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Im Porträt: Fatma Said
"Die Stimme ist der Spiegel von dem, was wir wirklich sind." - Die ägyptische Sopranistin besticht mit unverwechselbarer Ausdruckskraft
VON OLIVER BINDER
Die Grenzgängerin
Mit großer Hingabe und Entschlossenheit hat Fatma Said ihren Weg an die Weltspitze der Klassik genommen. Dort bringt sie einiges in Bewegung, bricht so manche Grenze auf, stellt scheinbar Festgelegtes in Frage. In ihren Rezitalen verwebt sie Fremdes und Vertrautes (wobei freilich was fremd und was vertraut ist von der Perspektive abhängt). Ihr mit dem Opus Klassik ausgezeichnetes Debütalbum »El Nour« legt schönstes Zeugnis davon ab. Said singt ägyptische Lieder in klassischer Manier und blendet umgekehrt ihren kulturellen Hintergrund bei der Interpretation des klassischen Repertoires nicht aus: »Wenn ich auf der Bühne bin«, erklärte sie in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk, »fühle ich mich meinem Land sehr verbunden und ich denke, dass das eine große Auswirkung auf mein Singen hat. Auch wenn ich Schubert, Schumann, Ravel und Debussy singe, habe ich immer das Gefühl, dass Ägypten einen Effekt darauf hat, wie ich das singe. Die ägyptische Musik hat eine ganz besondere Musikalität und Tonalität und eine Art von Legato, das ich öfter miteinbeziehe in die klassische Musik – was mir persönlich sehr hilft.«
Entschluss und Erfolg
Für die kulturelle Osmose zwischen West und Nahost trat und tritt Fatma Said, hier wie dort, ein. Anfangs galt es, die gesellschaftlichen Konventionen der Heimat zu überwinden. Denn dass sie als junge Frau – obgleich Schülerin eines deutschsprachigen Gymnasiums in Kairo – den Wunsch verspürte und schließlich das klare Ziel hatte, den westlichen klassischen Gesang zum Beruf zu machen, wurde selbst in ihrem engsten Umfeld mit Befremden registriert. Schließlich war es ihr Vater, der den Traum und den Mut seiner Tochter unterstützte und das Einverständnis für ein Studium in Berlin an der Hochschule für Musik Hanns Eisler gab. Ihre außergewöhnliche Begabung brachte der Künstlerin ein Stipendium für drei Jahre an der Mailänder Scala ein, wo sie als erste Ägypterin in der Geschichte dieses Hauses auftrat und in Peter Steins »Zauberflöte«-Inszenierung sogleich Publikum und Presse begeisterte: »Die lupenrein strahlende Fatma Said als Pamina«, jubelte die FAZ, »ist eine Entdeckung.«
Das Zentrum: die Stimme
Dabei verklärt Fatma Said nichts. »Ich habe als sehr junge Sängerin in Mailand meine Lektion auf harte Weise gelernt«, verriet sie dem Klassikportal Concerti, »bin verletzt und dadurch stark geworden und gereift.« Inzwischen weiß sie genau, wann die Zeit reif für Neues ist, will nur singen, wofür ihr »Herz brennt«. Sie überstürzt nichts, achtet auf sich und ihre Stimme. Diese ist ihr Zentrum – und ein eigenwilliges Wesen: »Meine Stimme macht mich verrückt«, erzählte Said der Süddeutschen Zeitung, »sie ist jeden Tag anders. Es ist, als ob ein zweiter Mensch in mir lebt, der eine ganz eigene Persönlichkeit hat. Ich darf nicht gegen diesen Menschen kämpfen, ich muss ihn unterstützen. Wenn ich aufwache, weiß ich nie, wie die Stimme sein wird. Die Stimme ist der Spiegel von dem, was wir wirklich sind, wie man sich wirklich fühlt.«
Fatma Said und ihre Stimme einigen sich zum Glück jeden Tag aufs Neue. Beflügelt von unbedingtem Ausdruckswillen, getragen von stupender Technik und Disziplin, inspiriert vom Empfindungsreichtum der einzelnen Stücke entfaltet sie das, was Thomas Mann einst die »Fülle des Wohlklangs« nannte. Nachzuhören ist das auch auf ihrer jüngsten Veröffentlichung »Kaleidoscope«. Wandelbar und nuancenreich lässt die Sängerin jedes Werk in seiner Farbe leuchten.
Ein weiter Horizont
Ausgerechnet dem Farbenreichtum romantischer Schein-Exotik kann Fatma Said viel abgewinnen, sie bestaunt sie als Kunstphänomen: »Viele dieser Komponisten, die Orientalistisches geschrieben haben, waren nie in diesen Ländern. Es war nur ihre Vorstellung, wie das sein kann. Das haben sie erklingen lassen, und das finde ich wunderbar. Ravel war nie im Nahen Osten und er hat ›Shéhérazade‹ geschrieben: Ich finde es genial.« Diesem feinsinnigen Liederzyklus widmet sich Fatma Said im Rahmen ihrer Porträtreihe im Konzert mit dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter Marin Alsop, in dem sie zudem Gustav Mahlers vierte Symphonie mit dem Lied vom »himmlischen Leben« ausklingen lassen wird.
Spanischer, ägyptischer und libanesischer Lieder nimmt sie sich in einem Programm mit dem Pianisten Joseph Middleton an, das auch Mozart- und Schubert-Lieder umfasst. Barocke Pracht und Sinnlichkeit wiederum prägen den Abend mit Countertenor Jakub Józef Orliński, an dem auf Pergolesis berührendes Stabat mater eine Fülle von Arien und Duetten aus Opern von Händel und Vivaldi folgt. Begonnen hat der Streifzug durch Fatma Saids verblüffende Vielseitigkeit im November mit der Plattform K+K Vienna: eine musikalische Reise durch vier Kontinente, die auch in ihre Heimat Ägypten geführt hat. Die insgesamt vier Konzerte der Porträtkünstlerin umfassen Epochen, Sprachen und Stile aller Art – in der Kunst ist Fatma Said überall zu Hause.
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Do, 11/01/24, 19.30 Uhr · Mozart-Saal
Liederabend
Fatma Said
Fatma Said, Sopran
Joseph Middleton, Klavier
Lieder von Wolfgang Amadeus Mozart, Franz Schubert, Robert Schumann, Manuel de Falla, Fernando Jaumandreu Obradors, José Serrano, Gamal Abdel-Rahim und Najib Hankash
Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/60748
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Mo, 29/01/24, 19.30 Uhr · Großer Saal
ORF Radio-Symphonieorchester Wien · Said · Alsop
Fatma Said, Sopran
Marin Alsop, Dirigentin
Claude Debussy: Prélude à l’après-midi d’un faune · Maurice Ravel: Shéhérazade · Gustav Mahler: Symphonie Nr. 4 G-Dur für großes Orchester und Sopran-Solo
Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/60789
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Sa, 02/03/24, 19.30 Uhr · Großer Saal
Il Giardino d’Amore · Said · Orliński · Plewniak
Fatma Said, Sopran
Jakub Józef Orliński, Countertenor
Stefan Plewniak, Violine, Leitung
Giovanni Battista Pergolesi: Stabat mater. Sequenz für Sopran, Alt, Orgel und Streichorchester · Arien und Duette aus Opern von Antonio Vivaldi und Georg Friedrich Händel sowie Instrumentalwerke von Antonio Vivaldi
Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/60831
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