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3. Teil: Interview

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MARTIN KWAUKA

MARTIN KWAUKA

MINDESTPREIS SORGT FÜR STABILITÄT BEI FAIRTRADE

Nicht auf Österreich. „Unser Fokus liegt auf dem Globalen Süden“, sagt Hartwig Kirner, Fairtrade.

Hartwig Kirner, Geschäftsführer von Fairtrade in Österreich, erklärt, weshalb sich selbst in einer Marktwirtschaft Mindestpreise durchsetzen lassen. Er hält die Sorgen rund um steigende Lebensmittelpreise für überbewertet.

TEXT RAJA KORINEK

Das Fairtrade-Gütesiegel gibt es in Österreich seit 1993, eine Initiative, die Hartwig Kirner für notwendig hält. Damit sollen die globalen Handelsstrukturen gerechter gestaltet werden. Und dies geht nur, wenn Bauern einen fairen Preis für ihre Produkte erhalten, der zumindest deren Produktionskosten abdeckt. Die Entwicklungen an den internationalen Agrarmärkten können andernfalls existenzgefährdend sein.

Schwanken die Preise zu stark, Herr Kir-

ner? – Hartwig Kirner: Nehmen Sie als Beispiel die Kaffeekrise von 1990. Bis dahin kaufte ein Kaffeekonsortium in guten Zeiten stets die Überschussernte auf, die dann in schlechten Erntezeiten für einen Preisausgleich sorgte. Doch dann brach dieses Konsortium zusammen. Der Preis sackte daraufhin auf rund ein Fünftel ab, und viele Bauern standen schlagartig vor dem Aus.

Wie geht Fairtrade konkret vor, um solche Entwicklungen möglichst zu vermei-

den? - Wir haben dazu eigens das Fairtrade Standards Committee gegründet. Die Hälfte der Stimmrechte darin sind in Händen der Arbeiter und Bauern, die als Genossenschaften organisiert sind. Die andere Hälfte entfällt auf die rund 30 Fairtrade-Länderorganisationen im Norden. Gemeinsam werden Regeln ausgearbeitet, die ökonomische, ökologische und soziale Komponenten umfassen, die eingehalten werden müssen, damit das Siegel vergeben wird. So dürfen zum Beispiel keine besonders schädlichen Pestizide eingesetzt werden. Ausbeuterische Kinderarbeit ist ebenso verboten.

Und wie kommt die ökonomische Kompo-

nente ins Spiel? - Ein Teil davon setzt sich aus einer fixen Prämie pro Kilo verkaufter Ware zusammen, die von den Unternehmen oder den Vorlieferanten an die Genossenschaften gezahlt wird. Bei Kaffee etwa beträgt die Prämie 20 US-Dollar pro Sack oder 45 Kilo. Bei Kakao sind es 240 US-Dollar pro Tonne. Obendrein wird ein Mindestpreis für die Waren verrechnet.

Kann man in einer freien Marktwirtschaft tatsächlich einen Mindestpreis durchset-

zen? - Der Mindestpreis sorgt für Stabilität im Fairtrade-Handel, und das wissen die Abnehmer solcher Produkte. Damit werden die Bauern nach einem Preiseinbruch nicht gleich in ihrer Existenz gefährdet. Faire Preise ermöglichen zudem die Finanzierung eines resilienteren und nachhaltigeren Anbaus. Der Klimawandel hinterlässt Spuren, dafür braucht es Lösungen, die eben auch etwas kosten. Die Preisfestsetzung erfolgt außerdem nicht willkürlich, die Bauern legen dazu ihre Kalkulationen offen. Hinzu werden weitere Marktteilnehmer miteinbezogen, so zum Beispiel Kaffeeröster.

Viele Abnehmer von Fairtrade-Produkten sind aber Börsenkonzerne, die auf Gewinnmaximierung achten. Was, wenn sie nach einem Preissturz deshalb keine Fairtrade-Produkte mehr kaufen, um sich den

höheren Mindestpreis zu ersparen? - Das Konzept des sogenannten Shareholder-Values sollte grundsätzlich hinterfragt werden. Das ständige Schielen auf Quartalszahlen führt zu Nachteilen. Langfristig profitieren Unternehmen mit einem fairen Handel von qualitativ hochwertigen Waren und stabilen Lieferketten. Wie wichtig letzterer Aspekt ist, zeigte sich während der Pandemie deutlich.

Die steigenden Preise für Nahrungsmittel verunsichern jedoch auch viele Konsumenten. Befürchten Sie einen Rückgang beim Kauf höherwertiger, teurerer Produk-

te? - Nicht unbedingt. Auf den aktuellen Niveaus werden die Fairtrade-Mindestpreise ohnedies überschritten, so zum Beispiel bei Kaffee. Die Sorge rund um steigende Lebensmittelpreise sollte jedenfalls nicht dazu führen, dass nur noch Billigware gekauft wird. Die aktuelle Entwicklung wird letztendlich überbewertet. Denn laut Statistik Austria gaben die Österreicher 2019/2020 nur rund elf Prozent ihres verfügbaren Einkommens für Lebensmittel aus. Neuere Zahlen gibt es zwar noch nicht. Doch die wahren Inflationstreiber sind hohe Energiepreise.

Wo sehen Sie grundsätzlich die höchste Nachfrage nach Fairtrade-Produkten in

Österreich? - Die Lockdowns während der Pandemie führten zu einer Verschiebung der Nachfrage von der Gastronomie sowie etwa dem Blumenfachhandel hin zu den Supermärkten. Inzwischen ist aber der Einkauf im Fachhandel und der Besuch von Cafés wieder möglich.

Die Wiedereröffnung der Wirtschaft ist in den Fairtrade-Österreich-Zahlen bereits sichtbar. Der Umsatz legte im Vorjahr auf

knapp drei Millionen Euro zu. - Tatsächlich nahm die Nachfrage insgesamt wieder zu, weshalb wir als gemeinnütziger Verein mehr Lizenzgebühren einnehmen konnten. Sie werden volumensabhängig berechnet und liegen im einstelligen Bereich. Bei Kaffee etwa sind es 22 Cent pro Kilo.

Jedoch sind viele Lieferketten seit der Pandemie gerissen, es gibt zudem nicht ausreichend freie Kapazitäten bei Containerschiffen. Wird die Entwicklung den Nachschub

aus den Schwellenländern belasten? - Da habe ich festes Vertrauen in die Marktwirtschaft. Wenn es einen Mangel an Containern gibt, dann werden eben neue Kapazitäten geschaffen. Auch die aktuelle Energiekrise wird sich mittelfristig lösen, etwa dann, wenn alternative Gaslieferanten zu den russischen gefunden werden.

Weshalb werden eigentlich nur die Bauern in der südlichen Hemisphäre von Fairtrade

unterstützt, nicht aber jene anderswo? - Nehmen wir Österreich als Beispiel: Hier haben die Bauern eine starke Lobby, die sich für ihre Interessen einsetzt. Das ist in vielen Schwellenländern nicht der Fall. Dort gibt es auch noch weitere Probleme. Was tun zum Beispiel, wenn ein Käufer die Ware nicht bezahlen will. Nicht immer gibt es für Bauern ausreichend Rechtsschutz. Unser Fokus liegt deshalb auf dem Globalen Süden.

% MEINE RENDITE

Hartwig Kirner, Geschäftsführer von Fairtrade in Österreich, ortet am globalen Agrarmarkt dringenden Handlungsbedarf, damit dieser gerechter für die Bauern im Globalen Süden abläuft. Dazu braucht es Anreize in Form von Prämien und Mindestpreisen. Deshalb rechnet Kirner auch in aktuellen Krisenzeiten mit einem anhaltenden Interesse für höherpreisige Fairtrade-Produkte. Letztendlich sei ein reibungsloser globaler Handel das Ziel. n

Geldanlegen gehört zum guten Ton.

Jetzt gegen den Strom schwimmen?

Die laufende Dekade ist eine der herausforderndsten der jüngeren Menschheitsgeschichte. Geopolitische (Ukraine, ChinaTaiwan), wirtschaftliche (Inflation, Energie) und gesellschaftspolitische (demografische Effekte) Krisen sind zu bewältigen. Diese Gemengelage ist der Katalysator für tiefgreifende Veränderungen auf globaler Ebene und wird eine Dynamik entwickeln, die alle Akteure (Politik, Notenbanken, BürgerInnen) fordert.

Der ausgeleierte Sager „Jede Krise ist auch eine Chance“ ist derzeit kaum zu hören. Natürlich ist es in der aktuellen Situation einfach, Szenarien für Abwärtsspiralen zu entwickeln. Die beiden letzten großen Themen (Finanzkrise 2008, Covid 2020) haben aber gezeigt: Volkswirtschaften und Finanzmärkte erholen sich schneller als angenommen. Natürlich sind die damaligen Rettungskräfte in Form der Notenbanken nun anders orientiert und „opfern“ die Prosperität der Inflation.

Der Blick auf die Börsen zeigt aktuell Rückgänge im Rahmen durchschnittlicher Einbrüche in Rezessionen und ein sehr schlechtes Investorensentiment. Das sind die Bedingungen, aus denen neue Bullenmärkte entstehen. Wie nahe der Wendepunkt ist, lässt sich seriös nicht sagen, aber langfristig beste Unternehmensqualitäten aufzusammeln, wird immer reizvoller.

Für Fragen oder einen Gesprächstermin schreiben Sie uns per Mail: oton@oberbank.at

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