt, „Möchtegernsportler“ auf der Dachterrasse des Varta-Hauses in Wien über die mittlerweile aufgebauschte IPO-Industrie gesprochen sowie darüber, welche Fäden er für einen erfolgreichen Börsengang in der Hand hält, wann er die Reißleine zieht und warum Wien als Börsenplatz keine Rolle gespielt hat.

Herr Pistauer, Sie haben in den vergangenen vier Jahren als Mastermind mit der Varta AG, Aluflexpack AG und zuletzt der Montana Aerospace AG im Mai 2021 drei Unternehmen erfolgreich an die Börse gebracht. Wie ist das Gefühl, wenn nach einem erfolgreichen IPO die Börsenglo-

cke läutet? - Michael Pistauer: Ehrlich? Müde! Die große Euphorie stellt sich ein, wenn Sie wissen, dass das Buch gecovert ist. Dann wissen Sie, dass sich die viele Arbeit davor ausgezahlt hat und das Spiel mit 27.000 Variablen gewonnen ist. In dem Moment, wo die Glocke läutet oder man selbst draußen steht und läutet, bricht das zusammen und das Adrenalin ist weg.

Die Last fällt ab. - Ja. Und dann fragt man sich, und was jetzt? Dann wird schnell

„Der erste Aufschlag ist wesentlich. Falsch erklärt bringt dir hunderte Millionen weniger.“

MICHAEL PISTAUER

klar, dass man seinen Partnern am Kapitalmarkt ein Versprechen gegeben hat und dass man diese Versprechen einhalten will. Das heißt dann im Wesentlichen Arbeit. Von der Arbeit in die Arbeit.

Was ist Ihr Erfolgsrezept? – Sie brauchen ein ganz kleines, dafür aber umso engagierteres Team. Das ist die Quintessenz.

Was ist klein? - Wenn auf der anderen Seite mehr Vertreter von Banken, Rechtsanwälte und Berater sitzen als auf unserer, dann stehe ich auf und geh. Weil dann ist es nicht mehr effizient. Da bringt sich jeder ein, das ergibt dann ein „Potpourri“, aber sicher nicht eine pointierte Geschichte, eine pointierte Aussage, sicher nicht das, was man sich erhofft. Ich habe Börsengänge schon vor 2008 begleitet. Das ist ein feinmaschiger Prozess, der extrem ziselierte Schritte vorsieht und mit einer extremen Arbeitsteilung aufgebaut ist. Das muss man wissen. Wenn man das verstanden hat, kann man gewisse Prinzipien herausarbeiten, die vielleicht nicht unbedingt der Standard sind.

Zum Beispiel? - Berater, Rechtsanwälte und Investmentbanken haben alle einen Teil des Kuchens beizusteuern und wollen ihr Stück möglichst wichtig erscheinen lassen. Das ist nicht immer alles auf 100-prozentigen Erfolg getrimmt. Für uns Unternehmer ist ein Börsengang im Normalfall ein einmaliges Thema, da steckt sehr viel an Reputation, Zeit und Geld drin. Bei KMUs ist meiner Meinung nach die Struktur, bei der Auswahl von Banken auf mehrere zurückzugreifen, nicht richtig. Ich bin der Meinung: eine einzige Bank, ein richtiger Partner. Wenn es mehrere sind, waren alle Banken die Väter des Erfolgs und keine des Misserfolgs. Eine einzige Bank strengt sich bis zum letzten Funken an, damit das ein Erfolg wird. Und ich will das gesamte Team kennen.

Inwiefern? – Wenn Sie mit einer Bank verhandeln, stellen Leute aus den ECMAbteilungen die Bewertung vor und erzählen Ihnen die Geschichte mit neuen

Facetten. Da sind sinnvolle und wichtige Gedanken dabei. Im Endeffekt sind aber viele Abteilungen in Banken durch Chinese Walls getrennt. Das heißt, der kann dem Kollegen, der das dann verkaufen soll, unter Umständen wegen der eigenen Governance-Struktur gar nicht sagen, „verkauf das“. Der kann dem Analysten nicht einmal sagen, „schreib das“. Deshalb bestehe ich darauf, die Sales-Mannschaft kennenzulernen. Kann der mein Thema an den Investor bringen, hat der überhaupt den Drive, hat er die Geschichte verstanden. Wer wird denn mein Analyst sein, ist das ein Generalist, ein Industriespezialist, welche Gesellschaften covert der noch, versteht der mich, versteh ich ihn. Die Partnerwahl ist extrem wichtig.

Welchen Tipp haben Sie noch für zukünfti-

ge Börsenneulinge parat? – Falls Sie keine persönlichen Erfahrungen mit IPOs haben, brauchen Sie einen freundschaftlichen Mentor, der Ihnen den Prozess erklärt und Ihnen sagt, worauf es ankommt. Das ist das günstigste Investment. Worauf es ankommt, sind mitunter hunderte Millionen Unterschied in der Bewertung.

Wer ist das bei Ihnen? - In dem Fall war es ich. Michael Tojner und ich haben beim Skifahren in Bad Gastein im Jänner 2021 am Skilift über ein IPO der Montana Aerospace diskutiert.

„Ich bin der Meinung, eine einzige Bank. Die strengt sich bis zum letzten Funken an.“

MICHAEL PISTAUER

Sie sehen sich in der Rolle des Mentors? - Auch nur deshalb, weil wir es schon so oft gemacht haben. Darum haben wir uns das gegenseitig zugeschanzt, gemeinsam überlegt, diskutiert.

Kann man Sie als Mentor buchen? - (lacht)

So viele wird es in Österreich nicht geben.

– Gibt es auch nicht. Mein Tipp: Überleg dir die Geschichte, erklär sie mir, bevor du sie wem anderen erklärst. Der erste Aufschlag ist wesentlich, auch gegenüber der Bank. Falsch erklärt bringt dir hunderte Millionen weniger Valuation. Da reden wir über Faktoren, Multiples, die Peergroup, die Treiber. Wer das nicht verstanden hat, lauft in die Sackgasse, ins offene Messer ohne Wenn und Aber.

Wenn Sie sich in der Rolle dieses Mentors sehen, welche Rolle spielen dann die ande-

ren? - Die richtige Investmentbank ist der Key, auch das richtige Anwaltsteam. Sie brauchen einen Berater, der mit Ihnen durch dick und dünn geht. Wichtig ist, man muss immer das Zepter im ganzen Prozess selbst in der Hand halten. Das können Sie nur, wenn Sie den Prozess auch verstanden haben, sonst sind Sie Trittbrettfahrer.

War bei allen drei Börsengängen die

Berenberg Bank gesetzt? - Nicht automatisch, bei der Varta hatten wir zwei Versuche. Beim ersten Versuch hatten wir eine Struktur aus zweieinhalb Investmentbanken, und das ist 2016 aus diversesten Gründen wahrscheinlich auch wegen dieser Struktur nicht gutgegangen. Es war Brexit, Trump ist gewählt worden, die Story war falsch, da haben wir auch viele Fehler gemacht. Wir haben am letzten Tag der Roadshow abgebrochen.

Was sind die wichtigsten Learnings? Wann

zieht man die Reißleine? - Wir haben uns die Ziele auf einen Zettel geschrieben, und wenn man die nicht erreicht: pull it. Waren Sie schon einmal bei einer Auktion? Die Gefahr ist groß, die Euphorie ist groß. Schreiben Sie es auf. Bis hierher und nicht weiter.

Unternehmen

Varta AG

Aluflexpack AG Montana Aerospace AG

#IPOS

ZAHLEN ZU DEN BÖRSENGÄNGEN DER MONTANA TECH COMPONENTS

Jahr IPO Erlöse Emissionspreis Handelspreis (Erstnotiz) Kurs aktuell Marketcap aktuell

2017 150,5 Mio. EUR 17,50 EUR 24,25 EUR 130 EUR ~5,2 Mrd. EUR

2019 138 Mio. EUR 21,00 CHF 22,10 CHF 35,10 CHF ~610 Mio. CHF

2021 440 Mio. CHF 25,65 CHF 29,0 CHF 35,30 CHF ~1,7 Mrd. CHF

QUELLE: MONTANA TECH COMPONENTS

Slogan. Der Wettbewerb sei hart, bei Investoren müsse man auffallen. Michael Pistauer hat es mit silbrigen Karten probiert und war erfolgreich.

Wie lange dauert es von der Idee bis zur Um-

setzung? – Das hängt davon ab, wie Sie strukturiert sind. Wenn Sie gut vorbereitet sind, ein halbes Jahr. Falls die Geschichte komplexer ist und nicht klar ist, wie man sich positioniert, können das auch eineinhalb Jahre sein. Ich bin dafür, sich mehr Zeit zu nehmen und extensiv Investoren kennenzulernen. Ich habe hunderte Investoren vor der Roadshow getroffen, ich kenne über 800 Investoren persönlich. Bei der Montana Aerospace haben wir schon 2019, 2020 Investoren getroffen. Aber so wirklich ernst war es dann nach dem Gespräch am Skilift.

Wie spricht man Investoren am besten an? – Man darf nie vergessen, dass das da draußen ein beinharter Wettbewerb ist. Sie müssen Ihre Story auf den Punkt bringen können. Warum soll es für Dritte sexy sein, wenn es nicht einmal für mich selbst sexy ist? Erklären Sie dem Investor, warum Sie attraktiver als andere in der Branche sind. Diese Vision müssen Sie haben.

Wie viele Gespräche mit Investoren hatten

Sie heuer? - 350 bis 400, alle persönlich. Sie müssen es schaffen, sich gegenüber 50 IPOs im gleichen Zeitraum bemerkbar zu machen.

#PROFIL

MONTANA AEROSPACE AG

Die Montana Aerospace AG fertigt Leichtbaukomponenten und Strukturen für die Luftfahrtindustrie. Zum Unternehmen gehören der Leichtmetallverarbeiter Alu Menziken, der Kupferspezialist Asta, Luftfahrt-ApplikationsProduzent Universal Alloy Corporation sowie Maschinenbauer Alpine Metal Tech. Die Aluminiumbauteile für die Luftfahrt bestehen zu fast 100 Prozent aus recyceltem Aluminium. Das Unternehmen beschäftigt 4.800 Mitarbeiter an 28 Fertigungsstandorten in 14 Ländern Europas, Nord- und Südamerikas sowie Asiens. Vorstandschef ist Markus Nolte. Die Aktie notiert seit dem 12. Mai 2021 an der Schweizer Six, der Streubesitz beträgt 41,8 Prozent.

Nach welchen Kriterien haben Sie den Bör-

senplatz ausgewählt? - Bei der Varta war es klar, das ist ein deutsches Unternehmen, und wir sind mit der Frankfurter Börse happy, die ist schon toll. Bei der Aluflexpack war es nicht ganz so klar, wir sind aber mit der Schweizer Six sehr zufrieden. Für die Aerospace war es am schwierigsten. Das ist ein internationales Unternehmen mit 5.000 Leuten weltweit, die wesentlichen Aktivitäten laufen in Amerika, Asien, Europa und da in Rumänien, Österreich, Deutschland, Frankreich, der Schweiz und England. Bei der Nasdaq haben die Nachteile überwogen, das ist dort viel anonymer, und wir sind relativ klein im Vergleich zum kompetitiven Umfeld. Es ist dann die Schweiz geworden, dort gibt es eine sehr konstante Investorenlandschaft.

Die Wiener Börse war keine Option? - Ich habe wenig Erfahrung mit der Wiener Börse und kann über Wien nichts Gutes und nicht Schlechtes sagen. Man muss sich grundsätzlich fragen, ob im Zeitalter der Elektronik lokale Börsen überhaupt noch notwendig sind. Es werden auch andere Sachen weltweit gehandelt, ich sage nur London Metall Exchange.

Viele Familienunternehmen in Österreich

haben Angst vor dem Kapitalmarkt. - Warum? Das ist das Beste, was Ihnen passieren kann. Ein geschickt gemachtes IPO kann sehr hilfreich sein.

Wie ein Fitnessprogramm? - Bis zu einem gewissen Bereich ja. Persönlich halte ich Aktiengesellschaften, bei denen es keinen wesentlichen Aktionär mehr gibt, für gefährlich. Weil, wer treibt das dann?

VARTA AG

200

100

0

19.10.17 ALUFLEXPACK AG

50

25

1.7.21

Quelle: baha 0 28.6.19 MONTANA AEROSPACE AG

60

40

1.7.21

Quelle: baha 20

11.5.21 1.7.21

Quelle: baha

Da fehlt das Entrepreneurship? - Ja.

Auffällig ist, dass bei allen drei IPOs die Erstnotiz über dem Emissionspreis lag. Wie fin-

det man die richtige Preisspanne? - Mir hat ein Deutscher gesagt: „Herr Pistauer, eines tun Sie niemals, den Kapitalmarkt oder die Investoren enttäuschen. Diesen Nimbus kriegen Sie nicht mehr los.“ Und so funktioniert auch das Pricing. Sie wollen etwas schaffen, was ambitioniert ist, wollen in eine gewisse Gruppe hinein. Da sind Sie relativ schnell bei einem machbaren Preis.

Besteht nicht die Gefahr, dass die Bank einen

zu hohen Preis festsetzt? – Die Bank hat das Interesse, den Pitch zu gewinnen, und verspricht Ihnen alles. Je näher Sie zum Berg kommen, desto steiler wird er.

Sie haben am Anfang von der Bedeutung Ihrer Partner und Investoren gesprochen. Wie wichtig sind Investor-Relations? - Sehr wichtig. Vorher wie nachher. Wir machen das extensiv. Da geht es um Fairness. Meine Investoren geben mir Geld und haben deshalb ein Anrecht zu wissen, wo wir stehen, was wir machen. Es ist ein Geben und Nehmen. Man glaubt gar nicht, wie viele Unternehmen ihre Konkurrenten

„Warum soll es für Dritte sexy sein, wenn es nicht einmal für mich selbst sexy ist?“

MICHAEL PISTAUER

nicht kennen. Investoren helfen, Konkurrenten besser zu verstehen oder andere Themen aufzunehmen. Und es geht um die Kurspflege. Wenn ein potenzieller Investor Sie nicht kennt, warum soll er dann kaufen. Deshalb ist es wichtig, auch in schwierigen Zeiten Kontakt zu halten und nicht nur, wenn es opportun ist. Und nicht vergessen, auf die Liquidität zu achten, die schafft mehr als der Kurs selbst.

Auffallen um jeden Preis ist also der Schlüs-

sel? - Ich würde es Glaubwürdigkeit um jeden Preis nennen. Wir glauben, dass wir den Markt aufrollen können und es auch schon tun. Wir sind ein GameChanger, das ist unser USP. n

Hochstimmung. Vorstandschef Markus Nolte und Finanzvorstand Michael Pistauer läuten ihren erfolgreichen Börsengang der Montana Aerospace AG an der Schweizer Börse in Zürich ein.

This article is from: