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WELTBLICK

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ZINSSCHOCK FÜR ANLEGER

Die Zinswende und eine ganze Anzahl an weiteren Unwägbarkeiten strapazieren die Nerven von Investoren. Der Börsianer skizziert, auf welche Anlagestrategien die Investmentprofis setzen.

TEXT ROBERT WINTER

Aktien. Kaffeeernte auf einer Farm von Nestle. Der Nahrungsmittelkonzern gehört zu den TopPicks der Investmentchefs.

© NESTLE

Es ist ein seltenes Phänomen, dass Aktien und Anleihen gleichzeitig unter die Räder kommen. Seit geraumer Zeit wurde dieses Szenario jedoch Realität. „Ähnlich hohe Rückschläge bei Aktien und Anleihen gab es in den vergangenen 100 Jahren nur vier Mal. Bei Anleihen haben sich sogar die historisch größten Rückgänge eingestellt, der Bund Future verzeichnete den größten Rückgang aller Zeiten. Und viele Aktienindizes befinden sich laut der offiziellen Definition in einem Bärenmarkt“, sagt Harald Holzer, Investmentchef der Kathrein Privatbank AG. Speziell die Rückgänge im Anleihenbereich bereiten Sorgen. Robert Karas, Veranlagungschef der Bank Gutmann AG, sagt: „Die Kurse von Aktien und Anleihen haben gleichzeitig nachgegeben. Wichtige Anleihenindizes haben im zweistelligen Prozentbereich verloren. Das hat es noch nie gegeben.“

Wie groß die Rückschläge sind, lässt sich auf Sechs-Monats-Sicht erkennen. In Zahlen: Zwischen 17. Dezember 2021 und 17. Juni des laufenden Jahres verlor der US-Tech-Aktienindex Nasdaq knapp 29 Prozent, der S&P 500 sackte um mehr als 21 Prozent ab, der MSCI World ging ebenso um 21 Prozent zurück. Im gleichen Zeitraum verlor das Anleihenbarometer Bloomberg Global Aggregate Index 15 Prozent, und der deutsche REX Kursindex gab um zehn Prozent nach.

Robert Löw, CEO LLB Österreich (LLB), meint: „In der Vermögensverwaltung hat ein Paradigmenwechsel statt-

„Aktuelle Lage ist harte Belastungsprobe für Anleger.“

„Aktien aus Europa gegenüber jenen aus den USA wichtiger.“

HARALD HOLZER

gefunden. Sichere Staatsanleihen haben als Stabilisator ausgedient.“ Nun stehen Investoren vor der Frage, wie sie ihr Depot in Zeiten der Zinswende ausrichten sollen und welche Assetklassen Renditepotenzial haben. Tatsache ist, dass nicht nur die Zinswende für Ungemach sorgt. LLB-Experte Löw: „Die Finanzmärkte werden von mehreren Themen beherrscht. Angesichts der hohen Inflation steigen die Zinsen. Die Unterbrechung der Lieferketten hemmt den Wirtschaftskreislauf. Der Krieg in der Ukraine sorgt auch wegen der Verknappung von Öl- und Gaslieferungen für Unsicherheit, und ein Ende der Auseinandersetzungen ist nicht in Sicht. In Europa ist ein Gasschock möglich. Ein völliger Ersatz von russischem Gas ist nicht möglich. Das wirkt sich, wie man bereits in Deutschland sieht, negativ auf die Industrieproduktion aus.“

Zusätzlich steht laut Löw eine Abkühlung der Konjunktur im Raum. Löw sagt: „Die Gemengelage ist nicht positiv, weshalb auch die schlechte Börsenentwicklung nachvollziehbar ist. Ich rechne zwar nicht damit, dass die USA und Europa in eine Rezession schlittern. Für Anleger stellt die aktuelle Lage dennoch eine harte Belastungsprobe dar.“

Umdenken ist gefragt

Bank-Gutmann-AG-Experte Robert Karas rät: „Trotz der aktuellen Lage ist es keine gute Idee, ganz in Cash zu gehen. Auch weil auf der Bondseite schon viel passiert ist. Die Inflation wird nicht ewig bei sieben Prozent liegen. Die Fed hat die Zinsen so stark angehoben wie zuletzt vor 40 Jahren.“ Bei Euro-Staatsanleihen lautet laut LLB-CEO Löw das Motto „Finger weg“. Punktuell kommen laut dem Experten Unternehmensanleihen mit kürzeren Laufzeiten zum Einsatz. Darüber hinaus können Alternative Investments aus dem Rohstoffbereich als Ersatz für Anleihen zum Zug kommen. Löw: „Dabei stehen unter anderem Long-Short- und Vola-Strategien ebenso zur Verfügung wie Makro-Strategien. Darüber hinaus können Veranlagungen in Aktienanleihen mit hohem Fixkupon und auch in Anleihen von supranationalen Emittenten erfolgen. Schwellenländeranleihen haben zwar sehr gelitten. Wir investieren nun aber vorwiegend in Papiere in US-Dollar und in einem geringeren Ausmaß auch in Anleihen in Lokalwährungen. Damit sind sieben bis acht Prozent Rendite auf Verfall erzielbar.“

Grundsätzlich ist auf die Duration zu achten. Kathrein-Bank-AG-Anlagechef Holzer sagt: „Bei Anleihen mit guter Qualität ist aktuell eine Duration von drei Jahren oder weniger von Vorteil. Wir vertrauen bereits seit längerer Zeit auf kurze Laufzeiten. Das Fremdwährungs-Exposure in US-Dollar und Emerging-Marktes-Währungen wurde aufrechterhalten. Hochzinsanleihen spielen derzeit dagegen keine Rolle.“

Aufseiten der Aktieninvestments favorisieren die Veranlagungsprofis Substanzwerte. LLB-Österreich-CEO Löw: „Nach den Korrekturen sind in Tranchen Neuveranlagungen in Aktien möglich. Aktien des MSCI World All Country Index sind mit einem durchschnittlichen KGV von 15,7 nicht teuer. Eine Übergewichtung von Substanzaktien ist von Vorteil, weil die dahinterstehenden Unternehmen besser als wachstumsstarke Konzerne mit steigenden Zinsen zurechtkommen. Europäische Aktien sind wie gewöhnlich günstiger bewertet als Papiere aus den USA. Dennoch sollten Europas Börsen untergewichtet werden.“

Im Gegensatz dazu sind Aktien aus Europa für Kathrein-Bank-AG-CEO Holzer eine gute Wahl. Holzer: „Bei Börseninvestments ist Vorsicht geboten. ValueAktien bieten vergleichsweise bessere Chancen. Wir haben bei solchen unterbewerteten Substanztiteln Papiere aus Europa übergewichtet. Auch unter nachhaltigen Aktien sind Papiere aus Europa gegenüber jenen aus den USA wichtiger.“

Auf Qualität vertraut Bank-GutmannAG-Veranlagungschef Karas: „Aktien von Unternehmen mit guten Geschäftsmodellen wie etwa Nestle und Procter & Gamble sind zu bevorzugen. Aktien von Retailern wie Walmart sind dagegen keine gute Wahl. Bei Aktien liegen die Bewertungen unter dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre. Beim S&P Index liegt das für die nächsten zwölf Monate geschätzte Kurs-Gewinn-Verhältnis unter 15. Aber die Stimmungsindikatoren weisen auf sehr negative Erwartungen hin.“ Laut Karas ist es entscheidend, ob eine Rezession Realität wird: „Sollte eine Rezession kommen, wird es längere Zeit schwierig bleiben. Bei Aktien lohnt es sich abzuwarten. Jetzt zu verkaufen ist nicht anzuraten. Andererseits kann man mit Zukäufen auch wegen der nahenden Zinserhöhungen noch zuwarten.“

„Keine gute Idee, ganz in Cash zu gehen.“

ROBERT KARAS

% MEINE RENDITE

Auf der Suche nach Erträgen zwecks Abfederung der Inflation werden Investoren ihr Börsenengagement hochhalten müssen. Nach Berechnungen der Kathrein Bank AG könnte der Mut belohnt werden. Die geschätzten Ertragschancen liegen in den nächsten Jahren innerhalb von sechs bis zwölf Prozent pro Jahr. Die Zeiten bleiben aber nervenaufreibend. Bank-Gutmann-CEO Karas: „Bei der Anpassung der Asset Allocation gilt es, Hauruckentscheidungen zu vermeiden. Wir haben seit Jahresbeginn sechs bis sieben kleine Anpassungen vorgenommen, die eine positive Wirkung zeigten. Aber es wird schwierig bleiben.“ n

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