4 minute read

PRO & KONTRA

Waffen. Rüstungs- und Waffenproduzenten wie die Rheinmetall rechnen wegen der EU-Taxonomie mit Finanzierungsproblemen und wollen jetzt nachhaltig sein.

INVESTITIONEN IN RÜSTUNG –KRIEGSTREIBER ODER NOTWENDIGKEIT?

Sind Investitionen in Waffen und Rüstung moralisch zu verurteilen oder ethisch vertretbar? Wie sollen sich Anleger in diesem Dilemma verhalten? Der Börsianer Grün hat mit Experten gesprochen.

TEXT JAKOB DUMFARTH

Die Europäische Union feilt gerade an einer neuen Verordnung über eine soziale Taxonomie und heizt damit eine weitere Diskussion an. Unter welchen Voraussetzungen sind Investitionen sozial verträglich? Nachdem die EU derezeit grüne Investments im Zuge der grünen Taxonomie klassifiziert, sollen jetzt auch die sozialen Fragen geklärt werden. Hierbei drängt sich die Frage auf, ob Rüstungsfirmen nachhaltig und sozial sind. Diese machen sich bereits Sorgen, dass sie durch die neuen Verordnungen und Pläne Finanzierungsschwierigkeiten bei den Banken bekommen. „Nein, die Rüstungsindustrie ist nicht nachhaltig. Dies betrifft insbesondere die soziale und die ökologische Dimension von Nachhaltigkeit“, so Sibel Arslan, Abgeordnete zum Schweizer Nationalrat für die Grünen, „die Rüstungsindustrie ist auf Gewalt und das damit einhergehende Leid angewiesen, um Profit zu erarbeiten.“ Kim Felix Fomm, Chief Investment Officer des Kreditinstituts Raisin Bank AG, hat einen anderen Blick auf die Dinge: „Niemand mag Krieg, kaum jemand mag Waffen. Dennoch war es auch vor dem Angriff Russlands mein Standpunkt, dass die Rüstungsindustrie notwendig ist, um unser Gesellschaftsmodell zu schützen.“

„Langfristig führt nur eine abrüstende Welt zu mehr Sicherheit.“

Die Kriegsprofiteure

Überall, wo es Verlierer gibt, gibt es auch Gewinner. So ist das auch im aktuellen Ukraine-Krieg. Europaweit kam es zu einem Ruck in Richtung Militärausgaben. Deutschland investiert 100 Milliarden in die Bundeswehr, auch die österreichische Regierung möchte die Militärausgaben erhöhen. Acht der 30 Mitgliedsstaaten der Nato erreichen das Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in das Militär zu investieren. Der Rüstungskonzern Rheinmetall AG profitiert logischerweise von dieser globalen Entwicklung. Im Jahr 2022 will das Unternehmen den Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 15 bis 20 Prozent steigern.

Das Geschäft mit Waffensystemen und Munition schoss jüngst um 17 Prozent in die Höhe. Die Sparte Bestellungen verzeichnete durch einen „großvolumigen Munitionsauftrag“ aus Ungarn ebenfalls historische Umsatzzahlen von 1,15 Milliarden Euro. In den Augen von Konzernsprecher Oliver Hoffmann kann ein Rüstungsunternehmen durchaus nachhaltig sein: „Unternehmen der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie tragen entscheidend zur gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge bei und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit.“ Ein Pro & Kontra: n

„Unternehmen der Verteidigungsindustrie leisten Beitrag zur Nachhaltigkeit.“

PRO KONTRA

„Jeder Mensch schätzt bestimmte „ESG-Ansatz kann Geschäftsmodelle auch ohne Branoder Branchen un- chenausschlüsse terschiedlich ein. verwendet werden.“ Nachhaltigkeit ist daher subjektiv. KIM FELIX FOMM Ich würde die Rüstungsindustrie als nachhaltig mit Blick auf die Sicherung unserer Gesellschaftsordnung einstufen“, so Kim Felix Fomm. Er plädiert für eine differenziertere Betrachtung des Begriffs Nachhaltigkeit. Dieses „subjektive, moralische Urteil“ müsse jeder für sich selbst treffen: „Jedes Unternehmen kann man durch eine ESG-Brille betrachten, so wird es zu durchaus unterschiedlichen Einschätzungen einzelner Rüstungsunternehmen kommen.“ Von einem kategorialen Ausschließen bestimmter Branchen hält Fomm wenig: „Der ESG-Ansatz kann auch ohne den Ausschluss bestimmter Branchen verwendet werden. Das wird dann üblicherweise als Best-in-Class-Ansatz bezeichnet. Hier wird nur in die jeweils nachhaltigsten Unternehmen innerhalb einer Branche investiert, ohne ein moralisches Urteil zur Branche selbst zu treffen und sie auszuschließen.“

Im ESG Reporting Factbook der Rheinmetall AG bekennt sich das Unternehmen beispielsweise zu den zehn Prinzipien des United Nations Global Compact, dem sie seit April 2021 angehört. Diesem globalen Netzwerk können sich Unternehmen anschließen, wenn sie verantwortungsvoll wirtschaften wollen. Der Rüstungskonzern bekennt sich darin zum Beispiel zu den Prinzipien „Unternehmen sollen den Schutz der internationalen Menschenrechte unterstützen und achten“ und „Unternehmen sollen im Umgang mit Umweltproblemen dem Vorsorgeprinzip folgen“. Konzernsprecher Oliver Hoffmann sieht darin keinen Widerspruch mit dem Geschäftsmodell der Rheinmetall AG. Im Bericht heißt es auch: „Weder Rheinmetall AG noch ihre Tochtergesellschaften entwickeln, produzieren oder vertreiben Antipersonenminen, biologische, chemische oder nukleare Waffen, Streumunition oder Munition mit abgereichertem Uran. Darüber hinaus wird auch nicht beabsichtigt, dies künftig zu tun.“ Gänzlich anderer „Nachhaltigkeit ist Meinung ist Ramit Geschäften der phael Fink, ExperRüstungsindustrie te für das Österreiunvereinbar.“ chische Umweltzeichen für FinanzRAPHAEL FINK produkte beim Verein für Konsumenteninformation. Ihn stört nicht nur die moralische Perspektive auf die Rüstungsindustrie, sondern auch die ökologische: „Laut Schätzungen einer Studie des Conflict and Environment Observatory ist das Militär in der Europäischen Union im Jahr 2019 für 24,8 Millionen Tonnen Treibhausgase verantwortlich. Wäre das US-Militär ein Land, läge es mit seinen Treibhausgasemissionen auf Platz 47 zwischen Portugal und Peru. Vier Fünftel der fossilen Energien, die im Einflussbereich der US-Regierung benötigt werden, gehen zulasten des Militärs.“ Der Meinung, dass Rüstungsunternehmen Sicherheit gewährleisten, kann Fink nichts abgewinnen. „Es ist der aktuelle Spin der Rüstungsindustrie – auch wegen der beginnenden Entwicklung der sozialen Taxonomie auf europäischer Ebene – zu behaupten, Sicherheit sei die Voraussetzung für Nachhaltigkeit. Die Waffen- und Rüstungsindustrie hat Sorge, zukünftig auf Investments und Gewinne verzichten zu müssen, wenn sie in der Taxonomie, wie aktuell anvisiert, nicht als akzeptabel gelistet ist.“ Die Schweizer Nationalrätin Sibel Arslan spricht der Rüstungsbranche ebenso jeden Sicherheitsanspruch grundsätzlich ab: „Je verbreiteter Schusswaffen in einer Bevölkerung sind, desto unsicherer ist die Umwelt, also weniger öffentliche Sicherheit. Die Produkte von Rüstungsfirmen tragen langfristig nicht zur öffentlichen Sicherheit bei.“

Investoren, die in solche Firmen investieren, würden entgegen dem Ziel einer nachhaltigen Welt arbeiten. 2021 betrugen die globalen Rüstungsausgaben 2,11 Billionen US-Dollar. Die jährliche Finanzierungslücke bei der Erreichung aller Nachhaltigkeitsziele der UNO beträgt im Gegensatz dazu 2,5 bis drei Billionen US-Dollar. „Mit dem Geld, das weltweit jährlich in Militär, Waffen und die Rüstungsindustrie fließt, ließe sich eine echte Transition in Richtung Nachhaltigkeit finanzieren“, so Fink.

This article is from: