5 minute read

PORTFOLIO

ALLE WEGE FÜHREN ZUM AKTIENMARKT

Der größte Feind des Vermögens ist die Inflation. Wolfgang Ules bekämpft sie mit einer hohen Aktienquote.

Dem Börsianer zeigt der Investmentchef, wie Anleger im Jahr

2022 ein ausgewogenes Portfolio aufbauen können, wo die Risiken und Chancen liegen – damit das Vermögen zumindest nicht weniger wird.

TEXT ANTONIA HOTTER

Herr Ules, mit der Omikron-Variante schnellen die Corona-Fälle in die Höhe. Welchen

Einfluss hat die Pandemie auf den Markt? – Corona bewegt jeden Einzelnen von uns, aber an den Märkten ist die Pandemie selbst nicht mehr das dominierende Thema. Das ist momentan die Inflationswelle, die als Folge der geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen derzeit über uns rollt. Vor eineinhalb Jahren haben sich alle vor der Deflation gefürchtet. Mittlerweile sehen wir in den USA Inflationsraten, die so hoch sind wie seit 1982 nicht mehr. In China sieht die Lage etwas anders aus, die Inflationsrate ist dort zuletzt mit 1,5 Prozent deutlich unter den Erwartungen.

Warum ist die Inflation in Industriestaa-

ten viel höher als in Schwellenländern? – Die Industriestaaten haben sich in ihrer Wirtschaftsleistung zumindest dort hinbewegt, wo sie vor der Krise waren. Diese Konjunkturentwicklung haben viele Emerging Markets nicht mitgemacht, mit Ausnahme von China. Viele Schwellenländer haben früher reagiert und schon Zinserhöhungen durchgeführt.

Welche Reaktion erwarten Sie sich von der US-Notenbank Fed? – Man muss jetzt davon ausgehen, dass wir in den USA drei Zinsschritte sehen werden zu je zumindest 0,25 Prozent. Möglicherweise sehen

#PORTFOLIO

DIE ASSET-ALLOKATION

71,18% Aktien 27,21% Anleihen 1,61% Geldmarkt

AKTIEN

37,61% Nordamerika 21,01% Europa 8,67% Schwellenländer 3,88% Asien und Australien

(entwickelte Länder)

ANLEIHEN

18,79% Staatsanleihen / staatsnahe Konzerne 6,45% Unternehmensanleihen 1,97% Schwellenländeranleihen

QUELLE: SCHELHAMMER CAPITAL BANK AG „ERTRAGSOPTIMIERTES PORTFOLIO“

VITA WOLFGANG ULES

Chief Investment Officer Schelhammer Capital Bank AG

Der gebürtige Grazer arbeitete ab 2006 bei der Capital Bank AG, ein Meilenstein war die Bestellung zum Chief Investment Officer im Jahr 2014. Diese Position hat Ules nach der Fusion mit dem Bankhaus Schelhammer & Schattera AG behalten. Zur geistigen Erholung schnappt er ab und an sein Mountainbike und verschwindet für ein paar Stunden, auch wenn der Kapitalmarkt fast allgegenwärtig ist.

wir einen vierten Zinsschritt, sodass der Leitzins sich auf ein Prozent erhöht. Wesentlich für die Reaktion der Märkte ist: Wie gut bereitet die Notenbank die Märkte darauf vor, was kommen wird?

Welche Wünsche hat Ihre Klientel angesichts

steigender Inflationsraten? – Es gibt keine risikolosen Zinsen, sondern nur noch zinslose Risiken, lautet ein geflügeltes Wort. Das ist für unsere Kunden ein riesiges Thema. Den meisten geht es um den realen Vermögenserhalt. Dafür braucht man heute einen Aktienanteil von mindestens 50 Prozent. Die Alternative ist der sichere Wertverlust. Wenn man von einer Inflation von zwei Prozent Inflation und Nullzins ausgeht, dauert es etwa 35 Jahre, bis man sein Vermögen halbiert hat.

Wo liegt die Aktienquote bei Ihren Kunden

im Durchschnitt? – Durchschnittlich bei 40 bis 50 Prozent.

Es liegen noch immer viele Anleihen in Portfolios. Was ist damit noch zu holen? – Momentan nichts. Trotzdem braucht man Anleihen. Die Alternative wäre Cash, aber wir können das Geld nicht auf dem Sparbuch veranlagen, weil es dann Negativzinsen gibt. Anleihen schaffen im Portfolio ein Gegengewicht zu Aktien. Das bringt Stabilität und ist in Krisen wichtig.

Sollten Anleger heuer auch Gold im Port-

folio haben? – Die Inflationsentwicklung spricht für Gold. Dagegen spricht die Tatsache, dass Gold keine laufenden Zinsen bringt. Wenn in den USA die Leitzinsen nach oben gehen, steigen die Opportunitätskosten für Gold. Ich erwarte 2022 kein großes Goldjahr. Das muss es aber auch nicht sein, weil Gold ein Stabilitätsfaktor ist. Grundsätzlich empfehlen wir unseren Kunden, Gold physisch zu halten, weil es dem Sicherheitsaspekt besser entspricht als Teile in einem Investmentfonds zu halten.

Wie wählen Sie Unternehmen für Ihr Aktien-

portfolio aus? – Im Kern unserer Titelselektion steht immer der Faktor Qualität. Als Basisinvestment unserer Aktienstrategie haben wir die Global Brands, die einen Großteil der globalen Wirtschaftsleistung abdecken – dazu gehören bei uns etwa Berkshire Hathaway, Procter & Gamble und Mondelez International. Diesen Kern ergänzen wir mit den Global Innovaters. Diese Unternehmen profitieren von langfristigen Entwicklungen wie Digitalisierung oder Ressourcenknappheit. Dann investieren wir noch die Emerging Leaders – ausgewählte Unternehmen aus Schwellenländern mit dem stärksten Wirtschaftswachstum. Sie machen den kleinsten Teil in unserem Portfolio aus, da sie mit dem größten Risiko behaftet sind.

Vor einem Jahr noch wurden EmergingMarkets-Aktienfonds als Top-Asset-Klasse gehandelt. Jetzt blicken wir auf ein Jahr mit einer schlechten Performance zurück.

Wie bewerten Sie die Lage für 2022? – Wir werden diesen Teil im Portfolio ein Stück weit ausbauen. Dabei geht es uns nicht um den Emerging Market, sondern um einzelne Märkte. Attraktive Bewertungen sehen wir vor allem in China und Indien.

Wegen der zunehmenden Regulierungen haben sich im Jahr 2021 viele Investoren aus China zurückgezogen. Woraus schöpfen Sie Ihren Optimismus für das Reich der

Mitte? – In China gibt es viele Risiken, klar. Regulierungen haben zu Abschlägen geführt. Ein Zusatzrisiko ist der chinesische Immobilienmarkt. Die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Probleme kann die chinesische Notenbank mit Zinssenkungen und einer Liquiditätsausweitung bekämpfen – Pulver, das man im Westen bereits verschossen hat. Dazu kommt, dass viele chinesische Unternehmen aus Bewertungssicht derzeit sehr günstig erscheinen und einen positiven Ausblick auf die Geschäftsentwicklung haben.

Vereinzelt warnen Marktbeobachter vor einer Nachhaltigkeitsblase. Sehen Sie die-

se Gefahr auch? – Anzeichen dafür gibt es sicherlich. Es gibt einige Unternehmen, die sehr hoch bewertet sind. Eine systematische Nachhaltigkeitsblase sehe ich aber nicht. Allerdings muss man achtgeben, dass das Thema Nachhaltigkeit die Kapitalmärkte nicht zu sehr belastet.

Inwiefern belastet Nachhaltigkeit die Kapi-

talmärkte? - Der Gesetzgeber will die Kapitalflüsse dort hinlenken, wo er findet, dass es für die Umwelt und die Gesellschaft richtig ist. Wo der Gesetzgeber in die Kapitalmärkte eingreift, besteht die Gefahr der Blasenbildung und die Gefahr, dass Kapitalströme in ineffiziente Technologien gelenkt werden. Kein Investor darf sich darauf verlassen, dass die Politik das Richtige macht.

L’Oreal ist eine der größten Positionen in Ihrem Portfolio. Waschen Sie sich am liebs-

ten mit Shampoo von L’Oreal die Haare? – (lacht) Wir haben an L’Oreal geglaubt. Er war nicht immer der High Flyer, der er in den letzten Monaten war. Es gibt immer wieder Titel, die von Zeit zu Zeit nicht so gut performen, aber wenn das Unternehmen unseren Kriterien entspricht, dann bleiben wir investiert – wir sind keine Trader. n

Wie ist eigentlich der Plural von Substanz?

This article is from: