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3. Teil: Interview
ERSCHLIESSUNG NEUER MINEN BRAUCHT ZEIT
Da geht noch was.
„Energiepreise sind historisch betrachtet noch immer auf einem niedrigen Niveau“, sagt Aaron Alber.
Die Rohstoffpreise zogen in den vergangenen Monaten kräftig an und dürften laut Aaron Alber, Analyst bei Raiffeisen Research, gut unterstützt bleiben. Denn die Anpassung auf der Angebotsseite verzögert sich aus mehreren Gründen. Das hinterlässt Spuren in der Inflationsrate.
TEXT RAJA KORINEK
Die Rohstoffpreise haben seit dem Crash vom März 2020 kräftig angezogen. Das Fass Öl der Nordseemarke Brent kostete Mitte Juni mehr als 70 US-Dollar, Kupfer erreichte ein Rekordhoch. Was steckt dahinter? - Die aktuelle Konjunkturerholung heizt die Nachfrage kräftig an. Zugleich sind zahlreiche Rohstoffe ein wesentlicher Teil längerfristiger Megatrends: Der Kupferpreis profitiert etwa vom Ausbau erneuerbarer Energien und der Elektromobilität. Demgegenüber erschwerten Produktionseinschränkungen während der Pandemie den Betrieb und die Entwicklung vieler Minenprojekte. Das zwischenzeitlich verringerte Angebot trifft nun auf eine hohe Nachfrage und muss erst wieder ausgeweitet werden.
Wie lange könnte die Diskrepanz zwi-
schen Angebot und Nachfrage anhalten? - Die Anpassung kann länger dauern, da in den vergangenen Jahren zahlreiche Minenunternehmen ihre Investitionen zurückgeschraubt haben. Die Erschließung neuer Minen, aber auch weiterer Kapazitäten braucht Zeit. Aufgrund dieser verzögerten Anpassung sollten die Rohstoffpreise auf dem höheren Niveau als vor der Pandemie gut unterstützt bleiben. Kurzfristige Rücksetzer, beispielsweise bei Stahl, sind nicht auszuschließen. Die Stahlpreise legten von Jahresbeginn 2021 bis Mitte Juni beispielsweise in den USA um mehr als 70 Prozent und in Europa um mehr als 80 Prozent zu.
Die steigenden Rohstoffpreise heizen obendrein die Inflation an. In den USA erhöhte die Fed in ihrer Junisitzung die Jahresprognose auf 3,4 Prozent, betonte aber, dass der Anstieg vorübergehend sei. Wie dra-
matisch wird es werden? - Der aktuelle Preisauftrieb ist in den Inflationserwartungen für heuer im Wesentlichen eingepreist. Wir teilen die Meinung, dass der Inflationsschub zum größten Teil temporär ist. Nach 2021 sollte die Inflation wieder sinken.
Aktuell werden die Energiepreise im Zusammenhang mit der Inflationsentwicklung genau beobachtet. Die Internationale Energieagentur schätzt einen Anstieg der globalen Ölnachfrage bis Ende 2021 auf 99,6 Millionen Fass pro Tag. Wie wird sich die Entwicklung auf den Ölpreis auswirken? - Der Ölpreis der Nordseesorte Brent dürfte heuer im Schnitt bei rund 70 US-Dollar pro Fass liegen. In den kommenden drei Jahren erwarten wir dann einen schrittweisen Rückgang in Richtung 60 US-Dollar pro Fass. Mit dem Auslaufen der Förderkürzungen
seitens der Staatengruppe Opec+, zu der auch Russland zählt, wird mittelfristig wieder mehr Öl auf den Markt kommen.
Mit den wachsenden Inflationssorgen sind auch die Renditen, allen voran bei lang laufenden US-Staatsanleihen, gestiegen, weshalb Gold als zinsloses Investment scheinbar an Glanz verliert. Sollte man das gelbe
Edelmetall meiden? - Steigende Renditen bei länger laufenden US-Staatsanleihen könnten im weiteren Jahresverlauf für kleine Störfeuer sorgen. Dennoch bleibt Gold ein sicherer Hafen und eignet sich nach wie vor als Inflationsschutz. In Phasen des wirtschaftlichen Aufschwungs konnte Gold mit anderen riskanteren Veranlagungen, etwa Aktien, Schritt halten. Zudem rechnen wir insbesondere in Europa mit keiner raschen Rückkehr zur geldpolitischen Normalität. Die weiterhin expansive Geldpolitik sollte dem Goldpreis nachhaltig Auftrieb verleihen, bis Mitte 2022 könnte die Marke von 2.000 US-Dollar wieder erreicht werden.
Profitieren Rohstoffunternehmen von der aktuellen Preisentwicklung? Der Druck etwa auf westliche Ölkonzerne, den CO2Ausstoß zu senken und deshalb die Produktion fossiler Brennstoffe zurückzufah-
ren, wächst. - Anleger sollten ihren Fokus deshalb auf jene Öltitel richten, die eine klare langfristige Strategie in Richtung Dekarbonisierung haben. Dabei dürfen auch Ertragskraft, Dividenden und eine starke Bilanz nicht außer Acht gelassen werden. Dennoch müssen in einer zunehmend dekarbonisierten Welt neue Ertragsbringer erschlossen werden. In diesem Zusammenhang fällt beispielsweise Royal Dutch Shell positiv auf. Der norwegische Energiekonzern Equinor weist hingegen als reiner Ölförderer ohne Tankstellennetz einen höheren Hebel auf den Ölpreis auf, baut aber ebenfalls sein Portfolio an erneuerbaren Energien aus.
Die steigenden Kosten für Energie, aber auch für Löhne belasten hingegen globale Minenkonzerne. Wie gehen die Gesell-
schaften damit um? - Preissteigerungen machen auch vor Minenunternehmen nicht halt. Bei den Löhnen sehen wir derzeit weniger Dynamik, da der Arbeitsmarkt der konjunkturellen Erholung noch hinterherhinkt. Und die Energiepreise sind historisch betrachtet noch immer auf moderatem Niveau, wenngleich der prozentuelle Anstieg gegenüber dem Vorjahr beachtlich ist. Das erwartete Umsatzwachstum der Konzerne sollte aufgrund höherer Rohstoffpreise die steigenden Kosten deutlich aufwiegen. Ein Beispiel: Barrick Gold produziert eine Unze Gold für rund 1.000 US-Dollar, somit weit unter dem aktuellen Marktpreis, was sich positiv in den Cashflows niederschlägt.
Und wie sieht es mit Gewinnausschüttungen
aus? - Aktien von Minen- und Energiekonzernen bieten teilweise sehr attraktive Renditen in Form von Dividenden oder Aktienrückkäufen. Viele Unternehmen haben ihre Ausschüttungspolitik dahingehend ausgerichtet, eine Mindestdividende zu zahlen, und abhängig vom zugrunde liegenden Erfolgsfaktor, etwa der Ölpreisentwicklung, höhere Ausschüttungen zu tätigen. Allein die Dividendenrendite liegt am Rohstoffsektor bei durchschnittlich vier Prozent.
% MEINE RENDITE
Aaron Alber ist seit 2007 Aktienanalyst bei Raiffeisen Research, der Rohstoffsektor zählt zu einem seiner Schwerpunkte. Nach der kräftigen Kursrally sieht Alber die Rohstoffnotierungen gut unterstützt. Er meint, das Angebot könne mit der wachsenden Nachfrage derzeit kaum mithalten. Zahlreiche Minenkonzerne hatten in den vergangenen Jahren ihre Investitionen zurückgeschraubt, nun kommen Lieferengpässe hinzu. Alber zufolge dürften gut aufgestellte Rohstoffkonzerne von der Hausse profitieren. Sie schütten obendrein solide Dividenden aus. n