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1. Teil: Marktumfeld
FLUG INS BLAUE
Feldcrew bei der Arbeit. Am Kaunertaler Gletscher führte das Österreichische Weltraum-Forum mit Partnern verschiedene Experimente zur Vorbereitung zukünftiger bemannter Marsmissionen durch.
Der Weltraumtourismus ist eines der zahlreichen Geschäftsfelder, die der Kosmos eröffnet. Das Business mit Satelliten und Raketen boomt ebenso. Auch zahlreiche heimische Unternehmen mischen mit.
TEXT RAJA KORINEK
Der mediale Trubel rund um die kosmischen Aktionen dreier Milliardäre war nicht zu überhören. Am 11. Juli 2021 machte sich Milliardär Richard Branson, Gründer der Virgin Galactic, mit seiner VSS Unity und fünf Astronauten auf den Weg ins Weltall. Kurz darauf hob Jeff Bezos, Chef von Blue Orbit, mit drei Crewmitgliedern in seiner New-Shepard-Kapsel ab. Ganze drei Tage schwirrten danach vier zivile Astronauten in der Crew-Dragon-Kapsel von Elon Musks Space X im Weltall, um medizinische Experimente durchzuführen.
Solche Schlagzeilen lenken die Aufmerksamkeit vor allem auf den bemannten Raumflug. Der macht aber nur einen kleinen Teil der kosmischen Marktchancen aus. Bei der US-Investmentbank Morgan Stanley hat man das Gesamtpotenzial näher berechnet. Der weltweite Umsatz im Geschäft mit dem Weltall dürfte heuer 395 Milliarden US-Dollar erreichen, bis 2040 könnten es gut 1,1 Billionen US-Dollar sein.
Zukunftsträger Satelliten
Ein großes Potenzial räumt Willibald Stumptner, Obmann des Österreichischen Weltraum-Forums, dem Geschäft mit Kommunikationssatelliten ein. Schließlich wächst der globale Datenverkehr, sei es im Internet der Dinge, im Bereich des autonomen Fahrens oder in der künstlichen Intelligenz.
Möglich macht die digitale Übertragung aus dem All freilich der technische Fortschritt. Früher wurden wenige und vor allem schwere Satelliten kostspielig in der geostationären Umlaufbahn platziert, somit rund 36.000 Kilometer von der Erde entfernt. Inzwischen werden kleine, leichte, Satelliten im Low Earth Orbit (kurz LEO) weitaus kostengünstiger stationiert. Sie schwirren meist rund 500 bis 600 Kilometer über der Erdoberfläche und senden Informationen damit auch rascher an die Erde. „Internetdienste von solchen Satelliten können selbst von einem Smartphone problemlos empfangen werden, und das praktisch rund um den Globus“, erklärt Stumptner.
Dabei werden kleine LEO-Satelliten meist in großen Mengen in das All geschossen. Space X schickte mit seinem Starlink-Satellitenprogramm im Mai 2019 gleich 60 Stück los. Und das von der eigenen wiederverwendbaren Raketenstartrampe Falcon 9. Bis 2040 dürfte der Umsatz beider Geschäftsbereiche – GEO- und LEO-Satelliten – zusammen gut 34 Milliarden US-Dollar erreichen, schätzt man bei Morgan Stanley.
Kosmische Unterhaltung
Der Umsatz mit Satellitenbreitband, -fernsehen und -radio dürfte auf mehr als 222 Milliarden US-Dollar hinaufschnellen. Obendrein sinken die Technologiekosten. Vor Jahren kostete der Abschuss einer Rakete gut 200 Millionen US-Dollar. Inzwischen sind es rund 60 Millionen US-Dollar, sie könnten sogar auf fünf Millionen US-Dollar sinken. Und von Satelliten dürften sich die Herstellungskosten von 500 Millionen auf 500.000 US-Dollar verringern – das ermöglicht eine Massenproduktion. Allein in den kommenden zehn Jahren dürfte die Zahl der Satelliten von derzeit gut 4.300 auf etwa 18.000 hinaufschnellen, verweist Willibald Stumptner auf aktuelle Schätzungen.
Das kosmische Geschäft lassen sich auch heimische Konzerne nicht entgehen. Beim oberösterreichischen Flugzeugzulieferer FACC AG verweist man auf die Leichtbautechnologie. Aufgrund des geringen Gewichts und der hohen Festigkeit sei sie ideal für den Bereich „Space“. Laut dem Vorstandsvorsitzenden Robert Machtlinger zähle in der Raumfahrtindustrie schließlich jedes Gramm. Die Leichtbautechnologie wird zum Beispiel bei Satellitensystemen verstärkt eingesetzt, aber auch anderswo: „Leichtbaulösungen eignen sich für den Einsatz am Launchersystem der Trägerrakete oder dem Antriebssystem.“ Bis 2030 will die FACC AG mit Raumfahrtanwendungen zehn bis 15 Prozent des Gesamtumsatzes erzielen, der 2020 bei 526,9 Millionen Euro lag.
Weitere Beispiele gibt es zur Genüge. Peak Technology fertigt Leichtbauteile und Hochdruckspeicher für den Motorsport sowie für die Luft- und Raumfahrt. Mit letzterem Segment werden bereits zwei Drittel des Umsatzes erwirtschaftet. Zuletzt hat das Unternehmen Hitzeschutzschilde für Vega hergestellt. Vega ist eine vierstufige Trägerrakete für kleine Satelliten, an der vier europäische Länder, allen voran Italien, beteiligt sind. Die Treibstofftanks von Peak Technology werden in neuen Galileo-Satelliten verwendet. Der Jahresüberschuss lag 2020 bei mehr als 235.000 Euro – nach einem Verlust 2019.
Gefragte Komponenten
Ruag Space, eine Tochter des Schweizer Technologiekonzerns Ruag, baut Satellitenkomponenten, etwa Isolationsmatten. Obendrein wurde für die Ariane 6 eine Thermoisolation hergestellt. Und TTTech Aerospace, Teil der TTTech Computertechnik AG, stellt zusammen mit Ruag Space die TTEthernet-Netzwerkplattform für das Energie- und Antriebselement für das Nasa-Gateway, einem Außenposten in der Mondumlaufbahn, bereit, das wiederum vom US-Satellitenhersteller Maxar gebaut wird. Ethernet bezeichnet eine Datenübertragungstechnik, die es ermöglicht, Daten zwischen verschiedenen Geräten innerhalb eines Netzwerks zu übertragen. TTTech Computertechnik AG erzielte 2019 ein Ergebnis nach Steuern von 2,2 Millionen Euro, Zahlen für 2020 lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor. Bei Ruag Space waren es 2020 gut 1,9 Millionen Euro.
Das heimische Engagement ist auch in den volkswirtschaftlichen Daten sichtbar. Die jährliche Wertschöpfung der heimischen Weltraumbranche lag laut Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) zuletzt bei 125 Millionen Euro. Obendrein wurde Anfang September dem Nationalrat der Bericht zur Österreichischen Weltraumstrategie 2030+ vom BMK vorgelegt, der auf die „Vision für den österreichischen Weltraumsektor 2030 plus“ aufbaut. Die Vision soll Österreich zum Vorreiter in der Nutzung des Weltraums für Nachhaltigkeit machen.
Zu den wichtigsten Maßnahmen zählt Österreichs Teilnahme an Wahlprogrammen der Europäischen Weltraumorganisation und die Förderung durch das nationale Weltraumprogramm Austrian Space Applications Programme (Asap). Seit 2002 wurden durch das Asap gut 800 Projekte mit einem Gesamtbudget von rund 130 Millionen Euro gefördert.
% MEINE RENDITE
Während die ersten privaten bemannten Flüge in das Weltall für reichlich Schlagzeilen sorgten, wird Prognosen zufolge vor allem das Geschäft mit der Satellitenübertagung eine große Rolle im Kosmos einnehmen, sei es für Internetdienste, TV oder Radio. Auch eine Reihe heimischer Unternehmen nutzt die Chancen. Die Bundesregierung stellte obendrein die Österreichische Weltraumstrategie 2030+ vor, um den SpaceBereich zu fördern. n