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SO DENKT DIE POLITIK

GLOBALE MINDESTSTEUER: DAS ENDE DER STEUEROASEN?

Die G7 haben die Weichen für eine globale Steuerreform gestellt. Steueroasen auszutrocknen ist das Ziel. Der Börsianer hat bei den heimischen Parlamentsparteien nachgefragt, was sie von den Plänen halten und wie Österreich profitiert.

TEXT ANTONIA HOTTER

Pläne für eine weltweite Steuerreform haben die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen (G7) Anfang Juni auf den Tisch gelegt. Für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro soll ein Mindeststeuersatz von 15 Prozent gelten. Die profitabelsten Konzerne sollen zudem verstärkt dort Steuern zahlen, wo sie Umsätze erzielen. Damit sind Unternehmen gemeint, die einen Jahresumsatz von 20 Milliarden Euro oder mehr und eine Gewinnmarge von mindestens zehn Prozent aufweisen. So soll künftig vermieden werden, dass große Konzerne ihre Gewinne in Steueroasen verschieben. Anfang Juli einigten sich jetzt 130 Länder unter dem Dach der OECD auf eine Steuerreform. Widerstand kommt von Ländern, die Unternehmen mit niedrigen Steuern locken: In Europa sträuben sich etwa Irland, Luxemburg und die Niederlande gegen eine solche Regelung. Entscheidend könnte noch werden, ob China mitzieht. Der Börsianer hat Vertreter der heimischen Parlamentsparteien gefragt, was sie von den Plänen zur globalen Mindeststeuer halten. Die Neos haben die Anfrage des Börsianer dieses Mal nicht beantwortet.

Karlheinz Kopf Finanzsprecher ÖVP Jan Krainer Finanzsprecher SPÖ

Soll Österreich bei dem Beschluss der G7, eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent einzuführen, mitziehen? – Wir begrüßen den internationalen Kompromiss beim G7-Gipfel. Wir haben immer gesagt, dass es um international tätige Unternehmen geht und es deshalb eine internationale Lösung braucht. Das derzeit diskutierte Modell mit der globalen Mindeststeuer geht in die richtige Richtung. Wir hoffen, hier bald eine Einigung erzielen zu können.

Können die Republik Österreich und heimische Unternehmen von ei-

ner globalen Mindeststeuer profitieren? – Der Staat Österreich wird von einer derartigen Regelung profitieren. Gemäß den letzten Schätzungen des Finanzministeriums ist mit etwa 700 Millionen Euro für die beiden Säulen, also die Besteuerung im Zielland ohne physische Präsenz und die Mindeststeuer, zu rechnen.

Reicht die Mindeststeuer für einen fairen Wettbewerb, und hilft sie

dabei, Steueroasen auszutrocknen? – Ja, wir erwarten dadurch mehr Fairness im digitalen Raum. Es braucht auf globaler Ebene mehr Steuergerechtigkeit und faire Rahmenbedingungen für Unternehmen. Davon können auch heimische Betriebe profitieren. Das gilt gerade für Onlinegeschäftsmodelle – die Krise hat diese Ungerechtigkeit noch verstärkt. Der aktuelle Zustand führt zu einem Wettbewerbsnachteil für unsere heimischen Händler. Im Jahr 2020 stieg der Umsatz, der in Österreich registrierten, ausländischen Onlinehändler und Versandhandelsfirmen um rund 30 Prozent auf 4,4 Milliarden Euro. Österreichische Versandhandelsunternehmen machten 2020 ein Plus von 13 Prozent. Durch die Mindestbesteuerung wird die Auslagerung von Gewinnen in Steueroasen weniger attraktiv. Eine globale Lösung sorgt grundsätzlich dafür, dass mehr Fairness zwischen den Ländern erreicht werden kann.

Oxfam und das Tax Justice Network kritisieren, dass die vereinbarten

15 Prozent viel zu niedrig seien. Sind 15 Prozent angemessen? – Es gibt mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die Steuersätze unter 15 Prozent haben und dadurch schon einen Beitrag leisten müssen werden. Die genaue Ausgestaltung der Bestimmungen ist noch nicht festgelegt. Hinzu kommt, dass es noch weitere Verhandlungen auf G20- und OECD-Ebene mit rund 140 Staaten geben wird, die richtungsweisend sein werden. Daher wäre es verfrüht, jetzt schon zu urteilen.

Soll Österreich bei dem Beschluss der G7, eine globale Mindest-

steuer von 15 Prozent einzuführen, mitziehen? – Natürlich muss Österreich da mitgehen. Wir haben jetzt dank der neuen USAdministration unter Präsident Joe Biden die seltene Chance, das globale Unternehmenssteuersystem gerechter zu machen. Gerechter heißt: Auch die multinationalen Konzerne müssen ihren Beitrag leisten – nicht nur die kleinen und mittleren Betriebe, die ihre Steuern immer gezahlt haben und zahlen.

Können die Republik Österreich und heimische Unternehmen von

einer globalen Mindeststeuer profitieren? – Die Republik Österreich wird profitieren. Die Berechnungen dazu sind bekannt. Es wird rund eine Milliarde Euro jährlich mehr an Gewinnsteuern erwartet. Bisher wurde diese Milliarde durch legale und halb legale Steuervermeidung der Multis dem Staat entzogen.

Reicht die Mindeststeuer für einen fairen Wettbewerb, und hilft

sie dabei, Steueroasen auszutrocknen? – Mit einer globalen Mindeststeuer auf Unternehmensgewinne ist ein erster Anfang gemacht, aber das kann nicht der Schlusspunkt sein. Denn die Mindeststeuer sollte natürlich, so wie es die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schon seit vielen Jahren sagt, im Paket mit einer gemeinsamen konsolidierten Grundlage für die Unternehmenssteuerbemessung eingeführt werden. Man darf sich keiner Illusion hingeben. Steuervermeidung ist ein globales Business.

Oxfam und das Tax Justice Network kritisieren, dass die vereinbarten 15 Prozent viel zu niedrig seien. Sind 15 Prozent angemes-

sen? – Die 15 Prozent sind natürlich zu niedrig. Es ist aber ein Einstieg und wird, wenn man das konsequent umsetzt, schon viel zum Besseren wenden. Denn es sind zwei Effekte zu erwarten: Es wird für die Konzernmultis viel schwerer, sich ihrer Steuerpflicht zu entziehen, und der außerordentlich schädliche Steuerwettbewerb bei den Gewinnsteuern, das „race to the bottom“, wird gebremst. Der österreichische Finanzminister Gernot Blümel hat das leider als Einziger nicht verstanden.

Hubert Fuchs Finanz- und Budgetsprecher FPÖ Jakob Schwarz Budgetsprecher Grüne

Soll Österreich bei dem Beschluss der G7, eine globale Mindeststeu-

er von 15 Prozent einzuführen, mitziehen? – Die Steuerautonomie der Republik Österreich – insbesondere im Bereich der Ertragsteuern – ist für mich unantastbar. Die Einführung einer Mindestkörperschaftsteuer von 15 Prozent halte ich grundsätzlich für sinnvoll, sofern diese von allen Staaten und Territorien – also global – umgesetzt wird. Da die Steuerbelastung das Produkt aus Steuerbemessungsgrundlage und Steuertarif ist, muss es sich um einen effektiven Mindeststeuersatz handeln.

Können die Republik Österreich und heimische Unternehmen von

einer globalen Mindeststeuer profitieren? – Sofern durch die Einführung einer effektiven Mindestkörperschaftsteuer einschließlich entsprechender Begleitmaßnahmen wie der Einführung einer digitalen Betriebsstätte sichergestellt ist, dass Gewinne zukünftig dort zu versteuern sind, wo diese erwirtschaftet werden, werden auch die Republik Österreich und die heimischen Steuerzahler davon profitieren.

Reicht die Mindeststeuer für einen fairen Wettbewerb, und hilft sie

dabei, Steueroasen auszutrocknen? – Die Steuerbelastung ist lediglich ein Wettbewerbsfaktor unter vielen. Im Übrigen wird durch eine Mindeststeuer der Steuerwettbewerb nicht abgeschafft, sondern nur abgeschwächt. Eine Mindestkörperschaftsteuer macht nur dann Sinn, wenn diese global umgesetzt wird und es sich um einen effektiven Mindeststeuersatz handelt. Durch Begleitmaßnahmen und Transparenz ist sicherzustellen, dass es keine Steuerschlupflöcher mehr gibt. Insofern ist die Mindestkörperschaftsteuer ein wichtiger Schritt zur Austrocknung von Steueroasen.

Oxfam und das Tax Justice Network kritisieren, dass die vereinbar-

ten 15 Prozent viel zu niedrig seien. Sind 15 Prozent angemessen? – Die durchschnittliche Körperschaftsteuer ist weltweit von 50 Prozent im Jahr 1985 auf heute 22 Prozent gesunken. In Österreich beträgt der Körperschaftsteuersatz seit dem Jahr 2005 25 Prozent. Einen effektiven Mindeststeuersatz von 15 Prozent halte ich derzeit für angemessen, weil zahlreiche internationale Großkonzerne derzeit sehr wenig oder gar keine Körperschaftsteuer bezahlen.

Soll Österreich bei dem Beschluss der G7, eine globale Mindest-

steuer von 15 Prozent einzuführen, mitziehen? – Ja, Österreich soll mitziehen. Die globale Mindeststeuer und auch die Aufteilung der Besteuerung auf verschiedene Staaten, in denen das Unternehmen Umsätze erzielt, sind ein Schritt in Richtung fairer globaler Besteuerung des 21. Jahrhunderts. Gerade im Kampf gegen Steuervermeidung braucht es internationale Lösungen – Österreich kann im Alleingang wenig bewirken.

Können die Republik Österreich und heimische Unternehmen

von einer globalen Mindeststeuer profitieren? – Österreich profitiert in zweierlei Hinsicht: Erstens ist mit einem erhöhten Steueraufkommen zu rechnen. Die EU-Kommission rechnet für Österreich mit drei Milliarden Euro, das Bundesministerium für Finanzen mit 700 bis 800 Millionen Euro steuerlichen Mehreinnahmen. Zweitens ist jeder Schritt gegen Steuervermeidung ein Gewinn für die Gesellschaft. Auch die Unternehmen, die keine aggressive Steuerplanung betreiben, profitieren davon: Steuervermeidung führt zu Wettbewerbsverzerrungen, die die österreichischen Klein- und Mittelbetriebe, die ihre Steuern zahlen, benachteiligen.

Reicht die Mindeststeuer für einen fairen Wettbewerb, und hilft

sie dabei, Steueroasen auszutrocknen? – Die globale Mindeststeuer stellt ein wichtiges Instrument im Kampf gegen Steuervermeidung dar. Daneben sind die neue Verteilungsregelungen wichtig, um die moderne Wirtschaft fair zu besteuern. Auch das auf EU-Ebene vor kurzem beschlossene „Public Country by Country“-Reporting führt zu mehr Steuertransparenz und ist daher ein wichtiges Mittel im Kampf gegen Steueroasen.

Oxfam und das Tax Justice Network kritisieren, dass die vereinbarten 15 Prozent viel zu niedrig seien. Sind 15 Prozent angemes-

sen? – Die globale Mindeststeuer stellt einen ersten, wichtigen Schritt dar. Selbstverständlich könnte der Steuersatz höher sein – dennoch ist er höher als der derzeitige Steuersatz in vielen Steueroasen. Umso höher der Steuersatz, desto unwahrscheinlicher, dass alle Staaten mitmachen.

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