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KURZSTRECKENFLÜGE VERBIETEN?

Flüge belasten das Klima gravierend Was spricht für und gegen ein Verbot von Kurzstreckenflüge?

BRIEFING DANIEL NUTZ

Nach den harten Jahren der Pandemie befindet sich die Luftfahrt wieder im Aufwind. Laut aktuellen Passagierdaten liegt der Flugverkehr derzeit noch rund 15 Prozent hinter dem Vorkrisenniveau. Aber es gibt Märkte, in denen die Dynamik schon sehr stark auf Wachstum hindeutet. „In Asien dürfte der Luftverkehr in den kommenden Jahren kräftig wachsen“, schätzt Eric Heymann, Volkswirt und Experte für Mobilität und Energie bei der Deutsche Bank AG. „Flugscham“ ist seiner Einschätzung nach bislang eher ein europäisches Thema, wegen Initiativen wie Fridays for Future. Doch in Europa und auch in Nordamerika erkennt Heymann keinen drastischen Rückgang. Die Aktie der Lufthansa AG, Mutter von Swiss International Air Lines und Austrian Airlines, legte im Jahresvergleich zeitweise um mehr als 40 Prozent zu.

Hoher CO2 ­ Fußabdruck

Was die Aktionäre freut, treibt anderen angesichts das Klimaschutzes Sorgenfalten ins Gesicht. Laut einer Studie des deutschen Umweltbundesamts, die vom Zentrum für Luft- und Raumfahrt abgesegnet wurde, verbraucht ein Flugzeug auf einem Inlandsflug durchschnittlich 214 Gramm CO2 pro Person und Kilometer. Der entsprechende Wert für den Fernverkehr der Bahn liegt bei 29 Gramm CO2. Politisch gibt es in vielen europäischen Ländern die Diskussion, ob man Kurzstreckenflüge - dabei geht es um Strecken bis 1.000 Kilometern - verbieten soll. „Kurzstreckenflüge sind klimaschädlich, energieverschwendend und besonders unnötig, da es hier mit der Bahn geeignete Alternativen gäbe. Damit sich das Bahnfahren auch rechnet, brauchen wir einen Stopp der klimaschädlichen Flug-Subventionen und einen wirksamen CO2-Preis“, bringt Klimaexperte Karl Schellmann, Argumente des WWF gegen Kurzstreckenflüge auf den Punkt.

Das Argument der Gegenseite lautet: Die Bahn verfüge derzeit gar nicht über die Kapazitäten, um das Mobilitätsbedürfnis zu befriedigen. Obwohl bei Ge- schäftsreisen bereits ein Trend zu mehr Klimabewusstsein erkennbar ist, wie Daniel Wittwer, Leiter des Bereichs Geschäftsreisen bei der Schweizer Finass Reisen AG, erklärt. Es gebe weniger, dafür längere Reisen, sagt er zum Börsianer Grün. 40.000 Flugzeuge haben die Fluglinien bei den großen Herstellern Airbus und Boeing für die kommenden 20 Jahre bestellt.

Klar, der technologische Fortschritt hat auch dort Einzug gehalten. Effizientere Antriebssysteme sowie Leichtbauteile führen bereits jetzt zu Einsparungen. Richtig große Effekte verspricht die Branche durch den breiten Einsatz von Sustainable Aviation Fuels (SAF), die den Weg zu einem CO2-neutralen Fliegen bereiten sollen. Doch können wir so lange warten, oder gilt es, jetzt Kurzstrecken zum Wohle des Klimaschutzes aufzugeben? n

„Wir wissen dass die Emissionen in allen Bereichen sinken müssen, auch im Verkehrsbereich“, sagt Linus Dolder, Mitbegründer von Fridays for Future Schweiz. Das Argument, wonach Inlandsflüge nur für einen geringen Teil der CO2-Emissionen verantwortlich sind und daher zu vernachlässigen seien, hält Dolder für fragwürdig.

„Es stimmt, dass der Anteil der Emissionen von Kurzstreckenflügen, verglichen mit den gesamten Emissionen des Flugverkehrs und mit nur rund einem Prozent der gesamten deutschen Emissionen, relativ gering ist. Das ist aber kein zulässiges Argument.“ Fridays for Future sieht darin bloße Zahlenspiele. „Angenommen, man nehme die USA, die für 13 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich sind, und man würde sie in immer kleiner werdende Stücke aufteilen. Dann hat man am Ende keinen Teil mehr, der über ein Prozent der Emissionen verantwortet. Trotzdem müssten alle Klimaschutz betreiben, damit die Ziele erreicht werden. Kategorienspielerei zu betreiben und sich seinen Einfluss kleinzurechnen ist unseriös“, so Dolder.

Doch welche Alternativen gibt es? Linus Dolder bringt eine Studie von Greenpeace ins Spiel, wonach sich ein Drittel der meistgeflogenen Kurzstrecken bis 500 Kilometer mit Bahnfahrten von unter sechs Stunden bewältigen ließe. Würde man künftig alle top 250 in Europa geflogenen Kurzstrecken mit Zugfahrten ersetzen, würde man jährlich 23,5 Millionen Tonnen CO2 einsparen, ergänzt Dolder.

Und was ist mit dem Argument, dass womöglich in absehbarer Zeit eine emissionsfreie Luftfahrt durch alternative Treibstoffe möglich wird? „Das klingt schon verlockend. Aber die Realität sieht leider nicht ganz so rosig aus, wie die Dogmen des freien Marktes es einem manchmal weismachen wollen. Ja, vermutlich werden wir beides an einem Punkt entwickeln und einsetzen können. Auf absehbare Zeit wird, sofern wir es entwickeln, wenig dieser alternativen Kraftstoffen zur Verfügung stehen“, so Dolder.

„Ein Verbot von Kurzstreckenflügen brächte dem Klima nichts, denn diese verursachen nur 3,8 Prozent der CO2-Emissionen des Flugverkehrs.

Die meisten Reisenden würden dann mangels geeigneter Bahnverbindungen auf das Auto umsteigen“, meint Günther Ofner, Vorstand der Flughafen Wien AG. Hinsichtlich der Klimabelastung würde dies nichts bringen. Für die Luftfahrt gelten Distanzen bis zu etwa 1.000 Kilometern als Kurzstreckenflüge, das ist zum Beispiel die Entfernung von Wien nach Frankfurt. Kurzstreckenflüge seien Zubringerflüge zu großen Flughafendrehkreuzen. Der Großteil der Passagiere steige dort auf Weiterflüge, meistens interkontinentale Langstreckenflüge, um. Und um diese zu erreichen, müsse man rechtzeitig am Flughafen sein. Mit der Bahn sei das kaum machbar.

Ofner argumentiert mit dem Beispiel Wien: „Mehr als 70 Prozent der Passagiere eines AUA-Kurzstreckenflugs bis zu 400 Kilometern steigen am Wiener Airport in einen Weiterflug um. Sie wollen nicht nach Wien, sondern reisen weiter. Ohne Kurzstreckenflüge gäbe es von Wien aus auch keinen Langstreckenflug, denn 55 Prozent der von Wien aus Abreisenden sind Umsteigepassagiere.“ Und das wäre negativ. „Fallen diese Kurzstreckenflüge weg, gibt es auch keine tragfähige Auslastung für die Langstrecke mehr. Ein EU-weites Verbot würde nach Ansicht Ofners nichts bringen. „Wir würden die Anbindung an die Weltmärkte verlieren, der Wirtschaftsstandort würde massiv leiden. Wirtschaftsregionen wie die Türkei, China und der Nahe Osten ziehen schon heute immer mehr internationale Verkehrs- und Warenströme über ihre Drehkreuze an. In Istanbul steht aktuell der größte „Airport“ der Welt, und in China werden mehr als 200 neue Flughäfen errichtet.“ Den Bahnausbau begrüße Ofner prinzipiell. „Zug und Flug konkurrenzieren einander nicht, sondern ergänzen einander.“ Dort, wo die Bahn ein schnelleres und attraktiveres Angebot als das Flugzeug biete, werde sie auch bevorzugt genutzt, wie das Beispiel der Strecke Linz-Wien zeige.

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