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Die Pläne der Finanzlobbyisten
Aufschwung. Ideen für den Aufschwung in Österreich gibt es einige, so richtige Knaller sind aber nicht dabei. Die Freude über die Öffnungen von Lokalen und Geschäften überwiegt derzeit ohnedies.
Nachhaltig. Grün. Unter diesem Motto sieht der Großteil der heimischen Banken, Kapitalmarktvertreter, Versicherungen und Investmentfondsgesellschaften die wirtschaftliche Entwicklung nach der Corona-Krise. Neue Pläne und Ideen, wie sie den wirtschaftlichen Aufbruch unterstützen können, fehlen allerdings.
TEXT IRMGARD KISCHKO
Für die Finanzbranche scheint nach der Corona-Krise gleich vor der Krise. Die Probleme sind die alten: zu wenig Risikokapital für Unternehmen; Private lassen zu viel Geld auf dem Sparbuch liegen; in der Altersvorsorge verlassen sich die meisten nach wie vor auf den Staat; der Kapitalmarkt leidet unter zu hoher Besteuerung; die Finanzbildung der meisten Österreich ist zu gering. Und die Aufsichtsbehörden beschneiden den Bewegungsspielraum der Branche zu stark. Besonders im heimischen Bankenverband ist denn auch Vorsicht zu spüren. Zwar haben die Kreditinstitute die Wirtschaft in der Krise durch die Bereitstellung der staatlichen Hilfszahlungen und durch Schuldenmoratorien unterstützt. Für den Wirtschaftsaufschwung sieht Bernhard Freudenthaler, im Bankenverband für Regulierung und Aufsicht zuständig, wenig Chancen auf große Finanzierungsoffensiven. „Basel IV“ lautet das Wort, das den Banken Sorge bereitet. Finanzierungen sollen demnach mit viel mehr Eigenkapital unterlegt werden als bisher. „Wir setzen uns dafür ein, dass nicht sehr viel Eigenkapital bei den Banken liegen bleibt. Das fehlt dann den Unternehmen“, sagt Freudenthaler. Es sei schön und gut, den Kapitalmarkt zu fördern. Aber der Tischler ums Eck kön-
Börsengänge. Zur Stärkung des Finanzplatzes in Österreich könnten auch attraktive IPOs beitragen.
ne damit nichts anfangen. Das Finanzierungsmotto für die Banken sei allerdings generell „sustainable finance“. Das Bewusstsein für Klima und Umwelt sei in der Corona-Krise noch gestiegen und werde auch in den kommenden Jahren Schwerpunktthema bleiben. Ebenso wie die Digitalisierung. Das seien die beiden Bereiche, in die die meisten Finanzierungen fließen werden.
Hoffen auf Kapitalmarktunion
Und schließlich setzen die Banken auf einen Trend, der hin zur privaten Altersvorsorge geht. „Die Menschen sollten nicht nur auf das Sparbuch setzen“, sagt Freudenthaler. Die geplante Kapitalmarktunion der Europäischen Union könnte die Entwicklung unterstützen und für ein breiteres Angebot im Wertpapierbereich sorgen. Dafür wollen die Banken verstärkt Initiativen starten, um Kleinanlegern Finanzbildung zukommen zu lassen. Vor dem Hintergrund des niedrigen Zinsniveaus sei die Geldanlage am Kapitalmarkt das Gebot der Stunde.
Stichwort Finanzbildung. Auch für Karl Fuchs, Geschäftsführer des Aktienforums, ist die Verbesserung der Finanzbildung ein zentrales Thema. In diesem Punkt ist er sehr zufrieden mit dem Regierungsprogramm. „Da ist ein Umdenken im Gange“, sagt Fuchs. Vor allem die kürzlich vorgestellte Initiative von Finanzminister Gernot Blümel, bestehende Finanzbildungsanbieter zusammenzubringen und zu koordinieren, stößt beim Aktienforum auf großen Zuspruch. Gerade in der privaten Altersvorsorge sei eine Veränderung der Sparkultur hin zu einer Kapitalmarktkultur wichtig. Insbesondere Frauen müssten ermutigt werden, sich in der Veranlagung mehr ins Risiko zu wagen. Altersarmut sei nicht zufällig ein Thema, das vor allem Frauen betreffe.
Grundsätzlich findet Fuchs, dass im Regierungsprogramm sehr viel festgehalten sei, das in Richtung Stärkung des Kapitalmarkts gehe. Nun müsse dies umgesetzt werden.
Spekulationsfrist willkommen
Eine wesentliche Forderung des Aktienforums, die die Regierung bald in Angriff nehmen sollte, betrifft die Kapitalertragsteuer auf Aktienkursgewinne. Fuchs plädiert für die Wiedereinführung einer Spekulationsfrist, nach deren Ablauf Aktienkursgewinne steuerfrei seien. Eine einjährige Behaltefrist würde nach Berechnungen des Aktienforums 200 Millionen Euro kosten, aber im Gegenzug viel für den Kapitalmarkt und die langfristige Vorsorge bringen. Alternativ dazu kann sich Fuchs auch ein degressives Modell vorstellen, bei dem die Kapitalertragssteuer je nach Behaltedauer sinkt. Nach vier Jahren könnten Aktienkursgewinne dann steuerfrei gestellt werden. Sogar der Idee der Grünen im Regierungsprogramm, nachhaltige Investments nach einer längeren Behaltedauer steuerfrei zu stellen, kann Fuchs einiges abgewinnen.
„Sind wichtige Impulsgeber für die österreichische Wirtschaft.“ „Unterstützen Bauwirtschaft und den Aufschwung.“
HEINZ BEDNAR
Eigenes Fondsmodell
Auch Heinz Bednar, Präsident der Vereinigung Österreichischer Investmentgesellschaften (VÖIG), finden den Kapitalmarkt betreffend im Regierungsprogramm Positives. „Mehr Eigenkapital für die Wirtschaft“ – das ist ein Vorhaben, das Bednar jedenfalls unterstützt. In Österreich sei nur ein sehr kleiner Teil der Unternehmen börsenfähig. Da müsse es andere Mittel zur Stärkung der Eigenkapitalbasis als IPOs oder Unternehmensanleihen geben. Eigenkapitalstärkung sollte auch für private Anleger möglich sein. Derzeit laufe dies ausschließlich über Spezialfonds für institutionelle Investoren. Bednar hält den Plan, auch in Österreich Sicavs zuzulassen (Seite 80) für unterstützenswert. „Da muss man nicht immer auf Luxemburg ausweichen“, sagt der VÖIG-Präsident. Auch Private Equity in Form von Fonds wäre wünschenswert. Investmentfonds sind derzeit auf börsennotierte Unternehmen und Anleihen begrenzt. Über einen Mangel an Mittelzuflüssen in diese Fonds kann sich Bednar nicht beklagen. Schon während der Krise
„Weniger Bürokratie bei Börsengängen wichtig. “
FRANK WEINGARTS KARL FUCHS
„Bei Finanzbildung ist ein Umdenken im Gange.“ „Menschen sollten nicht nur auf das Sparbuch setzen.“
BERNHARD FREUDENTHALER
ist das Fondsvolumen stark gestiegen und hat mittlerweile die 200-Milliarden-Euro-Grenze übersprungen. Großes Thema bei den Fonds: nachhaltige, grüne Veranlagung. „Da fließt viel Geld hinein“, sagt Bednar. Auch die Immobilienfonds werden grün. Sie stecken die Gelder der Anleger vermehrt in nachhaltige, energieeffiziente Wohnbauten. „Somit unterstützen wir die Bauwirtschaft und den Aufschwung“, betont Bednar.
Private Altersvorsorge
Als „Fels in der Brandung“ fühlt sich die heimische Versicherungswirtschaft. Das sei während der Corona-Krise so gewesen und gelte auch weiterhin, erklärt der Präsident des Versicherungsverbands VVO, Robert Lasshofer. Kein Versicherungsunternehmen habe während der Pandemie staatliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen, und die Möglichkeit der Prämienfreistellung sei nur von wenigen Kunden genutzt worden. In der Krise hätten sich die Versicherungsunternehmen auf einen gemeinsamen Verhaltenskodex geeinigt, der aufrecht bleibe: „Mittels rascher und unbürokratischer Leistungsauszahlungen sorgt die österreichische Versicherungswirtschaft mit rund 29.000 direkten Beschäftigten für Liquidität und leistet einen wesentlichen Beitrag dazu, dass die heimische Wirtschaft rasch zu alter Stärke gelangen kann“, beschreibt Lasshofer den Beitrag zum Wirtschaftsaufschwung. Ein weiterer wesentlicher Punkt, in dem die Versicherungen einen Beitrag leisten wollen, ist die Pensionsvorsorge. Lasshofer geht davon aus, dass die hohen Schulden, die sich der Staat in der Krise aufgebürdet hat, in Zukunft zu einem hohen Druck auf das staatliche Pensionssystem führen werden.
Mehr private Altersvorsorge ist also das Thema der kommenden Jahre. Die Versicherungswirtschaft kann hier Lösungen bieten. „Das gibt den Menschen Halt und Sicherheit und entlastet den Staat“, sagt der Präsident des VVO. Der Beitrag zum Aufschwung aus Versicherungssicht lautet also: Stabilität und Sicherheit geben. Dass dieser Satz stimme, habe sich in der Krise gezeigt. Auf die 60 Millionen Versicherungsverträge wurden im Vorjahr 15,6 Milliarden Euro an Leistungen ausbezahlt. Auch für den Kapitalmarkt sieht Lasshofer die Versicherungen als Stabilitätsgeber. Sie veranlagen langfristig. Mehr als 110 Milliarden Euro haben die Versicherer in Staatsanleihen, Immobilien, Beteiligungen und Aktien investiert. „Damit sind sie wichtige Impulsgeber für die österreichische Wirtschaft“, sagt Lasshofer.
Fokus Wettbewerbsstärke
Risiken verringern, Verluste minimieren: Das sind die Beiträge, die Zertifikate den für die Vermögensbildung der Österreicher und damit für die heimische Wirtschaft leisten können. So beschreibt Frank Weingarts, Vorstandsvorsitzender des Zertifikate Forums Austria, die Leistungen dieser Assetklasse. Das habe auch während der Corona-Krise gut funktioniert. Aktien seien zu Beginn der Pandemie um etwa 50 Prozent abgestürzt, Zertifikate im Durchschnitt „nur um acht Prozent“. Österreich brauche nach der Corona-Krise eigentlich keinen Wiederaufbauplan, sondern die fokussierte Weiterentwicklung der Wettbewerbsstärke, die auch in der Vergangenheit für eine herausragende Position des Landes gesorgt hat, ist Weingarts überzeugt. Speziell zwei Punkte sind dem Zertifikate-Forum-Chef dabei wichtig: erstens Finanzbildung für junge Menschen. Hier sei das Forum auch engagiert. Denn langfristig sei eine Belebung des Kapitalmarkts wohl nur durch mehr und zielgerichtete Wirtschaftsbildung möglich. Und zweitens die Nachhaltigkeit. Das Zertifikate Forum werde einen ESG-Kodex beschließen und im Herbst veröffentlichen. Dieser ermögliche eine klare Kennzeichnung der Zertifikate im Sinne nachhaltiger Geldanlage.
Zur Stärkung des Finanzplatzes Österreich wünscht sich Weingarts ebenfalls eine Streichung der Kapitalertragsteuer auf Kursgewinne oder zumindest eine Verkürzung der Fristen. Auch attraktive IPOs könnten das öffentliche Interesse für die Börse wecken. Um auch Mittelbetriebe an die Börse zu locken, fordert Weingarts weniger Bürokratie und aufsichtsrechtliche Erfordernisse: „Damit wäre eine Diversifizierung der Veranlagung der Privaten möglich.“
Was den Interessenvertretungen der Finanzindustrie fehlt, ist eine klare Botschaft an die Menschen, die sie vertreten. Auch der Nutzen der Vertretung kommt nicht überall klar zur Sprache. Die meisten Ideen und Forderungen der Finanzbranche sind in der Tat seit Jahren unverändert, schlecht sind sie deswegen aber nicht. Was den Finanzlobbyisten fehlt, ist besseres Marketing. Die Ideen müssen nach außen getragen, sie müssen der breiten Öffentlichkeit verständlich gemacht werden. Gerade in der Zeit von Nullzinsen, in der das Geld vieler Österreicher und Österreicherinnen auf Sparbüchern oder Girokonten jährlich Verluste einbringt, hat die Finanzbranche die Chance, Gehör zu finden – in der Politik und bei den Menschen. n