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Finanzprodukt der Zukunft
Das Anlageprodukt der Zukunft wird nachhaltiger, einfacher, digitaler und hoffentlich auch sicherer werden. Was die Finanzbranche in der Pipeline hat.
TEXT JULIA KISTNER
Aussichten. Auf jeden Fall digital – ohne geht in der Zukunft nichts mehr.
Hilfestellung. Die Generali Versicherung AG bietet ihren Kunden eine LebensAssitance, sozusagen einen Ansprechpartner für alle rechtlichen Lebenslagen.
Wir begleichen unsere Stromrechnung digital, nutzen unser Handy, ohne mit der Wimper zu zucken, für das Zahlen an der Supermarktkasse oder auch für Wertpapiertransaktionen. Und was kommt als Nächstes? Das Beratungsunternehmen KPMG sieht vor allem zwei große Trends bei Finanzprodukten: Sie werden zum einen nachhaltiger und zum anderen durch den technologischen Fortschritt bequemer, transparenter und einfacher für den Kunden. „Auch wird die Angebotsvielfalt größer. Es wird für jeden zugängige, ganz neue Assetklassen geben“, vermutet Tobias Mertes, KPMGAssistent Manager, Financial Service. Dabei denkt Mertes nicht unbedingt an Krypto-Coins: „Asset-Manager werden diese beimischen, aber nicht ausschließlich in einem Fonds bündeln. Denn um sich breitflächig durchzusetzen, sind sie viel zu schwankungsanfällig. Wo wir große Chancen für die Asset-Manager sehen, ist die Nutzung der dahinterliegenden Blockchain-Technologie.“ Sie erlaube etwa die Tokenisierung von immateriellen Gütern wie Musik- und Kunstrechte. „Der digitale NFT-Kunstmarkt macht bereits 3,6 Milliarden aus. NFTs machen Kunst, Musik und vieles mehr auch für den Kleinanleger erschwinglich. Diese neuen Assetklassen finden vor allem junge Anleger cool. Fondsmanager können sich hier besser abheben. Hier stehen sie nicht in unmittelbarer Konkurrenz zu Indizes und ETFs.“
Wo die Blockchain-Technologie künftig auch eine große Rolle spielen wird, ist in der Fondsadministration, betont Tobias Mertes: „Ich könnte mir etwa die DLT-Technologie schnappen und damit den Fondspreis schneller berechnen. Ich kann auf einer Blockchain Anlagegrenzen programmieren und hätte für den Asset-Manager auch nicht mehr das große Backoffice-Thema. An solchen Produkten arbeitet KPMG gerade.“ DLT ist eine digitale Technik, mit der Transaktionen dokumentiert werden. Diese dezentrale Datenbank stellt allen Nutzern die gleichen Informationen zur Verfügung.
Fonds auf der Blockchain würden sich aber erst in den nächsten zehn bis 15 Jahren durchsetzen, sagt Mertes, „hier fehlt es auch noch an den notwendigen Regularien. Das DLT Pilot Regime der Europäischen Union ist hier ein guter Anfang. Denn egal, wie cool es klingt, die Sicherheit geht vor technologischem Fortschritt. Man kann wohl keinem Anleger verkaufen, dass 500 Millionen im Fonds weg sind, weil wir eine Lücke im Code haben.“
Nachhaltig, was sonst!
Ein Thema, das die Finanzbranche schon heute wie kein anderes prägt, ist Nachhaltigkeit. „Hier kommt ein starker Impuls einerseits von der Gesellschaft und von den Anbietern, aber auch von den Regulatoren“, verweist Tobias Mertes etwa auf die EU-Offenlegungsverordnung oder die EU-Taxonomie. Der Megatrend sei eine große Chance für die Finanzindustrie, da nachhaltige Assets krisensicher sind und zusätzliche Mittel lukrieren, „vorausgesetzt, man bietet tatsächlich nachhaltige Produkte an und betreibt nicht Greenwashing“. „Wir unterstützen etwa in der Eigenheimversicherung jene Kunden, die eine leasingfinanzierte Photovoltaikanlage errichten“, berichtet Andrea Stürmer, Vorstandschefin der Zürich Versicherungs-AG Österreich. Es gibt Fondspolizzen mit Österreichischem Umweltzeichen. „Wir haben in den letzten Jahren einen Generationenwechsel unter den Anlegern erlebt. Es investieren heute viel mehr junge Menschen als früher, die vor allem an langfristiger Geldanlage interessiert sind“, erklärt Oswald Salcher, Country-Manager, Trade Republic Austria, den Megatrend Nachhaltigkeit. „Die Kunden werden aber nicht bereit sein, nachhaltig zu investieren, wenn es zulasten der Performance geht“, meint Salcher.
Finanz- als Convenience-Produkt
Gerade die jüngere Generation sei wechselwilliger, schaue stark auf Gebühren und eine simple Bedienung, so Oswald Salcher. „Das Finanzprodukt der Zukunft darf nicht mehr nur auf Finanzexperten zugeschnitten sein“, sagt er, „ETF-Sparpläne gehen schon in die richtige Richtung.“ Es dürfe durchaus etwas kosten, „andernfalls darf man auch keine Qualität erwarten. Aber die Kosten müssen transparent und verhältnismäßig sein.
„Neue Assetklassen durch BlockchainTechnologie.“
TOBIAS MERTES
OSWALD SALCHER
„Finanzprodukte der Zukunft rücken individuelle Werte in den Fokus.“
KLAUS KUMPFMÜLLER
ETFs haben gezeigt, dass die Kosten, die für Investmentfonds verlangt werden, möglicherweise nicht mehr zeitgemäß und zu hoch sind. Trade Republic hat gezeigt, dass der Handel von Kapitalmarktprodukten auch deutlich günstiger geht und die traditionellen Banken sich von den bisherigen intransparenten Kostenmodellen verabschieden müssen. Wir reden hier von Kostenvorteilen um den Faktor zehn im Vergleich zu traditionellen Investmentfonds genauso wie zu traditionellen Banken bei den Transaktionskosten.“
Vielen Neuanlegern fehle beim Anlegen auch der Bezug zum realen Leben, glaubt Oswald Salcher, „unsere Kunden können bestimmten Topthemen folgen, die einzelne Aktien oder ETFs zu dem Thema zeigen: Klimawandel, Metaverse oder Big Tech, Female Leadership, aber auch die top 20 Sparpläne. Das macht das Anlegen erlebbar.“
Auch Klaus Kumpfmüller, Generaldirektor der Hypo Oberösterreich, unterstreicht, dass Finanzprodukte „immer stärker individuelle Werte, Veranlagungsbedürfnisse und sich ändernde Lebenslagen in den Fokus rücken müssen: „So bieten wir mit dem Inflationscheck individuelle Finanzierungs- und Vermögensberatungen an, um in der aktuell schwierigen gesamtheitlichen Situation die persönlichen Auswirkungen der Inflation, der Zinsentwicklung und der volatilen Märkte auf die eigene Vermögens-, Lebens- und Wohnsituation sowie mögliche Maßnahmen zur Abfederung zu besprechen.“ Das erfordere auch die neue KIM-Verordnung, die auf die Leistbarkeit von Wohnkrediten abzielt. Daneben wird es einige standardi-
Making it happen. That’s law.
„Beliebt sind Wallets für das einfache, kontaktlose Bezahlen.“
DANIELA BARCO
„Produkt der Zukunft hat viele Zusatzfeatures.“
SONJA STESSL
„Im Trend liegen Sparpläne auf Zertifikate.“
PHILIPP ARNOLD
sierte Produkte geben, die insbesondere in einer bestehenden Kundenbeziehung sehr schnell und voll digital abgewickelt werden können. Als Beispiel nennt Klaus Kumpfmüller den Hypo Speed Konsumkredit. Ein Muss im Bankgeschäft seien digitale Kanäle.
Dem kann Daniela Barco, Privatkunden-Vorständin bei der Unicredit Bank Austria AG, nur zustimmen, die von 30-prozentigen Zuwächsen bei den digitalen Kanälen spricht: „Von den Kunden werden die Tools unserer Mobile-Banking-App wie das digitale Wertpapierdepot, der zeitsparende Pre-Approved-Onlinekredit, die Fotoüberweisung und der Personal Finance Manager geschätzt.“ In die Convenience-Schiene würden auch die Wallets fallen, mit denen man mittels App in Geschäften schnell und kontaktlos mit dem Handy, der Smartwatch oder dem Tablet bezahlen kann und auch die Abbuchungen und den Kontostand direkt verfolgen kann. Sie speichert digitale Versionen von Debit- und Kreditkarten ebenso wie Tickets, Kundenkarten oder E-Voucher.
Beliebte digitale Wallets sind neben der Apple Wallet für iPhone-Besitzer und der Google Wallet für Nutzer von Android-Handys auch Paypal. Im Trend sind auch Krypto-Wallets, die die Coins auch gleich verwalten. „Befeuert wurden die Krypto-Wallets durch die niedrigen Zinsen. Sie werden auch gleich genutzt, um Geld zu verdienen, indem man seine Coins zum Validieren von Netzwerktransaktionen oder auch als Liquiditätsquelle anderen zur Verfügung stellt. Staking wird natürlich uninteressanter, wenn man auch wieder am Konto für Guthaben Zinsen bekommt“, meint Tobias Mertes, KPMG, „nichtsdestoweniger werden Wallets immer beliebter, weil sie einfach praktisch sind.“
Der ETF an der Supermarktkasse
Einen leichteren Zugang zum Kunden, und das über den noch weitgehend unbeackerten Vertriebskanal Einzelhandel, suchen vor allem die jungen Fintechs. So hängen bei Edeka Deutschland neben Zalando- und Amazon-Gutscheinen längst ETF-Vouchers des Fintechs Quirion an der Kassa, mit denen man sein Portfolio über die Quirion-Website aufstocken oder ein neues Depot online eröffnen kann. Zunehmend wird auch nicht mehr nur mit Geld, sondern mit Daten bezahlt erklärt Mertes, „das kommt aus der Versicherung. Bei der Allianz kann sich zum Beispiel die Prämie mit der Car-App reduzieren, wenn ich meine Fahrten tracken lasse. Ähnlich agiert auch Payback mit seinem Bonusprogramm.“
Aussichten für Versicherungen
„Auch Versicherungen wird man künftig vermehrt online abschließen“, ist Andrea Stürmer überzeugt, „in der Zukunft werden viele Versicherungen nahtlos in die Lebenswelt der Kunden integriert sein, sie werden kleinteiliger und digitaler sein. Nehmen wir das Beispiel der Skiversicherung. Das Angebot einer Skiversicherung am Handy zu erhalten, während man für die Liftkarte ansteht, und sie mit einem Klick als integrierte Unfall-, Haftpflicht- und RechtsschutzDeckung für einen Tag abzuschließen, bietet eine ganz neue Convenience. Dabei sind noch viele weitere Anwendungen denkbar, zum Beispiel bei Angeboten der Sharing Economcy wie etwa den Auto-Abos. Dort ist die Versicherungsprämie Teil der Abogebühr, der Kunde muss sich nicht separat darum kümmern.“ Um Wohlfühlatmosphäre bemüht sich auch die Wiener Städtische Versicherungs AG. Deren Vorständin Sonja Steßl sagt: „Das Produkt der Zukunft ist mit zahlreichen Zusatzfeatures ausgestattet, die über die eigentlichen Versicherungslösungen hinausgehen. So bieten wir zum Beispiel einen Online-Geburtsvorbereitungskurs in der Gesundheitsvorsorge an ebenso wie den digitalen Symptomchecker Xund, mit den Kundinnen ihren Gesundheitszustand prüfen können. Wichtig ist für uns, dass wir alles von der Prävention über die Versicherungsleistung an sich bis hin zu einer einfachen und bequemen Leistungseinreichung mittels unserer Losleben-App anbieten.“ Mit der Lebens-Assistance begleitet die Generali Versicherung AG ihre Kundinnen bei alltäglichen Lebensfragen. Martin Sturzlbaum, Chief Insurance Officer Leben-/Krankenversicherung: „Zum Beispiel stellen wir den Kontakt zu spezialisierten Anwälten bei Fragen rund um das Zivil- und Familien-, Arbeits- und Sozial- sowie Erb- und Liegenschaftsrecht her.“ Für die digitale Beratungsunterstützung würden Versicherungen gerne mit Fintechs kooperieren.
Zertifikate der Zukunft
Bei Zertifikaten sind es vor allem die nachhaltigen Basiswerte, die immer stärker nachgefragt werden, berichtet Philipp Arnold, Leiter für strukturierte Produkte bei der Raiffeisen Centrobank. Er sieht noch „einen parallelen Trend zu verständlichen, einfachen Produkten, die liquide handelbar sind und online abschlussfähig sind. Das erfüllen Zertifikate. Als Basiswerte sind vermehrt breite Indizes statt Einzelaktien gefragt mit einem Auszahlungsprofil, das so einfach
wie möglich ist. Das heißt, keine komplexen Wenn-dann-Bestimmungen, sondern ein klassisches Bonus- oder auch Kapitalschutzzertifikat. Schon deshalb, weil immer mehr Kunden online kaufen. Im Trend liegen auch Sparpläne auf Zertifikate. „Die bieten wir ab 100 Euro pro Monat. Angespart wird mit Bonuszertifikaten, die nach fünf Jahren automatisch wieder in Bonuszertifikate mit gleicher Barriere reinvestiert werden“, erklärt Arnold.
Die Kunden von morgen
Ob Zertifikateanbieter, Versicherungen, Banken oder Fondsgesellschaft, man will den Kunden auch künftig nicht nur digital abholen. „Unser Erfolgsrezept ist ‚phygitale‘ Beratung, also die Kombination von physischer und digitaler kundennaher Beratung“, erklärt Martin Sturzlbaum, „die Altersvorsorge und die Abdeckung der biometrischen Risiken wie Berufsunfähigkeit und Pflege wird vermehrt nachgefragt ebenso wie Lösungen zum Thema Vermögensweitergabe. Ganz generell steht hohe Flexibilität bei den Kundinnen im Fokus. Zugriffsmöglichkeiten auf das Kapital, idealerweise ohne Abschläge während der Laufzeiten oder auch ohne Einflussnahme auf die Veranlagung durch Fondswechsel etc.“ Viele Anleger wollen auch den One-Stop-Shop, ergänzt Oswald Salcher, Trade Republic, „einen Anbieter, bei dem sie alles handeln können, von Aktien über Sparpläne und Derivate bis hin zu Krypto. Das ist einfach praktisch und bedeutet weniger Zeitaufwand, gerade für Erstinvestoren.“
% MEINE RENDITE
Das Finanzprodukt der Zukunft muss nachhaltig sein, der Zugang zum Investieren bequemer, sprich digitaler werden. Gerade für junge Anleger muss die Investmentstory einen Bezug zum realen Leben haben. Das Smartphone ist ihr zentrales Tool für Finanztransaktionen. Wallets, mit denen man schnell und kontaktlos in Geschäften bezahlen kann und in denen auch Debit-, Kredit-, Kundenkarten, Tickets, oder auch E-Voucher digital hinterlegt sind, ergänzen oder ersetzen das Girokonto. Versicherungen heben sich mit mehr und individuelleren Assistance-Leistungen ab. Ansparpläne liegen im Trend, auch mit Zertifikaten. Das Vertriebskonzept der Zukunft ist „phygital“, eine Kombination aus physischer und digitaler kundennaher Beratung, serviciert von Fintechs. Finanzprodukte kauft man nicht nur digital oder in der Bank, sondern künftig vermehrt auch im Einzelhandel. Dafür bezahlt man nicht nur mit Geld, sondern auch mit Daten. n
Creating opportunities. That’s law.
MIT INNOVATION GEGEN DIE KRISE
Globale Trends und Jahrhundertkrisen wie die Coronapandemie zwingen auch große Konzerne und Marktführer, sich etwas Neues einfallen zu lassen. Der Börsianer zeigt, wie Innovation gelingt.
TEXT THOMAS MÜLLER
Futuristisch. Die FACC AG entwickelt und fertigt die Astris-KickStage-Main-Structure für die Trägerraketen der Ariane-6-Familie.
Der einsame Erfinder, der gegen alle Widrigkeiten an seiner Idee festhält, ein Start-up gründet und schließlich eine Investorin findet, die Risikokapital zur Verfügung stellt: Solche Innovations-Storys werden nicht nur von den Wirtschaftsressorts der großen Medien gern genommen. Inzwischen leben auch Unterhaltungsformate im Fernsehen von Geschichten, die die Start-upSzene schreibt. Dabei passiert viel Innovation recht unspektakulär in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen - auf Englisch Research & Development, kurz R&D - der großen Konzerne, in die jedes Jahr ohne viel Aufsehen die Milliardenbudgets fließen. Eher im Hintergrund arbeiten auch kleine und große Beratungsunternehmen, die sich auf das Thema Innovation spezialisiert haben. Innovation gilt dabei als Zukunfts- oder Überlebenschance für Konzerne. Sie macht Unternehmen resilienter, auch wenn sie auf den ersten Blick viel kostet, vor allem wenn externe Berater ins Spiel kommen.
Nachlässig beim Erfinden
Die Art und Weise der Zusammenarbeit der Beteiligten kann entscheidend sein, ob ein Markteintritt mit einem neuen Produkt gelingt und ob man dem Mitbewerb noch eine Nasenlänge voraus ist. Abseits von typischen Branchen, die immer schon viel in Neues investiert haben, wie Technologie, Software oder Biotech sei der Innovationsdruck in den letzten Jahren generell klar gestiegen, sagt Philip Ginthör, Berater und Partner bei KPMG Österreich: „Daher gibt es noch immer viele große Unternehmen, die in den letzten Jahren auf Wachstum allein durch die industrielle Skalierung eines bestehenden, meist gleichbleibenden Produkts fokussiert geblieben sind, anstatt sich mit Innovation, also mit Erfindungen, zu beschäftigen.“ Globalisierung, Digitalisierung und aktuell das Thema Nachhaltigkeit seien hier die wichtigsten Faktoren. „Diese Konzerne nehmen eine konsequente Antwort auf den Innovationsdruck vom Markt noch häufig als Zielkonflikt mit der oft in kurzfristigen Perioden geplanten Erreichung ihrer auf Effizienz und Größe optimierten Ziele wahr“, analysiert der Berater, der einst selbst an der Spitze großer Konzerne gestanden ist.
Ähnlich sieht das Mark van Loon, Senior Vice President bei der Wienerberger AG und dort zuständig für Nachhaltigkeit und Innovation: „Große Unternehmen sind oft verwöhnt vom Erfolg ihrer Vorgänger, vor allem wenn sie einen Markt dominieren. Dann konzentrieren sie sich darauf, die bewährten Produkte zu optimieren. Natürlich ist jede große Innovation auch ein Risiko, aber zu wenig in neue Produkte oder Systeme zu investieren ist vielleicht das noch größere Risiko.“ Im Idealfall sollten Optimierung und echte Innovation ausgewogen nebeneinander existieren.
„Leadership muss ein Arbeitsumfeld schaffen, das Freiräume bietet.“
PHILIP GINTHÖR
Weiße Flecken im Markt
Darüber, was Unternehmen tun können, um innovativ zu werden oder zu bleiben, herrscht weitgehend Konsens, wenn man sich bei Beratern und Managern umhört. „Eine Strategie, die systemische Innovationen möglich macht, ein operatives Modell für die Umsetzung und Verankerung im Unternehmen und eine Innovationskultur, die für kreative Leute ein gutes Umfeld bietet“, nennt Alex Pinter, Innovation Strategy & Growth Lead bei der Unternehmensberatung Accenture, die wichtigsten Punkte. Obwohl gerade große Unternehmen selbst ihre Entwicklungsabteilungen unterhalten und bereits viel investieren, gäbe es dennoch einige Aufgaben, die externe Berater übernehmen können. „Ein Ansatzpunkt wären die sogenannten White-Space-Innovationen, also das klassische Business-Building auf der grünen Wiese. Da braucht es einen strategischen Zugang, man muss sich in der jeweiligen Branche sehr gut auskennen und auch den direkten Mitbewerb sowie potenzielle Newcomer kennen, um ‚weiße Flecken‘ zu identifizieren“, sagt Pinter. „Beim Thema Unternehmenskultur sehen wir aktuell sehr oft Anfragen von Konzernen, zum Beispiel wenn es um neue hybride Arbeitsmodelle, Diversität und Inklusion geht oder um ein innovationsfreundlicheres, offeneres Mindset.“ Zudem habe die Coronakrise einige Branchen zu radikalen Veränderungen gezwungen, erinnert sich der Berater: „Ich hatte viel mit dem internationalen Spitzensport zu tun, der 2020 für sechs Monate praktisch zum Erliegen gekommen ist und quasi über Nacht durch die Lockdowns sämtliche Ticketerlöse verloren hat. Hier mussten wir kurzfristig neue, vor allem digitale Umsatzkanäle finden, und es wird nach wie vor extrem heiß diskutiert, wie hier längerfristige Wachstumsmodelle aussehen könnten.“ Innovations- und Beratungsbedarf gebe es etwa auch bei der eher konservativen Telekommunikationsbranche. Hier gehe der Trend hin zu Plattformen und umfassenderen Services für die Kunden, sagt Pinter.
Kreative Interventionen
Auch KPMG-Berater Ginthör sieht zwischen eigener R&D und externen Beratern prinzipiell keinen Widerspruch: „Oftmals gibt es auch in R&D-Abteilun-