5 minute read

Musterknabe UBS

ES IST NICHT LEICHT, EIN MUSTERKNABE ZU SEIN

Die Schweizer Bank UBS zeigt sich vorbildlich und lässt ihre Aktionäre bei der Hauptversammlung über den Klimaplan abstimmen. Warum sie damit kaum besser wegkommt als der Kohlegigant Glencore.

Aufsicht. Axel Weber war von Mai 2012 bis April 2022 Verwaltungsratspräsident der UBS Group AG und hat die Bank auf Nachhaltigkeit getrimmt.

© ARND WIEGMANN / REUTERS / PICTUREDESK.COM UBS GROUP

22,50

15,00

7,50

18.5.17 18.5.22

Quelle: baha

Die UBS Group AG (UBS) verfolgt hehre Ziele, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht. „Sie muss die Leitschnur für unser aller Handeln und alle Aktivitäten in der Bank jeden Tag sein“, mahnte Axel Weber im April 2022 auf seiner letzten Generalversammlung als Verwaltungsratspräsident. Nach zehn Jahren an der Spitze des UBS-Aufsichtsrats verabschiedete sich der einstige deutsche Bundesbankpräsident von seinen Aktionären mit einer Geste, die mehr sein will als Symbolik.

Als eine der ersten großen Banken weltweit legte der UBS-Verwaltungsrat heuer den eigenen Klima-Aktionsplan seinen Aktionären vor, damit sie diesen im Rahmen einer sogenannten Konsultativabstimmung gutheißen konnten. Der Umstand, dass solche Voten rechtlich keine bindende Wirkung entfalten, ändert nichts an ihrer Bedeutung als Gradmesser für die Zufriedenheit der Eigentümerschaft.

Doch Weber und sein niederländischer CEO Ralph Hamers mussten ein ernüchterndes Ergebnis zur Kenntnis nehmen. Zwar erhielt der Plan ganze 77,7 Prozent Ja-Stimmen. Doch der Schein der großen Zahl trügt gewaltig. 14,8 Prozent der Stimmen lauteten auf ein glattes Nein und 7,5 Prozent ließen die Entscheidung offen.

Ja mit Bauchweh

Eine Daumenregel unter GovernanceBeratern besagt, dass eine Zustimmungsrate von unter 80 Prozent wie eine Zurückweisung gewertet werden sollte. Denn bei großen Publikumsgesellschaften wie UBS, deren Aktien in den wichtigsten nationalen und internationalen Börsenindizes enthalten sind, liegt die überwiegende Mehrheit der Stimmrechte in den Händen von Indexfonds und anderen kollektiven Anlagegefäßen mit konsequent passivem Abstimmungsverhalten. Dass selbst der nicht nur bei

© UBS Viel zu tun. Bei der UBS weist der Plan zur Erreichung der Klimaneutralität noch große Lücken auf. Die Transformation des Portfolios ist im Gang.

der UBS notorisch umstrittene Vergütungsbericht ein deutlich besseres Ergebnis (85,9 Prozent) erzielte als der Klima-Aktionsplan, spricht Bände.

Vincent Kaufmann, Geschäftsführer der Genfer Anlagestiftung Ethos, der führenden Stimmrechtsberaterin in der Schweiz, sagt: „Die UBS hat einen guten Anfang gemacht, aber sie muss mehr tun.“ Der Plan zur Erreichung einer vollständigen Klimaneutralität weise noch zu große Lücken auf, begründet Kaufmann die Nein-Parole, die Ethos im Vorfeld der UBS-Generalversammlung an ihre Kunden ausgegeben hatte.

Im vergangenen Jahr hatte sich die UBS verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen für alle Aspekte ihres Geschäfts bis 2050 auf netto null zurückzufahren. Im März dieses Jahres nannte die Bank verschiedene Zwischenziele bis 2030, darunter eine Senkung der absoluten kreditfinanzierten Emissionen für Unternehmen aus dem Sektor der fossilen Brennstoffe um 71 Prozent und vor allem eine Reduzierung der Emissionsintensität des Kreditportfolios von Wohnimmobilien um 42 Prozent.

Rund die Hälfte des UBS-Kreditportfolios bleibt von den Emissionszielen aber ausgenommen. Und im wichtigen Vermögensverwaltungsgeschäft, wo die Bank einen Kapitalstock von über 4.000 Milliarden US-Dollar betreut, bleiben drei Viertel der Investitionen ebenfalls ausgeklammert. „Wir bleiben im Gespräch mit der UBS über weitere Verbesserungsmöglichkeiten“, sagt Kaufmann ohne Versprechungen für die nächste Generalversammlung. „Wir sind uns bewusst, dass es zur Erreichung unseres langfristigen Ziels entscheidend ist, wichtige Zwischenziele zu identifizieren und zu erreichen“, räumt ein UBS-Sprecher ein. „Wir verfolgen ehrgeizige Pläne, die ein entschlossenes Handeln erfordern.“

Brave schwarze Schafe?

Nicht frei von Neid dürfte die UBS als eine der Nachhaltigkeitspionierinnen unter den internationalen Großbanken auf die jüngsten Erfolge in der Klimastrategie anderer Unternehmen schielen, die mithin zu den weltweit größten Klimasündern gehören. Der ebenfalls in der Schweiz ansässige Rohstoffkonzern Glencore, der global bedeutendste Kohleproduzent, der Minen in Südamerika, Südafrika und vor allem in Australien betreibt, erreichte auf seiner Generalversammlung Ende April eine Zustimmungsrate der Aktionäre für seinen Klimaplan von 76 Prozent – fast gleich viel wie die UBS. Die Aktionäre des weltgrößten Zementproduzenten Holcim, auch er mit Sitz in der Schweiz, stimmten dem Klimabericht des Unternehmens Anfang Mai sogar mit fast 90 Prozent zu. Warum, ist zu fragen, kommt die sichtlich bemühte Großbank gegen diese nachweislich schwarzen Schafe der globalen Klima-Wirtschaft so schlecht weg?

Ethos-Chef Kaufmann hat dafür eine plausible Theorie: „Viele klimasensible Investoren haben ihre Aktien in diesen Unternehmen bereits abgestoßen“, mutmaßt der Anlagespezialist. Die Vermutung ist umso naheliegender, als statistische Erhebungen deutlich zeigen, dass sich die Anwendung sogenannter Ausschlusskriterien für besonders klimaschädliche Sektoren und Firmen bei vielen institutionellen Investoren rasch ausbreitet.

Spaltung in gute und böse Aktionäre

Eine solche Entwicklung dürfte dem Wirtschaftsnobelpreisträger Oliver Hart kaum gefallen. Vor einigen Jahren erklärte er in einem Aufsatz zusammen mit Forscherkollege Luigi Zingales, wie die Aktionäre das Management auch in Sachen Nachhaltigkeit disziplinieren sollten. Die beiden Ökonomen akzeptieren zwar im Grundsatz die 50-jährige Prämisse Milton Friedmans, nach der sich Unternehmenslenker ganz auf die Interessen der Aktionäre konzentrieren

und ethische Entscheidungen den Individuen und den demokratisch gewählten Regierungen überlassen sollten.

Aber Hart und Zingales vertreten die Meinung, dass die Interessen bei den meisten Aktionären weit über die Maximierung der finanziellen Rendite hinausgehen. So würden Fair-Trade-Produkte gekauft, obwohl sie nicht besser schmeckten als andere, oder Konsumenten kauften Elektroautos, obschon deren Nutzerfreundlichkeit beschränkt und deren Betrieb im Vergleich zu Gefährten mit Benzinmotoren teurer sei.

Doch Firmen hätten eine natürliche Tendenz, die gesellschaftlichen Präferenzen ihrer Eigentümer zu ignorieren, weil dies einen Verzicht auf Umsatz erfordern könnte. Deshalb sei es nötig, dass die Manager durch Abstimmungsentscheide der Eigentümer geleitet und daran gehindert werden, ihre Politik allein am kleinsten gemeinsamen Nenner aller Eigentümer, dem Geldnutzen, auszurichten.

Die Anwendung von Ausschlusskriterien, wie sie die internationale Divestment-Bewegung propagiert, seien geeignet, diesen Prozess der Disziplinierung durch die Investoren zu unterlaufen, warnten die beiden Ökonomen. Die Folge wäre, dass die schwarzen Schafe der Unternehmenswelt just in die Hände der asozialsten Investoren geraten könnten, die versucht wären, allein den Gewinn zu maximieren, indem sie sich um die Präferenzen der Gesellschaft scheren. Die These von Ethos-Geschäftsführer Kaufmann suggeriert anhand der genannten Beispiele Glencore und Holcim, dass eine solche Spaltung trotz aktionärsdemokratischer Prozesse möglich werden kann.

„Guter Anfang, aber die UBS muss mehr tun.“

VINCENT KAUFMANN

% MEINE GRÜNE RENDITE

Die UBS ist nicht allein, viele Banken kämpfen mit der Integration von Nachhaltigkeitszielen. So oder so erfährt die UBS gerade, dass es in diesem Spannungsfeld ganz schön frustrierend sein kann, ein Musterknabe der Nachhaltigkeit werden zu wollen. Tröstlich kann die Bank für sich aber auch in Anspruch nehmen, mit ihrem Bemühen einen Beitrag für mehr freien Markt und weniger staatliche Regulierung zu leisten. n

Nachhaltiges Handeln steht bei uns schon immer hoch im Kurs.

post.at/ir

Die Österreichische Post ist im ständigen Auf und Ab des Kapitalmarktes ein zuverlässiger, attraktiver Dividendentitel. Auf Basis des soliden Kerngeschäftes und eines starken Cashflows soll nachhaltig eine Dividende von mindestens 75 % des Nettoergebnisses ausgeschüttet werden. Nähere Informationen unter post.at/ir

This article is from: