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ERFOLGSSTORY ATOMENERGIE
VITA GERNOT WAGNER
Klimaökonom New York University
Seit 2019 lehrt der Klimaökonom und Autor an der New York University, davor unterrichtete er an der Harvard University. Dort zog es den gebürtigen Österreicher schon zum Studium hin. Bis zur Promotion blieb er dort, Harvard verließ er nur für ein Masterstudium in Stanford. Der leidenschaftliche Läufer schrieb mehrere Bücher, eines wurde zum Wissenschaftsbuch des Jahres 2017 gekürt. Wenn englischsprachige Menschen fragen, wie man seinen Vornamen ausspricht, sagt Wagner: „So wie Juggernaut, aber ohne Jug.“
WARUM FUKUSHIMA EINE ERFOLGSGESCHICHTE IST
STROMERZEUGUNG IN EUROPA
ATOMSTROM GAS KOHLE WIND WASSERKRAFT SOLAR SONSTIGE BIOMASSE ÖL 27,0 % 18,2 % 15,9 % 14,4 % 12,2 % 5,0 % 3,4 % 3,2 % 0,7 %
QUELLE: STATISTA (2021)
Die EU-Kommission stuft Atomkraft und Gas als nachhaltig ein. Deutschsprachige Investoren sind empört. Doch Atomkraft ist nicht ganz so schlecht wie ihr Ruf, meint Klimaökonom Gernot Wagner.
INTERVIEW ANTONIA HOTTER
Herr Wagner, ist Atomkraft nachhaltig? – Gernot Wagner: Nein, natürlich nicht. Weder nachhaltig noch grün. Aber Atomkraft ist eine CO2-arme Energiequelle.
Gegen die Atomkraft spricht, dass sie extrem teuer ist. Das Geld, das
wir in Atomkraft investieren, fehlt beim Ausbau der Erneuerbaren. – Wir dürfen nicht weniger Geld in Solar- und Windenergie stecken. Aber fossile Energie wird weltweit subventioniert, mit rund 100 Milliarden US-Dollar mehr als alle Erneuerbaren zusammen. Es geht darum, dass wir mehr CO2-arme Energie haben und weniger Gas und Kohle. Global gesehen werden immer noch Kohlekraftwerke gebaut. Auch in Deutschland laufen sie noch. Obwohl der Atomausstieg bald stattfindet, soll der Kohleausstieg erst 2030 folgen.
Atomausstieg vor Kohleausstieg ist die falsche Reihenfolge? – Ja, natürlich. Aus Klimasicht ist der sofortige Kohleausstieg das Wichtigste überhaupt. Der Gasausstieg natürlich auch.
Was ist mit den Risiken der Atomkraft? – Das sind Risiken, die wir gegen die Risiken des Klimawandels abwägen müssen.
Ist Österreichs Umweltministerin Leonore Gewessler zu Unrecht beunruhigt, wenn sie sagt, die Atomkraft sei gefährlich, wie uns Tscher-
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bis zu 40 Milliarden Tonnen an CO2 werden weltweit jährlich in die Atmosphäre gelassen. Dort verschwindet das unsichtbare und geruchslose Gas – aber nur scheinbar.
nobyl und Fukushima deutlich gezeigt hät-
ten? – Es gibt einen sehr großen Unterschied zwischen Tschernobyl und Fukushima. Dass es noch neun Reaktoren nach dem Tschernobyl-Design gibt, ist eine Katastrophe, eine tickende Zeitbombe. In Fukushima konnte man nur einen Todesfall der Radioaktivität zuordnen. Tausende starben wegen des stärksten Erdbebens in Japans Geschichte, aber nur ein Mensch wegen der Strahlung. Das zeigt ein Bericht der Vereinten Nationen. Die Sicherheitsvorkehrungen funktionierten gut genug. Insofern ist Fukushima eine Erfolgsgeschichte. Japan hat infolge des Fukushima-Unglücks den Atomausstieg vorgezogen und Kohlekraft ausgebaut. Durch die Luftverschmutzung, die Kohlekraftwerke erzeugen, sterben viel mehr Menschen. Von den Folgen des Klimawandels einmal ganz abgesehen. Ein Toter ist eine Tragödie, tausende sind eine Statistik. Das stimmt auch hier.
Der Atommüll bleibt ein Problem. Was
macht man damit? – Die Atommülllagerung ist kein technisches Problem, sondern ein politisches. Momentan machen wir oft das Dümmste überhaupt. Der Atommüll wird in einer Art bewachten Turnhalle außerhalb des Atomreaktors aufbewahrt, weil niemand den Müll haben möchte. In den USA geht es um 85.000 Tonnen Atommüll, die sich seit den 1950er-Jahren angesammelt haben. Jährlich stoßen wir global 30 bis 40 Milliarden Tonnen CO2 aus. Der große Unterschied: CO2 ist ein unsichtbares, geruchlos Gas, das scheinbar in der Atmosphäre verschwindet. Lösungen, um es wieder aus der Atmosphäre herauszuholen, gibt es nicht.
GERNOT WAGNER
Nur weil CO2 schlecht ist, rechtfertigt das die Produktion von Atommüll noch nicht.
– Natürlich nicht. Aber es ist eine Frage der Alternative. Das Atomkraftwerk im österreichischen Zwentendorf wurde nie eingeschaltet. 30 Jahre lang stand dort ein Kohlekraftwerk, mittlerweile ist es ein Gaskraftwerk. Die CO2-Emissionen sind enorm – verglichen mit der Alternative.
Die Europäische Kommission hat Atomenergie im Rahmen der Taxonomie-Verordnung als nachhaltig eingestuft. Ist das sinnvoll?
– Die Taxonomie ist ein riesengroßer politischer Kompromiss. Das beginnt aber mit der Sprachwahl. Ist Atomkraft nachhaltig? Nein. Ist Gas nachhaltig? Nein. Es ist ein temporärer Kompromiss. Bei dem geht es vor allem darum, Frankreich zu unterstützen, das 70 Prozent seines Stroms aus Atomkraft bezieht. Die Sprachwahl ist dümmlich, politisch natürlich. Natürlich gäbe es in der Theorie bessere Lösungen. Da bin ich glücklich, Akademiker zu sein und kein Politiker.
Was wäre passiert, hätte die EU Atomkraft in der Taxonomie nicht als nachhaltig be-
zeichnet? – Es hätte noch viel länger gedauert, um zu einem Ergebnis zu kommen. Wir hätten wieder ein Jahr herumgeplappert. Das Element Zeit ist beim Klimawandel ein sehr, sehr wichtiges.
% MEINE GRÜNE RENDITE
Kernenergie ist weder nachhaltig noch grün. Sie stößt aber weniger CO2 aus und fordert im Durchschnitt weniger Todesopfer als andere fossile Energieträger. Was die Endlagerung von Atommüll betrifft, gibt es technische Lösungen, aber die Umsetzung ist ein Politikum: Niemand will den Atommüll haben. Durch die Aufnahme von Atomkraft büßt die Taxonomie an Glaubwürdigkeit ein. Insgesamt stimmt aber die Richtung. n
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Warum Fukushima eine Erfolgsgeschichte ist
BILANZIELLE AUSWIRKUNGEN DES UKRAINE-KRIEGS
Der Überfall Russlands auf die Ukraine hat bekanntlich weitreichende Folgen für die Wirtschaft weltweit. Am 24.2.2022 traten erste Sanktionen in Kraft, die von der EU und anderen westlichen Staaten verhängt wurden. Die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Sanktionen sind in Jahres- und Konzernabschlüssen entsprechend zu berücksichtigen. Ob auch Ihr Unternehmen betroffen sein könnte, lesen Sie hier.
Für Unternehmen mit Abschlussstichtagen bis zum 23.2.2022 stellt der Ukraine-Krieg ein wertbegründendes Ereignis dar, das sich grundsätzlich nicht im Zahlenwerk des Abschlusses widerspiegelt, es sei denn, die Möglichkeit zur Unternehmensfortführung ist gefährdet. Obwohl der Ukraine-Krieg als wertbegründendes Ereignis keinen direkten Einfluss auf den Bilanzgewinn hat, kann es im Sinne der Kapitalerhaltung zu einer Ausschüttungsbegrenzung kommen. Als wesentliches Ereignis nach dem Abschlussstichtag ergeben sich zusätzlich Berichtspflichten für den Anhang und Lagebericht.
Für Unternehmen mit Abschlussstichtagen nach dem 23.2.2022 stellt der Ukraine-Krieg ein wertaufhellendes Ereignis dar, das im Zahlenwerk des Abschlusses zu berücksichtigen ist. Neben einer neuerlichen Überprüfung der Fortführungsfähigkeit des Unternehmens kann eine Durchbrechung des Stetigkeitsgrundsatzes für Ansatz und Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden erforderlich sein.
In der Praxis beobachten wir aktivseitig vor allem einen Bedarf von außerplanmäßigen Abschreibungen, weil z.B. Finanzanlage- und Finanzumlaufvermögen an Wert verlieren oder Forderungen nicht länger werthaltig sind. Passivseitig ist insbesondere mit einem erhöhten Rückstellungsbedarf zu rechnen, weil beispielsweise Verluste aus schwebenden Absatz- oder Beschaffungsgeschäften drohen oder aber Unternehmen beabsichtigen, sich mittel- bis langfristig aus diesen Ländern zurückzuziehen.
Der russische Überfall auf die Ukraine hat zudem zu einem massiven Absturz des russischen (RUB) und belarussischen (BYN) Rubels sowie der ukrainischen Währung (UAH) geführt (siehe Abbildungen rechts).
Diese Kursschwankungen fremder Währungen wirken sich zusätzlich auf die Bewertung von Aktiva und Passiva aus und es ist damit zu rechnen, dass vermehrt Fremdwährungsverluste realisiert werden.
AUSWIRKUNGEN AUF KONZERNABSCHLÜSSE
Unternehmen im Konzerngeflecht haben zusätzlich zu den bereits genannten Auswirkungen die spezifischen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf den noch nicht aufgestellten Konzernabschluss zu beachten.
Österreichische Mutterunternehmen eines Teilkonzerns, die in einen übergeordneten Konzernabschluss einbezogen werden, sind von der Pflicht zur Aufstellung eines Teilkonzernabschlusses befreit. Wenn die ausländische Konzernmutter bedingt durch den Ukraine-Krieg keinen befreienden Konzernabschluss aufstellt, hat das österreichische Mutterunternehmen zu prüfen, ob ein Teilkonzernabschluss aufzustellen, zu prüfen und offenzulegen ist.
Österreichische Mutterunternehmen müssen Tochterunternehmen ausnahmsweise nicht mittels Vollkonsolidierung in den Konzernabschluss einbeziehen, wenn die erforderlichen Informationen nur mit unverhältnismäßigen Verzögerungen oder hohen Kosten erhalten werden können.
Der Ukraine-Krieg kann schließlich auch die Kontroll- oder Zugriffsrechte auf ein Tochterunternehmen einschränken oder aufheben. In diesen Fällen ist im Einzelfall und unter Berücksichtigung von Eingriffen in Geschäftsführungsentscheidungen sowie Einschränkungen durch Regulatoren zu beurteilen, ob das betroffene Unternehmen weiterhin als Tochterunternehmen zu sehen ist.
WE SEARCH FOR GREATNESS. CONCLUSIO
Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs können sich vielschichtig auf die Berichterstattungspflichten von Unternehmen auswirken. Wir raten allen Unternehmer:innen, sich mit den Auswirkungen auf die Rechnungslegung rechtzeitig auseinanderzusetzen.
SIE HABEN FRAGEN ZUR KONKRETEN AUSGESTALTUNG IN IHREM UNTERNEHMEN?
Wir sind gerne für Sie da!