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1. Marktumfeld: Gelingt ein neuer Gipfelsturm? 2. Investments:
GELINGT EIN NEUER
Die globale Wirtschaft dürfte auch 2022 wachsen, wenngleich es zahlreiche Hürden zu bewältigen gilt. Die Lieferengpässe halten an, die Energiepreise steigen weiter. Wohin die Reise geht, erklären Experten.
TEXT RAJA KORINEK
Der Start in das neue Börsenjahr 2022 war denkbar holprig, dazu trugen mehrere Ereignisse bei. Die Inflation erreichte Ende 2021 in der Eurozone ein Rekordhoch von fünf Prozent im Jahresvergleich. In den USA war der Anstieg mit sieben Prozent noch kräftiger. Dahinter steckt nicht nur die globale Konjunkturerholung. Auch Lieferengpässe treiben die Preise an, ebenso wie die hohen Energiekosten.
Mitte Dezember 2021 erreichte allein in Europa der Dutch-TTF-Gas-FuturePreis, der auf die künftige Entwicklung des Erdgaspreises setzt, ein Rekordhoch von 180 Euro je Megawattstunde, sank zu Jahresende dann auf rund 80 Euro. Doch das liegt immer noch weit über dem langjährigen Schnitt. Indessen hat die europäische Ölsorte Brent die Marke von 80 US-Dollar wieder übersprungen. Dementsprechend verunsichert sind Anleger über die Auswirkungen auf die Konjunktur und die Finanzmärkte.
Weichen stehen auf Wachstum
Trotz des Gegenwinds dürfte die globale Wirtschaft im Vorjahr ein Plus von 5,9 Prozent erzielt haben. Damit rechnen die Experten des Internationalen Währungsfonds. Die globale Wirtschaft soll 2022 um 4,4 Prozent wachsen, um 0,5 Prozentpunkte weniger als in der vorherigen Prognose. Die Zuversicht teilt man auch anderswo. Peter Brezinschek, Chefanalyst bei der Raiffeisen Bank International AG, präzisiert: „In China sind die Projektionen bei fünf Prozent, in den USA liegen die Schätzungen bei etwas über vier Prozent.“ Ähnlich hoch seien die Aussichten für die Eurozone, sagt der Raiffeisen-Ökonom und verweist auf Österreich, wo er den BIP-Anstieg auf gut vier bis 4,5 Prozent schätzt.
Brezinschek verweist dabei auch auf wichtige langfristige Treiber, zu denen er den Investitionszyklus in neue Technologien und den Klimaschutz zählt. Es sei wesentlich, dass dieser anhalte - und sich somit auch 2023 positiv auf das Wachstum auswirke. Freilich, dies ist nicht immer ganz einfach. Joe Biden hatte sein Klimaschutzpaket – es umfasst gut 500 Milliarden US-Dollar – im November im Repräsentantenhaus durchgebracht, scheiterte aber am Senat. Demgegenüber wurden im Vorjahr die ersten Tranchen aus dem 750 Milliarden Euro schweren EU-Wiederaufbaufonds ausbezahlt. Der Großteil der Gelder soll für Nachhaltigkeit ausgegeben werden. Und in China, wo 60 Prozent der Stromproduktion aus Kohle stammt, wird verstärkt in erneuerbare Energien investiert, um 2060 die Klimaneutralität zu erreichen.
Ausgerechnet im Reich der Mitte – dort wuchs die Wirtschaft im Vorjahr um 8,1 Prozent - werden jetzt wieder harte Lockdowns aufgrund der Omikron-Mutante verhängt. Die Aktion trifft unter anderem Halbleiterhersteller wie Samsung Electronics und Micron
© ADRIAN BRADSHAW / EPA / PICTUREDESK.COM
Lieferkette.
Die Container warten im chinesischen Hafen darauf, verschifft zu werden. Die Probleme mit den Lieferketten dürften 2022 wegen Chinas ZeroCovid Politik anhalten.
Technology, ein Umstand, der zur Verschärfung der aktuellen Lieferengpässe beiträgt. Chips sind außerdem wesentlicher Teil der Energiewende. Sie werden etwa für die Elektromobilität benötigt, aber auch in modernen Autos mit Verbrennermotoren. Der deutsche Automobilhersteller Audi etwa berichtete von Lieferproblemen im vierten Quartal 2021 aufgrund eines Chipmangels. Ähnlich lauten die Berichte anderer Autobauer.
Risiken durch Lieferengpässe
Die vorsichtigen Schätzungen der Marktexperten der weiteren Entwicklung bei Lieferengpässen sind durchwegs nachvollziehbar. Rolf Schäffer, Marktstratege bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), meint, dass die kommenden zwei bis drei Monate besonders herausfordernd sein werden. „Omikron wird die weltweiten Lieferengpässe nochmals verstärken und den Preisdruck an den Gütermärkten hoch halten.“
Auch für die Energiemärkte erkennt Schäffer Risiken, da sich insbesondere im Russland-Ukraine-Konflikt keine Besserung abzeichnet. In den USA stockt wiederum die Schieferölproduktion, weshalb das Angebot viel zögerlicher erhöht werde als nach vorherigen Krisen, fügt Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei JP Morgan Asset Management, an. Galler begründet dies zum einen mit finanziellen Engpässen vieler solcher Branchenkonzerne: „Auch der politische Druck nimmt aufgrund des Umweltaspekts zu, weshalb diese Produktionsquelle weniger flexibel als zuvor auf die erhöhte Nachfrage reagieren kann.“
All diese Entwicklungen dürften die Inflation noch weiter antreiben. Raiffeisen-Ökonom Brezinschek verweist auf weitere Aspekte und meint, „die CO2Steuern werden sicherlich die Gesamtinflationsrate über direkte und indirekte Effekt nach oben drücken“. Zudem verweist er auf die Preisdurchsetzungsmacht vieler Unternehmen. Sie sorge dafür, dass höhere Herstellungskosten, etwa aufgrund höherer Rohstoffkosten, im laufenden Jahr an Konsumenten weitergegeben werden.
Inflationsprognosen angehoben
Aus diesem Grund seien zuletzt sämtliche Prognosen für die Konsumentenpreise 2022 deutlich über die Marke von zwei Prozent – dem langfristigen Zielwert der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie der US-Notenbank FED - angesetzt worden: „Die EZB rechnet sogar mit 3,2 Prozent im Jahresdurchschnitt.“ Letztendlich werde die Teuerungsrate im Jahresverlauf nur langsam zurückgehen und erst im Spätherbst sich der Zweiprozentmarke nähern, wirft Brezinschek einen Blick voraus.
Doch was bedeutet dieser Umstand für die Geldpolitik? Weil Europas Währungshüter zumindest aus aktueller Sicht ebenfalls nur mit einer temporär höheren Inflation rechnen, dürften sie in den kommenden Monaten weiterhin behutsam vorgehen. Die Anleihekäufe, die zur lockeren Geldpolitik beitragen, dürften weiter leicht zurückgefahren werden. „Eine Zinsanhebung erwarten wir aber nicht“, konstatiert Galler von JP Morgan Asset Management.
Demgegenüber zeichnet sich jenseits des Atlantiks ein anderes Bild ab, wo Galler nachhaltigere Inflationsrisiken insbesondere vom Arbeitsmarkt erwartet. Unternehmen seien gezwungen, höhere Löhne aufgrund des Arbeitskräftemangels zu zahlen. „Sie werden die höheren Kosten möglichst an die Verbraucher weitergeben. Die Lohn-Preis-Spirale treibt die Inflation dabei weiter in die Höhe.“ Auch bei der LBBW rechnet
man mit einer zunehmenden Teuerung, auf das Gesamtjahr gerechnet dürfte die US-Inflationsrate gut fünf Prozent erreichen. Und während die FED für heuer drei Trippelschritte – zu jeweils 0,25 Prozentpunkten – beim Leitsatz nach oben angekündigt hat, kann man sich bei der LBBW inzwischen vier Anhebungen vorstellen. Derzeit notiert der Leitzins in einer Spanne von null bis 0,25 Prozent.
Staatsanleihen bleiben unattraktiv
Anleger sollten ihre Investments im BörÖLPREIS
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Quelle: TeleTrader
MARKTENTWICKLUNG
HEIKE ARBTER
Mitglied des Vorstands Raiffeisen Centrobank AG (RCB)
WENN MÄRKTE KORRIGIEREN …
Das Jahr hat an den Börsen ähnlich gut begonnen, wie das alte geendet hatte: Zahlreiche Aktienmärkte notierten Anfang Jänner deutlich im Plus. Doch im Raum stehen nach wie vor die bekannten Herausforderungen: Pandemie, Inflation, Zinsen. Dazu kommen geopolitische Themen, die zu den besonders dynamischen Rahmenbedingungen beitragen – und exakt in diesem Umfeld können die Anlageprodukte der Raiffeisen Centrobank Stabilität ins Portfolio bringen. Die Entwicklung der Zertifikate ist bekanntlich an den Kurs des Basiswerts gekoppelt. Der Unterschied zur Aktie ist, dass durchs Auszahlungsprofil des Zertifikats ein Sicherheitsmechanismus erzeugt werden kann, mit dem sich kurzfristige Unsicherheiten leicht durchtauchen lassen. Insbesondere unsere Kapitalschutz- und Bonus-Zertifikate bieten ein besonders ausgeglichenes Verhältnis von (reduziertem) Marktrisiko und (attraktiver) Ertragschance. Wir erwarten ein spannendes, dynamisches Kapitalmarktjahr! Unser Prinzip „nahe am Markt“ behalten wir auch 2022 bei und werden kontinuierlich passende Zertifikate zur Zeichnung sowie handelbar am Sekundärmarkt unter www.rcb.at in die Auslage stellen. Ebenfalls im Fokus der RCB bleibt die nachhaltige Geldanlage – so viel sei schon verraten: Wir setzen neue Zeichen für die Umwelt.
senjahr 2022 umso sorgfältiger wählen. Bernd Meyer, Chefanlagestratege der Berenberg Bank, findet etwa Staatsanleihen unattraktiv. Deren Renditen verharren noch immer auf beinahe historischen Tiefs, wenngleich sie zuletzt ein wenig gestiegen sind. Die Papiere eigneten sich praktisch nicht mehr als Portfolioabsicherung, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Stattdessen empfiehlt Meyer Optionsstrategien. Selbst Unternehmensanleihen seien angesichts niedriger nominaler Renditen „und Risikoaufschlägen nahe Allzeittiefs unattraktiver“. Demgegenüber zeigen sich die Experten zuversichtlicher für die globalen Aktienmärkte, wenn auch der Start ins neue Jahr durchaus schwankungsfreudig ausgefallen ist. RaiffeisenExperte Brezinschek sagt, „auch 2022 kommt man an Aktien nicht vorbei.“ Vor allem in der ersten Jahreshälfte sollte sich die größte Kursdynamik entwickeln, da das Auslaufen restriktiver Covid19-Maßnahmen für neuerlichen wirtschaftlichen Aufschwung sorgen dürfte.
Dabei könnten die Unternehmensgewinne sogar zweistellig wachsen und die etablierten Börsen ein Plus von gut acht bis zehn Prozent auf Jahressicht zurücklegen, schätzt Brezinschek. Dennoch sollten Anleger die Risiken nicht übersehen: Spätestens in der zweiten Jahreshälfte dürften die US-amerikanischen Zinserhöhungen beginnen und die Erwartungen für die globale Konjunktur sich in Hinblick auf 2023 obendrein eintrüben. Damit dürften auch die Schwankungen zunehmen. n
INFLATIONSRATE EUROZONE
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