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Frisches Geld für den Mittelstand
Die Regierung plant das in anderen Ländern erfolgreiche Sicav-Modell auch hier zu verankern. Angesichts der hohen Verschuldung vieler Firmen infolge der Corona-Krise drängen Opposition und Experten.
TEXT HEDI SCHNEID
„Modell hat sich bei institutionellen Investoren bewährt.“
THOMAS LOSZACH NINA WÖSS
„An Geld mangelt es nicht.“
Der Rucksack, den sich die Regierung aufgeladen hat, um die Blutspur, die die Corona-Pandemie in der heimischen Wirtschaft hinterlassen hat, zu tilgen, ist gewaltig. Die Schuldenquote wird 2021 auf 87,2 Prozent des BIPs steigen – 2019 lag sie noch bei 70,5 Prozent. Rund 30.000 Unternehmen kamen in den Genuss von CoronaHilfen in Form von Steuerstundungen und anderen Zuschüssen. Nicht nur für sie schlägt bald die Stunde der Wahrheit - auch viele andere Betriebe haben hohe Verbindlichkeiten angehäuft, die nur schwer abzubauen sein werden.
Angesichts der Tatsache, dass die Pandemie langsam – und hoffentlich nachhaltig - ihre Schrecken verliert, gilt es nun durchzustarten. Woher soll aber frisches Geld kommen? Die Banken allein können oder wollen den Kapitalbedarf nicht stemmen, gerade mittelständische Betriebe haben aber keine Möglichkeit, den Kapitalmarkt anzuzapfen. Zudem warnen Experten: Die Umwandlung staatsgarantierter Kredite in Eigenkapital – ein Thema im Wiederaufbauplan der Regierung – könne und dürfe keine endgültige Lösung sein.
Deshalb greift die Regierung die Idee einer Investmentgesellschaft mit variablem Grundkapital (Kürzel Sicav) auf, die sich in vielen europäischen Ländern schon bewährt hat: Es ist ein „Wiederaufbaufonds nach Luxemburger Vorbild, wie er auch schon im Regierungsprogramm und im Recovery Fund festgehalten ist“, bestätigt Stefan Trittner, stellvertretender Sprecher von Finanzminister Gernot Blümel, dem Börsianer. Einen Zeitplan will er jedoch nicht präzisieren. „Die Verhandlungen laufen“, meint Trittner knapp.
Genau da hakt die Opposition ein: „Eigentlich sollte die gesetzliche Grundlage schon im Februar fertig sein, unser Entschließungsantrag für ein Wagniskapitalfonds-Gesetz wurde vertagt“, kritisiert die Finanzsprecherin der Neos, Karin Doppelbauer, die den Antrag Ende Juni erneut im Finanzausschuss eingebracht hat. Es sei eine Winwin-Situation für die Wirtschaft und die Anleger. Klein- und Mittelbetriebe
© BMF/WENZEL
Agenda. Finanzminister Gernot Blümel arbeitet das Regierungsprogramm nach und nach ab. Einer der Vorschläge ist auch ein eigenes Sicav-Modell.
hätten hierzulande wegen des schwach entwickelten Kapitalmarkts ohnedies kaum Möglichkeiten zur Finanzierung – außer sie zapfen die Banken an. „Privaten Anlegern die Möglichkeit zu geben, in das Wachstum der Wirtschaft zu investieren, wäre auch ohne Krise notwendig gewesen, es ist jetzt aber umso dringender“, so die Neos-Politikerin.
Derzeit können sich Investoren an KMUs nur direkt beteiligen und ihre Anteile nicht weitergeben. Sicav, die Societe d’Investissement a capital variable, hat - wie schon der Name sagt - ein variables Grundkapital. Jederzeit können neue Anteile ausgegeben werden, Anleger können flexibel ein- und wieder aussteigen. Die KMU-Beteiligungen sollen in einer Wiederaufbaufonds AG gebündelt werden, sie sind verbrieft, depotfähig und handelbar. In Frankreich, Italien, Spanien, der Schweiz und in Deutschland gibt es das Sicav-Modell schon – es gilt als „Goldstandard“ der Wagniskapitalanlagen.
Erfolgsmodell für Investoren
„Das Modell hat sich als unkomplizierte Beteiligungsform vor allem für institutionelle Investoren bewährt“, sagt Thomas Loszach, Länderchef Österreich und Osteuropa des Vermögensverwalters Fidelity und Vorstand der Vereinigung Ausländischer Investmentgesellschaften Österreichs (VAIÖ). Weil Anlegerschutz und Transparenz hoch seien, sei Sicav auch für Privatanleger geeignet.
Die neue Rechtsform allein werde die Tatsache, dass in Österreich Risikokapital noch unterbelichtet sei, nicht lösen, gibt Nina Wöss gegenüber dem Börsianer zu bedenken. Dazu brauche es auch eine Bewusstseinsänderung hinsichtlich des Themas Risikokapital, gepaart mit mehr Investitionsfreude. An Geld mangle es jedenfalls nicht, meint die Mitgründerin der Female Founders und Vorstand der Austrian Private Equity and Venture Capital Organisation (Avco): „Rund 200 Milliarden Euro liegen auf österreichischen Sparbüchern, weitere 260 Milliarden haben Institutionelle – Pensionskassen, Versicherungen und Stiftungen - zur Verfügung“, so Wöss. n