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Sicher, sauber, bezahlbar

ENERGIEWENDE: SICHER, SAUBER BEZAHLBAR

Fossiler Rauch. Kohlekraft und Windkraft stehen in Deutschland noch miteinander im Wettbewerb. Bis 2038 will Deutschland aus der Kohle aussteigen.

ENERGIEMIX IN EUROPA (EU 27)

ÖL GAS ERNEUERBARE ENERGIEN KERNENERGIE KOHLE 31 % 25 % 19 % 14 % 11 %

QUELLE: IEA (2020)

Probleme ohne Ende bei der Energiewende, die durch den Ukraine-Krieg noch dringlicher geworden ist. Auf den ersten Blick scheint die Transformation unlösbar. Ein Versuch, mithilfe von Marktexperten den gordischen grünen Energieknoten zu lösen.

TEXT JULIA KISTNER, DOMINIK HOJAS

Immer weniger fossile Energie strömt durch die Pipelines aus Russland. Nachhaltige Quellen sprudeln noch nicht in ausreichenden Mengen, und die EU-Klimaschutzvorgaben sind auch ohne Russland-Embargo schon ambitioniert. Bis 2030 hat sich die EU zum Ziel gesetzt, die Treibhausgase um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken und die Energieeffizienz um mindestens 32,5 Prozent zu steigern. Im Rahmen des Pakets „Fit für 55“ wird der Anteil von erneuerbaren Energien auf 45 Prozent angehoben. Daneben gibt es die unterschiedlichsten nationalen Klimaziele bis 2030. Während Deutschland den Treibhausgasausstoß bis dahin um 55 Prozent gegenüber 1990 reduzieren möchte, will Österreich seine CO2-Emissionen gegenüber 2005 um 36 Prozent senken. Die Schweiz gibt sich mit einer Absenkung des Treibhausgasausstoßes binnen der nächsten acht Jahre um die Hälfte gegenüber 1990 zufrieden. Die Pariser Klimaziele sollen durch Gebäudedämmungen, umweltfreundlichere Heizsysteme, mehr Energieeffizienz, durch weniger Abgase im Verkehr, durch die Ökologisierung der Landwirtschaft und des Steuersystems und durch mehr grünen Strom erreicht werden.

Schockstarre wegen Russland

Nicht nur der Klimawandel, auch die Versorgungssicherheit zwingt uns jetzt zur Beschleunigung der Energiewende. So befürchtet etwa der Wirtschaftsweise Achim Truger einen Wirtschaftseinbruch, sollte Russland Deutschland den Gashahn zudrehen, inklusive tiefer Rezession, 500.000 Arbeitsloser mehr und eines langfristigen schweren Einbruchs der Industrie. Komplexer sieht dies Ulrich Streibl, Vorstand der Oekostrom AG: „Der Import russischer Energie muss angesichts des Angriffs auf die Ukraine enden, denn wir Europäer dürfen diesen Krieg nicht finanzieren. Atomkraft ist auch keine Alternative, solange wir nicht wissen, wie wir den Atommüll entsorgen“, warnt Streibl. „Die EU-Kommission hat ja schon einen Plan, wie sie 100 von 150 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland ersetzen kann. Die fehlenden 50 Milliarden Kubikmeter sind gut zehn Prozent des europäischen Gases. Das kriegen wir hin, wenn wir in Europa solidarisch sind.“ Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck, der dringend nach Alternativen für russisches Gas sucht, hat kürzlich in einem Interview mit der „Wirtschaftswoche“ aufhorchen lassen: „Wenn wir zum Jahreswechsel volle Speicher haben, wenn zwei der vier von uns angemieteten schwimmenden LNG-Tanker schon am Netz angeschlossen sind und wenn wir deutlich an Energie sparen, können wir im Fall eines Abrisses der russischen Gaslieferungen einigermaßen über den Winter kommen.“ Skeptischer ist da schon Stefan Szyszkowitz, Vorstand der börsennotierten EVN AG, sollte es zu einem Importstopp russischer Energie kommen: „Ein kurzfristiges Kompensieren wäre nicht möglich. Es käme zur Energielenkung durch die Behörden. In den Gasspeichern der RAG-Austria, an der die EVN beteiligt ist, könnten große Gasmengen eingespeichert werden.“ Ein entsprechender Entwurf eines Erdgasbevorratungsgesetzes hatte die Politik für Mai angekündigt.

Energiewende. Wasserstoff gilt als die größte Zukunftshoffnung für Industriebetriebe. Noch fehlen Leitungen und eine Antwort auf die Frage, woher der grüne Wasserstoff kommen soll.

„Man kann grundsätzlich nur weiter darauf setzen, die heimischen Alternativen konsequent auszubauen und damit die heimische Wertschöpfung und die Versorgungssicherheit gleichzeitig zu erhöhen. Das tun wir. Die EVN AG ist Nummer drei in der Windkraft, betreibt 72 Wasserkraftwerke und speist über 51.000 Photovoltaikanlagen in das Netz der EVN-Tochter Netz NÖ ein“, sagt Szyszkowitz. Es gehe aber auch um einen sukzessiven Ausbau der Fernwärme auf Basis nachhaltiger Biomasse und um einen stetigen Ausbau der Kapazitäten im Bereich erneuerbarer Gase.

Ähnlich denkt Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, der Interessenvertretung der österreichischen E-Wirtschaft, die ihren Strom schon zu 70 Prozent aus Erneuerbaren produziert: „Das Regierungsziel, bis 2030 Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen, erreichen wir nur mit schnelleren Verfahren und Verordnungsbeschlüssen. Zum einen ist nach wie vor das Erneuerbaren-AusbauGesetz noch ausständig, ebenso wie eine Novellierung der Umweltverträglichkeitsprüfung. Zum anderen fehlt es an ausgewiesenen Flächen für Windparks und Photovoltaikanlagen. Hier braucht es jetzt ein klares Bekenntnis der Landespolitik zur Energiewende.“

Hier bekommt sie sogar Schützenhilfe von Österreichs Umweltministerin Leonore Gewessler: „Ein großer Hebel zur Verfahrensbeschleunigung liegt etwa in der besseren Personalausstattung bei den Behörden und den Gerichten. Es soll nicht sein, dass Projektwerber teilweise monatelang warten müssen, bis ein Amtssachverständiger verfügbar ist oder eine Richterin des BVwG sich dem Akt widmen kann. Klar ist aber auch, dass das schnellste Genehmigungsverfahren nichts hilft, wenn die Bundesländer keine Energieraumplanung machen und keine Standorte für Windparks ausweisen. So kommen wir nicht weiter.“

In der Schweiz gibt es ähnliche Probleme. Die BKW Energie AG, eine der größten Energieversorger der Schweiz, will bis 2026 ihr Portfolio an neuen erneuerbaren Energien auf mehr als ein Gigawatt an installierter Leistung erhöhen. Ihr Fokus liegt dabei auf Windkraft- und Solaranlagen in Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Norwegen und Schweden. So einfach ist das aber nicht. „Bis in der Schweiz ein Projekt für erneuerbare Energie realisiert werden kann, vergehen in den allermeisten Fällen über zehn Jahre vom Projektstart bis zum Abschluss. Es wäre hilfreich, wenn Genehmigungsverfahren vereinfacht würden“, heißt es aus der BKW Energie AG.

Subventionen an falscher Stelle

Darüber hinaus brauche es auch das Vertrauen in die Wirtschaft, dass sie in die Energiewende investieren wird, ergänzt Ulrich Streibl: „Dies wird sie tun, wenn die Investitionsbedingungen vernünftig sind und die Politik nicht in die Preisbildung auf den Energiemärkten eingreift. Es gibt die unsägliche Diskussion, die Benzin- und Dieselpreise zu subventionieren. Dabei sind sie real aktuell nicht höher als in den letzten Jahrzehnten. Die fossilen Energien müssen teurer werden, die CO2-Steuer muss steigen, damit die Energiewende gelingen kann. Dann wäre es auch nicht nötig, Ökostrom zu subventionieren. Wind- und Solarenergie mussten wir über die Jahre ja nur deshalb subventionieren, weil die fossilen Energieträger zu billig waren. Sie mussten die Kosten der durch sie verursachten Umweltschäden ja nie tragen.“

Damit bis 2030 bilanziell übers Jahr gerechnet Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen bestritten werden kann, müssten in Österreich weitere rund 27 Terawattstunden (TWh) Ökostrom hinzukommen, bei Photovoltaik zusätzliche elf, bei Wind zehn, bei Wasserkraft fünf und eine weitere Terawattstunde bei Biomasse. Und das ist nicht primär eine Frage des Preises, erklärt Streibl: „Österreich braucht noch 1.000 neue Windräder und unzählige Photovoltaikanlagen. Dafür müssen wir Jahr für Jahr doppelt so viel Windräder wie jetzt und sechsmal so viel Photovoltaikleistung ausbauen, nämlich 1.000 zusätzliche Megawatt pro Jahr.“ Rein technisch gesehen brauche das Planen, Finanzieren und Aufstellen einer Anlage nur zwei Jahre. Sieben zusätzliche Jahre dauere im Schnitt die Genehmigung. „Also, wie soll die Energiewen-

„Kompensieren eines Energieembargos ist kurzfristig nicht möglich.“

STEFAN SZYSZKOWITZ

„Verfahren beschleunigen und Flächen für Wind- parks ausweisen.“

BARBARA SCHMIDT

„Wir haben in Österreich nur Ziele, aber keinen Plan für die Energiewende.“

GERALD CHRISTINER

de bis in acht Jahren gelingen, wenn von der Planung bis zur Inbetriebnahme eines Windrads derzeit neun Jahre vergehen. Es braucht vielmehr mutige Politiker, die festlegen, dass solche Genehmigungsverfahren nicht länger als zwei Jahre dauern dürfen, Punkt“, sagt Streibl. Auch Nordex-Finanzvorstand Ilya Hartmann geht der Ausbau nicht schnell genug: „Im Jahr 2021 haben die EU 27 elf Gigawatt Leistung mit neuen Windturbinen errichtet – das ist nur die Hälfte dessen, was erforderlich ist, um das Ziel von 40 Prozent erneuerbarer Energie im Jahr 2030 zu erzielen. Das Problem in Europa und in Deutschland ist nicht eine fehlende politische Ambition, sondern die Regelungen und gesetzlichen Vorgaben im Genehmigungsprozess sind schlicht zu komplex und dauern zu lange.“ Dazu kommt, dass es in Deutschland bisher zu wenige ausgeschriebene Flächen zur Nutzung der Windenergie an Land und auch unterschiedliche länderspezifische Regelungen wie die 10-H-Regel gibt, die den Ausbau einschränken. „Viele Projekte werden zudem beklagt. Es geht jetzt darum, diese Hürden, die in den vergangenen Jahren den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland und in Europa behindert haben, schnellstmöglich zu beseitigen“, sagt Hartmann zum Börsianer Grün.

Für Frank Dumeier, Vorstandschef der WEB Windenergie, sind die Verteilnetze noch nicht für die Energiewende gerüstet und müssen daher ausgebaut werden. „Es braucht ausgewiesene Flächen, hier sind besonders Länder und Gemein-

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Unter Strom.

Keine Energie- ohne Netzwende, predigen die Ver sorger. Es fehlt überall an neuen Leitungen.

den gefragt. Für effizientere Genehmigungsverfahren braucht es unter anderem mehr Ressourcen in den Behörden. Denn auch der Netzausbau ist von diesen Verfahren abhängig – so schließt sich der Kreis“, sagt Dumeier zum Börsianer Grün.

Leitungsnotstand

Die langen Verfahren sind auch hier das Problem, kritisiert Ulrich Streibl: „Denken Sie nur an die 380- KV-Leitung in Salzburg, die hat 25 Jahre gebraucht.“ Damit spricht er Gerald Christiner, dem technischen Vorstand der 100-ProzentVerbund-Tochter Austria Power Grid (APG), aus der Seele: „Das ist in anderen Ländern schon anders. Die Deutschen haben da eine klare Priorisierung von Projekten mit höherem Interesse mit vordefinierter schnellerer Machbarkeit. Wir haben in Österreich nur Ziele, aber keinen Plan für die ganze Energiewende. Wir wissen weder, wo die großen Photovoltaikanlagen, noch, wo die Windparks entstehen und welche Netzinfrastruktur wir dafür bauen müssen.“ Auch gebe es keine Gesamtübersicht, wie stark sich der Stromverbrauch änderte, wenn viele Betriebe wie eine Voestalpine AG oder OMV AG jetzt elektrifizieren. „Die E-Erzeuger planen ja nicht mehr gemeinsam, stehen im Wettbewerb, und wir als Netzbetreiber sind reguliert und bekommen das Entgelt, das uns der Regulator genehmigt“, merkt Christiner an. Und das sei bei einer Verzinsung von nicht einmal fünf Prozent viel zu niedrig als Anreiz für Investitionen in das unterdimensionierte Leitungsnetz. „Es ist natürlich nachvollziehbar, dass man bei den steigenden Energiepreisen bei den Durchleitungskosten sparen möchte, nur schneidet man sich damit ins eigene Fleisch“, kritisiert Gerald Christiner, „in Deutschland ist es bereits gang und gäbe, dass Solarenergie gar nicht eingespeist werden kann, weil die Netzkapazitäten fehlen. Das könnte Österreich mangels Netzkapazitäten in unseren Windregionen auch blühen. Warum hätten wir früher Leitungen zur Parndorfer Platte, zum Brucker Becken oder ins Weinviertel legen sollen, da war ja kein Verbrauch. Wir werden im Weinviertel, das nur 70 Megawatt verbraucht, in wenigen Jahren Windräder mit 3.000 Megawatt installiert haben. Wir müssen die Energie bis nach Tirol bringen. Dafür brauchen wir leistungsstärkere Netze und müssen uns besser vernetzen.“

Teurer, weil die Netze fehlen

Schon jetzt haben wir ein großes Preisproblem, sagt Christiner: „Weil uns die Netzkapazitäten fehlen, können wir nicht genügend günstigen Strom aus Deutschland importieren und müssen auf unsere Gaskraftwerke zurückgreifen. Seit Jahresbeginn haben wir zwischen Deutschland und Österreich eine Preisdifferenz pro Megawattstunde von 30 Euro. Hochgerechnet auf unseren Jahresverbrauch von 70 Terawattstunden sind das rund zwei Milliarden Euro pro Jahr, die der österreichische Kunde für seinen Strom mehr zahlt als der deutsche.“ „Leitungen müssen dringend genehmigt und gebaut werden“, unterstreicht auch Barbara Schmidt von Oesterreichs Energie, „auch braucht es die Umsetzung einer Reihe von Verordnungen, um den Ausbau von Photovoltaikanlagen zu beschleunigen.“

Die Schweiz etwa produziert immer mehr Strom aus erneuerbaren Quellen und konsumiert dabei immer mehr Elektrizität. Besonders Photovoltaikanlagen auf privaten und öffentlichen Dächern sowie die Elektromobilität tragen dazu bei. „Bereits 2021 wurde im Versorgungsgebiet der BKW zu Spitzenzeiten mehr Strom aus Photovoltaik als aus Wasserkraft produziert. Diese Veränderung der Stromproduktion und des Konsums bringt hohe Anforderungen an das Stromnetz mit sich“, sagt ein Sprecher der BKW Energie AG. Die dezentrale und schwankende Stromproduktion durch erneuerbare Energien wie Photovoltaik und Wind verändert die Stromflüsse und erhöht den Leistungsbedarf vor allem im Mittel- und Niederspannungsnetz erheblich. Diese Entwicklungen sorgen für einen fundamentalen Wandel in diesen Netzen.

„Hören wir auf, fossile Energie zu begünstigen.“

ULRICH STREIBL

„Genehmigungsprozesse sind zu komplex und dauern zu lange.“

ILYA HARTMANN

„Die Zukunft der Heizung liegt in der kalten Nahwärme.“

THOMAS GIEL

Speicher modernisieren

Wichtig sei laut Barbara Schmidt auch der europäische Austausch von erneuerbarer Energie, damit Strom immer verlässlich aus der Steckdose kommt. Die EUStaaten haben sich darüber verständigt, bis 2030 die Einrichtungen zum Transport und zur Speicherung von Energie in Europa zu modernisieren. Die nationalen Stromnetze sind in Europa durch grenzüberschreitende Leitungen, die Interkonnektoren, miteinander verbunden. Sie machen es physikalisch möglich, Strom über die Grenzen hinweg zu handeln und die Preise im Idealfall europaweit anzugleichen. Es werden im europäischen Binnenmarkt für Strom immer größere Strommengen immer weiter transportiert, wofür die Stromnetze ursprünglich nicht ausgelegt waren. Deshalb ist ein Netzausbau europaweit erforderlich. Um den Aus- und Umbau der europäischen Übertragungsnetze voranzutreiben, gibt es das europäische Forschungsprojekt EHighway 2050. Bis 2050 will man Wechsel- und Gleichstromleitungen zu einem leistungsstarken gesamteuropäischen Verbundnetz, das große Mengen Strom aus erneuerbaren Energiequellen aufnehmen sowie über weite Strecken transportieren kann, zusammenführen. „Neben dem Ausbau des europäischen Stromnetzes macht auch die Förderung von Energiegemeinschaften Sinn, mit denen etwa Gemeinden ihre Bürger an der Errichtung von Photovoltaikanlagen oder Windräder beteiligen,“ findet Barbara Schmidt, „allein schon zur besseren Bewusstseinsbildung. Das Ziel kann aber nicht die Energieautarkie sein. Denn es braucht den Austausch über das überregionale Stromnetz, da der Wind nicht immer dort bläst und die Sonne nicht gerade dort scheint, wo der Strom gebraucht wird.“ Von einer Energieunabhängigkeit seien wir ohnedies noch sehr weit entfernt, ergänzt Gerald Christiner: „Wir haben bis 2030 ja nur das Ziel, unseren Strom zu 100 Prozent zu dekarbonisieren. Das sind 70 Terawattstunden. Der gesamte Energieverbrauch von Österreich liegt bei über 300 Terawattstunden.“

Trend zu Energiegemeinschaften

„Jedes Projekt ist jetzt wichtig, jede neu montierte PV- oder Solaranlage, jede Maßnahme zur Energieeffizienz“, unterstreicht Ingmar Höbarth, Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds Österreich, „ein neuer Player dabei sind die Energiegemeinschaften, für die wir eine Koordinationsstelle aufbauen durften.“ Hier können sich Kommunen und Bürger an lokalen Windparks, Biomasse- oder PV-Anlagen beteiligen und selbst mitbestimmen, wie und wo ihre Energie erzeugt, vermarktet und verkauft wird. „Mittlerweile sind es 120 Regionen in ganz Österreich, die derartige Projekte mit enormem Engagement vorantreiben.“ Dem kann auch Stefan Szyszkowitz viel abgewinnen: „Der Trend zu Energiegemeinschaften zeigt die hohe Nachfrage nach regionalen Lösungen. In der Praxis braucht es aber nach wie vor häufig die Unterstützung und die Anbindung an das überregionale Stromnetz, um die Versorgungssicherheit rund um die Uhr gewährleisten zu können.“ „Einfach tun“ ist die Devise von Thomas Giel, Professor an der Technik-Hochschule Mainz, der in Deutschland das Grundübel darin sieht, dass das Stromnetz ohne Vorgaben liberalisiert wurde und jetzt die großen Energieversorger den lokalen privaten Energiegemeinschaften die Spielregeln hinsichtlich der Einspeisetarife und Stromverwendung vorgeben, die sich nicht rechnen.“ Der Wissenschaftler ist Verfechter der kostengünstigen kalten Nahwärme. Erfolgt die Wärmeversorgung von Gebäuden normalerweise mit einer Vorlauftemperatur von 70 bis 100 Grad, kommen Kaltwärmenetze mit acht bis 38 Grad aus, die über Ringleitungen mit dem Wärmeträgermedium Sole die dezentralen Wärmepumpen in den Gebäuden versorgen, berichtet Thomas Giel dem Börsianer Grün von seinem Projekt Schifferstadt in Rheinland-Pfalz, „weil man dafür aber rund einhundert Meter in die Erde bohren muss, fielen wir ins Bergbaugewerbe. Wir gingen bis zum Bundesrat mit unserer Bitte, die Verfahren zu vereinfachen, um unser Best-Practice-Beispiel massentauglich machen zu können. Wir haben einfach losgelegt und dann die Kommune überzeugt, auch weil die Wartung kostengünstig ist. Es wird in Rheinland-Pfalz derzeit kein Neubaugebiet erschlossen, wo nicht auch passive kalte Nahwärmenetze angedacht werden.“ Thomas Giel ärgert sich, dass die Industrie die Handwerker noch zu wenig auf diese umweltfreundlichen Technologien schult: „Dahinter steckt eine starke Lobby. Im letzten Jahr waren in Deutschland noch 80 Prozent der sanierten Heizungen Gasthermen.“

% MEINE GRÜNE RENDITE

So richtig in Schwung kommt die Energiewende weder in Deutschland noch Österreich oder der Schweiz. Der Wille bei den Unternehmen ist da, es fehlt an akzeptablen politischen Rahmenbedingungen, Stromleitungen und Stromspeichern. n

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