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1. Teil: Marktumfeld
KOSTSPIELIGE ROHKOST
Offshore. Shell fördert Erdöl über eine Plattform in der Nordsee.
Die Konjunkturerholung heizt die Rohstoffpreise und damit die Inflation kräftig an. Denn das globale Angebot an Grundstoffen kann mit der wachsenden Nachfrage kaum mithalten. Doch wie geht es weiter?
TEXT RAJA KORINEK
Die globale Inflationswelle rollt kräftig los. Haupttreiber sind steigende Rohstoffpreise. Der Ölpreis der Nordseemarke Brent hatte Mitte Juni 2021 auf Jahressicht um mehr als 88 Prozent zugelegt. Evy Hambro, Global Head of Thematic and Sector Investing bei Blackrock, sieht in der voranschreitenden Impfwelle dabei eine wichtige Stütze für den Ölmarkt. Denn mit den damit einhergehenden Lockerungsschritten gewinnt etwa der Transport, auf den ein großer Teil der Nachfrage entfällt, wieder an Fahrt. Angesichts der jüngsten Entwicklungen hat die Internationale Energieagentur (IEA) im Juni ihre Prognose zum globalen Jahresverbrauch nach oben revidiert. Dieser zufolge dürfte die Weltnachfrage in der zweiten Hälfte 2022 das Rekordniveau von 2019 erreichen. Damals lag der Gesamtverbrauch laut BP Statistical Review of World Energy bei knapp 99 Millionen Fass pro Tag. Schon diesen Sommer könnte der Ölpreis laut Goldman Sachs auf 80 US-Dollar pro Fass klettern. Damit der Ölmarkt ausreichend versorgt bleibt, hänge vieles aber von der weiteren Vorgehensweise der Opec+ ab, betont die IEA.
Nachschub bleibt fraglich
Die Opec+ ist ein Schulterschluss des internationalen Ölkartells, in dem Saudi-Arabien die gewichtigste Rolle hat, und Ländern außerhalb des Kartells, zu denen etwa Russland und Mexiko zählen. Zusammen steht die Opec+ für rund 45 Prozent der globalen Ölproduktion. Noch zu Jahresbeginn hatte sie Förderkürzungen umgesetzt. Der jüngste Plan umfasst nunmehr Produktionsanhebungen im Mai und Juni von 350.000, im Juli von 400.000 Fass pro Tag. Danach sind keine weiteren Anhebungen geplant, was der IEA ein Dorn im Auge ist. Sie appelliert an die Opec+, die Produktion ab August sogar um weitere 1,4 Millionen Fass pro Tag zu erhöhen, zeigt Eugen Weinberg, Rohstoffanalyst bei der Commerzbank, auf. Es bleibe fraglich, ob andere Regionen ihre Förderungen ausreichend anheben könnten, um die steigende globale Nachfrage gänzlich abzudecken. Schließlich wachse der umweltpolitische Druck auf westliche Energiekonzerne, ihre Ölförderung zu reduzieren, meint Weinberg.
Royal Dutch Shell wurde im Mai von einem niederländischen Gericht dazu verdonnert, den CO2-Ausstoß bis 2030 um netto 45 Prozent im Vergleich zu 2019 senken. In den USA sollen Subventionen und Steuerbegünstigungen für die Produktion fossiler Energieträger fallen. Stattdessen sieht US-Präsident Joe Biden etwa eine zehnjährige Verlängerung von Steuergutschriften bei der Produktion erneuerbarer Energien vor. Weiterer Rückenwind soll vom US-Infrastrukturpaket kommen, wobei der jüngste Vorschlag 1,4 Billionen US-Dollar umfasst. In Europa fließt der Wiederaufbaufonds in der Höhe von 750 Milliarden Euro zu einem guten Teil in die grüne Wirtschaft.
Industriemetalle für die Wende
Doch die ökologische Wende erfordert eine große Menge an Industriemetal-
len. Schon jetzt setzen Spekulanten deshalb auf die künftig steigende Nachfrage etwa bei Kupfer, sagt Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst von CMC Markets. Die Notierung erreichte im Frühjahr ein Rekordhoch und knackte die Marke von 10.000 US-Dollar je Tonne. Stanzl sagt, „in Elektrofahrzeugen ist dreimal mehr Kupfer verbaut als in Verbrennungsmotoren. Zudem wird es aufgrund der hohen Leitfähigkeit unter anderem in Solarzellen verwendet.“ Obendrein enthält jedes Elektrofahrzeug rund drei Unzen Silber. Platin wird für die Brennstoffzelle in Wasserstoffautos benötigt. Für Batterien wird obendrein Nickel gebraucht. Insgesamt rechnet die Weltbank bis 2050 mit einem Bedarf an rund drei Milliarden Tonnen Mineralien und Metallen für die Klimawende.
Hinzu kommen kurzfristige Preistreiber. Martin Baminger, Volkswirt beim Fachverband Metalltechnische Industrie, verweist auf die gestiegene Rohstoffnachfrage, insbesondere aus China. Er sagt, die Preise auf den internationalen Frachtrouten stiegen deshalb, mit einigen Unterbrechungen, seit Mai 2020 steil an. Dabei seien die steigenden Frachtraten Vorboten weiterer Preisanstiege und befeuerten Transportkosten der importierten Industriemetalle auf direktem Weg. „Zur erhöhten Nachfrage kommen eine Containerknappheit und Probleme beim Rekrutieren der Crews aufgrund Quarantänebestimmungen.“ Zum Vergleich: Das wichtige Branchenbarometer, der Baltic Dry Index, erreichte Mitte Juni 2.944 Punkte. Im März 2020 sackte er auf beinahe 400 Punkte ab.
ÖL (BRENT)
90
60
30 28.6.20 28.6.21
Quelle: baha
Auch Bauen wird teuer
Die hohen Metallpreise schlagen sich am Bau nieder – genauso wie steigende Holzpreise. Die Bautätigkeit ist rege, die günstigen Zinsen unterstützen das Umfeld. In den USA hat Schnittholz ein historisches Rekordhoch von bis zu 800 US-Dollar pro Kubikmeter erreicht, berichtet Rudolf Freidhager, Vorstand in der Österreichischen Bundesforste. Davon profitiert die heimische Forstwirtschaft. Auch langfristig ist Freidhager zuversichtlich. „Der Holzbau wird zunehmen müssen, wenn wir Holzprodukte als CO2-Senke verwenden wollen.“
Offen bleibt, wie lange die Notenbanken in der Eurozone und den USA der Entwicklung zusehen. Als erste Notenbank in den Industriestaaten hat die Bank of Canada im April begonnen, ihre Anleihenkäufe zu drosseln. Die US-Notenbank kündigte erste Zinsanhebungen für 2023 an. Zudem könnte die Lage bei den Lieferketten länger angespannt bleiben. Mitte Juni wurde in Thailand ein neuer Corona-Ausbruch in mehr als 130 Produktionsstätten bekannt, die etwa Elektronikteile, Gummihandschuhe und Lebensmittel für den Export herstellen. In China wird die Provinz Guangdong ebenso von einem neuen Ausbruch heimgesucht. Damit ist einer der wichtigsten Schiffshäfen des Landes betroffen. Obendrein verteuern CO2-Steuern den Einsatz fossiler Brennstoffe.
% MEINE RENDITE
Die Konjunkturerholung, gepaart mit Lieferengpässen, treibt die Preise für Rohstoffe kräftig an, vor allem Chinas Bedarf ist stark gestiegen. Langfristig dürfte die Klimawende die Nachfrage weltweit noch weiter anheizen. Die Entwicklung ist inzwischen auch in der Inflationsrate sichtbar. Offen bleibt, wie lange die Notenbanken dabei noch zusehen können. n