2 minute read

WIRTSCHAFT NEU DENKEN

Unbegrenztes Wirtschaftswachstum um jeden Preis – dieses Denken wird in Zeiten von Umwelt- und Klimakrisen zu Recht vor allem von der jüngeren Generation zunehmend kritisiert. Nur sie werden nicht gehört, viel zu stark sind andere Kräfte.

„Wer Sicherheit will, darf Böden nicht weiter zubetonieren.“

VITA KURT WEINBERGER

VORSTANDSVORSITZENDER ÖSTERREICHISCHE HAGELVERSICHERUNG

Der gebürtige Linzer (61) promovierte an der Universität für Bodenkultur in Wien, wo er auch Vorsitzender des Universitätsrats ist, und studierte berufsbegleitend mehrere Jahre Rechtswissenschaften in Salzburg. 2011 wurde er zum Präsidenten der weltweiten Vereinigung der Naturkatastrophenversicherer AIAG gewählt. Der Natur- und Jagdbegeisterte engagiert sich seit mehr als 20 Jahren für mehr Klima- und Bodenschutz in Österreich. Er scheut in diesem Zusammenhang auch keinen Konflikt, da es bei diesen Themen um die Zukunft der nachfolgenden Generationen geht.

Der dramatische Ukraine-Krieg mit den nun sichtbar gewordenen Abhängigkeiten zeigt uns die Grenzen des unbegrenzten Wachstums auf. Doch lernen wir daraus? Blicken wir auch zurück auf den Beginn der Coronapandemie. Hat das Virus auch etwas Gutes? Weltweit führte der Erreger (zumindest vorübergehend) zu Verhaltensänderungen - v. a. während der Stillstandsphase - und damit zu (unfreiwilligen) Emissionsreduktionen. Plötzlich funktionierte das Leben auch ohne, zum Beispiel, exzessiven Flugverkehr. Wir haben gezwungenermaßen erfahren, auf wie viele Flugreisen wir verzichten können. Doch heute fliegen wir wieder für 39 Euro nach London, also weit unter den Kosten, die der Flug verursacht, und das mit steuerbefreitem Kerosin. Die Konsequenz: Wir schädigen die Umwelt und den Staat gleichermaßen. Kommen wir zu einem anderen Thema, zum Grundbedürfnis Lebensmittelversorgung: Es ist nicht selbstverständlich, Lebensmittel überall und sofort zu bekommen. Ernährungssicherheit kann man nicht importieren! Das zeigte schon die Coronakrise, als es vielerorts leere Regale gab. Eindrücklich und dramatisch zeigt uns der UkraineKrieg, was es bedeutet, wenn die Ukraine als Kornkammer Europas keine agrarischen Rohstoffe mehr exportieren kann. In der heimischen Landwirtschaft zeigt sich (noch) eine gewisse Stärke. Ohne sie hätten wir alle weniger zu essen. Zunehmende Wetterextreme wie Frost, Hagel, Dürre, Überschwemmung und schwindende Agrarflächen durch Verbauung gefährden jedoch immer mehr die heimische Produktion. Dabei ist der Schutz der Souveränität eine der wichtigsten Aufgaben des Staates, und dazu gehört die Lebensmittelversorgungssicherheit. Wer Sicherheit will, darf Böden nicht weiter zubetonieren. Denn ohne Böden kein Essen, und ohne Essen kein Leben. Diesen einfachen Grundsatz sollten wir endlich verstehen. Genauso, dass man Beton nicht beißen kann.

In volkswirtschaftlicher Hinsicht zeichnen sich aus diesen Krisen hoffentlich Lehren ab. Eines ist klar: Weitermachen wie bisher ist keine Option. Was wir brauchen, ist eine Neubewertung der uneingeschränkten Globalisierung. Die Umwelt und der Schutz vor Klimakatastrophen müssen uns in unserer Kalkulation etwas wert sein. Den Wohlstand allein an der Kennzahl des BIPs zu bemessen ist fatal, denn wie viel Schadwirkung sich hinter der Zahl verbirgt, bleibt verborgen. Wirtschaft neu denken heißt, wir müssen in eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung auch die Kennzahl Naturkapital aufnehmen. Das heißt, wie hat sich der Zustand der Natur, wie Boden oder Wasser innerhalb eines Jahres entwickelt. Denn, wie gesagt, Beton kann man nicht beißen, wir brauchen auch einen intakten Naturraum, um zum Beispiel Klimakatastrophen abzufedern. Begreifen wir endlich: Nicht die Natur braucht uns, sondern wir brauchen die Natur. Ob und wie ein Wandel vonstattengeht, ist offen. Sicher ist jedenfalls, dass die Schwächen des jetzigen Systems deutlich sichtbar werden – womit auch der Ruf nach einem Wandel noch lauter werden wird. Faktum ist: Wir müssen die Chance, die Wirtschaft neu zu denken, ergreifen und neben dem BIP auch die Kennzahl des Naturkapitals in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung aufnehmen. Unsere Kinder und Kindeskinder werden es uns danken! n

KURT WEINBERGER

This article is from: