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Orchester: Meer Musik
Das Meer mit seinem Auf und Ab, mit tosender Sturmlautstärke oder säuselndem Nonstop-Wellengekräusel ist eine Inspirationsquelle für Komponist:innen. Vier Meeres-Musiken erklingen in einem Konzert der Wiener Philharmoniker unter Philippe Jordan und mit der Sopranistin Nicole Car
VON CORNELIA DE REESE
Gutes Meer – böses Meer
Richard Wagner wäre die Ostsee auf seiner Fahrt von Riga nach London fast zum Verhängnis geworden: Ein Sturm hätte sein Schiff beinahe in die Tiefe gerissen. Wohl auch deshalb fiel »Der fliegende Holländer« so lebensnah aus. Zudem fügte er der Oper einen »Wassertropfen« aus dem beliebtesten Meer-Werk seiner Zeit hinzu, komponiert vom 19-jährigen Felix Mendelssohn Bartholdy. Dieser hatte sich das Doppelgedicht »Meeresstille und glückliche Fahrt« des Familienfreundes Goethe vorgenommen. Und das, obwohl er dem Meer noch nie so richtig nahegekommen war. Die beängstigende Ruhe der See legte er in die ersten tiefen Streicherklänge. Die Flöte kündigt das erste Lüftchen an, das sich verstärkt und die Segel Richtung Hafen treibt, wo das Willkommen mit kräftigen Bläserpartien fröhlich ausfällt.
Meer und Mehr
Ernest Chausson kombinierte seine Meeresmusik mit einer Liebesgeschichte, die sich symbolisch an die Jahreszeiten anlehnt. Hier erleben wir eine große Erzählung, mal in flammend heißen, mal in erstarrt kalten Zuständen, die in einer Art »impressionistischem Liebestod« endet – die Liebe so unstet wie der Ozean. Das Werk reifte ab 1882 ungefähr ein Jahrzehnt, dann hatte Chausson die Zeilen des Freundes Maurice Bouchor vertont. Besonders bestechend sind die sanften Wogen der Musik, die vor allem dem Violoncello und der Oboe gehören.
Ohne Meer geht nichts
Benjamin Britten war nur glücklich, wenn das Meer in seiner Nähe rauschte. Er war an der Küste in Suffolk aufgewachsen. Und Meeres-Musik war es, die ihn zum Komponieren »getrieben« hatte. Als Neunjähriger hatte er »The sea« von Frank Bridge gehört und wusste sofort: Solche Wellenporträts wollte er auch verfassen. Seine Oper »Peter Grimes« aus dem Jahr 1945 spielt am Meer. Die Opernzwischenspiele, die »Four sea interludes«, sind Meerespanoramen, in denen die Stimmungen der Hauptrollen ihren Spiegel finden. Dabei zieht Britten sein Publikum mit breiten Melodieströmen, die von aufwühlend-rhythmischen Passagen durchzogen werden, regelrecht in den Seelenstrudel der Figuren hinein.
Ein Mann wie das Meer
Claude Debussy wurde als sprunghaft empfunden, mal lachend, mal wortkarg, mal kräftige Beleidigungen austeilend. Das Schlimmste waren für ihn: Vorschriften. Debussy sprengte Grenzen mit stürmischem Willen, am heftigsten die Felsbrocken der Musiktheorie, die seine Akkorde damals als Unsinn deklarierte. Doch für Debussy galt nur die Schönheit des Klanges, auch wenn sie »erst von den Enkeln des 20. Jahrhunderts begriffen werden«, wie er formulierte. Debussy liebte das Meer, hier konnte er als Kind toben und lärmen. Eigentlich sollte er Matrose werden. Die Uraufführung von »La mer« 1905 war ein Desaster, doch das Werk begründete Debussys Ruf, den er im Alter genoss – am liebsten am Strand mit frischer Brise.
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Mo, 15/01/24, 19.30 Uhr · Großer Saal
Wiener Philharmoniker · Car · Jordan
Nicole Car, Sopran
Philippe Jordan, Dirigent
Felix Mendelssohn Bartholdy: Ouverture »Meeresstille und glückliche Fahrt« op. 27 · Ernest Chausson: Poème de l’amour et de la mer op. 19 · Benjamin Britten: Four sea interludes op. 33a (Peter Grimes) · Claude Debussy: La mer. Drei symphonische Skizzen
Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/60763
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