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MARTIN KWAUKA

STAATSZWECK PENSIONSERHÖHUNG

Die Reflexe der Seniorenvertreter funktionieren wie bei einem guten Boxer ohne Nachdenkpause: Kaum steht der gesetzlich vorgesehene Prozentsatz für die nächste Pensionserhöhung fest, folgt prompt die Forderung nach mehr. Die Zeche zahlen die Berufstätigen.

„Jeder zusätzliche Prozentpunkt Pensionserhöhung sorgt für halbe Milliarde mehr Defizit.“

VITA MARTIN KWAUKA

Finanzjournalist

Der leidenschaftliche Weinbauer (61) ist seit 23 Jahren Finanz- und Wirtschaftsjournalist. Zu den wichtigsten Stationen des gebürtigen Deutschen zählen die langjährige Chefredaktion des Magazins „Format“ und das seit 2015 von ihm organisierte Finanzjournalistenforum. Sein Steckenpferd ist die Altersvorsorge. Sich selbst beschreibt der studierte Agrarökonom als chronisch neugierig.

Die Pensionsverhandlungen sind wieder da: 5,8 Prozent bis zu zehn Prozent sollen es heuer werden. Und stets knickt die Politik ein: In den vergangenen Jahren gab es zumindest für kleinere Pensionen immer einen Schnaps mehr. Die Treffsicherheit unter sozialen Aspekten ist gering: Selbst mancher Topverdiener hat zusätzlich eine Kleinpension und profitiert von Extraprozenten. Die Zeche zahlen die Aktiven: Jeder zusätzliche Prozentpunkt erhöht die Staatschulden um eine weitere halbe Milliarde Euro.

Niemand soll in Österreich hungern und frieren. Deshalb gibt es einen breiten Konsens darüber, dass in Zeiten der hohen Inflation Menschen mit niedrigem Einkommen besonders unterstützt werden müssen. Dementsprechend ist der Widerstand gegen zusätzliche Pensionserhöhungen gering. Das liegt nicht zuletzt am weitverbreiteten Irrtum über „niedrige“ Pensionen: Eine betragsmäßig kleine Pension hat zum Beispiel oft jemand, der nur wenige Jahre in Österreich gearbeitet hat, aber durchaus zusätzliche Renten aus anderen Staaten bezieht. Selbst wenn er insgesamt ein gutes Gesamteinkommen hat, bekommt er aus Österreich Jahr für Jahr einen Prozentbonus. Im Extremfall werden so auch hohe Beamtenpensionen zusätzlich aufgefettet, wie der Pensionsexperte Walter Pöltner aus eigener Erfahrung berichtet: Pöltner bekommt als langjähriger Sektionschef nicht nur eine Beamtenpension, sondern auch ein paar Hunderter von der Pensionsversicherung der Selbstständigen, weil er dort Beiträge für Vortragshonorare eingezahlt hat. Und weil diese Gewerbepension für sich genommen klein ist, wird sie ihm regelmäßig außertourlich erhöht.

Im Jänner 2022 profitierten so über eine Million Pensionisten und damit rund die Hälfte aller Fälle von einer Zusatzsteigerung, ganz gleich, ob sie es nötig haben oder nicht. Das heißt: Eine generelle Zusatzerhöhung kleiner Pensionsbeträge ist alles andere als sozial gerecht. Wenn man Altersarmut bekämpfen will, wären andere Maßnahmen sinnvoll, etwa eine Anhebung der Ausgleichszulage für sogenannte Mindestpensionsbezieher.

Die Pensionistenvertreter, das muss man neidlos anerkennen, sind gute Lobbyisten. Für sie ist die Finanzierung der steigenden Pensionen ihrer Klientel der wichtigste Zweck des Staates. Die Berufstätigen können von einer ähnlich effektiven Interessenvertretung nur träumen. Das Guthaben auf ihrem Pensionskonto wird wie jedes Jahr nur mit dem gesetzlichen Wert valorisiert. Diese Verzinsung des Pensionsguthabens der Aktiven beträgt Anfang 2023 bloß 3,1 Prozent. Der reale Wert des Pensionsguthabens geht also deutlich zurück. Darüber regt sich niemand auf. Damit nicht genug, müssen letztlich die Berufstätigen für alle außertourlichen Pensionserhöhungen aufkommen. Schon das mittelfristige Gutachten der Alterssicherungskommission vom November 2021 erwartet von 2020 bis 2026 eine Steigerung der Pensionsausgaben von 41,7 Milliarden Euro auf 55,4 Milliarden. Das entspricht einem Zuwachs von insgesamt 33,1 Prozent. Ein wesentlicher Einzelfaktor ist, dass jetzt geburtenstarke Jahrgänge in den Ruhestand gehen. Die durchschnittliche Inflationsanpassung bis 2026 wurde Ende 2021 nur mit 2,2 Prozent im Jahr angenommen, wird aber wohl viel höher ausfallen. Und damit auch die Ausfallhaftung des Staates: Im Jahr 2020 lag der Bundeszuschuss für die Sozialversicherungspensionen bei 11,3 Milliarden Euro. Für 2026 schätzte die Kommission 16,5 Milliarden. Das entspricht einem stolzen Zuwachs von 46,3 Prozent. Das tatsächliche Wachstum dürfte deutlich über 50 Prozent liegen: Schon der gesetzlich vorgesehene Inflationsausgleich von 5,8 Prozent kostet fast drei Milliarden. Jeder zusätzliche Prozentpunkt Pensionserhöhung sorgt für rund eine halbe Milliarde mehr Defizit – Jahr für Jahr. Dazu kommt der Zinseszinseffekt: Jeder Pensionszuwachs ist automatisch die Basis für die nächste Valorisierung. Bis irgendwann die Grenzen der Finanzierbarkeit überschritten ist. n

MARTIN KWAUKA

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